STADTBLATT 2012.09

Page 18

einnahmen, ausgaben

Dirk Näpel, Big Buttinsky: Einnahmen umverteilen!

Das leidige Thema Die von der GEMA im Alleingang ausgetüftelten neuen Tarife für den Veranstaltungsbereich sorgen für einen Sturm der Entrüstung unter Clubbetreibern und Konzertveranstaltern. Was hält die Osnabrücker Szene von all dem? VON MARCO GAUSMANN FOTO MARIO SCHWEGMANN

s

tein des Anstoßes sind die ab April 2013 geltenden Tarife „für Aufführungen mit Unterhaltungs- und Tanzmusik mit Musikern“ sowie der „für Unterhaltungs- und Tanzmusik mit Tonträgerwiedergabe mit Veranstaltungscharakter“, wie es in bester GEMA-Prosa heißt. Der Hintergrund ist folgender: Wer Musik in irgendeiner Weise öffentlich aufführt, muss dafür an die „Gesellschaft für musikalische Aufführungsund mechanische Vervielfältigungsrechte“ zahlen, die das Inkasso wiederum den Urhebern zukommen lässt – so zumindest in der Theorie. Elf Tarife für diesen Bereich Livemusik und Disko sollen zu zweien zusammengefasst werden, und wie es aussieht, wird es teurer. Der Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten. Von Kostensteigerungen im vierstelligen Prozentbereich ist die Rede, und von Diskos, die von der Schließung bedroht seien. Getreu dem Motto „Es ist fünf vor zwölf“ wurde bundesweit und auch in

18 STADTBLATT 9.2012

Osnabrücker Clubs jüngst kurz vor Mitternacht für fünf Minuten der Ton abgedreht – mit dem Resultat, dass sich die ohnehin schon aufgebrachten Veranstalter, Musiker und Hörer im Internet gerade so richtig warm machen. Und flugs springt auch Ministerpräsident McAllister auf diesen Zug auf und droht mit politischer Kontrolle. Es ist Wahlkampf, die CDU im Umfragetief. Die Osnabrücker Clubszene hat schon kalkuliert. „So wie es aussieht, müssen wir wohl für das Glanz & Gloria und die Kleine Freiheit das Dreieinhalbbis Vierfache zahlen“, rechnet Betreiber Guido Remmert. Das Argument der GEMA, dass viele Clubs bisher zu wenig zahlten, lässt er nicht durchgehen. „Viele machen sich keine Gedanken, wie wenig der Einnahmen am Ende noch übrig bleiben.“ Falls die neuen Tarife tatsächlich so wie angekündigt kämen, werde man auf jeden Fall in irgendeiner Weise reagieren müssen.

„Teile der GEMAReform sind Unsinn“ Dirk Näpel, Big Buttinsky Auch Conny Overbeck vom Hyde Park ist skeptisch. „Für uns würde es sich ja zum Beispiel am Donnerstag kaum noch lohnen, den Laden aufzumachen.“ In der Tat verlaufen die neuen Tarife linear je 100 Meter Clubfläche und je einem Euro Eintrittspreis – das sind die vielzitierten zehn Prozent, die die GEMA haben will. Problem: Kassiert wird nicht für die tatsächlich anwesenden 150 Leut-

chen, sondern für einen ausverkauften Hyde Park. Einer, der sich schon intensiv mit der GEMA und ihrer Geschichte beschäftigt hat, ist Dirk Näpel alias Doerk vom Big Buttinsky, der beide Seiten der Medaille kennt, sowohl als Veranstalter wie auch als Musiker. Dass die kleinen Veranstalter durch die Tarif-Reform entlastet werden, wie die GEMA behauptet, hält er für Unsinn: „Die Kleinen werden vielleicht weniger stark mehrbelastet als die Großen.“ Teurer werde es aber für alle. Mehr als das kritisiert er aber die als „GEMA-Vermutung“ titulierte Beweislastumkehr der Veranstalter gegenüber der GEMA. „Auch bei GEMA-freien Konzerten zahlen wir die Gebühr freiwillig, andernfalls müssten wir denen deswegen zahlreiche Daten über die Bands liefern.“ Die Idee der Verwertungsgesellschaft an sich findet er jedoch durchaus sinnvoll. In einem Punkt sind sich alle Veranstalter und Clubbetreiber jedenfalls einig. Bastard-Club-Wirt Schnalli, als Dampfmaschinen-Drummer auch Mitglied in der GEMA, bringt es auf den Punkt: „Die Einnahmen der GEMA müssten anders aufgeteilt werden. Die kleinen müssen mehr abbekommen und auf diese Weise mehr gefördert werden.“ – „Wer da letztlich absahnt, sind die Schlagerkönige“, meint Conny Overbeck vom Hyde Park. Ob das Ganze wirklich so kommt wie befürchtet, ist allerdings fraglich. Erst kürzlich veröffentlichte die GEMA eine aktualisierte, weniger drastische Version der neuen Tarife. Außerdem läuft gerade noch ein Schiedsstellenverfahren bei der Aufsichtsbehörde der GEMA, dem Patent- und Markenamt. Vielleicht war dann doch alles nur viel heiße Luft?


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.