kunst Harald Reusmann Insekten, die, halb Soldaten, an Stengeln emporkrabbeln? In „Hybris: Fotoarbeiten zu Krieg und Militarismus“ fragt Reusmann „eindringlich nach dem Zusammenhang von menschlichem Verhalten im Krieg, nach der Auswirkung der Tatsache, in eine Uniform gesteckt worden zu sein, auf den menschlichen Charakter“. Worum geht es hier? Um das Tier im Menschen? P bis 13.11., Erich Maria RemarqueFriedenszentrum
Thomas Jankowski Was dabei herauskommt, wenn Thomas Jankowski „Wunschbilder“ malt, ist ja nicht nur in der Ausstellung „Ein Toastbrot und 11 Schwarze“ zu sehen. Aber diese Wunschbilder sind was ganz Besonderes: Jankowski malt Wunschbilder der Galeristin Bright Afua Letsah. Das sind dann Porträts berühmter Schwarzer – Bürgerrechtler, Musiker, Sportler. U. a. zu sehen: Malcolm X, Pele, Miriam Makeba, Fela Kuti. Sprechend allein die Werkstoffwahl: schwarze Tusche auf Leinwand. P ab 17.9., Galerie Letsah
Volker-Johannes Trieb Kunst im Supermarkt? Hier das Angebot der Woche: „Lebt der Mensch von Brot allein?“ Keramische Kunst, inszeniert auf alten Arbeitsmöbeln: Altar und Schlachtblock, Ölkanister und Schulbank, Holzstuhl und Metallschrank. Trieb: „Stellen Sie sich vor, Sie gehen nicht nur an Mineralwasser, Schokolinsen oder Avocados vorbei, sondern auch an Kunst. Sie befindet sich dort, wo man sie am wenigsten erwartet, aber auch genau dort, wo sie am wirkungsmächtigsten ist.“ HPS P 25.9. bis 1.10., Edeka Kutsche, Voxtrup 34 STADTBLATT 9.2016
Von hier nach da Sechs Stunden öffnen in der „Langen Nacht der Ateliers“ Künstler ihre Arbeitsräume. Wer auch nur die Hälfte davon sehen will, braucht Kondition – und einen guten Routenplaner.
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emeinschaftsatelier Wachsbleiche. Unscheinbare Klingel, schmaler Eingang, neben dem Karate-Dojo eine düstere, seltsam massive Treppe hoch, so betagt industriell wie die Halle, in die sie führt. Früher war hier mal eine Schokoladenfabrik drin, heute sind es fünf Ateliers, von Hendrik Spiess bis Bernd Rüsel. Es riecht nach Farbe und Lösungsmittel, und es steht unglaublich viel herum, vor-, über-, neben-, in- und aufeinander, alles mögliche, ganze Sammlungen – wer alldas identifizieren will, braucht Jahrhunderte. Inspiration hinter jeder Ecke. Ein Arbeitsraum, den nur selten Außenstehende zu sehen bekommen. Überall Versuche, Skizzen, Proben, Halbfertiges. Das hat Intimität. Bernd Rüsel: „Genau das macht es für Besucher natürlich spannend.“ Er schmunzelt. „Aber ein bisschen aufräumen werden wir bis dahin wohl schon.“ Bis dahin? Für Samstag, den 24. September, steht „Die lange Nacht der Ateliers“ an, 18 Uhr bis Mitternacht, im Rahmen des Aktionswochenendes „100 Stunden Extra-Zeit“, das von der Lesung bis zur Performance seinerseits das diesjährige Osnabrücker Kultur-Schwerpunkthema „100 Tage, ein Thema: Zeit!“ akzentuiert. Rund 40 Osnabrücker Künstler, von Wilfried Bohne bis Monika Witte, öffnen ihre Räume. Rüsel: „Aber wir veranstalten da keinen Affentanz, wie es in Eventzeiten vielleicht mancher erwartet. Wir sind da und zeigen unsere Arbeiten.“ Malerei, Installationen, Objekte, Fotografie. „Ist viel Aufwand, für eine solch kurze Zeit alles präsentabel zu machen. Aber die Idee ist natürlich unterstützenswert – das Engagement der Stadt für die lokale Szene hält sich sonst ja eher in Grenzen ...“ Die Köpfe hinter der Idee sind Patricia Mersinger, Leiterin des städtischen Fachbereichs Kultur, und Anke Bramlage, in deren Projektbüro alle Fäden zusammenlaufen. Mersinger: „Das hilft sicher auch, Hemmschwellen zu senken.“ Ganz neu ist die Idee allerdings nicht, auch nicht für Osnabrück: Vor Jahren, als es die „arte regionale“ noch gab, hieß sie „Open up“, später dann, 2009, „Kunst vor Ort“ – auch da war die Wachsbleiche dabei. Damals wie heute eine der Hauptschwierigkeiten: die Ateliers liegen über die halbe Stadt verteilt. Mersinger: „Ideal wäre natürlich ein eigener Shuttleservice.“ Sind 40 Künstler eine gute Resonanz? Mersinger: „Wir sind sehr zufrieden. Klar, die Szene ist weitaus größer. Aber ich nehme an, das muss sich erst-
FOTO: MAIK REISHAUS
sehenswert
„Ein bisschen aufräumen werden wir bis dahin wohl schon“: Bernd Rüsel, Wachsbleiche mal einspielen.“ Pause. „Wir betrachten das schon als einen guten Einblick in die künstlerische Vielfalt der Stadt.“ Der geht von Urgesteinen wie Johannes Eidt bis zu Newcomern wie David Rauer, von Film bis Zeichnung. David Rauers Atelier im Schinkel ist sicher eins der kleinsten – knapp 20 qm. Publikum ist dort eine Premiere. Rauer: „Ich bin da ja gerade erst eingezogen.“ Wie sein Abend ablaufen wird? „Vielleicht gibts eine Skulptur, an jeder mitgestalten kann, vielleicht auch Musik.“ Pause. „Und vielleicht stell ich ein paar Bänke raus. Ich seh das ja auch als Möglichkeit, mal ein paar Nachbarn kennenzulernen.“ Auch Gildas Coudrais, derzeit eher in Städten wie Los Angeles präsent, sieht die Sache entspannt: „Für mich selbst bräuchte ich das eigentlich
nicht. Aber okay, es ist eine Chance, mein Osnabrücker Publikum zu reaktivieren, gern auch bei einem guten Glas Wein.“ Sein Programm? „Ich zeige Arbeiten von mir, die gerade aus Berlin zurück sind.“ Was er vom Schwerpunktthema Zeit hält? „Naja, breiter geht’s natürlich kaum. Nichts, dass da nicht reinpasst. Aber darum gings ja auch wohl.“ Übrigens: Nicht alle Künstler der „Langen Nacht“ öffnen ihr Atelier. Norbert Henze etwa, alias Jonathan, der Mann mit der Schweißerbrille. Er inszeniert sich und seine Metallkunst funkensprühend am Hauptbahnhof. Wegzeichen für alle: Am Eingang steht immer eine Kerze. Erleuchtung also, und wenn sichs einspielt, sinds nächstes Mal vielleicht schon 100 Ziele. HARFF-PETER SCHÖNHERR