Stadtblatt 2014 08

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Fernost? Norddeutsche Tiefebene? Beides.

Beuys wirkt nach und Buddha lächelt Ein Spaziergang durch Zeiten und Kulturen: Der Waldsteinskulpturenpark bei Bippen TEXT/FOTO HARALD KELLER

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er Vergangenheit nachhorchen. Zeitgenössische Kunst betrachten. Auf Entdeckungsreise gehen. Überraschungen zulassen. Oder schlicht in einer Wanderpause Kaffee und Kuchen genießen. Wie immer man sich dieser Jahrhunderte alten Hofanlage nähert, ihrem Flair kann man sich nicht entziehen. Heute beherbergt sie die Freie Kunstakademie Maiburg, die ohne Lehrpläne und Pflichtveranstaltungen auskommt. „Die erste Akademie war 360 vor Christus ein Hain in Athen, der Akademos gewidmet war“, erläutert Gastgeberin Lilo Mastall. Diesen Hain machte Platon zum Philosophischen Garten; Lilo und Dieter Mastall möchten an diese Tradition anknüpfen. „Die Menschen gehen hier durch, haben Freude an dem, was sie sehen, werden durch die Freude inspiriert, motiviert, und das ist der erste Keim des Studierens.“ Die Idee, ein öffentliches Forum für Kunst, Kultur und Umweltbildung zu schaffen, entstand schon am früheren Wohnsitz der Familie Mastall in der Grafschaft Bentheim. Doch der war nur für befristete Zeit gepachtet. Die Suche nach einer Alternative führte von der Nordseeküste bis nach Süddeutschland. Durch puren Zufall stieß Dieter Mastall auf das nördlich Osnabrücks zwischen Schwagstorf und Bippen gelegene Anwesen. Ein anderer Interessent kam ihm zuvor, aber im zweiten Anlauf klappte es. Am 1. Mai 1980 konnten die Mastalls das 1,4 Hektar große Grundstück übernehmen. Und mussten erst einmal mächtig Hand anlegen. Steine wurden bewegt, alte Gebäude renoviert, ein weitläufiger Garten angelegt. Ein denkmalgeschütztes Hallenhaus aus dem Jahr 1640 wurde in Westerkappeln abund originalgetreu wieder aufgebaut. Heute dient es als Ausstellungsraum und bietet als Café gemütliche Sitzgelegenheiten, mit Blick nach draußen durchs offene Tor oder zünftig am Kamin. Die Liegenschaft hat eine lange Geschichte. Beim Herrichten des Grundstücks stießen die Mastalls auf eine uralte Begrenzungsmauer, außerdem

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auf von Menschenhand ausgerichtete Findlinge, die vermutlich ähnlich wie Stonehenge kalendarischen Zwecken dienten. Es gibt Hinweise, dass das Gelände zu heidnischer Zeit als Schutzburg genutzt wurde, in die sich die Menschen zurückzogen, wenn Überfälle drohten. Mutmaßlich rührt daher der Begriff Maiburg für das umliegende Waldgebiet. Heute trifft in der Freien Kunstakademie Maiburg die Vorzeit auf die Moderne, zum Beispiel auf den offenen Kulturbegriff Joseph Beuys‘, dem Dieter Mastall in dessen Düsseldorfer Jahren persönlich begegnete. Ein anderer Einfluss verdankt sich einem längeren Aufenthalt in Nepal und dem Austausch mit exilierten tibetanischen Mönchen. Fernöstliche Statuen und Keramiken finden sich auf dem gesamten Gelände, in korrespondierendem Kontext mit christlichen Symbolen, Assemblagen und Werken anderer Künstler wie dem Bildhauer Ulli Schnöckel. Einige seiner Lichtobjekte haben im Grünbereich einen festen Platz gefunden. Die Gartenanlage insgesamt ist als Kunstwerk zu verstehen. Es gibt Beete mit strenger Ordnung, aber auch eine Art Wildwuchszone unter dichten Laubkronen mit Weiher, Lauben, Stegen. Ferner einen spiralförmig zu begehenden Hügel, exotische Pflanzen. Mit dieser botanischen Vielfalt und Pracht erinnert die zaubrische Sphäre an britische Cottage-Gärten, an The Lost Gardens of Heligan in Cornwall, das walisische Portmeirion. Seit 1990 ist der Park öffentlich, 2000 war er Außenprojekt der Hannoveraner Expo, die Bundesstiftung Umwelt gehörte zu den Förderern, der verstorbene Ex-Documenta-Leiter Jan Hoet zu den Befürwortern. So positiv die Resonanz – „sagenhaft schön“ urteilt eine Wandererseite im Internet –, es gab Rückschläge. Wirtschaftlich und im privaten Bereich. Das ursprüngliche Familienprojekt wird heute vom Ehepaar Mastall alleine geführt. Keine geringe Last, weshalb die beiden gern ehrenamtlich unterstützt würden. Außerdem bieten die Mastalls interessierten Künstlern – auch Studierenden – Arbeits- sowie Ausstellungsmöglichkeiten im Innen- und Außenbereich; Bewerbungen sind jederzeit möglich. Alle nötigen Informationen findet man bei Facebook unter dem Link bit.ly/1mJxpeq. Freie Kunstakademie Maiburg, Alte Dorfstraße 1, 49626 Bippen, Tel. 0172-82430542, geöffnet ganzjährig von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang


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