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360° WASSER
Antibiotikaresistente Keime
Resistenzen das Wasser abgraben Der allzu grosszügige Einsatz von Antibiotika und ihre teils falsche Einnahme führen zur Bildung von resistenten Keimen, die unsere Gesundheit gefährden. Kläranlagen sind schon heute in der Lage, einen Grossteil der Resistenzen aus dem Abwasser zu entfernen. Eine besondere Herausforderung stellen allerdings Starkregen dar. Text: Lucienne Rey In populärwissenschaftlichen Zeitschriften bezeichnet man Deinococcus radiodurans schon mal als «Conan das Bakterium». Wie der Held im Filmklassiker «Conan der Barbar» hält es praktisch allen Belastungen stand und vermehrt sich selbst bei hoher atomarer Strahlung. Der Mikroorganismus gilt als Rekordhalter unter den Extremophilen – also unter den Bakterien, die selbst in unwirtlicher Umgebung wie etwa in kochend heissen, säurehaltigen Quellen gedeihen. Wobei das Conan-Bakterium selbst an vergleichsweise wenig exotischen Orten wie etwa in Kuhmist oder verfaultem Fleisch anzutreffen ist. Es steht für die Anpassungsfähigkeit der Einzeller, der frühsten Lebensform auf Erden. Ihre Flexibilität und Vielfalt verdanken die Bakterien nicht zuletzt ihrer kurzen Generationszeit. Sind die Bedingungen günstig, verdoppelt sich ihre Zellzahl innerhalb einer halben Stunde. Entsprechend rasch kann es zu Veränderungen in ihrer Erbsubstanz kommen. Es setzen sich dann Keime mit Mutationen durch, welche diesen einen Überlebensvorteil in ihrer Umgebung bescheren.
Gesund- und Krankmacher Ohne Bakterien gäbe es auf der Erde kein Leben. Uns Menschen dienen sie als Schutzfilm auf der Haut und helfen uns, die Nahrung zu verdauen. Allerdings existieren auch krank machende Keime,
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denen wir lange hilflos ausgeliefert waren: Die Pest entvölkerte bis Mitte des 18. Jahrhunderts ganze Landstriche Europas, während Typhus, Cholera und Syphilis bis ins 20. Jahrhundert ihre Opfer forderten.
«Bis zu 99 Prozent dieser Mikroorganismen im Abwasser werden durch die ARA eliminiert.» Saskia Zimmermann-Steffens | BAFU
Es war die Natur, die den Menschen ein wirkungsvolles Mittel gegen bakterielle Krankheiten in die Hand gab: Ein Schimmelpilz – Penicillium notatum –, offiziell im Jahr 1928 vom schottischen Bakteriologen Alexander Fleming entdeckt, läutete die Erfolgsgeschichte der Antibiotika ein. Dank einem Extrakt aus diesem Pilz liessen sich nun zahlreiche zuvor gefürchtete Krankheiten heilen. «Antibiotika sind ein Geschenk für die Menschheit», betont denn auch Saskia Zimmermann-Steffens von der Sektion Gewässerschutz des BAFU. Sie töten die Erreger in der Regel nicht ab, sondern hemmen deren Vermehrung oder andere lebenswichtige zelluläre Prozesse, ohne dabei die therapierte Person oder ein behandeltes Nutztier zu schädigen.
Damit verschaffen sie dem Immunsystem des Patienten einen zeitlichen Vorsprung, sodass es die Infektion selbst erfolgreich bekämpfen kann.
Häufiger Einsatz macht Waffe stumpf Mikroben hätten sich im Lauf der Evolution kaum durchsetzen können, ohne erfolgreich Abwehrmechanismen gegen ihre Gegner zu entwickeln – so gegen andere Einzeller, Pilze, Viren und Bakterien. Pilze, aber auch einige Bakterien stellen zum Schutz gegen feindliche Bakterien Antibiotika her. Antibiotikaresistente Bakterien können somit auch ganz ohne menschliches Zutun entstehen. Zum Problem wurden diese erst wegen des allzu grosszügigen und relativ undifferenzierten Einsatzes der ab 1940 breit auf den Markt gebrachten therapeutischen Wunderwaffe. Mit ihr bekämpften Ärztinnen und Veterinäre erfolgreich eine Vielzahl von Krankheiten. Auch die Landwirtschaft griff auf Antibiotika zurück, und zwar nicht nur, um leidendes Vieh zu behandeln, sondern auch, um Wachstum und Leistung der Nutztiere zu fördern. Als Folge davon entstanden immer mehr Keime, die gegen Antibiotika resistent sind. Einerseits kann es geschehen, dass Bakterien Resistenzen untereinander weitergeben, wenn sie miteinander in Kontakt stehen. Die Fachwelt spricht dann von horizontalem Transfer: Dabei