Stadtblatt 2014 05

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Herz & Bauch Sie machen Balkan-Beats, das es nur so abgeht. Bei Shantel & Bucovina Club Orkestar fühlt man sich wie auf einer sehr guten Party.

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tefan Hantel alias Shantel ist viel rumgekommen: Der Musiker, Produzent und DJ aus Frankfurt am Main legte schon als Grafikdesign-Student im eigenen, provisorischen Club im Frankfurter Rotlichtviertel auf, um seine Miete bezahlen zu können, fand während eines längeren Aufenthalts in Paris Gefallen an der einheimischen, smoothen Variante elektronischer Musik, legte während der zweiten Intifada in Tel Aviv auf und fand bei einer Reise durch Osteuropa in der Heimat seiner Großeltern im Jahr 2000 den fehlenden Baustein zu seiner Seele und seinem Sound. Nach frühen Erfolgen als Downbeat-DJ mit seinem eigenem Label „Essay Recordings“ emanzipierte sich Shantel komplett vom angloamerikanisch geprägten Mainstream und kreiert seitdem abgehenden Balkan-Beat, der, O-Ton des Künstlers, „ins Innere, ins Herz und in den Bauch geht“ – und nicht zuletzt auch ziem-

lich in die Beine. Shantel verbindet unter anderem Einflüsse aus rumänischer, albanischer und jiddischer Musik mit dicken Beats, macht außerdem Remixe von Tracks osteuropäischer Künstler und stellt aus eigenem und fremdem Material Compilations zusammen, zu denen es sich exzellent feiern lässt. Für die Aufnahmen seines preisgekrönten 2007er Albums „Disko Partizani“ gewann er in der Szene bekannte Musiker wie Marko Markovic, Veska Petkovic und Ruth Maria Renner. Letztere dürfte auch außerhalb von Kennerkreisen den meisten ein Begriff sein: Ihr Künstlername lautet Miss Platnum, ihres Zeichens Wahlberlinerin und Besitzerin einer absoluten Hammerstimme; sie arbeitete auch unter anderem schon zusammen mit Peter Fox und Marteria. Fatih Akin unterlegte seinen Film „Auf der anderen Seite“ mit Musik von Shantel, und sogar Sasha Baron Cohens berüchtigter Streifen „Borat“ kommt nicht ohne einen seiner Tracks aus. Diese Referenzen können sich sehen lassen, genauso wie die Show: Live bringt Shantel seine Musik mit dem Bucovina Club Orkestar auf die Bühne. Den Namen für das durchge-

Ein Dorf feiert Im Mai steht traditionell eine Landpartei auf dem Musikplan – zum Venner Folk Frühling. Dort spielen ein Wochenende lang regionale und internationale Bands.

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wölf. So viele Musiker stehen auf der Bühne, wenn Crystal Pasture auftreten. Die Band klingt dem Namen nach nach Manchester oder London, kommt aber aus der ostwestfälischen Provinz.

Elf Männer und eine Frau: Crystal Pasture

Das ist wichtig zu wissen, denn Crystal Pasture entstauben die Klänge ihrer Heimat. Sie versorgen die Volksmusik mit einem Update: in Richtung Polka, in Richtung Ska, in Richtung IndieFolk und Rock. Spielfreude ist ein strapaziertes Wort, aber bei dieser Band angebracht. Ausgestattet mit Geige, Klarinette, Akkordeon, Flügelhorn, Posaune und den üblichen Verdächtigen wie Gitarre, Bass und Schlagzeug singen Crystal Pasture über das ländliche Leben oder die Getreideernte genauso wie über Liebe. Eine tolle Band, die ei-

Das durchgeknallte Feierkommando: Shantel & Bucovina Club Orkestar knallte Partykommando lieh er sich von einer Gegend in der heutigen Ukraine, aus der seine Großeltern stammten; die Musiker trommelte er auf dem ganzen Balkan zusammen.

ner großen Familie gleicht. Aus dem entgegengesetzten Ende des Landes kommen IRXN. Nämlich aus Bayern. Das erklärt auch ihren altbayerischen Namen: IRXN bedeutet so viel wie Kraft und Energie. Das Quintett spielt einen zünftigen Folk-Rock mit keltischem Touch. Und sie sind eine echte Festival-Legende und haben alles gespielt, was der Süden hergibt – vom Tollwood in München bis zu den Bavarian Highland Games in Pfaffenhofen. Live darf man ihren Sound durchaus als urwüchsig beschreiben. Eine brachiale Tuba legt sich mit dem donnernden E-Bass an, flankiert von

Augenzeugenberichten zufolge fließt der Wodka in Strömen, wenn die Truppe kommt, also: Tickets sichern. MARKUS STROTHMANN

P 22.5., Bastard Club

einer wilden E-Gitarre und einer sensiblen Geige. Und über allem steht der Gesant von Frontmann Berni Maisberger mit seinen poetisch-provokanten Texten. Auf die Frage, wie IRXN ihren Musikstil klassifizieren würden, sagen sie: „Volksmusik meets Metallica“. Wieder zurück in den Norden. Nach Irland. Dort, in der Heimat des Irish Folk, sind Beoga zuhause. Sie verbinden die Tradition irischer Musik mit Blues und Jazz und präsentieren so einen ganz neuen, individuellen Sound. In Irland ist die Band seit ihrem Debütalbum 2004 regelmäßig in den Charts vertreten und zählt zu den Topbands des Irish Folk. Auch in den USA haben sie viele Fans. Ein besonderes Highlight in ihrer Karriere war ein Konzert zusammen mit dem BBC Orchestra im Rahmen der „Last Night Of The Proms“. Crystal Pasture, IRXN und Beoga das sind nur drei von rund 40 Bands, die an drei Tagen auf dem Venner Folk Frühling spielen. Im Gasthaus Linnenschmidt und dessen Biergarten, auf dem Kirchplatz oder der Mühleninsel sowie in der Walburgiskirche. Die Fahrt von Osnabrück in den Landkreis lohnt sich also auf jeden Fall. Es gibt zusätzlich am Sonntag auch noch einen Kunsthandwerkermarkt, ein Muttertagsfrühstück und um 10 Uhr einen Ökumenischen Gottesdienst. P 9.-11.5., Venne

MARIO SCHWEGMANN

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