UZ 5 2016

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Illustration: Kim Arbenz

EN IT I S SE X 8 A IT P R M R V

UNTERNEHMER ZEITUNG

Nr. 5, Mai 2016 22. Jahrgang, Fr. 8.– www.unternehmerzeitung.ch

WERBEALLIANZ SRG, Swisscom und Ringier haben ein Paket geschnürt: Insgesamt 80 Medienmarken werden im Joint Venture Admeira gebündelt. Das löste in der Branche ein Beben aus. Seiten 9 – 15

TUNNELSTOLZ Noch nie waren sich Nord und Süd so nah. Am 1. Juni wird der Gotthard-Basistunnel feierlich eröffnet: Unser GotthardSpezial. Seite 36

MARKETING Sind Sie infiziert? Gute Geschichten sind der Kern erfolgreicher Viral MarketingKampagnen. Seite 44

MEDIENKOLOSS HEBT AB AB SEITE 9

VR-PRAXIS Die erste Halbzeit der Digitalisierung ist vorbei. Für die Zweite fordert Unternehmer und Ständerat Ruedi Noser mehr Schweizer Milliardenkonzerne. Seite 58

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EDITORIAL

Innovation ist mehr als Technik Die nationalen Innovationsparks nehmen Gestalt an. Im Aargau etwas schneller, in Dübendorf etwas langsamer – aber es geht voran. Die neuen Standorte für Forschung und Entwicklung sollen die Schweiz noch besser auf der Weltkarte der Innovation verankern und vor allem die Wettbewerbsfähigkeit des Landes stärken. Die Idee wurde vor einem Jahrzehnt vom heutigen Zürcher FDPStänderat Ruedi Noser lanciert, heute ist sie angesichts der Frankenstärke besonders willkommen. Die Idee hat auch ihre Kritiker. Avenir Suisse etwa sieht in den Innovationsparks ein veraltetes Fördermodell. Befürworter dagegen können auf das Beispiel des Technoparks in Zürich verweisen und auf dessen Partner in der Technopark-Allianz, darunter den sehr erfolgreichen Bio-Technopark in Schlieren. Sie können auch auf die vielen Ausgründungen aus der ETH Lausanne zeigen – deren scheidender Präsident Patrick Aebischer hat die einstige kleine Schwester der ETH Zürich zu einem Motor der Wirtschaft am Genfersee gemacht. Ob der nationale Innovationspark nun die Erwartungen erfüllt, muss sich erst noch zeigen. Aber es sollte auch gefragt werden, ob es die richtigen Erwartungen sind. Ein einfaches Gedankenexperiment: Hätte Facebook in das Förderraster gepasst? Google? Apple mit dem iPhone? Alle drei Unternehmen haben eines gemeinsam: Sie waren keine technischen Innovatoren. Vor Facebook gab es MySpace und andere, vor Google Altavista und Yahoo, vor Apple gab es funktionstüchtige «kluge» Mobiltelefone. Alle drei haben vorhandene Lösungen ein bisschen verbessert, ein neues Geschäftsmodell mitgebracht und vor allem viel, viel Werbung gemacht – und damit ihre Konkurrenten vom Markt gedrängt. Die Schweiz ist ein Land der Tüftler und Ingenieure. Gib ihnen ein technisches Problem und sie werden es lösen. Gib ihnen ein technisches Gerät und sie werden es verbessern. Reicht das, um das hohe Niveau der Schweiz zu halten? Oder müssen die erfolgreichen Wirtschaftsbranchen der Schweiz fürchten, eines Tages vom Markt gedrängt zu werden? Der Siegeszug der Smartwatch deutet darauf hin. Innovation ist mehr als Technik. Und dafür sind die nationalen Innovationsparks bisher keine Lösung.

Steffen Klatt editorial@unternehmerzeitung.ch www.unternehmerzeitung.ch

INHALT

4 KÖPFE UND KARRIEREN 7 PODIUM 9 –15 THEMA: WERBEALLIANZ Admeira: Innovative Allianz 10 Goldbach will offenen Markt 11 Medientechnologie von morgen 12 Initiative DigitalZurich2025 14 Medienförderung Schweiz 15 EUROPA Das Experiment der Finnen Brexit: Der Countdown läuft

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EXPORT E-Commerce erobert Indonesien Schindler scheitert in Japan

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INNOVATION ComfyLight: Blinken statt Bellen

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CLEANTECH Material für Mikroroboter Iowa setzt ganz auf Wind

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GELD AHV: Vom Geben und Nehmen Policen eines Megaprojekts 2. Säule: Ein kalkuliertes Risiko

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DIGITAL Vertrauen im Cloud-Computing IT-Fachkräftemangel: PiBS Informatiktage 2016 IT-Ratgeber

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MOBIL Gotthard Spezial Meilen sammeln im Schlaf

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MANAGEMENT UZ-Serie: Karin Bertschi

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MARKETING SEO: Wer lotst, wird gefunden De Wernli teilt me gernli Viral Marketing

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PIONIERE M. O. Winterhalter: Reissverschluss 52 UNTERNEHMEN Virtamed AG: Virtuelle Patienten

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VRPRAXIS Ruedi Noser: offen statt reaktionär Kunden zu Kaisern krönen Partiarische Darlehen Das ABC der GV

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WEITERBILDUNG Einfach mal Nein sagen

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NETZWERKE Centre Patronal Swiss Venture Club (SVC)

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EVENTS Swiss Economic Forum Arbeitssicherheit Schweiz 2016

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BÜCHER Joël Luc Cachelin: Update!

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10 FRAGEN AN Raoul Stöckle, Äss-Bar GmbH

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KAPITALMARKT & IMPRESSUM DAS LETZTE

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Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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KÖPFE UND KARRIEREN

BERATERIN Die auf die Reisebranche spezialisierte PR-Agentur Primus Communications GmbH hat SOPHIE PORTENIER in sein Beraterteam aufgenommen. Vor ihrem Wechsel arbeitete sie beim Club Med in zwei Hotel-Resorts in Frankreich und der Türkei und war bei der MSC Kreuzfahrten AG in den Bereichen PR, Sponsoring und Social Media tätig. Portenier absolvierte ihre Lehre zur Kauffrau bei der SBB.

VERWALTUNGSRATSPRÄSIDENT Die Implenia AG wählte im März 2016 HANS-ULRICH MEISTER zum neuen Mitglied und Präsidenten ihres Verwaltungsrates. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit bei der Credit Suisse als Head of Private Banking & Wealth Management und zuletzt als CEO, verfügt er über weitreichende Finanzkompetenz. Davor war er bei der UBS über 20 Jahre in verschiedenen Führungsfunktionen tätig, unter anderem als Leiter Privat- und Firmenkunden in der Schweiz.

HEAD OF LIFE Zurich Schweiz ernennt CHRISTINE THEODOROVICS per 1. April 2016 zum neuen Head of Life. Die gebürtige Wienerin mit Schweizer Pass war seit März 2013 CEO of Global Life Austria. Zuvor war sie als Head of Business Development im Corporate Center von Global Life Zurich tätig. Sie verfügt über einen MBA der Wirtschaftsuniversität Wien, einen Master of Arts in European Economic Studies sowie einen Abschluss in Banking.

CHIEF EXECUTIVE OFFICER Per 1. Januar 2017 wird DIRK LAMBRECHT, der langjährige Leiter des Konzernbereichs Sealing Solutions, die Geschäftsleitung der Dätwyler Gruppe übernehmen. Vor seinem Wechsel war Lambrecht Geschäftsführer der Phoenix Traffic Technology GmbH. Von 1987 bis 2003 war er in verschiedenen internationalen Führungsfunktionen bei der Phoenix AG tätig. Er verfügt über ein Diplom als Maschinenbauingenieur.

LEITERIN BESCHAFFUNG Am ersten April 2016 übernahm CAROLINE INAUEN die Stelle als Leiterin Beschaffung der Hälg Building Services Group. Zuvor war sie als Teamleiterin und Projektleiterin Heizung/ Kälte im Unternehmen tätig. Die gelernte Kauffrau und Betriebswirtschafterin HF verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Beschaffungswesen und damit über einen grossen Erfahrungsschatz in den Bereichen Einkauf, Prozesse und Disposition.

LEITER UNTERNEHMENSKOMMUNIKATION Die Privatklinikgruppe Hirslanden ernennt FRANK NEHLIG zum neuen Leiter der Unternehmenskommunikation. Seit 2008 ist Nehlig bei Bühler Group in verschiedenen leitenden Positionen tätig. 2014 prägte er die Reorganisation des Konzerns massgeblich mit. Vor seiner Zeit bei Bühler arbeitete Nehlig als Communications Manager bei der Angst+Pfister Group und als Redaktionsleiter bei euroscript Switzerland.

DIRECTOR BRAND MANAGEMENT Per 1. Juni 2016 wird MARCO BRÜTSCH die Leitung des Brand Managements und der Marketing-Kommunikation bei Edelweiss Air übernehmen. Brütsch hat zwei Studienabschlüsse im Bereich Marketing und ist aktuell bei Swiss International Air Lines als Manager Marketing Communications Campaigns tätig. Zuvor arbeitete er während fünf Jahren als Werbeleiter bei Amag/Seat und vier Jahre als Consumer Activation Manager bei Jaoan Tobacco International.

CHIEF EXECUTIVE OFFICER MARCEL STALDER (45) übernimmt per 1. Juli 2016 die Geschäftsleitung von EY Schweiz. Der gebürtige Innerschweizer leitet seit 2013 den Geschäftsbereich Financial Services, der unter seiner Führung auf umfassende und strategische Beratungsdienstleistungen ausgerichtet wurde. Marcel Stalder ist seit 2014 Mitglied des Verwaltungsrates von EY Schweiz und ist Mitglied des EMEIA Führungsteams für Financial Services.

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UnternehmerZeitung | Nr. 5 2016

INFO Mitteilungen für diese Rubrik: Text und Foto (300 dpi > 1MB) arbenz@unternehmerzeitung.ch


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PODIUM

Doppelte Unentbehrlichkeit MEDIENKRITIK Die Medien kritisieren und die Medien werden kritisiert. Beides ist unentbehrlich in einer Demokratie. Denn ohne kritische Medien wird die Demokratie zur Demokratur. Und ohne Kritik an den Medien wird die Publizistik zur überheblichen, unkontrollierten Macht. TEXT R O G E R B L U M

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Copyright SRF/Oscar Alessio

tellen wir uns vor, es gäbe von Instrumenten gehört andererseits die einem Tag auf den andern inhaltliche Selbst- und Fremdregukeine Medien mehr. Viele lierung. Die Selbstregulierung, die wären zunächst glücklich, vor durch kritischen Diskurs die Glauballem die Mächtigen in Politik, Wirtwürdigkeit der Medien stärken will, schaft, Kultur und Sport. Sie wären entspringt der Eigeninitiative der die lästigen Kritiker los. Sie könnten Medienbranche. So unterhalten die freier schalten und walten. Aber bald Journalistenverbände, der Verlegerwürden alle Menschen merken, dass verband und die SRG den Schweizer etwas fehlt: Sie wären nicht mehr Presserat, der bei Beschwerden die informiert darüber, was in dieser Welt Regeln der Medienethik anwendet. passiert. Sie müssten ohne WetterproDrei private Medienunternehmen gnosen und Börsenkurse, ohne Todeshaben zudem eigene Ombudsstellen anzeigen und Stauberichte, ohne Polieingerichtet. Die Fremdregulierung zeimeldungen und Kriegsnachrichten, wiederum ist im Radio- und Fernohne Theaterkritiken und Sportreporsehgesetz vorgesehen. Bei der Unabtagen auskommen. Sie würden nur hängigen Beschwerdeinstanz (UBI) noch das erfahren, was sie mit eigenen kann jeder Beschwerde gegen SenDie Medien und die Mächtigen: Sie teilen aus und stecken ein. Augen sehen oder was ihnen erzählt dungen erheben; man muss sich allerBilder: Depositphotos.com, faraways, palinchak/zVg wird. Denn es gäbe kein Internet, kein dings zuerst an die vorgeschalteten Telefon, kein Fax, keine Briefpost, sprachregionalen Ombudsstellen keine Bücher, keine DVDs, keine CDs, keine ren Regierungssystemen. Und das wollen wir wenden. Die Sanktionen sind nur schwach: Tonkassetten, keine Zeitungen, kein Radio, nicht in einer Demokratie. Denn so würde Wird eine Beschwerde gutgeheissen, muss kein Fernsehen mehr. Es wäre sehr öde. Man die Demokratie zur Demokratur. Solange die der Sender der UBI berichten, was er vorkäme sich vor wie Robinson Crusoe mitten in Medien stören, können wir sicher sein, dass kehrt, damit sich der gleiche Fehler nicht der hochzivilisierten Welt. Grauenhaft. die Menschen frei sind. Denn der Grad der wiederholt. Man setzt in der Schweiz nicht Medienfreiheit ist ein Indikator für den Grad auf Prügel und Verbote, sondern auf Debatte KEINE LAUTSPRECHER der menschlichen Freiheit überhaupt. und Einsicht. Medien sind unverzichtbar sowohl als Wissensvermittler als auch als Wachhunde. KRITISCHER DISKURS Unser Wissen haben wir massgeblich den Freiheit kann allerdings auch zur Frechheit DER AUTOR Medien zu verdanken. Wir wären intellekwerden. Die Medien können überborden, Roger Blum ist tuell ärmer ohne Medien. Und wir hätten Beschuldigte jagen, Kampagnen lostreten, emeritierter Professor Mühe, unseren Alltag zu bewältigen. Die Unwahrheiten verbreiten. Deshalb müssen für Medienwissenschaft Medien sind daher eine unentbehrliche auch die Medien kontrolliert werden. Sie an der Universität Bern Infrastruktur der modernen Gesellschaft. unterliegen jedoch keiner institutionellen und neu Ombudsmann Gleichzeitig agieren die aktuellen und öffentKontrolle wie Regierungen, Parlamente und für die SRG Deutschlichen Medien als Wachhunde. Sie kontrolGerichte, die auf Amtszeit gewählt sind und schweiz. Der Journalist lieren und kritisieren die Verantwortlichen deren Mitglieder abgewählt werden können. und Historiker war Mitglied der Chefredaktion in allen politischen und gesellschaftlichen Journalisten sind nicht gewählt. Um sie zu des «Tages-Anzeigers», zehn Jahre lang PräsiBereichen. Das ist manchmal lästig und kontrollieren, braucht es daher Instrumente, dent des Schweizer Presserates und acht Jahre manchmal auch unbegründet. Aber was die mit der Pressefreiheit vereinbar sind. Es Präsident der Unabhängigen Beschwerdeinswäre die Alternative? sind Instrumente der Medienkritik. Zu tanz für Radio und Fernsehen (UBI). Sein wisDie Alternative wären botmässige, handdiesen Instrumenten gehören einerseits die senschaftliches Hauptwerk ist «Lautsprecher zahme Medien, die vor den Mächtigen Rückmeldungen des Publikums, der Meund Widersprecher. Ein Ansatz zum Vergleich der Mediensysteme» (Köln 2014). kuschen und als deren Lautsprecher dienen. dienjournalismus sowie die Aktivitäten der Das kennen wir aus autoritären und totalitäMedienkonsumenten-Lobbys. Zu diesen Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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PROMOTION

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werden ausgeschöpft: Verkäufer können Daten per Touchscreen schnell eingeben und abrufen. Der Zugriff via Internet auf die Firmensoftware ABACUS ist jederzeit möglich, die Daten immer aktuell. Last but not least, hat die Verkaufsleitung damit eine Lösung gefunden, welche ein umfassendes Monitoring der Verkaufsaktivitäten ermöglicht.

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THEMA

Bildquelle: Depositphotos.com, cienpies

Im Strudel der Digitalisierung VON S T E F F E N K L A T T

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enn Ihnen das Wort Admeira nichts sagt, dann gehören Sie zur grossen Mehrheit der Schweizer. Wenn Sie es kennen, dann arbeiten Sie mit grosser Wahrscheinlichkeit in der Medien- oder der Werbebranche. Denn kaum etwas bewegt diese beiden Branchen – oder deren Chefetagen – derzeit mehr als dieses Kunstwort, das sich laut seinen Schöpfern aus «Ad» für Werbung und «meira» für Ziel auf Rätoromanisch zusammensetzt. Es ist der Name für ein Gemeinschaftsunternehmen der drei grössten im Medienbereich tätigen Unternehmen. Ringier, die SRG und Swisscom haben auf Anfang April ihre Werbevermarkter in dem neuen Unternehmen zusammengelegt. Das wirft die erste Frage auf: Dürfen die das denn? Darf ein privates Unternehmen gemeinsam mit dem einzigen öffentlich-rechtlichen Sender und dem immer noch halbstaatlichen Telekommunikationsriesen ein Gemeinschaftsunternehmen bilden, das nach eigenen Angaben 80 Prozent des Marktes abdeckt? Immerhin wird die SRG aus den Gebühren aller Haushalte finanziert, die Swisscom hat ihre beherrschende Stellung als Betreiberin der Infrastruktur zu Zeiten ihres Monopols aufgebaut. Die Wettbewerbskommission und Bundesrätin Doris Leuthard sagen: Ja, das dürfen sie. Die privaten Unternehmen, die nicht am Gemeinschaftsunternehmen teilnehmen, sehen das anders.

Die zweite Frage lautet: Worum geht es den Medienunternehmen überhaupt? Geht es ihnen darum, uns Zuschauer – und Leser – per «Tagesschau» und «10 vor 10» zu informieren oder per «Bestatter», «Tatort» und «Blick»-Zeitung zu unterhalten? Oder geht es ihnen letztlich darum, Werbung zu verkaufen? Wenn man die Diskussion in der Medien- und der Werbebranche anschaut, dann geht es vor allem um letzteres. Medien sind danach scheinbar nur noch Werkzeuge, um Reichweite für Werbung zu erzeugen. Auch die Diskussionen über Innovationen im Zeitalter der Digitalisierung gehen in diese Richtung. Da unterscheiden sich Admeira und Goldbach – der Vermarkter von Werbung in privaten elektronischen, mobilen und interaktiven Medien –, zwei Gegner im aktuellen Streit, kaum noch. Beide eint zudem die Angst vor den kalifornischen Internetriesen Google, Facebook und Konsorten, die den knappen Werbefranken ins Ausland locken. Daraus folgt die dritte Frage: Wo kommt künftig der Inhalt her, der eigentliche Grund, weshalb wir den Fernseher einschalten und die Zeitung öffnen? Ringier hat diese Frage auf seine Weise beantwortet: Die massgeblich von ihm angestossene Initiative DigitalZurich2025 hat sich vom Thema Medien ab- und Fintech zugewandt. Wenn der Markt versagt, ruft die Linke nach dem Staat. So auch diesmal. Die Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher schlägt die staatliche Förderung journalistischer Onlinemedien vor. Im Parlament stösst sie auf offene Ohren. Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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THEMA

Innovative Allianz WERBUNG Das Gemeinschaftsunternehmen Admeira will die Technologiesysteme, Daten und Werbeangebote von Ringier, SRG und Swisscom bündeln. Der neue gemeinsame Werbevermarkter sieht sich als Innovator, nicht aber als Monopolist. IN TERVIEW S T E F F E N K L A T T

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as Gemeinschaftsunternehmen von Ringier, Swisscom und SRG ging am 4. April an den Start. Sein Name Admeira setzt sich zusammen aus «Ad» für Werbung und «meira» für Ziel auf Rätoromanisch, der vierten Landessprache der Schweiz. Admeira soll die Vermarktung der drei Unternehmen unter einem Dach zusammenbringen. CEO Martin Schneider sieht sich nicht als Quasi-Monopolist. Der Marktanteil betrage lediglich 12 Prozent.

Das Bundesverwaltungsgericht wird sich mit der Genehmigung Admeiras beschäftigen. Fürchten Sie, dass das Gemeinschaftsunternehmen juristisch noch scheitern könnte? MARTIN SCHNEIDER Ich persönlich glaube nicht daran. Die Wettbewerbskommission (WEKO) und das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr und Kommunikation (UVEK) haben das bereits ohne Auflagen durchgewinkt. Deshalb würde mich ein abschlägiger Bescheid seitens des Gerichts wundern. Was ist für Sie das wichtigste Argument für das Gemeinschaftsunternehmen? Der Werbemarkt ist zunehmend globalisiert und technologisiert. Langfristig kann man nur bestehen, wenn man Technologiesysteme, Daten und exklusiven Zugang zu hochstehenden Inhalten mit dem Vermarktungs-Knowhow bündeln und unter einem Dach anbieten kann. Wir können die komplementären Kompetenzen der drei

Partner zusammenführen und die nötigen Investitionen tätigen. Heute sind Innovationen nur möglich, wenn man über ein entsprechendes Gewicht verfügt – sei es aufgrund der Finanzen, wegen des Knowhows oder um den Kunden die gewünschten Services, Beratungen und das technologische Backbone bieten zu können. Was können Sie nun anbieten, was Sie bisher als Publisuisse nicht konnten? Wir können im Digitalbereich die Portfolios von Swisscom und Ringier bündeln und in einer Supply Side-Plattform zusammenführen. Das bietet den Agenturen und Kunden den Komfort, mit einem Klick 4.7 Millionen Schweizer zu erreichen.

ZUR PERSON Martin Schneider ist neu CEO von Admeira, der gemeinsamen Werbevermarktungsfirma von Ringier, Swisscom und SRG. Er war seit 2003 CEO der publisuisse SA, der Vermarkterin der SRG. Vorher war der Betriebswirtschaftler bei der Muttergesellschaft SRG und bei Kraft Jacobs Suchard tätig.

Kann man als Werbetreibender dann auf andere Vermarkter verzichten? Das glaube ich nicht. Wir haben zwar ein starkes Premiummarkenportefeuille. Aber je nach Zielgruppe, Kommunikationsbedürfnissen und Präferenzen wird man nach wie vor verschiedene Kanäle und Umfelder buchen wollen. Wir sind nicht alternativlos. Admeira wird einen Anteil von 12 Prozent auf die Bruttoinvestitionen haben. Mit Print, Online und TV können wir allerdings interessante 360-Grad-Lösungen anbieten.

Das UVEK hat die zielgruppenspezifische Werbung verboten. Ist das Gemeinschaftsunternehmen noch sinnvoll? Absolut. Zielgruppenspezifische Werbung ist zwar ein wichtiger Bestandteil in unserer Produkte-Roadmap, aber sie ist nur eine der Innovationen, die auf der Roadmap stehen. Es geht beim Verbot auch «nur» um konzessionierte TV-Sender. Aber wir haben auch nicht-konzessionierte Sender im Portefeuille wie TF1

«ES GIBT IMMER EINEN AUFSCHREI, WENN DIE SRG ETWAS MACHT.» 10

UnternehmerZeitung | Nr. 5 2016


in der Westschweiz und S1 in der Deutschschweiz. Problematisch ist aus meiner Sicht, dass ausländische Werbefenster zielgruppenspezifische Werbung machen könnten, SRG und die anderen konzessionierten Sender aber nicht. Die entsprechenden rechtlichen Grundlagen sollten angepasst werden, damit alle gleich lange Spiesse erhalten. Die SRG wird also eine Änderung der Konzession beantragen? Da müssen Sie die SRG fragen. Aber es ist naheliegend. Die Partner heissen andere Akteure als Kunden willkommen. Was heisst das? Wir sind eine Vermarktungsorganisation und bekommen eine Kommission. Ich bin daran interessiert, auch andere Werbeplätze von Nicht-Partnern zu verkaufen. Das heisst nicht, dass sie am Aktienkapital beteiligt sein müssen. Warum nicht? Man ist ja auch bei der Publicitas und bei Goldbach nicht automatisch am Aktienkapital beteiligt. Die SRG ist praktisch ein Staatsunternehmen, die Swisscom zu mehr als der Hälfte… Die SRG bringt Publisuisse ein – eine normale Aktiengesellschaft. Es gibt eine politische Dimension, wenn die SRG beteiligt ist. Aber im RTVG (Radio- und Fernsehgesetz) steht, dass sie sich wirtschaftlich verhalten muss. Wenn die SRG das Gefühl hat, das in diesem Verbund besser tun zu können, ist das allein ein betriebswirtschaftlicher Entscheid. Fürchten Sie einen politischen Rückschlag? Es gibt immer einen Aufschrei, wenn die SRG etwas macht. Erinnern Sie sich daran, als die SRG Online-Werbung machen wollte? Auch da gab es die Debatte, was die SRG darf und was nicht. Ist Admeira ein Versuch, das Online-Werbeverbot zu umgehen? Nein. Der gesetzliche Rahmen hat sich ja nicht geändert. Auch weiterhin dürfen Sie auf der Website der SRG oder im Online-Angebot der SRG keine Werbung schalten. Der Vorteil von Admeira wird sein, dass man das Online-Knowhow der Swisscom und von Ringier im Haus hat. Das können wir anbieten, aber auf anderen Plattformen.

Offener Markt NETZNEUTRALITÄT Wenn die Swisscom als Netzbetreiberin zielgruppenspezifische Werbung nur noch seinen Admeira-Partnern ermöglicht, fühlt sich Goldbach benachteiligt. I NT E R V I E W S T E F F E N K L A T T

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ie Ankündigung des Gemeinschaftsunternehmens von Ringier, SRG und Swisscom im Sommer hat heftige Kritik seitens der privaten Medienunternehmen und Werbevermarkter ausgelöst. Sie stören sich daran, dass mit der Swisscom ein halbstaatliches Unternehmen und mit der SRG der einzige öffentlich-rechtliche Sender an Admeira beteiligt sind. Alexander Duphorn, Chef des privaten Werbevermarkters Goldbach, fürchtet die drohende Macht der Swisscom bei der zielgruppenspezifischen Werbung.

Das Bundesverwaltungsgericht wird sich mit der Genehmigung Admeiras beschäftigen. Lässt sich das Gemeinschaftsunternehmens juristisch noch stoppen? ALEXANDER DUPHORN Das ist schwer zu beurteilen. Unser Ziel ist nicht, etwas zu verhindern. Wir wollen, dass es keine Marktbeschränkungen gibt und dass alle die gleichen Möglichkeiten haben. Was ist für Goldbach das wichtigste Argument gegen das Gemeinschaftsunternehmen? Die SRG wird über die Gebühren der Bürger finanziert. Swisscom ist ein Unternehmen, das mehrheitlich dem Bund gehört und das fortschrittlichste Datennetz der Schweiz etabliert hat. Es bleibt natürlich abzuwarten, wie sich das neue Unternehmen in den Markt integriert. Aber es zeichnet sich schon heute ab, dass Admeira auf Konzentration setzt. Was heisst das? Admeira möchte zu den Agenturen gehen und die ganze Welt vom Print bis zum

ZUR PERSON Alexander Duphorn ist seit 2012 CEO der Goldbach Media (Switzerland) AG in Küsnacht am Zürichsee. Vorher war er unter anderem Geschäftsführer der SevenOne Media in München.

Fernsehen anbieten. Die Botschaft: Es braucht niemand anderen mehr. Wie wichtig ist die zielgruppengerichtete Werbung, die das UVEK zunächst untersagt hat? Das gehört ins Kapitel gleiche Voraussetzungen für alle Marktteilnehmer. Wenn man nur die SRG anschaut, die über die Swisscom ausgeliefert wird, dann können wir bei der Reichweite mithalten. Aber zielgruppengerichtete Werbung wird dann interessant, wenn man sie über den ganzen Markt anbieten kann, also nicht nur über die SRG, sondern über viele Sender und in der ganzen Schweiz. Das ist nur machbar über das digitale Auslieferungsnetz der Swisscom. Zumindest beim Fernsehen. Bei der Online- und Videowerbung ist das →

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THEMA

ja heute schon möglich. Und wenn diese Möglichkeit nur den Teilnehmern des Joint Ventures zur Verfügung steht, dann ist das nicht gut für den Markt. Hält das Verbot zielgruppengerichteter Werbung? Nur vorläufig. Unseres Erachtens wird das über eine Ausweitung der Konzession für die SRG möglich gemacht werden. In drei der zehn vermeintlichen Grundsätzen von Admeira wird bereits davon gesprochen, was geschehen wird, wenn es diese Möglichkeit gibt. Kann Goldbach etwas Vergleichbares entgegenhalten? Es gibt mit der UPC Cablecom und Sunrise gut aufgestellte Netze. Aber sie sind technisch noch nicht so weit. Die Swisscom ist der Netzbetreiber aller Fernsehsender, sie hat ein Datennetz und mit der Swisscom TV-Box 2.0 die fortschrittlichste Setup-Box, die auch schon einen Rückpfad aufweist und damit Daten an einzelne Haushalte anliefern kann. Deshalb ist es wichtig, dass die Netzwerke für die neutrale Verbreitung aller Sender in die Haushalte genutzt werden wie bisher. Wenn das jetzt eingeschränkt wird, wäre das für uns und andere Marktpartner ein grosser Nachteil. Wird Goldbach überflüssig, wenn Admeira Erfolg hat? Es gibt in der Schweiz neben der SRG immer mehr nationale Sender und ein grosses Potential von Werbefenstern bei Sendern aus Frankreich und Deutschland. Für diese dürfte Admeira keine Alternative sein. Goldbach war immer der flexiblere, beweglichere Partner im Markt, der mehr Angebote durch Synergien und nicht eine Marktbeschränkung will. Könnten Sie einen Gegenblock aufbauen, etwa mit Tamedia? Ich will für die Zukunft nichts ausschliessen und nichts ankündigen. Wir merken, dass es derzeit viel Interesse an einer Öffnung gibt. Das zeigt auch unsere schnelle Übernahme der Werbung bei Zattoo und Teleboy, bei Wilmaa hatten wir sie ja schon.

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Signalgeber – eine Goldgrube? INNOVATIONSFÖRDERUNG Der Werbevermarkter Goldbach setzt durch ein eigenes Accelerator-Programm Impulse, um in der Schweiz digitale Media-Technologien zu fördern. Dabei sollen beide Seiten profitieren. Das erste ausgewählte Unternehmen steckt tief im angesagten Beacon-Marketing-Thema. TEXT Y V O N N E V O N H U N N I U S

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artin Radelfinger, Director Business Development USA der Goldbach Group AG, hat ein Signalsystem, das ihm schnell verrät, ob eine Idee ganz gross werden kann und – noch wichtiger – was es danach braucht: «In einer frühen Phase darf ein innovatives Startup nicht von einem Corporate Partner absorbiert werden. Findet man ein Juwel, das agil und schlank ist, muss man vorsichtig sein», verrät Martin Radelfinger. Eine Devise, von der sich der erfahrene Medienmann nicht zuletzt im Silicon Valley überzeugen konnte. Radelfinger leitet bei Goldbach die Bereiche Innovation und Business Development und hat jüngst den Goldbach Media Accelerator aus der Taufe gehoben. Wie eine Innovationsspritze für die Medienlandschaft soll das Programm wirken, welches in Kooperation mit den Organisatoren der Gründerschmiede Swiss Start Up Factory (SSUF) auf die Beine gestellt wurde. Für den Accelerator wählt Goldbach Startups mit Fokus auf

digitale Medien-Technologien aus. In der Swiss Start Up Factory in Zürich durchlaufen sie dann ein strukturiertes Programm. Währenddessen soll die Idee soweit reifen, dass sie nach drei Monaten in eine Gründung mündet. Radelfinger: «Das Prinzip der SSUF ist angelehnt an das des sehr bekannten und erfolgreichen Y Combinator im Silicon Valley – perfekt für Unternehmen, die noch ganz am Anfang stehen.» Y Combinator hat unter anderem Unternehmen wie Airbnb oder Dropbox zum Erfolg verholfen. Die beiden SSUF-Initianten Mike Baur und Max Meister haben das Konzept mit weiteren Experten an hiesige Verhältnisse angepasst. Radelfinger hat auch den Goldbach Group Innovation Hub in Palo Alto verantwortet und kennt sowohl die US-amerikanische als auch die europäische Startup-Welt. «In der Schweiz ist die zweite Runde der Anschlussfinanzierung oft eine riesige Hürde. Im Silicon Valley spielt die sogenannte Pay-Forward-Kultur eine wichtige Rolle», sagt er. Ehemalige Jungunternehmer, die zu etablier-

«ZIEL IST EIN ÖKOSYSTEM FÜR INNOVATIONEN IM DIGITALEN MEDIENBEREICH»

Martin Radelfinger, Leiter der Bereiche Innovation und Business Development der Goldbach Media (Switzerland) AG


sechs mussten gegeneinander antreten und beaconsmind ist es geworden. Etwas untypisch für das Programm, weil Max Weiland sein Unternehmen schon ge gründet hat. Doch sein Modell ist so gut und das Thema so heiss, dass Radelfinger die Wahl als einen Glücksgriff beschreibt. Die beaconsmind AG aus Zürich hat sich auf die sogenanniBeacons ermöglichen den automatisierten Informationsaustausch über mobile ten iBeacons spezialisiert. Endgeräte. Bild: zVg/wikimedia, jnxyz.education Diese kleinen Sender auf Bluetooth-Basis ermögten Grössen angewachsen sind, nehmen sich lichen einen automatisierten Informatidabei in einer Alumni-Funktion der Startups onsaustausch über mobile Endgeräte wie an und sorgen oftmals auch für deren FinanSmartphones, Smartwatches oder Tablets. In zierung. Mit den gängigen Mitarbeiterbeteidiesem Falle dienen sie dazu, Kunden Nachligungsprogrammen der grossen Unternehrichten über Rabatte oder Angebote zu übermen wie Google oder Facebook aber auch mitteln, beispielsweise wenn sie in der Nähe durch die erfolgreichen Exits von Gründern einer bestimmten Filiale sind. Hat er zufällig wird viel freies Kapital für die Finanzierung Zeit und ist in Shopping-Laune, klingelt die von Startups geschaffen. Kasse. Auf der anderen Seite verhelfen Beacons Einzelhändlern zu Informationen über INNOVATIONSSPRITZE FÜR DEN STANDORT ihre Kunden, die – richtig ausgewertet und In den USA, speziell im Silicon Valley an eingesetzt – wiederum für Marketingmassder Westküste, in New York und Boston an nahmen goldwert sind. Der Gründer Max der Ostküste wie auch in Austin Texas an Weiland ist überzeugt: « Beacons können der «third coast» haben sich mittlerweile den Umsatz am Verkaufsort entscheidend starke Netzwerke gebildet. Die SSUF will in ankurbeln.» Er hat eine Plattform entwickelt, der Schweiz im kleinen Rahmen Ähnliches auf der Einzelhändler diese Daten verwalten, erreichen. Hier braucht es dazu laut Radelfizentral auf sie zugreifen und sofort nutzen nger aber einen stärker institutionalisierten können. Rahmen, den der Goldbach Digital Media Accelerator mit der Swiss Startup Factory KOMMUNIKATION ÜBER WERBEBILDSCHIRME bieten könne. «Das Ziel ist ein Ökosystem Der Kunde ist auf Sendung, wenn die Techfür Innovationen im digitalen Medienbenologie in sein mobiles Endgerät integriert reich – letztlich muss auf dem Produkt nicht wurde – entweder über eine weitverbreiunbedingt Goldbach stehen. Wir werden tete App von Dritten oder eine eigene. Eine künftig auch weitere Medienunternehmen Option ist, die Kundenkarte zu virtualisieansprechen, denn der ganze Medienstandort ren. Das hat die beaconsmind AG für das soll profitieren», so Radelfinger. Der Begriff Modeunternehmen Tommy Hilfiger umge«Frenemies» hat sich in den USA schon für setzt: Heute gibt es die Hilfiger Club Card dieses Prinzip etabliert: Zum Zwecke der als App und dient als persönliche KundenInnovationsförderung werden dabei Konkurrenten zu Partnern. BEACONS ALS UMSATZMOTOR Doch noch ist das Zukunftsmusik. Jetzt geht es an die konkrete Arbeit. Über 50 Ideen aus dem Bereich der digitalen Media-Technologien sind nach dem Goldbach-Aufruf eingegangen, zehn kamen in die engere Auswahl,

plattform. Das junge Unternehmen arbeitet auch mit dem Schmuckhändler Pandora Schweiz zusammen oder mit der Bollag-Guggenheim-Group, die in der Schweiz Marken wie Marc O’Polo oder Guess auch in eigenen Läden vertreibt. Für Goldbach ist die beaconsmind-Plattform eine Möglichkeit, Multichannel- und Multiscreen-Angebote miteinander zu verbinden. Beacons sind also nützliche Helfer, die Welt auf der Strasse und im Shop mit digitalen Modellen miteinander zu verbinden. Für das Goldbach-Segment Digital Out of Home bedeutet das: Über die Bildschirm-Werbesysteme der sogenannten Ad-Screen-Netzwerke könnten in einer Verkaufsstelle oder auch in öffentlichen Transportmitteln via Beacons Rabatt-Gutscheine verteilt werden. Natürlich mit persönlicher Ansprache und Angebote, die speziell auf die Vorlieben des Kunden zugeschnitten sind. Die Beacon-Reichweite liegt zwischen 50 Zentimetern und 50 Metern und kann gut auch über Bildschirme im öffentlichen Raum eingesetzt werden. Noch sind flächendeckende Projekte rar. Einen ersten Versuch für ein Beacon-Marketing-Netzwerk startet in Deutschland der Werbevermarkter Ströer. Er lässt nach einer Pilotphase 50000 Beacon-Sender in Werbeträger installieren. MOBILMARKETING IST DIE ZUKUNFT Radelfinger sieht für neue Marketing-Lösungen im Mobil-Bereich eine grosse Zukunft. «Schon heute finden über die Hälfte der Zugriffe auf Publishing- oder auch Service-Plattformen über mobile Endgeräte statt.» Mobilmarketing ist einer der fünf zentralen Trends, in die Goldbach investiert. Doch neue skalierbare und effektive Werbeformate und -prozesse sind laut Radelfinger selten und heiss begehrt. «Mit unserem Innovationsprogramm bündeln wir interne und externe Kräfte – und arbeiten am liebsten mit jungen, wendigen Unternehmen zusammen, die innovativ bleiben, weil sie ihre Freiheit behalten», so Radelfinger.

«DIE MÖGLICHKEITEN DURCH BEACONS KÖNNEN DEN UMSATZ AM VERKAUFSORT ENTSCHEIDEND ANKURBELN.»

Max Weiland, Gründer beaconsmind AG

Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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THEMA

In einem digitalen Boot STARTUP-ÖKOSYSTEM Im vergangenen Jahr wurde die Initiative DigitalZurich2025 lanciert, die den Grossraum Zürich innert zehn Jahren zu einem führenden digitalen Innovationshub Europas machen will. Der Fokus liegt darauf, Startups anzuziehen und zum Bleiben zu bewegen. TEXT Y V O N N E V O N H U N N I U S

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in Riesenerfolg», sagt Sunnie Groeneveld, die Geschäftsführerin der Initiative DigitalZurich 2025 – oder kurz: DZ 2025. Sie kommt gerade aus Hannover, wo die Schweiz als Partnerland der Cebit-Messe laut Groeneveld geglänzt hat. Zusammengearbeitet hat sie in Hannover eng mit dem Verband ICTswitzerland – auch ihm ist daran gelegen, dass die Digitalbranche international punktet. «Ich sehe DZ2025 als Standortinitiative», sagt Groeneveld. Ziel ist ein Startup-Ökosystem mit grösstmöglicher Durchlässigkeit. Nicht zuletzt seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative zur Beschränkung der Zuwanderung von 2014 findet diese Willkommenskultur für Leistungsträger grosse Unterstützung: Das Verlagshaus Ringier war treibende Kraft, mit dabei sind auch Stadt und Kanton Zürich, die Eidgenössische Technische Hochschule, Google Schweiz, Post, UBS und viele weitere. KONKURRENTEN SPANNEN ZUSAMMEN Die jährlich stattfindenden Veranstaltungen eines Investorengipfels und eines Worldwebforums sind für 2016 schon gelaufen – jetzt liegt die volle Konzentration auf dem Kickstart Accelerator. Das gross angelegte Projekt soll jährlich bis zu 50 Startups nach Zürich bringen, wo Experten ihnen Starthilfe geben. Im Sommer startet die erste dreimonatige Runde. Um den Aufwand zu stemmen, wird das Organisationsteam erweitert – vorne dabei ist nun auch der Gründer des Impact Hub Zürich, Christoph Birkholz. Pro Team gibt es maximal 25000 Franken und pro Gründer 1500 Franken pro Monat. Insgesamt sind bereits über 300 Bewerbungen eingegangen. Die klugen Köpfe dürfen gerne aus dem Ausland kom14

UnternehmerZeitung | Nr. 5 2016

Sunnie Groeneveld, Geschäftsführerin von DZ2025, startete diesen Januar ihre Standortinitiative. Ziel ist die Bildung eines durchlässigen Ökosystems; ausländische Startups sollen angezogen und zum Bleiben bewegt werden.

men – sollen bleiben und gründen. Groeneveld: «Im Land gibt es viele national ausgerichtete Startup-Förderprogramme. Wir wollen den Ideenzufluss aus dem Ausland stärken.» Dafür ist es gelungen, Konkurrenten ins gemeinsame Boot zu holen: An der CeBIT haben UBS, Credit Suisse, Swisscom, Swiss Life und Ernst & Young bekanntgegeben, dass sie unter dem Kickstart-Dach Gründer im Fintech-Bereich unterstützen. Klar ist beim gesamten Programm, dass zwischen den Startups und den unterstützenden Unternehmen Synergien entstehen sollen. Noch ist eine rege Debatte darüber im Gange, wie das praktisch zu bewerkstelligen ist. MEDIEN IM HINTERGRUND Weil der branchenübergreifende Charak-

ter der Initiative zentral ist, sollen Startups nicht nur aus dem Bereich Fintech, sondern auch solche in Bezug auf Smart and Connected Machines, Nahrung sowie ganz generell Zukunftstechnologien angezogen werden. Darunter fallen auch Ideen, die sich mit digitalen Medien beschäftigen. War die Initiative mit Ringier-Chef Marc Walder als strategischem Kopf zu Beginn nicht stark im Medienumfeld verortet und das Programm «Media NYC 2020» ein Vorbild? Von Groeneveld heisst es dazu: «Wir haben uns bei Kickstart auf jene Bereiche konzentriert, in denen die Schweiz international schon stark wettbewerbsfähig ist – letztlich wollen wir aber Vielfalt und ermutigen auch zukunftsorientierte MedienStartups.»


Der Bund fördert die Medien indirekt, indem er die Zeitungszustellung verbilligt – nun stellt eine parlamentarische Initiative die geltende Praxis zur Debatte. Bild: Depositphotos.com/Bernd54

Gelder in neuen Kanälen MEDIENFÖRDERUNG Die indirekte Medienförderung der Schweiz ist nicht mehr zeitgemäss. Nun könnte der Wechsel von einer Förderung der Zeitungszustellung hin zu einer Förderung des Journalismus eingeleitet werden. TEXT S T E F F E N K L A T T

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ie Schweizer Medienförderung ist ein Kuriosum. Zwar gibt der Bund jährlich 50 Millionen Franken dafür aus. Das Geld aber fliesst zur Post. Diese verbilligt damit die Zustellung von Regional- und Lokalzeitungen sowie von Zeitungen von Organisationen und Stiftungen. Von A wie «Allschwiler Wochenblatt» und «A l›écoute des animaux» (den Tieren zuhören) bis Z wie «Zürichsee-Zeitung» und «Zöliakie-Info» ist fast alles vertreten – aber wenig von dem, was in der Medienlandschaft wirklich zählt. MEDIENVIELFALT STATT EINHEITSBREI Das könnte sich nun ändern. Der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats liegt eine parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher vor. Die Thurgauer Sozialdemokratin schlägt vor, auch journalistische Online-Medien zu fördern. «Ziel ist es, vor allem im regionalen und kantonalen Bereich die Medienvielfalt wieder zu stärken», sagt Graf-Litscher. «Wir müssen wieder weg vom Einheitsbrei.» Sie verweist auf die angekündigte Zusammen-

legung der Mantelteile des «St.Galler Tagblatts» und der «Neuen Luzerner Zeitung» durch die NZZ Mediengruppe. Damit erhalten gleich elf der 19 Deutschschweizer Kantone die gleiche Zeitung. Graf-Litscher denkt an eine Grössenordnung von 100 Millionen Franken. Aus ihrer Sicht müsste die Förderung zusätzlich zur heutigen Förderung laufen. «Mit der Zeit kann man das ablösen.» VERLAGE HABEN BLOCKIERT Als Sozialdemokratin ist Graf-Litscher in der Minderheit in ihrer Kommission. Aber auch der Liberale Solothurner Kurt Fluri sieht Handlungsbedarf – «erstens wegen des digitalen Zeitalters, und zweitens, weil diese Postzustellung nicht wirklich den Verlagen dient. Sie sollte auch die Frühzustellung enthalten.» Bisher stünden sich die verschiedenen Interessensgruppen aber selber im Weg. Die Verlage wollten sich nicht in ihr Geschäft reinreden lassen. Und das Parlament war mit anderen Themen beschäftigt. Nichtsdestotrotz geht Fluri davon aus, dass die Kommission eine Beratung der Initiative Graf-Litschers zulässt.

«WIR MÜSSEN WIEDER WEG VOM EINHEITSBREI.»

Edith Graf-Litscher

JOURNALISMUS FÖRDERN Einen wichtigen Verbündeten hat sie dabei bereits auf ihrer Seite: Die Eidgenössische Medienkommission (EMEK), die die Bundesverwaltung berät, hat bereits im September 2014 den Umbau der Medienförderung vorgeschlagen. Dabei hat sie zwei Wege ins Spiel gebracht. Beim ersten Weg würde die Basisleistung einer Nachrichtenagentur unterstützt. Das sei gerade in der Schweiz mit ihrer Viersprachigkeit und Kleinräumigkeit wichtig, sagt der Zürcher Publizistikprofessor Otfried Jarren, Präsident der EMEK. Zudem würden die journalistische Aus- und Weiterbildung sowie Innovationsprojekte gefördert. Der zweite Weg ähnelt dem Vorschlag Graf-Litschers. Danach würden journalistische Jungunternehmen, herausragende redaktionelle und journalistische Leistungen sowie die Medienforschung gefördert. In diese Richtung scheint auch die Debatte zu gehen. «Journalismus zu fördern, ist zunehmend Konsens», so Jarren. Die Debatte dürfte sich zu einer Diskussion über den Service Public ausweiten. Lange Zeit war letzterer im Medienbereich gleichgesetzt mit dem, was die öffentlich-rechtliche SRG liefert. Der Bundesrat wird im Juni einen Bericht über den Service Public vorlegen. Eine der zentralen Fragen: Wird er sich auf die konzessionierten Medienunternehmen beschränken? Graf-Litscher jedenfalls sieht ihren Vorstoss als Lösungsansatz auch für die Service-Public-Debatte. Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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EUROPA

Das Experiment der Finnen MITBÜRGEREINKOMMEN In Finnland soll ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger 2017 weitgehend repräsentativ getestet werden. Ausgerechnet die bürgerliche Regierung steht dahinter. In der Schweiz stimmt das Volk am 5. Juni über einen ähnlichen Vorschlag ab. TEXT

ANDRÉ ANWAR, STOCKHOLM

Finnland will es vormachen: Laut Umfrage würden 70 Prozent seiner Bürger die Einführung eines Grundeinkommens begrüssen.

A

m 5. Juni können die Schweizer per Volksabstimmung die Weichen für ein bedingungsloses Grundeinkommen stellen. In Finnland ist man schon einen Schritt weiter. Obwohl die Idee nach Sozialismus klingt, hat dort ausgerechnet die bürgerlich-nationalistische Regierung von Ministerpräsident und Ex-Grossunternehmer Juha Sipilä die Idee vorangebracht. Dabei steckt Finnland gerade in einer Wirtschaftskrise. Dennoch oder gerade deshalb hat Sipilä die bereits seit Jahren währende Diskussion nach seinem Amtsantritt im Mai 2015 aufgegriffen. Derzeit ist die Volksrentenanstalt KELA dabei, ein grosses Experiment für 2017 vorzubereiten. Es soll zwei Jahre lang laufen. GRUNDEINKOMMEN WIRD NICHT REDUZIERT Die Details sind noch nicht bekannt. Der mit der Ausgestaltung des Experimentes beauftragte Forschungschef von KELA, Olli Kangas, sagt aber, seine Expertengruppe befür16

UnternehmerZeitung | Nr. 5 2016

worte ein kombiniertes Experiment, um möglichst aussagekräftige Messergebnisse zu erhalten. Dann könne über eine landesweite Einführung diskutiert werden. «Zum einen wollen wir in einem Ort mit mindestens 10 000 Einwohnern das Mitbürgereinkommen einführen. Zum anderen wollen wir aus der rund 5.5 Millionen Einwohner zählenden Gesamtbevölkerung Finnlands 10 000 Personen im arbeitsfähigen Alter zufällig auswählen und mit einer Kontrollgruppe, die kein Grundeinkommen erhält, vergleichen», verrät er. «Aber die Politiker entscheiden Ende 2016, was von unseren Vorschlägen machbar ist», sagt Kangas. Das Grundeinkommen könnte bei steuer- und abgabenfreien 870 Franken oder höher liegen und andere Sozialhilfezahlungen und den daran gekoppelten Kontrollbehördenapparat ersetzen. Dabei ist am wichtigsten, dass das Grundeinkommen – zumindest grundsätzlich – nicht wie bei der Sozialhilfe verringert wird, wenn die Empfängerin oder der Empfänger arbeitet.

HOFFNUNG AUF MEHR ARBEITSKRÄFTE Sipiläs bürgerliche Zentrumspartei hat bereits seit Jahrzehnten die Einführung eines Grundeinkommens im Programm. Vor allem hofft sie darauf, dass es mehr Menschen in den Arbeitsmarkt bringt. Denn bislang werden Sozial- und Versicherungsleistungen gekürzt, wenn Empfänger zusätzlich arbeiten. «Die Zentrumspartei hat, getreu ihrem Namen, schon immer Ideen aus dem rechten sowie dem linken politischen Lager vertreten», erklärt Antti Mykkänen, Direktor der Stiftung für kommunale Entwicklung, die Haltung des bürgerlichen Ministerpräsidenten. Zudem sollen Finnen durch das Grundeinkommen auch ermutigt werden, im Niedriglohnsektor zu arbeiten. Insofern enthält Sipiläs Modell durchaus auch Vorteile für Unternehmen. Die erhalten so ganz offiziell und nicht nur über den Schwarzarbeitsmarkt staatlich subventionierte Arbeitskräfte. Die in den Jahren des Aufschwungs stark angestiegenen Arbeits-


Der Countdown läuft BREXIT Am 23. Juni stimmt Grossbritannien über den Verbleib in der Europäischen Union ab. Mitte April hat auch die Abstimmungskampagne offiziell begonnen. Befürworter und Gegner eines Brexit liegen gleichauf, ein Drittel ist noch unentschlossen. TEXT S A S C H A Z A S T I R A L , L O N D O N

S

eit Monaten werben die Befürworter und Gegner eines Austritts Grossbritanniens aus der EU lautstark für ihre Positionen. Premierminister David Cameron, der sich für den Verbleib seines Landes in der EU stark macht, reist durch das Land. Auch die Brexit-Befürworter verschaffen sich bei jeder Gelegenheit Gehör.

Bild: Depositphotos.com, dnaumoid

kosten würden dann wieder erheblich sinken. Laut Umfrage wollen denn auch 70 Prozent der Bürger die Einführung eines Grundeinkommens. INNOVATIONSKRAFT SOLL GESTÄRKT WERDEN Ein nicht stigmatisiertes Grundeinkommen könnte Bürgern aus bescheidenen Verhältnissen die Möglichkeit geben, Risiken in Form eines Berufswechsels oder der Selbstständigkeit einzugehen. So könnten sich die Arbeitskräfte besser auf dem Arbeitsmarkt verteilen und die Innovationskraft wird gestärkt, lautet ein weiteres Argument. Kritiker warnen davor, dass unter dem Deckmantel eines Gesamtumbaus hin zu einer Vereinheitlichung des Sozialhilfesystems, Sozialkürzungen eher durchgesetzt werden könnten. Interessant dürfte das finnische Experiment in jedem Fall werden. Denn bisherige Experimente, wie etwa in einer kanadischen Kleinstadt in den 70er-Jahren, gelten als nicht aussagekräftig genug.

KONFLIKTHERD – KLARE KAMPAGNENREGELN Doch erst Mitte April hat offiziell die zehnwöchige Kampagne begonnen. Beide Lager sind nun klaren Regeln unterworfen: So dürfen beide Seiten jeweils maximal sieben Millionen Pfund für ihre Kampagnen ausgeben. Zusätzlich bekommen sie kostenlosen Zugang zu Fernsehsendern. Die Post wird kostenlose Postwurfsendungen bereitstellen. Gerade an diesem Punkt hat sich unter den Brexit-Befürwortern Wut entzündet. Denn erst vor wenigen Tagen – unmittelbar vor Beginn der offiziellen Kampagne – hat die Regierung Postwurfsendungen mit ihrer Pro-EU-Botschaft an alle Haushalte verschickt und dafür neun Millionen Pfund ausgegeben. LIEBER GELD FÜR KRANKENVERSORGUNG Der Anführer der Brexit-Befürworter, der Londoner Bürgermeister Boris Johnson, eröffnete die offizielle Kampagne seines Lagers bei einer Versammlung in Manchester am Freitag. Die EU-Gegner möchten als eine ihrer Kernbotschaften übermitteln, dass ein grosser Teil der 10.6 Milliarden Pfund, die Grossbritannien jährlich an die EU überweist, stattdessen in die staatliche Krankenversorgung umgeleitet werden könnte. Kritiker verweisen jedoch darauf, dass diese Rechnung die Milliardenbeträge, die etwa britische Bauern von der EU bekommen, nicht berücksichtigt. Johnsons Botschaft richtet sich an die Wähler der Labour-Partei. Deren Chef Jeremy Corbyn, ein EU-Befürworter, warnte am Donnerstag in einer Rede vor Studenten und Gewerkschaftern in London davor, dass ein Brexit zu einer Erosion von Arbeiterrechten führen könnte. Die Konservative Partei

könnte einen Austritt aus der EU dazu nutzen, um die Standards zu senken. «Wir wollen die Rechte aller Arbeiter sichern, und das überall in Europa, nicht nur in Grossbritannien», sagte Corbyn. Er rief zur Einführung eines EU-weiten Mindestlohns auf. Der frühere Labour-Schatzkanzler Alistair Darling warnte ebenfalls vor den drohenden Konsequenzen eines EU-Austritts. Die wichtigste «Bestimmungsgrösse» für das Wohlergehen der Wirtschaft sei Zuversicht. Ein Brexit würde in dieser Hinsicht fatale Folgen haben. «Wir haben das 2008 gesehen, und wir müssen immer noch mit den Folgen des weltweiten Finanzcrashs leben», sagte Darling. Er verwies darauf, dass auch der Internationale Währungsfonds vor den Folgen eines Brexits gewarnt hat. Die Brexit-Befürworter werfen ihren Gegnern vor, sie würden ihre Kampagne auf Angstmache gründen. Darling wies dies zurück. Es sei erwiesen, dass Grossbritannien von der EU-Mitgliedschaft wirtschaftlich profitiere. BREXIT-BEFÜRWORTER GESPALTEN Die Brexit-Befürworter haben ein Problem: Sie sind gespalten. So hat sich kürzlich der Chef der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party (UKIP) bitter darüber beschwert, dass er nicht Teil der offiziellen Pro-Brexit-Kampagne ist. Kurz nach der Eröffnung der Kampagne trat jedoch Chris Grayling, der den Titel Leader of the House of Commons innehat, als erster Minister bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem UKIP-Anführer auf. Das dürfte die Spannungen innerhalb der Konservativen Partei, die in der EU-Frage ohnehin gespalten ist, weiter anheizen. Umfragen zufolge liegen Befürworter eines Verbleibs in der EU knapp vorne. Auch ein Grossteil der Wirtschaft steht auf ihrer Seite. Dass die Briten tatsächlich dafür stimmen werden, ist jedoch alles andere als klar. Eine Kontroverse um Gewinne aus umstrittenen Offshore-Geschäften seines Vaters etwa hat das Ansehen von Premier Cameron beschädigt. Rund ein Drittel aller Stimmberechtigten sind noch unentschlossen. Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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EXPORT

E-Commerce erobert Inselstaat ONLINEHANDEL Indonesiens E-Commerce-Markt soll bis 2020 auf 130 Milliarden Dollar anwachsen. Weltweit verfügt das südostasiatische Land über die viertgrösste Mittelschicht, 90 Prozent der urbanen Bevölkerung besitzt ein Smartphone. Der Kampf um die Verteilung des Kuchens hat begonnen. TEXT B A R B A R A B A R K H A U S E N , S Y D N E Y

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och vor wenigen Jahren war der Grossteil der indonesischen Bevölkerung «gaptek». So nennen Indonesier jene Leute, die wenig Ahnung von Technologie haben. Doch während vor drei Jahren nur 20 Prozent der urbanen Bevölkerung ein Smartphone besass, sind es heute bereits 90 Prozent. «Es wird erwartet, dass bis 2018 die Zahl der Smartphone-Nutzer über 100

Millionen liegen wird», sagte Jan Rönnfeld, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Indonesischen Handelskammer in Jakarta. «Das Smartphone ist nicht nur ein Statussymbol, es ist vor allem in den wirtschaftlichen Zentren allgegenwärtig.» ALIBABA STEIGT BEI LAZADA EIN Je mehr Smartphones und damit Internetzugang, umso mehr Chancen für den elektro-

Schindler scheitert in Japan KULTURELLE PATZER Der Schweizer Aufzughersteller Schindler hat aus japanischer Sicht falsch auf zwei Liftunglücke reagiert. Jetzt zieht sich das Unternehmen aus dem Land zurück. TEXT S U S A N N E S T E F F E N , T O K I O

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er Schweizer Aufzughersteller Schindler verkauft sein Japangeschäft an den amerikanischen Konkurrenten Otis. In der offiziellen Mitteilung von Anfang April heisst es, der Verkauf des Japangeschäfts an Otis erfolge wegen des geringen Marktanteils, nachdem sich Schindler vor zehn Jahren aus dem Verkauf von Neuanlagen zurückgezogen hatte. Seither hatte der Aufzugbauer lediglich Wartungsarbeiten durchgeführt. Anlass für den Ausstieg aus dem Neuanlagengeschäft sind die Spätfolgen eines Unfalls vor zehn Jahren, bei dem ein 16-jähriger Junge tödlich

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verunglückt war. Der Lift in einem Tokioter Apartmentgebäude hatte sich bei geöffneter Tür plötzlich in Bewegung gesetzt, als der Junge im zwölften Stock aussteigen wollte. SCHINDLER ENTSCHULDIGT SICH NICHT Statt einer in Japan üblichen und erwarteten schnellen Entschuldigung hatte Schindler damals zunächst tagelang nichts von sich hören lassen – offenbar aus Sorge, dies könnte als Schuldeingeständnis missverstanden werden. Die Medienschelte, die auf das PR-Desaster folgte, kritisierte der damalige Konzernchef Alfred Schindler später öffentlich als «Hexenjagd». Angesichts des nachfolgenden Umsatzeinbruchs zog sich Schindler aus dem Neubaugeschäft zurück. FREISPRUCH – ABER RUF IST RUINIERT Im vergangenen Jahr wurde der verantwortliche Schindler-Techniker in erster Instanz freigesprochen. Auch Konstruktionsfehler sind dem Unternehmen bislang nicht nachgewiesen worden. Doch der Ruf des Konzerns ist unwiderruflich zerstört. Erst vor drei Jahren erregte ein weiterer tödlicher Unfall mit einem Schindler-Aufzug die Gemüter in

nischen Handel. Unternehmen wie Alibaba, Chinas grösster Internethändler, haben das Potenzial Südostasiens bereits erkannt. Erst diese Woche meldete das Unternehmen, dass es Teile des kleineren Konkurrenten Lazada gekauft hat, eine Gründung der Berliner Jungunternehmen-Schmiede Rocket Internet. Lazada ist seit 2011 in Indonesien aktiv und derzeit einer der führenden Online-Marktplätze im Land. Seit 2012

Japan. Wieder war ein Aufzug bei geöffneter Tür plötzlich angefahren. Eine 63-jährige Putzfrau, die den Personalaufzug eines Hotels nutzen wollte, stürzte daraufhin und erstickte, als sie zwischen dem Aufzug und dem oberen Türrahmen eingeklemmt wurde. NEUE AUFLAGEN – KEINE NACHRÜSTUNG Zwar hatten die Behörden bereits in Reaktion auf den ersten Schindler-Unfall neue Sicherheitsauflagen erlassen, die bessere Bremssysteme vorsehen, diese kamen jedoch erst nach dem Unglücksaufzug zur Anwendung. Eine Nachrüstpflicht gab es nicht. Schindler hatte unterdessen aus seinem Kommunikationsdesaster nach dem ersten Unfall gelernt und organisierte sofort eine Pressekonferenz, bei der sich die Chefetage öffentlich verbeugte und vorbildlich entschuldigte. Entsprechend milder fiel die Medien-Kritik aus. Dennoch wird Schindlers Schweigen nach dem ersten Unfall bis heute als Paradebeispiel für mangelnde Anpassung an die Kultur des Gastlandes zitiert. Da noch Gerichtsverfahren laufen, wird Schindler trotz des Verkaufs vorerst noch in Japan vertreten bleiben. Die Mitarbeitenden sollen nach Medieninformationen von Otis übernommen werden. Über den Kaufpreis gab Schindler zunächst nichts bekannt.


naten kräftig in die Seite MatahariMall. com investiert. Ein ehemaliger indonesischer Harvard-Absolvent hat die Ojeks – die beliebten indonesischen Motorradtaxis – im Jungunternehmen Go-Jek über eine App organisiert.

Bild: Depositphotos.com, Iryna Rasko

verkauft auch ein weiterer Rocket-Sprössling – das Modeportal Zalora – erfolgreich trendige Kleidung in Indonesien. Die deutschen Jungunternehmer Marc Uthay und Christian Csermak vertreiben über die Onlineplattform Lensza Kontaktlinsen und Brillen. Auch einheimische Firmen wollen ein Stück des wachsenden Kuchens. Indonesiens grösstes Konglomerat, die Lippo Group, hat in den vergangenen Mo-

REGIERUNG WILL PLAN AUSARBEITEN Indonesien, das als nächster Riese im sogenannten digitalen Handel nach China und Indien gehandelt wird, erwartet laut der «Sunday Times» einen Anstieg der Umsätze auf 130 Milliarden Dollar (126 Milliarden Franken) bis 2020, wie der Sprecher des indonesischen Kommunikationsministeriums, Ismail Cawidu, dem britischen Medium sagte. Die Regierung habe vor, einen Plan für die Industrie auszurollen, der klare Richtlinien für Logistikservices, die Finanzierung von Jungunternehmen, Verbraucherschutz, Steuern und Internetsicherheit festlege. «E-Commerce ist von der sogenannten «Negativen Investment-Liste» genommen worden und erlaubt somit 100 Prozent ausländische Eigentümer», sagte Rönnfeld. Voraussetzungen seien aber Investments ab etwa 760 000 Dollar sowie die Einbindung lokaler Warenhäuser.

KREDITKARTEN SIND KAUM VERBREITET Einige Hürden sind trotz der Euphorie noch zu nehmen: Die über 17000 Inseln erschweren die Logistik, Indonesier handeln gerne um den Preis eines Produktes und laut einer McKinsey-Studie aus dem Jahr 2013 machen sich viele Indonesier Sorgen um die fehlende Beratung, unzuverlässige Qualität der Produkte und die Zahlungssicherheit im Internet. Laut Germany Trade & Invest (GTAI) sind Kreditkarten in Indonesien nach wie vor Mangelware. «Solche Bezahlsysteme werden dringend benötigt, denn in dem riesigen Archipel mit seinen über 250 Millionen Einwohnern gab es 2014 gemäss Schätzung der Zentralbank gerade einmal 15 bis 16 Millionen Kreditkarten», heisst es auf der Internetseite. Nur rund 15 Prozent aller Indonesier würden zudem ein Bankkonto besitzen. Viele Internetanbieter erlauben deswegen Barzahlung bei Lieferung. Laut Rönnfeld umfasst die Gruppe der digitalen Käufer in Indonesien derzeit gerade mal 5 Millionen im Vergleich zu 16 Millionen in Malaysia und 3.2 Millionen in Singapur. «Gemessen an der Gesamtbevölkerung, ergibt sich daraus ein enormes Potenzial», so der Wirtschaftsexperte.

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INNOVATION

Smarte Lampe statt Wachhund COMFYLIGHT Die im Juli 2015 gegründete ComfyLight AG bietet eine intelligente Lösung für Zuhause, um Einbrecher fernzuhalten. Die LED-Lampe, die sich automatisch ein- und ausschaltet, studiert das Bewegungsmuster seines Besitzers und imitiert dieses bei seiner Abwesenheit. TEXT A N O U K A R B E N Z

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ls Stefanie Turber und Markus Köhler sich am Bosch Internet of Things Lab (IoT Lab) kennenlernten, waren sie Teil eines interdisziplinären Teams und damit eines Experiments, das 2012 von der ETH Zürich und der Universität St. Gallen in die Wege geleitet wurde. Durch das Zusammenbringen von Doktoranden unterschiedlicher Disziplinen sollten innovative und ausgereifte Ideen entwickelt werden. Er, ein Informatiker und Wirtschaftsingenieur. Sie, eine Wirtschaftswissenschaftlerin mit Praxiserfahrung in der Strategieentwicklung. Im Frühjahr 2014 wurde eine zündende Idee geboren, die heute, zwei Jahre später, kurz vor der Markteinführung steht: Gemeinsam entwickelten sie eine intelligente Lampe, die durch einen Bewegungssensor das Bewegungsverhalten seines Nutzers speichert, lernt und bei Abwesenheit nachahmt. AKTIVER SCHUTZ VOR EINDRINGLINGEN Das Prinzip ist einfach: In die ComfyLight LED-Lampe ist ein Sicherheitssystem integriert, deren Herzstück ein Präsenzsensor ist. Betritt der Bewohner den Raum, geht das Licht automatisch an und wieder aus, wenn er den Raum verlässt. Das Besondere: ComfyLight merkt sich dabei das Bewegungsverhalten seines Nutzers. Verlässt er das Haus, wird dieses automatisch simuliert. Das erweckt den Eindruck, dass immer jemand zuhause ist. Stefanie Turber unterstreicht die präventive Funktion der Lampe: «Auf diese Weise wird nicht nur reagiert, wenn bereits eingebrochen wurde, sondern verhindert, dass überhaupt erst jemand das Haus betritt.» Falls dennoch Bewegung festgestellt wird, wenn alle Bewohner ausser Haus sind, informiert ComfyLight den Bewohner umgehend über eine Push-Nachricht auf das Handy. Zusätzlich beginnt die Lampe daraufhin wie wild an zu blinken, wodurch Nachbarn aufmerksam gemacht werden sollen und der Einbrecher im besten Fall in die Flucht geschlagen wird. Das alles 20

UnternehmerZeitung | Nr. 5 2016

funktioniert nur in Verbindung mit der entsprechenden App, auf der sich der Nutzer registriert. Dies bedingt erstens, dass er überhaupt ein Smartphone besitzt und zweitens, dass er dieses bei sich trägt, wenn er das Haus verlässt. Für ältere Leute, die oftmals kein Smartphone haben, könnte dies ein Hindernis sein. Turber relativiert: «Smartphones sind mittlerweile sehr verbreitet. Unsere älteste Feldtest-Nutzerin war immerhin knapp 80 Jahre alt.» Sicherheit sei ein Bedürfnis, das über alle Bevölkerungsschichten hinweg und unabhängig von Alter und Geschlecht zunehme. MIT PREISEN ÜBERHÄUFT Den Markteintritt plant ComfyLight für dieses Jahr. Davor hatte das Startup einige Herausforderungen zu bewältigen. Allem voran galt es ComfyLight aus der Universität und dem Forschungskontext herauszulösen. Ein wichtiger Meilenstein war die Teilnahme an einem Förderprogramm in Amsterdam, an dem ComfyLight zusammen mit zehn anderen Startups teilnehmen durfte. «Dort haben wir einen grossen Schritt nach vorne gemacht.» Wie für jedes andere Startup war auch die Finanzierung eine grosse Hürde, die es jedoch mit dem Gewinn verschiedener Startup-Preise und der Hilfe zweier Business Angels sowie Bosch als strategischem Partner überwinden konnte. Unter den Förderpreisen befindet sich der Axa Innovation Award, VentureKick, der BearingPoint Be.Project Award und der Jungunternehmerpreis der W.-A.-de-Vigier-Stiftung, den ComfyLight letztes Jahr gewann. Anfang dieses Jahres wurde die intelligente Lampe ausserdem mit dem CES-Innovation Award ausgezeichnet, der im Rahmen der weltweit grössten Fachmesse für Unterhaltungselektronik, der Consumer Electronic Show in Las Vegas, vergeben wurde. Die Auszeichnung sei für Turber die Bestätigung dafür, dass ihr Produkt auch international gut ankomme. Die nächste Herausforderung werde die Markteinführung sein. «Das ist der wich-

tigste Meilenstein, auf den wir letztlich seit drei Jahren hinarbeiten.» Vorerst will sich ComfyLight vor allem über den Umsatz der Glühbirnen finanzieren, für später seien aber auch Weiterentwicklungen in der Applikation und durch die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen zusätzliche Services denkbar. Vom Markteintritt erhofft sich Turber, dass der Nutzen von ComfyLight erkannt und es in der Folge möglich wird, «eine Marke aufbauen zu können, der man vertraut». Rund 120 Franken soll das Alarmsystem von ComfyLight kosten, das in eine gewöhnliche Glühbirne integriert ist. Bilder: zVg


Sie stecken hinter der Idee: Stefanie Turber und Marcus Köhler, die Gründer von ComfyLight.

«Das Thema Sicherheit ist noch nicht in der Masse angekommen» Die Schweiz ist Einbruchseuropameister: Alle acht Minuten wird irgendwo ein Einbruch begangen. Zwar ist die Zahl der Einbrüche 2015 um 19 Prozent zurückgegangen, doch scheinen wir unsere Häuser noch immer zu wenig zu schützen. Stefanie Turber nennt mögliche Gründe dafür und erklärt, wie ComfyLight dem entgegensteuern will. Darüber hinaus könnte ihre Innovation auch im Energiebereich intelligente Lösungen bieten. Wiegen wir uns in falscher Sicherheit? STEFANIE TURBER Ich glaube, die Schweiz unterscheidet sich gar nicht so stark von anderen Ländern. Grenzgebiete sind per se gefährdeter als andere, und davon gibt es in der Schweiz viele. Es stimmt aber, dass Sicherheit ein Thema ist, das noch nicht in der Masse angekommen ist. Die meisten Häuser sind immer noch komplett ungeschützt. Ein Grund ist sicherlich, dass herkömmliche Sicherheitssysteme meist erst Alarm schlagen, wenn der Einbruch schon passiert ist. Viel wichtiger ist es, einen Schritt vorher anzusetzen und das Haus aktiv vor Eindringlingen zu schützen.

ComfyLight betreibt auch Prävention, da die Simulation vortäuscht, es wäre jemand zuhause. Wird dennoch eingebrochen, erhält der Nutzer sofort Meldung davon. Würde es nicht schneller gehen, wenn direkt die Polizei statt der Nutzer über den Einbruch informiert würde? Mittelfristig schliessen wir nicht aus, die Polizei oder den Sicherheitsdienst einzubinden, wenn der Nutzer das wünscht. Wir beobachten aber, dass ein Grossteil der Polizeieinsätze durch Fehlalarme ausgelöst wird, die den Nutzer und die Allgemeinheit teuer zu stehen kommen. Nachbarschaftshilfe ist also eine nützliche Alternative mit demselben Effekt. Braucht es in jedem Raum eine Lampe, um unerwünschte Bewegungen im Haus sicher zu erkennen? Nein, das selbstverständlich nicht, aber natürlich wird die Simulation umso realistischer, je mehr Lampen man hat. Da das System modular ist, kann man erst einmal mit zwei oder drei ComfyLights testen und später weitere nachbestellen. In den meisten Häusern macht es Sinn, zunächst mit dem Flur zu starten und mit einem Raum, den der Einbrecher sicher durchqueren wird.

Viele Leute haben Haustiere. Wie stellen Sie sicher, dass Tiere von Menschen unterschieden werden? Ein Hund generiert ein anderes Bewegungsmuster als Menschen. Über sorgfältige Datenanalysen kann so die Bewegung eines Erwachsenen von der eines Haustieres unterschieden werden, um Fehlalarme zu vermeiden. Unser Software-Team hat dies an unserer Bürohündin Mia getestet. Früher lag sie behäbig unter dem Schreibtisch unserer Marketingspezialistin, heute hat auch sie einen Job. (lacht) Wo werden die Daten gespeichert? Bei uns ist das Thema Sicherheit noch einmal relevanter als bei anderen Internet of Things-Lösungen. Wir haben uns deshalb für eine Cloud entschieden, die ursprünglich für vertrauliche medizinische Daten gedacht war, also eine sehr hohe Sicherheitsstufe aufweist. Wie sieht es mit dem Stromverbrauch aus: Fällt dieser höher aus, da das Licht auch bei Abwesenheit der Bewohner brennt? Wenn man zuhause ist, verbraucht ComfyLight weniger Strom als eine her→

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INNOVATION

kömmliche LED-Lampe, weil sie nur an ist, wenn tatsächlich jemand im Raum ist. Sobald der Bewohner das Haus verlässt, verwandelt sich ComfyLight in eine clevere Sicherheitslösung. In dem Fall würden wir ComfyLight mit anderen Sicherheitssystemen vergleichen; diese funktionieren meist über mehrere aktive, verteilte Kameras, die permanent grössere Datenpakete verarbeiten. Bei ComfyLight ist die Sensorik in eine Lampe gepackt, die so automatisch mit Strom versorgt wird. Letztlich ist die Energie, die man über Licht sparen kann, nicht so entscheidend für die meisten Haushalte,

da das Gros der Energiekosten vor allem über Heizenergie entsteht. Durch die Kopplung von smarten Thermostaten mit Präsenzdaten, die ComfyLight sammelt, können mittelfristig smarte Thermostate noch wirksamer eingesetzt werden. Es soll nur geheizt werden, wenn das Haus oder ein Raum bewohnt ist. Wie wichtig ist und war die Schweiz als Standort für ComfyLight? Sehr wichtig. Das Setting, das wir an der ETH und der HSG gefunden haben, ist einzigartig. In einem anderen Umfeld wäre die Lösung nicht in der Art entstanden. Eine

Besonderheit ist auch die Förderlandschaft in der Schweiz mit den zahlreichen Wettbewerben. Wir haben einige Preise mit ComfyLight gewonnen, die es uns letztlich ermöglicht haben, die Serienproduktion noch vor der ersten Finanzierungsrunde zu starten. Das ist eher ungewöhnlich und war für uns ein wichtiger Beschleuniger. Nicht zuletzt ist die Schweiz unser zentraler Testmarkt. Wir haben in verschiedenen Regionen der Schweiz erfolgreiche Feldtests durchgeführt . Unsere Iterationsschleifen basieren demnach vor allem auf der Wahrnehmung und dem Feedback Schweizer Nutzer.

Künstliche Intelligenzen führen dazu, dass wir immer mehr Kompetenzen abgeben. Auch mit ComfyLight muss man nicht einmal mehr den Lichtschalter betätigen. Wo sehen Sie Potentiale aber auch Gefahren intelligenter Maschinen? Eine grosse Chance sehe ich im Bereich Ambient Assisted Living: Ältere Menschen haben länger die Möglichkeit, selbständig zuhause in ihrer vertrauten Umgebung zu wohnen. Künstliche Intelligenz hilft, alltägliche Vorgänge abzunehmen, die ein älterer Mensch nicht mehr selber bewältigen kann. So kann das Drücken eines Lichtschalters ein Präsenzsensor übernehmen.

Immer zuverlässigere und sensiblere Sensoren werden in Zukunft feststellen können, wann ein Mensch Hilfe braucht, um genau in diesen Momenten einen Arzt herbeizuholen. Umsicht geboten ist bei der Verfügbarkeit von intimen Daten – ich denke da zum Beispiel an den Einsatz von Technologien zur Spracherkennung, die mittlerweile in Fernsehern und Lampen zu fnden sind und äusserst private Daten sammeln. Ich halte es deshalb für sehr wichtig, dass Unternehmer und Wissenschaftler sich bewusst sind, dass mit der Entwicklungsaufgabe auch eine Verantwortung einhergeht.

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ermöglicht. Nachdem der Verkäufer den Betrag ermö eingetippt hat, scannt der Kunde den auf dem eing Gerät sofort angezeigten QR-Code mit seinem Gerä Smartphone und bestätigt die Zahlung mit nur Sma einem Fingertipp. Ab diesem Sommer kann die eine Zahlung auch auf den mobilen Kartenterminals Zah von CCV abgewickelt werden.

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CLEANTECH

Material für Mikroroboter MIKROTECHNOLOGIE Wissenschaftler der ETH Zürich und IBM haben eine neue Methode entwickelt, um aus verschiedenen Arten von Mikrokügelchen künstliche Moleküle herzustellen. Sie sollen für Mikroroboter, in der Photonik oder der Grundlagenforschung verwendet werden. TEXT E L K E B U N G E

Durch die Strukturierung mikroskopischer Kunststoff- oder Siziliumdioxid-Kügelchen enstehen Stäbchen, Dreiecke und erste, einfach aufgebaute dreidimensionale Objekte. Bild: Keystone

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ikrotechnologie ist eine der treibenden Kräfte auf dem Gebiet der Miniaturisierung. Zum Einsatz kommt sie in Computern, in Mobiltelefonen, in der Automobilindustrie, in den Sektoren Energie und Umwelt oder in der Medizin. Wissenschaftler der ETH Zürich und des IBM-Forschungszentrums in Rüschlikon konnten jetzt erstmals komplex aufgebaute, winzige Objekte aus Mikrokügelchen herstellen, die dieser Zukunft neue Möglichkeiten eröffnen könnte. NISCHE IN DER GRÖSSENSKALA Bis anhin wurde in der Mikrotechnologie meist mit Mikro-3D-Druckern gearbeitet. Allerdings lassen sich bei diesem Druckverfahren nur Objekte herstellen, die aus einem Material bestehen, einheitlich aufgebaut sind und bei der Produktion an ihre Oberfläche gebunden sind. Das von den Schweizer Forschern entwickelte Verfahren stellt jetzt winzige Objekte im Mikrometerbereich her, die gezielt modular aufgebaut sind und somit in einem einzigen Molekül unterschiedliche physikalische Eigenschaften haben. Die neuartigen Materialien nehmen eine interessante Nische auf der Grössenskala ein: Sie sind um einiges grösser als chemische Moleküle, ihre Masse liegt zwischen 1 und 10 Ångström (1 Ångström entspricht

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0.0001 Mikrometer). Andererseits sind sie viel kleiner als die Dinge der makroskopischen Welt, die wir mit unseren Augen leicht erfassen. «Je nach Sichtweise könnte man von Riesenmolekülen oder von Mikroobjekten sprechen», sagt der gebürtige Mailänder Lucio Isa, Professor für Grenzflächen, weiche Materie und Assemblierung an der ETH Zürich. Er leitete das Forschungsprojekt gemeinsam mit Heiko Wolf vom IBM-Research. «Bisher war es noch keinen Wissenschaftlern gelungen, bei der Herstellung von künstlichen Molekülen auf der Mikroskala die Abfolge der Einzelkomponenten komplett zu kontrollieren», so Isa. MIKROSCHABLONEN FÜR IDENTISCHE OBJEKTE Um diese neuartigen Mikroobjekte herzustellen, verwendet das Forscherteam Kügelchen, die aus Kunststoff oder Siliziumdioxid bestehen und einen Durchmesser von rund einem Mikrometer aufweisen. Diese Grundbausteine werden dann kontrolliert in gewünschter Geometrie und Reihenfolge angeordnet. Dabei entstehen Mikroobjekte mit neuen, komplexeren Eigenschaften, wie beispielsweise präzise definierte magnetische oder nicht-magnetischen Bereiche sowie unterschiedlich elektrisch geladene Zonen. Durch die Strukturierung von Materialien in diesem Grössenbereich entste-

hen Stäbchen unterschiedlicher Länge und Zusammensetzung, winzige Dreiecke und erste, einfach aufgebaute dreidimensionale Objekte. Um jeweils eine Vielzahl von identischen Mikroobjekten herzustellen, nutzen die Wissenschaftler Polymerschablonen mit Vertiefungen in Form des gewünschten Objektes. VISIONEN FÜR DIE ZUKUNFT Bislang haben die neuen Objekte noch einfache Geometrien. Für die Zukunft denken die Wissenschaftler an selbstangetriebene Mikrovehikel, die sich dank einer ausgeklügelten Geometrie und Materialzusammensetzung in einem externen elektrischen oder magnetischen Feld vorwärtsbewegen. Auch Mikromixer für Lab-on-a-Chip Labore wären denkbar. In ferner Zukunft, so denken die Forscher, sind auch Mikroroboter für biomedizinische Anwendungen denkbar. Diese könnten dann Mikroobjekte greifen und transportieren. Eine weitere Anwendung sieht das Team im Bereich der Photonik, also der auf Licht basierenden Signalverarbeitung. Dafür müssten sie sich selbständig zu grösseren «Superstrukturen» zusammenfinden. «In der Photonik werden massgeschneiderte Mikrostrukturen benötigt. Diese könnten dereinst mit unseren Bauteilen hergestellt werden», so Isa.


Iowa setzt auf Wind ENERGIEPROGRAMM MidAmerican Energy will 3.6 Milliarden Dollar investieren, um in Iowa ausschliesslich Strom aus erneuerbaren Quellen liefern zu können. Der Energieversorger in Des Moines ist schon heute der grösste Betreiber von Windkraftanlagen in den USA. TEXT J O H N D Y E R , B O S T O N

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owa und Texas sind die führenden amerikanischen Bundesstaaten bei der Gewinnung von Elektrizität aus Windkraft. Der Energieversorger MidAmerican Energy aus Des Moines in Iowa setzt sich sogar 100 Prozent Windstrom für seine Kunden als Ziel. Dazu hat Unternehmenschef Bill Fehrman jetzt einen Investitionsplan zum Ausbau der Windenergiesparte mit einem Volumen von 3.5 Milliarden Franken auf den Tisch gelegt. Damit soll der Anteil der Windkraft an der Energieerzeugung des Unternehmens auf 85 Prozent angehoben werden. MidAmerica Energy würde damit zum grössten Windstromproduzenten in den USA. Schon jetzt liegt sein Anteil höher als bei allen anderen Energieversorgern in den Vereinigten Staaten. Bis 2004 stellte der Versorger noch 70 Prozent seines Stroms in Kohlekraftwerken her. «Wir haben eine klare Vision unserer Energie-Zukunft», sagt Fehrman, «Wir kennen keinen anderen US-Energieversorger, der sich ebenfalls 100 Prozent zum Ziel gesetzt hat. Unsere Kunden verlangen mehr erneuerbare Energie und wir können da nur voll zustimmen.» VON BUFFETT GEKAUFT Seit der Kohlezeit bis 2004 hat MidAmerica Energy insgesamt 6.6 Milliarden Dollar in Windkraftanlagen investiert. Bis Ende 2016

Mit 6 200 Megawatt Windstrom ist Iowa heute der zweitgrösste Windstromerzeuger in den USA. Bild: wikimedia

kommen 60 Prozent des dort produzierten Stroms aus 2020 Windturbinen, die 4 038 Megawatt Strom generieren. Damit produziert das Unternehmen mehr Strom aus Wind als jeder andere Versorger in den USA. Die Firma beliefert 752 000 Stromkunden und 733 000 Erdgas-Kunden in Iowa, Illinois und South Dakota. Berkshire Hathaway, die Firma des Investment-Gurus Warren Buffett, hat das Unternehmen 1999 gekauft. Mit 6 200 Megawatt Windstrom ist Iowa nach Texas heute der zweitgrösste Windstromerzeuger in den Vereinigten Staaten. Beide Staaten nutzen die stetig über die Great Plains – die weiten Prärie-Ebenen – wehenden Westwinde. UMWELTSCHÜTZER SIND BEGEISTERT Die Genehmigungsbehörden in Iowa sollen den Ausbau noch vor den Sommerferien genehmigen. Die Umweltschützer begrüssen das Vorhaben. Sie verweisen darauf, dass Strom in Iowa noch immer zu 53 Prozent aus Kohle stammt. Kernkraftwerke, Erdgas und Wasserkraft produzieren nur 16 Prozent des Stroms. «100 Prozent erneuerbare Energie als Ziel zu setzen, löst eine neue Diskussion aus, wie man dieses erreicht. Es ist ein wichtiger Schritt in die neue Richtung», sagt Nathaniel Baer, Direktor für das Energieprogramm beim Umweltrat von Iowa.

STEUERLICHE ANREIZE Die Steuernachlässe der US-Regierung, die als Anreiz zum Übergang zur Windkraftnutzung dienen sollen, würden in einem Jahrzehnt die Investitionen bezahlen, sagt MidAmerica Energy-Chef Fehrman. Der Gouverneur von Iowa, der Republikaner Terry Branstad, erwartet einen Anstosseffekt. Das werde dazu führen, dass Iowa als erster Bundesstaat mehr als 40 Prozent seiner gesamten Energieproduktion aus Windkraft beziehen werde. «Schon jetzt ist Iowa der einzige Staat, der dabei die 30-Prozent-Marke überschritten hat. Jede Windturbine, die Sie in Iowa sehen, bedeutet Einkommen für Farmer und für die Bezirke, und Jobs für Familien in Iowa.» NACHHALTIGKEIT ALS WERBEARGUMENT Gouverneur Branstad zitierte einen Bericht des Unternehmensverbandes für Windkraft, laut dem immer mehr Unternehmen versuchten, ihren Kunden Produkte anzubieten, die mit erneuerbarer Energie hergestellt werden. Auch die Handelskette Walmart setzt auf diesen Effekt. Bis 2020 soll dort in allen Einrichtungen zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen verwendet werden. Man wolle den Kunden «effizienter und nachhaltiger» dienen als dies Mitbewerber täten.

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Vom Geben und Nehmen GENERATIONENVERTRAG Wer nichts verlangt, erhält auch nichts. Wer nach seiner Pensionierung eine AHV-Rente beziehen will, muss sich Monate vorher anmelden. Auch sonst bietet der Umgang mit dem wichtigsten Sozialwerk einige Tücken. Ein Grundwissen zur ersten Säule ist deshalb für jedermann unabdingbar. TEXT F R E D Y G I L G E N

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inus 560 Millionen Franken bei der AHV. Die mediale Aufregung um den ersten Jahresverlust in der AHV-Rechnung seit den 1980er-Jahren hat sich bereits wieder etwas gelegt. Was soll man sich über diesen Fehlbetrag und das Politikergeschrei über die Schieflage dieses Sozialwerks denn auch aufregen, sagen sich viele. Die AHV funktioniere doch noch immer einwandfrei. Fast wie ein Uhrwerk. In der Tat: Automatisch und schmerzlos werden Monat für Monat 4.2 Prozent vom Lohn abgezwackt und einem individuellen Konto gutgeschrieben. Und vom Arbeitgeber kommt jeden Monat derselbe Betrag hinzu. Nach der Pensionierung wird aus dem angesparten Guthaben schliesslich die AHV-Rente ausbezahlt. So jedenfalls stellen sich viele Schweizerinnen und Schweizer das Funktionieren dieses Sozialwerks vor: «Ich habe jahrelang in die AHV einbezahlt und kann deshalb nun zu Recht profitieren», erklären Rentner immer wieder. Doch so häufig diese Meinung auch geäussert wird – sie ist falsch. In Tat und Wahrheit arbeitet die AHV nach dem sogenannten Umlageverfahren. Konkret: Die von den Erwerbstätigen einbezahlten Beträge fliessen nicht auf die eigenen Konti, sondern werden direkt den aktuellen Pensionären gutgeschrieben. Mit den monatlich einbezahlten Beiträgen äufnet ein Beschäftigter mit andern Worten kein Konto, sondern erwirbt sich das Recht, nach der Pensionierung eine AHV-Rente zu beziehen. MAXIMAL 2 350 FRANKEN PRO MONAT Die AHV bildet die erste Säule des schwei26

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zerischen Sozialversicherungssystems. Ihr Ziel ist es, den Existenzbedarf des Versicherten oder der Hinterbliebenen im Alter oder im Todesfall zu sichern. Ab dem Pensionierungszeitpunkt – bei Männern aktuell mit 65, bei Frauen mit 64 – erhält jeder Versicherte eine Altersrente und allenfalls auch eine Kinderrente ausbezahlt. Im Todesfall kann sodann ein Anspruch auf eine Witwen-/Witwerrente oder eine Waisenrente bestehen. Und das gibts: Für eine alleinstehende Person beträgt die maximale Jahresrente bei der Pensionierung gegenwärtig 28 200 Franken, was 2 350 Franken pro Monat entspricht. Ehepaare erhalten höchstens 150 Prozent der Einzelrente, also eine maximale Rente von 42 300 Franken (3 525 Franken pro Monat). Das Rentenminimum beträgt jeweils die Hälfte der genannten Beträge. OHNE ANMELDUNG KEINE RENTE Doch aufgepasst: Die AHV-Rente erhält nur, wer sich vorher angemeldet hat. Dies bei der zuständigen AHV-Ausgleichsstelle. Welche das ist, kann am einfachsten beim jeweiligen Arbeitgeber in Erfahrung gebracht werden. Zweckmässigerweise erfolgt die Anmeldung mindestens drei bis vier Monate vor Erreichen des Rentenalters. Denn die Ausgleichskasse benötigt für die Beschaffung der nötigen Unterlagen und die Berechnung der Höhe der Rente immer etwas Zeit. Personen, die Teilzeitpensen bei verschiedenen Arbeitgebern mit unterschiedlichen AHV-Ausgleichsstellen haben, müssen sich bei jeder dieser Ausgleichsstellen melden. Pensioniert wird man im Übrigen

nicht am Tag des 64. Geburtstags respektive des 65. Geburtstags, sondern erst am Ende des Monats, in dem man das AHV-Alter erreicht. Und auf die erste Rente muss man dann bis zu Beginn des darauffolgenden Monats warten. Neurentner Reto G., der am 4. April seinen 65. Geburtstag feierte, bekommt sein erstes AHV-Geld also erst Anfang Mai. WANN GIBT ES EINE VOLLE AHV-RENTE? Eine volle AHV-Rente erhält Reto G., wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens muss er lückenlos in die AHV einbezahlt haben und zweitens, ein minimales Jahreseinkommen erzielt haben. Für Männer sind für eine volle Rente mindestens 44 und für Frauen 43 Beitragsjahre notwendig. Es ist also ratsam, AHV-Beiträge selbst dann zu bezahlen, wenn man zum Beispiel wegen Arbeitslosigkeit, eines Studiums oder einer Weltreise für eine gewisse Zeit nicht erwerbstätig ist. Die Nichterwerbstätigen-Beiträge machen im besten Fall nicht einmal 500 Franken pro Jahr aus. Und nichterwerbstätige Ehepartner sind von der Beitragspflicht sogar befreit, sofern der erwerbstätige Ehegatte mindestens 960 Franken pro Jahr an die AHV bezahlt. Ein fehlendes Beitragsjahr andererseits führt in der Regel zu einer dauerhaften Rentenkürzung um mindestens 2.3 Prozent, also um rund 325 bis 650 Franken pro Jahr. Neben einer lückenlosen Beitragszahlung bedingt eine maximale Rente ein durchschnittliches Jahreseinkommen von aktuell rund 85 000 Franken. Das klingt deutlich anspruchsvoller als es ist, kann sich dieses


Einkommen doch aus drei Teilen zusammensetzen: aus dem Erwerbseinkommen, den Erziehungsgutschriften für Kinder und aus den Betreuungsgutschriften für die Pflege naher Verwandter. Zudem wird das Einkommen der zurückliegenden Jahre mit einem Aufwertungsfaktor auf das heutige Niveau angepasst, um die Inflation zu berücksichtigen. RENTENVORBEZUG LOHNT SICH KAUM JE Laut AHV-Gesetz kann man seinen Pensionierungszeitpunkt zwischen dem 63. und dem 70. Altersjahr festlegen. Wer in Frühpension gehen will, muss allerdings eine spürbare Rentenkürzung von 6.8 Prozent pro Jahr in Kauf nehmen. Wer die Pensionierung dagegen aufschiebt, kann seine AHV-Rente um 5.2 (Aufschub um ein Jahr) bis stattliche 31.5 Prozent (Aufschub um 5 Jahre) erhöhen. Generell ist ein Vorbezug bei der AHV nur dann sinnvoll, wenn der Rentenempfänger mit einer kurzen Lebenserwartung rechnet. Denn statistisch gesehen hat ein 65-Jähriger Mann noch eine Lebenserwartung von 19.4, eine Frau sogar von 22.4 Jahren. Eine Rentenkürzung von 6.8 Prozent pro Jahr lohnt sich demzufolge nur dann, wenn ein Mann keine

78 und eine Frau keine 81 Jahre alt wird. Wer trotzdem einen Rentenvorbezug will, muss sich spätestens am letzten Tag des Monats, in dem das entsprechende Altersjahr vollendet wird, anmelden. Sonst kann der Rentenvorbezug erst mit Wirkung ab dem nächstfolgenden Geburtstag geltend gemacht werden. Die AHV lässt keine rückwirkenden Anmeldungen zu. Für einen Rentenaufschub muss man sich spätestens innerhalb eines Jahres nach Erreichen des ordentlichen Rentenalters anmelden. Dies mittels einer sogenannten Aufschuberklärung. AUCH ERWERBSTÄTIGE RENTNER ZAHLEN EIN Wer arbeitet, der zahlt. Im Extremfall auch lebenslang: Personen im AHV-Rentenalter müssen Beiträge bezahlen, so lange sie eine Erwerbstätigkeit ausüben. Immerhin existiert für sie ein Freibetrag, auf dem keine Abgaben zu entrichten sind. Dieser Freibetrag beträgt gegenwärtig 1400 Franken im Monat oder 16 800 Franken im Jahr. Auf die Rente haben diese Beiträge aber keinen Einfluss mehr. Wer nicht (mehr) arbeitet und noch nicht im AHV-Rentenalter ist, der zahlt ebenfalls, nämlich die Beiträge für Nichterwerbstätige.

Die Höhe dieser Beiträge richtet sich nach dem Vermögen und dem mit einem Faktor von 20 multiplizierten Renteneinkommen. Für sehr Reiche, die ein Reinvermögen von rund 8.4 Millionen Franken und mehr besitzen, wird es dann teuer – die AHV-Beiträge können nämlich bis zu 24 259 Franken betragen. Einige versuchen deshalb, die Beiträge für Nichterwerbstätige zu umgehen, indem sie einen Nebenjob annehmen. Wenn der Betreffende dafür 5 000 Franken pro Jahr erhält, gehen davon rund 500 Franken an die AHV. Damit, so denken Schlaumeier, wäre der Minimumbetrag erreicht und die Bezahlung des weit höheren Beitrages für Nichterwerbstätige ausgehebelt. Die Behörden haben dieses Schlupfloch jedoch umgehend gestopft und in der AHV-Verordnung festgehalten, die AHV-Beiträge für die teilweise Erwerbstätigkeit könnten nur dann angerechnet werden, wenn sie höher sind als die Hälfte der Beiträge, die für Nichterwerbstätige fällig wären. Im Maximum also höher als 12 130 Franken. Und diese Hürde ist für die meisten wohl zu hoch. Weitere Informationen: bsv.admin.ch/themen/ahv, ahv-iv.ch Anzeige

Auf einem Blick VORURTEIL NR. 4

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Policen eines Megaprojekts GOTTHARD-BASISTUNNEL Am 1. Juni 2016 wird der 57 Kilometer lange GotthardBasistunnel feierlich eröffnet. Versicherer des Jahrhundertwerks ist ein Konsortium unter der Führung von Helvetia Versicherungen. TEXT H A R A L D S C H E E R

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er neue Tunnel durch den Gotthard ist ein Meilenstein in der Geschichte der Ingenieurskunst. Auch für die Versicherungsbranche war dieses Projekt eine epochale Herausforderung. Nationale Suisse, die sich inzwischen mit Helvetia Versicherungen zusammengeschlossen hat, war seit Beginn für die Umsetzung der Versicherung des Neat-Projekts verantwortlich. Das Versicherungspaket umfasste Bauwesen-, Montage-, Besucherunfall- sowie Haftpflichtpolicen für Sach-, Personen- und Vermögensschäden. Das Versicherungsrisiko des Jahrhundertbauwerks übernahm Helvetia zu gleichen Teilen mit Allianz Suisse. Ein Bauprojekt dieser Grössenordnung bringt viele Herausforderungen mit sich. Der Stand der Technik und die Risikoaspekte veränderten sich seit der Erstellung der Police im Jahr 2000 laufend, die geologischen Herausforderungen waren gross und deren Auswirkungen nicht immer abschätzbar. Bevor es aber zu einem Vertragsabschluss mit der Bauherrin AlpTransit Gotthard AG gekommen ist, mussten in der Angebotsphase die speziellen Risiken aus den verschiedenen Bauphasen verstanden und sämtliche Aspekte und Bewertungen zu einem attraktiven Angebot für die Versicherungsnehmerin zusammengeführt werden. RISIKEN IN UND ÜBER DEM TUNNEL Zum Kerngeschäft der Tunnelversicherer gehört die Bauwesenversicherung. Diese trägt die Kosten für die Wiederherstellung zerstörter Bauleistungen. Kommt es zum Beispiel aus unvorhersehbaren geologischen Gründen zu einem Bergschlag, bei dem Gestein in den bereits erstellten Tunnel stürzt und diesen beschädigt, ist der zusätzliche Aufwand zur Wiederherstellung versichert. Nicht unter die Versicherungsleistung fallen Mehraufwendungen durch vorhersehbare Risiken. Die Bauherrin muss stets die notwendigen und zumutbaren vorsorglichen Massnahmen treffen, um derartige Ereignisse zu vermeiden.

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Bild: AlpTransit Gotthard AG

Der Bau des Gotthard-Basistunnels stellte höchste Anforderungen an Mensch, Maschine und Versicherungen.

Die Haftpflichtdeckung schützt die Bauherrin vor Ansprüchen bei Schäden gegenüber Dritten. Zum Beispiel können Senkungen der Oberfläche über der Röhre zu Schäden von Strassenkonstruktionen oder an Staudämmen führen. Beim Gotthard-Basistunnel bestand dieses Risiko konkret für die Mauer des südlich von Sedrun liegenden Stausees Nalps. Schäden sind jedoch keine aufgetreten. ZWANZIG JAHRE KONTINUITÄT Mittlerweile werden im Gotthard-Basistunnel noch Abschlussarbeiten ausgeführt. Für die Versicherer läuft der Neat-Auftrag stufenweise aus. So endet die Bauplatzversicherung des Ceneri-Basistunnels Mitte 2019. Sowohl die Bauherrin als auch die Versicherer können beim Gotthard-Basistunnel auf

ein erfolgreiches Projekt zurückblicken, auch dank der Konstanz im Versicherungsrisiko-Management während fast zwei Jahrzehnten.

DER AUTOR Der Bauingenieur Harald Scheer betreut als Head Construction Engineering Large & Special Risks bei Helvetia seit 2009 die Versicherungspolicen für den Gotthard- und den Ceneri-Basistunnel und ist verantwortlich für die Akquisition, Bewertung und Zeichnung von Grossrisiken.


GELD

Ein kalkuliertes Risiko ZWEITE SÄULE Bei der beruflichen Vorsorge kann es durchaus ratsam sein, zugunsten zusätzlicher Renditechancen bewusst etwas mehr Risiken in Kauf zu nehmen. Moderne Versicherer bieten dazu verschiedene, individualisierte Gefässe. TEXT H A N S - J A K O B S T A H E L

Wer A sagt, muss auch B sagen: Höhere Renditen gehen immer auch mit höheren Risiken einher – ein gewichtiger Grundsatzentscheid.

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ür viele KMU steht bei der beruflichen Vorsorge die Sicherheit der Vorsorgegelder ihrer Mitarbeitenden an erster Stelle. Der Vorteil des Vollversicherungsmodells liegt auf der Hand: Der Versicherer trägt alle Risiken. Eine Unterdeckung ist ausgeschlossen

KURZ ERKLÄRT – Bei der Vollversicherung sind die Risiken Tod, Invalidität, Langlebigkeit sowie das Anlagerisiko bei einer Versicherungsgesellschaft zu 100 Prozent rückgedeckt. Es besteht für die angeschlossenen Betriebe somit kein Anlage- und Zinsrisiko, da die Vorsorgegelder der Mitarbeitenden garantiert werden. – Bei einer teilautonomen Vorsorgelösung werden nur die Risiken Tod und Invalidität vollständig oder teilweise bei einer Versicherungsgesellschaft rückgedeckt. Langlebigkeits- sowie Anlagerisiko werden durch die Vorsorgeeinrichtung selbst getragen.

und damit ebenso Nachschusspflichten im Sinne von Sanierungsmassnahmen. Aufgrund dieser Garantien sind im Vergleich zu einer teilautonomen Lösung die Kosten etwas höher und die Renditechancen eingeschränkt. MUT ZU MEHR RISIKO Bei teilautonomen Sammelstiftungen (siehe Kasten) übernimmt der Versicherer die Risiken Invalidität und Tod, die Vorsorgegelder hingegen partizipieren an der Entwicklung der Finanzmärkte. Dadurch ergeben sich Chancen auf langfristig höhere Renditen. Je nach gewählter Lösung können die Unternehmen bestimmen, welche Risiken bei den Anlagen eingegangen werden sollen. Bei einer teilautonomen Lösung sind Unterdeck ung, Sanierungsmassnahmen und damit Nachschusspflichten möglich. Vor allem Grossunternehmen führen eine firmeneigene Pensionskasse und legen dadurch unabhängig fest, in welchem Ausmass die Pensionskasse Risiken tragen soll.

Bild: zVg

Moderne Versicherer stellen solchen autonomen Kassen eine umfassende Beratungsund Dienstleistungspalette zur Verfügung und verfügen ausserdem über Anlagestiftungen, mit denen sie autonomen Pensionskassen Gefässe für die Anlage der Vorsorgegelder anbieten können.

DER AUTOR Hans-Jakob Stahel ist Leiter Unternehmenskunden und Mitglied der Geschäftsleitung Swiss Life Schweiz. Swiss Life bietet Unternehmen die Vollversicherung sowie teilautonome Lösungen an. Zudem können Personalvorsorgeeinrichtungen über die Anlagegruppen der Anlagestiftung Vorsorgegelder anlegen. Die Tochtergesellschaft Swiss Life Pension Services (SLPS) berät autonome Kassen in allen Belangen der Pensionskassenführung.

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DIGITAL

Entscheidungsfindung

Evaluation der Alternativen

TOOLSPLATTFORM MOVECLOUD Analyse

Evaluation der Bedürfnisse

Das Trust Maturity-Werkzeug steht online auf movecloud.ch zur Verfügung. Mit dem Ausfüllen des Onlinefragebogens können Cloud-Anbieter einen Einblick erhalten, wie gut sie in Bezug auf die Vertrauensbildung bei ihren Kunden abschneiden. Ein Teil der Trust Assessments kann kostenlos genutzt werden. Die FHNW bietet das gesamte Assessment im Rahmen von Workshops an. Für weitere Informationen kontaktieren Sie: info@movecloud.ch

Bevor sich der Kunde für einen Cloud-Dienst entscheidet, durchläuft er die vier Etappen des Canvas-Modells. Ziel ist es, eine solide Vertrauensbasis zu schaffen.

Unbeschwert auf der Cloud CLOUD-COMPUTING Für Anbieter von Cloud-Diensten ist Vertrauen ein wichtiger Bestandteil von loyalen Kundenbeziehungen und der beste Weg, um sich von Mitbewerbern im Markt abzuheben. Vertrauen aufzubauen, erfordert einige Anstrengungen sowohl von Benutzer- als auch von Anbieterseite. TEXT S T E L L A G A T Z I U G R I V A S U N D N I K O L I N A F U D U R I C

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er Einsatz der Cloud wird immer öfter in Zusammenhang mit Digitalisierung, vereinfachtem Datenaustausch, Prozessoptimierung und neuen Formen der Zusammenarbeit betrachtet. Die Anzahl der Unternehmen mit einer «Cloud First»-Strategie wächst weiter. Aber auch die Diskussion rund um Datensicherheit, Standort der Daten und regulatorische Anforderungen hält unvermindert an. Im Endeffekt geht es um den Aufbau von Vertrauen, das in der Regel in Verbindung mit Cloud-Computing aus der Perspektive der technologischen Robustheit betrachtet wird. So werden Elemente wie Sicherheit, Datenschutz, Verantwortlichkeit und Überprüfbarkeit und grundsätzlich alles, was technische Risiken verringern kann, berücksichtigt. Für die Cloud-Anbieter liegt der Schwerpunkt auf dem Befolgen der regulatorischen Vorschriften und dem Einhalten der Service Level Agreements. Darüber hinaus darf man jedoch nicht vergessen, dass sich unerfüllte

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Kundenerwartungen bezüglich geschäftsrelevanten Aspekten und Veränderungen des Unternehmens nach einem Cloud-Einsatz auf das Vertrauen auswirken. Die Mehrheit der Anbieter von Cloud-Diensten hat sich gegenwärtig noch nicht zu kundenorientierten Organisationen entwickelt und glänzt deshalb auch nicht mit kundennahen Leistungsversprechen. DEM KUNDEN ZUHÖREN Der Aufbau von Vertrauen ist eine äusserst facettenreiche Angelegenheit, die bereits in einer Vielzahl von Studien analysiert wurde. Kunden durchlaufen beim Kauf einer Cloud-Dienstleistung eine Reihe von Phasen: «vor dem Kauf», «in der Servicephase» und «nach dem Kauf». Die erste Phase lässt sich in Teilphasen unterteilen (siehe Grafik). Der aktive Aufbau von Vertrauen sollte in allen Phasen erfolgen. Entsprechend lautet die Frage: Was muss ich für meinen Kunden in jeder Phase und Teilphase tun? Diese «Aufgaben» können folgende Merkmale aufwei-

sen: Entscheidungen bezüglich den Produktattributen, Preisfragen, die transparente Kommunikation von Verkaufsargumenten, die Definition der Kanäle für die Bereitstellung der Cloud-Services und eine Beratung, deren Hauptaugenmerk nicht auf den Produktattributen, sondern auf den konkreten Kundenbedürfnissen liegt. Die Kunden kaufen schliesslich nicht die Drähte oder die Geschwindigkeit, sondern die Lösung ihres Problems. In der Analysephase ist es sinnvoll, einige Schlüsselfragen für sich zu beantworten. Dies führt nicht nur zu einem kundenorientierten Vorgehen, sondern unterstützt auch den Aufbau von Vertrauen. Haben Sie abgeklärt, wie wohl sich Ihre Kunden mit der Cloud Computing-Technologie fühlen? Haben Sie Ihren Kunden gut zugehört, als sie ihre Probleme und Bedürfnisse geschildert haben? Ist Ihre Kommunikation auf Ihre Kunden zugeschnitten? Ist Ihnen klar, warum Ihre Kunden mit Ihnen zusammenarbeiten sollen und nicht mit Ihrem Mitbewerber? Überfluten Sie Ihre


Grafikquelle: zVg/Bild: Depositphotos.com/Tomwang

Kunden mit vielen technischen Details, ohne deren Auswirkungen zu erklären? Jede dieser Fragen ist mit einer Massnahme verbunden, die den Cloud-Anbietern die wahren Bedürfnisse ihrer Kunden näherbringt und ihnen klarmacht, was sie anbieten können, um diese zu erfüllen und so Vertrauen zu schaffen. Alle Massnahmen, gruppiert nach Phasen und Teilphasen, bilden ein Canvas-Modell mit dem Potential, Kundenorientierung vollständig in der Firma zu verankern. DAS TRUST MATURITY-TOOL FÜR CLOUD-DIENSTLEISTER Die Herausforderung für Cloud-Anbieter besteht also in erster Linie darin, technologische Lösungen für vordefinierte Probleme zu finden und sie den Kunden so zu erklären, dass sie diese verstehen und ihre Bedürfnisse damit abgedeckt sind. Nun werden sich Cloud-Anbieter fragen: «Wie sollen wir das anstellen?», «Wie verbin-

den wir technologische Anforderungen mit dem Produkt des Kunden, seiner Preisgestaltung, Kommunikation und seinen Vertriebsbedürfnissen?», «Wie gut schneiden wir aktuell ab bezüglich dieser Bedürfnisparameter?», «Wie können wir erfahren, was wir brauchen, damit wir uns verbessern können?» und «Wie verbessern wir unsere Schwächen?» Um bei derartigen Fragestellungen Hilfe zu leisten und greifbare und umsetzbare Massnahmen anbieten zu können, wurde an der FHNW das Trust Maturity-Werkzeug entwickelt. Das Tool bietet Cloud-Anbietern Unterstützung bei der Bewertung ihrer Reife in Bezug auf den Vertrauensaufbau und bei der Ermittlung der Bereiche, in denen noch stärker in den Aufbau von Vertrauen investiert werden sollte. Dies ermöglicht den Schritt weg von einem produktgetriebenen Vertriebsprozess hin zu einem kundenorientierten Prozess, um das Vertrauen in die Anwendung von Cloud-Technologie zu erhöhen. Es ist die Stärke dieses Werkzeugs, dass Cloud-relevante Attribute mit der Kundenorientierung an Marketingschwerpunkten kombiniert werden. DIE GRUNDELEMENTE DES TM-TOOLS – Definition von Cloud-Archetypen: In einem ersten Schritt wurden vier Archetypen von Cloud-Benutzern definiert: Cloud-Beobachter, Cloud-Anfänger, Cloud-Forscher und Cloud-Konzentrierte, um die unterschiedliche Intensität des Cloud-Gebrauchs zu berücksichtigen. – Definition der Dimensionen: Anhand von Forschungsstudien wurden sechs Themen mit engem Bezug zu den Kundenbedürfnissen und Herausforderungen bei der Herstellung von Vertrauen gesammelt: Schutz und Sicherheit, Compliance und Gesetz, Staatsführung und Steuerung, Verwaltung von Kosten, Leistung und Mangel an Res-

sourcen und Wissen. Diese Themen wurden entlang der Cloud-Archetypen kategorisiert. Insgesamt wurden 41 Bedürfnisse und Herausforderungen gesammelt, die im Tool verwendet werden. – Berücksichtigung von Marketing-Schlüsselattributen: Cloud-Anbieter werden auf ihre Reife bezüglich der Marketing-Schlüsselattribute getestet, wie zum Beispiel Produkt, Preis, Vertrieb, Kommunikation, physische Beweise, Prozesse oder Positionierung. Nach Abschluss der Maturity Tool-Fragen erhalten die Anbieter einen unmittelbaren Einblick in ihre Stärken und Schwächen bezüglich der Entwicklung von Kundenvertrauen. Basierend auf den Antworten, berechnet das Tool ein Spinnennetz-Diagramm zur Veranschaulichung der Trust-Maturity des Cloud-Dienstleisters. Der nächste Schritt ist die Entwicklung eines internen Aktionsplans zur Behebung dieser Schwächen, um die Position der Cloud-Service-Provider im Auge und im Herzen ihrer Kunden zu stärken und eine bessere Leistung auf dem Markt zu erzielen. Kundenorientierung und Vertrauensbildung sind keine einmaligen Ereignisse, sondern ein Prozess.

DIE AUTORINNEN

Prof. Dr. Stella Gatziu Grivas ist Leiterin des Kompetenzschwerpunktes Cloud Computing an der Hochschule für Wirtschaft FHNW. Prof. Dr. Nikolina Fuduric ist Dozentin für Marketing an der FHNW.

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Mit einem Bein im Betrieb IT-FACHKRÄFTEMANGEL Das Praxisintegrierte Bachelor-Studium (PiBS) beschreitet neue Wege bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels. 2015 bewilligte der Bund ein Pilotprojekt, das sich als wertvolles Personalentwicklungsinstrument für Unternehmen erweisen könnte. TEXT A N J A B O U R O N

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ig Data, Cloud Computing, IT-Security – Die Digitalisierung fordert Grossunternehmen, KMU, Dienstleister und produzierende Unternehmen gleichermassen. Die neuen Technologien sind das eine, die Rekrutierung von geeigneten Fachkräften, um diesen Strukturwandel zu bewältigen, das andere. Viele Firmen sind konfrontiert mit einer alternden Belegschaft und fehlendem Nachwuchs in der IT. Ist das praxisintegrierende Studienmodell in Kooperation mit einer Hochschule eine Alternative auf der Suche nach hochqualifizierten Informatikern? PERSONALANALYSE ALS GRUNDLAGE Bis 2022 wird es an 87 000 IT-Fachkräften fehlen, prognostiziert die ICT Berufsbildung Schweiz, davon rund 50 Prozent Hochschulabsolventen. Der Blick auf die demografische Entwicklung der Schweiz und Europa stimmt nicht eben hoffnungsvoll. Zudem droht die Zuwanderungsinitiative, die Rekrutierung

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von Fachkräften aus dem nahen Ausland zu erschweren. Für Unternehmen ausserhalb der IT-Branche wird es besonders schwierig geeignetes Personal zu finden, da sie meist nicht zuoberst auf der Wunschliste der technischen Hochschulabgänger stehen. Staufenbiels jährliche Analyse der 100 beliebtesten Arbeitgeber zeigt, dass Informatiker und Ingenieure die Trendsetter und Technologie-Schwergewichte Google, CERN, Apple, ABB und Siemens bevorzugen. Wollen die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten, müssen sie neue Strategien entwickeln, um die dafür notwendigen ICT-Fachleute zu finden. Leider wird eine Personalentwicklungsstrategie mit einer fundierten Bedarfsanalyse, die über fünf Jahre hinausgeht, nur bei wenigen Unternehmen konsequent durchgeführt. Anders die Schweizerische Post, die ihrem langfristigen Personalbedarf in der IT bereits 2013 auf den Zahn gefühlt hat. Die Untersuchungen zeigen, dass die Belegschaft

in der Informatik immer älter wird: Während 2001 das Durchschnittsalter der IT-Mitarbeitenden der Post bei 36 Jahren lag, waren im vergangenen Jahr 59 Prozent der Mitarbeitenden in der IT zwischen 40 und 65 Jahre alt. Ferner wird die Anzahl Pensionierungen in den nächsten zehn Jahren um ein Vielfaches ansteigen. Die Personalanalyse half der Post, das Thema Fachkräftemangel auf die eigene Situation zu übertragen und entsprechende Massnahmen, unter anderem im Bereich Personalentwicklung, aufzugleisen. Eine dieser Massnahmen ist die Kooperation mit der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS), welche das duale Studienmodell «Praxisintegrierter Bachelor» (PiBS) anbietet, um den Anteil der Mitarbeitenden mit einer Ausbildung auf der Tertiärstufe A zu erhöhen. PRAXISINTEGRIERTES STUDIUM Ein duales Studium bietet die Möglichkeit, IT-Fachexperten in Zusammenarbeit mit einer Fachhochschule intern und auf die eige-


schen Problemstellungen strukturiert lösen kann.

Bilder: Depositphotos.com/belchonock

nen Bedürfnisse hin auszubilden. Das PiBS richtet sich an gymnasiale Maturanden, die über vier Jahre hinweg die IT aus der Firmenperspektive kennenlernen und sich gleichzeitig die notwendige wissenschaftliche Theorie des Informatikstudiums aneignen wollen. Die FFHS hat dieses Studienmodell federführend zusammen mit mehreren Arbeitgebern in der Schweiz, aber insbesondere mit dem Input der Schweizerischen Post und der Swisscom entwickelt. Das Modell fokussiert auf die gezielte Verzahnung von Theorie und Praxis und legt Wert auf die Entwicklung von Transfer- sowie Handlungskompetenzen. Damit ergänzt es das im regulären Bachelorstudium vermittelte Fachwissen um stark nachgefragte Fähigkeiten. An der FFHS berichtet der Student in betreuten Transferarbeiten, wie er im Unternehmen die erlernte Theorie anwenden und umsetzen konnte. Der grosse Vorteil des Unternehmens resultiert daraus, dass der Mitarbeitende analytische Fähigkeiten entwickelt und die prakti-

FLEXIBILITÄT FÜR BEIDE SEITEN Das PiBS soll diejenigen Schüler ansprechen, die keine Lust auf ein theorielastiges Universitätsstudium haben, sondern praxisnah in die faszinierende Welt der ICT eintauchen und trotzdem nicht auf den Hochschulabschluss verzichten möchten. Das IT-Dienstleistungsunternehmen innobit AG in Basel kooperiert mit der FFHS und kennt das duale Studium bereits von ihrer Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Die Verantwortlichen sehen darin eine ideale Ergänzung der von der Firma benötigten Informatikprofile. Der Hauptgrund des Wechsels bei innobit von der DHBW zur FFHS war laut Catherine Vicente, HR-Spezialistin bei innobit, die bessere Strukturierung von Ausbildungs- und Studienzeit und die Flexibilität der Einsatzmöglichkeiten bei der schweizerischen Variante. Dies hat sich insbesondere bei Projekteinsätzen für Kunden als Vorteil erwiesen: «Mit dem PiBS und der Kooperation mit der FFHS können wir unsere Studenten besser in Projekte einbinden. Dies ermöglicht ein fixes Arbeitspensum von 20 Stunden pro Woche. Für unsere Kunden werden somit die Studierenden von Beginn an zu geschätzten und verfügbaren Ansprechpartnern. Für uns als Unternehmen erleichtert diese Variante des Studienaufbaus zudem die interne Planung.» Die Flexibilität des Modells erlaubt eine fast freie Einteilung der Arbeits- und Studienzeit. Die Vorlesungen an der FFHS werden konzentriert an nur einem Wochentag durchgeführt. Da dem Student darüber hinaus noch mindestens ein Tag zum Selbststudium zur Verfügung steht, kann die Einteilung zwischen Selbststudium und Arbeitszeit individuell abgesprochen werden. KNOWHOW UND PROFILBILDUNG NACH MASS Das duale Studium PiBS ermöglicht dem Unternehmen als Praxispartner, unternehmensspezifisches Fachwissen von Beginn an zu vermitteln und das Profil des studierenden Mitarbeiters im Hinblick auf die eigenen Bedürfnisse zu prägen. Die Praxispartner an der FFHS haben ausserdem ein Mitspracherecht beim Angebot der Wahlpflichtmodule und Vertiefungsrichtungen. So sind insbesondere die Vertiefungen Data Science und IT-Sicherheit gefragt, die sich auch von den klassischen Berufslehrprofilen abheben. In Arbeit ist eine bei Banken und Versicherungen stark nachgefragte Vertiefung im Business Process Management,

das die Technologie mit dem Prozess- und Informationsmanagement koppelt. Selbstverständlich bedarf es einer engagierten Betreuung seitens des Unternehmens, damit der praktische Einsatz des PiBS-Studenten nicht zur unkontrollierten Nebenbeschäftigung wird. Der Aufwand dafür lag im ersten Semester durchschnittlich zwischen 2 bis 5 Stunden pro Woche, was sich im Verlauf des Studiums weiter reduzieren wird. KOSTENVORTEIL PIBS Wie beim Recruiting werden auch beim praxisintegrierten Studium nicht die operativen Kostenstellen belastet. Der Aufwand für das PiBS besteht primär aus Lohnkosten des Studierenden sowie der Betreuung und wird in der Regel den Human Resources beziehungsweise der Berufsbildung zugeordnet. Das Gehalt eines PiBS-Studierenden liegt im höheren Lehrlingsniveau, die Studiengebühren sollten ebenfalls übernommen werden. Der Vorteil gegenüber externem Recruiting ist, dass nach Abschluss und bei Übernahme des PiBS-Absolventen keine weiteren versteckten Kosten wie die Einarbeitung in die zukünftige Arbeit auftreten und die Abteilungen 100 Prozent Leistung ernten dürfen. LOHNT SICH DIE INTERNE KARRIERESCHMIEDE? Natürlich benötigt das duale Studium im Unternehmen Planungszeit, ein Konzept und Budget sowie Sorgfalt bei der Durchführung. Doch die Pluspunkte liegen klar auf der Hand: Ein PiBS-Absolvent mit über vier Jahren Praxiserfahrung, Knowhow über das Unternehmen und dessen Kultur sowie Handlungs- und Fachkompetenz findet sich nicht so einfach auf dem Campus. Andri Rüesch, Leiter Next Generation Swisscom, bringt es auf den Punkt: «Bei Swisscom wachsen unsere PiBS-Studenten täglich an den Herausforderungen des Business. Keine Trainingsprojekte und keine Blindserien, sondern reale Kundenbedürfnisse und Umsatzbeiträge. Selbstorganisiertes Lernen und hohe Eigenmotivation zeichnen die Fachkräfte von morgen aus.» DIE AUTORIN

Anja Bouron leitet das Projekt PiBS an der FFHS und kümmert sich dabei primär um den Einsatz des Studienmodells bei den Unternehmen.

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Das IT-Fest für Jung und Alt INFORMATIKTAGE 2016 Die Informatikbranche beschäftigt in der Schweiz rund fünf Prozent aller Arbeitnehmenden – Tendenz steigend. Um uns Berufe und Trends in der Informationstechnologie näher zu bringen, öffnen 70 Unternehmen und Institutionen am 3. und 4. Juni ihre Türen. TEXT A N O U K A R B E N Z

Bild: zVg

ÜBER 200 VERANSTALTUNGEN Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist kostenlos. Es empfiehlt sich jedoch eine frühzeitige Planung des individuellen Programms, da einige Veranstaltungen eine Anmeldefrist setzen und teilweise auch die Teilnehmeranzahl beschränkt ist. Das komplette Programm ist online verfügbar unter: www.informatiktage.ch PREMIUM PARTNER DER INFORMATIKTAGE 2016 Accenture, Comerge, EB Zürich, Elca Informatik, Ergon Informatik, ETH Zürich, Digicomp Academy, Hewlett Packard, IBM, Kanton Zürich, Microsoft, Stadt Zürich, Swisscom, Tamedia und Zürcher Kantonalbank. Wer arbeitet in der IT-Branche und in welchen Berufen? Welches sind aktuelle Themen und Trends? Antworten dazu werden die Informatiktage Anfang Juni liefern.

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um ersten Mal im Kanton Zürich laden Informatikunternehmen und Anwenderfirmen sowie Bildungs- und Forschungsinstitutionen Kinder, Jugendliche, Familien, Studenten, Absolventen und interessierte Erwachsene auf eine Entdeckungsreise in der Informatikwelt ein. Das Angebot umfasst mehr als 200 Veranstaltungen, Workshops und weitere Aktivitäten wie Parcours, Referate und Besichtigungen. FÖRDERUNG DES WIRTSCHAFTSSTANDORTES Der Anlass bietet Unternehmen die Chance, einen Draht zu potentiellen Arbeitnehmenden zu spannen, diese wiederum gewinnen einen wertvollen Einblick in die häufig ÜBER EZÜRICH Um den ICT-Standort Zürich voranzubringen, wurde die Plattform eZürich lanciert, die aus den eZürich-Aktivitäten der Stadt Zürich in den Jahren 2010 bis 2014 hervorgegangen ist. Seit Mitte 2014 steht die Plattform unter Schirmherrschaft von Stadt und Kanton. Weitere Informationen zum ICT-Kooperationsnetzwerk unter: www.ezuerich.ch

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undurchsichtige IT-Welt. Gerade für junge Frauen, die Informatikberufen tendenziell eher ablehnend gegenüberstehen, ist es eine Möglichkeit herauszufinden, ob ein Beruf in der IT-Welt nicht doch eine spannende Option wäre. Neben der Förderung junger Talente trägt der Austragungsort des Anlasses in Zürich auch zur Standortförderung bei: «Die ICT-Industrie ist ein wichtiger Wachstumstreiber für die Zürcher Wirtschaft und (...) bietet uns die Chance, führender Standort für digitale Innovationen zu werden», kommentiert etwa Carmen Walker Späh, Regierungsrätin und Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Zürich, die anstehenden Informatiktage. Ähnlich sieht dies Stadtrat und Finanzvorsteher Daniel Leupi: «Um als wichtiger IT-Standort am Puls der Innovationen zu bleiben, sind wir auch in Zukunft auf viele gut ausgebildete, motivierte Informatiker angewiesen.» Um dies sicherzustellen, brauche es solche Anlässe wie die Informatiktage, die Lust machen auf eine «faszinierende und kreative Branche». AMEISENDRESSUR & POPCORN-PROGRAMMIEREN Die Veranstaltungen drehen sich unter anderem um das Thema Sicherheit im digi-

talen Zeitalter, Berufsprofile der Zukunft, Datenmanagement, Trends und neue Technologien, die im Showroom vorgeführt werden. Die angebotenen Workshops und Referate sind vielfältig: Von Kursen wie «Lernen, eine Webseite zu programmieren», «das Innenleben eines Laptops entdecken», über «Mit dem ERZ-Roboter in den Untergrund» zu Internet-of-Things Workshops und Usability-Tests ist sicher für jeden etwas dabei. Jugendliche haben zudem die Möglichkeit, ein Bewerbungsparcours zu durchlaufen und sich wertvolle Tipps zu holen. Im Programm aufgeführt ist auch ein Referat des CTOs von Doodle, Spryros Giannakakis, und ein Kurzreferat zur Frage: «Was passiert beim Aufruf einer Webseite?» Spass werden die Kleinen sicherlich auch am wiederbelebten «Furby» von IBM haben, der angeblich sprechen, singen, Gefühle zeigen, Tweets lesen und mit den Besuchern interagieren kann. Exotische Veranstaltungen wie die «Ameisendressur», das «Popcorn-Programmieren» und das Spielen von 1980er-Jahre-Computerspiele machen neugierig und bieten einen guten Mix aus Unterhaltung und Wissenstransfer.


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Zurücklehnen und arbeiten VON R Ü S T Ü A K K O C A

Wir sind ein kleiner Betrieb und kümmern uns selbst um die IT. Zeit dafür haben wir eigentlich nicht und für grössere Anpassungen müssen wir stets einen teuren Fachmann aufbieten. Haben wir eine Alternative?

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o wie Ihnen geht es rund 40 Prozent der kleinen Betriebe in der Schweiz. Der Firmenchef oder ein Mitarbeitender ist gleichzeitig auch für den Betrieb der IT zuständig. Der Aufwand, der dafür anfällt, etwa zur Lösung von IT-Problemen, für Backups, Updates und

dergleichen, summiert sich auf ein Jahr gerechnet schnell einmal. Studien gehen sogar von bis zu einem Monat pro Jahr aus. Wertvolle Zeit, die der Chef oder Mitarbeitende nicht für das eigentliche Kerngeschäft aufwenden kann. ANBIETER ENTLASTET Dank der technischen Entwicklung ist es heute aber nicht mehr zwingend notwendig, dass die gesamte IT-Infrastruktur vor Ort steht. Im Rahmen sogenannter «Managed Service»-Modelle können Sie die Wartung und den Betrieb Ihrer Server gänzlich an den IT-An-

bieter abgeben. Dieser kümmert sich darum, dass Ihre IT stets auf dem neuesten Stand der Dinge ist und Probleme rasch behoben werden. Eine weitere Möglichkeit ist, Ihre Hardware auszulagern oder gleich ganz zu virtualisieren. So können Sie beispielsweise den Server mit den Unternehmensanwendungen wie der Buchhaltung oder ERP direkt aus der Cloud beziehen. Die vertraute Umgebung bleibt bestehen, allerdings greifen Sie nun über eine sichere Verbindung auf das Rechenzentrum des Anbieters zu statt auf

einen Server, der lokal betrieben wird. PLANBAR UND PASSEND In der Regel fällt für derartige Service-Modelle eine monatliche Pauschale an. Damit sind die Kosten für Ihre IT-Infrastruktur stets transparent und planbar. Und sollten Sie kurzfristig mehr Rechenleistung oder Speicherplatz benötigen, können Sie diese mit wenigen Klicks direkt aus der Cloud beziehen. Ihre IT-Infrastruktur ist damit nicht nur auf dem aktuellsten Stand, sondern passt sich auch jederzeit dem Wachstum Ihres Unternehmens an –

Sie und Ihre Mitarbeitenden können sich voll und ganz auf das Kerngeschäft konzentrieren. RÜSTÜ AKKOCA

Der Autor ist KMU-Berater bei Swisscom und beantwortet Fragen zur Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie haben eine Frage? Sie suchen Rat? Schreiben Sie uns unter www.swisscom.ch/ kmu-ratgeber

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GOTTHARD SPEZIAL

Der Stolz einer NEAT Wohl kaum ein anderes Bauwerk in der Schweiz hat in jüngster Vergangenheit bereits vor Eröffnung derart hohe Wellen geschlagen wie der Bau des Gotthard-Basistunnels. Während mehr als einem Jahrzehnt wurde am «Jahrhundertbauwerk» gearbeitet. Nun steht am 1. Juni die feierliche Eröffnung bevor. Und (fast) alle freuen sich. VON F R A N C O B R U N N E R *

«Ein Meilenstein der Verkehrspolitik.» «Ein Jahrhundertwerk.» «Ein europahistorisches Ereignis.» «Ein epochaler Schritt.» «Ein Bauwerk, das für die Innovationskraft, die Präzision und die Zuverlässigkeit der Schweiz steht.» «Darauf dürfen wir stolz sein.» Wenn es um die Erstellung des Gotthard-Basistunnels geht, wird – ganz unschweizerisch – mit Superlativen nicht gegeizt. Weder von politischer, wirtschaftlicher noch von Bevölkerungsseite. Der Grundtenor gegenüber dem Mammutprojekt ist grösstenteils bewundernd und positiv. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen. Stimmen wie jene des Ex-SP-Präsidenten und Walliser Hoteliers Peter Bodenmann, der im Gotthardtunnel eine mögliche Investitionsruine sieht. So oder so: Kalt lässt das «historische Bauwerk» kaum jemanden. Schon gar nicht so kurz vor der grossen Eröffnung am ersten Juni. Und auch da gibt man sich für einmal unschweizerisch unbescheiden und rührt für die Eröffnungsfeier mit der ganz grossen Kelle an. Rund 1 200 Personen sind für den offiziellen Teil der Feierlichkeiten eingeladen. Darunter Schweizer Parlamentarier, ausländische Minister – unter anderem Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel – sowie Vertreter verschiedener internationaler Organisationen. Summa summarum belaufen sich die Partykosten auf stolze zwölf Millionen Franken. Angesichts der Gesamtkosten der NEAT von rund 23 Milliarden Franken (weitere Zahlen und Fakten siehe Kasten) ein Klacks – aber immerhin. Doch wie sieht die Situation ganz nüchtern betrachtet aus, abseits aller Eröffnungseuphorie? Was bringt der Gotthard-Basistunnel der Schweiz, ihrem öffentlichen Verkehr und nicht zuletzt ihrer Wirtschaft wirklich? KEIN NEUER ARBEITSORT, ABER VIELE NEUE ANFORDERUNGEN «Die erneuerte Nord/Süd-Achse Gotthard erhält einen Leistungsschub, sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr», sagt Martin Stutz, Gotthard-Kommunikationsverantwortlicher bei der SBB. So sei durch den Tunnelbau beim Güterverkehr eine Steigerung der Transportkapazität um fast 60 Prozent möglich und beim Personenverkehr würden sich die Reisezeiten zwischen Zürich und Mailand ab Ende 2016 um 30 Minuten, respektive ab Ende 2020 mit Fertigstellung und Inbetriebnahme des Ceneri-Basistunnels um 60 Minuten reduzieren. Von diesen verbesserten Verbindungen hofft auch der * Franco Brunner ist freischaffender Journalist und Texter. Zuvor war er Kulturredaktor der «Südostschweiz».

Kanton Tessin profitieren zu können. Zumindest gemäss einer im vergangenen Jahr in Auftrag gegebenen Studie des Bundesamtes für Raumentwicklung (ARE) stehen die Chancen hierfür gar nicht einmal so schlecht. Demnach rechnet der Bund mit einer «markanten Zunahme» von eintägigen Reisen und Wochenendreisen zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin. Der klassische Pendlerverkehr hingegen wird gemäss besagter Studie auf der Gotthard-Strecke weniger stark zunehmen als er dies auf der Lötschberg-Linie getan hat. Ob nun Güter- oder Personenverkehr: Für das Unternehmen SBB wird der Basistunnel Veränderungen mit sich bringen, wie Stutz weiter erklärt. «Wegen seiner Komplexität stellt der Gotthard-Basistunnel neue Anforderungen», sagt er. So zum Beispiel an die Erhaltungsarbeiter aber auch an Lokführer und Zugbegleiter. Mittels Schulungen, die schon seit geraumer Zeit laufen, würden Mitarbeitende auf die neue Umgebung vorbereitet. «Ganz grundsätzlich ist der Gotthard-Basistunnel ein Meilenstein für die SBB und aus vielerlei Hinsicht eine Meisterleistung», sagt Stutz weiter. Man könne ihn durchaus als ein Hightech- oder Leuchtturmprojekt bezeichnen. Ausserdem biete der Tunnel die Gelegenheit, sich mit den Herausforderungen der Mobilität der Zukunft auseinanderzusetzen. Was mit dem neuen Tunnel jedoch nicht entstehe, sei ein neuer Arbeitsort, betont Stutz. «Es entstehen keine neuen Berufe bei der SBB, auch werden sich die Berufe an sich nicht wirklich verändern.» Verändern wird der Tunnelbau derweil wohl so einiges im Transport- und Logistikbereich. «Als Logistiker betrachte ich diese neue Verbindung als sehr sinnvoll», sagt etwa Nils Planzer, CEO der Planzer Transport AG und somit Chef eines der fünf grössten Logistik- und Transportunternehmen der Schweiz. Der Tunnelbau sei für die Firma Planzer, die vornehmlich in der Schweiz tätig ist, selbstredend nicht gleich relevant wie im internationalen Kontext. Trotzdem: Für Nils Planzer war es an der Zeit, in die Schienenstruktur an diesem Engpass Europas zu investieren. «Immerhin fuhr man bislang über eine Strecke, die rund 150 Jahre alt ist», sagt der 43-jährige Unternehmer. Und sowieso, auch als hauptsächlich national tätiges Unternehmen erwartet man sich bei der Planzer AG positive Auswirkungen durch den Tunnelbau. «National betrachtet gehen wir davon aus, dass durch diese Vereinfachung der Streckenführung das Angebot der Bahnen – in unserem Fall jenes der SBB – optimiert werden kann, sprich; wir von besseren Laufzeiten profitieren können», so Planzer. →

Bild: AlpTransit Gotthard AG

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ganzen Nation


GOTTHARD SPEZIAL

SCHWEIZER VORREITERROLLE – EIN SIGNAL NACH AUSSEN In seinen Gedanken zum Gotthard-Basistunnelbau blickt Nils Planzer auch über den Tellerrand des eigenen Unternehmens hinaus: «Der Gütertransport auf der Schiene ist absolut zukunftstauglich und hat nach wie vor ein enormes Potential», sagt er und kontert damit jene Kritik, die im Rahmen des Basistunnelbaus aufgekommen ist und die der Schweiz vorwirft, sie sei fast schon neurotisch auf Eisenbahn und Tunnels fixiert. Dementsprechend begrüsse er es, dass man in der Schweiz den Mut gehabt habe, dieses grosse Projekt anzugehen und es schliesslich auch in die Tat umgesetzt habe. Denn er fände es schön und wichtig, dass man Dinge angehe, die vielleicht nicht unbedingt in den nächsten fünf Jahren, dafür aber mit Blick auf die nächste Generation relevant seien. «Insofern nehme ich auch die Politik in Schutz, die streckenweise stark kritisiert wurde. Es wurde gesagt, man baue so etwas wie eine Kathedrale in der Wüste», fährt Planzer fort. Wenn man immer sagen würde, man mache nichts, weil die anderen auch nichts machen, würde man wohl noch heute in Höhlen leben. «Diesbezüglich habe ich auch die Hoffnung, dass durch die Vorreiterrolle, welche die Schweiz mit diesem Tunnelbau eingenommen hat, der Druck auf unsere Nachbarländer wie Italien und Deutschland steigt und diese irgendwann einmal nach- respektive mitziehen.» Ob, und wenn ja, wann und wie im nahen Ausland die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger ebenfalls aktiv werden und auf den Zug aufspringen, ist ungewiss. Fakt ist, dass der Bau und nun die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels auch im Ausland für reichlich Schlagzeilen gesorgt hat und es wohl auch in Zukunft weiterhin tun wird. Bei einer Besichtigung der Gotthard-Baustelle für ausländische Journalisten vor rund einem Jahr waren die Reaktionen jedenfalls ähnlich euphorisch wie sie heute, unmittelbar vor der Eröffnung, aus einheimischen Mündern zu vernehmen sind. Der Fotojournalist Roff Smith, der damals für National Geographic eine Reportage verfasst hatte, sagte zum Beispiel gegenüber der Nachrichten- und Informationsplattform swissinfo.ch: «Ich erinnere mich, wie ich den Gotthard-Basistunnel durch einen langen Zugangsstollen erreichte. Der Lift war höher als das Empire State Building.» EIN BISSCHEN STOLZ DARF SEIN Häufig interessieren im Ausland auch die technischen Aspekte des Schweizerischen Vorzeigetunnelbaus. So zum Beispiel in Südamerika. Dort wird der Gotthard-Tunnel als mögliches Modell gesehen, um einen Strassentunnel unter den Anden von Chile nach Argentinien zu verwirklichen, wie der Präsident des argentinischen Verbandes für Tunnelbau, Oscar Vardé, vor Jahresfrist ebenfalls gegenüber swissinfo.ch erwähnte. Ja, der hiesige Tunnel-Star schlägt sogar Wellen bis ins ferne Japan. Denn dort machen die Japaner, die äusserst stolz auf ihre Technologie und grosse Liebhaber von Ranglisten sind, aus ihrer Enttäuschung ob dem Verlust des Rekordes des längsten Eisenbahntunnels der Welt an die Schweiz keinen Hehl. Doch. Ein bisschen stolz darf man in der Schweiz auf das Erreichte schon sein. Und ja, da lässt man dann auch den einen oder anderen ganz unschweizerisch offensiv platzierten Superlativ durchgehen. Für kühle, trockene, typisch schweizerische Kosten-Nutzenrechnungen und mal mehr mal weniger optimistische Zukunftsvisionen und -Vorhersagen bleibt dann ja noch immer mehr als genug Zeit. Später. Denn jetzt ist die Schweiz in Feierlaune.

Bild: AlpTransit Gotthard AG


ZAHLEN UND FAKTEN Mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels am 1. Juni geht ein Bauprojekt der Superlative zu Ende. Um die Grössenordnung dieses «Jahrhundertprojektes» einigermassen anschaulich darzustellen, hier der Versuch, die Entstehung des Bauwerks in Zahlen und Fakten zu fassen: Die Länge des neuen Tunnels beträgt 57.4 Kilometer, womit die Verbindung zwischen Erstfeld im Urner Talboden und Bodio bei Biasca im Kanton Tessin als aktuell längster Eisenbahn-Tunnel der Welt in die Geschichtsbücher eingehen

wird. Er ist jedoch nicht bloss der längste, sondern zugleich auch der tiefste Eisenbahn-Tunnel der Welt. An einzelnen Stellen liegen bis zu 2 000 Meter Fels zwischen Tunnel und Erdoberfläche. Vom «Ja» des Schweizer Stimmvolkes zur Neuen Eisenbahn-Alpentransversale im Jahr 1992 bis zum Hauptdurchschlag im Oktober 2010 bauten bis zu 2 400 Arbeiterinnen und Arbeiter während mehr als einem Jahrzehnt die zwei Tunnelröhren. Weitere fünf Jahre waren nötig, um den Tunnel mit der entsprechen-

den Bahntechnik auszurüsten. Insgesamt verbauten die Arbeiter unter anderem 132 000 Kubikmeter Beton, verlegten 290 Kilometer Schienen sowie 380 000 Schwellenblöcke. Die Tunnelbohrmaschine am Gotthard war ungefähr so lang wie vier aneinandergereihte Fussballfelder. Insgesamt wurden 28.2 Millionen Tonnen Ausbruchsmaterial aus dem Stollen befördert. Ein Grossteil des Ausbruchs kam in Form von Beton wieder in den Berg. Das restliche Material diente unter anderem der Gestaltung des Geländes oder der

Aufschüttung von Dämmen. Die Kosten des Gesamtwerks NEAT belaufen sich auf rund 23 Milliarden Franken, wobei alleine auf den Basistunnel rund zwölf Milliarden Franken entfallen. Im Oktober 2015 startete der Testbetrieb, der mit der Eröffnung des Basistunnels am 1. Juni abgeschlossen sein wird. In Zukunft fahren nun täglich rund 260 Güterund 65 Personenzüge durch den Gotthardtunnel. Die Verkürzung der Reisedauer beläuft sich auf der gesamten Gotthardachse auf rund 45 Minuten für die Strecke zwischen Zürich und Lugano.


GOTTHARD SPEZIAL

NEAT kurbelt Wirtschaft an Die NEAT und mit ihr die Eröffnung des neuen Gotthard-Basistunnels ist in erster Linie ein historisches Unterfangen für den Schweizer Schienenverkehr. Die direkten und indirekten Auswirkungen des Grossprojekts reichen derweil noch viel weiter. Zum Beispiel bis in den Kanton Schwyz, wo ein eigentlicher wirtschaftlicher Umschwung eingeläutet wird.


Die Neue Eisenbahn-Alpentransversale bewegt. Nicht nur, weil nach der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels täglich rund 260 Güter- sowie 65 Personenzüge durch das 57 Kilometer lange Bergloch rauschen werden. Nein, die NEAT bewegt auch die Wirtschaft. Zumindest dann, wenn man es zulässt und ein möglichst unternehmerfreundliches Umfeld zur Verfügung stellt. Genau dies wird seit ein paar Jahren zum Beispiel im Kanton Schwyz getan. Nicht weniger als 25 Hektar Land zwischen Küssnacht am Rigi und Brunnen zonte die Kantonsregierung ein, um Platz für die Ansiedlung neuer Unternehmen zu schaffen. Der Gedanke dahinter ist leicht nachvollziehbar: Die sich dank der neuen Eisenbahnverbindung abzeichnende Effizienzsteigerung des Schienenverkehrs macht den Wirtschaftsstandort Schwyz mit seiner Nähe zur neuen Alpentransversale noch attraktiver. Ganz besonders für Unternehmen, die einen neuen Firmenstandort suchen. Dies gilt nicht nur für einheimische sondern auch für ausländische Unternehmen. Urs Durrer, Vorsteher des Amtes für Wirtschaft des Kantons Schwyz, bringt die neue Ausgangslage auf den Punkt: «Der neue Basistunnel ist ein Jahrhundertbauwerk.» Das Tessin und der Wirtschaftsraum Mailand würden nun näher mit der Deutschschweiz zusammenrücken. So werde künftig, wenn er an den Kanton Schwyz denke, Mailand von Arth-Goldau aus in weniger als zweieinhalb Stunden erreichbar sein. «Das ist eine ganz neue Dimension», sagt Durrer. Eine Dimension, die man in Schwyz sowohl aus politischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht erkannt zu haben scheint. Darauf reagiert hat man zum Beispiel mit der Einzonung gleich mehrerer Entwicklungszonen (siehe Kasten). Womit aus der neuen Dimension auch neue Möglichkeiten entstanden sind. So gestalten im Küssnachter Industriegebiet Fänn bereits jetzt ein paar neu angesiedelte Unternehmen das Ortsbild, während diverse Bagger auf den noch grünen Wiesen Raum für jene schaffen, die noch folgen sollen. ERSTES FEEDBACK DURCHWEGS POSITIV «Der Kanton Schwyz war bis vor ein paar Jahren mit vielen Finanzdienstleistern und international tätigen Firmen rund um Pfäffikon wirtschaftlich sehr einseitig aufgestellt», führt Wirtschaftsvorsteher Durrer weiter aus.

Deshalb habe sich die Kantonsregierung dafür entschieden, die Wirtschaft breiter abzustützen und dies auch in einer anderen Region des Kantons als Pfäffikon. «Aus diesem Grund wurde entlang der Autobahn Küssnacht-Brunnen das Land umgezont, mit dem Ziel, vor allem Firmen aus wertschöpfungsintensiven Bereichen, wie zum Beispiel der Gesundheitstechnologie, anzusiedeln», erklärt Durrer den Hintergrund. Die Rechnung der Schwyzer Kantonsregierung scheint aufzugehen. «Das Feedback, das wir bislang erhalten haben, ist durchwegs positiv», bestätigt Durrer. Man sei nun in der Lage, sowohl Firmen aus den Dienstleistungsbereichen als auch hochwertigen Produktionsunternehmen ein interessantes Angebot zu unterbreiten. Am grössten sei die Nachfrage für das Industriegebiet Küssnacht Fänn. «Eine Firma aus dem Bereich Biochemie hat ein erstes Bauprojekt realisiert und ist vor wenigen Wochen am neuen Standort eingezogen», erzählt Durrer nicht ohne Stolz. Weiter habe man letztes Jahr einen Automobilzulieferer mit 90 Arbeitsplätzen ansiedeln können. Ein zweiter Autozulieferer mit knapp 100 Arbeitsplätzen sei Mitte April in ein bestehendes Büro

eingezogen. Und schliesslich habe mit dem Health-Tech-Park in Küssnacht ein eigentliches Schlüsselprojekt vor wenigen Wochen die Baubewilligung erhalten (siehe Kasten). «In absehbarer Zeit soll auch das umgezonte Gebiet in Brunnen fertig erschlossen sein», fährt Durrer fort. Etwas länger werde es derweil wohl beim Zeughausareal in Seewen dauern. Nicht zuletzt solle das Bahnhofsareal in Arth-Goldau, direkt beim NEAT-Knoten, neugestaltet werden. Hier sei in einer Projektstudie ein 55 Meter-Büroturm sowie ein Hotel geplant. «WIRTSCHAFTLICH KOOPERATIVES UMFELD» Christoph Rennhard, Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident der Automobilzulieferfirma LCA Automation AG, war im vergangenen Jahr einer der ersten Unternehmer, der mit seiner Firma das Küssnachter Industriegebiet als neuen Standort ausgewählt hat. Eine Wahl, die er bislang alles andere als bereut, wie er sagt. «Wir konnten hier in ein bestehendes Gebäude einziehen und fanden im Kanton Schwyz ein wirtschaftlich sehr kooperatives Umfeld vor», sagt Rennhard, der mit seinem rund 90 Mitarbeiter zählenden Unternehmen aus dem zürcherischen →

25 HEKTAR LAND FÜR 4000 ARBEITSPLÄTZE Es tut sich was im Kanton Schwyz. Gleich in mehreren Regionen verändern ganze Gebiete derzeit ihr Gesicht. Verschiedene grössere Entwicklungszonen werden in den nächsten Jahren umgestaltet oder befinden sich bereits mitten in der Umnutzung. Insgesamt erstreckt sich das wirtschaftliche Entwicklungsgebiet zwischen Küssnacht am Rigi und Brunnen über rund 25 Hektar Land und bietet Raum für ungefähr 4 000 Arbeitsplätze. Diese wirtschaftsfreundliche Einzonungspolitik des Kantons Schwyz hat natürlich nicht ausschliesslich, aber auch mit der NEAT – die in unmittelbarer Nähe vorbeiführt – und somit mit dem neuen Gotthard-Basistunnel zu tun. Die vier wichtigsten Schwyzer Entwicklungszonen im Überblick: KÜSSNACHT FÄNN In diesem Küssnachter Industriegebiet sind

knapp neun Hektar Land eingezont und somit rund 1 400 Arbeitsplätze geschaffen worden. Geplant sind mehrere Businessparks mit modernster Infrastruktur, vornehmlich im Bereich der Gesundheitstechnologien. BRUNNEN NORD Das Areal erstreckt sich über rund 10.7 Hektar Land und bietet Raum für 1 400 Arbeitsplätze. Hier ist etwa das Projekt «Nova Brunnen» geplant, ein auf einer über 73 000 m2 grossen Industriebrache errichteter «attraktiver neuer Ortsteil zum Wirtschaften, Begegnen und Wohnen». Der Standort eignet sich demnach besonders gut für Unternehmen, die in den Bereichen Gesundheitstechnologie (unter anderem Medizinaltechnik), ICT oder Präzisionstechnik tätig sind sowie für internationale Headquarters oder innovative KMU-Nischenplayer.

ZEUGHAUSAREAL SEEWEN Dieses Gebiet konzentriert rund 700 Arbeitsplätze auf 4.5 Hektar Land. Mit der Umnutzung des Zeughausareals, direkt angrenzend am Bahnhof Schwyz und somit an strategisch wichtiger Lage, entsteht Raum für Büro und Dienstleistungen, Gewerbe und Lager, Verkauf, öffentliche und kulturelle Nutzungen, Kleingewerbe sowie für standortgebundenes Wohnen. BAHNHOFAREAL ARTHGOLDAU Dieses Areal wird mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels zu einer Art NEAT-Knotenpunkt. Laut den Verantwortlichen profitiert der Standort von der Nähe zu Mailand und ist dadurch insbesondere für Dienstleistungsunternehmen, internationale Headquarters oder Niederlassungen interessant.

Bild: SBB

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GOTTHARD SPEZIAL

Affoltern am Albis nach Schwyz umgezogen ist. Die NEAT respektive der neue Gotthard-Basistunnel sei bei der Wahl des neuen Standortes allerdings nicht entscheidend gewesen: «Da wir unsere Produkte vornehmlich in den nördlichen Gebieten wie Rotterdam oder Antwerpen verschiffen, war der Tunnelneubau bei unserer Entscheidung zur Umsiedlung kein zentrales Thema», stellt Rennhard klar. Trotzdem: Sollte sich die Situation einmal dahingehend ändern, dass die Fracht eines Tages auch sinnvoll und effizient über das Mittelmeer verschifft werden könne, würde der Tunnel natürlich auch für seine Firma sehr attraktiv werden, ist sich der Unternehmer sicher. EIN LANGJÄHRIGER PROZESS Ob nun aktiver oder eher passiver Umzugsgrund: Fakt ist, die NEAT trägt ihren Teil zur Attraktivitätssteigerung eines neuen Industriestandortes wie eben Küssnacht Fänn bei. Dies sieht auch Urs Durrer so. «Die Auswirkungen des Tunnelbaus werden für uns vorwiegend positiv sein», sagt er. Es sei jedoch utopisch anzunehmen, dass mit der Eröffnung des Basistunnels gleich mehrere italienische Firmen nach Schwyz kommen und sich im Kantonsgebiet ansiedeln. Das SCHWYZER HEALTH-TECH-PARK Der Health-Tech-Park ist so etwas wie das Hauptprojekt, wenn es um die Erstellung neuer Schwyzer Entwicklungszonen geht. Der Park will auf einer Fläche von rund 26 000 Quadratmetern modernster Büro-, Geschäfts- und Produktionsfläche diversen Firmen aus dem Bereich der Gesundheitstechnologie einen neuen Standort bieten. Als Investor und Projektentwickler tritt die 2013 eigens für die Realisierung eines Teils des Health-Tech-Clusters gegründete MCS-Küssnacht Projektentwicklungs

AG sowie die HealthTech Küssnacht Immobilien AG auf. Der Park soll in den kommenden Monaten und Jahren schrittweise realisiert werden. In einer ersten Etappe werden auf dem Land knapp 9 000 Quadratmeter Geschossfläche sowie 80 unterirdische Parkplätze erstellt. Die Gesamtinvestitionen des kompletten Parks werden sich gemäss den Verantwortlichen auf rund 60 Millionen Franken belaufen. Unter anderem wird die Neuroth Hörcenter AG den Hauptsitz Schweiz in den neuen Gebäudekomplex verlegen.

sei ein Prozess, der Jahre dauern würde. «Nur schon aufgrund der unterschiedlichen Erschliessungen wird es vermutlich zehn bis 15 Jahre dauern, bis überhaupt alle Flächen in den neuen Entwicklungszonen überbaut sind», relativiert Durrer. Beim jüngst erschlossenen Gebiet in Küssnacht könne aber bereits heute von einem Erfolg gesprochen werden.

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Zwischen Freude und Sorge Die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels am ersten Juni ist ein historischer Augenblick für die ganze Schweiz und wird von einer grossen Mehrheit der Bevölkerung als Festtag betrachtet. Auch in der Urner Gemeinde Göschenen ist man positiv gestimmt und sieht der Tunneleröffnung grundsätzlich freudig entgegen. Ein paar Gedanken über die eigene Zukunft macht man sich am Gotthard-Nordportal aber trotzdem.


Es ist ruhig in Göschenen an diesem schönen, aber kühlen Frühlingsmorgen. Hier unterhält sich ein Gemeindearbeiter mit einem älteren Herrn über die Arbeit, die heute ansteht. Dort verfrachtet eine Mutter ihre beiden noch etwas schlaftrunkenen Kinder ins Auto. Auf dem Bahnhofsplatz kommt gerade ein Bus auf dem Parkfeld an – ohne Passagiere an Bord. Das altehrwürdige Bahnhofsgebäude, das 1882 im Rahmen der Eröffnung des Gotthardtunnels direkt vor dem Nordportal erstellt worden ist, wirkt nicht nur ein wenig überdimensioniert, sondern fast schon gespenstisch verlassen. Drinnen im Bahnhofsbistro sitzen zwei SBB-Angestellte beim Kaffee, während eine Serviceangestellte die Theke reinigt. Es ist eine friedliche Morgenruhe und an sich nichts Ungewöhnliches um diese Jahreszeit hier in Göschenen. Es ist aber auch ein Ruhe, die – glaubt man gewissen Vorhersagen –, nach der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels am ersten Juni für das 450-Seelendorf zur ganzjährigen Gewohnheit werden könnte. Ist der 57 Kilometer lange Tunnel erst einmal in Betrieb, verschwinden die Schnellzüge, die von Zürich oder Luzern her kommen, bereits rund zwanzig Kilometer weiter nördlich in Erstfeld im «Jahrhundertloch». Göschenen droht so zum Nebenschauplatz, zu einem ganzjährig stillen Ort zu werden. DIE ZWEI SEITEN DER MEDAILLE Der Tunnelbau ist für Göschenen tatsächlich Bild: SBB Cargo

ein Dilemma. Einerseits erhofft man sich von der NEAT, dass der Schwerverkehr im Tal von der Strasse auf die Schiene verlegt und so die Verkehrssituation grundsätzlich beruhigt wird. Andererseits sind die Befürchtungen einer eigentlichen «Abschottung» nicht vollends von der Hand zu weisen. Aufgeregte Stimmung herrscht in der Urner Gemeinde deshalb allerdings nicht. Zumindest nicht an diesem Morgen. «Ja, die Leute sprechen schon über den Tunnelbau und ich glaube, dass die meisten hier es begrüssen», sagt etwa der freundliche Buschauffeur, der auf dem Bahnhofsplatz noch immer auf Fahrgäste wartet. Auch die Serviceangestellte im Bahnhofsbistro sieht der Sache relativ gelassen entgegen: «Klar wird es hin und wieder thematisiert, aber es ist überhaupt nicht so, dass nur noch über den Tunnel diskutiert würde», sagt sie. Wenig bis gar nicht thematisieren will man mögliche Folgen des Tunnelbaus derweil von Seiten der Göschener Regierung. «Die Auswirkungen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar und wir können deshalb keine weiteren Angaben machen», lautet die knappe Antwort des Gemeindeschreibers auf eine entsprechende Anfrage. TOURISMUS SETZT AUF REGIONALVERKEHR Die vorherrschende Ruhe und auffallende Gelassenheit bedeutet jedoch nicht, dass man sich in Göschenen überhaupt keine Gedanken über die Zeit nach der Tunneleröffnung macht. Vor allem nicht jene, die vom Tourismus und somit von einem alles andere als «abgeschotteten» Göschenen wirtschaftlich abhängig sind. «Göschenen steht vor der Herausforderung, sich neu zu orientieren», sagt etwa Alexandra Moers vom «Chalet Hotel Krone». Neue Ideen und Angebote im touristischen Bereich seien in Zukunft sicherlich erforderlich. Grundsätzlich sehe sie der Sache mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen, fährt Moers fort: «Es wird in Zukunft nachts wohl keinen Lärm mehr von den Güterzügen geben, gleichzeitig wird es aber auch weniger Hotelgäste geben, die eigens wegen der Züge nach Göschenen kommen.» In der Erhaltung der alten Zug-Bergstrecke sieht Moers ohnehin den Grundstein für Göschenens Zukunft. «Solange der Regionalverkehr auf der alten Bergstrecke erhalten bleibt, machen wir uns keine Sorgen», sagt sie. Würde die grosse Befürchtung aber zur Tatsache und die Bergstrecke über kurz oder lang ganz

geschlossen werden, befürchtet sie eine touristische und wirtschaftliche Katastrophe für die Gemeinde. Ganz geklärt ist die Zukunft der alten Bergstrecke tatsächlich noch nicht. Definitiv gesichert ist deren Betrieb vorerst bloss bis 2017, dann nämlich läuft die SBB-Fernverkehrskonzession für diese Strecke aus. Voraussichtlich wird Mitte des kommenden Jahres vom Bundesamt für Verkehr entschieden, ob und in welcher Form es mit der Bergstrecke weiter gehen soll. Dass der Bundesrat und die SBB die Betriebskosten zukünftig grundsätzlich senken wollen, müsste in Göschenen eigentlich sehr wohl Grund zur Sorge geben. Doch es scheint, als ob auch hier die typische Urner Gelassenheit einsetzt – zumindest in den meisten Fällen. «Göschenen wird der Tunnelbau in meinen Augen wenig tangieren, da wir vermehrt auf Tagestouristen, Wanderer, Biker und Busse setzen», sagt etwa Renato Arnold vom Hotel «Zum Weissen Rössli». Deshalb freue er sich in erster Linie auf die Tunneleröffnung, da es ein Riesenprojekt für den Kanton Uri darstelle. Eine Freude, die er mit Alexandra Moers vom «Chalet Hotel Krone» teilt. Denn trotz gewisser Bedenken sieht auch sie in der Tunneleröffnung ein «Meilenstein der Verkehrsgeschichte». Und positiv betrachtet könne die NEAT ja auch neue Möglichkeiten für Göschenen schaffen: «Wenn die Bergstrecke erhalten bleibt, könnten die frei werdenden Kapazitäten durch Sonderzüge und historische Züge genutzt und somit ein neues touristisches Angebot geschaffen werden.» MIT OPTIMISMUS IN DIE ZUKUNFT Ob der Gotthard-Basistunnel für Göschenen zum Fluch oder doch zum Segen wird, wird sich zeigen. Die gelassene und grundsätzlich positive Grundstimmung im Dorf ist jedenfalls genau die richtige Art und Weise, mit welcher man der neuen Situation begegnen sollte. Denn gewisse Entscheidungen, wie die Zukunft der alten Bergstrecke, liegen nun mal nicht in den Händen der Göschener selbst. Oder wie es die sympathische Serviceangestellte im Bahnhofsbistro lächelnd formuliert: «Es kommt, wie es kommt, und am Ende wird es schon gut kommen.» Sie verabschiedet die beiden SBB-Angestellten, die ihre Kaffeepause mittlerweile beendet haben, räumt deren Tisch ab und verschwindet gut gelaunt wieder hinter der Theke in der kleinen Bistroküche. Angst vor der Zukunft sieht wahrlich anders aus.

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MOBIL

Meilen sammeln im Schlaf BUSINESS TRAVEL Man kann auch mit Hotelbuchungen Flugmeilen generieren. Drei neue Online-Buchungsportale schreiben für jede Übernachtung, die bei ihnen gebucht wurde, Flugmeilen gut. Dies ist eine ideale Möglichkeit für Vielreisende, um ihr Meilenkonto aufzustocken. TEXT A L F R E D K U H N

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n der UZ-Ausgabe 3/2015 wurde an dieser Stelle das Problem des Meilenverfalls diskutiert. Bei den meisten Airlines verlieren die Meilen nach spätestens drei Jahren ihren Wert. Gemäss Experten verfallen so weltweit 33 Prozent der gesammelten Meilen ungenutzt. Im Verlauf des letzten Jahres haben diverse Airlines ihre Meilenprogramme weiter verschlechtert, sodass dieser Prozentsatz heute noch höher liegen dürfte. Betroffen sind in erster Linie Meilensammler, die nur relativ wenige Flüge pro Jahr absolvieren, sodass sie innerhalb der drei Jahre bis zum Verfall nicht auf die ausreichende Anzahl Meilen für einen Prämienflug kommen. Ebenfalls betroffen 44

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sind vielfliegende Geschäftsleute, die immer wieder eine andere Airline für ihre Flüge nutzen müssen. Sie generieren zwar viele Meilen, jedoch in verschiedenen Programmen, sodass es dann eventuell in keinem Programm ganz zu einem Prämienflug reicht. Eine weitere Hürde zur Erreichung eines Prämienfluges ist die Tatsache, dass ein Economy Class Flug heute oft billiger ist, wenn man ihn in Bargeld anstatt in Meilen bezahlt, da für die Prämienflüge teilweise exorbitant hohe Gebühren verlangt werden. Dies hat zur Folge, dass es sich nur noch lohnt, Meilen für Business und First Class Flüge auszugeben. Diese erfordern wiederum wesentlich mehr Meilen, die man erst einmal generieren muss.

MEILEN SAMMELN IN HOTELS In der UZ-Ausgabe 3/2016 haben wir deshalb eine der Möglichkeiten dargestellt, wie man am Boden zusätzliche Meilen erhalten kann: mit einer passenden Kreditkarte. Besitzt man eine Kreditkarte von der Airline, mit der man am häufigsten fliegt, kann man bei regelmässiger Verwendung dieser Kreditkarte zudem den Meilenverfall stoppen. Interessant ist auch das Meilensammeln in Hotels, speziell für Geschäftsleute, die häufig auswärts übernachten müssen. Hierfür gibt es zwar schon lange die bekannten Hotelprogramme IHG Rewards, Priority Club Rewards, HHonors, Marriott Rewards etc. Bei diesen Kundenbindungsprogrammen der grossen Hotelketten


LIFE MILES (LM) VON AVIANCA

PARTNER VON KALIGO, POINTSHOUND UND ROCKETMILES Kaligo Aeroplan AirAsia Big Alaska Airlines Mileage Plan American Airlines AAdvantage program Alitalia MilleMiglia Asia Miles Bitcoin British Airways Executive Club/ Avios Travel Rewards Programme Cathay Pacific Asia Miles Club Premier Aeromexico Etihad Guest Flying Blue Frontier EarlyReturns HawaiianMiles Icelandair Saga Club Jet Airways India JetPrivilege JetBlue TrueBlue JetPrivilege JPMiles Malaysia Airlines Enrich Multiplus Points Norwegian Reward PINS Qatar Airways Privilege Club Royal Jordanian Royal Plus Saudi Airlines Alfursan Southwest Rapid Rewards Thai Airways Royal Orchard Plus Turkish Airlines Miles&Smiles United MileagePlus Virgin America Elevate Virgin Atlantic Flying Club

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PointsHound

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Rocketmiles

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Grafikquelle: www.doctorofcredit.com/ Bild: Depositphotos.com, andriano.cz

ist man aber nicht flexibel bei der Auswahl des Hotels. DREI NEUE HOTELBUCHUNGSPORTALE Wer mehr Flexibilität will, für den sind die drei Hotelbuchungsportale Rocketmiles, Kaligo und PointsHound eine echte Alternative. Es werden ausschliesslich Hotels angeboten, bei denen man pro Übernachtung Prämienmeilen für verschiedene Vielfliegerprogramme sammeln kann. Allerdings werden dann in der Regel keine Punkte im Loyalitätsprogramm des Hotels gutgeschrieben, das heisst, man muss wählen: Entweder man erhält Flugmeilen oder Loyalitätspunkte des betreffenden Hotels.

ROCKETMILES Das Buchungsportal Rocketmiles wurde 2012 gegründet. Der Kunde bucht das Hotel direkt auf der Website. Zwei Wochen nach der Hotelübernachtung werden die Bonusmeilen auf das vom Kunden ausgewählte Vielfliegerkonto übertragen. Ungefähr 22 Vielfliegerprogramme nehmen teil (siehe Kasten). Die Höhe der gutgeschriebenen Meilen variiert je nach Ort, Übernachtungspreis und Länge des Aufenthalts und reicht von 500 bis 10 000 Meilen pro Nacht. Der Preis für die Hotelübernachtung bei Rocketmiles ist in der Regel nicht höher als bei anderen Hotelbuchungsportalen oder beim Hotel selber. Natürlich sollte man im Einzelfall trotzdem immer die Preise verglei-

BONUS-ANGEBOT DES MEILENPROGRAMMS* Bei Buchung eines Hotelaufenthalts bei Rocketmiles bis zum 30. Juni 2016 werden zusätzlich zu den normalen Gutschriften von 500 bis 10 000 Meilen pro Übernachtung folgende Boni gutgeschrieben: – Bonus von LM 3 000 bei Buchung und Übernachtung für eine Nacht – Bonus von LM 5 000 bei Buchung und Übernachtung für 3 Nächte – Bonus von LM 8 000 bei Buchung und Übernachtung für 5 Nächte * Die Hotelaufenthalte müssen bis zum 31.12.2016 erfolgt sein.

chen, denn es macht ja schliesslich keinen Sinn, Meilen zu einem stark überhöhten Preis zu erwerben. KALIGO Das junge Hotelbuchungsportal Kaligo existiert seit 2014 und zählt rund sieben Vielfliegerprogramme (siehe Kasten). In der Eigenwerbung schreibt es: «Kaligo bietet eine grosse Auswahl mit über 300 000 Hotels zu attraktiven Preisen. Unsere Kunden (...) schenken uns daher sowohl für Geschäftsreisen als auch für Urlaubsbuchungen ihr Vertrauen. Eine einzige Buchung mit Kaligo reicht oft aus, um genug Meilen für einen Prämienflug oder ein Upgrade zu sammeln!» Wie bei Rocketmiles können bei Kaligo neben Topbonus Meilen (Airberlin) Meilen bei vielen weiteren Programmen gesammelt werden. POINTSHOUND Dieses Hotelbuchungsportal mit 18 teilnehmenden Vielfliegerprogrammen existiert seit 2012. Je mehr Übernachtungen mit PointsHound gebucht werden, desto mehr Punkte werden gutgeschrieben. Nach der 6. und 20. Nacht wird man automatisch höhergestuft. Einzigartig bei PointsHound ist die Bestpreisgarantie: Falls man auf einer anderen Website einen besseren Preis findet, wird der Differenzbetrag zurückerstattet. LEISTUNGEN DER DREI PORTALE Einige Internet-Vergleichsdienste haben versucht, die drei Hotelbuchungsportale zu vergleichen und kamen zu folgenden Ergebnissen: Rocketmiles hat am meisten AirlinePartner, gefolgt von PointsHound (siehe Tabelle). Bei der Auswahl der angebotenen Hotels ist es genau umgekehrt: Kaligo bietet die grösste Auswahl an (über 300 000 Hotels), allerdings scheint die Qualität der angebotenen Hotels bei PointsHound am höchsten zu sein. Zählt man den Übernachtungspreis und den Gegenwert der Meilen zusammen, waren PointsHound und Rocketmiles in einer Untersuchung von Doctorofcredit die günstigsten Anbieter. Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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MANAGEMENT

Herrin über die Abfallberge FRAUEN IM MANAGEMENT Karin Bertschi erlebt unsere Wegwerfgesellschaft an vorderster Front: Mit ihrem Recycling-Paradies hilft sie den Grossen und Kleinen beim Entsorgen ihres Abfalls. An den beiden Standorten Reinach und Hunzenschwil stellt sie den Kunden ins Zentrum und bekommt dabei so manche Geschichte zu hören. TEXT A N O U K A R B E N Z

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chweizerinnen und Schweizer produzieren gemäss einer Statistik der OECD mehr als 700 Kilogramm Abfall pro Kopf und Jahr. Trotz eines gut funktionierenden Recycling-Systems enden noch viele wiederverwertbare Materialien im Hausmüll. Karin Bertschi, Geschäftsführerin der Recycling-Paradies AG, will dies ändern. Dabei soll nicht nur das Image des Abfalls als eklige und unangenehme Angelegenheit aufpoliert, sondern bereits bei den Kleinen Aufklärungsarbeit betrieben werden. Neben dem vom Verkehr abgeschirmten Kinderspielplatz mit separater Sammelstelle und der anschaulichen Beschriftung der Container sorgen hilfsbereite Mitarbeiterinnen für eine angenehme Atmosphäre. Entsorgung wird so weniger zur Pflicht als vielmehr zu einem Ausflug für die ganze Familie.

EIN THEMA, DAS UNS ALLE ETWAS ANGEHT «Manche recyceln, weil dadurch mehr Platz im Kehricht bleibt. Das spart Geld. Andere tun es aus Überzeugung und wieder andere fahren hier mit ihrem Jaguar oder dem Cadillac rein und entsorgen ihre Sachen, weil sie einen Beitrag für die Umwelt leisten möchten», beschreibt Karin Bertschi ihre vielseitige Kundschaft. Die Gründe mögen verschieden sein, doch am Ende betrifft Entsorgung jeden. Wer sich dafür entscheidet, seinen Müll gutbürgerlich zu trennen und Wiederverwertbares fleissig im Keller zu sammeln, bringt früher oder später Kisten voll Papier, Karton, Metall oder Elektroschrott zum Recycling-Paradies von Karin Bertschi oder zu einer anderen Sammelstelle in der Nähe. Ist Letzteres der Fall, wird man vermutlich mit nicht ganz so offenen Armen wie im Recycling-Paradies empfangen. «Nicht selten wird man von einem bärtigen, mässig begeisterten Herrn mit Bierbauch zurechtgewiesen, weil man das Bündel falsch geschnürt, nicht richtig parkiert hat oder zur falschen Zeit gekommen ist», musste Karin Bertschi 46

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im Rahmen ihrer Arbeit als Beraterin von Gemeinde-Werkhöfen feststellen. «Auf diese Weise vergrault man die Leute nur und das Entsorgen verleidet ihnen.» Aus diesem Grund setzt Bertschi bei ihrer Sammelstelle auf Kundenfreundlichkeit und stellt in erster Linie Frauen im Teilzeitpensum ein. «An einem Samstag haben wir pro Stunde bis zu 140 Fahrzeuge, die hier reinkommen. Meine Mitarbeitenden hören bis zu 50 Mal am Tag dieselbe Frage. Da muss man feinfühlig sein, denn für den Kunden ist es immer das erste Mal.» VON DER UNTEROFFIZIERIN ZUR GESCHÄFTSFRAU Vor Karin Bertschis KV-Lehre, die sie im Unternehmen ihrer Eltern absolvierte, wollte sie Helikopterpilotin werden. Da eine private Ausbildung sehr teuer gewesen wäre, beschloss sie, nach der Lehre die RS zu absolvieren. Zum Traumberuf schaffte sie es leider nicht, jedoch empfand sie das Militär als lehrreiche Lebensschule: «Ich konnte ich mir wertvolle Führungsqualitäten aneignen. Ausserdem lernte ich, auf die Zähne zu beissen.» Karin Bertschi wuchs in einer Unternehmerfamilie zusammen mit drei Geschwistern auf. Vater und Mutter liessen die Kinder in der Bertschi Mulden + Container Transporte AG früh mit anpacken. Als 1999 der erste Recyclinghof in Reinach eröffnet wurde, halfen Karin Bertschi und ihre Geschwister fleissig mit und schleppten Papierbündel die Treppen hoch zu den Containern. «Nach einem solchen Tag war ich ziemlich erschöpft», erinnert sich Bertschi. Mit den Jahren kam deshalb die Idee auf, eine kunden- und vor allem kinderfreundliche Anlage zu bauen. Im zarten Alter von 19 Jahren bot sich Karin Bertschi eine einmalige Chance, als ihr Vater sie mit dem Projekt betraute, eine bequeme und schöne Sammelstelle zu gestalten. HERAUSFORDERUNGEN AN ALLEN ECKEN Nach der anfänglichen Freude über die aufgesetzte Krone der Sammelstellenleiterin und

der Chance, ein eigenes Projekt aufzuziehen, holte sie die Realität schon bald ein: «Es ist schon ungewohnt, wenn eine 20-Jährige ein Bewerbungsgespräch mit jemandem führt, der wesentlich älter und vermutlich auch erfahrener ist.» Karin Bertschi versuchte deshalb, den Mitarbeitenden auf Augenhöhe zu begegnen und selbst anzupacken, statt nur zu befehlen: «Da ich quasi in ein «gemachtes Nest» hineinkam, wurde von mir auch mehr erwartet.» Karin Bertschi habe aber gelernt, sich durchzusetzen und pflege inzwischen einen «autoritären, aber kameradschaftlichen Führungsstil». Fehlte ihr anfangs die Erfahrung, fällt es ihr heute leicht, auch einmal auf den Tisch zu klopfen und schnelle Entscheide zu fällen. Rückhalt und Rat findet Karin Bertschi bei ihrer Familie: «Ganz allein hätte ich das nicht geschafft.» DIE SCHICKSALE HINTER DEN MÜLLBERGEN An eine Begegnung erinnert sich Bertschi besonders gut: Eine Frau, die gerade verlassen wurde, räumte in einer Kurzschlussreaktion die Wohnung leer und fuhr auf direktem Weg zur Sammelstelle. Als Karin Bertschi sie fragte, ob sie gerade umziehe, brach diese in Tränen aus. «Eine Räumung oder Grossentsorgung findet oftmals in einer Umbruchphase des Lebens statt,» stellt Bertschi fest, «es sind immer wieder andere Schicksale und Geschichten, die dahinter stecken.» Dass Brauchbares oder sogar Wertvolles bedenkenlos weggeworfen wird, beschäftige sie. Gut erhaltene Möbel hat sie deshalb ins eigene Büro gestellt und so vor dem Untergang bewahrt. Ihrer Meinung nach wird unsere Wegwerfgesellschaft auch von der Wirtschaft angekurbelt, die auf den kurzzeitigen Konsum ausgerichtet ist. Um dem entgegenzusteuern, veranstaltet das Recycling-Paradies dreimal jährlich eine Sammelaktion, bei der alte Spielsachen, Kleider, ja sogar die Nähmaschine gebracht werden können, um sie an Waisenhäuser und Kindertagesstätten in Rumänien zu spenden.


Bild: Silvan Buholzer

«DIE SCHWEIZ MACHT GENUG» 200 Tonnen Petflaschen, 7.5 Tonnen Batterien und 20 m3 Nespresso-Kapseln waren es 2015 in Hunzenschwil und Reinach: Das Unternehmen sammelt von Jahr zu Jahr mehr. Der weltweite Bedarf an Rohstoffen wächst, Wiederverwertung wird damit immer interessanter. Nichtsdestotrotz musste das Recycling-Paradies in letzter Zeit «ganz schön rudern». Grund dafür ist die Rohstoffkrise: Einerseits ist die direkte Rohstoffbeschaffung in Entwicklungsländern extrem günstig, andererseits fragt China, das nun langsamer wächst, weniger nach: Die Produktion stagniert, das Land wirft selbst Stahlschrott auf den Markt und es herrscht ein Überangebot. «Das Material, das wir sammeln, ist fast nichts mehr wert», so Karin Bertschi. Daneben finanziert sich das Unternehmen über die vorgezogene Entsorgungsgebühr, die jeder Konsument beispielsweise beim Kauf eines Getränks, einer Batterie oder eines Radios bezahlt. Aber auch hier spielt der Rohstoffpreis mit eine Rolle: «Auf Anfang Jahr wurde unter anderem die Entschädigung für die Sammlung von Elektrogeräten und Kühlschränken nach unten korrigiert. Das macht uns zu schaffen.» Karin Bertschi will nun die RecyclingQuote mittels Aufklärung erhöhen. Hauptzielgruppe seien neben Schülern die noch nicht ganz so fleissigen Sammler wie zum Beispiel Einwanderer, die in ihrem Land noch nie etwas von Recycling gehört haben. Da es mit der Kommunikation oftmals hapert, versucht man diese Leute quasi über ihre Kinder mitzuschulen. Illusionen macht sich Bertschi dennoch keine; was in der Schweiz recyclet werde, sei global betrachtet ein Tropfen auf dem heissen Stein: «Solange in vielen anderen Ländern Abfalleimer fehlen und Müll ganz selbstverständlich auf den Boden geworfen wird, im Meer landet oder auf dem Feld verbrannt wird, macht es keinen grossen Unterschied, ob die Schweiz das AluDeckelchen vom Joghurt nimmt oder nicht – damit rettet sie die Welt nicht.» Viel wichtiger findet Bertschi, dass jeder überhaupt eine Anlaufstelle hat, die im besten Fall auch in dessen Nähe ist. Es könne nicht sein, dass jemand 30 Kilometer weit fahre, um zu Recyceln. Momentan ist das Recycling-Paradies deshalb auf der Suche nach geeigneten Parzellen für weitere Filialen. Für die junge Geschäftsführerin gibt es also noch einiges zu tun.

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MARKETING

Wer lotst, wird gefunden SUCHMASCHINENOPTIMIERUNG Mit einem Internetauftritt allein ist es nicht getan: Wer will, dass die potentielle Kundschaft auf die «richtige» Seite findet, muss seine Sichtbarkeit und Reichweite im Netz erhöhen. TEXT C H R I S T I A N I T E N

EIN ÜBERBLICK: B2B-MARKTPLÄTZE UND BUSINESS-PORTALE «Wer liefert was» Führender B2B-Marktplatz mit rund 127 000 eingetragenen Unternehmen in der Schweiz und in Österreich sowie 411 000 Firmenprofilen in Deutschland. Mit wlw Europe können Firmen in 28 Ländern präsent sein. www.wlw.ch oder www.wer-liefert-was. ch Die Gelben Seiten Firmenverzeichnis von local.ch. www.gelbeseiten.ch

Europages Europäische BusinessSuchmaschine mit 2.6 Millionen exportorientierten Unternehmen, die auf verschiedenen Websites in 26 Sprachversionen publiziert. www.europages.com Kompass Firmen- und Produktverzeichnis der Kompass Schweiz Verlag AG. Sie enthält 3 023 Fachgruppen und 56 507 Produkte und Dienstleistungen. www.kompass.ch

Auch im B2B-Bereich gilt: Wer gesucht und möglichst als Erster gefunden werden will, sollte auf allen relevanten Plattformen Präsenz zeigen.

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ie Suche nach Anbietern und Produkten verlagert sich immer stärker ins Internet. Eine schnelle Auffindbarkeit ist demnach für KMU zur Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zentral. Wie aber erreicht man, dass potentielle Kunden auf der eigenen Firmen-Webseite und nicht bei der Konkurrenz landen? Traffic-Auswertungen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich zeigen, dass mehr als 50 Prozent der Besucher über allgemeine Suchmaschinen, B2B-Marktplätze und Spezialsuchmaschinen auf Unternehmenswebsites gelangen. Das heisst, die Relevanz einer optimalen Präsenz in den Suchergebnissen beziehungsweise einer möglichst guten Sichtbarkeit in Suchmaschinen und B2B-Marktplätzen ist sehr hoch. VERSCHIEDENE ETAPPEN IM BESCHAFFUNGSPROZESS Wenn es innerhalb des professionellen Beschaffungsprozesses darum geht, den Bedarf genauer einzugrenzen, genügen allgemeine Suchmaschinen. Geht es darum, konkrete Anbieter zu finden oder eine Marktübersicht zum Vergleich verschiedener

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Unternehmen zu erhalten, sind B2B-Marktplätze wie «Wer liefert was» oder Online-Portale wie Kompass besser geeignet. Damit ein Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleistungen im Internet gefunden wird, sollte es auf den jeweils relevanten Plattformen präsent sein. SUCHMASCHINENMARKETING IN DER PRAXIS: Bei den gängigen Suchmaschinen gibt es zwei Bereiche: In einem werden die «normalen» Suchresultate angezeigt, im anderen erscheinen Textanzeigen, auch AdWords genannt. Bei der Suchmaschine Google kann im Buchungstool festgelegt werden, in welchen Ländern, Regionen oder Städten eine Anzeige erscheinen soll. TOP-PLATZIERUNG INNERHALB DER SUCHRESULTATE:

Die Platzierung innerhalb der normalen Suchergebnisse kann nur durch gezielte Suchmaschinenoptimierung (SEO) der Unternehmenswebsite und andere Inhalte, die mit dem Webauftritt verknüpft sind (beispielsweise ein Corporate Blog) erreicht werden. Das heisst, die Inhalte und der Aufbau der Website müssen so beschaffen sein, dass sie von den Suchmaschinen als besonders wichtig

Bildquelle: Wikipedia/Heide-Daniel

eingestuft werden. Die optimale Platzierung des Suchresultates ist enorm wichtig, da der Internetnutzer primär die obersten Suchresultate beachtet. Zur Optimierung der Website ist die Hilfe eines Spezialisten erforderlich. Im Gegensatz zur komplexen Suchmaschinenoptimierung können die Top-Platzierungen auf B2B relevanten Plattformen in der Regel direkt gebucht werden. ERHÖHTE SICHTBARKEIT BEI «WER LIEFERT WAS» Unternehmen, die sich beim führenden B2B-Marktplatz «Wer liefert was» präsentieren, haben einen doppelten Vorteil. Wird bei Google nach einem konkreten Produkt gesucht, so erscheint häufig an prominenter Stelle ein entsprechendes Suchresultat, das auf die Plattform verweist. Bei einem Klick auf den Link erhält man zum gesuchten Produkt die komplette Liste der dazugehörigen Anbieter. Andererseits erscheinen dieselben Unternehmen auch, wenn direkt auf dem Marktplatz nach dem Produkt gesucht wird. Jedes Unternehmen hat dort einen individuellen Auftritt mit Produktbildern, Produktkategorien, Preisangaben sowie Unternehmensdetails für die direkte Kontaktaufnahme.


MARKETING

Gernli VON S T E F A N V O G L E R

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ans Domizlaff, Mitbegründer der Werbepsychologie und deutscher Markentechnik-Pionier, hat eine bekannte und beliebte Marke einst als «Besitzstand im Kopf der Masse» bezeichnet. Gemäss finanziellen Markenwert-Berechnungen kann dieser Besitzstand «Marke» Millionen, wenn nicht sogar Milliarden Wert sein. Im Umgang mit dem wertvollen Gut Marke ist somit Sorgfalt angesagt. Sorgfalt heisst auch Kontinuität – eine der wichtigsten Eigenschaf-

ten von starken Marken. Nicht zu verwechseln mit Rückschritt, der speziell im hart umkämpften Konsumgütermarkt Stillstand bedeutet. Ein Relaunch ist ein taugliches Mittel für zeitgemässe Anpassungen und Innovationen, aber immer auch eine Gratwanderung zwischen dem Altbekannten und dem Neuen, mit dem Ziel Wiedererkennbarkeit. Die Aufmerksamkeit der Konsumenten muss immer wieder neu gewonnen werden, dabei darf der Kern der Marke, die DNA, weder verlassen noch verwässert werden. Gute Markentechniker beherrschen die stete Erneuerung. Der traditionsreiche Schweizer Guetzli-Produzent

MARKE DES MONATS

Im Mai 2016:

www.wernli.ch

Hug AG hat vor kurzem bewiesen, wie gut er nicht nur das Backen beherrscht. Für die feinen Wernli haben die exzellenten Zuckerbäcker aus Malters mit den kreativen Werbern von Erdmannpeisker aus Biel die Köpfe zusammen gesteckt. Was dabei herausgekommen ist, kann sich sehen und hören lassen. Die Ausgangslage präsentierte sich schmeichelhaft und herausfordernd zugleich. «Me hät de Wernli eifach gernli» war einer der bekanntesten und beliebtesten Slogans im ganzen

Land. Die vielen Liebhaber der Süssigkeiten aus der Innerschweiz zeigen, dass man Wernli würkli gernli hat. Also betreibt man mit dem neuen Slogan «Wernli teilt me gernli» im wahrsten Sinne des Wortes beste Mund-zu-Mund-Propaganda. Die Agentur entwickelte diese clevere Idee auf Basis einer klaren Strategie: «Uns war wichtig, den ursprünglichen Reim nur minimal zu verändern und so die Marke weiterzuentwickeln.» Mancher Relaunch ist ein Flopp, nicht so der von Wernli. Neben dem Slogan kommen das gut schweizerische Wernli-Logo und die Packungen frischer daher, sympathische TV-Spots brachten «Wernli teilt

me gernli» unter die Leute und auf der neuen Website werden die Wernligernlihaber mit einem Wettbewerb zum Sprüchetexten animiert. Die Ausbeute dieser Aktion ist zwar noch dürftig, aber Hauptsache die Wernlis teilt man auch in Zukunft gernli. STEFAN VOGLER

Der Autor berichtet über die aktuelle Markenführung einer grossen oder kleinen, globalen, nationalen oder lokalen, altbewährten, aufgefrischten oder neuen Marke. www.markenexperte.ch

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MARKETING

Wir, die Virenschleudern VIRAL MARKETING Gleich Mikroben kann Marketing von Mensch zu Mensch, von Mund zu Mund übertragen werden. Besonders infektiös sind Botschaften dann, wenn sie in eine Geschichte verpackt wurden. Doch: Was macht eine gute Geschichte aus – und wie findet sie ihr Publikum? TEXT D E L I A B A C H M A N N

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er Mixer verwandelt das iPhone innert kürzester Zeit zu schwarzem Staub. «Will it blend?» hiess die 2006 gestartete Kampagne des US-Küchengeräte-Herstellers Blendtech. Die Videos zeigen, wie Gründer und CEO Tom Dickson «testet», ob sich auch alltägliche Gegenstände wie Golfbälle, Leuchtstäbe oder Kameras «vermischen» lassen. Die Antwort war – meistens – ja, das geht. Die Videos verbreiteten sich im Internet wie ein Lauffeuer. Als Felix Baumgartner am 14. Oktober 2012 für das Projekt «Red Bull Stratos» mit dem Fallschirm aus der Stratosphäre sprang, brach er nicht nur fünf Weltrekorde, sondern bescherte auch der Video-Plattform YouTube Rekordwerte: Bis zu acht Millionen Menschen verfolgten die Live-Übertragung während Spitzenzeiten. Im Jahr darauf machte ein spektakulärer Volvo-Werbespot – «Epic Split» – von sich reden. Gezeigt wird,

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wie Actionstar Van Damme auf den Aussenspiegeln zweier Trucks in den Spagat geht, während diese rückwärts fahren. 40 Millionen Mal wurde der Spot in einer Woche aufgerufen. Blendtech, Red Bull und Volvo haben damit geschafft, was jeder Werber zu erreichen versucht: Kampagnen, die gerne gesehen und geteilt werden. KLEINES BUDGET, GROSSE WIRKUNG Sie alle sind – äusserst erfolgreiche – Beispiele für eine spezielle Marketingform, die von Werbetreibenden immer häufiger genutzt wird: Viral Marketing. Ihre Popularität ergibt sich nicht zuletzt aus der zunehmenden Abwehrhaltung, mit der Konsumenten der klassischen Massenwerbung gegenübertreten. Der Begriff «Viral Marketing» geht auf Harvard-Professor Jeffrey Rayport zurück, der 1996 in «The Virus of Marketing» erstmals eine Beschreibung dieser Marketingform lieferte und deren Vorteile

herausstrich: «Wenn es darum geht, in kurzer Zeit und mit kleinem Budget eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen, schlägt nichts auf der Welt einen Virus.» Eine allgemeingültige Definition konnte sich bis heute allerdings nicht durchsetzen, zudem ist es in der Praxis teilweise schwierig, Viral Marketing von anderen Formen des Content Marketings wie Empfehlungs-, Buzz oder Guerilla Marketing abzugrenzen. Wichtiger als Wortklaubereien ist es, die Eigenschaften, Möglichkeiten und Grenzen dieser Marketingform zu kennen. Denn: Im Kern bleibt Viral Marketing Mund-zu-Mund-Propaganda, die sich in Kombination mit den neuen Kommunikationsmöglichkeiten exponentiell verbreitet und damit eine enorme Reichweite erzielen kann. WERBEBOTSCHAFT IM TROJANISCHEN PFERD Damit das gelingt, gibt es einiges zu tun: Eine klare Marketingzielsetzung bildet auch


Felix Baumgartner an der Eröffnung der «Red Bull Stratos»-Ausstellung im Luzerner Verkehrshaus im Februar 2015. Sein Mega-Sprung war ein Marketing-Coup und hat 50 Millionen verschlungen. Eine exzellente Viral Marketing-Kampagne lässt sich aber auch mit weitaus weniger Mitteln auf die Beine stellen.

Bild: zVg, Verkehrshaus/Luzern (PHOTOPRESS/Pius Koller)

hier den Ausgangspunkt für die Entwicklung einer guten Kampagne. Erst nachdem geklärt ist, ob die Bekanntheit einer Marke gesteigert, Kundeninformationen gewonnen oder Produktverkäufe erhöht werden sollen, kann die eigentliche Planung – die erste Phase – beginnen. Kern und Köder einer viralen Marketingkampagne ist das sogenannte Kampagnengut. Sein Zweck: Aufmerksamkeit. Dabei kann es sich um ein Video – die verbreitetste Form –, ein OnlineSpiel, ein Tutorial, eine App und dergleichen mehr handeln. Hauptsache unterhaltsam, nützlich, informativ oder neuartig. Das Kampagnengut selbst beinhaltet keine Werbebotschaft. Vielmehr ist es das Trojanische Pferd, in welchem die Werbebotschaft versteckt an der Firewall der Konsumenten vorbeigeschmuggelt wird. Eine attraktive Verpackung also, die dafür sorgt, dass fleissig weiterempfohlen und geteilt wird. Daneben gibt es auch äussere Weiterempfehlungs-

anreize, etwa in Form von Gewinnspielen, Geschenken, Rabatten oder Gutscheinen. Diese sind allerdings umstritten, da sie die Glaubwürdigkeit der Empfehlung mindern können und der Werbecharakter wieder stärker zum Tragen kommt. Typische Überträgermedien sind E-Mails, Soziale Medien und andere Webseiten, aber auch Fernsehen und Radio kommen in Frage. Sind Konzeption und Kreation abgeschlossen, gilt es den sorgfältig gezüchteten Marketingvirus unter die Leute zu bringen. Wirt und Überträger ist der Mensch selbst. WER ERNTEN WILL, MUSS SÄHEN Andrea Iltgen und Simon Künzler von der Xeit GmbH wissen, wie man Marketingviren effizient streut. Ihre Online-Marketing und Social Media-Agentur mit Sitz in Zürich deckt sämtliche Bereiche des viralen Marketings ab: Konzeption, Kreation und eben auch das sogenannte «Seeding». Weil die Fruchtbarkeit des Bodens für eine gute Ernte ebenso wichtig ist wie die Menge der Aussaat, betreibt Xeit sowohl qualitatives als auch quantitatives Seeding. Beim qualitativen Seeding gehe es darum, Personen zu identifizieren, die besonders nahe am Produkt und sehr kommunikationsfreudig sind. Das können beispielsweise Meinungsführer in virtuellen Communities sein. Weil sie die Fähigkeit haben, einen grossen Personenkreis zu «infizieren», nennt man sie auch Multiplikatoren. Beim quantitativen Seeding wird das Kampagnengut möglichst grossflächig gestreut, um den zahlenmässigen Erfolg sicherzustellen. Mittels Tracking kann gemessen werden, wie gut sich das Kampagnengut verbreitet. Iltgen und Künzler wissen deshalb: «Dass etwas echt viral wird, ist schon die Ausnahme.» Tritt der gewünschte Schneeballeffekt jedoch ein, liegen die Vorteile auf der Hand: Aufmerksamkeit, Bekanntheit, Sympathie und im Idealfall weitere Multiplikationseffekte durch mediale Berichterstattung. Mit dem Entscheid für eine virale Medienkampagne gehe man aber immer auch ein gewisses Risiko ein, sind Iltgen und Künzler überzeugt: «Eine Geschichte, die gänzlich frei von Risiken ist, das funktioniert nicht.» MODERNE MÄRCHEN ALS MARKETINGMITTEL Das werden sich auch die kreativen Köpfe der Zürcher Produktionsfirma Stories AG und der Wirz Werbeagentur gedacht haben, als sie im Dezember 2013 ein Video mit dem Titel «Cuche macht Bus kaputt :-)» ins Netz stellten. Zu sehen ist, wie Didier Cuche, unten am Skilift angekommen, seinen SkiTrick aufführt. Als er das Kunststück auf Bitte eines kleinen Buben wiederholt, fliegt

ihm der Ski davon und landet in der Scheibe eines parkenden Cars, was einen Ausraster des österreichischen Carfahrers zur Folge hat. Ganze zwei Wochen lang rätselte die Schweizer Öffentlichkeit über die Echtheit des Spots. Die amateurhafte Aufnahme per Handykamera verlieh dem Filmchen den Anschein von Echtheit. Ein TV-Spot der Mobiliar brachte dann die Auflösung: Alles inszeniert. Der Schuss hätte auch nach hinten losgehen können, schliesslich lassen sich die meisten Menschen nicht gerne hinters Licht führen. Darin bestehe eben die Kunst des Storytelling, erklären Tobias Fueter und Yves Bollag von der darauf spezialisierten Stories AG: «Das hat viel mit Feingefühl und detailgenauer Umsetzung zu tun.» Wie schon die Gebrüder Grimm wissen auch Fueter und Bollag: Die Menschen lassen sich gerne von Geschichten bewegen, sofern diese «authentisch» und «ehrlich gemeint» sind. Das sei mit ein Grund, warum Storytelling als Werbeform heute so gefragt ist: «Die Unternehmen können so zeigen, wofür sie stehen und gleichzeitig eine emotionale Bindung zum Zuschauer aufbauen, die nicht primär auf dem zu vermarktenden Produkt basiert ist.» In einer Zeit, in der sich die Produkte der meisten Unternehmen kaum noch unterscheiden, sei es für diese zentral, sich über ihren Brand, ihre Geschichte zu differenzieren. WIE MAN VIRALE GESCHICHTEN BAUT Storytelling und Viral Marketing sind untrennbar miteinander verbunden, denn: Der Mensch ist zwar süchtig nach Geschichten, erzählt aber nur die besten weiter. Wünscht der Auftraggeber einen Spot, der viral werden soll, verlangt dies den Filmemachern eine extra Portion Selbstkritik ab: «Du musst ultra hart sein mit dir: Würde ich ihn weiter schicken – ja oder nein?» Ansonsten ähneln die Geschichten, die virale Videos erzählen, jenen der klassischen Werbespots – allerdings darf es von allem etwas mehr sein: «Man muss noch origineller, emotionaler und direkter sein.» Und auch radikaler: «Der Kunde muss den Mut haben, das Produkt in den Hintergrund zu stellen.» Als vorbildliches Beispiel nennen Fueter und Bollag den Edeka-Spot, der in der Vorweihnachtszeit 2015 von sich reden machte. Er zeigt einen einsamen Opa, der seine eigene Todesanzeige verschickt, um die Familie zu Weihnachten zusammenzubringen. Der Spot löste eine Kult-oderKitsch-Debatte aus: «Herzerwärmend» sagten die einen, «schamlos» die anderen. «Was will man mehr?», fragten die Werber. Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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PIONIERE

Irrsinniges Genie MARTIN OTHMAR WINTERHALTER Zwei Seiten, die sich verzahnen: Analog seiner Erfindung griff sein schöpferisches Genie nahtlos in seinen Wahnsinn über. Martin Winterhalter war eine umstrittene Persönlichkeit, die eine heute unverzichtbare Erfindung alltagstauglich gemacht hat: Den Reissverschluss. TEXT A N O U K A R B E N Z

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rste Patente eines Reissverschlusses tauchten bereits im 19. Jahrhundert auf, taugten in der Praxis aber nicht viel. Das erste brauchbare Patent meldete der Schwede Gideon Sundbäck im Jahr 1908 an. Etwa zur gleichen Zeit entwickelten die beiden Schweizer Catharina Kuhn-Moos und Henri Forster einen Reissverschluss, der dem heutigen sehr ähnlich sieht. Mangels Interesse geriet die Erfindung allerdings schon bald in Vergessenheit. 1923 kam der nun eingebürgerte Amerikaner Sundback, der bis anhin nur Gelächter für seine Erfindung geerntet hatte, in die Schweiz. Dort schien nur einer verrückt genug zu sein, den Wert seiner Erfindung zu erkennen: Martin Othmar Winterhalter.

SCHULABBRECHER, FRAUENHELD UND OPPORTUNIST In den 1920er-Jahren brach eine neue Zeit an. Plötzlich musste alles schnell gehen. Damit war die Zeit reif für den Reissverschluss, der das An- und Abziehen der Kleidung so viel schneller und einfacher machen würde. Den Siegeszug des Reissverschlusses verdanken wir Martin Winterhalter, der diesen serienreif machte. Sein Leben war so verrückt wie die Geschichten, die man sich über ihn erzählt. Nicht immer besteht Einigkeit darüber, was wirklich geschah und wer Martin Winterhalter tatsächlich war. Eins aber ist klar: Er war ein Tüftler und ein Lebemann, der sein Vermögen mit vollen Händen ausgab und ausgelassen feiern konnte. Martin Othmar Winterhalter wurde am 4. Mai 1889 in St. Gallen geboren. Bereits im Kindesalter wurde er von einem seiner sechs Geschwister als «abnorm, skrupellos, manisch und undiszipliniert» beschrieben. Im Alter von 15 Jahren flog Winterhalter von der Klosterschule Einsiedeln. Sein Verhältnis zu Lehrern und Autoritäten war angespannt, sein Interesse an Mädchen grösser als seine Begeisterung für geistige Übun52

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gen. Winterhalter fasste den ambitionierten Entschluss, Millionär zu werden. Er entschloss sich für ein Jus-Studium an der Universität in Leipzig, das er mit dem Verkauf von selbstentwickelten Hernienbändern finanzierte. Ursprünglich für den Eigengebrauch entwickelt, da er selbst an Bauchhöhlenbrüchen litt, fanden die «federlosen Hernienbänder» während des ersten Weltkriegs bei älteren Offizieren reissenden Absatz. Nach dem Studium zog Winterhalter mit seiner Frau und Studienkollegin EmmaElena Puklitsch nach St.Gallen, wo er sein Geschäft weiterführte. Als im selben Jahr Gideon Sundback seinen Laden betrat, packte Winterhalter die Chance. Nachdem Sundback ihm sein Verfahren zur Herstellung des «hakenlosen Kettenverschlusses mit Metallzähnen» vorgestellt hatte, so wird vermutet, zog ihn Winterhalter über den Tisch und kaufte ihm das Patent für Europa zu einem Schnäppchenpreis ab. Wie viel Geld genau geflossen ist, bleibt unklar. Bekannt ist jedoch, dass Winterhalter sein gesamtes Vermögen veräusserte – bis zum Tafelsilber. Er setze alles auf eine Karte. RIRI – REISSENDE RIPPEN UND RILLEN Winterhalter entwickelte den Entwurf weiter und verwendete statt den Kugelgelenken und Klemmbacken von Sundback Rippen und Rillen. Er nannte seine Erfindung daher «Riri». 1925 wurden im deutschen Wuppertal in seiner neuen Fabrik die ersten Riri-Reissverschlüsse produziert. Insgesamt 25 Patente zur maschinellen Produktion meldete er an. 1928 folgten die ersten Ableger in Luxemburg, Mailand und St. Gallen. Martin Winterhalter war immer und überall in Europa unterwegs. Der Reissverschluss wurde zum Welterfolg – jeder wollte ihn haben. Anfangs insbesondere im Militär für die Fliegerjacken und Schwimmwesten verwendet, schaffte er es ab 1930 gar auf den Laufsteg der «Haute Couture». Schon bald produ-

BESCHLEUNIGER DES ALLTAGS Für den täglichen Gebrauch ist der Reissverschluss heute unverzichtbar. An Kleidern, Schuhen, Taschen und Portemonnaies finden wir ihn, für Zelte, Tauchanzüge, Fischer- und Vogelschutznetze, ja sogar als Verbindung von künstlichen Rasenstücken auf Fussballfeldern und für Ölsperren wird er genutzt. Einer der grössten Reissverschlüsse liegt auf dem Grund des Atlantiks, wo er die Schutzhülle des 6 300 Kilometer langen transatlantischen Telefonkabels (TAT) zusammenhält. In der Medizin wird Patienten mit Bauchfellentzündung ein Reissverschluss in die Bauchdecke genäht oder er wird als Pflasterverband für Wundränder verwendet. Der heutige grösste Produzent von Reissverschlüssen befindet sich in Japan und heisst Yoshida Kogyo.

zierten weltweit Dutzende Fabriken den Riri in Lizenz. Den definitiven Durchbruch schaffte Winterhalter ein Jahr später mit der Entwicklung eines neuen Spritzgussverfahrens. Die neuen Techniken wurden auch an die «Väter» des Reissverschlusses nach Amerika zurückverkauft. Damit schloss sich der Kreis. FLUCHT VOR DEN NAZI-KLAUEN Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland gerieten seine Riri-Fabriken in Gefahr. 1936 wollte der Deutsche Staat diese wegen angeblicher Steuervergehen unter staatliche Vormundschaft stellen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion packte Winterhalter seine Maschinen auf einen Lastwagen und liess sie in die Schweiz schmuggeln. In Mendrisio im Tessin baute er eine neue Fabrik und nahm die Reissverschlussproduktion wieder auf. Folglich liess das deutsche Finanzministerium Winterhalters Guthaben beschlagnahmen. Dieser liess sich aber nicht unterkriegen: Er brachte die eidgenössische Regierung dazu, deutsche Gelder in derselben Höhe zu blockieren. Man einigte sich schliesslich, die Guthaben gegeneinander zu verrechnen. Damit war die Geschichte gegessen.


Winterhalter ist es gelungen, einen Reissverschluss zu konstruieren, der sich serienmässig herstellen lässt. Ebenso entwickelte und baute er die Maschinen zu deren Fabrikation.

Martin Othmar Winterhalter nannte seine Erfindung «Riri» für Rippen und Rillen. Bilder: Keystone (o.r.)/zVg

SABOTAGE DER EIGENEN FABRIK Als in den Anfängen der 1950er-Jahre seine ersten Patente verfielen und die weltweite Billigproduktion einsetzte, ging es mit Riri bergab. Die Kunststoffreissverschlüsse der Konkurrenten waren flexibler und vor allem billiger, was sie sehr beliebt machte. Eine wahrhaftige Tal- und Irrfahrt setzte sich in Gang, als Winterhalter begann, seine eigene Fabrik gezielt zu ruinieren. Man kann sich fragen, ob sein Skiunfall in Engelberg, der zu einer Gehirnquetschung führte, seine Wahnvorstellungen und Riri-Besessenheit auslöste. Jedenfalls war es zu diesem Zeitpunkt, als der Irrsinn Überhand nahm. Winterhalter verprasste sein Geld, veranstaltete rauschende Feste und tätigte unvernünftige Investitionen. Er schenkte seiner Köchin und seinem Arzt

bedingungslos Aktien und machte bei seiner Fabrik in Mendrisio fiktive Bestellungen, um sie in den Ruin zu treiben. Wenn sie einmal Konkurs gegangen wäre, so der Plan, würde er sie über eine Tochtergesellschaften vom Ausland her aufkaufen. Mit seinen geschäftsvernichtenden Aktionen brachte er seine eigenen Mitarbeitenden gegen sich auf. Neben seiner Familie, die ihn schon lange für verrückt hielt, waren nun auch sie der Meinung, dass Winterhalter vor sich selbst beschützt werden musste. UNSER DON QUIJOTE UND SEINE FLUCHTHELFERINNEN Immer wieder versuchten seine Geschwister, die sein Geld verwalten wollten, ihn in die Klapsmühle zu stecken. Immer wieder flüchtete er sich ins Ausland und entging damit seiner Einweisung. Zweimal gelang es seiner Familie, die Unterstützung von den Fabrikmitarbeitern erhielt, ihn einzuweisen – beide Male schaffte er es, mit Hilfe seiner Sekretärin und Geliebten, zu entfliehen. Jedes Mal eine andere, versteht sich. Im September 1950 unternahm Winterhalter mit seinem Pferd eine (letzte) Reise über die Alpen, von Morcote nach Liechtenstein. Er wollte endgültig beweisen, dass er kein Spinner war – und erreichte damit nur das Gegenteil. Das Bild glich einer Szenerie aus dem Roman von Miguel de Cervantes, dessen verrückte Hauptfigur Don Quijote sich als Held seiner Mitmenschen versteht. Zwei Monate später sass das Genie wieder in der Klapse. Wieder verhalf ihm eine blutjunge Sekretärin zur Flucht. In der Folge wurde ihm ab 1951 jeglicher Kontakt mit der Aussenwelt verwehrt. Zehn Jahre später stirbt Winterhalter – allein und einsam – während seine Fabrik ihr 25-Jahre-Jubiläum feiert. Die glorreichen Jahre waren Geschichte, doch immerhin: Noch heute werden in St. Gallen Riri-Reissverschlüsse hergestellt. www.ririmayer.ch, www.riri.com

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UNTERNEHMEN

Die virtuellen Patienten VIRTAMED AG Das Schlieremer MedTech-Unternehmen stellt Trainingssimulatoren her, an denen Chirurgen «Schlüsselloch»-Operationen für den Ernstfall üben können. Konkurrenz gibt es – weltweit – keine. Das könnte sich jedoch bald ändern. TEXT D E L I A B A C H M A N N

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echs Gründer, 16 Doktorarbeiten, 55 Mitarbeitende aus verschiedensten Disziplinen und seit 2015 zwei Geschäftsführer. Eines zieht sich wie ein roter Faden durch die achtjährige Firmengeschichte: VirtaMed ist ein Gemeinschaftsprojekt, seine Trainingssimulatoren eine Teamleistung. Ein anderer Weg wäre nicht gangbar: Mit der Komplexität eines Produktes steigen auch die Anforderungen an die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Bei der Konzeption und Produktion der VirtaMed-Simulatoren arbeiten Softwareund Hardwareingenieure, aber auch Elektrotechniker und 3D-Spezialisten zusammen und stehen dabei in engem Kontakt mit der Aussenwelt: Ärztegesellschaften, Universitäten, Kliniken, Trainingszentren aber auch andere MedTech-Firmen zählen zu den Partnern von VirtaMed. Organisation und Management dieser Interdisziplinarität ist eine der wichtigsten Führungsaufgaben im Unternehmen und wird von Stefan Tuchschmid und Raimundo Sierra gemeinsam wahrgenommen. Im Interview erzählen sie, wie dies in der Praxis gelingt, was Kunden wünschen und warum das Jahr 2015 trotz Frankenschock und einem Exportanteil von 98 Prozent das bisher beste war. ZU SCHADE FÜR DIE SCHUBLADE Das erste Kapitel von VirtaMed begann 2001, sechs Jahre vor der Unternehmensgründung. Raimundo Sierra startete seine Dissertation im Rahmen eines Forschungsprojektes des Schweizerischen Nationalfonds (SNF)*, an dem später insgesamt 16 Doktoranden beteiligt waren. Das Ziel des Projekts «CoMe Hysteroskopie-Simulator» habe darin bestanden, erzählt Sierra, den ersten Simulator zu bauen, der so realistisch ist, dass ein Arzt sagen kann: «Das ist wie eine echte Operation.» Sierra reichte seine Dissertation etwa zu der Zeit ein, als Tuchschmid mit der seinen begann. Seine Aufgabe bestand darin, die vorhandenen Forschungsergebnisse zusammenzuführen und einen validierbaren Prototypen zu entwickeln. 54

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Das Projekt wurde früher als geplant beendet: «Die grössten Forschungsziele wurden erreicht, die Mittel weniger und es begann sich abzuzeichnen, dass das Forschungsergebnis irgendwo versandet. Da beschlossen wir, das Projekt zu kommerzialisieren.» Zu den sechs Gründern zählten neben Tuchschmid und Sierra auch deren Doktorvater, Gábor Székely, sowie Michael Bajka, Daniel Bachofen und Matthias Harders. In der untypisch hohen Anzahl an Gründern sieht Tuchschmid den Vorteil, dass viele Personen stark mit der Firma verbunden bleiben. So kehrte Sierra, der einige Jahre in den USA arbeitete – erst zu Forschungszwecken, dann für McKinsey – 2014 zu VirtaMed zurück. Tuchschmid arbeitete indessen während dreier Jahre parallel an seiner Dissertation und am Aufbau der jungen Firma. DER CEO MUSS VERKAUFEN KÖNNEN Dabei musste er feststellen: Nicht überall geht es gleich schnell vorwärts. Die Professionalisierung auf Produktseite brauchte Zeit und erforderte Geduld, gleichzeitig galt es in anderen Bereichen aktiv vorzupreschen. Eine Frage, welche die Investoren den Ingenieuren immer wieder stellten, war: «Wer kümmert sich um das Kommerzielle?» Als die Suche nach einem Marketing- und Sales-Leiter erfolglos blieb, gelangte Tuchschmid zur Überzeugung, dass der CEO selbst verkaufen muss: «Wenn das nicht gelingt, kann er auch keine Mitarbeitenden und Partner überzeugen.» In der Folge verschob sich der Fokus zunehmend weg von dem, was «technisch interessant» wäre, hin zu dem, was «der Kunde will». Dieser wollte allerdings nicht so recht – zumindest die anvisierte Zielgruppe, die Spitäler, fragte anfangs kaum Geräte nach. Ein Rückschlag war das nicht, nur kam die Nachfrage von unerwarteter Seite: «Die Medizinaltechnikfirmen waren an adaptierten Simulatoren für ihre jeweiligen Geräte interessiert», erzählt Tuchschmid. Daraufhin sei das Geschäftsmodell angepasst wor-

den. VirtaMed sei «gross geworden» mit solchen Spezialanfertigungen und erwirtschafte noch heute über die Hälfte des Umsatzes mit MedTech-Firmen. Als Startup betrachtet sich VirtaMed heute nicht mehr, als agil aber noch immer: «Wir werden noch einige Wegwechsel machen müssen, um die Grösse zu erreichen, die für uns interessant ist.» STARKES STANDBEIN IN DER GYNÄKOLOGIE Die Grundidee hinter den VirtaMed-Produkten ist denkbar einfach: Wie bei einem Flugsimulator für Piloten wird eine realistische Umgebung simuliert, in der die Chirurgen selbst komplexe Operationen risikofrei üben können. Das Sortiment ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgeweitet worden und entsprechend den Bedürfnissen der verschiedenen Zielgruppen gegliedert: Die grösseren stationären Simulatoren für Spitäler und Trainingszentren, die portablen Systeme für MedTech-Firmen und deren Verkäufer. Mit zwei der vier stationären Simulatoren, HystSim™ und PelvicSim™ können gynäkologische Operationen trainiert werden. Während der Operierende bei HystSim™, dem ersten VirtaMed-Produkt auf dem Markt, lediglich visuelles Feedback erhält, gibt der PelvicSim™ dank einem entsprechenden Aufsatz – ein Kunststoff-Modell eines weiblichen Unterleibs, gespickt mit Sensoren – auch taktiles Feedback. Dies wurde bei UroSim™ für urologische Operationen und ArthroS™ für Schulter- und Kniearthroskopien beibehalten: «Bei der Arthroskopie ist es sehr wichtig, dass der operierende Arzt die volle Härte des Knochens spürt. In der Gynäkologie und Urologie, wo sie weiche Gewebe und Organe haben, müssen andere Gefühle rückvermittelt werden», erklärt Sierra. Derzeit arbeitet VirtaMed an einem Simulator für Hüftoperationen. Vom äusseren Aufbau her ähneln sich die einzelnen Simulatoren. Die eigentliche Simulation – die Software – hingegen wird jeweils von Grund auf neu programmiert. Bis zu 100 Patienten sind pro Simulator auf Knopfdruck verfügbar, die etwa 95 Prozent der realexis-


tierenden Fälle abdecken. Das heisst: Auch seltene Fälle. Die virtuellen Patienten entsprechen nicht eins zu eins einer realen Person, werden aber auf Basis von echten Daten – MRI, CT, Operationsprotokollen – programmiert. Ähnlich einem Videospiel gibt es verschiedenste Schwierigkeitsgrade inklusive Komplikationen, die durchoperiert werden können. Am Ende wird ausgewertet, wie gut der Chirurg seine Sache gemacht hat. VOM GRUNDRISS ZUM BLUTFLUSSMODELL Das rhythmische Schnaufen eines Beat-

mungsgerätes und allerlei Piepstöne lassen Krankenhausstimmung aufkommen. Vor dem ArthroS™-Simulator steht ein Mann, in der einen Hand hält er die Kamera, in der anderen ein Operationsinstrument, die in zwei unterschiedlichen Löchern im zu operierenden Kunststoff-Knie stecken. Der Blick auf den Monitor verrät, dass es sich um eine Art Zange handelt, mit dem er versucht, ein Knorpelfragment aus dem Gelenk zu entfernen. Um auch bei den Instrumenten eine grösstmögliche Realitätsnähe zu erreichen, handelt es sich um die gleichen, die auch im

Hier ist höchste Konzentration gefragt: Ein Chirurg trainiert eine Schulterarthroskopie am stationären ArthroS™-Simulator. Bilder: zVg

Operationssaal zum Einsatz kommen. Allerdings werden sie modifiziert: Die Kamera beispielsweise wird abmontiert und durch Sensoren ersetzt, die dem Simulator übermitteln, ob und wie die virtuelle Kamera betätigt wurde. Dasselbe gilt für Ventile oder eben Zangen. Obwohl der Trainierende äusserste Vorsicht walten lässt, zeigt der Monitor wie Blut austritt und in die Gelenkflüssigkeit diffundiert. Spätestens jetzt ist sich der Laie nicht mehr sicher, ob er es hier mit einer künstlichen Simulation oder einem echten Operationsvideo zu tun hat. Wie ist es möglich, Oberflächen, Bewegungen und physikalische Abläufe – kurz, das Innenleben eines Körperteils – fotorealistisch abzubilden? Tuchschmid und Sierra zögern, denn das «Wie» ist schon schwieriger zu erklären, als das «Was» und «Wozu». Man könne es vergleichen mit der Arbeit eines Architekten oder einer Computerspielfirma: Ausgangspunkt sind die Patientendaten aus MRI oder CT, die den «Grundriss» für die spätere Simulation bilden. Mit jedem weiteren Prozessschritt kämen neue Elemente dazu: Zuerst werde ein virtueller

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Stefan Tuchschmid (l.) und Raimundo Sierra (r.) – Seit 2015 führen sie VirtaMed in gemeinsamer Regie.

Raum geschaffen, in welchem später die Möbel – im Fall von VirtaMed die Organe etc. – modelliert werden. Die eigentliche Simulation bestehe schliesslich darin, den erschaffenen «Raum» und die Elemente, die er enthält, zu bewegen und auf Inputs von Aussen reagieren zu lassen. Bis die Simulation den Ansprüchen seiner Entwickler und vor allem jenen der Ärzte genügt, sei es ein langer Prozess: «Ärzte sind extrem heikel», erzählt Tuchschmid schmunzelnd, «wie beim Patienten suchen sie beim Simulator nach der Pathologie, also nach dem, was nicht in Ordnung ist.» Die Entwicklung eines Simulators sei ein iterativer Prozess; ein Hin und Her zwischen Ingenieuren und Ärzten: «Für die Simulation ist es zentral, dass bis ins Detail herausgearbeitet wird, was der Arzt während der Operation erlebt.» Für mehr Realitätsnähe scheut VirtaMed keine Mühen. Auch das hat dem Unternehmen zur Technologieführerschaft verholfen. PROJEKTARBEIT UND «PAPI-TAGE» Technologieführer sein und auch bleiben – das ist das Ziel von VirtaMed und stellt hohe Ansprüche ans gesamte Team. So kommt es vor, dass Software- und Hardwareingenieure den Ärzten im Operationssaal über die Schulter schauen oder Teammitglieder weit reisen, um sich mit Spezialisten auszutauschen und gemeinsam mit diesen Prototypen zu testen. Dass die einzelnen Mitarbeitenden in direktem Kundenkontakt stehen, ist Teil der Führungsphilosophie von Tuchschmid und Sierra: «Entscheidungen sollen dort gefällt werden, wo die besten herauskommen.» VirtaMed ist kein Startup mehr, aber auch noch kein ausgewachsenes Unternehmen. Heute sei es nicht mehr möglich, dass jeder immer alles mit jedem besprechen kann. Nichtsdestotrotz gelte es, Innovationskraft und Agilität trotz starkem Mitarbeiterwachstum zu bewahren. Damit das gelingt, 56

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DIE VIRTAMED AG Geschäftsführer: Dr. Stefan Tuchschmid und Dr. Raimundo Sierra Branche: Medizinaltechnik Gründer: Dr. Stefan Tuchschmid, Dr. Raimundo Sierra, Daniel Bachofen, Prof. Dr. med. Michael Bajka, Prof. Dr. Matthias Harders und Prof. Dr. Gábor Székely Gegründet: 2007 Mitarbeitende: 55 Umsatz 2015: > 10 Millionen Franken

setzen die beiden Geschäftsführer auf dezentrale Strukturen, projektbasiertes Arbeiten, und fördern die Zusammenarbeit der Belegschaft mit Externen: «Wir arbeiten daran, Projektteams aufzubauen, sodass wir mehrere Projekte aufs Mal machen können.» Dafür brauche es gewisse Routinen. Zudem sollen möglichst viele Personen wissen, was läuft, mit wem sie sich zusammenbringen und vernetzen müssen. Der hohe Grad an Selbstständigkeit und relativ grosse Entscheidungsspielräume haben einen positiven Nebeneffekt: Der Einzelne wird entbehrlicher, Teilzeitarbeit möglich und Ferien machen einfacher. Für Sierra und Tuchschmid, der selbst Vater ist und 80 Prozent arbeitet, ist dies eine Herzensangelegenheit: «Wer Teilzeit arbeiten will, soll das auch können.» DAS GROSSE GESCHÄFT IN ÜBERSEE Die Entwicklung vom Startup zum etablierten Unternehmen zeigt sich auch in den Geschäftsbüchern: Profitabel ist VirtaMed seit 2011. Das Jahr 2015, in dem gerade die exportorientierten Unternehmen an der Mindestkursaufgabe der SNB zu kauen hatten, bezeichnet Tuchschmid als das bisher beste. Erstaunlich für ein Unternehmen, das 98 Prozent seiner Produkte exportiert. Tuch-

schmids Erklärung klingt einfach: «Sobald man in einem Bereich mit hohen Margen ist, spielt das keine so grosse Rolle mehr.» Den hohen Margen stehen allerdings auch hohe Kosten bei Entwicklung und Innovation gegenüber. Zudem kann nicht jede Firma Technologieführer sein – auch das versteht sich. Nichtsdestotrotz will Tuchschmid «Mut schaffen» für den Standort Schweiz: «Man muss die Ressourcen – die guten Leute –, welche die Schweiz als ETH-Standort bietet, nutzen.» Im Vergleich zu anderen Standorten, dem Silicon Valley beispielsweise, seien diese nämlich gar nicht so teuer Als grösster MedTech-Markt der Welt haben die USA eine besondere Bedeutung für VirtaMed: «Knapp 50 Prozent aller MedTech-Ausgaben werden in den USA getätigt.» Seit 2014 hat das Unternehmen ein zweites Standbein im US-Bundesstaat Florida. Aber auch Asien und Europa stellen interessante Wachstumsmärkte dar. Der Schweizer MedTech-Markt entspreche demgegenüber gerade einmal 1.5 Prozent des Gesamtmarkts – wenig Wachstumspotenzial also. Allerdings werden bereits heute Facharztprüfungen in der Schweiz an VirtaMed-Simulatoren abgelegt, wie Sierra stolz erzählt. Zudem komme ein Grossteil der Zulieferer aus der Schweiz: «Alles, was wir hier produzieren können, wird auch hier produziert.» Neben dem geografischen Wachstum spricht Tuchschmid von zwei weiteren Stossrichtungen: «Das eine ist die Ausweitung auf mehr Operationen. Das andere die tiefere Einbindung in die Schulung.» Dass Ärzte ihr Wissen am Simulator auffrischen, soll in unbestimmter Zukunft Standard sein. Was die Ausweitung auf mehr Operationen betrifft, verrät Tuchschmid: Das nächste grosse VirtaMed-Projekt werde ein Simulator sein, auf dem Ultraschall-Untersuchungen trainiert werden können. Das Projekt wurde gemeinsam mit der ETH realisiert und befinde sich derzeit in der Kommerzialisierungsphase. Die angepeilte Marktausweitung könnte aber auch dazu führen, dass VirtaMed Bekanntschaft mit etwas bisher Unbekanntem schliesst: Konkurrenz. Schliesslich sind Simulatoren an und für sich nichts Neues und je nach Gebiet mehr oder minder verbreitet. So gebe es beispielsweise mehrere Firmen im Markt, die Bauchspiegelungs-Simulatoren anbieten. Sorgen macht sich Tuchschmid deswegen keine. VirtaMed bleibe – Technologieführerschaft und einer Vielzahl von Partnern sei Dank – noch ein Stück näher an der Realität. * Der Schweizerische Nationalfonds fördert im Auftrag des Bundes die Grundlagenforschung in allen wissenschaftlichen Disziplinen.


Hauptpartner

Unser Beitrag für eine bessere Zukunft: Innovationen, die grossen Ideen zum Durchbruch verhelfen. Es ist der längste Eisenbahntunnel der Welt: Über 57 Kilometer führt das Jahrhundertbauwerk tief unter dem Gotthardmassiv hindurch. Pro Tag werden ab Dezember 2016 bis zu 260 Güter- und 65 Passagierzüge durch den Tunnel verkehren – bis zu 2300 Meter Gebirge über sich und bis zu 250 km/h schnell. Dafür ist der neue Basistunnel auf eine perfekte Infrastruktur und zuverlässige Belüftung angewiesen. ABB trug dazu innovative Energietechnik und Steuerung für das stärkste Ventilationssystem der Welt bei – und setzt damit eine Erfolgsgeschichte fort.


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Offen statt reaktionär RUEDI NOSER Um weiterhin ein Wohlstandsstaat zu bleiben, muss die Schweiz Milliardenkonzerne schaffen, ist Ständerat Ruedi Noser überzeugt. Und zwar neue, digitalisierte Unternehmen, die dem starken Amerika das Wasser reichen können. INTERVIEW C H R I S T O P H H I L B E R U N D A N O U K A R B E N Z

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in spannendes Spiel, bei dem es um viel geht: Amerika geht im Kampf um den besten Platz in der Wertschöpfungskette nach der ersten Halbzeit klar als Sieger hervor. Um dem etwas entgegensetzen zu können, braucht es in der Schweiz laut Ruedi Noser wieder grössere Projekte, wichtigere Abstimmungen, mächtigere Unternehmen und vor allem mehr Bewegung im Bereich Digitalisierung. Der Zusammenschluss der drei Riesen Ringier, Swisscom und der SRG sei dabei nur der Anfang. Herr Noser, Sie müssen gerne arbeiten: Mehr als ein Dutzend VR-Mandate, Vorstandsmitglied der economiesuisse und der Zürcher Handelskammer, Präsident des ICT Dachverbandes und nun Ständerat des Kantons Zürich. Was treibt Sie an? RUEDI NOSER Ich arbeite schon sehr gerne. Ich bin ein Protestant und definiere mich über meine Arbeit. Aber ja – ich bin heute zu spät zum Interview erschienen, das zeigt, dass es nicht immer so einfach ist. Wenn zwischendrin Probleme auftauchen, muss man die halt irgendwie lösen. Es ist ein ausgefüllter Tag, aber gestresst fühle ich mich nicht. Am 22. November wurden Sie zum Ständerat des Kantons Zürich gewählt. Wurden Ihre Erwartungen an das Amt erfüllt? Ja, sogar mehr als das: sie wurden übertroffen. Es herrscht eine angenehme Stimmung, man hört sich gut zu. Die Arbeitsatmosphäre ist anders als jene im Nationalrat, es gibt weniger ideologische Scheuklappen und eine bessere, pragmatischere Zusammenarbeit. Das kommt sowohl dem Ingenieur als auch dem Unternehmer Noser sehr entgegen. Nur weil etwas von der linken oder rechten Seite her kommt, muss es nicht automatisch schlecht sein. Natürlich gibt es auch regionalpolitische Schützengräben, aber diese sind weniger tief. Wollten Sie schon immer Politiker werden? Nein. Gute Politiker sind die, die es nie werden wollten. Das muss sich ergeben. Es ist 58

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auch eine sehr unsichere Karriere. In der Wirtschaft kann man sicher einfacher Karriere machen. Wenn du in die Politik gehst, musst du wissen: Erstens, Wahlen können sehr ungerecht sein. Zweitens, muss man den richtigen Zeitpunkt abpassen. Wenn ich vor 30 Jahren angetreten wäre und gesagt hätte: «Ich werde jetzt Ständerat», hätte ich das vergessen können. Das kann man gar nicht machen. Für die Karriereplanung ist die Schweizer Politik sehr ungeeignet. Ist es einfacher, Unternehmer zu sein als Politiker? Diese Frage ist etwa gleich legitim wie die Frage, ob Klettern einfacher ist als Schwimmen. Es hat nichts miteinander zu tun. In der Wirtschaft gibt es zwei Grundregeln. Die erste Regel ist: Wenn in der Geschäftsleitung einer immer anderer Meinung ist, muss er sich fragen, ob er in einem anderen Unternehmen vielleicht besser aufgehoben wäre. In der Politik kann man diesem nicht einfach künden. Der hat genau gleich viel zu sagen und ist am anderen Tag immer noch da. Der zweite Unterschied betrifft die Strategie. In einer Firma werden Stärken gekräftigt und Schwächen werden aufgegeben. In der Politik hält man sich mit aller Gewalt an allem fest. Nur was einem weggerissen wird, gibt man auf. Das heisst; es sind zwei ganz grundsätzlich verschiedene Modelle, die mit unterschiedlichen Regeln operieren. Du musst mit diesen unterschiedlichen Lebenswelten umgehen können und vielleicht auch eine gewisse «Schizophrenität» mitbringen. Wenn du das nicht kannst, bist du als Unternehmer in der Politik nicht erfolgreich und umgekehrt genauso. Man muss die Klaviatur der Politik beherrschen – sonst bleibt man immer ein Unternehmer oder ein Journalist oder was es dann auch ist. Ein Köppel wird das auf die harte Tour lernen. Gibt es denn überhaupt noch Unternehmer, die in die Politik gehen möchten? Ehrlicherweise muss man sagen: Das kann man heute fast gar nicht mehr. Einem Ruedi

Noser würde ich sofort künden. Das kann man eigentlich nur als Eigentümer machen. Als CEO Karriere in einer grösseren Firma machen und gleichzeitig Politiker sein – das geht nicht. Im Ständerat erst recht nicht. Dabei wäre es wünschenswert, wenn möglichst praxisnahe Leute wie Sie in der Politik vertreten wären, oder? Ja, sicher. Wünschenswert ist es, dass in Bern Leute sitzen, die wissen, wie die Praxis funktioniert. Was man jemandem in Bern relativ schnell anmerkt, ist, ob er je in seinem Leben das Geld, das er ausgibt, selber verdienen musste. Ich betrachte das mit Skepsis, wenn junge Leute direkt nach dem Studium Nationalrat werden. Man kann schon einen Jugendwahn haben und sagen: Die Jungen sollen in die Politik. Aber ehrlich gesagt, denke ich, ist es nicht schlecht, wenn du zuerst einen ande-

ZUR PERSON Ruedi Noser ist 1961 geboren worden und wuchs im Glarnerland als viertes von fünf Kindern auf. Nach einer Lehre als Maschinenmechaniker bei Rieter, studierte Noser an der Fachhochschule Rapperswil (HSR) Elektroingenieurswissenschaften. Anschliessend folgte eine Weiterbildung in Unternehmensführung an der HSG St. Gallen sowie in Betriebswirtschaft an der Universität Zürich. Seit 1966 ist Ruedi Noser Alleininhaber der Noser Gruppe, die zu den grössten ICT-Unternehmen in der Schweiz zählt. Von 2003 bis 2015 war er im Nationalrat und von 2003 bis 2009 als Vizepräsident der FDP Schweiz tätig. Zürcher Ständerat ist Ruedi Noser seit Dezember 2015. Als Präsident des ICT-Dachverbands vertritt er fast 200 000 Arbeitsplätze. Daneben setzt er sich als Präsident des Swiss Innovation Parks und der Young Enterprise Switzerland unter anderem für Innovationen und die Vernetzung von Schule und Wirtschaft ein.


ren Lebensmittelpunkt hast und dich dort beweist. Die CeBIT ist weltweit die wichtigste Plattform für Digitalisierung und Wirtschaft. Rund 3 300 Aussteller aus 70 Ländern haben im März in Hannover ihre Produkte und Dienstleistungen ausgestellt. Gaben Sie den Anstoss für die Gründung des CeBIT-Gastauftritts? Väter gab es viele, aber die Grundidee war von mir. Es brauchte eine internationale Messe für die Schweiz, da man sich in der ICT sehr früh international positionieren muss. Das hat sich als gute Entscheidung erwiesen. Kombiniert mit der ganzen politischen Plattform, – Johann Schneider-Ammann und viele deutsche Minister waren da – ist das eine erfolgreiche Geschichte geworden. Ich gehe davon aus, dass wir nächstes Jahr dort sehr viele Leute wiedersehen werden. An der CeBIT wurde auch viel diskutiert. Was ist das Fazit: Schafft die Schweiz die Hürde? Es ist ganz klar: Europa – inklusive Deutschland und der Schweiz – hat die erste Halbzeit der Digitalisierung verloren. Praktisch jeder wichtige Konzern ist amerikanisch oder allenfalls asiatisch. Und sie haben auch sehr viel Geld, das sie weiter in Forschung und Entwicklung investieren können. Da gibt es eine geballte Ladung Macht, der die europäische Industrie höchstwahrscheinlich wenig entgegenzusetzen hat.

Bild: zVg

Und die zweite Halbzeit? Die zweite Halbzeit heisst: Jeglicher Arbeitsbereich wird digitalisiert und verändert sich. IT wird es in Zukunft überall geben. Es wird keinen Berater, keinen Coiffeur, keinen Take-away mehr geben, der Wertschöpfung generieren kann ohne IT. Jeder der meint, er fühle sich sicher als Maurer oder was auch immer, wird auf die Welt kommen. Wenn es uns nicht gelingt, die Wertschöpfung zu steigern und diese zweite Halbzeit zu gewinnen, können wir nicht Wohlfahrtsstaat Nummer Eins bleiben. Amerikas Wirtschaftswachstum ist auf die Digitalisierung zurückzuführen. Und damit ist nicht nur IT gemeint. Die Digitalisierung geht ins Produkt, ins Geschäftsmodell. Wir haben ein Beispiel in der Schweiz: Nespresso ist nichts anderes als Digitalisierung im Kaffeeverkauf. Man hat ein digitales Geschäftsmodell, wie man die Kapseln überall auf der Welt hin liefern kann, und weil es nur eine Maschine, nur eine Plattform gibt, kann man damit einen Milliardenkonzern aufbauen. Wir brauchen mehr solche Milliardenkonzerne. So wie Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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VRPRAXIS

«IN DER POLITIK HABEN WIR EINE MEHRHEIT GEGEN DIE ZUKUNFT.» in den 50er-Jahren mit ABB, Sulzer, Ciba, Geigy, Roche oder Alstom. Aber woher kommen diese? Aus den Innovationsparks? Es gibt zwei Varianten: Die eine ist, dass neue Firmen entstehen, die andere, dass bestehende Firmen sich transformieren. Ich glaube, die ganze Finanzindustrie wird sich einer Riesen-Challenge stellen müssen. Beispiele gibt es bereits: Die Firma Leonteq, die Derivate anbietet, ist recht gut unterwegs. Das ist ein erster Erfolg. Aber es wird mehr brauchen als das, um den Finanzplatz halten zu können. Wie können wir den Match noch gewinnen? Match-entscheidend ist, dass wir die zweite Halbzeit für uns entscheiden. Diese kann Europa nur gewinnen, wenn Deutschland und die Schweiz den Lead übernehmen. Denn jetzt wird die eigentliche Kernkompetenz der Deutschen und der Schweizer Wirtschaft angegriffen: Das ganze Banken- und Versicherungswesen, die Produktion und die Industrie 4.0. Mit Portugal und Litauen kannst du nicht gewinnen. Da muss es eine starke Reaktion geben vonseiten der Schweiz und Deutschland. Ich bin stolz, dass wir das an der CeBIT thematisieren konnten und dass sich ein Herr Schneider-Ammann jetzt Gedanken darüber macht, respektive dass wir Politiker damit konfrontieren konnten. Vielleicht kommt jetzt auch die eine oder andere Idee, wie man diese zweite Halbzeit noch gewinnen könnte. Was passiert mit all den Leuten respektive den Stellen, die durch die Digitalisierung wegfallen? Das ist doch völliger Unsinn! Seit 50 Jahren hat man sich bei jeder industriellen Veränderung vor den Arbeitslosenzahlen gefürchtet – Und seit 50 Jahren arbeitet jeder von uns immer mehr! In der Vergangenheit lief es immer so, dass jene, welche in der Wertschöpfungsspitze an vorderster Front dabei waren, auch Vollbeschäftigung hatten. Selbstverständlich wird es Länder geben, die das nicht haben. Aber das ist schon heute so. Die Frage ist: Haben wir die Jobs oder sind sie in Asien oder in den USA? Um das geht es. Geschenkt wird nichts. Wenn die Schweiz richtig kämpft, dann werden wir Vollbeschäftigung haben. Wie kommt dann das WEF dazu, das Thema so aufzuhängen? Weil sie halt populistisch sind! Wissen Sie, 60

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ich habe ganz viel mit Leuten zu tun, die als Manager in Firmen grossgeworden sind. Da muss man immer ein bisschen aufpassen. Die reiten auf Themen und Trends und sind nicht immer wertgesteuert. Nicht alles, was in der Zeitung steht, ist neu erfunden, das meiste war die letzten 3 000 Jahre schon in irgendeiner Form da. Alle fünf Jahre prognostiziert jemand den Weltuntergang oder ein anderes Krisenszenario! Wichtiger wäre, zu schauen, was die erfolgstreibenden Faktoren sind und wo die Schweiz sich in der Wertschöpfungskette befindet. Hat sie einen Spitzenplatz, kann sie auch die Wohlfahrt verteidigen. Verliert sie diesen Platz, dann haben Sie vielleicht recht mit diesen Szenarien. Sie haben sich vor Kurzem für das geplante Joint Venture der Swisscom, Ringier und der SRG ausgesprochen. Was spricht für eine Kommerzialisierung öffentlicher Daten? Ein simples Beispiel: Die SBB hat Verkehrsdaten gesammelt, der Datenschutz hat aber gesagt, das dürfen sie nicht – sie haben die Daten gelöscht. Keiner stellt Fragen, was dies den Steuerzahler in Zukunft kostet. Ist der Asset der SBB das Schienennetz oder Informationen über die Mobilität? Man muss sich irgendwann einmal entscheiden. Wir brauchen Big Data-Projekte in diesem Land, sonst werden wir nur amerikanische haben. Und das gilt auch für das Joint Venture. Ich erwarte nun eine Schneepflug-Reaktion; dass auch andere Grosskonzerne wie die Migros, Coop oder die Post mit solchen Projekten nachfahren. Denn sie sind es, die uns die Arbeitsplätze sichern. Jetzt haben sich mit der Swisscom, Ringier und der SRG endlich drei bewegt und nun rufen alle, die sich nicht bewegt haben, aus. Das ist eine Verhinderungspolitik, die unser Land nicht vorwärts bringt. Wenn wir nur immer nein sagen und Verbote aufstellen, führt dies dazu, dass wir uns blutt abziehen und alle Daten nach Amerika abgeben. Jeder postet auf Facebook, dass er dort in die Ferien geht oder dorthin reist, aber wenn die SBB diese Informationen erfasst, gibt es Ausrufe. Das Gold der Zukunft sind die Daten und unsere Konzerne muss man dazu auffordern, diese auch zu nutzen. Sonst zahlt am Ende der Steuerzahler. Wieso? Die SBB könnte unheimlich gut gesteuerte

Werbung schalten und sagen: Das Ticket kostet nur noch die Hälfte, weil die andere Hälfte über Werbung bezahlt wird. Die Information zum Schienennetz ist fünf Mal mehr Wert wert als das ganze Schienennetz. Wenn man jemandem verbietet, diesen Wert zu nutzen, dann macht man eine Firma nur kaputt und kann sie gleich schliessen. Wieso gibt es in Bern denn so viele, die anderer Meinung sind? In der Politik gibt es viele, die gern empört sind. Es geschieht etwas, und dann finden es erst mal alle schlecht. In der Politik haben wir eine Mehrheit gegen die Zukunft. Gehandelt wird nur, wenn etwas passiert ist. Der Lasagne-Skandal, der Pferdefleisch-Skandal: Dann reagiert die Politik und die Reaktion führt zu einem Lebensmittelgesetz, das total überdimensioniert ist. Eine Politik, die nur noch den Status Quo verteidigt und erst reagiert, wenn etwas passiert, ist fundamental gegen die Zukunft gerichtet. Stattdessen sollten wir offen sein und Rahmenbedingungen schaffen, um den Wohlstand auch noch in 20 Jahren halten zu können. Was mussten wir vor 30 Jahren entscheiden, dass es uns heute so gut geht? Wir haben beispielsweise die EPFL in Lausanne, ein Super-Rechenzentrum im Tessin oder ein Biotech-Zentrum in Basel gegründet. Heute machen wir nur noch kleinliche Projekte. Wir haben in den letzten zwei Jahren zweimal über die Bratwurst-Liberalisierung abgestimmt, wir stimmen etwa zum dritten Mal über Ladenöffnungszeiten ab und diskutieren über die Durchsetzungsinitiative. Hatten wir auch nur eine zukunftsweisende Abstimmung in den letzten Jahren? Ich glaube nein. Wir haben die Verantwortung, dass für unsere Kinder auch noch in 20 Jahren ein Wohlstand da ist. Haben Sie Vorbilder? Bis zu einem gewissen Grad ist das mein Vater. Er ist für mich der Inbegriff eines Freisinnigen. Am Sonntag sagte er zu mir: «Ich gehe in die Berge, ich brauche zwischen mir und dem Herrgott keinen Pfarrer». Freisinn heisst auch, sich gegen das System zu stellen und nicht einfach alles zu akzeptieren. Dann gibt es sicher tausende von Büchern, die mich beeinflusst haben. Im Moment lese ich «3 000 Jahre Philosophie-Geschichte». Das ist schon beeindruckend. Wenn ich sagen müsste, was mich nebst meiner Familie geprägt hat, ist es das Lesen.


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Kunden zu Kaisern krönen CUSTOMER CENTRICITY SCORE Kundenorientierung ist ein zentraler Treiber des Unternehmenserfolgs und betrifft die gesamte Organisation. Der Prozess hin zu mehr Kundenorientierung ist für viele Firmen aber nicht ganz einfach. Die Hochschule Luzern hat mit dem «CCScore» ein Tool entwickelt, das sie dabei unterstützt. TEXT D O M I N I K G E O R G I

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ie Vorteile der kundenorientierten Unternehmensführung liegen auf der Hand: Je grösser der Nutzen für den Kunden, desto zufriedener und treuer ist er. Ein zufriedener Kunde wiederum schaut sich weniger nach Alternativangeboten um und ist auch einmal bereit, ein Preispremium zu bezahlen. Auf Seite des Unternehmens können Kosten eingespart werden, da weniger in die Kundenakquisition investiert werden muss. Mehr noch: Kundenorientierung führt zu einem Akquisitionsautomatismus: Begeisterte und treue Kunden empfehlen das Unternehmen weiter, die zusätzlichen Kosten, welche die Kundenorientierung mit sich bringt, werden durch die eingesparten Akquisekosten problemlos wettgemacht. Auch die Innovationen

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werden besser, da sie sich mehr an den Kundenbedürfnissen ausrichten und nicht im luftleeren Raum entstehen. Kurzum: Kundenorientierung führt über mehrere Treiber zu mehr Unternehmenserfolg. KERNAUFGABE FÜR DIE GESAMTE ORGANISATION Viele Unternehmen tun sich in der Praxis schwer damit, den Kunden konsequent ins Zentrum zu stellen. Oft erscheint es einfacher, ein Kosteneinsparungsprogramm zu initiieren oder sich am Wettbewerb zu orientieren. Im Vergleich dazu ist die Umsetzung von Kundenorientierung eine aufwändige und komplexe Aufgabe. Sie bedarf der Mitund Zusammenarbeit aller im Unternehmen, da die gesamte Organisation betroffen und gefordert ist. Die Vielzahl an möglichen

Massnahmen für mehr Kundenorientierung sind auf allen Unternehmensebenen angesiedelt, können aber drei Bereichen zugeordnet werden: Kundenorientierte Führung, Zusammenarbeit und Umsetzung. FÜHRUNG Die Rolle der Führung wird, unabhängig von der Ebene, oft unterschätzt. Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion für ihre Mitarbeitenden. Von diesen aber hört man immer wieder, dass ihr Management zwar Kundenorientierung propagiert, sich bei konkreten Entscheidungen aber an anderen Kriterien orientiert. Oft sind auch die Anreizsysteme nicht kundenorientiert ausgerichtet, sondern an finanziellen Zielen orientiert. Es reicht nicht, Kundenorientierung nur vorzuleben, damit sich die Mitarbeitenden im Alltag ebenfalls kundenorien-


CUSTOMER CENTRICITY SCORE EINSATZ DES CCSCORE BEI SWISSCOM Die im Rahmen der Anwendung bei Swisscom entstandenen Erkenntnisse bezüglich des Einsatzes des Reflection-to-Action-Prozesses veranlassten das Unternehmen 2015, den Customer Centricity Score und den Prozess zur Massnahmenentwicklung umfänglich einzuführen. Mit einer Null-Messung wurde eine Ausgangsbasis geschaffen, von der aus die jeweiligen Unternehmensbereiche – unter der methodischen Anleitung eines Change-Management-Teams und der Verwendung des Reflection-to-Action Prozesses – relevante Massnahmen für die Verbesserung entwickelten. Kundenorientierung kann nicht durch einmalige Einzelmassnahmen erreicht werden, sondern ist das Ergebnis eines kontinuierlichen Veränderungsprozesses. Dieser muss jedoch konkret initiiert werden. Weitere Informationen zum Customer Centricity Score finden Sie unter: www.ccscore.com Bild: Depositphotos.com, kvkirillov

tierter verhalten. Wichtig ist, dass konkrete Massnahmen ergriffen werden. Beispiele hierfür sind: – Betonung der Kundenorientierung in der Kommunikation durch die Unternehmensleitung. Jeff Bezos, CEO von amazon.com erzählt beispielsweise gerne, dass er seinen Mitarbeitenden oft sagt, dass sie nicht über die Konkurrenz nachdenken müssen, sondern über ihre Kunden – schliesslich würden die Konkurrenten dem Unternehmen kein Geld bringen. – Bei Entscheidungen den Aspekt der Kundenorientierung priorisieren und transparent machen: Wenn Investitionsentscheidungen gefällt werden, sollte beispielsweise zuerst gefragt werden, welchen Einfluss diese auf den Kunden haben.

– Anreizsysteme eindeutig kundenorientiert definieren: Mitarbeiterziele sollten kundenorientiert definiert werden und nicht an Verkaufszahlen ausgerichtet sein. ZUSAMMENARBEIT Auch wenn sich Kundenorientierung oftmals im konkreten Verhalten einzelner Mitarbeitenden manifestiert, ist sie das Ergebnis des Zusammenwirkens der unterschiedlichen Funktionen, Abteilungen und Mitarbeitenden im Unternehmen. Ohne effektive Zusammenarbeit können sich die Mitarbeitenden nicht kundenorientiert verhalten. Wenn sie nicht wissen, wie nachgelagerte Stellen ihre Ergebnisse weiterverarbeiten, kann ein solches Verhalten nicht in der gesamten Organisation verankert werden. Konkrete Massnahmen für eine kundenorientiertere Zusammenarbeit sind: – Perspektivenwechsel zwischen Abteilungen: Jeder Mitarbeitende sollte die Abläufe im Unternehmen verstehen und auch die Perspektiven anderer Mitarbeitenden und Abteilungen kennen. Dies lässt sich beispielsweise mittels «Tagespraktika» umsetzen. – Einbezug verschiedener Perspektiven bei Entscheidungen, ungeachtet dessen, ob es sich dabei um eine neue Werbemassnahme, um ein bestimmtes Produkt oder ein Einstellungsverfahren handelt. Wenn beispielsweise bei Produktentwicklungen auch jene miteinbezogen werden, die neue Produkte später dem Kunden erklären sollen, wird eine viel höhere Akzeptanz und damit auch eine bessere Kundenorientierung erreicht. – Abstimmung der verschiedenen Kanäle: Oft wissen einzelne Stellen im Unternehmen nicht, was der Kunde auf anderen Kanälen erlebt. Nur der Kunde hat also den gesamten Blick auf die Kundenbeziehung, nicht aber das Unternehmen respektive die einzelnen Mitarbeitenden. Daher sollte eine Kanalintegration und -abstimmung hergestellt werden. IMPLEMENTATION bezeichnet das konkrete Verhalten dem Kunden gegenüber, in dem sich die Orientierung an seinen Bedürfnissen offenbart. Dabei geht es nicht (nur) um die persönliche Einstellung der Mitarbeitenden, sondern vor allem darum, inwiefern die Organisation sicherstellt, dass die einzelnen Mitarbeitenden kundenorientiert handeln können. Häufig hört man, dass Mitarbeitende gerne kundenorientiert wären, interne Regelungen und Ähnliches sie aber davon abhalten. Teilweise sind sich Mitarbeitende, gerade in kundenfernen Bereichen, ihrer Rolle für das Kundenerlebnis auch gar nicht bewusst. Konkrete Massnahmen für mehr kundenorientierte Implementation sind: – Empowerment der Mitarbeitenden: Wenn ihnen die Möglichkeiten gegeben werden,

dass sie im Kundenkontakt direkt auf Kundenanfragen oder -probleme reagieren können, nehmen sie ihre Rolle für das Kundenerlebnis stärker wahr. – Kundenintegration in die Unternehmensprozesse: Der Einbezug der Kunden respektive der Kundenbedürfnisse in die Unternehmensprozesse führt ebenfalls zu einer höheren Kundenorientierung. Dies betrifft beispielsweise Neuproduktentwicklungen, bei denen die Kundenbedürfnisse der Ausgangspunkt sein sollten und nicht etwa die Aktivitäten der Konkurrenz. – Verständnis für die Rolle schaffen: Durch Kommunikationsmassnahmen und einen kontinuierlichen Austausch sollte bei allen Mitarbeitenden ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, welche Rolle sie für das Kundenerlebnis spielen. WIE STARTEN? Oft fehlt Unternehmen der praktische Einstieg in Veränderungsprozesse hin zu mehr Kundenorientierung. Forscher der Hochschule Luzern haben daher ein Tool entwickelt, das den Einstieg erleichtern soll: der Customer Centricity Score. Mit dem CCScore wird die Kundenorientierung durch Befragung der Mitarbeitenden anhand eines kompakten Fragebogens eingeschätzt. Davon ausgehend werden im Rahmen eines sogenannten Reflection-to-Action-Prozesses drei Phasen durchlaufen: ANALYSE Die CCScore-Werte des Unternehmens zeigen auf, in welchen Bereichen der grösste Nachholdbedarf besteht. Die Ergebnisse werden zusätzlich anhand von Benchmark-Werten ins Verhältnis gesetzt. URSACHENFORSCHUNG (REFLECTION) In Workshops mit Unternehmensvertretern werden Ursachen für die Ergebnisse, insbesondere die Schwachstellen, identifiziert. MASSNAHMENABLEITUNG (ACTION) Ausgehend von der Ursachenforschung werden konkrete Massnahmen für einen Veränderungsprozess erarbeitet.

DER AUTOR

Prof. Dr. Dominik Georgi ist Dozent und Projektleiter am Institut für Kommunikation und Marketing IKM der Hochschule Luzern.

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VRPRAXIS

Zahlen bei Gewinn PARTIARISCHE DARLEHEN Benötigt eine Aktiengesellschaft Geld, kommen verschiedene Möglichkeiten in Frage. Will man auf eine Erhöhung des Gesellschaftskapitals verzichten und ist nicht bereit, unabhängig vom Erfolg einen fixen Darlehenszins zu bezahlen, bieten sich partiarische Darlehen als Alternative an. TEXT N I C O L A S F A C I N C A N I

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enötigt ein Unternehmen zusätzliche flüssige Mittel, gibt es die Möglichkeit, das Eigenkapital durch NeuAktionäre zu erhöhen. Diese haben gewisse Minderheitenrechte, welche nicht unterschätzt werden dürfen. Als Alternative bietet sich die Aufnahme eines Darlehens an, das unabhängig von einer gewinnbringenden Verwendung zu verzinsen ist. Der Nachteil dabei ist, dass der Einschuss der neuen Mittel nur zu einer vorübergehenden Verbesserung der Liquidität des Unternehmens führt. Eine dritte Möglichkeit ist das sogenannte partiarische Darlehen. AUSGESTALTUNG VON PARTIARISCHEN DARLEHEN Das Gesetz enthält keine Definition des partiarischen Darlehens. Unter partiarischen Rechtsgeschäften versteht man Verträge, bei denen die Vergütung für die erbrachte Leistung vom Erfolg abhängt. Bei partiarischen Darlehen besteht der Zins für die Überlassung des Darlehens nicht oder nicht nur in einem fixen Betrag. Dafür erhält der Darlehensgeber einen Anteil des vom Darlehensnehmer erwirtschafteten Gewinns. Auch eine Mittragung des Verlusts ist im Rahmen eines partiarischen Darlehens gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung denkbar. Die Vereinbarung einer Erfolgsbeteiligung steht im Einklang mit dem schweizerischen Obligationenrecht. So sieht das Gesetz in Art. 313 OR vor, dass Darlehen verzinslich sind, wenn Zinsen verabredet werden. Unter Vorbehalt von Höchstzinsvorschriften sowie des Wuchers kann die Höhe des Darlehenszinses zwischen den Parteien frei vereinbart werden. Auch die Erfolgsbeteiligung ist somit zulässig. Einerseits kann bei partiarischen Darlehen eine feste Verzinsung ganz entfallen und eine erfolgsabhängige Vergütung an deren Stelle treten. Andererseits ist es möglich zu vereinbaren, dass der Darlehensnehmer

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kann anstatt eines Darlehens bereits eine einfache Gesellschaft vorliegen, von der es das partiarische Darlehen abzugrenzen gilt. Liegt ein partiarisches Rechtsgeschäft vor, kann der partiarisch Beteiligte zum Beispiel im Konkurs des Unternehmers seine ganze Forderung als Gläubiger anmelden, während er als Gesellschafter unter Umständen solidarisch unbeschränkt haftbar oder zumindest bis zur Höhe seiner Einlage am Verlust beteiligt wäre. Eine einfache Gesellschaft entsteht dadurch, dass sich zwei oder mehrere Personen durch einen Vertrag zusammenschliessen, um mit gebündelten Mitteln oder Kräften eine gemeinsames Ziel respektive einen gemeinsamen Zweck zu erreichen. Gesellschaftsähnliches Element des partiarischen Darlehens ist das geteilte Interesse der Beteiligten am Geschäftsergebnis. Partiarische Rechtsverhältnisse sind Bildquelle: Depositphotos.com, hristianin hristian keine Zweckgemeinschaften und somit unabhängig von Erfolg einen fixen Zins zu keine Gesellschaften, bei welchen ein geentrichten hat, zu dem eine Erfolgsbeteilimeinsamer Zweck angestrebt wird (es mangung hinzutritt. Bei beiden Varianten ist es gelt den Parteien an der charakteristischen möglich, dass Höchstgrenzen in Bezug auf «affectio societatis»). Diese Grenzziehung die Gewinnbeteiligung oder die Gesamtverkann allerdings auch unscharf sein, da bei gütung vereinbart werden, so zum Beispiel partiarischen Darlehen Überschneidungen dass der Zins nie mehr als 10 Prozent pro in den Zielvorstellungen der Beteiligten vorJahr betragen soll. liegen können. In jedem Fall ist die Berechnungsgrundlage für die Vergütung genau zu bestimmen. Neben dem Gewinn kommen insbesondere auch der EBIT und der EBITDA in Betracht. DER AUTOR Theoretisch können aber auch andere Messgrössen durch die Parteien bestimmt werden. Nicolas Facincani, lic. ABGRENZUNG VON DER EINFACHEN GESELLSCHAFT Normalerweise werden dem Darlehensgeber im Rahmen von partiarischen Darlehen gewisse Kontrollrechte eingeräumt. Werden einem Darlehensgeber überdies Mitspracheund/oder Mitwirkungsrechte eingeräumt, die über blosse Kontrollrechte hinausgehen,

iur., LL.M., ist Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner. Er ist als Rechtsanwalt tätig und berät Unternehmen und Private in wirtschaftsrechtlichen Belangen. facincani@vfs-partner.ch, www.vfs-partner.ch


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Das ABC der GV GV-GLOSSAR Die Generalversammlung ist rechtlich das oberste Organ einer Aktiengesellschaft. Als solches bestimmt sie namentlich über Unternehmenszweck und Kapital, wählt und entlastet den Verwaltungsrat und genehmigt den Geschäftsbericht. Wichtige GV-Begriffe im Überblick. VON S T E F A N I E M E I E R - G U B S E R *

Anfechtbarkeit

Beschlussfassung

Comply or explain

Décharge

Einberufung

Frist

Geschäftsbericht

Handelsregister

Informationspflicht

Jahresrechnung

Konsultativabstimmung

Leitung

Minderheitsaktionär

Gegen Gesetz oder Statuten verstossende GV-Beschlüsse können bei Gericht angefochten werden. Das Anfechtungsrecht erlischt zwei Monate nach der GV. Ohne abweichende Bestimmung, wie zum Beispiel wichtige Beschlüsse, beschliesst die GV mit dem absoluten Mehr der vertretenen Aktienstimmen. Über nicht korrekt traktandierte Geschäfte kann nicht beschlossen werden. Grundsatz der Corporate Governance, nachdem Empfehlungen entweder erfüllt werden oder deren Nichterfüllung substantiell begründet wird. GV-Beschluss über die Entlastung des VR, das heisst über den Verzicht auf die Erhebung von Schadenersatzansprüchen in Bezug auf bekannte Tatsachen. Die GV wird spätestens 20 Tage vor dem Versammlungstag durch den VR, nötigenfalls durch die Revisionsstelle, einberufen. Die ordentliche GV findet innert sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres statt, ausserordentliche nach Bedarf. Rechenschaftsablegung des VR gegenüber der GV. Er besteht mindestens aus einer Jahresrechnung und dem Lagebericht. Eintragungspflichtige GV-Beschlüsse, zum Beispiel Statutenänderungen, Kapitalerhöhungen oder die Wahl von VR-Mitgliedern oder einer neuen Revisionsstelle, müssen dem Handelsregister mitgeteilt werden. Die Einberufung muss mindestens über Traktanden und Anträge sowie über die Auflage von Geschäfts- und Revisionsbericht am Sitz der AG informieren. Auf Verlangen müssen die Berichte den Aktionären zugestellt werden. Die Jahresrechnung besteht mindestens aus Bilanz, Erfolgsrechnung und ergänzendem Anhang. Ordentlich revisionspflichtige AG müssen zusätzlich eine Geldflussrechnung erstellen. Konsultativabstimmungen der GV sind über alle Geschäfte zulässig, auch über die unentziehbar und undelegierbar dem VR zugewiesenen. Das entsprechende Resultat erzielt jedoch keine Rechtswirkung. Falls die Statuten den Vorsitz nicht anders regeln, ist gewöhnlich der VR-Präsident GV-Vorsitzender. Die GV kann auch einen Tagungspräsidenten wählen. Aktionäre, die zehn Prozent des Aktienkapitals vertreten, können die Einberufung verlangen. Aktionäre, die mindestens eine Million Nennwert vertreten, die Traktandierung eines Geschäfts.

Nichtigkeit

Ort

Protokoll

Quorum

Revisionsbericht

Stimmrecht

Teilnehmer

Urkundsperson

Vertretung

Wichtige Beschlüsse

Zutrittskontrolle

GV-Beschlüsse, die zwingende Rechte des Aktionärs, wie zum Beispiel Teilnahme- und Stimmrechte, oder den Kapitalschutz verletzen, Kontrollrechte unzulässig beschränken sowie die Grundstrukturen der AG missachten, sind nichtig. Der Veranstaltungsort liegt in der Regel in der Schweiz. Ausnahmen sind möglich. Die Aktienrechtsrevision sieht explizit die Möglichkeit eines ausländischen oder multiplen Tagungsorts vor. Das GV-Protokoll hält mindestens Anzahl, Art, Nennwert und Kategorie der vertretenen Aktien, Beschlüsse und Wahlergebnisse, Begehren um Auskunft und Antwort und zu Protokoll gegebene Erklärungen fest. Die Statuten können die gesetzlichen Quoren verschärfen oder erleichtern – ausser bei wichtigen Beschlüssen – und Präsenzquoren einführen. Für den gültigen Beschluss über Abnahme der Jahresrechnung und Gewinnverwendung muss der Revisionsbericht vorliegen. Bei ordentlicher Revision muss die Revisionsstelle an der GV anwesend sein. Das Stimmrecht bestimmt sich nach Anzahl gehaltener respektive vertretener Aktien. Die Statuten können die Stimmenzahl beschränken, jeder Aktionär hat aber mindestens eine Stimme. Jeder Aktionär hat ein Teilnahme- und Stimmrecht an der GV. Verwaltungsräte, die nicht Aktionär sind, können an der GV teilnehmen, Anträge stellen, aber nicht abstimmen. Statutenänderungen, Aktienkapitalerhöhungen und -herabsetzungen, Umwandlungen, Fusionen, Spaltungen und Auflösungen müssen öffentlich beurkundet werden. Nimmt der Aktionär nicht selber an der GV teil, kann er sich vertreten lassen. Die Statuten können vorsehen, dass der Vertreter Aktionär sein muss. Wichtige Beschlüsse wie eine Zweckänderung oder die Liquidation erfordern von Gesetzes wegen mindestens zwei Drittel der vertretenen Stimmen und das absolute Mehr der vertretenen Aktienwerte. Die Zutrittskontrolle ist besonders wichtig für die Feststellung der Stimmrechte, die Berechnung und Ermittlung von Quoren und um zu kontrollieren, dass auch wirklich nur Stimmberechtigte an den Beschlüssen mitwirken.

* Die Autorin ist Geschäftsführerin des Schweizerischen Instituts für Verwaltungsräte sivg.

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Beschaffung per Mausklick Der Schweizer E-Commerce boomt. Neben Privatpersonen kaufen auch Unternehmen vermehrt im Internet ein. Aus gutem Grund.

Digitec Galaxus ist der grösste Onlinehändler der Schweiz. Mit seinen beiden Onlineshops digitec.ch und galaxus.ch erwirtschaftete das Unternehmen 2015 einen Umsatz von 696 Millionen Schweizer Franken. Der Erfolg der 15-jährigen Firmengeschichte basiert nicht nur auf einem breit abgestützten Privatkundenbereich. Auch immer mehr Geschäftskunden setzen auf die Beschaffung via Internet. Diego Romero ist Head of Business Customers bei Digitec Galaxus und weiss, weshalb Unternehmen online einkaufen. In Ihren Onlineshops bekommt man fast alles – von der Druckerpatrone bis hin zum 50 000 Franken teuren Server fürs Rechenzentrum. Wer ist Ihre Zielgruppe? DIEGO ROMERO Es sind sowohl Privat- als auch Firmenkunden. Bei den Firmenkunden reicht die Spannbreite von Kleinstfirmen mit einer Handvoll Mitarbeitenden über KMU bis hin zu Grossunternehmen mit einigen Tausend Angestellten. Sie alle schätzen die enorme Breite unseres Sortiments und unsere Flexibilität. Die Einzelfirma bekommt bei uns die komplette Büroeinrichtung inklusive Tischen, Stühlen und Lampen. Das Grossunternehmen rüstet beispielsweise seine Telefonanlage auf VoIP um – und wir beschaffen die passende Lösung einschliesslich Servern, Software-Lizenzen und den geeigneten Headsets.

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Beschaffung per Mausklick klingt wunderbar einfach, aber auch anonym. Wie steht es um die Betreuung Ihrer Geschäftskunden? Im Business-Umfeld sind eine massgeschneiderte Beratung und enge Projektbegleitung zentral – auch im E-Commerce. Deshalb kümmert sich bei uns ein 20-köpfiges Team ausschliesslich um die Betreuung unserer Firmenkunden. Unsere Account und Key Account Manager stehen bei Fragen und Wünschen per E-Mail und Telefon beratend zur Seite. Sind Sie dabei auch in der Lage, auf spezielle Anforderungen von Geschäftskunden einzugehen? Absolut. In den vergangenen 15 Jahren haben wir intensive Beziehungen zu einer grossen Zahl von Herstellern und Lieferanten aufgebaut. Dasselbe gilt für die grossen Telefonie-Provider der Schweiz. Und schliesslich verfügen wir über ein Netzwerk zu verschiedenen Servicepartnern, die

etwa Installationen vor Ort vornehmen. Insgesamt sind wir so in der Lage, sehr schnell und flexibel auf alle möglichen Anforderungen einzugehen. Welche Dienstleitungen bieten Sie Ihren Geschäftskunden darüber hinaus an? Wir erstellen Offerten und übernehmen die Auftragsabwicklung, erarbeiten passgenaue Hardware-Konfigurationen oder managen Provider-Verträge. Darüber hinaus sind wir bestrebt, die Prozesskosten für unsere Firmenkunden möglichst gering zu halten. Deshalb versenden wir auf Wunsch elektronische Rechnungen. Bei Bedarf bieten wir zudem eine OCI-Schnittstelle in unsere Onlineshops an. Dank Open Catalog Interface steht den Kunden unser gesamtes Sortiment von rund 275 000 Artikeln direkt im eigenen ERP zur Verfügung. Das macht das Einkaufen noch einfacher und schneller.

Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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WEITERBILDUNG

Einfach mal Nein sagen SELBST- UND ZEITMANAGEMENT Unser Alltag wird zunehmend von Zeitdruck bestimmt. Selbst- und Zeitmanagement wird dadurch zu einer Schlüsselkompetenz, denn wer Prioritäten richtig setzen und Nein sagen kann, gewinnt mehr Zeit für das Wesentliche. TEXT H E I K E E B E R L E

D

ie Dynamik des Alltags überfordert uns mehr und mehr. Die Aufgaben werden komplexer, das Arbeitspensum höher und das Arbeitstempo schneller. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es eine enorme Herausforderung, sich selbst klug zu führen und den Balanceakt zwischen Arbeit und Freizeit zu meistern. Der Management-Guru Peter F. Drucker konstatierte bereits vor Jahren, dass Selbstmanagement zu einer Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts werden wird. Selbstmanagement beginnt wortwörtlich mit einem guten Umgang mit sich selbst und äussert sich in einem souveränen Umgang mit der Zeit. Es geht darum, Prioritäten zu setzen und zwischen «wichtig» und «unwichtig» sowie zwischen «dringend » und «weniger dringend» unterscheiden zu können. Eng verzahnt mit dem Selbstmanagement sind Begriffe wie Zeit- und Stressmanagement sowie Work-Life-Balance. DAS WICHTIGE VOR DEM DRINGENDEN Eines der wichtigsten Prinzipien beim Selbstmanagement ist die Regel «first things first», also immer das Wichtige zuerst. Die Krux dabei ist, dass das Dringendste nicht automatisch auch das Wichtigste ist. Vielmehr sind die wichtigsten Aufgaben in der Regel eben gerade nicht dringend. Dringende Aufgaben

FÜNF WEGE ZU EINEM DIPLOMATISCHEN NEIN «ICH MELDE MICH SPÄTER NOCH EINMAL» Setzen Sie auf den Faktor Zeit, um eine Anfrage nicht gleich abzuschmettern. Fragen Sie zum Beispiel: «Darf ich Sie zurückrufen? Ich melde mich heute im Laufe des Nachmittags.» Sagen Sie höflich Nein und rufen Sie verlässlich zurück. «BEIM NÄCHSTEN MAL KLAPPT ES BESTIMMT» Wenn Sie eine Anfrage nicht bearbeiten können, dann sagen Sie unverblümt, dass Sie im Augenblick keine Kapazitäten frei haben, Sie sich aber freuen würden, wenn es zu einem späteren Zeitpunkt klappt. «SO ETWAS MACHE ICH GRUNDSÄTZLICH NICHT» Menschen verkraften ein Nein leichter, wenn sie wissen, dass die Absage keine persönlichen Gründe hat. Berufen Sie sich deshalb auf be-

zugunsten von wichtigen Aufgaben zurückzustellen, ist kein Leichtes, denn die ärgsten Feinde der Hauptsachen sind bekanntlich die Nebensachen. Zudem ist es nicht immer einfach, herauszufinden, was für uns wichtig und wesentlich ist. Wichtige Aufgaben betreffen Dinge, die Sie persönlich voranbringen, zum Beispiel Ihr Netzwerk auszubauen, eine für Ihre Geschäftstätigkeit wichtige Sprache zu lernen oder Ihre Gesundheit zu pflegen. Wichtige Aufgaben, die Sie vernachlässigen, schlagen irgendwann als dringende Aufga-

STRATEGIEN GEGEN UNTERBRECHUNGEN – Räumen Sie den Aufgaben Ihrer Tagesplanung höchste Priorität ein. – Lassen Sie Ihr Arbeitsverhalten nicht durch Dringlichkeiten anderer Menschen beeinflussen. – Bitten Sie den Bittsteller darum, das an Sie gerichtete Anliegen vorzuformulieren und Ihnen eine E-Mail zu schicken. – Verlegen Sie ungelegene Anrufe auf einen verbindlichen Ausweichtermin. – Schalten Sie den Anrufbeantworter oder die

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UnternehmerZeitung | Nr. 5 2016

Mailbox Ihres Handys ein, wenn Sie absolute Ruhe für andere Aufgaben benötigen. – Sorgen Sie für eine «stille Stunde», in der Sie ungestört Ihre Aufgaben erledigen können. Bitten Sie einen Kollegen oder eine Kollegin, Ihr Telefon für eine gewisse Zeit zu übernehmen, oder weichen Sie in einen anderen Raum aus, um ungestört zu arbeiten. Übertreiben Sie die Abschottungsstrategien jedoch nicht. Sich ständig abzuschirmen verärgert Mitarbeitende und Kunden.

stimmte Grundsätze, wie zum Beispiel: «Am Telefon mache ich grundsätzlich keine Verkaufsabschlüsse». «DA HABE ICH LEIDER KEINE ZEIT» Diese Leerformel stellt manche Fragesteller erst einmal zufrieden. Auf eine Bitte sagen Sie bestimmt: «Tut mir leid, an jenem Termin geht es leider nicht», statt offen einzugestehen, dass Sie keine Lust haben. Das kommt freundlicher an und schmettert die Bitte nicht so unverschämt ab. «NEIN HEISST NEIN» Halten Sie konsequent an einer Absage fest, auch wenn Ihnen das anfänglich nicht leichtfällt. Atmen Sie durch, nehmen Sie Ihren ganzen Mut zusammen und bleiben Sie hart. Das selbstbestimmte Abgrenzen stärkt auf Dauer Ihr Selbstwertgefühl.

ben durch. Vernachlässigen Sie beispielsweise Ihre Ernährung, werden Sie früher oder später mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert. Dabei gilt es zu beachten, dass sich Prioritäten im Laufe des Lebens verschieben. Es gibt bestimmt Dinge, die für Sie einmal relevant waren, die Sie heute aber nur noch aus Gewohnheit mitschleppen. Überprüfen Sie deshalb regelmässig, welche Aufgaben für Sie wichtig und welche nicht mehr relevant sind. DIE KUNST DES NEINSAGENS Sich selbst klug zu führen, verlangt zunächst die klare Erkenntnis seines Selbst. In einem ersten Schritt geht es darum, störende Abläufe und Einstellungen zu erkennen, um in einem zweiten Schritt sein Leben danach auszurichten. Jedes neue Verhalten muss erst einmal wie das Rad- oder das Autofahren antrainiert werden. Erfahrungsgemäss greifen Verhaltensänderungen erst nach einigen Wochen des kontinuierlichen Anwendens. Um effektiver arbeiten zu können, gilt es vor allem alte Muster loszulassen und Nein sagen zu lernen. Nein zum Beeilen, Nein zum Aufschieben, Nein zum


Ein einfacher aber effektiver Trick für ein gutes Zeit- und Selbstmanagement: Sich belohnen, wenn man etwas von der To-do-Liste streichen konnte.

übertriebenen Perfektionismus, Nein zu einer herangetragenen Bitte. Das Neinsagen ist für viele Menschen etwas Unangenehmes, da sie befürchten, mit einer Absage ihr Gegenüber zu verletzen. Das muss aber nicht sein. Auch für notorische Jasager gibt es sympathische und diplomatische Wege, ein Nein an den Mann oder an die Frau zu bringen. AUFGESCHOBEN IST NICHT AUFGEHOBEN Zugegeben, das sofortige Erledigen von unangenehmen Aufgaben erfordert enorm viel Selbstdisziplin. Doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Überwinden Sie Ihren inneren Schweinehund und greifen Sie zu Sofortmassnahmen. Handeln Sie proaktiv und erledigen Sie wichtige Dinge sofort, anstatt sie hinauszuschieben. Der Nike-Slogan «Just do it» ist dafür ein guter Aufhänger. Unliebsame Aufgaben anzugehen, fällt leichter, wenn man grosse Arbeitseinheiten in kleinere Teilschritte unterteilt. Sorgen Sie dafür, dass Sie ungestört arbeiten können, arbeiten Sie mit To-do-Listen und loben Sie sich für Erreich-

tes. Gönnen Sie sich einen Kaffee oder eine kleine Pause, wenn Sie einen To-do-Punkt streichen können. Es gibt Vorgänge und Probleme, die fasst man mehrmals an, legt sie auf die andere Seite und schiebt sie auf diese Weise vor sich her. Abgesehen davon, dass dieser Vorgang des erneuten Anfassens viel Zeit verschlingt, binden unerledigte Aufgaben Energie, die man besser in andere Dinge investieren würde. Warum also eine Aufgabe nicht nur einmal in die Hand nehmen? Wenn man die Sache aus der Hand legt, sollte sie entschieden und erledigt sein – auch wenn es Zeit kostet, das Angebot zu lesen oder die Anfrage auszuarbeiten. Das ist ressourcenschonender, als zigmal die gleiche Aufgabe von Neuem anzupacken. UNTERBRECHUNGEN VERMEIDEN Die ständige Erreichbarkeit via Smartphone und E-Mail macht es immer schwieriger, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Die Computerwissenschaftlerin Gloria Markt hat festgestellt, dass ein Büromitarbeiter

Bild: Depositphotos.com, konejota

durchschnittlich nur etwa elf Minuten mit einer Sache beschäftigt ist, bevor er wieder unterbrochen wird. Dabei lenkt jede Unterbrechung dermassen ab, dass oftmals zwei andere Aufgaben in Angriff genommen werden und weitere acht Minuten vergehen, bis man die Konzentration für die erstbegonnene Aufgabe wiederfindet. Ein Teufelskreis: Die anstehenden wichtigen Aufgaben geraten immer wieder ins Stocken und werden nicht zu Ende gebracht. Deshalb gilt es Unterbrechungen durch Kommunikationsmittel soweit wie möglich einzudämmen. Dabei können bereits einfache Massnahmen helfen. Statt auf jedes Mail sofort zu reagieren, empfiehlt es sich, Mails blockweise morgens, mittags oder abends zu beantworten. Oder Sie schalten beim Handy die Combox ein, auch wenn Sie eigentlich erreichbar wären. Am Anfang haben Sie vielleicht das unangenehme Gefühl, etwas Wichtiges zu verpassen. Doch nach einer kurzen Angewöhnungszeit werden Sie die neue Freiheit geniessen, da Ihnen mehr Zeit für das Wesentliche bleibt. Anzeige


NETZWERKE

Mutterschutz am Arbeitsplatz SONDERVORSCHRIFTEN Für Schwangere, Wöchnerinnen und Stillende gelten zahlreiche Schutzbestimmungen. Nicht alle Vorschriften gelten aber für alle Arbeitnehmerinnen. VON S T E F A N I E M E I E R - G U B S E R

D

ie wichtigsten Eckpfeiler des Mutterschutzes im Überblick: KÜNDIGUNGSSCHUTZ Alle Arbeitnehmerinnen geniessen während der Schwangerschaft bis 16 Wochen nach der Niederkunft einen Kündigungsschutz. Arbeitgeberkündigungen, die in dieser Sperrfrist ausgesprochen werden, sind nichtig – unabhängig davon, ob Arbeitnehmerin und Arbeitgeber um die Schwangerschaft wussten. Kündigungen

der Arbeitnehmerin sind hingegen möglich. BESCHÄFTIGUNG UND ARBEITSVERBOTE Schwan-

gere, Wöchnerinnen bis 16 Wochen nach der Niederkunft und Stillende dürfen nur mit ihrem Einverständnis beschäftigt werden. Arbeitsfähige Arbeitnehmerinnen, die in dieser Zeit nicht arbeiten wollen, haben keinen Lohnanspruch. Für Schwangere und Stillende gilt ein Überstundenverbot und eine tägliche Arbeitszeit von

maximal neun Stunden. Schwangere mit stehender Tätigkeit haben ab dem vierten Schwangerschaftsmonat Anspruch auf 12 Stunden Ruhezeit und zusätzliche Kurzpausen. Ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat sind stehende Tätigkeiten auf 4 Stunden pro Tag zu beschränken. Ein Arbeitsverbot gilt ab der achten Woche vor Niederkunft zwischen 20 Uhr und 6 Uhr und absolut in den ersten acht Wochen nach Niederkunft. Die Arbeit

von Schwangeren und Müttern muss grundsätzlich so gestaltet werden, dass die Gesundheit von Mutter und Kind nicht beeinträchtigt wird. Insbesondere sind gefährliche und beschwerliche Arbeiten wie das Bewegen schwerer Lasten, Stösse etc. untersagt respektive von besonderen Voraussetzungen (Risikobeurteilung) abhängig. Kann der Arbeitgeber in diesem Fall keine gleichwertige Ersatzarbeit anbieten, muss er 80 Prozent des

Lohns bezahlen. MUTTERSCHAFTSENTSCHÄDIGUNG Die anspruchsbe-

rechtigte Mutter erhält während 98 Tagen ein Erwerbsersatzordnungs-Taggeld in der Höhe von 80 Prozent des Erwerbseinkommens, maximal jedoch 196 Franken pro Tag. STEFANIE MEIER-GUBSER Die Autorin ist lic. iur. und Fürsprecherin bei Centre Patronal, Kapellenstrasse 13, Postfach 5236, 3001 Bern, +41 58 796 99 09, +41 58 796 99 03, smeier@centrepatronal.ch, www.centrepa www.centrepatronal.ch p tronal.ch

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VR-Workshops 2016 • Stolpersteine auf dem Weg zu Best Prac ce • Governance­ Herausforderungen in Familienunternehmen • Wie Vergütung die Unternehmenskultur prägt Mi woch, 1. Juni 2016, 14h30 Kursaal Bern, Kornhausstrasse 3, 3000 Bern 25 Details und Anmeldung: www.sivg.ch/events


NETZWERKE

Sechs Erfolgsgeschichten PRIX SVC ZENTRALSCHWEIZ Sechs Unternehmen überzeugten die Jury des Prix SVC Zentralschweiz in der Vorauswahl mit ihren unternehmerischen Leistungen. Sie werden am 7. Juni 2016 den bedeutendsten Unternehmerpreis der Region unter sich ausmachen. TEXT B A R B A R A H A U E R T

D

er Swiss Venture Club (SVC) zeichnet mit dem Prix SVC Zentralschweiz erfolgreiche KMU der Region aus, die unter anderem durch ihre Produkte und Dienstleistungen, durch den nachhaltigen Erfolgsausweis,

Innovationen und ihre regionale Verankerung überzeugen. Seit 2006 wird der Prix SVC Zentralschweiz alle zwei Jahre verliehen, 2016 bereits zum sechsten Mal. «Die sechs Finalisten des Prix SVC Zentralschweiz 2016 sind Vorbilder und leuchtende Beispiele ein-

WETTBEWERB Ihre Ideen sind gefragt! Die Rolle der Schweiz in Europa beschäftigt uns heute mehr denn je: Gefordert sind konstruktive Ideen und konkrete Lösungsansätze. Wir geben Ihnen die Möglichkeit, Ihren Wunsch und ein Szenario für die Zukunft bekannt zu machen. Eine hochkarätige Jury wählt im Mai die zehn besten Wünsche aus und gibt Ihnen die Chance, Ihre Ideen live zu präsentieren. Sie wollen mitmachen? Melden Sie sich an unter: www.wunsch-schloss.ch

drücklicher unternehmerischer Leistungen. Sie reagieren flexibel auf veränderte Situationen und sichern sich ihre Märke auf beeindruckende Art und Weise», so SVC Regionenleiter Michael Fahrni. Die sechs Finalisten im Kurzportrait:

SECHS HERAUSRAGENDE KMU ALFRED MÜLLER AG – Ein Immobiliendienstleister mit Blick für Gesamtlösungen Die Alfred Müller AG aus Baar feiert dieses Jahr mit seinen 190 Mitarbeitenden ihr 50-jähriges Bestehen. Das Familienunternehmen hat sich als einer der führenden Immobiliendienstleister des Landes etabliert und verfügt über ein Immobilienportfolio von rund 1.3 Milliarden Franken. Die Alfred Müller AG deckt alle Dienstleistungen entlang des Immobilien-Lebenszykluses ab: Sie akquiriert und entwickelt Grundstücke, plant, realisiert, vermarktet, bewirtschaftet und renoviert Liegenschaften. BIO-FAMILIA AG – Obwaldner Müesli-Produzentin beliefert die Welt Ob Knuspergenuss, Sportlermüesli oder Birchermüesli-Mischung: bio-familias vielfältige Müesli-Palette wird in Sachseln hergestellt und weltweit vertrieben. 1954 wurde das Unternehmen gegründet, heute beschäftigt es 185 Mitarbeitende. Die Müesli- und Bio-Pionierin vermochte sich stetig weiterzuentwickeln und im Laufe der Zeit viele Neuheiten zu lancieren. Höchste Qualität und umweltfreundliche Herstellung werden dabei

gebundene Kommunikationsnetze oder um modernstes Gebäudemanagement geht: Network 41 sorgt für praxistaugliche, innovative und zukunftsfähige Lösungen. Network 41 beschäftigt über 300 Mitarbeitende und nebst dem Hauptsitz in Sursee ist sie mit neun weiteren Standorten in der ganzen Schweiz präsent. International befinden sich die Niederlassungen in Berlin und in Dornbirn (Österreich).

gross geschrieben. Damit auch zukünftiges Wachstum und Innovationen möglich sind, investiert die bio-familia AG laufend in moderne Anlagen und neue Technologien. FRANK TÜREN AG – Türen, die Zugang zu mehr als einem Raum verschaffen Als Schreinerei 1897 gegründet, hat sich die Frank Türen AG aus Buochs bis heute markant weiterentwickelt. Das Angebot umfasst Spezialtüren wie Brandschutz- oder Sicherheitstüren verschiedenster Materialien, Grössen und Ausgestaltungen. Ein neu entwickelter und patentierter Venenscanner sorgt bei Bedarf gar für biometrische Zutrittskontrollen. Das in vierter Generation geführte KMU beschäftigt 53 Mitarbeitende und hat sich in einem zukunftsträchtigen Geschäftsbereich zu einem hochspezialisierten Nischenanbieter entwickelt. MÜLLER-STEINAG – baut, formt, erhält und verändert die Welt Sand und Kies, Wasser und Zement formen das Fundament der Müller-Steinag Gruppe in Rickenbach. Mit drei Verkaufsgesellschaften – Creabeton Baustoff AG,

Von links: Christoph Müller, VRP und David Hossli, CEO der Alfred Müller AG; Peter Odermatt, Geschäftsführer bio-familia AG; Adrian Steiner, CEO Thermoplan AG; Marcel Frank, Geschäftsleitung Frank Türen AG; Pius Krummenacher, VRP und Stefan Furch, CEO der Network 41 AG; Erwin, Sebastian und Urban Müller, Inhaber und VR der MÜLLER-STEINAG Gruppe. Bild: zVg

Müller-Steinag Baustoff AG und Müller-Steinag Element AG – deckt die Gruppe alle Bedürfnisse der Schweizer Bauindustrie in Sachen Beton ab. Die 1874 gegründete Müller-Steinag Gruppe, die heute an 12 Standorten über 750 Mitarbeitende beschäftigt, überzeugt mit modernsten Produktionstechnologien und innovativen Lösungen wie zum Beispiel speziell für den optimierten Transport

entwickelte Kanalisationsbetonröhren. NETWORK 41 AG – Gesamtlösungen für die technische Kommunikation Die Vernetzung von Gebäuden, Quartieren und ganzen Städten ist ihr Kerngeschäft. Zu ihren Kunden zählen Fest- und Mobilnetzbetreiber, private Investoren und die öffentliche Hand. Ob es um drahtlose und draht-

THERMOPLAN AG – Kaffeemaschinen swiss made Längst als vertrauter Partner von Starbucks bekannt, konnte Thermoplan in den letzten Jahren viele weitere bedeutende Kaffeeanbieter wie Nespresso, McCafé oder Costa Coffee von der TopQualität seiner Kaffeemaschinen und Services überzeugen. 246 Mitarbeitende sind für das Unternehmen tätig und produziert wird in Weggis am Vierwaldstättersee. Rund 80 Prozent der Lieferanten des Unternehmens stammen aus der Schweiz. Schweizer Qualität wird bei Thermoplan gelebt und ist Verkaufsschlager, denn der Maschinenhersteller exportiert 97 Prozent seiner Produkte in mehr als 65 Länder weltweit.

Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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EVENTS

Sicherheit an erster Stelle ARBEITSSICHERHEIT SCHWEIZ 2016 Vom 22. bis zum 24. Juni 2016 öffnet die Schweizer Fachmesse für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz in Bern ihre Tore zum sechsten Mal.

D

er Messebesucher wird nicht nur über den neusten Entwicklungsstand in Sachen Schutzausrüstung und Sicherheitstechnik, sondern auch über die «weichen» Faktoren der Arbeitssicherheit informiert. Unternehmer, Sicherheitsingenieure oder Gesundheitsbeauftragte haben die Möglichkeiten, neue Produkte zu entdecken und Tools sogleich auszuprobieren.

PROGRAMM-HIGHLIGHTS Neben den Ausstellerständen bieten die Vorträge in drei Praxisforen vertiefende Einblicke und Inspirationen. Als Keynote-Speaker auftreten werden unter anderem Niklas Baer, Leiter Fachstelle für Psychiatrische Rehabilitation, Dipl.-Ing. Andreas Speh, betrieblicher Sicherheitsmanager und Dr. Manuela Jacob-Niedballa, Arbeitsmedizinerin und Stressexpertin.

GELEBTE UNTERNEHMENSKULTUR Eines der Hauptthemen der diesjährigen ArbeitsSicherheit Schweiz ist die Berufskleidung. Als Teil der betrieblichen Identität macht sie aus Mitarbeitenden ein sichtbares Team, vermittelt professionelle Kompetenz und stärkt den inneren Zusammenhalt. Zu entdecken gibt es neue Materialien und Textilien, aber auch aktuelle Design-Trends.

Bild: Franz Pfluegl, ArbeitsSicherheit Schweiz

ARBEITSSICHERHEIT SCHWEIZ 2016 Was: 6. Fachmesse für Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz Wann: 22. – 24. Juni 2016 Wo: BERNEXPO, Bern Die Fachmesse ist von der Schweizerischen Gesellschaft für Arbeitssicherheit SGAS als Weiterbildungsmassnahme anerkannt. Weitere Informationen zu teilnehmenden Ausstellern und dem Programm sowie die Möglichkeit, sich online als Besucher zu registrieren, sind auf www.arbeits-sicherheit-schweiz.ch zu finden. Tel.: +49 621 40 166-176

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EVENTS

Wendig im Wettbewerb Bild: zVg

SWISS ECONOMIC FORUM Am 9. Juni eröffnet Wirtschaftsminister und Bundespräsident Johann Schneider-Ammann das SEF 2016 in Interlaken. Das Konferenzthema lautet «Agilität – Erfolgsfaktor in Zeiten des Wandels». TEXT D E L I A B A C H M A N N

N

icht Konstanten, sondern Variablen prägen das Umfeld eines Unternehmens: Kundenpräferenzen und Technologien befinden sich in einem steten Wandel, die globale Konkurrenz schläft nicht. Selbst vermeintlich stabile Rahmenbedingungen sind nicht in Stein gemeisselt. Abrupte Marktbewegungen können Startups an die Spitze

und etablierte Unternehmen in existenzielle Schieflagen befördern. Je agiler und weitsichtiger ein Unternehmen aufgestellt ist, desto besser kann es Veränderungen vorweg- und notwendige Anpassungen vornehmen. Deshalb sollte auch in guten Zeiten immer ein Plan B in der Schublade bereit liegen. Für ein Unternehmen gilt dasselbe wie für

ein Schiff: Je wendiger es ist, desto besser kann es in stürmischen Zeiten den Kurs wechseln. Das verschafft ihm Vorsprung und verringert die Gefahr, auf Grund zu laufen. So passt es, dass am diesjährigen SEF neben den zahlreichen Wirtschaftsführern mit Richard Phillips auch ein echter Kapitän als Referent auftritt. Von heute auf morgen wurde er

ralsekretär Anders Fogh Rasmussen, der von 2001 bis 2009 dänischer Ministerpräsident war und heute als Berater für Goldman Sachs tätig ist. Mit von der Partie sind auch der ehemalige Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand, der Nobelpreisträger Angus Deaton und die reEr macht den Auftakt: Bundespräsinommierte Ökonodent Schneider-Ammann spricht als min Dambisa Moyo. Erster von ca. 60 Referenten. Sie alle und viele weitere mehr beleuchten 2009 vom Kapitän der das Thema Agilität aus US-Handelsmarine zur den verschiedensten Geisel in den Händen soPerspektiven. Die geteilte malischer Piraten. Zu Kernbotschaft: Nur wer den Stargästen am SEF agil bleibt, bleibt im 2016 zählt Ex-Nato-GeneRennen.

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BÜCHER

Wir alle sind Programmierer REFORMIDEEN Technologie und Wirtschaft halten Schritt mit der Digitalisierung – die Gesellschaft lahmt. Das muss nicht sein. TEXT D E L I A B A C H M A N N

Update: Joël Luc Cachelin skizziert Reformideen mit dem Potenzial, die Gesellschaft auf den neusten Stand der digitalen Realität zu bringen.

G

ame Over. Kapitel eins. Das Die hier beschriebene Spaltung ist dabei neuste Werk aus der Feder des nur ein Symptom der grösser werdenden Ökonomen Joël Luc Cachelin Kluft zwischen gesellschaftlichem Betriebsbeginnt dramatisch: Börsencrash, system und digitaler Umwelt. Vielfältig sind Bienensterben, Flüchtlingskrise, Politikverauch die zugrunde liegenden Ursachen. drossenheit, Dschungelcamp – auf knapp Cachelin beschreibt, wie lineare Verändeanderthalb Seiten protokolliert er, was derrungslogik auf exponentiellen Digitalisiezeit so alles schief läuft auf der Welt. Diese rungsverlauf trifft, Plattform-Kapitalismus Fehler, argumentiert Cachelin, Zugang über Eigentum triumphieren seien Symptome der Überlaslässt, die zentrale Zurverfügungsteltung und zeigen, dass das geselllung von Daten entsprechend dem schaftliche Betriebssystem ein Cloud-Prinzip neue Machtzentren Update braucht. Ein Update, und Missbrauchspotenziale schafft das die Gesellschaft zum digioder wie die Digitalisierung ein talen Wandel befähigt, den mehr oder minder gut verstecktes andere Systeme – Technologie Rationalisierungsprogramm darund Wirtschaft – vorantreiben. stellt. Bevor er dazu übergeht, seine Sie sind es, die den Takt, die Reformideen vorzustellen, beklagt Geschwindigkeit vorgeben, mit er die reine Symptombekämpfung der sich die Digitalisierung vollder Politik und warnt: «Operiert eine Joël Luc Cachelin, zieht. Gemeinschaft zu lange mit einem Update!, Stämpfli Die trägere Gesellschaft Verlag AG, 2016, 62 veralteten Betriebssystem, sind sozihinkt also den weit fortgeschrit- Seiten, 19.90 Franken, ale Unruhen, Ressourcenkämpfe, tenen Systemen hinterher und ISBN 978-3-7272-7885-3 Kriege, eine Isolation der Elite und ist nunmehr unfähig die Komautoritäre Herrschaftssysteme vorplexität ihrer Umwelt abzubilden. «Update» programmiert.» ist nicht das erste Buch, das der Gründer der Neuerung statt Neustart. Damit das Chaos Wissensfabrik – ein Think Tank für die Herausbleibt, braucht es tiefgreifende Veränausforderungen der digitalen Gesellschaft derungen. Cachelin skizziert Reformideen – dem Thema «Digitale Transformation» für insgesamt zehn Bereiche: Infrastruktur, widmet. So griff er die Problematik des «DigiVerwaltung, Crowd-Power, Wirtschaftstal Divide», die Zweiteilung der digitalen förderung, Bildung, Sozialversicherungen, Gesellschaft in «Onliners» und «Offliners», Gemeinschaftsdienst, Umweltintelligenz, Gewinner und Verlierer, «Programmierern» Steuern und gar Religion. Manche davon und «Programmierten», bereits in seinem sind wohlbekannt; so hat James Tobin bereits Buch «Offliner – die Gegenkultur der Digita1972 eine Steuer auf Finanztransaktionen lisierung» auf. vorgeschlagen. Der Reformbedarf der heuti-

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UnternehmerZeitung | Nr. 5 2016

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gen Steuerpraxis besteht für den Autor darin, dass «ökonomische Tüchtigkeit bestraft» und «der Entzug von Geld aus dem ökonomischen Kreislauf belohnt» wird. Sprich: Einkommen wird zu hoch, Vermögen zu tief besteuert. Auch das Grundeinkommen, welches uns in den Wochen bis zum 5. Juni noch intensiv beschäftigen wird, ist Teil der Reformvorschläge. Cachelin postuliert das Grundeinkommen als Ersatz für die Sozialversicherungen. Schliesslich sei zu bezweifeln, ob es in Zukunft für alle Arbeit geben wird. Das Grundeinkommen, wie Cachelin es vor Augen hat, ist denn auch nicht bedingungslos wie jenes der aktuellen Volksinitiative, sondern wird im Kapitel «Gemeinschaftsdienst» mit einem «gesellschaftlichen Ämtli-System» verknüpft. Mit seinen rund 60 Seiten ist «Update» formal betrachtet Kurzfutter. Inhaltlich kompakt und stilistisch dicht geschrieben, gelang es dem Autor, daraus ein Apéro Riche zu machen. Mit einem guten Auge für das Wesentliche schildert Cachelin die komplexe Ausgangslage und steckt neu entstandene Problemfelder ab. Die präsentierten Ideen und Lösungsansätze sind, wenn auch nicht immer neu, so doch neuartig und unkonventionell. Konkret genug, um sich ein Bild zu machen. Vage genug, um sie weiterzudenken und zu entwickeln. Letzteres ist ganz im Sinne des Autors: Denkanstösse statt einem pfannenfertigen Programm. Denn: «Eine Demokratie verlangt ein offenes Betriebssystem.» Schliesslich sind wir alle Programmierer, wenn es um den Auf- und Umbau unseres Gesellschaftssystems geht.


10 FRAGEN AN

Sandwiches frisch von gestern RAOUL STÖCKLE Gründer und Partner Äss-Bar GmbH Bild: zVg

Warum sind Sie Unternehmer geworden? Unternehmer zu werden, ist nicht ein eindeutiger Entscheid für oder gegen etwas. Es ist der Wunsch, etwas zu gestalten, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und den Mut zu haben, auch unkonventionelle Wege zu gehen. Diese Eigenschaften haben mich schon immer angetrieben. Als selbständiger Unternehmer fehlt zwar die (monetäre) Sicherheit, dafür hat man mehr Freiheiten und kann selbstbestimmt, ohne altgediente Prozesse und Vorschriften, arbeiten. Wenn nichts unmöglich wäre, was wäre Ihr Traumjob? Könnte man innerhalb eines etablierten Konzerns neue (neuartige!) Geschäftsfelder aufbauen, ohne auf die Legacy und (kulturellen) Eigenheiten Rücksicht zu nehmen, wären die Möglichkeiten wohl grenzenlos. Die klassischen Herausforderungen eines Startups wie Startkapital, Marktzugang oder Fachexpertise wären durch die Ressourcen des Mutterhauses einfach zu meistern. Leider gibt es aber so etwas wie einen «free lunch» nicht. Was mögen Sie nicht an Ihrer Branche? Ich war bereits in verschiedenen Branchen tätig: Telecom, Energie, Versicherung, Industriegüter und einigen anderen. Alle haben ihre Eigenheiten und Vorzüge. Im Handel und Retailgeschäft schafft die Warenlogistik und Verderblichkeit der Waren zusätzlich Komplexität. Dies macht die Sache jedoch auch spannend. An welches Ereignis in Ihrer Karriere erinnern Sie sich am liebsten? Jeder Mensch sucht Anerkennung. Diese kam für mich bei der Äss-Bar gleich von verschiedenen Seiten: Freunde, Medien, Verbände, Mitarbeitende – gleich alle Anspruchsgruppen waren von der Idee begeistert. Wirklich verblüfft hatte uns jedoch, dass wir die laufenden Kosten schon wenige Wochen nach Eröffnung durch die Einnahmen aus dem Verkauf decken konnten. Was war Ihr grösster Fehlentscheid? Wir hatten vor einiger Zeit eine Plattform für den Handel mit Ökostrom entworfen und viel Energie in Gespräche mit Vertriebspartnern gesteckt. Leider sind viele versandet, obwohl hohes Interesse bekundet wurde.

die ich gerne mit ihm diskutiert hätte. Worüber können Sie sich ärgern? Über unsinnige Prozesse oder Personen, die wider besseren Wissens an althergebrachten Abläufen festhalten. Mich erinnert dies zuweilen an das Parkinsonsche Gesetz, welches besagt, dass in einem Unternehmen die Verwaltung unabhängig von der Arbeitsmenge stetig wächst und zwar auch dann, wenn die ursprüngliche Kernaufgabe wegfallen würde.

ZUR PERSON Unternehmen: Die Äss-Bar (www.aess-bar.ch) verkauft in verschiedenen Städten Backwaren vom Vortag zu stark vergünstigten Preisen. Das Konzept ist kommerziell selbsttragend und hat mit den inzwischen knapp 30 Mitarbeitenden seit dem Start vor zwei Jahren bereits über 150 Tonnen Lebensmittel vor der Verschwendung bewahrt. Position: Gründungspartner Werdegang: Beratertätigkeit, danach diverse leitende Positionen in Grossfirmen im Bereich Innovation und Strategie Ausbildung: MSc. Univ. of Kent at Canterburry, Dr. sc. nat. ETHZ, MBA INSEAD Fontainebleau & Singapur Hobbies: Schlafen. Leider nichts, was ich zum Beruf machen konnte.

Heute gibt es eine Reihe von ähnlichen Konzepten auf dem Markt. Auch wenn wir mit der Idee vermutlich etwas zu früh waren, hätte eine grössere Hartnäckigkeit und Geduld wahrscheinlich zum Erfolg geführt. Der Entscheid, die Geschäftsidee frühzeitig aufzugeben, war retrospektiv wohl falsch. Welche Persönlichkeit hätten Sie gerne einmal getroffen? Georg Bernard Shaw. Von ihm stammt denn auch mein Lieblingszitat mit dem Fazit: «. . . all progress depends on the unreasonable man». Auch wenn ich viele seiner Bekenntnisse und Philosophien bewundere und teile, gibt es doch eine Reihe von Ansichten, über

Wie erholen Sie sich vom Stress? Stress ist subjektiv. Zeitdruck führt bei mir weniger zu Stress als Aufgaben, die ich nicht gerne mache. Hier hilft Ablenkung und der Fokus auf Dinge, die Freude machen. Da ich beruflich kaum physische Arbeit leisten muss, treibe ich viel Sport – ganz gemäss dem Motto «Mens sana in corpore sano».

Was zeichnet die Schweizer Wirtschaft aus? Ich habe das Glück, bereits in mehreren Ländern in Europa und Asien für längere Zeit gelebt zu haben. Nirgendwo sind die Möglichkeiten, Neues auszuprobieren so gross wie in der Schweiz. Wichtige Elemente hierfür sind wirtschaftliche und politische Stabilität, physische Sicherheit, eine gut ausgebaute Infrastruktur, der einfache Zugang zu Technologien und Produkten sowie die grosse Dichte an Konsumenten mit hoher Kaufkraft. Was wünschen Sie sich für die Schweiz? Innovation kann nur in einem freien Umfeld entstehen. Ich wünsche mir, dass die zunehmend erdrückende Regulierung und Administration wieder auf ein gesundes Mass eingedämmt wird. Die Schweiz soll auch in Zukunft ein fruchtbarer Nährboden für innovative Startups und nachhaltige Ideen bleiben. Nr. 5 2016 | UnternehmerZeitung

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KAPITALMARKT

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IMPRESSUM UNTERNEHMERZEITUNG 22. Jahrgang, Die UnternehmerZeitung erscheint zehnmal jährlich im Verlag SWISS BUSINESSPRESS SA, Zürcherstrasse 20, CH-8952 Schlieren, Zürich; Telefon 044 306 47 00, Fax 044 306 47 11, www.unternehmerzeitung.ch, info@unternehmerzeitung.ch HERAUSGEBER Remo Kuhn, kuhn@swissnews.ch REDAKTION Steffen Klatt, klatt@unternehmerzeitung.ch; Delia Bachmann, bachmann@swissnews.ch; Silvan Buholzer, buholzer@swissnews.ch; Anouk Arbenz, arbenz@swissnews.ch LAYOUT UND PRODUKTION Bruno Strupler, print@unternehmerzeitung.ch; Silvan Buholzer, buholzer@swissnews.ch MITARBEIT AN DIESER AUSGABE Roger Blum, Yvonne von Hunnius, André Anwar, Sascha Zastiral, Barbara Barkhausen, Susanne Steffen, Elke Bunge, John Dyer, Fredy Gilgen, Harald Scheer, Hans-Jakob Stahel, Stella Gatziu, Nikolina Fuduric, Anja Bouron, Rüstü Akkoca, Franco Brunner, Alfred Kuhn, Christian Iten, Stefan Vogler, Christoph Hilber, Dominik Georgi, Nicolas Facincani, Stefanie Meier-Gubser, Heike Eberle, Ruedi Stricker ANZEIGENLEITUNG Felix Keller, keller@unternehmerzeitung.ch, Telefon 044 306 47 00 DRUCKUNTERLAGEN www.swissbusinesspress.ch/kundendaten ABONNEMENTS UnternehmerZeitung, Postfach, 8952 Schlieren Zürich, abo@unternehmerzeitung.ch, Einzelverkaufspreis: Fr. 8.– JAHRES-ABONNEMENT Fr. 64.– Inland; WEMF-beglaubigte Auflage 2015: 27647 Exemplare, davon verkauft: 7012 DRUCK Swissprinters AG Brühlstrasse 5, CH-4800 Zofingen NACHDRUCK Nur mit Genehmigung der Redaktion und Quellenangabe © UnternehmerZeitung gestattet. Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird keine Haftung übernommen. DIE UNTERNEHMER ZEITUNG IST MEDIENPARTNER VON Swiss Venture Club/SVC Unternehmerpreis, Schweizer Unternehmerverband, sivg Schweiz. Institut für Verwaltungsräte, SVSM Schweiz. Vereinigung für Standort-Management, SwissCleantech.ch, UnternehmerForum Schweiz, Schweizer KMU-Tag, KMUSwissEvent, Switzerland Global Enterprise, EnAW Energie-Agentur der Wirtschaft, ICT Berufsbildung Schweiz, Suisse EMEX, Award Corporate Communications®, Fachhochschulen Nordwestschweiz FHNW IM VERLAG SWISS BUSINESSPRESS SA ERSCHEINT AUSSERDEM ZÜRCHER KMU, das Zürcher Unternehmer-Magazin

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