iz3w Magazin # 389

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Verbrechen lohnt sich – Rackets & Bandenherrschaft

iz3w t informationszentrum 3. welt

Außerdem t Separatismus in Bosnien t Pressefreiheit in Hongkong t Comics aus Kairo

März / April 2022 Ausgabe q 389 Einzelheft 6 6,– Abo 6 36,–


In dies er Aus gabe . . . . . . . . .

Titelbild (Ausschnitt): Das »grüne Gold der Wayuu« (dt. Filmtitel) hebt ab. Szene aus dem kolumbianischen Film »Birds of Passage«, der den Aufstieg und Fall einer Wayuu-Familie im Marihuana-Boom der 1970er-Jahre zeigt. © Ciudad Lunar, Blond Indian, Mateo Contreras

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Schwerpunkt: Banden & Rackets 17

Editorial

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Bildet keine Banden! Clans, Banden und Rackets als antimoderne Zumutung von Winfried Rust

Editorial 21

Politik und Ökonomie 4

Myanmar: Vom Putsch zum Bürgerkrieg

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Der Widerstand radikalisiert sich von Felix Heiduk

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Bosnien: Auf zur Abspaltung

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Hongkong: »Es ist nicht mehr möglich, frei und unabhängig zu berichten«

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Mexiko: Abbau von Lithium

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Libyen: Rechtlos in Tripolis

Ein Land als Beute Staat, Gesellschaft und Banditentum in Nigeria von Heinrich Bergstresser

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Geflüchtete leisten Widerstand gegen Lagerhaft von Dorothée Krämer

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Der unattraktive Zentralstaat Im Norden Malis dominieren Milizen von Georg Klute und Dida Badi

Zwischen Verstaatlichung, Spekulation und Konfusion von Rafael Hernández Westpfahl und Rosa Lehmann

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Staat der Seilschaften Wie Viktor Orbán in Ungarn eine Racketherrschaft formt von Edmond Jäger

Repression gegen Journalist*innen

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Rackets jeder Couleur Die postsozialistische Korruptionsgesellschaft im Kosovo von Peter Korig

Nationalismus und Sezessionsphantasien von Larissa Schober

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Racket als Struktur Der Racket-Begriff bei Max Horkheimer von Thorsten Fuchshuber

‚Hilfe‘ zementiert die Gewalt In Haiti ergänzen sich Staat, NGOs und Gangs von Katja Maurer

Mali: Putsch zur Demokratie?

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Der postkoloniale Staat steht vor dem Aus von Olaf Bernau

»Die Gewalt trifft vor allem die Armen« Guadalupe Correa-Cabrera über organisiertes Verbrechen in Mexiko

Kultur und Debatte 41

Comic: »Die Szene wächst« Interview mit der ägyptischen Comic-Zeichnerin Deena Mohamed

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Debatte: Die Entzauberung der Deutschen Zu »multidirektionaler Erinnerung« und Holocaustgedenken von Larissa Schober

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Rezensionen

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Szene / Impressum


Editorial

Muss das wirklich sein? Sie sind wieder erreichbar, die tropischen Strände, opulenten Königspaläste, stattlichen Buddha-Figuren und reich verzierten Tempel. Thailand öffnet sich wieder dem Tourismus. Ein harter Lockdown im letzten Corona-Sommer h ­ atte der Branche noch einmal heftig zugesetzt. Aber seit dem 1. Februar ist eine Registrierung für die Einreise wieder möglich – für vollständig Geimpfte und gemäß einem Test & Go-Programm. Bei allem Covid-19-Frust und bei aller Anteilnahme für die Beschäftigten in der thailändischen Tourismusbranche fragen wir uns: Muss das wirklich sein? Neben den vielen Problematiken, die gerade auch deutscher Tourismus nach Thailand mit sich bringt, kommen 2022 politische hinzu. Thailand ist nicht irgendein Land, es ist eine bleierne Diktatur, in der das Militär mit der royalen Elite 2006 und 2008 die demokratisch gewählte Regierung weggeputscht hat. Seitdem wird die konstitutionelle Monarchie in eine Diktatur umgebaut. Trotzdem gewannen die populären Rothemden und ihre Pheu Thai Party auch die Wahlen 2007 und 2011. Den Royalen und Generälen wurde klar, dass die Mehrheit gegen sie steht (iz3w 359, Seite 36). So putschten sie 2014 noch einmal. Zwei Jahre später installierten sie eine Verfassung, nach der Wahlen nicht mehr zum Regierungswechsel führen können. Eine der zwei Parlamentskammern, der Senat, besteht von nun an aus 250 von der Junta handverle­ se­nen Pappkamerad*in­nen. Politische Gegner*innen werden verfolgt, die Meinungsfreiheit eingeschränkt, Protes­tierende verprügelt und weggesperrt.

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erart gewann das Putschregime die ‚Wahlen‘ 2019. Aber das Regime sieht sich dauerhaft mit demokratischem Widerstand konfrontiert. Die früheren Rothemden-Proteste waren von ärmeren ländlichen Thais geprägt. Seit 2019 kommen mehr junge, städtische Protestierende dazu und machen sich sogar über das Königshaus lustig (iz3w 385, Seite 38). Was kann man gegen das Unrechtregime machen? Dieselbe Frage stellt sich für das Nachbarland Myanmar

angesichts des brutalen Militärputsches im letzten Jahr (dieses Heft, Seite 4). Längst beziehen sich die Protestierenden in Thailand und in Myanmar positiv aufeinander, zum Beispiel indem beide den Dreifingergruß als Protestsymbol zeigen. Bei aller internationalen Hilflosigkeit ist im Fall von Myanmar klar: Sanktionen sind richtig. Bezüglich Thailand hört man wenig dergleichen, obwohl die Verbindungen etwa zwischen Deutschland und Thailand viel umfangreicher sind. Das Putschregime in Thailand schafft es besser, sich einen Anschein von Legitimität zu geben. Dazu beigetragen hat auch die Inszenierung der antidemo­ kratischen Gelbhemden als Bürgerbewegung. Was wollen Tourist*innen in Thailand derzeit sehen? Es gibt Gummigeschosse, Tränengas und Wasserwerfereinsatz auf den Demonstrationen. Es gibt den reichsten König der Welt, alte Putschtradition und ein spektakulär hohes Einkommensgefälle. Eigentlich ist ein Tourismusboykott fällig. Leider ist das nicht so einfach. Die NGO fairunterwegs schreibt: »Ein Tourismusboykott eines bestimmten Landes macht nur Sinn, wenn Einheimische dazu aufrufen beziehungsweise die demokratisch repräsentativen Kräfte wissen, dass ein Boykott-Aufruf bei uns gewünscht wird.« Das ist nicht gegeben.

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us Thailand nach Deutschland gibt es auch einen Tourismus. Allen voran ist der König Rama X. gerne in Bayern. Damit er sich in seiner Villa am Starnberger See zuhause fühlt, ließ er im Privatjet seine dreißig Pudel einfliegen. Nach dem Weltrechtsprinzip würden wir den Kerl gern vor einem Bayrischen Oberlandesgericht sehen. Stattdessen fährt König Rama X. mit seiner Entourage in schwarzen Luxuslimousinen am See spazieren. Wie geht das zusammen? Einerseits vergießt man Kroko­ dil­tränen darüber, dass es kaum Möglichkeiten für Sanktio­ nen gegen die Militärdiktaturen gäbe – und andererseits macht der autoritäre Herrscher hier ständig Wellnessurlaub? Muss das wirklich sein? Fragt sich die redaktion

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PS: Das Jahr beginnt für uns mit einem Abschied und zwei Neu­einstiegen: Unser Archivar Christian Neven-du Mont geht nach unzähligen Jahren bei uns, wie er sagt, in Rente. Wir verlieren im Projekt einen großartigen Menschen und Mitstreiter. Das »3w« beim informationszentrum dritte welt verteidigte er einmal so: »Der Begriff Dritte Welt wurde in den 50er-Jahren in Frankreich als Analogie zum Dritten Stand mit seinem Drang nach Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit geprägt und

hat in unserer neoliberalen Welt, die zwar von Freiheit spricht, von Gleichheit und Brüderlichkeit aber nichts wissen will, weiterhin etwas Revolutionäres. Das Original, Tiers Monde, also wörtlich Drittelwelt, weist auch darauf hin, welcher Teil vom Kuchen für neun Zehntel der Menschheit vorgesehen ist.« Dafür begrüßen wir neu: in der Geschäftsführung Robert Gather und in der Redaktion Nikolas Grimm, die sich mit Feuereifer ins Gefecht geworfen haben.

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Protest im Februar 2021 gegen den Militärputsch | Foto: Htin Linn Aye CC BY-SA 4.0

Vom Putsch zum Bürgerkrieg In Myanmar radikalisiert sich der Widerstand Ein Jahr nach dem Militärputsch in Myanmar ist es der Junta trotz brutaler Gewaltanwendung nicht gelungen, die Proteste zu beenden. Im Gegenteil: Die Reputation des Militärs im Land befindet sich im vollständigen Niedergang. Weiter hat der ein Jahr andauernde Konflikt die gesamte politische Landschaft verändert.

von Felix Heiduk Seit 1962 ist das Militär de facto der zentrale politische und wirtschaftliche Akteur in Myanmar. Die Generäle leiteten 2010 zwar einen Demokratisierungsprozess ein, welcher freie Wahlen, Pressefreiheit und die Bildung einer zivilen Regierung mit sich brachte. Doch dann rissen die Militärs am 1. Februar 2021 die Macht wieder an sich, nachdem die von Aung San Suu Kyi geführte Nationale Liga für Demokratie (NLD) die Wahlen im November des Vorjahres haushoch gewonnen hatte. Bereits während der Dekade der Demokratisierung zwischen 2010 und 2021 war Myanmars Demokratie immer sehr fragil geblieben. Einen Grund dafür stellt eine zentrale autoritäre Hinterlassenschaft dar, mit der die NLD dauerhaft zu kämpfen hatte: die 2008 vom Militär verabschiedete Verfassung. Diese garantierte dem Militär nicht nur ein Viertel der Parlamentssitze und damit eine Sperrminorität für jedwede Verfassungsänderung, sondern auch andere weitreichende Machtbefugnisse, darunter die Führung der Ministerien für Grenzschutz, Verteidigung und Inneres. tt

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Auch die vielen wirtschaftlichen Verflechtungen des Militärs in Gestalt von Konglomeraten retteten die Generäle unbeschadet in die neue demokratische Ära. So beaufsichtigt der neue De-factoMachthaber General Min Aung Hlaing zwei Militärkomplexe, die Myanmar Economic Corporation und die Myanma Economic Holdings Limited. Seine Familie ist in zahlreiche Unternehmen des Landes involviert. Es ist nicht verwunderlich, dass die Militärs ihre Privilegien so stark gegen die demokratische Öffentlichkeit absicher­ ten, denn es ging ihnen nie um Demokratie und Menschenrechte. Vielmehr sollte die Öffnung des Landes das eigene Image international aufbessern sowie die bis dato weitreichende inter­nationale Isolation aufheben. Auch sollte so die Abhängigkeit von China reduziert werden. Diese hatte aufgrund westlicher Sanktionen seit den 1980er-Jahren, sehr zum Missfallen der ultra-natio­nalistischen Militärführungen, stetig zugenommen. In seiner Selbstwahrnehmung war das Militär immer der zentrale einigende politische Akteur im Land, ohne den die ‚Republik der Union Myan­mar‘ in viele Kleinstaaten zerfallen würde.

Im entscheidenden Moment schwieg sie Die junge Demokratie Myanmars wurde jedoch zwischen 2015 und 2020 auch von der gewählten NLD-Regierung beschädigt. Regierungskritische Journalist*innen wurden verhaftet, zivilgesellschaftliche Organisationen in ihrer Arbeit behindert. Selbst innerhalb der NLD kritisierten viele den zunehmend autoritären Führungsstil von Aung San Suu Kyi. Diese unternahm zudem wenig, um die tt

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Myanmar Prärogative des Militärs zu beschneiden. Mehr noch: Die RegieZusammensetzung wie politischen Programmatik für Myanmar rungschefin schwieg zuerst und verteidigte 2017 dann noch öfrevolutionär erscheint: In der NUG sitzen neben den Bamar, welfentlich das Vorgehen des Militärs gegen die Rohingya, welches che die größte Ethnie des Landes darstellen und bislang Militär laut UN »genozidale Intentionen« verfolgte und zu Massakern und wie auch NLD dominierten, auch Vertreter*innen ethnischer MinMassenflucht der muslimischen Minderheit vor allem nach Bangderheiten des Landes. Zum neuen politischen Programm der NUG ladesch führte. Diese Position befeuerte eine zunehmend kritische gehören Forderungen wie die Abschaffung der Verfassung von 2008. Weitere Forderungen sind eine Haltung der internationalen Öffentlichkeit gegenüber der Vorsitzenden der Regierungsparumfassende Reform des SicherheitssekKurz bevor das neu gewählte tei NLD – ihrem Ansehen im Land selbst tat tors, die Etablierung eines föderalen dies keinen Abbruch. Staates mit weitreichenden MinderheiParlament zusammentreten tenrechten und ein Ende der DiskrimiDas Verhältnis zwischen Aung San Suu Kyi konnte, putschte das Militär und der Militärführung verschlechterte sich nierung der Rohingya in Myanmar. Zum jedoch ab 2019 zunehmend. Insider*innen anderen hat sich der militante Widerzufolge brach ab Mitte 2020 die Kommunikation zwischen ziviler stand gegen die Junta zu einem Bürgerkrieg verstetigt, seit die NUG im September 2021 zu einem »Volksverteidigungskrieg« und militärischer Führung vollständig ab. Zuvor hatte Aung San Suu Kyi Forderungen nach einer Verfassungsänderung und der aufrief. In fast allen Landesteilen werden regelmäßig Angriffe auf damit verbundenen Demilitarisierung des Staatsapparates zu ihrem Militäreinheiten durchgeführt, Attentate auf Militär- und Polizeizentralen Wahlkampfthema gemacht. Für die Militärs war das eine posten verübt und vermeintliche Regimekollaborateur*innen beoffene Provokation. Der Erdrutschsieg der NLD im November 2020 droht oder gar ermordet. Die von der NUG aufgestellten PDFs verlieh dieser, aus Sicht des Militärs inakzeptablen, Forderung noch kooperieren hierbei mit einigen ethnischen Rebellengruppen. mehr Schlagkraft. Kurz bevor das neu gewählte Parlament zusammentreten konnte, putschte sich das Militär am 1. Februar 2021 erneut an die Macht.

Kein Zurück zum Status quo ante

Mit dem Putsch hat ein harter Einschnitt begonnen. Myanmars ohnehin fragiler Übergang zur Demokratie hat zunächst ein jähes Ende gefunden. Fast die gesamte ehemalige Führungsriege der National League of Democracy sitzt nach wie vor in Haft. Es kann durchaus angenommen werden, dass deren Ikone Aung San Suu Kyi den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen wird. Ebenso sitzen weitere Tausende Oppositionelle sowie Dutzende Jour­na­ list*innen in Haft. Westliche NGOs und Firmen haben sich weitgehend aus Myanmar zurückgezogen. Auf zivilgesellschaftlichen Druck hin zuletzt sogar große Konzerne wie Chevron und Total, die bis dato zusammen mit einem Staatsunternehmen die Offshore-Förde­ rung von Erdgasvorkommen des Landes betrieben hatten. Große Teile Myanmars sind zunehmend Schauplätze bewaffneter Gewalt zwischen den staatlichen Sicherheitskräften auf der einen Seite und den Rebellengruppen ethnischer Minderheiten, sowie den neu gegründeten People’s Defence Forces (PDF), dem bewaffneten Flügel der Exilregierung, auf der anderen Seite. Das öffentliche Bildungs- und das Gesundheitssystem sind de facto kollabiert, die Wirtschaft liegt danieder. Laut der UN sind Millionen Menschen direkt von Hunger bedroht, fast die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Parallel dazu hat sich die politische Landschaft Myanmars ebenfalls massiv verändert. Durch die Verhaftung Aung San Suu Kyis und der bisherigen NLD-Führung hat eine jüngere Generation demokratischer Aktivist*innen das Ruder übernommen. In den Wochen direkt nach dem Putsch forderten diese zunächst die Freilassung Aung San Suu Kyis und die Wiedereinsetzung der gewählten zivilen Regierung, begleitet von Massenprotesten und zivilem Ungehorsam. Die gewaltsame Niederschlagung der Proteste durch das Militär führte zu umfassenden taktischen wie politischen Veränderungen auf Seiten der Gegner*innen des Putsches, die bis heute andauern. Zum einen entstand mit der nationalen Einheitsregierung (Natio­ nal Unity Government – NUG) eine politische Akteurin, die in ihrer tt

Somit hat sich Myanmar in den letzten zwölf Monaten in poli­ tischer Hinsicht umfassender verändert, als in der Dekade demokratischer Reformen davor. Ehemals weitgehend marginalisierte politische Forderungen wie die nach der Gleichstellung ethnischer Minderheiten, der Föderalisierung des Landes oder auch einer demokratischen Reform des Sicherheitssektors werden nunmehr von großen Teilen der Bevölkerung mitgetragen. Eine jüngere Generation demokratischer Aktivist*innen hat nun die Zügel in die Hand genommen, sie lehnten ein Zurück zum Status quo ante vehement ab. In dieser Haltung genießt sie große Legitimität und Unterstützung in der Bevölkerung. Aus diesen Veränderungen folgt aber auch, dass zumindest mittelfristig weder Bürgerkrieg noch humanitäre Krise im Land ein Ende finden dürften. Denn weder NUG noch die Militärjunta sind bereit, Zugeständnisse zu machen oder Kompromisse einzugehen. Auch ist das Bündnis militärisch nicht stark genug, um die Streitkräfte dauerhaft zu schwächen oder gar zu besiegen. Externe Vermittlungsversuche, zum Beispiel durch die ASEAN, dem Verband Südostasia­tischer Nationen, waren ebenfalls bislang nicht erfolgreich. Insofern scheint es plausibel anzunehmen, dass Myanmars politische wie gesellschaftliche Krise, ausgelöst durch den Putsch vor einem Jahr, auch die nahe Zukunft des Landes in Gestalt eines Bürgerkrieges und einer massiven humanitären Krise prägen wird. Die Einwirkungsmöglichkeiten Deutschlands und Europas hierauf sind zunächst begrenzt. Jedoch sollte zumindest ein verstärktes humanitäres Engagement vor Ort sowie der Ausbau der Beziehungen zur NUG erwogen werden. Eine vom Europäischen Parlament zuletzt verabschiedete Resolution, welche die NUG als legitime Repräsentantin der »demokratischen Ambitionen« Myanmars anerkennt und ihre Inklusion in alle politischen Dialogformate fordert, ist ein erster Schritt. tt

Radikalisierung und bewaffneter Kampf

Felix Heiduk ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Asien in der Stiftung Wissenschaft und Politik. tt

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Das Büro der Online-Nachrichtenagentur Stand News in Kwun Tong, Hongkong nach der Razzia am 29. Dezember 2021 | Foto: Kay Lee

»Es ist nicht mehr möglich, frei und unabhängig zu berichten« Repression gegen Journalist*innen in Hongkong Mit Razzien und Festnahmen gehen Hongkongs Behörden gegen unabhängige Medien vor. Möglich ist das durch das von der chinesischen Zentralregierung im Jahr 2020 erlassene Nationale Sicherheitsgesetz. Nach Schließung der prodemo­ kratischen Tageszeitung Apple Daily im letzten Sommer muss­ te nun auch das Online-Nachrichtenportal Stand News seine Arbeit zum Jahreswechsel einstellen. Die iz3w sprach mit Kay Lee*, sie war bis zur Schließung als Videoreporterin für Stand News tätig.

8 iz3w: Wie haben Sie und Ihre Kolleg*innen von Stand News die Razzia erlebt? tt Kay Lee: Am Morgen des 29. Dezember 2021 kehrten wir nach der Razzia in unser Büro zurück. Die Polizei hatte sämtliche Compu­ ter, Festplatten und andere firmeneigene Gegenstände beschlagnahmt. Sie hatten sechs leitende Angestellte verhaftet, darunter auch unseren Chefredakteur Patrick Lam. Nachdem er am Folgetag angeklagt wurde, beschloss unser Vorstand innerhalb weniger Stunden, sämtliche Aktivitäten einzustellen, Inhalte auf unserer Website zu löschen und uns 70 Mitarbeitende zu entlassen. Die Schließung der Tageszeitung Apple Daily wenige Monate zuvor hatte gezeigt, wie wichtig eine schnelle Reaktion ist, um die Mitarbeitenden zu schützen.

Was unterscheidet Stand News von anderen Nachrichtendiensten in Hongkong? tt Stand News ist ein Online-Nachrichtenportal, das vor sieben Jahren an den Start ging. Im Vergleich zu den vielen traditionell regierungsnahen Zeitungen in Hongkong nehmen wir eine regierungsunabhängige und liberale Haltung ein. Zunächst war Stand News ein kleinformatiges Nachrichtenportal mit wenigen Angestellten. Mit dem Ausbruch der Proteste gegen das Gesetz 2019, welches die Auslieferung von Gefangenen an die Volksrepublik vorsah, und unseren Live-Videoreportagen bekamen wir immer größeren Zuspruch von der lokalen Bevölkerung. Menschen, die selbst nicht an den Protesten teilnahmen, konnten im Internet miterleben, was gerade auf den Straßen passierte. Wir wurden als eine der wenigen verlässlichen Quellen wahrgenommen und erhiel­ ten daraufhin so viele Spendengelder, dass wir unser Team deutlich vergrößern konnten. Einige unserer Reporter*innen sind durch ihre Live-Reportagen sehr bekannt geworden. Die Stand News-Reporterin Gwyneth Ho beispielsweise übertrug den Yuen Long-Angriff, der später für die Protestbewegung symbolischen Charakter erlangte, live ins Internet. Bei diesem Angriff in der Metrostation Yuen Long schlug eine pekingtreue Gruppe mit Stahlstangen auf von Protesten zurückkehrende Demonstrant*innen ein. Obwohl Ho eine gelbe Presseweste trug, wurde sie ebenfalls Opfer des Angriffs. Sie ist aufgrund ihrer

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Hongkong

Kandidatur bei der Legislativratswahl leider seit über einem Jahr in Haft. Als wir am 29. Dezember nach der Razzia in unser verwüstetes Büro zurückkehrten, hing ihre gelbe Warnweste noch an einem Haken.

für im Ausland lebende Personen relevant sind. Ihre Berichte bezie­ hen sich beispielsweise darauf, welche Auswirkungen die Proteste auf internationale Beziehungen, wie zwischen USA und China, haben. Lokale Medien wie wir berichteten dagegen nicht nur von den Protesten, sondern betrieben auch zu anderen lokalen Ereignissen investigativen Journalismus. Ich bin der Auffassung, dass die Rolle der lokalen Nachrichtendienste in Hongkong nicht durch ausländische Medien ersetzt werden kann. Die Leute sollten vielleicht trotzdem versuchen, ausländische Beiträge von New York Times oder BBC zu lesen, denn hier gibt es keine verlässlichen Medien mehr.

Wie reagierten Ihre Leser*innen und die Öffentlichkeit auf die Schließung von Stand News? tt Nach der Razzia behauptete Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam, dass der Fall nichts mit der Einschränkung von Pressefreiheit zu tun habe, sondern gegen aufrührerische Aktivitäten gerichtet sei. Stand News habe selbst die Entscheidung getroffen, die Arbeit einzustellen. Dabei hatte die Polizei unseren Chefredakteur Das von Ihnen erwähnte Nationale Sicherheitsgesetz wurde 2020 bereits verhaftet! Mit der Schließung von Apple Daily und Stand verabschiedet, welche Konsequenzen hat es bis heute? News besteht kein Zweifel mehr, dass die Regierung versucht, uns Journalist*innen einzuschüchtern. Wir leben in Angst. Es ist in Hongtt Bis zum Frühjahr 2020 erlebten wir eine Welle von Massen­ kong nicht mehr möglich, frei und unabhängig zu berichten. protesten, die im Sommer 2019 mit bis zu zwei Millionen TeilnehAm Tag der Schließung versammelten sich ein paar unserer menden an einem Tag – mehr als ein Viertel von Hongkongs BeLeser*innen vor dem Bürogebäude, um ihre Unterstützung kundvölkerung – ihren Höhepunkt erreichten. Als die Pandemie ausbrach, zutun. Da sich unsere Büros in einem unwurden dann Versammlungsverbote scheinbaren Industriegebäude befinden, gab erlassen. Am 30. Juni 2020 verab»Wir wissen nicht, wann wir es aber keine großen Menschenmassen wie schiedete die chinesische Zentralrebei Apple Daily. Unsere Leser*innen untergierung das Nationale Sicherheitsgedie rote Linie überschreiten und stützten uns allerdings auch auf eine andere setz. Zum Zeitpunkt der Einführung angeklagt werden können« Weise. Einige speicherten unsere Medienbeibehauptete die Regierung, dass das träge, bevor wir den Inhalt auf unserer WebGesetz nur wenige Leute betreffen site gelöscht haben. Ich denke, dass die Leute das machen, um werde und nicht dafür ausgelegt sei, politisch aktive Personen zu unsere Arbeit, nämlich die Dokumentierung von Hongkongs Geverhaften. Nach zweijährigem Bestand des Gesetzes können wir schichte der letzten sieben Jahre, zu sichern. Auch wenn unsere festhalten, dass seither 132 Personen auf seiner Grundlage verhafBeiträge jetzt von der Website gelöscht sind, können diese Personen tet und 88 Personen angeklagt wurden. Unter den Angeklagten künftig beweisen, dass wir etwas getan haben. befinden sich pro-demokratische ehemalige Legislativratsmitglieder, Journalist*­in­nen, aber auch gewöhnliche Bürger*innen. Auch Obwohl das Recht auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit in ganze Organisationen, wie etwa die Hong Kong Alliance, welche der lokalen Verfassung verankert ist, belegt Hongkong aktuell Platz 80 die jährlich stattfindende Gedenkveranstaltung zum Tian’anmenvon 180 im globalen Ranking der Pressefreiheit. Als Reporter ohne Massaker mit hunderten von Teilnehmenden organisierte, mussten Grenzen den Index im Jahr 2002 erstmals veröffentlichte, stand die sich auflösen. Metropole noch auf Rang 18. Wie kam es zu dieser Entwicklung? tt Als die Massenproteste in Hongkong in den Jahren 2019 und Wie schätzen Sie die Chance ein, dass die Massenproteste nach dem Ende der Pandemie wieder aufflammen werden? 2020 weiter voranschritten, versuchte die chinesische Regierung, tt Wenn Menschen bereit sind, die Kosten dafür zu tragen, könndie Kontrolle über die Bevölkerung zurückzugewinnen. Zu diesem ten die Proteste zurückkehren. Seit der Schließung von Apple Zweck verabschiedete die Regierung das Nationale Sicherheitsgesetz. Auf dessen Basis wird die Pressefreiheit seither immer weiter Daily sind die Leute allerdings ängstlicher geworden. Zuvor wurden eingeschränkt. Die Rechte, die uns laut der lokalen Verfassung vor allem politische Aktivist*innen verfolgt, die im Zweifel damit zustehen, werden vollständig ignoriert. Insbesondere für uns rechneten, inhaftiert zu werden. Wir haben schlicht nicht erwartet, Journalist*innen ist das Nationale Sicherheitsgesetz aufgrund seiner dass eine der größten Tageszeitungen gezwungen wird, ihre Arbeit unklaren Auslegungsmöglichkeit ein großes Problem. Als der Chefeinzustellen. Viele Bewohner*innen Hongkongs verlassen aktuell redakteur von Stand News aufgrund einer »Verschwörung mit dem die Stadt und migrieren nach Großbritannien, Kanada oder Taiwan. Ziel der Verbreitung umstürzlerischer Inhalte« angeklagt wurde, Wenn wir in die Vergangenheit blicken, sehen wir, dass andere ging ich zu seiner Anhörung, um mehr über die Anschuldigung zu demokratische Bewegungen Zeit gebraucht haben, um etwas zu erfahren. Tatsächlich formulierte das Gericht keine klaren Definitibewirken. Seit der Entstehung unserer jetzigen Protestbewegung onen seiner ‚Verbrechen‘. Wir wissen also nicht, wann wir die rote sind lediglich zwei Jahre vergangen. In Zukunft wird es weiterhin Linie überschreiten und zum Beispiel aufgrund einer vergangenen Unterdrückung geben und Menschen, die die Protestbewegung Berichterstattung angeklagt werden können. unterstützen, werden leiden müssen. Ich glaube allerdings, dass die Bewegung in Zukunft eine Chance haben kann – wenn die Nach der Schließung von Apple Daily und Stand News gibt es keine Menschen außerhalb Hongkongs uns nicht vergessen. unabhängigen lokalen Medien mehr in Hongkong. Die New York Times beispielsweise veröffentlicht aber ihre Online-Nachrichten zu Hongkong * Name aus Sicherheitsgründen geändert. ebenfalls auf Chinesisch. Kann das lokale Medien ersetzen? tt Ich denke, die Zielgruppe der New York Times ist eine andere. tt Das Interview führte Jakob Stirner. Ausländische Medien richten ihren Blick stärker auf Ereignisse, die iz3w • März / April 2022 q 389

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Banden & Rackets

»Streichen Sie auch Häuser an?« Manchmal hilft das Kino dabei, die Absurdität der realen Politik zu fassen. Etwa als Nancy Pelosi 2020 während der Debatte um Donald Trumps Impeachment den Gangsterfilm »The Irishman« zitierte: »Streichen Sie auch Häuser an?« Das Telefonat, in dem Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski mit den Worten »Ich möchte, dass Sie uns einen Gefallen tun« unter Druck gesetzt hatte, erinnerte die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses offenbar an eine Szene aus dem Film. Mit der codierten Begrüßung »Ich hörte Sie streichen Häuser an?« rekrutiert dort der korrupte Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa den Mafia-Killer Frank Sheeran.

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s war wohl die für Trump typische Mischung aus Kraftmeierei und Anspruchsdenken, die Pelosi an Jimmy Hoffa, der von Al Pacino als Narzisst dargestellt wird, denken ließ. Es geht in dem Film um die Verquickung von Politik und Kriminalität: Die Zusammenarbeit von Gewerkschaften und organisiertem Verbrechen zur Bereicherung in den 1950erJahren, die Invasion der Schweinebucht mit Hilfe der Mafia, die Watergate-Affäre. Im Gedächtnis bleibt der Film vor allem dadurch, wie er seine Figuren aus Gewerkschaften, Politik und Mafia interagieren lässt: Hier gibt es keine Überzeugungen, sondern Geschäft; keine Freundschaft, sondern »einen Gefallen tun«, wofür man im Gegenzug etwas will. Politik bedeutet: Er schuldet uns etwas. »The Irishman« trifft damit einen Nerv, weil der Film vor der Kulisse einer Gangster­ geschichte auch auf die Krise der libe­ralen Demokratie des 21. Jahrhunderts verweist. »Streichen Sie Häuser?« Man kann sich vorstellen, dass Viktor Orban (Seite 27) so eine Frage stellt, oder Sebastian Kurz, wenn er bei einem von der ÖVP gekauften Meinungsforschungsinstitut anruft. Die Schnittstellen zwischen Politik und Verbrechen, sie sind seit jeher ein beliebtes Thema auf der Leinwand. Im realen Leben haben sie weniger unterhaltsame, weil sehr brutale Auswirkungen. Die Kritische Theorie der Frankfurter Schule interessierte sich für diesen Zusammenhang. Mit dem aus der US-Kriminologie stammenden Begriff des »Rackets« wollte Max Horkheimer das Ende der liberalen Phase des Kapitalismus begreifen, die in den Aufstieg des Faschismus und andererseits in die Herrschaft der stalinistischen Bürokratie mündete (Seite 21). Die basale Bedeutung von Racket ist Gewaltkriminalität wie zum Beispiel Schutzgelderpressung. In der Racket-Theorie meint es den Umbau des Staates zum Anhängsel einer Clique oder einer völkisch-

faschistischen Gruppe, wie es die NSDAP war. Der Racket entsteht innerhalb der liberalen Ordnung und kann diese ergänzen, beseitigen oder ersetzen. Die Konkurrenz der Kapitale führt zu einer Konzentration von Reichtum; und auch kriminelle oder rechtsextreme Netzwerke kämpfen dabei um die Vorherrschaft. Dabei kann sich die liberale, konkurrenzbasierte und rechtlich vermittelte Gesellschaftsordnung aufheben. Das Kapital bildet Banden.

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orkheimer formulierte diese Überlegungen am Grab des europäischen Liberalismus und bezog sich mit seiner Racket-Theorie vor allem auf den Nationalsozialismus. S­ eine Gedanken gewinnen heute wieder an Relevanz. In ­Osteuro­pa entstehen von Ungarn über Polen, Serbien bis Österreich so­genannte illiberale Demokratien, eine aktualisierte Form der Racket-Herrschaft. Die heutige Krise des neoliberalen Kapitalismusmodells befeuert Privatisierung und Armut. An der Basis der krisenhaften Umbrüche obsiegt Per­spektiv­ losigkeit. Der Produktivitätssteigerung im Globalen Norden steht die Entwertung von Kapital und die Überflüssigkeit von Arbeitskräften in der Peripherie gegenüber. Die kriminellen Banden bieten einen scheinbaren Ausweg. Banden können verschiedenste Formen annehmen, in unse­rem Themenschwerpunkt geht es unter anderem um Kartelle (Seite 38), islamistische Gruppen (Seite 33) und in Haiti auch um den Zusammenhang von Hilfsgeldern und Korruption (Seite 36). In den abgehängten Zonen der Kon­kurrenz­ge­sellschaft stellen sie teilweise eine ‚Alternative‘ zum Staat dar. Sie versprechen zudem einen schnellen Weg aus der Armut. Der kolumbianische Film »Birds of Passage«, aus dem unser Titel­ bild stammt, erzählt eine solche Geschichte vom rasanten Aufstieg einer indigenen Wayuu-Familie durch Drogenhandel. Der Reichtum währt kurz, führt die Familie in eine Blutfehde und letztlich zu Tod und Vertreibung. Die Beispiele der Netzwerke von Sebastian Kurz oder Donald Trump, aber auch etwa der Wirecard-Skandal in Deutschland zeigen, dass Rackets und Bandenstrukturen beileibe nicht nur ein Problem der Peripherie sind. Auch in der US-Republikanischen Partei bleibt man eng am Gangsterfilm. So wies der Trump-Berater Roger Stone 2019 einen Zeugen, der vor dem Kongress zu möglichen illegalen Praktiken seines Wahlkampfteams aussagen sollte, an: »Mach’s wie Frank Pentangeli«. Der alte M ­ afioso wird in »Der Pate II« vor den Senatsausschuss geladen – und stellt sich völlig unwissend. die redaktion

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Banden & Rackets

»Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« von Bertolt Brecht (DDR 1974) Fotos: Waltraut Denger, Studio Hamburg Enterprises/DRA

Racket als Struktur Der Racket-Begriff in der Kritischen Theorie bei Max Horkheimer Wer die Bezeichnung Rackets allein als Instrumentarium zur Analyse krimineller Banden nutzt, fällt hinter die kritische Absicht der Racket-Theorie zurück. Mit dieser wollte Max Horkheimer den Übergang der liberalen Phase des Kapitalismus in autoritäre, nachbürgerliche Verhältnisse erklären. Dort treten Rackets an die Stelle des staatlichen Souveräns.

von Thorsten Fuchshuber Rackets, das sind immer die Anderen. Weit weg – soziographisch und geographisch. Verbrecher und Clans, Bandenchefs, Warlords und Gangster. In Mexiko, Somalia, Russland oder irgendwo sonst auf der Welt. Leicht könnte bei der gegenwärtigen Beschäftigung mit einer Kritischen Theorie der Bandenherrschaft der Eindruck entstehen, es gehe dabei um ein Phänomen der wo auch immer verorteten, wie auch immer definierten ‚Peripherie‘. Demgegenüber ließ der Philosoph Max Horkheimer, auf den die Racket-Theorie als gesellschaftskritischer Entwurf zurückgeht, keinen Zweifel daran, dass er mit ihr eine Entwicklung globalen Ausmaßes meint: »Mit Recht lachen wir über den Ideologen, der […] von gang redet, und an die Kontrolle über Abgaben der laundries für ‚protection‘ in einem Stadtviertel denkt«, schrieb er im Juni 1941 an seinen Freund Theodor W. Adorno. Längst gehe es bei der Bantt

denherrschaft hingegen um »den ‚Schutz‘ von Ländern, die Kontrolle über Europa oder über Industrien und den Staat […]. Das Ausmaß ändert eben die Qualität.« So reizvoll und reich an kritischen Einsichten es daher sein mag, bestimmte Entwicklungen im sogenannten Globalen Süden, Verquickungen von Politik und Verbrechen, Korruption und Formen der Beuteökonomie mithilfe des Racket-Begriffs zu fassen: Horkheimer hatte primär Anderes im Sinn. Er wandte sich gegen eine von ihm und seinen Mitarbeitern als bloß »formalsoziologisch« kritisierte, deskriptive Theorie der Bandenbildung, wie er sie in den soziologischen und kriminologischen Diskussionen im US-amerikanischen Exil beobachtete. Demgegenüber hatte er die Transformationsprozesse seiner Zeit aus gesellschaftskritischer Perspektive im Blick. Um diese Entwicklungen zu konzeptionalisieren, wollte Horkheimer gemeinsam mit anderen Mitarbeitern des in den USA in »Institute for Social Research« umbenannten Frankfurter Instituts für Sozialforschung eine umfassende Theorie der Rackets entwickeln. Damit sollte der Prozess erfasst werden, der zur Entstehung des Nationalsozialismus geführt hatte. Gleichzeitig wollte Horkheimer analysieren, inwiefern die in Deutschland beobachteten Tendenzen in anderer Form auch in anderen Ländern zum Ausdruck kamen; etwa im faschistischen Italien, im von Horkheimer so bezeichneten »integralen Etatismus oder Staatssozialismus« der Sowjetunion,

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Banden & Rackets aber auch in den USA, die damals durch die massiven staatlichen Interventionen der »New Deal«-Politik geprägt wurden.

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sellschaft, die sich wert- beziehungsweise warenförmig reproduziert; und die sich ihre politische Form als Staat gegenüberstellt, womit etwa die Spaltung in Privatperson und Staatsbürger*in verbunden ist. Auch der Staat und seine Institutionen herrschen also keineswegs Ein gesellschaftliches Strukturprinzip unmittelbar. Die bürgerliche Gesellschaft bedarf vielmehr der Vertt Aus Horkheimers Plan ist letztlich nichts geworden. Nur wenige mittlungsinstanzen, die sie und ihre bestimmten Formen zur Einheit Mitarbeiter leisteten tatsächlich einen Beitrag zu der von ihm ins bringen, die sich dann als staatliche Souveränität darstellt. Auge gefassten Theorie. Er selbst entwickelte in zu seinen Lebzeiten Das Wesen der bürgerlichen Gesellschaft ist daher relational und überwiegend unveröffentlicht gebliebenen Textfragmenten, worum damit potenziell reflexiv gefasst. Und genau dieses Wesen wird in es ihm in seiner Kritik an den Rackets ging. Von den Debatten in der Racket-Gesellschaft bekämpft beziehungsweise von ihr abgelöst. Als Begriff der vermittlungslos-politischen Einheit steht das Racket den USA ließ er sich insofern leiten, als er das Racket als Agentur zur aggressiven Durchsetzung partikularer Interessen auf Kosten im Gegensatz zur rechtlich vermittelten dialektischen Einheit der der ohnmächtigen Einzelnen ebenso wie der Allgemeinheit begetrennten Sphären von Staat und Gesellschaft, wie sie der bürgertrachtet. Doch galt ihm der Begriff lichen Gesellschaft eigen ist. Daher lässt Racket weniger im Sinne konkret sich die Racket-Gesellschaft auch als Der Staat als ‚Parallelogramm von benennbarer, ökonomisch orientiernachbürgerliche Gesellschaft begreiter Banden oder politischer Zusamfen. In ihr geht der bestimmte Modus Kräften‘ zerfällt in rivalisierende Rackets menschlüsse in der beziehungsweider Reflexivität verloren, welcher der se gegen die Gesellschaft, sondern bürgerlichen Gesellschaft wesentlich als strukturierendes Prinzip der gesellschaftlichen Verhältnisse selbst. und insbesondere auch im Recht verankert ist: Die Gesellschaft der Dieses resultierte ihm zufolge aus der zunehmenden Konzentration Rackets funktioniert allein gemäß dem Modus von Inklusion und und Zentralisierung der kapitalistischen Produktionsweise, war also Exklusion. So stellt das Racket einen Begriff des Politischen dar, der mit einem Prozess verbunden, den Karl Marx als steigende orgaan die Freund-Feind-Bestimmung des nationalsozialistischen Staatsnische Zusammensetzung des Kapitals bezeichnet hatte. rechtlers Carl Schmitt erinnert. Das beinhaltet auch die Frage, inDiese Entwicklung, so Horkheimer, habe tiefgreifende gesellwiefern hier von einem Staat überhaupt noch gesprochen werden schaftliche und politische Konsequenzen: »Die Episode der freien kann, der ja die politische Form der bürgerlichen Gesellschaft ist. industriellen Wirtschaft mit ihrer Dezentralisierung in die vielen Unternehmer, von denen keiner so groß war, dass er mit den an… und Staatszerfall deren nicht hätte paktieren müssen, hat die Selbsterhaltung in Grenzen des Humanen verwiesen, die ihr ganz äußerlich sind«, tt Im Nationalsozialismus stellt sich diese Gestalt als »amorphe schrieb er in dem Aufsatz »Vernunft und Selbsterhaltung«. Nun politische Form« dar, wie es der Politikwissenschaftler Gert Schäfer jedoch kehre die politische Form der »Herrschaft zu ihrem eigenen im Nachwort zu Franz Neumanns Analyse des Nationalsozialismus, Wesen zurück«. »Behemoth«, treffend bezeichnet hat. Er meint damit eine politische Im Liberalismus war der Kampf um die Selbsterhaltung demnach Form, die sich nicht mehr als Staat im Sinne einer geregelten Ordin den rechtlich vermittelten Konkurrenzverhältnissen der warennungsstruktur mit verteilten Kompetenzen und gar einer Teilung produzierenden Gesellschaft in gewissem Maße befriedet worden. der Gewalten fassen lässt. Neumann selbst hat daher auch vom Durch die Konzentrations- und Zentralisationsprozesse des Kapitals nationalsozialistischen Staat als einem Unstaat gesprochen. werde diese Konkurrenz zwar nicht abgeschafft, es verändere sich Bereits in einem Text von 1937 hatte Neumann den Prozess jedoch die Struktur der Konkurrent*innen: Diese treten nicht mehr beschrieben, der sich vollzieht, wenn sich die Racket-Struktur im als unzählige Individuen auf, sondern schließen sich in Rackets Verhältnis zur Souveränität durchsetzt und diese in letzter Konsezusammen. Und die haben es dank ihrer herausragenden gesellquenz auflöst: »Der Staat wird eine Institution, in der ein Paralleloschaftlichen Stellung vermehrt gar nicht mehr nötig, die eigenen gramm von Kräften wirksam ist, er wird eine Gemeinschaft, die sich partikularen Interessen mit jenen anderer sowie mit denen der organisch auf niederen Gemeinschaften aufbaut. Die Gewalt, die gesellschaftlichen Gesamtheit zu vermitteln. Daher, so Horkheimer, dieser Staat ausübt, ist keine äußere mehr, sodass die Souveränität haben sie auch kein »Interesse am Funktionieren des allgemeinen entfällt, sie ist vielmehr die Gewalt der organisierten Gemeinschaft Rechtssystems und an seiner unparteiischen Verwaltung« mehr: selbst.« Der Staat als »Parallelogramm von Kräften« zerfällt also in Die Rackets führen vielmehr den »Kampf gegen das Recht« wie rivalisierende Rackets. Ganz in diesem Sinne hat auch Otto Kirchgegen »alle Vermittlungen«, die im Liberalismus »ihr eigenes Leben heimer in einem Beitrag »Zur Frage der Souveränität« festgestellt, gewannen«. dass die theoretischen Bemühungen Carl Schmitts der Möglichkeit galten, einen Begriff des Politischen zu formulieren, welcher der Herrschaft der gegeneinander konkurrierenden, einander bekrieStaat, Souveränität … genden Rackets entspricht. Schmitt, so Kirchheimer, zielte auf einen tt Was hat es nun mit den Vermittlungen auf sich, die laut HorkBegriff des Politischen ab, ohne dass ein »dauerndes Subjekt der heimer von den Rackets bekämpft werden? Es handelt sich um Souveränität« überhaupt noch notwendig wäre, ohne ein Staatsgesellschaftliche Formen, die ohne Bezug auf die Kritik der politisubjekt also, »das darauf bedacht und in der Lage wäre, die Interschen Ökonomie nicht zu begreifen sind. Zu diesen Formen zählen essen und Wünsche der verschiedenen Gruppen und Parteien ins der Wert, der Markt, das Geld, der Vertrag und das Recht. In der Gleichgewicht zu bringen. [Schmitt] ging […] dazu über, Souveränität jenen Personen oder Gruppen zuzusprechen, die unter außerbürgerlichen Gesellschaft werden sie allesamt als ‚normale‘ Strukturbedingungen begriffen. Sie vermitteln diese Form der Gesellschaft gewöhnlichen Umständen sich als fähig erweisen, politische Herrangesichts der für sie charakteristischen Trennungen in einer Geschaft auszuüben.« iz3w • März / April 2022 q 389


»Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« von Bertolt Brecht

Nur unter Bezug auf die Konkurrenzverhältnisse auf dem Weltmarkt, auf dem die von den jeweiligen nationalen Ökonomien produzierten Werte im Tausch realisiert werden, ergibt daher auch die Rede von der Peripherie, an der bestimmte Staaten angesiedelt sind, einen Sinn. Allein in diesem Zusammenhang lässt sich also zugespitzt klären, »welche Form von Souveränität die Einheit annimmt, ob sie überhaupt noch eine annimmt oder in Rackets zerfällt«.1 Dies jedoch hat Horkheimer in seiner Racket-Theorie leider nicht expliziert. Vielmehr scheint er völlig von der Souveränität und der Existenz der Staaten zu abstrahieren, wenn er die Herrschaft der Rackets im globalen Maßstab denkt. Bereits 1935 schrieb er hierzu, die »herrschende Schicht« bestehe »nicht mehr aus zahllosen Subjekten, die Verträge schließen, sondern aus großen, von wenigen Personen kontrollierten Machtgruppen, die auf dem Weltmarkt miteinander konkurrieren«, und das scheinbar völlig losgelöst von den nationalen Märkten und ihren Beschränkungen.

Das Racket ist der Begriff für diese von Schmitt propagierte neue Grenzen des Ökonomismus »Substanz der politischen Einheit«, die letztlich eine post-etatistische, post-souveräne Einheit ist. Wo es aber nur mehr prekäre Übereintt Doch so wenig der Weltmarkt per nationalen Gesetzen, Zöllen künfte der Rackets gibt, da herrscht der auf Dauer gestellte Ausnahet cetera wirklich zu ‚bändigen‘ ist, so wenig lässt sich von diesen jeweiligen nationalen Bedingungen einfach abstrahieren. Und ebenmezustand im Inneren, und nach außen der permanente Kriegszustand. Die Verhältnisse, auch angesichts bloß prekärer gemeinsamer so wenig lässt sich die Herausbildung von Racket-Strukturen schlicht Interessen, bleiben instabil. Der Kampf der rivalisierenden Rackets aus der ökonomischen Tendenz ableiten, wie es Horkheimer bisweidarum, wer gerade die »Substanz der politischen Einheit« verkörpert, len nahelegt. Der von ihm mit dem Racket entwickelte Begriff des hört nicht mehr auf. Um trotz der unablässigen Politischen lässt sich also nicht im Sinne einer bloßen Funktion des ÖkonomiRacket-Kämpfe die Schaffung einer von Die Gesellschaft der Rackets Schmitt so genannten »in sich befriedeten schen begreifen. Es hängt, innerhalb […] organisierten politischen Einheit« zu ereines bestimmten ökonomischen Spielfunktioniert gemäß dem Modus zwingen, muss ihm zufolge eine Feindbestimraums und eingedenk des Weltmarktes, von Inklusion und Exklusion mung vorgenommen werden. Er selbst ließ nicht zuletzt von den konkreten Umständen einer gesellschaftlichen und keinen Zweifel daran, dass eine solche Einheit sich letztlich nur über die Bestimmung einer Feindschaft von politischen Ordnung und ihrem Personal ab, ob die ökonomische »äußerste[m] Intensitätsgrad« erreichen lässt, und dass dieser wahTendenz tatsächlich zur Aufhebung dieser Ordnung führt. re und totale Feind der Jude sei. Hier tritt die zentrale Bedeutung So zeigt sich historisch an Deutschland und den USA, welchen des Antisemitismus in der Kritik des Rackets hervor. Unterschied es macht, ob sich eine Gesellschaft in der Krise vollständig mit der Tendenz zur negativen Selbstaufhebung des Kapitals identifiziert, wie in Deutschland im Wahn von vermittlungsloser und Souveränität und Weltmarkt daher krisenfreier Mehrwertproduktion, die durch die Vernichtung tt In ihrer konsequenten Form ist die Kritik der Racket-Gesellschaft der Juden, die als Agenten der Vermittlung halluziniert wurden, also am Nationalsozialismus gebildet. Zu dessen ökonomischen vorangetrieben werden sollte. Oder ob es einen politischen Souverän gibt, der angesichts dieser Tendenz einschreitet, um die GrundVoraussetzungen gehört ganz zentral der Zusammenbruch des Weltmarkts, wie Alfred Sohn-Rethel in seiner Studie »Ökonomie lagen der Kapitalverwertung aufrechtzuerhalten beziehungsweise und Klassenstruktur des deutschen Faschismus« beschrieben hat. wiederherzustellen, wie die USA dies mit dem Kriegseintritt gegen Dadurch wurde dem nationalsozialistischen Wahn von wirtschaftDeutschland getan haben. licher Autarkie, die gegen den Weltmarkt und dessen VermittlungsMit Bandenherrschaft hat Horkheimers Racket-Theorie also nur sehr bedingt und vermittelt zu tun. In diesem Sinne könnte man formen gerichtet war, enorm Vorschub geleistet. Doch nicht nur mit Blick auf den Nationalsozialismus ist der zugespitzt sagen: Wer von Neoliberalismus und Beuteökonomie redet, Bezug auf den Weltmarkt von entscheidender Bedeutung. Auch und dabei über Souveränität und Weltmarkt als zwei aufeinander Gewaltökonomien lassen sich letztlich nur im Verhältnis der betrefbezogene Aspekte ein und desselben Verhältnisses – nämlich des fenden Gesellschaften zum Weltmarkt untersuchen. Ein Macht- und Kapitals – schweigt, bekommt auch von den Rackets keinen Begriff. Beuteanspruch lokaler Warlords beispielsweise, der im Erheben von Anmerkung Schutzgeld oder ähnlicher prekärer Territorialherrschaft besteht, lässt sich nur aufrechterhalten, solange keine organisierte politische 1 So Gerhard Scheit über diesen Zusammenhang in seinem bald im ça ira-Verlag erscheinenden Buch »Mit Marx«, das sich auch dem Verhältnis von SouveräniEinheit auf dem Territorium das Gewaltmonopol beansprucht und tät und Weltmarkt widmet. vor allem durchsetzt. Eine solche Durchsetzung aber ist umso schwerer zu erreichen, je weniger eine Gesellschaft auf dem Weltmarkt konkurrieren kann, um die lokalen Gewalt- beziehungsweise Beuteökonomien so durch Warenproduktion im Sinne einer tt Thorsten Fuchshuber ist Autor des Buches »Rackets – Kritische politischen Ökonomie zu ersetzen. Theorie der Bandenherrschaft« (ça ira-Verlag 2019). iz3w • März / April 2022 q 389

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Banden & Rackets der Setzung und Sanktionierung von Rechtsnormen; und nicht zuletzt der Schutz, den die Herrschenden vor Gewalt bieten. Wir gehen davon aus, dass heute jede Art von Herrschaft, formell oder informell, staatlich oder nichtstaatlich, diese Elemente enthalten muss. Angesichts der wieder aufkommenden (neo-traditionellen oder neuen) nichtstaatlichen Herrschaft ist eine der offenen Fragen, mit welcher Art von Staatlichkeit und welchem Bild von ‚Staat‘ wir es zu tun haben.

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Beteiligung der islamistischen Gruppen) und der malischen Regierung festgelegt wurden. Das von JNIM kontrollierte Gebiet, also die gesamte Region Kidal mit Ausnahme der Städte, wird jedoch auf andere Weise verwaltet. Diese Gebiete sind in klar voneinander abgegrenzte Sektoren unterteilt. Alle Menschen innerhalb eines Sektors sind einem Komitee unterstellt. Sowohl der Sektor als auch das Komitee, das ihn leitet und verwaltet, werden Husba genannt. Dieser Begriff stammt von der arabischen Wurzel »hasaba« (zählen, überprüfen, messen). Es ist bemerkenswert, dass die Grenzen eines Husba-Sektors weder willkürlich gezogen sind, noch ein MachtverErzwungene und freiwillige Finanzierung hältnis zwischen politischen Einheiten ausdrücken, sondern sich an tt Die Staatskrise im Sahara-Sahelraum bildet den Zwischenraum, der Praxis der Weidewirtschaft orientieren: Die Husba ist um einen in dem lokale, regionale oder globale Politiker*innen und MeiBrunnen zentriert, alle Weiden, Menschen und Tiere, die mit diesem nungsführer als Torwächter*innen zwischen dem (schwachen) Brunnen verbunden sind, gehören zur Husba. Staat, den Umbrüchen der »lokalen Arena« und der transnationaDas Husba-Komitee greift in alle Bereiche des Lebens ein. Es len Sphäre fungieren. So ist der Kampf um die Macht auf lokaler erhebt Steuern, organisiert das Bildungswesen, sorgt für die GeEbene auch von globalen Denkströmungen – islamischen und sundheitsversorgung, regelt Import und Export, sichert und kontsäkularen – geprägt. Es lassen sich zwei Kategorien von Akteuren rolliert den Sektor, beteiligt sich an den Anstrengungen des Dschihad gegen ausländische Eindringlinge und setzt unterscheiden: jene, die stark im Lokalen verwurzelt sind, und jene, die sich auf translokale die islamische Scharia durch. Die Auswirkungen Ein islamisch geprägtes dieser staatsähnlichen Ordnung auf die in ihr oder globale Denkströmungen beziehen. Politikmodell ist der Abgesehen von ideologischen Interessen lebenden Menschen sind groß. Selbst diejenigen, und der Legitimität spielt die Finanzierung eine die JNIM anfangs nicht unterstützten, gewöhnen gemeinsame Nenner große Rolle für den Erfolg der Milizen. Einige sich an sie, nehmen sie an oder werden in einen lokale Gruppen in Nordmali verbünden sich Prozess integriert, den man als differenzierte mit globalen Akteuren und Hilfsorganisationen, die vor Ort präsent Integration und Kooptation bezeichnen könnte. JNIM setzt dieses sind, um materielle Ressourcen und politische Unterstützung zu Instrument des Machtaufbaus bewusst ein, um ihre Herrschaft auf erhalten. Andere spielen die Karte der regionalen beziehungsweise eine solide Grundlage zu stellen. ethnischen Identität aus, um Anhänger*innen zu gewinnen und von der Regierung in Bamako Unterstützung jeglicher Art zu ‚erSchlechte Karten für den Staat pressen‘. Wieder andere versuchen, ihre materielle Reproduktion tt Die faktische Ordnung in vielen Orten Malis ist eine dem maliauf eine unabhängige Grundlage zu stellen, etwa durch die Erhebung der islamischen Zakat, einer religiösen Pflichtabgabe durch schen Staat diametral entgegengesetzte Alternative. Die Systeme konkurrieren miteinander. Viele Bewohner*innen der Region scheidie JNIM. Freiwillige Beiträge leisten individuelle Anhänger*innen nen eine neotraditionelle Herrschaft zu befürworten, sowohl in den aus Mali oder der Diaspora. Hinzu kommen wahlweise WegzollStädten als auch auf dem Lande. Für Tausende von Menschen in Forderungen an Handel und Schmuggel oder steuerähnliche Abgaben, die von Goldsuchenden geleistet werden müssen und eider Region ist der malische Staat weit weg, sichtbar nur in Form von gener, grenzüberschreitender Handel. Die JNIM greift darüber Flugzeugen, Drohnen, Hubschraubern oder bewaffneten Konvois, hinaus auch zu militärischen Mitteln und unternimmt Beutezüge die von Zeit zu Zeit einen ihrer Verwandten oder Stammesangehörigen gefangen nehmen oder töten; das JNIM-Modell hingegen vor allem gegen Basen der malischen Armee oder der MINUSMA. Wer nun die erfolgreichste Strategie fährt, ist umstritten. Die ist für sie die gelebte Realität. derzeitige Dominanz von JNIM und der CMA liegt vermutlich Die derzeitige Dominanz der JNIM und der CMA wird jedoch daran, dass nur sie in der Lage sind, der Bevölkerung in den von möglicherweise nicht sehr lange anhalten. Angesichts der hohen ihnen kontrollierten Gebieten wirksamen Schutz vor Gewalt zu politischen Dynamik in der Region, schnell wechselnder Allianzen bieten. Damit erfüllen sie eine zentrale Bedingung jeglicher, staatund der pragmatischen Nutzung unterschiedlicher ideologischer licher wie nicht-staatlicher, Herrschaft: den Schutz vor Gewalt. Auch Ausrichtungen kann sich die politische Konstellation schnell ändern. in Hinsicht auf das Gewaltmonopol, zu erbringende DienstleistunEs ist jedoch nicht schwer vorherzusagen, dass alle Bemühungen gen sowie Elemente von Recht und Territorialität entsprechen der malischen Regierung und ihrer westlichen Verbündeten, die diese Bündnisse den Kriterien, die heute an jegliche Form von vollständige Kontrolle über die nördlichen Regionen zurückzugeHerrschaft gestellt werden und die wir mit dem Konzept der ‚glowinnen und einen Status quo ante wiederherzustellen, mittelfristig balisierten Staatlichkeit‘ fassen. Diese Elemente schaffen durchaus scheitern dürften. Für viele sind die Alternativen zum malischen Staatsmodell attraktiver. Legitimität, auch wenn diese Legitimitäten nicht mit denen eines Rechtsstaates verwechselt werden dürfen.

Die CMA verwaltet und organisiert die Städte der Region Kidal im gesetzlichen Rahmen der malischen dezentralisierten Verwaltung sowie unter den Bestimmungen, wie sie 2015 im Friedensvertrag von Algier zwischen den bewaffneten Milizen (allerdings ohne tt

Dida Badi ist Professor der Anthropologie. Er ist an das CNRAH (Centre national de recherche anthropologique et historique) in Algier und an die Universität Bayreuth assoziiert. Zurzeit forscht er in Nordmali. Georg Klute ist Professor der Anthropologie der Universität Bayreuth. Seine zentralen Forschungsgebiete sind die südliche Sahara und der angrenzende Sahel. tt

Leben unter der Miliz

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Ein Spiel für junge und alte Linke und eine Zeitreise in die Geschichte linker Parolen und Demosprüche

Preis mit Begleitbooklet: 17 Euro zzgl. Portokosten zu bestellen über: info@iz3w.org

iz3w Backlist

2021/22

2020

iz3w 389: Rackets & Bandenherrschaft iz3w 388: Rassismus iz3w 387: Männlichkeit iz3w 386: Informelle Ökonomie iz3w 385: Monarchie Royal iz3w 384: Jugoslawien iz3w 383: Polizeigewalt iz3w 382: Welternährung

iz3w 381: iz3w 380: iz3w 379: iz3w 378: iz3w 377: iz3w 376:

Antisemitismus Science-Fiction Rechte Gewalt 75 Jahre UNO Mode Smartphones

Einzelheft 6 5,–

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2019 iz3w 375: iz3w 374: iz3w 373: iz3w 372: iz3w 371: iz3w 370: Eine Liste aller Ausgaben gibt es unter www.iz3w.org

Fundamentalismus Sozialstaaten Erinnerungskultur Klimawandel Über Verschwörungstheorien Gefängnisse und Strafsysteme Einzelheft 6 5,–

www.iz3w.org


Debatte

Die Entzauberung der Deutschen Zu »multidirektionaler Erinnerung« und Holocaustgedenken Die deutsche Übersetzung des bereits 2009 auf Englisch er­ schienen Buches »Multidirektionale Erinnerung« von Michael Rothberg hat im vergangenen Jahr eine rege Diskussion aus­ gelöst. In der iz3w diskutierten über postkoloniale Geschichts­ bilder und die Shoa bisher Jörg Später (iz3w 387) und Felix Axster (iz3w 388).

von Larissa Schober Die Heftigkeit, mit der Rothbergs Buch in Deutschland diskutiert wurde, hat mich überrascht. Von der Lektüre, die schon ein paar Jahre zurückliegt, war es mir weder als bahnbrechend noch sonderlich problematisch in Erinnerung geblieben. Auf den zweiten Blick überraschte es mich dann doch nicht, da es in der Debatte wenig um Rothbergs Buch selbst ging. Es war nur der Auslöser. Die teils polemische Debatte drehte sich um den Stand der deutschen Erinnerungskultur. Dabei ging es meiner Ansicht nach um das Verhältnis internationaler und deutscher Erinnerungskulturen, um jenes von Erinnern und Geschichte sowie immer wieder um akademisches Distinktionsbedürfnis und schließlich noch um das Verhältnis zu Israel. tt

Das angebliche Tabu Ins Zentrum der Debatte wurde jedoch ein anderer Aspekt gestellt: Die Frage nach der Singularität der Shoa und danach, ob man sie mit anderen Genoziden vergleichen dürfe (zugespitzt in einem ZEIT-Artikel von Rothberg und Jürgen Zimmerer unter dem Titel »Ent­tabuisiert den Vergleich!«). Dabei ist die Antwort einfach: Man darf das, und in der Geschichtswissenschaft wie auch in den in Deutschland noch recht jungen, international aber etablierten Memory Studies wird das seit Jahren gemacht. Die heftigen Diskussionen um diese Frage sind meines Erachtens reine Spiegelfechterei. In einigen Fällen, in denen behauptet wird, man dürfe nicht vergleichen, geht es weniger um den Vergleich an sich als um I­srael und seine Politik heute. Das gilt auch für Rothberg. In seinem Buch setzt er sinnvoll verschiedenes Gedenken zueinander in Beziehung und zeigt auf, wie Solidaritäten entstehen können. In dem ZEITArtikel behauptet er dann allerdings, dass ein »Verbot jedes Vergleichs und In-Beziehung-Setzens« der Shoa bestünde. In einem Artikel anlässlich des diesjährigen Holocaust-Gedenktages für die Johns Hopkins Universität schreibt er schließlich, dass das Beharren auf der Singularität der Shoa zu einer »weaponization of antisemitism« geführt habe. Diese Waffe werde nun gegen Israelkritiker*innen gerichtet. In solchen Fällen geht es nicht mehr ums Vergleichen und auch nicht um Erinnerungskultur. tt

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Opferkonkurrenz Ein weiterer richtiger Punkt, den Rothberg, Zimmerer und Moses machen, ist, dass der Holocaust in einigen Fällen genutzt wird, um Debatten um deutsche Kolonialverbrechen abzuwehren oder Rassismus zu verharmlosen. Auch dass Antisemitismus immer tt

Internationales Missverständnis Geht man zurück zur eigentlichen Auseinandersetzung über Erinnerungskultur, findet man bald ein erstes Missverständnis: Im tt

internationalen Kontext galt der deutsche Umgang mit dem Holocaust lange als vorbildlich. Das deutsche Wort Vergangenheitsbewältigung hat Eingang in die englischsprachige Forschung gefunden. Dabei war die Auseinandersetzung mit dem deutschen Umgang selten eine Kritische. Die häufig extrem positive Bezugnahme auf die deutsche Erinnerungskultur irritierte mich auch während meiner Forschung in England sehr: Im angelsächsischen Raum, aber auch in Israel, galt sie als Vorbild, gerade unter linken Historiker*innen. Und ja, von den frühen 2010er-Jahren aus betrachtet, hatte sich Deutschland mehr und auch kritischer mit der Shoa befasst als etwa Großbritannien mit seiner kolonialen Vergangenheit. Die problematischen Seiten der deutschen Erinnerungskultur fielen jedoch unter den Tisch. Heute, wo die Verbrechen des Kolonialismus und der Sklaverei endlich mehr Aufmerksamkeit erhalten, ändert sich das. Es fällt immer häufiger auf, dass es in Deutschland vergangenheitspolitisch vielleicht doch nicht so rosig aussieht. Der Mythos wird entzaubert. Und Entzauberung tut immer etwas weh. Die Heftigkeit, mit der etwa Dirk A. Moses in seinem Text »Der Katechismus der Deutschen« die deutsche Auseinandersetzung mit der Shoa angreift, erklärt sich zu einem Teil aus diesem Missverständnis (sowohl er als auch Rothberg kommen aus der englischsprachigen Forschung) – und aus der erlebten Entzauberung. Unter der unerträglichen Polemik von Moses Text liegen durchaus richtige Punkte begraben. So schreibt er: »Nachdem Deutschland nun nicht nur die gründlichste ‚Aufarbeitung der G ­ eschichte in der Geschichte‘ hinter sich gebracht hat, sondern auch Juden und Jüdinnen ‚wiederbelebt‘ hat, kann es im Bewusstsein seiner Rolle als Leuchtturm der Zivilisation wieder stolz unter den anderen Nationen stehen.« Das ist eine durchaus treffende Kritik am ‚Aufarbeitungsweltmeister‘ Deutschland. Auch Rothberg und Zimmerer sprechen in ihrem Artikel einen ähnlichen Punkt an. Im deutschen Kontext ist das allerdings nichts Neues. Aktivist*innen und Forscher*innen kritisieren schon lange, dass die Shoa wunderbar selbstgerecht zu positiver deutscher Nationalgeschichte umgedeutet werden kann und wird. Es ist eine Kritik an dem, was Eike Geisel 1984 »Die Wiedergutwerdung der Deutschen« nannte. Diese Stimmen wurden im internationalen Kontext bisher aller­ dings weniger wahrgenommen, deshalb ist die Kritik Moses dort für viele tatsächlich neu. Sie tut dort weh, weil sie die blinden Flecken des eigenen Denkens aufzeigt. Für jene, die sich schon lange an einer Kritik der deutschen Erinnerungskultur abarbeiten, ist der Text hingegen schmerzhaft, weil er ihre Bemühungen vollkommen ignoriert.

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Alles Glaubensbekentnis oder was? Dirk A. Moses arbeitet mit christlicher Polemik Foto: Ji-Elle CC BY-SA 4.0

der Kampf gegen Rassismus und gegen Antisemitismus immer nur auf Kosten des je Anderen geführt werden kann. Diese Kritik setzt an der völlig falschen Stelle an: Wenn etwa im konservativen deutschen Feuilleton die Verantwortung Deutschlands für Kolonialverbrechen in Namibia geleugnet wird, dann kann die Erinnerung an den Holocaust nichts dafür. Das Problem ist der Rassismus der Schreibenden.

Was ist eigentlich ein Genozid? Hinzu kommt bei Moses eine problematische Herangehens­weise an Genozide. Er betrachtet sie unter dem Aspekt einer Sicherheitslogik – und argumentiert im Falle der Shoa, dass es aus Sicht der Nazis durchaus ‚Sinn‘ gemacht habe, Jüdinnen und Juden zu ver­ nichten, da sie in deren Vorstellung eine Bedrohung für das deutsche Volk darstellten. Daraus schließt er dann, dass die Shoa nicht singulär war. Das ist ein zumindest seltsames Verständnis von Genoziden. Solche zeichnen sich gerade dadurch aus, dass es um Vernichtung geht. Menschen werden verfolgt und getötet, weil sie einer bestimmten Gruppe angehören. Natürlich steht hinter Massakern häufig die Wahnvorstellung, dass die verfolgte Gruppe wieder zum Problem ‚der Anderen‘, nämlich von Migrant*innen, eine Gefahr darstelle, egal ob in Ruanda, Srebrenica oder im ­Dritten Reich. Daraus ein ‚Sicherheitsbedürfnis‘ der Täter*innen stilisiert wird, muss problematisiert werden. Frustrierend ist dabei zu machen, kommt einer Rechtfertigung der Taten nahe und ist jedoch, dass alle drei nicht zwischen konservativen und progres­ siven Stimmen in der Debatte ein Schlag ins Gesicht der Opfer sämtunterscheiden. Was die Welt licher Genozide. Moses betrachtet oder die ZEIT schreiben, ist Genozide aus der Perspektive der Wenn Kolonialverbrechen geleugnet werden, eben nicht alles, was zu dem Sicherheitsforschung, die dafür wiskann das Holocaustgedenken nichts dafür Thema gesagt wird. Dadurch senschaftlich schlicht nicht über die werden Fälle wie der völlig richtigen Instrumente verfügt. In absurde Vorwurf der Verharmseinem Fall führt der akademische losung von Antisemitismus, den der CDU-Generalsekretär Paul Druck, stets neue Konzept zu entwickeln und anzuwenden, zu Ziemiak im Juni 2021 gegen die Publizistin Carolin Emcke erhob, analytischer Blindheit. nicht greifbar, weil alles in einen Topf geworfen wird. Man kann durchaus auf der Singularität des Holocausts beharUnd jetzt? ren, ohne ihn gegen Rassismus und/oder andere Genozide in Stellung zu bringen. Umgekehrt ist nicht jeder Versuch, Aufmerktt In der aktuellen Debatte gibt es viele wichtige Aspekte, die es samkeit für koloniale Gewaltverbrechen herzustellen, durch Schuldsich lohnen würde zu vertiefen. Felix Axster und Jörg Später haben abwehr bezüglich der Shoa motiviert, wie Felix Axster in iz3w 388 bereits einige benannt und beide haben sich über den Tonfall der Debatte beschwert. Überall wird von »denunziatorischer Kritik« richtig schreibt. Mit der Frontstellung wird die Chance vergeben, geschrieben, es ist schwierig, die wichtigen Punkte überhaupt zu produktive und progressive Bündnisse einzugehen. Neben diesen Punkten gibt es jedoch einiges an den Texten sehen. Dass die Debatte so scharf geführt wird, hat neben inhaltvon Moses, Rothberg und Zimmerer, das schlicht falsch ist. Beide lichen Differenzen auch viel mit Distinktionsbedürfnis zu tun. Texte fallen hinter Rothbergs Erkenntnis aus »Mulitdirektionale Polemik generiert Aufmerksamkeit. Letztendlich verstellt diese Erinnerung« zurück, nämlich dass Erinnerung kein Nullsummenspiel Polemik jedoch den Blick auf die Sache. ist. Bei Rothberg und Zimmerer steht die Erinnerung an den Holo­ caust der Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte angeblich im Weg. Moses Text trieft von der Vorstellung, dass tt Larissa Schober ist Mitarbeiterin im iz3w . tt

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Herstory: Feministisch-migrantische Interventionen Der von Encarnación Gutiérrez Rodríguez und Pinar Tuzcu herausgegebene Sammelband Migrantischer Feminismus in der Frauen:bewegung in Deutschland (1985 – 2000) lässt sich als Intervention gegen eine allzu oft weiße Perspektive auf – auch feministische – Geschichte betrachten. Anhand von Erinnerungen einzelner migrantischer Feminist*innen, als Prosa verschriftlichten Interviews sowie einer Sammlung spannender Fotos, Flugblätter und Tagungsprogramme entsteht ein umfassender und leichtfüßiger Ritt durch mehr als 15 Jahre migrantisch-feministische deutsche Geschichte. Zu lernen gibt es Einiges: Pinar Tuzcu beispielsweise übt Kritik an der gängigen Wellenbeschreibung und Periodisierung des Feminismus in Deutschland. In dieser Logik werden die 1990er-Jahre als ruhige Zeit des inneren (Generationen-)Konflikts beschrieben. Aus migrantisch-feministischer Perspektive waren die 1990er-Jahre hingegen geprägt von Selbstermächtigung und Kämpfen gegen die rassistischen und neonazistischen Brandanschläge, Pogrome und Morde, die oftmals unter Beifall eines nicht geringen Anteils der deutschen Bevölkerung stattfanden. Spannend ist auch die Beschreibung ­gemeinsamer Kongresse weißer und migrantischer Feminist*innen in den 1980er- und 1990er-Jahren. Auf die Kritik migrantischer Feminist*innen an rassistischen Denkmustern und Ausschlüssen tt

reagierten viele zwar betroffen, aber ablehnend. Die Reaktionen der weißen Feminist*innen erinnern dabei stark an die Abwehr linker Männer gegen feministische Interventionen, wie den berühmten Tomatenwurf auf das rein männlich besetzte Podium auf dem SDS-Kongress im Herbst 1968 in Frankfurt. Zugrunde liegt dem die Haltung »Ich bin doch links/feministisch, wie kann ich da andere diskriminieren?« Das Buch macht außerdem deutlich, dass die Suche nach diskriminierungsarmer und möglichst genauer Sprache nicht, wie oftmals von Kritiker*innen behauptet, ein Projekt von »oben« ist, sondern von sozialen Bewegungen, also von unten, vorangetrieben wird. Die Autor*innen legen dar, warum sie »migrantisch« verwenden, statt von Ausländer*in­nen zu sprechen. In anderen Zusammenhängen entschieden Frauen, nicht weiter von »türkischen Frauen« zu sprechen, sondern von »Frauen aus der Türkei«, um auch Kurdinnen, Armenierinnen, Christinnen und Frauen mit weiteren Hintergründe einzuschließen. Der Sammelband hilft, aktuelle feministische und migrantische Kämpfe in einem größeren Zusammenhang zu sehen und ist eine wichtige Würdigung dieser Kämpfe. Rebekka Blum Encarnación Gutiérrez Rodríguez und Pinar Tuzcu: Migrantischer Feminismus in der Frauen:bewegung in Deutschland (1985 – 2000). edition assemblage, Münster 2021. 360 Seiten, 16 Euro. tt

Gegen Rassismus schreiben Rassismus prägt den Alltag und ist allgegenwärtig – auch im Verhalten oder in Aussagen von Menschen, die behaupten, keine Rassist*innen zu sein. Das neue Sachbuch der Bayreuther Afrikanistin Susan Arndt, Rassismus begreifen, hält den Lesenden einen Spiegel vor. Arndt forscht seit vielen Jahren über rassistische Muster. Nun bietet sie eine differenzierte und dennoch gut verständliche Studie über rassistische Zuschreibungen und Bewertungen. Aus dem afrodeutschen Kolleg*innenkreis war vor allem Peggy Piesche eine wichtige Impulsgeberin. Ihr ist diese Neuerscheinung gewidmet. Das in drei große Kapitel gegliederte Buch beginnt mit der Black Lives Matter-Bewegung, stellt dann begriffliche Grundlagen, kritische konzeptionelle Überlegungen und Strömungen des Rassismus vor. Dem schließt sich ein Kapitel über die Geschichte rassistischer Machtmuster und Herrschaftsformen an, das von der Antike über die Kolonial- und NS-Zeit bis in die Phase der Dekolonisierung und in den Kalten Krieg führt. Rassismus im geteilten Deutschland wird anschaulich beschrieben. Das dritte Kapitel befasst sich mit Manifestationen des hiesigen Rassismus nach 1990 und bietet dabei auch globale Verweise. In diesem Kontext geht es um die notwendige Aufarbeitung von Kolonialverbrechen sowie um Entschuldigungs- und Entschädigungsdebatten. Auch der institutionelle Rassismus und rassistische Alltagserfahrungen werden diskutiert. Das Sprechen über Rassismus und selbstkritische Reflexionen über Wortwahl und Benennungen werden in diesem Kapitel ebenfalls genauer behandelt. tt

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Einer Liste mit hervorgehobenen Schreibweisen rassistischer Begriffe, die beim Lesen optisch zum Nachdenken auffordern, folgen ein Anmerkungsapparat und eine lange Literaturliste. Sie belegen den wissenschaftlichen Anspruch der Autorin, Strukturen aufzudecken, die in rassistischen Meinungen und Behauptungen zum Ausdruck kommen. Susan Arndt stellt klar: Rassismus reguliert ökonomische und politische Prozesse ebenso wie Wissenssysteme und Identitätszuschreibungen. Das Buch ist so aufgebaut, dass es als großer Wurf verschiedene Epochen und Ausformungen des Rassismus vorstellt, aber auch zum wiederholten Lesen einzelner Kapitel einlädt, um daraus Rückschlüsse auf das eigene Verhalten als Privilegierte zu ziehen. Doch ­Appelle an jede*n Einzelne*n reichen nicht: Die Autorin fordert konkrete Änderungen der gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen sowie Umsetzungen von Rechtsreformen und personelle Neuerungen zur Überwindung der verbreiteten Diskriminierung. Schließlich sei Rassismus eine systematische Ideologie, die strukturell in Herrschaftspraxen verankert ist, weshalb Machtzentren selbst dagegen angehen müssen, lautet ein wichtiges Fazit. Rita Schäfer Susan Arndt: Rassismus begreifen. Vom Trümmerhaufen der ­ eschichte zu neuen Wegen. C.H. Beck Verlag, München 2021. 477 G Seiten, 24 Euro. tt

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...Rezensionen Umwegkommunikation über Israel Seit Jahren wird debattiert, was israelbezogener Antisemitismus ist und wie damit umzugehen sei. Thomas Haury und Klaus Holz nahmen nun den Streit um die Einladung des postkolonialen Theoretikers Achille Mbembe zur Ruhrtriennale im Frühjahr 2020 zum Anlass, dieser Erscheinungsform des Antisemitismus auf den Grund zu gehen. In einer theoretisch anspruchsvollen Einleitung klären die Auto­ ren zunächst den Begriff des Antisemitismus. Ihre Rekonstruktion des Antisemitismus gegen Israel folgt der von Klaus Holz vorgelegten wissenssoziologischen Analyse des »nationalen Antisemitismus«, in dessen Semantik alles Jüdische als »Figur des Dritten« die nationale Ordnung der Welt mit ihren dichotomen Fremd- und Feindbildern aufzulösen droht: als »Anti-Volk« bedrohen »die Juden« sämtliche anderen »Völker« und Nationen. Damit unterscheidet sich dieser (anti-)moderne Welterklärungs-Antisemitismus deutlich von rassistischen Fremdbildern. In einem historischen Kapitel wird entsprechend nachgezeichnet, wie bereits gleichzeitig mit der zionistischen Bewegung lange vor Gründung des Staates Israel auch ein antisemitischer Antizionismus entstand. Alle heutigen Erscheinungsformen des Antisemitismus sind für die Autoren postnazistisch geprägt: Dabei rücken die im Antisemitismus ohnehin bereits angelegte, schuldabwehrende Täter-Opfer-Umkehr sowie eine in Codewörter (»Wallstreet«, »Ostküste«) verpackte und oft auf Israel gerichtete »Umwegkommunikation« ins Zentrum antisemitischer Vorstellungen. Die verschiedenen Ausprägungen und Milieus finden im Buch ihren Platz: Zum Thema »Antisemitismus von links« wird am spätstalinistisch-antiimperialistischen Antizionismus der DDR aufgezeigt, dass dieser im Rahmen des neuen Selbstbildes als »antifaschistischer Staat« ebenso postnazistisch war, wie sein Pendant in der antiimperialistischen Neuen Linken in Westdeutschland. Islamistischen Antisemitismus betrachten Haury und Holz als »islamisierten Antisemitismus«. Der moderne europäische Anti­ semitismus wurde, nunmehr »an eine islamistische Semantik angepasst«, zum heute verbreiteten »anti- und postkoloniale(n) Antisemitismus gegen Israel«. Zum Antisemitismus in der Migra­ tionsgesellschaft diskutieren die Autoren Studien aus dem pädago­ gischen Bereich, die das umstrittene Verhältnis zwischen »Anti­ semitismus von Muslim*innen und Rassismus gegen Muslim*innen« auch aus postkolonialer Perspektive reflektieren. Leider wird die Rolle der Islamverbände nicht beleuchtet, obwohl deren Akteur*innen immer wieder durch die Verbreitung von israelbezogenem wie auch klassischem Antisemitismus in den migrantischen Communities auffallen. Im Unterschied zu dieser Zurückhaltung befassen Haury und Holz sich etwa im Kapitel über christlichen Antisemitismus gegen Israel ausführlich mit dem Verhalten der Amtskirchen zu israelbezogenem Antisemitismus aus ihren Reihen. Die vor allem in fundamentalistisch-evangelikalen Kreisen verbreitete Israel-Unterstützung dagegen erweist sich für die Autoren als antijudaistisch grundiert und zeigt Überlappungen zur Neuen Rechten auf. Denn tt

auch in der Neuen Rechten gibt es einen plakativ pro-israelischen Flügel, den die Autoren vor allem im Umfeld der AfD ausmachen. Sie sehen hier eine postnazistische Entlastungsstrategie am Werk, die den Antisemitismus durch Projektion auf muslimische Mi­grant*­ innen und Linke externalisiert und die Shoa zwar formal anerkennt, sie aber als unbedeutend für die heutige ‚deutsche Identität‘ bagatellisiert. Angesichts der gleichzeitigen Propagierung welterklärender Verschwörungsmythen etwa über einen ‚großen Austausch‘ sehen sie eine rechte Strategie der »Wiedergewinnung einer anti­ semitischen Weltanschauung«. Im Kapitel über identitätspolitischen Antirassismus beleuchten Haury und Holz die Kontroversen um israelbezogenen Antisemitismus exemplarisch an der antiisraelischen Boykottkampagne BDS und an Texten Judith Butlers, die sich mit BDS-Unterstützung und fragwürdigen Äußerungen zu antisemitischen Gruppen wie Hamas und Hisbollah den Antisemitismusvorwurf einhandelte. Die Autoren halten fest, die BDS-Kampagne selbst sei »zwar nicht komplett antisemitisch, aber erheb­liche Teile von BDS sind eindeutig antisemitisch«. Butler ignoriere das AntisemitismusProblem bei BDS vollständig und blende die Möglichkeit antisemitischer Positionen innerhalb antirassistischer und postkolonialer Bewegungen systematisch aus, auch weil sie Antisemitismus fälschlich nur als Unterform von Rassismus wahrnehme. In der festgefahrenen Auseinandersetzung Antirassismus versus Antisemitismuskritik sehen Haury und Holz beiderseits »Vereinseitigungen und Verhärtungen« und konstatieren eine »gescheiterte Vermittlung«. Leider gehen sie aber nicht näher auf die von ihnen immerhin als Anlass für das Buch genannte Mbembe-Debatte ein, obwohl gerade dieser Streit exemplarisch verlief: Die Verteidiger*innen Mbembes taten jede noch so gut belegte Antisemitismuskritik als rassistische Schmähkampagne ab, während seine Kritiker*innen teils das gesamte heterogene Feld des Postkolonialismus als antisemitisch kontaminiert vom Tisch wischten. Und dieses Muster wiederholt sich bei jeder neuen Kontroverse um israelbezogenen Antisemitismus, sei es im Falle der Moderatorin Nemi El-Hassan oder bei der documenta15. Haury und Holz wenden sich daher gegen jede »identitätspolitische Zurichtung« von Rassismuskritik wie Antisemitismuskritik und empfehlen einen »bedingten Univer­ salismus«. Damit ist gemeint, die wechselseitige Bedingtheit von Rassismuskritik und Antisemitismuskritik selbstkritisch zu r­ eflektieren und darüber eine universalistische Perspektive zu ent­wickeln. Insgesamt belegt das vorliegende Buch die »pandemische Präsenz« des israelbezogenen Antisemitismus in all seinen Varianten mit eindrucksvoller Materialfülle und ordnet sie theoretisch komplex in den modernen Antisemitismus ein. Das sollten auch jene würdi­ gen, die nicht alle wissenschaftlichen und politischen Schlussfolge­ rungen der Autoren teilen. Udo Wolter Klaus Holz und Thomas Haury: Antisemitismus gegen Israel. Hamburger Editionen, 2021. 424 Seiten, 35 Euro. tt

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Szene ...

»Überlastet, ungesehen, un(ter)bezahlt. Wir streiken! Gemeinsam gegen Patriarchat und Kapitalismus«. Am 8. März 2022 ist es wieder soweit – der feministische Kampftag mit Demos, Aktionen und Vorträgen steht vor der Tür. Es geht gegen se­xualisierte Gewalt, Trans- und Queerfeind­ lichkeit und patriachale Machtstrukturen. tt www.frauenstreik.org tt

Mit der Amtsübergabe an Präsident Andrés Manuel López Obrador in Mexiko waren im Dezember 2018 große Hoffnungen auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage verbunden. Die Online-Tagung Menschenrechte in Mexiko. Eine Halbzeitbilanz der Regierung López Obrador diskutiert die Situation entlang der Themen geschlechtsspezifische Gewalt, Milita­ri­ sierung, Wirtschaft, Migration und Menschenrechte. Am 31. März und 1. April diskutieren zivilgesellschaftliche Akteur*­ innen aus Mexiko und Deutschland per Zoom. tt www.mexiko-koordination.de tt

Die Internationalen Aktionswochen gegen Rassismus finden vom 14. bis 27. März in verschiedenen Städten statt. In Freiburg hat das iz3w gemeinsam mit dem Netzwerk respect! ein breites (Online-) Programm auf die Beine gestellt. Die Programme der verschiedenen Städte findet ihr bei euren lokalen Initiativen; und teilweise bei: tt www.stiftung-gegen-rassismus.de/iwgr tt

t Aktion Dritte Welt e.V. informationszentrum 3. welt, Kronenstraße 16a (Hinterhaus), D-79100 Freiburg i. Br. Telefon: 0761 / 740 03, Fax: 0761 / 70 98 66 E-Mail: info@iz3w.org Bürozeiten: Montag bis Freitag 10 bis 16 Uhr

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Redaktion

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Robert Gather, Nikolas Grimm, Kathi King, Svenja Lichtenberg, Rosaly Magg, Christin Meusel, Winfried Rust, Larissa Schober, Clara Taxis, Anna Wessely

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Vertrieb für den Buchhandel

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Pakistan

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Herausgeberin

Impressum

Das CINELATINO, die bundesweit bedeutendste Plattform für spanisches und lateinamerikanisches Kino, findet dieses Jahr im Frühling vom 6. bis 13. April in vier Festivalstädten statt: Tübingen, Stuttgart, Reutlingen und Freiburg. Der regionale Schwerpunkt liegt dabei auf den Andenländern. Thematisch widmet sich die aktuelle Ausgabe des Festivals Indigenen Stimmen: Kämpfe um Sichtbarkeit und eine gerechtere Welt. tt www.filmtage-tuebingen.de tt

tt Unser Länderschwerpunkt 2022 dreht sich um das fünftgrößte Land der Welt, einem Nachbarn der aufsteigenden Wirtschafts- und Re­ gionalmächte Indien, China und Iran. Dazu teilt Pakistan die Grenze mit Afghanistan. Schon die Länder­ be­zie­hungen Pakistans sind hoch­ spannend. Die Zivilgesellschaft wird durch eine international bekannte Filmschaffende vertreten sein. Außerdem geht es um Fridays for Future Pakistan, um Minderheitenrechte der queeren Community, um die Arbeitswelt im Land, um Menschenrechte sowie den Islamismus und sein Verhältnis zum Militärstaat.

Jahresabonnement (6 Ausgaben) t Inland: € 36,- (für Geringverdienende € 28,-), Förderabonnement ab € 52,t Ausland: Europa € 43,- oder Übersee € 49,-

t Kündigungen bis zum Erhalt des letzten

Hef­tes, sonst automatische Verlängerung t Aboverwaltung: abo@iz3w.org

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