Vorhang auf für die Eiche

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Bündner Wald

Vorhang auf für die Eiche

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Jahrgang 73 | Juni 2020

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20 Inhalt Titel Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Eiche fördern, heisst Eiche kennen . . . . . . . . . . . . . . . 8 Die Eiche in Graubünden – eine Übersicht . . . . . . . . . . . . 14 Eichenförderung im Domleschg . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Die Eiche im Vinschgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Wildeinfluss auf die Eiche in der Schwei . . . . . . . . . . . . 34 Die Eiche wehrt sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Klemmschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Eichen im Schams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Weshalb die Sumpfeiche von Interesse sein könnte . . . . . . . 48 Von der Eichel zum Risotto al Tartufo . . . . . . . . . . . . . . 52 Säge Tenna – bald ein Jahrhundert in Betrieb . . . . . . . . . . 56 Kantonsförster Reto Hefti geht neue Wege . . . . . . . . . . . 58 Urban Maissen betritt neues Terrain . . . . . . . . . . . . . . 61 Vorschau «Bündner Wald» August 2020 . . . . . . . . . . . . 63

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Titelbild: Ein starker, markanter Stamm, eine imposante Krone und dauerhaftes Holz. Damit wird die Eiche gerne in Verbindung gebracht.

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(Bild: Patrick Bonfils, p oQuercus)

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Die stolzen Steineichen auf der kroatischen Insel Brijuni prägen die Landschaft, spenden Schatten und fühlen sich dort offensichtlich wohl. (Bild: Public Institution Brijuni National Park, Gregor Kervina)

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Editorial Die Eiche – ein stolzer Baum. Weshalb soll ausgerechnet die Eiche «ein stolzer Baum» sein? Und, was ist damit gemeint und welche der verschiedenen Eichenarten ist da angesprochen? Verhält sich die Eiche etwa arrogant oder unterdrückend gegenüber ihrer Umwelt, wie das gewisse Menschen zu tun pflegen? Nein, das Urteil bezieht sich vielmehr auf meine ganz persönliche Wahrnehmung. In meiner Zeit im Mittelland beeindruckte mich die Eiche irgendwie in ähnlicher Manier wie bei uns die Arve. Und als ich Eichen Jahre später an für mich unerwarteten Standorten wieder begegnete, glaubte ich etwas zu spüren, was nicht immer da ist. Es ist schon so, man kann eigentlich nicht einfach von «der Eiche» sprechen, weil ihre Unterarten so zahlreich wie auch unterschiedlich sind. Und doch haben diese Unterarten für mich etwas Gemeinsames: Sie faszinieren mich. Sei es die vollschaftige, mächtige Stieleiche auf den schweren Böden des Mittellandes, die knorrige Flaumeiche auf den äusserst trockenen und felsigen Hängen unserer Nachbarn im Vinschgau oder auch die weit ausladende Steineiche an Kroa­tiens Küsten, sie alle haben eine starke Ausstrahlung. Das scheint eine altbekannte Stärke der Eiche gemeinhin zu sein. Ob in der Antike Griechenlands, bei den Römern, den Kelten oder auch bei den Germanen – immer wieder tritt die Eiche als Baum mit Verbindung zu Göttern in Erscheinung. In verschiedenen Wappen, auf Münzen, beim Kartenspiel, im waidmännischen Brauchtum und bei verschiedensten anderen Gelegenheiten treffen wir die Eiche auch heute noch an. Die Verbreitungslinie der Eiche wurde in der Vergangenheit aus unterschiedlichen Gründen zurückgedrängt. Mancherorts sind in Archiven noch Hinweise auf ehemalige Eichenvorkommen zu finden, so etwa in Zusammenhang mit Weiderechten für Schweine. Heute wären die klimatischen Bedingungen für die Ausdehnung des Verbreitungsareals für die Eiche bestimmt günstiger als noch vor 100 Jahren. Auch der Mensch müsste eigentlich daran inte-

ressiert sein, die Eiche zu fördern. So zählen doch einige Eichenarten in Zusammenhang mit dem aktuellen Klimawandel mitunter zu den vermutlich attraktivsten einheimischen Baumarten der Zukunft. Die Sache mit der Eichenförderung scheint aber nicht ganz so einfach zu sein, wie dies auf den ersten Blick erscheinen mag. Es gibt in unseren Wäldern jemanden, der sich als sehr intelligent, anpassungsfähig und bisweilen auch durchaus hungrig zeigt. Der Rothirsch – ein stolzes Tier. Nebst anderen jungtriebliebenden Paarhufern ist er bei uns der grösste seiner Familie. In des Waidmanns Augen scheint die Förderung der Paarhufer manchmal stärker gewichtet zu werden als die Förderung artenreicher Wälder mit klimafitten Baumarten, was teils auch in der Natur der Sache liegt und aus dieser Sicht verständlich wirken mag. So lässt es sich vielleicht erklären, dass dem Förster, der diesbezüglich für den Wald der Öffentlichkeit einsteht, da oder dort sogar Missbrauch seiner Stellung und egoistisches Vertreten von Eigeninteressen unterstellt wird. Dass die gleichzeitige Förderung der Eichen- und Huftierbestände beinahe der Quadratur des Kreises gleichkommt, wird – sachlich betrachtet – kaum ein Forstmann oder Waldbesitzer ernsthaft in Abrede stellen. Bleibt zu hoffen, dass es uns gemeinsam gelingt, sowohl unseren Fleisch und Pflanzen liebenden Wildtieren wie auch den Eichen und anderen klimabeständigen Baumarten einen Lebensraum von hoher Qualität und genügender Ausdehnung anzubieten und zu sichern. Redaktor Jörg Clavadetscher

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Eiche fördern, heisst Eiche kennen Nach der letzten Eiszeit wanderten zuerst Pionier­­­gehölze ins Gebiet der heutigen Schweiz ein. Im Wärmeoptimum erreichte dann die anspruchsvollere Eiche ihre maximale Ausbreitung. Seit dieser Eichenmischwaldzeit besteht eine enge Beziehung zwischen Mensch und Eiche. Diese hält bis heute an und ist umso wichtiger, als die Buche oft noch die konkurrenzkräftigere Baumart ist. Die Förderung der Eiche setzt gute Artkenntnisse voraus. Patrick Bonfils, Denis Horisberger, Raffael Ayé, Pascal Junod, Erich Tiefenbacher, Vivien Pleines, Stefan Studhalter, Christian Rellstab

Wald- und Forstgeschichte Während der letzten Eiszeit (Würm-Glazial, vor ca. 115 000 bis 10 000 Jahren) war der Alpenraum fast vollständig mit Eis bedeckt. Mit der Erwärmung des Klimas zogen sich die Gletscher zurück und machten den Weg frei für die Wiederbesiedlung durch verschiedene Gehölzarten. Pionierarten wie Weiden, Birken, Föhren und die Hasel machten den Anfang. Im Wärmeoptimum des Atlantikums (7500 bis 4500 vor unserer Zeit) konnten sich dann anspruchsvollere Arten wie Ulmen, ­Eichen, Linden, Ahorne und Eschen etablieren. Während dieses nacheiszeitlichen Wärmeoptimums erreichte die Eiche ihre maximale Ausbreitung und prägte den Namen dieser Periode, die Eichenmischwaldzeit. Im darauf folgenden Sub­ boreal drängten die Schattenbaumarten Buche (Fagus sylvatica), Fichte (Picea abies) und Tanne (Abies alba) die Eiche allmählich zurück. In die Eichenmischwaldzeit fällt auch das Neolithikum, die Jungsteinzeit, welche den Übergang zur sesshaften Lebensweise des Menschen markiert. Die frühesten Spuren einer Nutzung von Eichenholz fallen ebenfalls in diese Zeit: So wurden für den Bau einer Ufersiedlung am Wauwilermoos (LU) im Jahre 4300 v. Chr. schon Eichenstämme und -bretter verwendet. Die Beziehung zwischen Mensch und Eiche ist im Laufe der Jahrhunderte immer enger geworden. Viele Orts- und Flurna-

men wie Hard, Eyfeld, Chanet, Chassagne unter anderem weisen auch heute noch auf die ehemals grosse Bedeutung der Eiche hin. Im Mittelalter wurde die Eiche für die Schweinemast sehr stark gefördert. Der damals im Mittelland verbreitete Mittelwaldbetrieb und die Nutzung der Eichenrinde für das Gerbereigewerbe hatten eine starke, künstliche Bevorzugung der Eiche zur Folge. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts verloren die Eichenwälder allerdings wieder an Bedeutung und wurden während des 19. Jahrhunderts vielerorts in Nadelholzbestände umgewandelt. Lokal wurde die Eiche aber weiterhin gefördert. Trotz Klimawandel ist es bis heute aber so, dass die Eiche aufgrund der Konkurrenzstärke der Buche vielerorts noch auf die Unterstützung des Menschen angewiesen ist. Die Ökologie der wichtigsten einheimischen Eichenarten Die Gattung Quercus, zu der weltweit rund 450 Eichenarten gehören, ist im Schweizer Wald durch vier heimische Eichenarten vertreten: die Stieleiche (Quercus robur L.), die Traubeneiche (Q. petraea [Mattuschka] Liebl.), die Flaumeiche (Q. pubescens Willd.) und die Zerreiche (Q. cerris L.). Hinzu kommt die aus dem Nordosten Amerikas stammende Roteiche (Q. rubra L.), welche Ende des 17. Jahrhunderts in die Schweiz eingeführt wurde. Die in der Schweiz vorkommenden Eichenarten

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Umweltfaktoren und Ansprüche

Stieleiche

Traubeneiche

Flaumeiche

Wärmebedarf

relativ breite Amplitude

relativ breite Amplitude

breite Amplitude (Sommerwärme sehr wichtig)

Licht

sehr anspruchsvoll

anspruchsvoll

sehr anspruchsvoll

Wasserversorgung

ständig gut wasserversorgt

ständig oder variabel

benötigt sehr wenig Wasser

Trockenheit

empfindlich

tolerant

resistent

Boden

verlangt tiefgründige Böden, basisch bis sauer

erträgt wenig tiefgründige Böden, nährstoffarm, basisch bis sauer (Baumart mit breiter Amplitude, «plastisch»).

erträgt sehr flachgründige Böden, basisch; wächst sogar auf trockenen Felsvorsprüngen

Nährstoffversorgung

mässig anspruchslos (bevorzugt fruchtbare Böden)

anspruchslos

anspruchslos

Tabelle 1: Die Charaktereigenschaften der drei wichtigsten Eichenarten in der Schweiz.

sind mit rund 2 % am Gesamtvorrat des Schweizer Waldes beteiligt (8,1 Mio. m3). Die Traubeneiche hat einen Vorratsanteil von 55 %, die Stieleiche einen solchen von 39 %. Die beiden anderen heimischen Eichenarten, die Flaumeiche und die Zerreiche sind zwar nicht von wirtschaftlicher, dagegen von ökologischer Bedeutung.

Abbildung 1: Typische Blätter der Stieleiche.

(Quelle: ETH Zürich 2002 und proQuercus 2019)

Stieleiche (Quercus robur L.) Die Stieleiche ist ein grosser, bis zu 40 m hoher, unregelmässig verzweigter Baum; der Stamm löst sich oft frühzeitig in starke Äste auf. In der Jugend ist die Stieleiche raschwüchsiger als die Traubeneiche und erreicht die Kulmination des Höhenzuwachses früher als andere forstliche Hauptbaum-

(Fotos: Denis Horisberger)

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arten. Das mögliche Höchstalter wird auf etwa 1000 Jahre geschätzt. Die Stieleiche ist eine Baumart mit grosser Klimaamplitude und besiedelt neben ozeanisch geprägten Gebieten auch die deutlich kontinentaleren eurasiatischen Klimaräume. Sie dringt weiter nach Osten, Norden und Süden vor als die Traubeneiche. Die Hauptverbreitung in der Schweiz liegt in der kollinen und submontanen Stufe. Die Stieleiche besiedelt als Einzelbaum Standorte bis 1400 m ü. M. Im Qualitätswaldbau wird sie bis 600 m ü. M. angebaut. Limitierende Faktoren für die waldbauliche Arbeit sind ihre Empfindlichkeit gegenüber Spätund Frühfrost sowie der Schneedruck. Die Traubeneiche (Quercus petraea (Matt.) Liebl.) Die Traubeneiche ist ein grosser, bis zu 40 m hoher, unregelmässig verzweigter Baum; ihr Stamm ist (im Unterschied zur Stieleiche) häufig bis zum

Abbildung 2: Typische Blätter der Traubeneiche.

Wipfel durchgehend («wipfelschäftig»). In der Jugend ist sie raschwüchsig (aber weniger als die Stieleiche) und erreicht die Kulmination des Höhenzuwachses früher als andere forstliche Hauptbaumarten. Das mögliche Höchstalter wird auf etwa 1000 Jahre geschätzt. Die Traubeneiche ist eine Baumart, die vor allem in den ozeanisch geprägten Klimagebieten des subatlantisch-submediterranen Raums gedeiht. Der Verbreitungsschwerpunkt der Traubeneiche in der Schweiz liegt in der kollinen und submontanen Stufe. Sie steigt bis 1400 m ü. M. und kann bis ca. 700 m ü. M. im Qualitätswaldbau verwendet werden. Limitierende Faktoren sind der Wärmebedarf und die Empfindlichkeit gegenüber Spätfrost und Schneedruck. Die Traubeneiche ist eine ausgesprochene Lichtbaumart. Der Jungwuchs erträgt den Schatten etwas länger als die Stieleiche. Sie ist wärmebedürftig und empfindlich gegenüber Winterkälte (gefährdeter als Stieleiche).

(Fotos Denis Horisberger)

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Abbildung 3: Typische Blätter der Flaumeiche.

Flaumeiche (Quercus pubescens Willd.) Die Flaumeiche ist ein mittelgrosser, bis zu 20 m (max. 30 m) hoher, unregelmässig verzweigter und oft krummwüchsiger Baum. Ihre Wuchsleistung ist geringer als diejenige der Stiel- und Traubeneiche. Die Flaumeiche ist eine Baumart, die vor allem im submediterranen Raum gedeiht. In der Schweiz liegt ihre Hauptverbreitung in der kollinen und submontanen Stufe. Im Wallis erreicht sie als Einzelbaum 1600 m ü. M.; bestandesbildend kommt sie bis zu 1300 m ü. M. vor. Sie ist nur bedingt nutzholztauglich, wurde aber früher als Brennholz genutzt und kann im Schutzwald eine wichtige Rolle spielen. Als limitierende Faktoren gelten der Wärmebedarf und die Spätfrostempfindlichkeit. Sie kommt auch auf extrem trockenen Felsköpfen vor und ist genügsam in Bezug auf die Nährstoffversorgung. Diese ausserordentliche Genügsamkeit und Überlebenskraft der Flaumeiche kann auf der Waldbrandfläch (2003) in Leuk (VS) beobachtet werden. Aus den

(Bilder: Denis Horisberger)

verkohlten Stöcken der Flaumeichen sind – auch Jahre nach dem Waldbrand – neue Triebe hervorgegangen. Artbestimmung Der erfolgreiche Umgang mit der Eiche erfordert gute Artenkenntnisse und damit auch die Fähigkeit, die verschiedenen Eichenarten voneinander zu unterscheiden. Die sichere Artbestimmung ist wesentlich, um die standortgerechte Bewirtschaftung dieser Baumarten zu gewährleisten (siehe Tabelle 1). Nur so kann sichergestellt werden, dass die «richtige Eichenart auf den richtigen Standort» zu stehen kommt. Stiel-, Trauben- und Flaumeichen sind zum Teil schwer auseinanderzuhalten; dies umso mehr als diese Eichen sich kreuzen können (hybridisieren, durchmischen). Ein Bestimmungsschlüssel, der von Denis Horisberger entwickelt wurde, erlaubt die Artbestimmung anhand von vier Merkmalen der Blattmorphologie:

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1 Verhältnis zwischen Steillänge (St) und Länge der Blattspreite (BS)

c

x

Buchte 3

b

x

Anzahl Buchtennerven in den untersten drei Buchte 6 Buchtenpaaren von der Blattbasis aus gezählt.

d

Auf der Blattunterseite zählen!

Buchte 5

Lupe empfohlen!

Buchte 2 Buchte 1

SEi ROB UNB UNB TEi / TEi xFEi PET / FEi

PETxPUB, Abbildung 4: Erstes Unterscheidungsmerkmal: relative Länge des Blattstiels.

e

Buchte 4

–– Es werden nur diejenigen Buchtennerven gezählt, die vom Mittelnerv ausgehen und mindestens bis zur Mitte zwischen Mittelnerv und Blattbucht kommen (a). Wenn dies nicht der Fall ist (b und c), wird der Nerv nicht gezählt. –– Der Buchtennerv wird auch gezählt, wenn er über den Buchtengrund hinausläuft. (d). –– Wenn zwei Buchtennerven in dieselbe Bucht laufen, wird nur einer gezählt (e).

BS

St

a

(zVg. proQuercus)

1. Verhältnis zwischen Blattspreite und Stiellänge (Abbildung 4). 2. Anzahl Buchtennerven in den drei ersten Blattbuchtenpaaren von der Blattbasis aus gezählt (Abbildung 5). 3. Behaarung des Blattstiels 4. Behaarung des Mittelnervs und der Verzweigung zu den Seitennerven (auf der Blattunterseite) Mit dem Schlüssel können diese Merkmale beurteilt und die drei einheimischen Eichenarten – die Stiel- (SEi), Trauben- (TEi) und Flaumeiche (FEi) – bestimmt werden.

Abbildung 5: Zweites Unterscheidungsmerkmal: Anzahl Buchten­nerven.

(zVg. proQuercus)

PUB Aufgrund der grossen natürlichen Formenvielfalt, der Möglichkeit der Durchmischung (siehe unten, «Hybridisierung») und der Wirkung von Umwelteinflüssen kann es vorkommen, dass die Unterscheidungsmerkmale eines Blatts nicht zu den klar definierten Arten führen. In diesem Falle wird die

Der Bestimmungsschlüssel in Form eines Faltblatts ebenso wie das dazugehörige Merkblatt 06 Arterkennung bei den Eichen mit weiteren Informationen und Erklärungen können von der proQuercus-Website heruntergeladen werden. www.proquercus.ch

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Bezeichnung «Unbestimmt» (UNB) verwendet. Der Bestimmungsschlüssel beschreibt ein morphologisches Kontinuum zwischen der Trauben- und Flaumeiche. Dies begründet die Beschreibung ­einer intermediären Form dieser beiden Arten, welche als TEixFEi bezeichnet wird. Hybridisierung zwischen Eichenarten Zahlreiche Kreuzungsexperimente und genetische Untersuchungen zeigen, dass Stiel-, Trauben- und Flaumeiche Gene austauschen können. In der Natur sind dieser sogenannten Hybridisierung allerdings Grenzen gesetzt, da die Eichenarten zum Beispiel zu unterschiedlichen Zeitpunkten blühen oder ihr Pollen unverträglich ist. Neben diesen physiologischen und phänologischen Reproduktionsbarrieren wirkt auch die natürliche Selektion durch Umweltfaktoren des Standorts den Hybriden entgegen. Die Hybridisierung ist einerseits so selten, dass die Artgrenzen erhalten bleiben und anderseits doch so häufig, dass die Arten über Kreuzung und Rückkreuzung Gene austauschen können. Die Übertragung arttypischer Merkmale auf eine andere Art wird bei drastischen Umweltveränderungen (Klimawandel) als Stärke des «Gesamtsystems» verstanden. Eine Untersuchung morphologischer und genetischer Merkmale von zahlreichen Eichenbeständen der Schweiz zeigt, dass es neben vielen reinen auch gemischte und durchmischte Bestände gibt. Die Analysen zeigen die grosse Nähe von Trauben- und Flaumeiche, während sich die Stieleiche deutlicher abgrenzt. In der Schweiz führt die enge Verzahnung von Flaum- und Traubeneiche zu hybriden Übergangsformen. Diese bilden südlich (Tessin, Wallis) und nördlich der Alpen (südliche Juraketten, Aargauer Jura, St. Galler und Churer Rheintal) ausgedehnte Schwärme. Neuste Untersuchungen mit modernsten genetischen Methoden bestätigen die relativ häufige Durchmischung von Flaum- und Trauben­ eiche (im Vergleich zur Durchmischung mit der Stieleiche).

Patrick Bonfils ist freierwerbender Forstingenieur, naturavali.com. Denis Horisberger ist ehemaliger Kreisförster aus dem Kanton Waadt und Mitglied des Vereins proQuercus. Raffael Ayé amtet als Geschäftsführer von Birdlife Schweiz und hat Einsitz im Vorstand von proQuercus. Pascal Junod ist Co-Leiter der Fachstelle Waldbau FWB, Kreisförster NE und Vorstandsmitglied von proQuercus. Erich Tiefenbacher, Kreisförster TG, ist auch im Vorstand von proQuercus. Auch Vivien Pleines, Kreisförster VD, ist Teil des Vorstands von proQuercus. Stefan Studhalter, Kreisförster ZH, präsidiert den Verein proQuercus. Christian Rellstab arbeitet an der WSL in der Abteilung Ökologische Genetik.

Literaturverzeichnis auf www.buendnerwald.ch

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Die Eiche in Graubünden – eine Übersicht Die Eiche im Kanton Graubünden scheint auf den ersten Blick eine Randerscheinung, ihr Anteil am gesamten stehenden Holzvorrat beträgt weniger als ein Prozent. Viele dieser Bestände sind in ihrer Erhaltung bedroht, denn nur wenige Eichenbestände in Graubünden sind natürlicherweise konkurrenzfähig. Aufgrund ihrer charakteristischen Strukturen und der besonderen ökologischen Bedeutung werden die durch ehemalige Bewirtschaftung geprägten Eichenbestände deshalb an den wichtigsten Standorten gefördert, um diese einzigartigen Lebensräume auch zukünftig zu erhalten. Dr. Marco Vanoni

Die Verbreitung der Eichenarten in Graubünden In Graubünden werden für alle grösseren Waldeigentümer (ab 40 ha) in regelmässigen Abständen Betriebspläne erstellt, in welchen detaillierte Bestandeskartierungen erarbeitet werden. Damit kann heute auf knapp 90 Prozent der Waldfläche eine ungefähre Abschätzung der Eichenvorkommen erfolgen. Für die nachfolgenden Beschreibungen der Verbreitung wurden sämtliche Bestände ausgewählt, in welchen die genannte Eichenart erfasst wurde, unabhängig ob die Eiche nur als Einzelbaum oder bestandesbildend vorkommt. Bei der Erfassung werden insgesamt fünf Eichenarten unterschieden, dies sind Traubeneiche, Stieleiche, Flaumeiche sowie Roteiche und Zerreiche. Bei den Aufnahmen gilt zu beachten, dass nur schlecht oder gar nicht zugängliche Bestände genauso wie unproduktive Flächen innerhalb des Waldareals nicht beschrieben werden. Auch sind Unsicherheiten bei der Ansprache im Feld nicht auszuschliessen, da diverse Eichen morphologisch nicht immer eindeutig zu unterscheiden sind oder sich hybridisieren können. Weitaus am häufigsten ist die Traubeneiche (Quercus petraea) in Graubünden verbreitet. Auf rund

5500 ha der kartierten Bestände stocken Traubeneichen. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich von der nördlichen Kantonsgrenze in der Bündner Herrschaft bis ins Prättigau (bis Saas i. P.), durch das Churer Rheintal bis weit hinauf in die Surselva (Trun) und in das Domleschg sowie weiter bis ins Schams (Andeer). Auch in den Bündner Südtälern Misox und Calancatal, Bergell und Puschlav ist die Traubeneiche weit verbreitet. Am zweithäufigste kommt die Stieleiche (Quercus robur) vor, sie stockt auf etwa 870 ha. Ihr Verbreitungsgebiet deckt sich im Groben mit demjenigen der Traubeneiche. Im Gegensatz zur Traubeneiche findet sich die Stieleiche in Nordbünden eher an feuchteren Gebieten mit tiefgründigen Böden und sie tritt weit seltener bestandesbildend auf. An dritter Stelle der Flächengrösse folgt bereits die eingeführte Roteiche (Quercus rubra) auf 38 ha. Auf der Nordseite ist sie an ganz wenigen Stellen rund um Malans und Landquart zu finden, auf der Alpensüdseite wächst sie im Misox (bis ungefähr Cabbiolo) sowie am Eingang zum Calancatal. Die Zerreiche (Quercus cerris), welche in der Schweiz nur im südlichen Tessin als einheimisch gilt, stockt gemäss Bestan-

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Verbreitung der drei häufigsten Eichenarten in Graubünden gemäss Bestandeskartierung.

deskartierungen an einem einzigen Ort im Kanton, namentlich bei Leggia im Misox. Die Flaumeiche (Quercus pubescens) hingegen, welche gemäss Flora von Graubünden auch in der kollinen bis montanen Stufe in Graubünden im Rheintal verbreitet (Frey und Bichsel 2013) und gemäss Flora Helvetica ebenfalls im Puschlav beheimatet ist, fehlt in den heutigen Bestandeskartierungen gänzlich. Zu erwarten wäre die Flaumeiche meist in strauchiger Form namentlich in den wärmsten Talgebieten auf trockenen, heissen Abhängen oder Felsvorsprüngen sowie in Waldföhrenbeständen zwischen Maienfeld und Tamins, woher auch die letzten Beobachtungen bekannt sind. Weitere Nachforschungen wären sicher wertvoll, denn es werden oft Mischformen mit der Traubeneiche vermutet, die ohne vertiefte Kenntnis nicht als Flaumeiche erkannt werden können. Funde oder

Eicheln der Traubeneiche.

(Bild: AWN)

(Bild: Jürg Hassler)

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Vermutungen zu vorkommenden Flaumeichen nimmt das Amt für Wald und Naturgefahren gerne entgegen. Die standörtlichen Bedingungen für Eichenwälder als Dauerwaldgesellschaften finden sich im Kanton Graubünden meist nur in tiefen Lagen auf flac gründigen, felsigen Standorten mit sehr hoher und langer täglicher Sonneneinstrahlung bis etwa 1000 m ü. M. Meist handelt es sich um relativ kleinflächige süd- bis südwestexponierte mehr oder weniger steile Felsenlagen, die in höheren Lagen in Föhrenwälder als Dauerstadien übergehen. Dennoch sind diese wenigen Gebiete nicht zu vernachlässigen, denn eine Modellierung der potenziellen natürlichen Vegetation hat ergeben, dass in Graubünden und im Kanton Tessin zusammen etwa 90 Prozent aller natürlichen Eichenwälder der Schweiz liegen würden (Mühlethaler et al. 2007).

Die Eiche in der forstlichen Planung Im Jahr 2019 wurde der neue Waldentwicklungsplan (WEP) 2018+ in Kraft gesetzt. Im Objektblatt Natur und Landschaft wird die Eiche bei der Förderung besonderer Gehölze thematisiert. Für die Eichen­förderung wurde basierend auf den Eichenbeständen eine Priorisierung vorgenommen und kartografisch festgehalten. Es sind dies aktuelle Eichenbestände, welche eine hohe Qualität aufweisen oder gefährdet sind und in den kommenden Jahren mit Finanzmitteln für die Waldbiodiversität gefördert und erhalten werden sollen. Mit rund 2000 ha wird ungefähr ein Drittel der Eichenbestände in Graubünden auf der Karte im WEP 2018+ ausgewiesen. Damit die Waldeigen­ tümer bei Fördermassnahmen Beiträge von Bund und Kanton erhalten können, sind die Projektvorschriften zu berücksichtigen. Hier werden die

Lage der fünf Sonderwaldreservate zur Eichenförderung in Nordbünden.

(Bild: AWN)

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Eichen im Sonderwaldreservat Eichwald Tamins.

E­ ichen unter der Kategorie «Förderung besonderer Gehölze» thematisiert: Das Ziel ist die Erhaltung und Förderung von Vorkommen an Standorten, welche der natürlichen ökologischen Nische entsprechen. Für die Eichenförderung wurde auch eine Richtlinie erarbeitet, die wichtige Hinweise zur Objektauswahl und für das konkrete Vorgehen bei der Eichenförderung liefert. Neben der Eiche werden übrigens auch die Arve und die Weiss­tanne in ihren jeweiligen Reliktgebieten gefördert sowie weitere seltene und wertvolle Baumarten wie Eibe, Wildobst, Schwarzpappel, Elsbeere, Speierling, Mehlbeere, Ulme, Linde, Hopfenbuche, Felsenkreuzdorn und Lorbeerweide. Im Kanton Graubünden wurden bisher 36 Sonderwaldreservate eingerichtet, die alle auf einen konkreten Förderzweck ausgerichtet sind. Bei fünf dieser Reservate ist die Eichenförderung das übergeordnete Ziel oder eines der Hauptziele. Es handelt sich dabei um den Eichwald Castiel (Aro-

(Bild: Jürg Hassler)

sa, 22 ha), den Eichwald Maladers (Chur, 21 ha), den Eichwald Tamins (Tamins, 108 ha), die Tumalandschaft (Domat/Ems, 32 ha), und Plontabuora (Ilanz/Glion, 25 ha). Unterhalb der Dörfer im vorderen Schanfigg sind diverse Wälder mit der Bezeichnung «Eichwald» zu finden, die beiden genannten Eichwälder unterhalb von Maladers und Castiel wurden als Sonderwaldreservate ausgeschieden. Das Sonderwaldreservat «Eichwald» Tamins besteht aus einem Mosaik von ökologisch wertvollen Eichenwäldern sowie Trockenwiesen und -weiden. Dieser Eichenwald ist neben einem Eichenwald oberhalb von Maienfeld («Bovel») eines von nur noch zwei vorhandenen Relikten früherer Eichenhaine in Nordbünden, in denen neben der Produktion von wertvollem Eichenholz auch die Nutzung der Eicheln für die Schweinemast eine tragende Rolle gespielt hat. Die Tumalandschaft Domat/Ems umfasst die typischen Tumas (Hügel), welche in und um Domat/Ems ein auffälliges

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Landschafselement darstellen. Drei Zielsetzungen werden auf den 12 Tumas verfolgt: Offene lichte Südseiten, Laubholz auf Nordseiten und gestufte Waldränder im Häuser- und Strassenbereich. Die Eiche als wichtigste und häufigste Baumart wird dabei wo immer möglich gefördert und erhalten. Das Sonderwaldreservat Plontabuora südlich von Ruschein (Gemeinde Ilanz/Glion) bezweckt im unteren Teil die Förderung und Erhaltung der natürlichen Traubeneichewälder, direkt angrenzend im oberen Teil werden Lärchenweidwälder erhalten. Die Eiche nach einem Waldbrand Ein virtueller Waldrundgang ist im Eichenwald «Motela» in Mesocco möglich. Von insgesamt fünf

Standorten können Aufnahmen zu sieben verschiedenen Zeitpunkten zwischen Januar 2017 und August 2018 betrachtet werden (comparaison.­ sylvotheque.ch > Tour auswählen, Klick auf «+» für gleichzeitige Darstellung von Aufnahmen zu anderen Zeitpunkten). Es handelt sich dabei um einen wichtigen Schutzwald oberhalb der Nationalstrasse A13, in welchem ein Waldbrand zum Jahreswechsel 2016/2017 eine Fläche von rund 120 ha Wald stark beschädigt und teilweise vollständig zerstört hat. Viele der stattlichen Eichen auf etwa 700 bis 1000 m ü. M. haben das Feuer überstanden und bereits im Frühling 2017 wieder ausgetrieben, auch wenn einige vital scheinende Bäume mit bereits hohlen Stämmen vollständig ausgebrannt sind. Der Bestand präsentiert sich aktuell weiterhin stabil, einzelne verzögerte Abgänge kommen aber weiterhin vor. Marco Vanoni leitet seit 2016 den Bereich Schutzwald und Waldökologie des Amts für Wald und Naturgefahren in Chur und ist zuständig für die Koordination der Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Waldbiodiversität in Graubünden.

Literatur Amt für Wald und Naturgefahren, 2018: Wald­ entwicklungsplan (WEP) 2018+, Regionen 1 bis 5. www.wep.gr.ch. Amt für Wald und Naturgefahren: Projektvorschriften für Sammelprojekte Waldbau ab 2020, Handbuch Grüner Bereich. Frey, Hans-Ulrich und Bichsel, Markus, 2013: Konzept zur Förderung der Eiche in Nordbünden. Amt für Wald und Naturgefahren Region Rheintal/ Schanfigg. 6 S. Mühlethaler, U., Reiser, Y. & Rogier, N. (2007): Potentielle Eichenwuchsgebiete und wertvolle Eichenwälder in der Schweiz. Schweizerische Hochschule für Landwirtschaft SHL, Zollikofen. 95 S. Zustand der Eichen in der Waldbrandfläche im Oktober 2017.

(Bild: Marco Vanoni)

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Eichenförderung im Domleschg Die einheimische Traubeneiche kann offensichtlich gut mit Trockenheit umgehen und sollte somit vom Klimawandel und den damit einhergehenden veränderten Bedingungen (Anstieg der mittleren Jahrestemperatur, Abnahme der mittleren Sommerniederschläge) profitieren können. Als Herberge für Hunderte von Arten wird ihr ein hoher Naturwert zugesprochen. Auch deshalb wollen wir die Traubeneiche bei uns haben und fördern sie mit Leib und Seele entsprechend den waldbaulichen und betrieblichen Handlungsoptionen. Lukas Kobler, Karl Ziegler

Ausgangslage und Zustand In den Jahren 2001 und 2002 wurde im Auftrag des damaligen Amts für Wald Graubünden von Maurizio Veneziani (dipl. Forsting. ETH) das Konzept zur Erhaltung und Pflege naturkundlich und landschaftlich wertvoller Eichenwälder im Gebiet Domleschg-Heinzenberg erarbeitet. Einleitend heisst es darin: Das Gebiet Domleschg/Heinzenberg weist besondere Klima-, Boden- und Vegetationsverhältnisse auf. Diese und die verschiedenen Nutzungsformen der letzten Jahrhunderte haben zur Entstehung einer strukturreichen Landschaft geführt, die von einer reichhaltigen Biodiversität charakterisiert ist. Ein Aspekt dieser Biodiversität ist der Reichtum an Traubeneichen, die im Gebiet bestandes- und gruppenweise, wie auch als Einzelbäume vorkommen. Natürliche Traubeneichenwälder sind in der Schweiz ziemlich selten. Die heutige Verbreitung der Traubeneiche ist stark kulturlandschaftlich geprägt. Bei nachlassender Pfleg und Nutzung würde die Traubeneiche rasch an Areal einbüssen oder teilweise sogar ganz verschwinden. Die Situation hat sich gegenüber 2001/2002 ­insofern verändert, als dass aufgrund des «Eichenkonzepts» und insbesondere entsprechend den Zielsetzungen der Waldentwicklungsplanung

Abbildung 1: Eichenvorkommen Domleschg (Nr. 36 ist die Fläche Spunda Beala; die Fläche Summa Crappa ist links davon).

(Bild: AWN)

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und Projektvorschriften Biodiversität verschiedene Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Eichenvorkommen umgesetzt werden konnten. Im Domleschg/Heinzenberg wurden rund 60 fl chige Eichenvorkommen und Waldränder mit hohem Eichenanteil mit einer Gesamtfläche von ca. 85 ha beschrieben und kartografisch festgehalten (vergleiche Abbildung 1: Eichenvorkommen Domleschg). Im ganzen Gebiet kommt praktisch ausschliesslich die Traubeneiche (Quercus petraea) vor. Sie kann reine Bestände auf trockenen und flachgründigen Böden der kollinen bis submontanen Stufe bilden. Im Domleschg kann sie durch den Föhneinfluss auch höhere Stufen erreichen. Man geht davon aus, dass Pionierstadien der Gamander-Traubeneichenwaldgesellschaft häufig mit Föhren bestockt sind. Heute ist im Gebiet Domleschg/Heinzenberg eine Verbreitung der Eiche augenfällig. Die Föhrenbestände in der Talebene des Domleschg sind, wo die Lichtverhältnisse es zulassen, durchwachsen mit Eichennaturverjüngung, ebenso wie die trockenen bis frischen höheren Lagen des Domleschgs und des Heinzenbergs bis rund 1000 m ü. M. (Tendenz steigend). Forstlich ist grundsätzlich genügend Licht zu schaffen.

Abbildung 2: Eichenverjüngung in einem Föhrenwald in der Domleschger Talebene.

(Bild: Lukas Kobler)

Allgemeine Ziele und Massnahmen In Anlehnung an die übergeordneten Zielsetzungen und das damalige Eichenkonzept verfolgen wir damals wie heute folgende Ziele: –– vorhandene Eichenbestockungen als seltene, kulturhistorische, landschaftsprägende Elemente und Lebensraum für eine grösstmögliche Anzahl von Pflanzen- und ierarten (insbesondere für seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet) in ihrer Flächenausdehnung erhalten und erweitern, qualitativ aufwerten und zur vollen Entfaltung ihres Naturwerts flächig verteilen und vernetzen Betreffend Massnahmen heisst das konkret: –– offener Waldcharakter mit einer artenreichen Krautschicht schaffen und erhalten –– Entbuschen (insbesondere Hasel) –– einwachsende Nadelbäume entfernen –– Totholz schaffen (stehen und liegend); alte Eichen erhalten –– Habitatbäume oder Spechtbäume stehen lassen –– wo zusätzlich andere seltene beziehungsweise besondere Gehölze vorkommen, diese an ihren angestammten Standorten sichern, insbesondere hinsichtlich Klimawandel (Samenbäume erhalten) –– neue Eichenbestockungen begründen –– Verjüngung und Bestandesbegründung grundsätzlich mittels Naturverjüngung (Eichenmast ausnutzen), sonst autochthon verjüngen mittels Wildlingen und/oder entsprechende Provenienzen aus dem kantonalen Forstgarten –– Wildschutzmassnahmen Besonderes 2010 wurde im Gebiet Spunda Beala (Vergleich unten) eine Dauerbeobachtungsfläche des Instituts für Angewandte Pflanzensoziologie (IAP) eingerichtet und mittels einer Vereinbarung rechtlich gesichert. Die Dauerbeobachtungsflächen dienen der Erhebung wissenschaftlich fundierter Fachkenntnisse bezüglich der Zusammenhänge zwischen Waldgesundheit und Umweltbelastung. Die Datenreihen

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geben Hinweise über die Entwicklung des Waldzustands und bieten wichtige Grundlagen für forstliche Massnahmen und umweltpolitische Entscheide. Umsetzungsbeispiele In der Folge sind hier zwei Beispiele konkreter Massnahmen im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung, Pflege und Begründung von Eichenbeständen im Domleschg beschrieben. 1. Eichenprojekt Spunda Beala 2009–2013 Ausgangslage Am Südhang unterhalb der Ortschaft Scheid an der Spunda Beala stockt ein reiner Edelgamander-Traubeneichenwald (40*). Das Besondere an dieser Fläche ist ihre Höhenlage (1000 bis 1100 m ü. M.) und ihre Flächenausdehnung (6 ha). Damit handelt es sich um einen der höchstgelegenen, reinen Traubeneichenbestände der Schweiz. Das vorwiegend starke Baumholz ist nicht natürlich entstanden, sondern das Produkt einer jahrhundertealten Nutzung durch den Menschen.

Abbildung 3: Übersicht Summa Crappa links und Spunda Beala rechts von Tomils ( Bildmitte ) vor Eingriff Summa Crappa 2011

(Bild: Lukas Kobler)

So konnten sich diese Bestände über Jahrzehnte erhalten, bis Mitte des letzten Jahrhunderts die Nutzung durch die Landwirtschaft extensiviert wurde. Als Folge davon machte sich in den lichten Eichenbeständen eine üppige Strauchschicht breit, dominiert von der Hasel. Dadurch verschlechterten sich die Ansamungs- und Verjüngungsbedingungen der lichtbedürftigen Eichen massgeblich. Und ohne gezielte Massnahmen würden sich letztlich die Nadelhölzer das Areal zurückerobern. Ziel/Wirkung Ziel des Eingriffs ist es, den Eichenbestand als Landschaftselement und Lebensraum mit einer aus­serordentlich hohen Lebensraumqualität und vielen ökologischen Nischen langfristig zu erhalten. Die gemeinsam festgelegten waldbaulichen Ziele und Massnahmen wurden im Rahmen der Anzeichnung durch den Regionalforstingenieur und den Revierförster umgesetzt und sichergestellt. Als Wirkungsgrösse wurde ein Bestand angestrebt, der zu 95 Prozent aus Eichen besteht, einen Deckungsgrad von maximal 75 Prozent aufweist und eine Kronenlänge der Stabilitätsträger von mindestens ½ aufweist. Massnahmen/Umsetzung –– Erhaltung naturschützerisch wertvoller alter, grosskroniger Eichen mit Baumhöhlen, Totholz oder Eichenstöcke erhalten –– lichte bis lückige, strauchschichtarme Strukturen schaffen –– Verjüngungsgruppen mit Schutzmassnahmen begründen –– Begehungswege zur besseren Erreichbarkeit der Pflegeflächen erstell Aufgrund der topografischen Gegebenheiten erschien eine Nutzung des Eichenbestands mittels Seilkran als nicht sinnvoll. Der untere Teil des Bestands konnte mittels Bodenzug an die Abfuhrstrasse gerückt werden. Im oberen Bereich des Schlags wurde ein Teil des Holzes mit dem Zappin

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vorgerückt und der andere Teil als Totholz im Bestand liegen gelassen. So konnte auch den Interessen vieler auf Totholz angewiesener Insekten (Hirschkäfer) Rechnung getragen werden. Die umfangreichen Arbeiten wurden in Regie durch eine einheimische Forstunternehmung ausgeführt.

Ringeln Die in einem Teil der Fläche reichlich vorkommenden Pappeln wurden «geringelt». So konnte eine starke Verbreitung durch Wurzelbrut verhindert werden. Menge Holzernte

Entbuschen/Freihalten von Blössen Ein zentrales Anliegen der waldbaulichen Zielsetzung war die Entfernung der Strauchschicht, die sich zum grössten Teil aus Haseln zusammensetzte. Besonders «schöne» Haselexemplare wurden als sogenannte Bienenweide geschont. Ebenfalls geschont wurde ein grosser Teil der ökologisch wertvollen Dornensträucher (Vogelbrut). Wildschutzmassnahmen Damit das angestrebte Ziel, die Schaffung von ­einigen Eichenverjüngungsgruppen erreicht werden konnte, mussten 477 lm Wildschutzzäune erstellt werden. Die Pfosten für diese Zäune konnten vor Ort aus den vorhandenen Eichen hergestellt werden, was die Kosten etwas reduzierte.

Kosten pro Einheit

423 m3

Fr. 31 095.00

Fr. 73.50/m3

Entbuschen

143 Aren

Fr. 7 736.00

Fr. 54.10/a

Freihalten von Blössen

162 Aren

Fr. 6 708.00

Fr. 41.40/a

477 lm

Fr. 37 206.00

Fr. 78.00/lm

Pflanzung

950 Stk.

Fr. 7 150.00

Fr. 7.52 Stk.

311 lm

Fr. 6 842.00

Fr. 22.00/lm

22 Stk.

Fr. 616.00

Fr. 28.00/Stk.

Wildschutzmassnahmen Begehungswege Ringeln

Gesamtkosten

Fr. 97 353.00

Übersicht über die geleisteten Massnahmen «Spunda Beala» und ihre Kosten.

(Kalkulation: Revierforstamt Ausserdomleschg)

2. Umwandlungsprojekt Summa Crappa 2011

Pflanzung Ein Muss ist das Einbringen von autochthonem Pflanzmaterial. Zu diesem Zweck wurden junge ­Eichen aus einem nahe gelegenen Wildschutzzaun ausgegraben und als Wildlinge in die neuen Verjüngungsflächen eingepflanzt. An einigen Stellen wurden als Alternative zur Pflanzung vor Ort gesammelte Eicheln gesteckt. Diese Massnahme erwies sich aber nur als bedingt effizient, da viele der Eicheln im Winter von Nagetieren als Nahrung genutzt wurden und somit nur ein sehr bescheidener Teil keimen konnte.

Ausgangslage Die Fläche Summa Crappa grenzt südwestlich unmittelbar an den Eichenbestand Spunda Beala an. Darauf stockte ein dichter, reiner Föhrenbestand von qualitativ schlechtem, schwachem bis mittleren Baumholz. Er liegt auf knapp 1000 m ü. M. und hat eine Ausdehnung von 0,75 ha. Nördlich an diese Fläche grenzt ein offener Trockenrasen mit selten vorkommenden Pflanzenarten wie der Fiederzwenke oder dem Blasenstrauch und Arten, die in der Regel im Mittelmeerraum heimisch sind wie der Französische Tragant oder der Schmetterlingshaft (Insekt).

Begehungswege Mit der Erstellung von Begehungswegen kann die Fläche für zukünftig nötige Unterhalts- und Pfl gemassnahmen besser erreicht werden.

Ziel/Wirkung Umwandlung des Föhrenbestands in einen standortgerechten Laubmischwald mit Fokus auf die Traubeneiche. Bestandesbegründung und Ent-

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wicklung hin zu einem reinen EdelgamanderTrauben­eichenwald nach dem Beispiel der Fläche Spunda Beala. Langfristige Sicherstellung von beigemischten Samenbäumen verschiedener standortgerechter Laubholzarten (zum Beispiel Mehlbeere). Massnahmen/Umsetzung –– Föhrenbestand abräumen –– Schlagfläche räume –– Erstellen eines Wildschutzzauns um die ganze Fläche –– Bestandesbegründung Traubeneichenbestand durch Naturverjüngung –– Ergänzungspflanzungen autochthoner rauben­ eichen und Speierlinge

Abbildung 5: Der heutige Traubeneichenwald Spunda Beala.

(Bild: Karl Ziegler)

Abbildung 4: So präsentierte sich der Eichenwald Spunda Beala nach der Holzernte. Die Schlagräumung ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt.

(Bild: Karl Ziegler)

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Holzernte/Schlagräumung Der Föhrenbestand wurde über die ganze Fläche im Vollbaumverfahren genutzt, zum Lagerplatz gerückt und an grosse Haufen geschichtet. Die wenigen stabilen Laubhölzer (Birke, Eiche, Mehlbeere) die sich da und dort zeigten, wurden geschont. Mit Grosshackmaschinen wurde das Material gehackt und nach Domat/Ems in die Axpo Tegra geführt. Ein grosser Teil der Räumung konnte maschinell erfolgen.

Probleme und Herausforderungen Bezüglich der Erhaltung und Förderung der Eichenvorkommen im Domleschg stehen wir folgenden Herausforderungen gegenüber: Naturverjüngung/Wald-Wild Der Wildeinfluss auf die Waldverjüngung im Domleschg ist derzeit so hoch, dass selbst verbissunempfindliche Baumarten wie Fichte oder Birke darunter leiden. So leidet auch die Eiche unter dieser äusserst unbefriedigenden Situation. Ausserhalb der Wildschutzzäune ist eine flächige Verjüngung der Eiche nicht möglich und ohne eine deutliche Entschärfung der Situation langfristig nicht sichergestellt. Hinzu kommt die Verbuschung durch den Adlerfarn, wenn sich nicht in nützlicher Frist die Verjüngung einstellt. Die Verbreitung der Eiche wäre dagegen insbesondere durch den Eichelhäher kein Problem.

Wildschutzmassnahmen Aufgrund des hohen Wildeinflusses wurde um die ganze Fläche ein Wildschutzzaun errichtet. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich das Laubholz auch tatsächlich etablieren kann. Der heute sichtbare Erfolg gibt uns recht. Bestandesbegründung/Pflanzung Aufgrund der langjährigen Beobachtungen der Naturverjüngung und Verbreitung der Traubeneiche im Domleschg wurde bewusst auf die zu erwartende Naturverjüngung gesetzt und auf die Bepflanzung der gesamten Fläche verzichtet. Die angestrebte Umwandlung des Bestands hätte eine Auspflanzung der gesamten Fläche auch nicht rechtfertigen lassen. Es wurden lediglich auf circa einem Viertel der Fläche autochthone, aus dem Nachbarzaun ausgegrabene Eichen als Ergänzung gepflanzt. Als Spezialität wurden noch sechs durch eine Privatperson gezogene Speierlinge im Topf eingebracht. Der Speierling ist eine empfindlich und darum sehr seltene licht- und wärmebedürftige Baumart.

Holzernte/Schlagräumung Wildschutzmassnahmen Bestandesbegründung/ Pflanzung

Abbildung 6: Summa Crappa 2011 dichter Föhrenbestand vor dem Eingriff.

(Bild: Karl Ziegler)

Menge

Kosten

pro Einheit

257 m3

Fr. 17 476.00

Fr. 68.00/m3

332 lm

Fr. 24 414.00

Fr. 73.54/lm

430 Stk.

Fr. 3 360.00

Fr. 7.81 Stk.

Gesamtkosten Übersicht über die geleisteten Massnahmen und ihre Kosten.

Fr. 45 250.00 (Kalkulation: Revierforstamt Ausserdomleschg)

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Abbildung 7: Summa Crappa 2011 direkt nach der Entfernung der Föhren.

Nassschneefälle/Schneedruck Da die Eiche generell und insbesondere deren Jungwuchs sein Laub sehr spät im Herbst oder gar nicht verliert, ist sie besonders anfällig bezüglich Nassschneefällen und den damit einhergehenden Schneedruckschäden. Im Zusammenhang mit den Effekten des Klimawandels werden die Ereignisse vermutlich zunehmen und tendenziell auch in höheren Lagen stattfinden. Um flächige Schäden zu minimieren, muss jeweils gehandelt werden, indem an neuralgischen Punkten Entlastungsaktionen durch Schütteln der Baumkronen organisiert werden. Da die jungen Eichen sehr flexible Stämme haben, können aber auch noch «Aufbindeaktionen» nach den Schneefällen nützlich sein.

(Bild: Karl Ziegler)

Nachhaltige Pflege der Eichenflächen Eichenförderungsmassnahmen sind, wenn sie Wirkung zeigen sollen, zeit- und kostenintensiv. Massnahmen zur Offenhaltung von lichten Beständen umfassen in der Regel Eingriffe in den Altbestand und in die verjüngungshemmende Strauchschicht. Da diese Baum- und Straucharten nach dem Rückschnitt meist starke Stockausschläge bilden, ist es äusserst wichtig, solche Flächen in regelmässigen, möglichst kurzen Abständen zu pflegen. Auf dem Holzmarkt erzielen unsere Eichen aufgrund der mangelnden Qualität derzeit zudem nur bescheidene Holzerlöse. Damit die Waldbesitzer weiterhin solche Massnahmen umsetzen können, werden weiterhin Fördermittel der öffentlichen Hand oder anderweiti-

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ge Unterstützungsgelder nötig sein, und zwar nicht nur für den Ersteingriff, sondern insbesondere für die sogenannte Nachpflege als Verantwortung der Bewirtschafter gegenüber den «Investoren». Auch die Eigentumsverhältnisse machen es nicht immer leicht, die Flächen zu pflegen, geschweige denn die Pflege nachhaltig sicherzustellen. Solange insbesondere dem Privatwaldbesitzer keine Kosten entstehen, ist er bereit, die Fläche pflege zu lassen(!). Diesbezüglich ist aber auch das entsprechende Bewusstsein für den Naturwert der Eichenvorkommen beim Waldeigentümer und der Bevölkerung zu schaffen. Das schafft nicht nur ökologischen, sondern auch ökonomischen Goodwill. Zukunftsaussichten Sich verändernde gesellschaftliche Ansprüche, das nächste Virus und der Klimawandel werden die Forstwirtschaft und die «Waldbauer» vor grosse Herausforderungen stellen. Mit der Eiche haben wir im Domleschg glücklicherweise eine einheimische Baumart, die sich sehr gut an die zu erwartenden klimatischen Verhältnisse anpassen könnte, wenn wir sie lassen. Wir wünschen uns, dass die nachfolgenden Verantwortlichen auf allen Stufen die Weichen so stellen, damit unsere Eiche die Chance erhält, zu zeigen, welch vielfältigen Nutzen sie uns Menschen zukommen lassen kann. Es stimmt: «Man muss die Eiche wollen!» Und sie braucht «Zuneigung» und Pflege, damit sie ihren Konkurrenten, Schädlingen und Erwartungen standhalten kann. Seit 18 Jahren ist Lukas Kobler beim Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden für den Wald im Domleschg zuständig und leitet seit 2014 die Forstregion Mittelbünden. Karl Ziegler ist Revierförster und leitet seit 31 Jahren das Revierforstamt Ausserdomleschg.

Quellenangaben 1. Maurizio Veneziani (dipl. Forsting. ETH); Konzept zur Erhaltung und Pflege naturkundlich und

Abbildung 8: Der Umwandlungsbestand Summa Crappa mit Eichenverjüngung im Zaun im Frühling 2020.

(Bild: Karl Ziegler)

landschaftlich wertvoller Eichenwälder im Gebiet Domleschg-Heinzenberg 2. Waldentwicklungsplan 2018+, Mittelbünden/ Moe­sano, Amt für Wald und Naturgefahren, Chur, 2018 3. Richtlinie zur Eichenförderung im Naturschutz; Amt für Wald und Naturgefahren, Chur, 2008 4. Bonfils, P.; Rigling, A.; Brändli, U.; Brang, P.; Forster, B.; Engesser, R.; Gugerli, F.; Junod, P.; Müller, R.; Günthardt-Goerg, M., 2015: Die Eiche im Klimawandel. Zukunftschancen einer Baumart. Merkblatt für die Praxis, 55. Birmensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. 12 p. 5. Betriebsplan Ausserdomleschg

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Die Eiche im Vinschgau Die Eiche und der Vinschgau gehören zusammen. Aber wie in jeder langfristigen Beziehung gibt es gute Zeiten und schlechte Zeiten. Die Flaumeiche im Vinschgau hat jedenfalls eine lange und interessante Vergangenheit hinter sich. Aktuell, nach einigen schwierigen Jahrhunderten als Randerscheinung, wird immer klarer, dass sie in Zukunft – vor allem auch durch die Klimaveränderung – wiederum eine wichtige Rolle spielen wird. Georg Pircher

Ausgangspunkt für diesen Artikel war die Frage nach der Herkunft und den Zukunftsaussichten des Flaumeichenbestands bei Predigizzi oberhalb der Dorfs Laatsch. Dieser kleine Eichen­bestand auf dem Südhang am Eingang des Münstertals ist wohl ein Relikt von früher weit ausgedehnteren Flaumeichenwäldern. Wahrscheinlich reichte nämlich in früheren Jahrhunderten ein mehr oder weniger geschlossener Waldgürtel mit Eiche vom Etschtal bei Meran bis nach Taufers im Münstertal an die Schweizer Grenze heran.

Eiche am Trumsberg oberhalb Kastelbell auf 1300 m Seehöhe.

(Bild: O. Seehauser)

Geschichtliche Notizen zur Eiche Offenbar hat es im Hochmittelalter bei Laatsch noch mehr oder weniger ausgedehnte und stattliche Eichenwälder gegeben, denn aus den Aufzeichnungen des Klosters Marienberg von 1287 geht hervor «… dass wir im Dorf Laatsch … Rechte besitzen, dass wir jährlich in ihrem Walde Holz holen dürfen, Eichen, Eichenholz, zum Gebrauch und Nutzen unseres Hauses, und dass wir soviel Holz holen dürfen, wie wir es für unsere Arbeiten notwendig brauchen.» Ebenso berichtet eine Urkunde aus dem Gemeindearchiv von Laatsch aus dem Jahr 1335 von einem Streit mit dem Nachbardorf Schleis um Weiderecht und Holzbezug: Interessant ist dabei, dass Schleis unter anderem oberhalb der Felsen bei der Calven Eichenbäume fällen durfte. Jedenfalls ging es beide Male nicht um Brennholz,

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Eichenwald Predigizzi bei Laatsch mit guten Steinschlagschutzeigenschaften.

denn das war andernorts leichter verfügbar, sondern spezifisch um Eichenholz. Das wiederum lässt auf Stammholz und somit recht stattliche Eichen schliessen. Verwendungszwecke könnten Dauben für Weinfässer, Möbelholz oder das Anfertigen von Hackstielen und anderem Werkzeug gewesen sein. Am anderen Ende des Vinschgaus, in Tschars bei Kastelbell, bietet sich ein ähnliches Bild: Eichenwälder waren vorhanden und Thema von Auseinandersetzungen. Im Jahr 1398 entschied der Richter einen Streit der Gemeinde mit einem oberhalb gelegenen Hof um Eichholz, Wasser und Weide zugunsten der Gemeinde. Und auch in der ältesten erhaltenen Dorfordnung von 1432 gibt es spezifische Regelungen «von des Aichholtz wegen, ob

(Bild: Forstinspektorat Schlanders)

dem dorff zu Tscharrs». Dort sind verschiedene Strafen aufgelistet für jene, die ohne Genehmigung Eichen stümmeln oder fällen. In einer Dorfordnung von 1615 finden sich wiederum Regelungen zum Eichenwald: Die Eichen oberhalb des Dorfs wurden je nach Hofgrösse aufgeteilt, «grüne» Eichen jedoch durften nicht geschlagen werden, nur «dürre und abgestandene». Gleichzeitig ist die Holzknappheit der Gemeinden im Vinschgauer Haupttal seit dem Mittelalter belegt. Unzweifelhaft hat die Bewaldung der untersten Hanglagen, der collinen Stufe, dort, wo die Flaumeiche vorkommt, durch jahrhundertelange Übernutzung kontinuierlich abgenommen. Dabei stand nicht die Holznutzung im Vordergrund, sondern die Weidetätigkeit, vor allem mit Kleinvieh,

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hatte den grössten Einfluss. Viehwirtschaft war nämlich stets eine Lebensgrundlage der Bauern im Vinschgau. Aus Futtermangel jedoch musste das Vieh bereits zeitig im Frühjahr, teils den ganzen Winter über, auf die schneefreien Südhänge getrieben werden. Schliesslich waren die Hänge gegen Ende des 19.  Jahrhunderts bis in einer Höhe von 600 m über der Talsohle praktisch waldfrei. Das ursprünglich wohl zusammenhängende Eichenareal war zerfallen, es blieben nur noch kleine Restbestände, wie eben jener bei Laatsch oder einer bei Eyrs und vor allem in schwer zugänglichen Lagen verstreute Einzeleichen übrig.

Waldtypen mit Flaumeiche Laut Waldtypisierung Südtirol, welche die potenziell vorkommenden Waldtypen beschreibt und deren Vorkommen auch kartografisch aufzeigt, hat die Flaumeiche im Vinschgau grosses Potenzial. Im Vinschgau, und südtirolweit nur dort, tritt der Walliserschwingel-Flaumeichenwald (Festuco valesiacae-Quercetum pubescentis asplenietosum adianti-nigri) als extremster Eichenwald der unteren collinen Stufe auf. Diese Flaumeichenwälder befinden sich an der Trockengrenze des Waldes, sie sind meist als niedriger Buschwald ausgebildet und verzahnen sich mosaikartig mit den waldfreien

Der entwaldete Sonnenberg um 1930 mit Tschengls im Vordergrund. Erste Aufforstungsflächen sind sichtbar.

(Bild: zVg)

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Steppenrasen. Deren Nachbarschaft sowie der häufig auftretende Karbonateinfluss bringen eine beeindruckende Artenvielfalt in der Bodenvegetation zustande. Dieser Waldtyp reicht im inneralpin-trockenen Vinschgau bis circa Eyrs und erstreckt sich an den Sonnenhängen bis auf 900 oder 1000 m Seehöhe. Als weitere Besonderheit der Region ist der Vinsch­ gauer Flaumeichen-Kiefernwald (Astragalo-Pinetum quercetosum pubescentis) zu nennen, welcher die trockensten und sonnigsten waldfähigen Lagen der oberen collinen Höhenstufe einnimmt. Er kommt auf karbonathaltigen und auch auf silikatischen Böden vor. Bei den Baumarten treten Rotkiefer, Mannaesche und Flaumeiche in wechselnder Stärke auf, in der Bodenvegetation finde sich Felsspalten- und Sandrasenarten, aber auch Schmetterlingsblütler. Bei etwas günstigerem Wasserhaushalt, expositions- oder geländebedingt, ist als recht eigenwilliger Mischwald der Lärchen-Kiefern-Flaum­ eichenwald mit Felsenzwenke ausgebildet (Festu­co valesiacae-Quercetum pubescentis brachypodietosum rupestre). Die Lärche bildet die Oberschicht, Flaumeiche und/oder Mannaesche sind in der zweiten Baumschicht beigemischt. Die Lärche als Mischbaumart in Flaumeichenwäldern ist eine Eigenheit der trockenen Hänge des Vinschgaus, wo in einem Übergangsgürtel zwischen der collinen Eichenstufe und der montanen Lärchenstufe beide Baumarten gemeinsam lockere Bestände bilden und sich verjüngen können. Sie wurden auch als «anthropo-zoogenes Sukzessionsstadium» beschrieben. In schattigen, aber durch die Niederschlagsarmut noch immer mässig trockenen Lagen des Vinschgaus ist der Lärchen-Kiefern-Flaumeichenwald mit Stink-Wiesenraute (Festuco valesiacae-Quercetum pubescentis thalictretosum foetidi) auf nicht zu steilen Mittelhängen der oberen collinen Stufe weit verbreitet. In diesem strauchreichen Wald treten neben Flaumeiche und Mannae-

sche auch Rotkiefer und Lärche auf, dazu verschiedenste Laubbaumarten eingesprengt. Diese Mischwälder aus Laub- und Nadelholz der oberen collinen Teilstufe reichen im Durchschnitt im Vinschgau bis 1250 m hinauf, stellenweise aber auch bis 1400 m Seehöhe. Die Rotkiefer ist vielerorts durch den menschlichen Einfluss, sprich Rodung, Brand, die starke Waldweide und Humusdegradation (Streunutzung) zur Dominanz gelangt, als widerstandsfähige Pionierbaumart konnte sie profitie en. Flaumeiche in der Umstrukturierung der Schwarzkiefernforste Der Vinschgau besitzt aber noch eine spezielle Waldgesellschaft, in der die Flaumeiche, vor allem als gepflanzter Baum, eine wichtige Rolle spielt: die Schwarzkiefernforste. Nach der fast vollständigen Entwaldung der Sonnhänge war die Gefährdung durch Erosion, Murgänge und Überschwemmungen kontinuierlich angestiegen, sodass ab Mitte des 19. Jahrhunderts verschiedene Aufforstungsinitiativen gestartet wurden. In den Jahren 1951 bis 1965 wurden schliesslich durch ein gross ­angelegtes Aufforstungsprogramm circa sechs Millionen Pflanzen ausgebracht. Davon waren 58 Prozent Schwarzkiefer, welche zwar standorttauglich, aber eigentlich nicht heimisch ist, sodass in Summe am Sonnenberg schlussendlich 940 Hektar Schwarzkiefernwälder auf Standorten der Eichen- und Eichen-Kiefernwälder entstanden. Diese Aufforstungen erfüllten ihre vordringlichste Aufgabe als Erosions- und Hochwasserschutz, schafften jedoch neue Problemfelder wie Rückgang der Artenvielfalt, Versauerung des Bodens, Steigerung des Waldbrandrisikos, sowie schliesslich Massenvermehrungen des Kiefernprozessionsspinners. Also wurde mit der sogenannten Umstrukturierung ab Mitte der 1990er-Jahre begonnen, die Schwarzkiefernwälder in laubholzreiche, naturnahe Mischwälder umzuwandeln. Dabei wurde von Beginn an stark auf Flaumeiche gesetzt. Dieses

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Vorgehen wurde einerseits durch historische Quellen untermauert, andererseits durch Studien zu den potenziellen Waldtypen. Gleichzeitig konnte man in diesen Kiefernwäldern, aber auch auf Flächen, wo der Weidedruck abgenommen hatte, immer wieder verstreut Naturverjüngung der Flaumeiche feststellen. Im Jahr 1996 wurde das erste Konzept zur Umwandlung mit der Errichtung von «Biozellen» unter einem aufgelockerten Schwarzkiefernschirm gestartet. Auf einer Fläche von einem Quadratmeter wurden jeweils 21 Flaumeichen gepflanzt oder gesät und mit einem Wildverbisszaun geschützt. Diese über den Bestand verteilten Biozellen sollten Ausgangspunkte der Eichenausbreitung werden. Im Rahmen eines Monitorings wurden ausgewählte Biozellen jährlich genau erfasst, um Rückschlüsse auf Verbesserungsmöglichkeiten ziehen zu kön-

Sogenannte Flaumeichen-Biozelle.

(Bild: Forstinspektorat Schlanders)

Laubholzschlitz im Kiefernwald mit Herbstfärbung.

(Bild: Forstinspektorat Schlanders)

nen. Eine generelle Erkenntnis war, dass das Höhenwachstum der Flaumeiche in den ersten Jahren sehr schleppend verläuft: Die Flaumeiche investiert auf diesen sehr trockenen Standorten in den ersten Jahren viel ins Wurzelwachstum, erst danach beginnt das exponentielle Höhenwachstum. Beim Vergleich verschiedener Herkünfte des Vinschgaus konnten keine Unterschiede festgestellt werden. Hingegen wurden die Auswirkungen unterschiedlicher Behandlung der Oberschicht sehr deutlich sichtbar: Unter einer relativ geschlossenen Oberschicht zeigte sich bei der Flaumeiche schwaches Höhenwachstum, in mutiger geöffneten Beständen ein viel besseres Höhenwachstum. Zwar ist eine Beschattung der Jungbäume durch den Restbestand vom Süden her immer wichtig, aber oberhalb der Bäumchen sollte freier Himmel sein. Minimumfaktor ist da eindeutig das Wasser, das heisst, Niederschläge müssen zur Pflanze gelangen können, vor allem auch der meist spärliche Schnee. Mit den Jahren wurde das Konzept der Umstrukturierung mit einer zweiten Vorgehensweise ergänzt: dabei werden in kleinen schmalen Schlitzen quer zum Hang alle Schwarzkiefern entnommen, bei der Bepflanzung wird neben Flaumeiche auch stark auf Mannaesche und mehrjährige Vogelkirsche ge-

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setzt. Vorteile sind dabei eine nur «einmalige» Bearbeitung der Fläche, rasche Bodenumstellung und starkes Höhenwachstum der Vogelkirsche. Kurzfristig stellt also Vogelkirsche den Laubholzanteil dar, langfristig soll dann die «Klimaxbaumart» Flaumeiche übernehmen. Bedeutung und Zukunft der Flaumeiche Jedenfalls werden im Rahmen der Umstrukturierung jährlich mehrere Tausend Flaumeichen gepflanzt, dazu kommt im Wald, aber auch auf nicht mehr genutzten Weideflächen Naturverjüngung von Flaumeiche. Leider ist die Entwicklung vielerorts durch Wildverbiss gehemmt, und Aufforstungen bedürfen generell Zaunschutz, was den Arbeitsfortschritt sehr verlangsamt. Die Hangwälder im Vinschgau besitzen fast durchwegs Schutzfunktion, ein weiterer Faktor, welcher die Bedeutung der Flaumeiche in tiefen Lagen stärkt. So besitzt sie bei Steinschlag oder Schuttbewegung eindeutig Vorteile gegenüber der Kiefer, die Ausheilungsfähigkeit nach Stammverletzung ist höher, der oft mehrstämmige Wuchs ist günstiger und Schneedruck oder Windwurf mit aufgeklappten Wurzeltellern kommt praktisch nicht vor. Aber auch hinsichtlich Abflussverhalten gibt es positive Wirkungen des Flaumeichenmischwaldes, welche erst kürzlich durchgeführte Beregnungsversuche mit Starkregensimulationen erneut aufzeigten. Der Abflussbeiwert (Anteil des oberflächlic abfliessenden Wassers) in beweideten Trockenrasen wurde mit 0,65 bestimmt, im Schwarzkiefernwald mit 0,26 und im umgewandelten Mischwald schliesslich war gar kein Oberflächenabflus feststellbar. Die positive Bodenentwicklung und der günstige Auflagehumus im Mischwald begünstigen im Vergleich zu einem Kiefernwald mit Nadelstreuauflag nicht nur die Einsickerung, auch die nicht unwesentliche Waldbrandgefahr ist vermindert. Ein neuerlicher Schub des Föhrensterbens 2017 im Vinschgau hat den Wert der Flaumeiche in den

trockenen Schutzwäldern nochmals deutlich aufgezeigt. Zwei sehr niederschlagsarme und überdurchschnittlich warme Winter haben die Kiefern in den tiefen Lagen schwer geschädigt. Die Eiche, welche im Winter kaum Bodenwasser benötigt, hat diese dagegen unbeschadet überstanden. Bei angespanntem Wasserhaushalt hat die Kiefer ja mit einer Reihe von Schädlingen, sei es Insekten oder auch Pilzerkrankungen, zu kämpfen. Hinzu kommt, weniger witterungsabhängig, der Kiefernprozessionsspinner als Störung für den Menschen. Aus den Daten der Waldtypisierung lässt sich abschätzen, dass die Flaumeiche im Vinschgau auf 4200 Hektar eine wesentliche Rolle spielen könnte und sollte. Das sind immerhin rund 10 Prozent der Waldfläche im Forstinspektorat Schlanders. Aktuell kommt die Eiche in den vorratsbezogenen Inventurdaten als Baumart noch gar nicht vor. Die Klima­änderung mit dem Anstieg der Temperaturen wird auch zum Anstieg der Höhenstufen führen, sodass für den Vinschgau nochmals mit einer zusätzlichen Ausweitung des Areals der Flaumeiche zu rechnen ist. Diese Eigenschaften der Flaumeiche in Relation zu den naturräumlichen Gegebenheiten des Vinschgaus sowie die oben genannten Zahlen zeigen, dass in der Zukunft mit ihr zu rechnen und zu arbeiten sein wird. Die Flaumeiche ist gekommen, um zu bleiben! Georg Pircher ist Direktor des Forstinspektorats Schlanders in Südtirol.

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Wildeinfluss auf die Eiche in der Schweiz Die Eiche ist eine ökologisch bedeutende Baumart, die wildlebende Huftiere bevorzugt verbeissen. Schweizweit wurden in der kollinen bis untermontanen Höhenstufe rund 30 Prozent der zwischen 2009 und 2017 beurteilten Eichen verbissen. Zudem wird die Eiche als «verbissempfindlich» eingestuft. Wildlebende Huftiere beeinflussen daher den Pflanzund Verjüngungserfolg von Eichen, was die Anpassung der Wälder an den Klimawandel erschwert. Andrea D. Kupferschmid, Peter Brang, Meinrad Abegg

An Eichen leben mehr Insekten- und Pilzarten als an allen anderen einheimischen Baumarten. Die Eiche ist aber gleichzeitig auch bei den wildlebenden Huftieren eine der beliebtesten Baumarten (Kupferschmid et al. 2015). In diesem Artikel beleuchten wir deshalb den Einfluss der wildlebenden Huftiere auf die Eichenverjüngung. Die Eichen­arten sind in der Schweiz vorwiegend in der kollinen, submontanen und untermontanen Vegetationshöhenstufe verbreitet, weshalb sich unsere Beurteilung der Dichte und des Verbisses auf diese Höhenstufen beschränken. Im vierten Landesforstinventar (LFI 4, 2009 bis 2017) wurde Eichenverjüngung auf knapp 200 Probeflächen gefunden. Die meisten dieser Probe­ flächen fanden sich in den Wirtschaftsregionen Jura West (22 Probeflächen), den drei Mittelland-Regionen (29 bis 37), sowie in den Regionen Alpen Südwest (28) und Alpensüdseite (23). Die mittlere Verjüngungs­dichte lag nur in drei Regionen der Westschweiz über 2000 Eichen pro ha (Abbildung 1). Im Schweizer Mittel nahm die Eichenverjüngung seit dem Landesforstinventar 1993/1995 (LFI 2) stark zu, aber nur bei kleinen Pflanzen zwischen 10 cm und 129 cm Baumhöhe. Die Dichte der Eichen zwischen 130 cm Baumhöhe und 11,9 cm Brusthöhendurchmesser (BHD) veränderte sich in den meisten Regionen nicht signifi-

kant, sank aber in den Regionen Alpen Südwest und Alpensüdseite (Abbildung 1). Die Zunahme der kleinen Eichen deutet darauf hin, dass sich Eichen entweder vermehrt etablierten und/oder fast keine Eichen von < 130 cm Baumhöhe in die höhere Grössenklasse einwuchsen. Ein Grund für Letzteres könnten wildlebende Huftiere sein. Speziell Rehe und Rothirsche fressen Eichentriebe sehr gerne. Von den 10 bis 129 cm grossen Eichen waren laut dem LFI 4 auf der kollinen bis montanen Höhenstufe 32,7 ± 9,3 Prozent (Mittelwert ± einfacher Standardfehler) an ihrem letztjährigen Endtrieb verbissen (Abbildung 2) beziehungsweise 31,6 ± 8,7 Prozent in allen Höhenstufen (Brändli et al. 2020). Dies bedeutet, dass im Schnitt alljährlich jede dritte Eiche an ihrem Endtrieb verbissen wird. Ein Vergleich mit früheren Verbisszahlen ist schwierig, da sich die Aufnahmemethode im LFI veränderte. Vereinfacht ausgedrückt, galt ein Bäumchen im LFI 2 als «unverbissen», wenn die Knospenschuppennarben der zwei letzten Jahre unverbissen waren, im LFI 4 hingegen bereits, wenn diejenige des letzten Jahres «unversehrt» war (Schwyzer & Lanz 2010). Im LFI 2 wurden also mehr Bäumchen als am Endtrieb verbissen betrachtet als im LFI 4. Wenn trotz der weniger strengen Beurteilung der Verbissintensität im LFI 4 mehr Bäumchen verbis-

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Abbildung 1: Entwicklung der Eichenverjüngungsdichte für zwei Grössenklassen gemäss Aufnahmen im LFI 2 (1994–1996) und LFI 4 (2009–2017) nach Wirtschaftsregion in der kollinen bis montanen Höhenstufe. Dargestellt sind jeweils der Mittelwert und der einfache Standardfehler.

sen waren als im LFI 2, ist deshalb von einer hoch signifikanten Zunahme des Verbisses auszugehen. Daraus folgt, dass der Verbiss an der Eichenverjüngung drastisch zugenommen hat in den Regionen Jura West, Mittelland West, Alpen Südwest und damit schweizweit. Die Eiche wird wegen ihrer Beliebtheit beim Wild, ihrem nur durchschnittlichen Höhenzuwachs, ihrer geringen Kompensationsfähigkeit und ihrer durch Verbiss reduzierten Überlebenswahrscheinlichkeit bezüglich Verbiss als «sensitiv» eingestuft (Didion et al. 2011) bzw. als «verbissempfindlich» beurteilt (Fehr et al. 2019). Dass die Eiche gegenüber anderen Baumarten bevorzugt verbissen wird, kann europaweit beobachtet werden (Gill 1992). Kleine Eichen wachsen zwar ähnlich rasch in die Höhe

(Alle Abbildungen: WSL)

wie Ahorne und rascher als Weisstannen, aber deutlich langsamer als beispielsweise Weiden. In Triebschnittversuchen reagieren Laubbäume generell besser und schneller auf simulierten Verbiss als Nadelbäume. Eichen reagierten auf Triebschnitt unter guten Wuchsbedingungen aber meist nur mit wenigen kurzen Trieben und hatten damit kleinere bis höchstens ähnliche Biomasse, Baumhöhe und Basaldurchmesser als ungeschnittene Eichen. Unter weniger optimalen Bedingungen – wie sie in den meisten Wäldern anzutreffen sind – konnten geschnittene oder verbissene Eichen den erlittenen Höhenverlust nicht kompensieren (siehe Literaturüberblick in Kupferschmid 2017). Aufgrund des Verzweigungsmusters reagieren Eichen viel weniger flexibel auf Verbiss als zum Beispiel Weiden-

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Abbildung 2: Verbissintensität der Eichenverjüngung zwischen 10 cm und 129 cm Baumhöhe gemäss Aufnahmen im LFI 4 nach Wirtschaftsregion in der kollinen bis montanen Höhenstufe. Dargestellt sind jeweils der Mittelwert und der einfache Standardfehler. Alle Regionen mit weniger als 20 Probeflächen mit Eichenverjüngung wurden weggelassen.

arten oder Buchen. Experimenteller Triebschnitt erhöhte oft die Sterberate (Kupferschmid 2017). Dazu kommt, dass speziell Mäuse und Wildschweine viele Eicheln schon fressen, bevor sie je keimen. Verbiss beeinflusst den Pflan - und Verjüngungserfolg bei der Eiche wesentlich. Wächst die lichtbedürftige Eiche infolge des Verbisses langsamer als andere Baumarten wie zum Beispiel die Föhre oder die Buche, wird die Eiche verbissbedingt in der Stammzahl des späteren Baumbestands reduziert vorhanden sein bzw. eventuell sogar ganz ausfallen. Dazu kommt, dass sie gegenüber der Buche im Jungwald wenig konkurrenzstark ist (Otto et al. 2009). Das Durchbringen einzelner Eichen erfordert daher intensive Jungwaldpflege, wenn die Eichen nicht in grösseren Gruppen, Horsten oder Beständen aufkommen. Speziell zu beachten ist, dass gepflanzte Bäumchen öfters verbissen werden als natürliche Baumverjüngung. In Polen wurden auf grossen Windwurfflächen Eichen einzeln und in Gruppen (mit 25 cm

Abbildung 3: Häufig verbissene Eichennaturverjüngung im Waadtland.

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Pflanzabstand) zwischen Föhren gepflanzt. In gewissen Jahren wurden zwar alle Eichen verbissen, aber einige der gruppiert gepflanzten Eichen wuchsen immerhin in zehn Jahren über 1,5 m (Dobrowolska 2020). Inwiefern dies auch in der Schweiz möglich ist, bleibt fraglich. Zurzeit ist in der Schweiz, infolge des bereits an der Naturverjüngung häufigen Verbisses (Abbildung 3), ein Aufwachsen von gepflanzten Eichen nur mit Einzelschutz oder in Zäunen möglich und auch natürlich angesamte Eichen müssen oft geschützt werden. Der häufige Verbiss an Eichen soll uns jedoch nicht daran hindern, Mischbestände mit Eichen auf geeigneten Standorten anzustreben. Dabei ist zu bedenken, dass wir in Zukunft auch Eichen-Samenbäume auf Standorten brauchen, wo Eichen heute noch durch Frost und Nassschnee gefährdet sind, also über etwa 700 m ü. M. Jede Eiche, die den wildlebenden Huftieren entwächst, ist ein Beitrag für einen klimafitten Wald und ein Gewinn für die Biodiversität. Andrea D. Kupferschmid beschäftigt sich an der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL in Birmensdorf unter anderem regelmässig mit verschiedenen Fragen rund um das Thema Wildeinfluss. Peter Brang leitet an der WSL

Fehr M, Zürcher Gasser N, Schneider O, Burger T, Kupferschmid AD (2019) Gutachtliche Beurteilung des Wildeinflusses auf die Waldverjüngung. Schweiz Z Forstwes 170: 135–141. Gill RMA (1992) A review of damage by mammals in north temperate forests: 1. Deer. Forestry 65: 145–169. Kupferschmid AD (2017) Compensation capacity of Central European tree species in response to leader shoot browsing. In: Menendez A, Sands N, editors. Ungulates: evolution, diversity and ecology. Hauppauge, New York, USA: Nova Science Publishers. pp. 1–63. Kupferschmid AD, Heiri C, Huber M, Fehr M, Frei M, et al. (2015) Einfluss wildlebender Huftiere auf die Waldverjüngung: ein Überblick für die Schweiz. Schweiz Z Forstwes 166: 420–431. Otto D, Wagner S, Brang P (2009) Konkurrenz zwischen Stieleiche und Buche auf Lothar-Sturmflächen. Schweiz Z Forstwes 60: 114–123. Schwyzer A, Lanz A. Verjüngungserhebung im schweizerischen Landesforstinventar. In: Deutscher Verband Forstlicher Forschungsanstalten Sektion Forstliche Biometrie und Informatik, editor; 2010; Göttingen, 20. und 21. September 2010. Die Grüne Reihe pp. 42–67.

verschiedene Projekte in Zusammenhang mit zukunftsfähigen Baumarten. Meinrad Abegg beschäftigt sich an der WSL seit vielen Jahren mit dem LFI und ist massgeblich an dessen Weiterentwicklung beteiligt.

Literatur Brändli U-B, Abegg M, Allgaier Leuch B (2020) Schweizerisches Landesforstinventar. Ergebnisse der vierten Erhebung 2009-2017. Birmensdorf, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Bern, Bundesamt für Umwelt, BAFU. In Vorbereitung. Didion M, Kupferschmid AD, Wolf A, Bugmann H (2011) Ungulate herbivory modifies the effects of climate change on mountain forests. Clim Chang 109: 647-669.

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Die Eiche wehrt sich Die Experimente mit jungen Eichen zeigen die grosse Anpassungsfähigkeit der Schweizer Eichenarten gegenüber Hitze und Trockenheit und belegen ihr grosses Potenzial, sich auch bei fortschreitendem Klimawandel behaupten zu können. Die Schlussfolgerung ist, dass die verschiedenen Eichenarten eine zentrale Rolle bei der Anpassung unserer Wälder an den Klimawandel spielen werden und speziell gefördert und angebaut werden sollten. Madeleine S. Günthardt-Goerg, Pierre Vollenweider, Andreas Rigling

Klimawandel Durch die Aktivitäten einer exponentiell wachsenden Bevölkerung mit ihrem wachsenden Energieverbrauch (Verbrennung, Transport, Industrie, Wechsel in der Landnutzung) reichern sich langlebige Gase in der Atmosphäre an. Die Kohlenstoffdioxid-Konzentrationen sind in den letzten 250 Jahren am meisten gestiegen (um 120 ppm), aber auch Methan und troposphärisches Ozon ­haben zugenommen. Im Gegensatz zu den schädlichen erhöhten Ozonkonzentrationen sind die ­höheren Kohlendioxidkonzentrationen für die Pflanzen vorteilhaft. Sie fixie en das CO2 via Fotosynthese in pflanzlichen Stoffen und entziehen es so der Atmosphäre. Die genannten Grünhausgase führen aber weltweit zu einer Erwärmung, welche laut Hochrechnungen in unserem Jahrhundert 1,8 bis 4 °C. betragen könnte. Dadurch könnten sich die Niederschläge verändern und Klimaextreme häufige auftreten. Dies sind vermehrt Trocken- und Hitzeperioden, Stürme und vielleicht auch Spätfröste (Tausz-Posch and De Kok, 2020). Wir fragen uns, wie die Eichen darauf reagieren werden. Kulturgut Die Eiche (Abbildung 1) ist ein jahrtausendealtes Kulturgut und wird schon in der Bibel erwähnt. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert waren Eichen­wälder in Europa häufig und dienten den

Menschen als Ressource. Dennoch begann der Niedergang der Eiche schon im späten Mittelalter, da bei einer wachsenden Bevölkerung mancher Wald zum Feld wurde. Des Öftern fielen Wälder dem Bau (Kathedralen, Schiffe, Eisenbahnschwellen) zum Opfer. Die Eiche blieb ein Symbol für Stärke, Schutz und Standhaftigkeit. Eicheln und die einzigartig gelappten Blätter sind deshalb beliebte Motive auf Stoffen, Karten und Wappen. Eichen spielen eine Rolle in Sagen, Ortsnamen, Sprichwörtern und Redensarten. Dauerhaftes Eichenholz ist nach wie vor sehr gefragt und Eichenrinden­ extrakt wird als Naturheilmittel verwendet, während früher das Gerben mit Eichenrinde sowie die Schweinemast und Kaffeeersatzproduktion eine wichtige Rolle spielten. Verbreitung Die Gattung Eiche umfasst grob 500 Arten, 175 davon wachsen in Nord- und Mittelamerika, 320 in Europa und Westasien, 14 in Mitteleuropa wild und kultiviert und 4 in der Schweiz (einheimisch: Stiel-, Trauben-, Flaum- und Zerreiche; angepflanzt: Roteiche). Die Stiel-, Trauben- und Flaumeichen wachsen als Einzelbäume bis 1400 und im Bestand bis 700 m ü. M. (Flaumeiche bis 1300). Sie haben unterschiedliche Standortansprüche. Die Stieleiche ist anspruchslos betreffend die Böden, steigt bis in die submontane Stufe und ist

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Abbildung 1: Dickste und älteste 400 Jahre alte Stieleiche im Kanton Zürich (im Bestand, Haferholzeiche, Bild rechts).

in ozeanischem ebenso wie in kontinentalem Klima beheimatet. Auf Trockenheit reagiert sie aber empfindlicher mit geringerer Fotosyntheseleistung als die Trauben- und Flaumeiche (Günthardt-­Goerg et al. 2016). Die Traubeneiche wiederum gilt als empfindlich gegen Winterkälte und zusammen mit der Flaumeiche auf Spätfrost. Die Wuchsleistung der Flaumeiche ist gegenüber den beiden anderen Schweizer Eichenarten reduziert, dafür liebt sie die zunehmende Sommerwärme und ist robuster gegen Trockenheit. Trotz Genaustausch zwischen den einheimischen Eichenarten über Jahrtausende seit der Rückwanderung nach der Eiszeit sind die verschiedenen Standorteigenschaften der Arten erhalten geblieben. Dank einer überdurchschnittlichen genetischen Variabilität und der nachfolgen-

(Bilder: L. Goerg)

den natürlichen Selektion sind jedoch standortangepasste und -spezifische Hybride entstanden (Bonfils et al. 2015). Die Eichen sind mit 100 Jahren im besten Alter, die ältesten Stiel- und Traubeneichen können jedoch 1000 Jahre alt werden. Sie haben in ihrem langen Leben schon wiederholt Klimaschwankungen ertragen. Die Fähigkeit der Eichen, ihre Morphologie und das physiologische Verhalten an herrschende Wachstumsbedingungen auszurichten, bestimmt diese grosse Anpassungsfähigkeit und Widerstandskraft von der Jugend bis ins hohe Baumalter (Bonfils et al. 2015). Im Folgenden berichten wir über einige Ergebnisse aus dem WSL-Experiment Querco und begleitenden Beobachtungen aus der WSL-Baumschule, welche die Anpassungsfähigkeit junger Eichen

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A

B

350 µm

C

Abbildung 2: Schutz gegen Trockenheit durch schmalere Blätter (A), weniger Nebennerven (B) und stärkere Behaarung (C). Die glänzenden Punkte sind Spaltöffnungen.

zeigen. Schliesslich stellen wir die Erfahrungen mit Aufforstungen in zwei Beispielen vor. Eichenblätter Die Blätter der drei häufigsten Eichenarten in der Schweiz unterscheiden sich. Insbesondere diejenigen der Flaumeiche zeigten im Experiment eine genetische Anpassung an Trockenheit. Sie haben allgemein kleinere und schmalere Blätter mit weniger Blattnerven, welche zu Blattbuchten führen

D

(Bilder: M. Günthardt-Georg)

und stärkerer Behaarung der Blattunterseite. Diese Merkmale waren auch verstärkt bei allen drei Arten an Blättern, welche unter trockenen Bedingungen ausgetrieben hatten (Günthardt-Goerg et al. 2013, Abbildung 2; A, B, C), was die Artunterschiede verkleinerte. Die Blätter überdauerten kurze Trocken- oder Hitzeperioden unbeschädigt und nahmen ihre Funktionen (Fotosynthese) bei erneuten Niederschlägen sofort wieder auf (Günthardt-Goerg et al. 2016). Erst nach drei Wo-

E

Abbildung 2: Randnekrosen bei langandauernder Trockenheit (D, E, F).

F (Bilder: M. Günthardt-Georg)

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chen mit sehr trockenem Boden (Bodenwasser < 0,06 m3 m-3) begannen die Blätter vom Blattrand her auszutrocknen, wobei die innere Blattfläch immer noch funktionsfähig blieb (Abbildung 2; D, E, F). Das Absterben der Zellen ist ein komplizierter kontrollierter Prozess zum Schutz und zur Erhaltung der wichtigsten Blattgewebe (Vollenweider et al. 2015). Da mit den Klimaveränderungen häufiger längere Schönwetterperioden im Sommer erwartet werden, steigen auch die Ozonkonzentrationen. Eichenblätter besitzen ebenso Abwehrmechanismen, welche verantwortlich sind, dass sie im Vergleich zu anderen Baumarten weniger empfindlich sind auf Ozon (Günthardt-Goerg 2013). Desgleichen sind sie tolerant gegenüber Schwermetallbelastung im Boden (Paoletti and Günthardt-Goerg 2006). Träger von Biodiversität Unschätzbar ist der Beitrag der Eiche zur Biodiversität. Sie ist bekannt als wichtiges Habitat für den Mittelspecht, doch bietet sie insgesamt 300 bis 500 Organismen einen Lebensraum. Ihre Gäste umfassen rund 40 Vogelarten. Unzählige Viren, Pilze, Bakterien, Wirbellose, Spinnen, Insekten und Säuger leben von «Eichenfutter», das Totholz abgestossener Äste miteingeschlossen. Abwehrmechanismen erlauben der Eiche schädliche Gäste zu tolerieren. Tannine (Gerbstoffe) und andere sekundäre Pflanzensto fe in Eichenblättern und Rinde, das kontrollierte Absterben von Blatt- und Astteilen, Gewebebarrieren in Rinde und Wurzeln und die Möglichkeit des Neuaustriebs sind verantwortlich für die Toleranz. Wenn bei der Eiche mit vielen Gästen mehrere Organismen unterschiedlich auf den Klimawandel reagieren, sind Wechselwirkungen schwer voraussehbar. Als Beispiel sei der häufige, aber von den Eichenblättern gut tolerierte Befall mit Mehltau genannt (Abbildung 3). Der wärmeliebende echte Mehltau verbreitete sich im Experiment unerwarteter Weise weniger, und dies sowohl bei Lufterwärmung als auch bei Trocken-

10 µm Abbildung 3: Blattunterseite, Hyphen von Mehltau (Oidium) dringen durch eine Spaltöffnung ein.

(Bild: Rasterelektronen-Mikroskop, WSL)

heit und am deutlichsten beim gleichzeitigen Auftreten beider Faktoren. Phänologie Im Experiment wurde der Austrieb der drei Eichenarten während dreier Jahre beobachtet (Kuster et al. 2014). Eine Lufterwärmung um 1 bis 2 °C führte im Durchschnitt zu einem 1 bis 3 Tage früheren Austrieb ohne die jährliche Produktion zu verändern. Auch Trockenperioden im Sommer bewirkten einen 1 bis 2 Tage früheren Austrieb im Folgejahr. Spätfröste, Lufterwärmung und Trockenstress In der Analyse von Spätfrostschäden an Fichte, Buche und Obstbäumen zwischen 1975 und 2016 an 50 Schweizer Standorten konnte trotz früherem Austreiben keine Veränderung des Spätfrostrisikos gefunden werden. Spätfröste setzten nicht entsprechend früher ein (Vitasse et al. 2018). Wir beobachteten 84 junge Eichen nach zwei aufeinanderfolgenden Nachtfrösten Mitte Mai (–1 ˚C, und –3 ˚C) bei maximal 5 ˚C tagsüber. Alle Bäume überlebten gut. Der neue Austrieb erfolgte unabhängig

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Abbildung 4: Frostempfindlichkeit verschiedener Eichenarten und Provenienzen. Provenienzen der Eicheln, aus denen die Versuchsbäume stammten: Stieleiche T = Tägerwilen (510 m ü. M. / mitttlere Jahrestemperatur 8,7 ˚C. / Jahresniederschlag 929 mm), B = Bonfol (450 / 8,9 / 1035), H = Hünenberg (398 / 9,1 / 1147), Mi = Magadino (199 / 10,5 / 1772). Traubeneiche: C = Corcelles (550 / 9,0 / 893), M = Magden (308 / 8,9 / 974), W = Wädenswil (430 / 8,9 / 1353), G = Gordevio (450 / 11,0 / 1668). Flaumeiche: Lk = Leuk (720 / 8,1 / 657), LL = Le Landeron (700 / 8,0 / 932), P = Promontogno (900 / 6,1 / 1459), A = Arezzo (296 / 14,0 / 410).

vom Ausmass der Frostschäden am Laub (Abbildung 4). Die Frostschäden zeigten sich zuerst als kleine Nekrosepunkte über die ganzen Blätter verteilt. Dies im Gegensatz zu Ozonschäden, welche zwischen den Blattnerven als Gruppen auftreten. Unter den Arten hatte die Stieleiche nach dem Frost am kräftigsten neue Blätter gebildet, die Traubeneiche hingegen am schwächsten. Innerhalb der Arten spielte die Herkunft der Eicheln eine grosse Rolle. Diejenigen aus trockeneren Lagen (Abbildung 4 Stieleiche T und B, Traubeneiche C und Flaumeiche Lk und A) scheinen genetisch für eine höhere Frosttoleranz gewappnet zu sein. Desgleichen ertrugen die sechs Jahre jungen Eichen im Experiment starke Trockenheit und Lufterwärmung sehr gut (Abbildung 5), aber mit anderen Unterschieden je nach Herkunft. Lufterwärmung zeigte bei drei von vier getesteten Herkünften der Stileichen und zwei der Traubeneiche eine Wachstumsförderung. Das Wachstum war bei allen Eichen verringert durch den starken Trockenstress im Sommer während drei aufeinanderfolgenden Jah-

ren. Kamen nach der Trockenheit jedoch erneute Niederschläge, wurde das vorher reduzierte Wachstum innerhalb weniger Tage wieder aufgenommen.

Abbildung 5: Einfluss von Lufterwärmung und Trocke stress auf die gebildeten Holzmassen derselben Provenienzen wie Abbildung 4. Der Trockenstress war mehr als zwei Wochen lang eine Trockenperiode mit < 0,06 m3 m-3 Wassergehalt in 25 cm Bodentiefe, je zweimal pro Sommer während dreier Jahre.

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Eichen in der Schweiz Die Schweiz hat alte Eichen. Zurzeit beträgt das häufigste Eichenvorkommen in der Schweiz im westlichen Mittelland (Traubeneiche) im Mittel aber nur 7 Prozent der Stammzahlanteile. Die Verjüngung wurde leider vielerorts seit den 1940er-Jahren zugunsten schneller wachsender Fichten vernachlässigt.

Der Anbau von Eichen wird empfohlen und gefördert (www.ProQuercus.ch; BUWAL 2005, Bonfil et al. 2015, Günthardt-Goerg et al. 2016), sodass wohl bald neue Aufforstungen oder geförderte Naturverjüngung wieder für zusätzliche Verjüngung sorgen werden. Es gibt aber immer noch viel Handlungsbedarf und grosses Potenzial, so wäre es zum Beispiel möglich, die Ausdehnung des Ei-

1999

2007

2002

2014

Abbildung 6: Vom Fichtenwald zum Eichenmischwald. Entwicklung in einem Privatwald im waadtländischen Mittelland bei Lausanne von 1999 bis 2014.

(Bilder: Pierre Vollenweider)

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chenareals im Waadtland um 65 Prozent zu steigern (Horisberger et Meylan 2009). Aufforstung auf einem extremen Trockenstandort Zwar ist in der Schweiz bisher kein flächige Eichen­sterben vorgekommen, eine Gefährdung durch neue eingeschleppte Organismen ist jedoch nicht auszuschliessen. Wie oben bereits andiskutiert, müssen wir aber davon ausgehen, dass die zunehmende Trockenheit die Waldverjüngung, gerade auf trockeneren Standorten, in Mitleidenschaft ziehen wird. In einem Aufforstungsprojekt auf den extremen Trockenstandorten entlang der Lötschberg-Südrampe bei Brig wurden deshalb ab Herbst 2012 neun potenziell trockenheitsresistente Baumarten bezüglich Anwuchserfolg getestet. Auf drei Versuchsflächen wurden insgesamt 2120 junge Bäumchen gepflanzt. Nach rund drei Jahren, im Herbst 2015, wiesen die Blumenesche (56 %), die Flaumeiche (46 %) und die Gemeine Esche (45 %) die besten Anwuchserfolge auf, gefolgt von Waldföhre (35 %), Schwarzföhre (31 %) und Mehlbeere (31 %). Die geringsten Anwuchserfolge zeigten der Schneeballblättrige Ahorn (17 %), die Douglasie (6 %) und die Steineiche (1 %), welche aber vermutlich den starken Spätfrösten zum Opfer fiel Die einheimische Flaumeiche zeigte sich also auch in der Installationsphase als verhältnismässig gut an die extreme Trockenheit im Wallis angepasst (Rigling et al. 2015). Klimawandel: von Fichten- zu gemischten Eichenbeständen Ein Privatwald in der Nähe von Lausanne wurde von den Stürmen Lothar und Martin Ende 1999 und anschliessend von Borkenkäferbefall schwer getroffen. Bis Ende 2002 waren mehr als 60 Prozent der hauptsächlich mit Fichten bestockten Fläche verwüstet. Angesichts der Politik des Kantons Waadt, wieder vermehrt Eichenwälder aufzubauen, und der Verfügbarkeit von geeigneten

Traubeneichenpflanzen aargauischer Herkunft, konnte 2003 anstelle der verwüsteten Fichtenplantage ein Stück Eichenmischwald (mit Schwarzerle und Hainbuche) angelegt werden. Mit der entsprechenden Räumung für die lichtbedürftigen zukünftigen Baumarten, einigen zusätzlichen Pflanzungen (2004 und 2006) und sorgfältiger jährlicher Pflege ist dieser Bestand prächtig gediehen. Er besteht heute zu 70 bis 80 Prozent aus Eichen, mit Bäumen von über 10 Metern Höhe und einem Durchmesser von oft mehr als 15 cm in Brusthöhe (Abbildung 6) und dies trotz häufige grösserer Trockenzeiten (2003, 2015 oder 2018) und wiederholtem Nassschneefall (Schneebruch, insbesondere 2005). Die beiden Beispiele und viele erfolgreiche Eichenaufforstungen im Schweizer Mittelland ermutigen, mit Eichenpflanzungen fortzufahren. Heute würde das englische Volkslied «Let oak trees grow … for a mighty realm» weniger heroisch eher so lauten: Lasst den Eichen Raum zum Wachsen, denn sie wehren sich erfolgreich gegen die Unbill des Klimawandels. Madeleine S. Günthardt-Goerg ist Senior Scientist (Reaktionen von Bäumen auf Umweltveränderungen) an der Eidg. Forschungsanstalt WSL, Walddynamik. madeleine.goerg@wsl.ch Pierre Vollenweider ist Forscher (funktionelle Pflanzenanatomie und -ökologie) an der Eidg. Forschungsanstalt WSL, Walddynamik und Privatwaldbesitzer pierre.vollenweider@wsl.ch Andreas Rigling ist Forstingenieur und Waldökologe an der Eidg. Forschungsanstalt WSL und der ETH Zürich andreas.rigling@wsl.ch

Referenzen unter www.buendnerwald.ch

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Der Tannenhäher ist ein sympathischer Bewohner der Bergwälder – gar Schirmherr des Schweizerischen Nationalparks. Als er 1961 unter Schutz gestellt wurde, ging dem eine Erkenntnis voraus, welche die Optik auf diesen Vogel diametral änderte. Das menschliche Urteil musste revidiert werden. Die Brandmarkung als gejagter «Schädling» wurde nicht nur aufgehoben, die Rehabilitation führte gar zur Ernennung schützenswerter «Nützling». Gerühmt werden Rabenvögel für ihre überdurchschnittliche Intelligenz. Nützlich für die Waldverjüngung wird aber ironischerweise ihre Vergesslichkeit bei der Futtereinlagerung. Diese Verteilwut mit reduziertem Finderglück lässt die vergessenen Arven-Nüsschen keimen. Eine Geschichte aus dem Naturschutz, die man gerne erzählt. Bereits Coaz erwähnt 1902 in der Zeitschrift für Forstwesen dessen Bedeutung für die Ausbreitung des Waldes an der Vegetationsgrenze. Er meinte jedoch auch, «… wenn sie aber zu zahlreich auftreten, sollte ein Abschuss stattfinden». Erst 60 Jahre später folgte das Jagdverbot. Zweifelsohne war der Tannenhäher auch der perfekte Botschafter für die gebeutelten Bergwälder, die sich mittlerweile in der fläch gen Ausdehnung sukzessive erholten. Für seinen nahen Verwandten aus den Mischwäldern sieht es etwas anders aus. Der Eichelhäher ist noch jagdbar. Spitzenreiter bei den Abschüssen sind gemäss eidg. Jagdstatistik seit einigen Jahren die Bündner Jäger, welche die Tessiner ablösten. Die Argumentation ist heute so: Was nicht gefährdet ist, kann grundsätzlich bejagt werden, besonders wenn die Jagd nur kompensatorisch wirkt. Da zwinkert der Tannenhäher erleichtert vom Geäst. Die ökologische Rolle des Eichelhähers ist uns längst klar und sie gewinnt wegen des Klimawandels an Bedeutung, was der vorliegende «Bündner Wald» verdeutlicht. Bis zu 5000 Eicheln soll ein Häher pro Saison verteilen. Erste Forstbetriebe machen sich die Dienste schon zu eigen und stellen Kästen mit Eicheln zur Verfügung. Dabei fällt auf, wie wählerisch die schlauen Krähenvögel sind. Op-

tisch nicht einwandfreie Eicheln werden in den Kästen liegengelassen. Eine erste Selektion vor der Keimung für werdende Eichen. Es bleibt die nüchterne Frage, wieso nun der Tannenhäher nichtjagdbarer Sympathieträger wurde und der Eichelhäher noch immer jagdbare Trophäe ist? Das Brüstchen sei köstlich, versicherte mir ein jagender Förster im Schwarzwald und die Feder gehöre in jeden Försterhut. Ob nun das Tannenhäher-Brüstchen ebenso schmeckt, weiss ich nicht – müsste es eigentlich bei einem Vogel, der sich mit feinsten Arven-Nüsschen nährt. Nun ja, bleibt die stilistische Hutdekoration, wo hierzulande mit der falschen Feder geschmückt, eher der modische Vogel abschossen wird. Für mich ist somit kein klarer Trennschnitt möglich zwischen diesen beiden Arten und ihrer menschlichen Einteilung. Eher klemmts beim Versuch einer logischen Auslegung. Für klimafitte Wälder wird es wichtig, dass sich die Eichenarten auf mehr Fläche innerhalb bestehender Wälder verbreiten. Das gerade im Hauptverlag erschienene Buch «Symbiosen in unseren Wiesen, Wäldern und Mooren» zeigt die Rolle beider Häher erneut eindrücklich auf. Der Eichelhäher steht für artenreiche und klimafi te Mischwälder der Zukunft. Als Schirmherr dieser würde er gut taugen, ob weiterhin jagdbar oder nicht. Sandro Krättli

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Eichen im Schams Das Schams ist den meisten wohl eher als Durchfahrtsroute in den Süden bekannt und weniger oder kaum als Eichenstandort. Und doch gibt es überraschende Hin­weise und Funde zu diesem interessanten Baum, der in unseren Kreisen nicht in Vergessenheit geraten sollte. Oskar Hugentobler

Wer sich mit den im Schams vorkommenden Baumarten befasst, wird kaum an Eichen denken. Der tiefste Punkt des ehemaligen Forstkreises Schams liegt beim Hinterrhein unterhalb von Rongellen auf rund 790 m ü. M. Gelegentliche Nassschneefälle im Spätherbst oder im Vorfrühling sowie die hohe Wilddichte wirken sich auf das Gedeihen von ­Eichen erschwerend aus. Umso erstaunlicher ist es, dass die Gemeinde Zillis ein Weiderecht für Schweine auf dem Gebiet der ehemaligen Gemeinde Patzen hatte. Eicheln und Schweinemast sind zwei Begriffe, die gut zusammenpassen. Nicht umsonst wird die Meinung vertreten, dass der beste Schin-

Etwa 20 Meter hohe Säuleneiche im Park Veia da Mulegn, Andeer, vor der Fällung.

(Alle Bilder: O. Hugentobler)

ken die Fütterung der Schweine mit Eicheln voraussetzt. Bei Holzanzeichnung in der Umgebung der Viamalaschlucht bin ich in Felsflanken auf der rechten Talseite öfters auf Eichenjungpflanzen gestossen. Die Eicheln sind vermutlich mit Vögeln von Rongellen oder dem Domleschg «herantransportiert» worden. Einen einzelnen Eichenbusch traf ich vor einigen Jahren oberhalb von Andeer auf einer Höhe von 1180 m ü. M. an. Dieser fiel vermutlich einer landwirtschaftlichen «Heckenpflege» zum Opfer. Bis vor wenigen Jahren wuchs eine schöne Säuleneiche im Park der ehemaligen Mühle von Andeer. Der seltene Baum ist verschwunden, er fie leider einem Sägeeinsatz zum Opfer. 1976 richtete ich zusammen mit Revierförster F. Ruf den ersten «Grütli-Waldpfad» des Kantons Graubünden ein. Die damalige Grütli-Krankenkasse engagierte sich auf diese Art für die Gesundheit ihrer Kunden. Unsere Idee war, dass möglichst alle im Tal vorkommenden und zusätzlich die in der Waldbroschüre der Grütli-Krankenkasse aufgeführten Gehölzarten längs des Weges aufzufinde sind. Aus diesem Grund pflanzten die Andeerer Waldarbeiter Stieleichen, Traubeneichen und Roteichen an der ostexponierten Talflanke. Die meisten dieser Bäume haben überlebt. Die Stiel- und die Traubeneichen litten allerdings unter dem Schneedruck und den sie überwachsenden Waldreben. Die Roteichen wuchsen schneller und waren widerstandsfähiger. Einige der Exemplare weisen heute eine Höhe von mehr als zehn Meter auf.

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Etwa 25-jährige Traubeneichenpflanzungen (Quercus petraea) bei Zillis. 44-jährige amerikanische Roteichen (Quercus rubra) am Waldpfad Andeer–Clugin.

Im Rahmen der Ersatzaufforstungen für die Rodungen im Zusammenhang mit dem Bau der Kraftwerke und der Nationalstrasse pflanzten die Forstgruppe des Kreisforstamts und die Waldarbeiter von Revierförster A. Signer verschiedene Eichen in der Umgebung von Zillis und Rongellen. Es zeigt sich, dass diese in dreissig Jahren schon eine beachtliche Höhe erreichen konnten. Bei Rongellen wachsen noch verschiedene Trauben­eichen. Am Rande des Eggenwaldes oberhalb von Unterrongellen befindet sich ein Eichenbestand, welcher regelmässig bewirtschaftet wird. Es braucht Verständnis und Freude an Bäumen und Sträuchern, damit Gehölze, die keinen kurzfristigen monetären Nutzen versprechen, erhalten werden können. Auch wenn es nicht im Pflichtenhef des Forstdienstes steht, ist der aktive Bezug zu Feldgehölzen und Naturhecken wünschenswert. Nur so kann die Vielfalt der Baumarten auch an weniger geeigneten Standorten erhalten werden.

Traubeneichenbestand oberhalb von Unterrongellen (28. Februar 2020).

«Der Forstdienst ist gefordert, sich aktiv für den Erhalt von Feldgehölzen und Strauchhecken einzusetzen und sich für die Artenvielfalt in- und aus­serhalb des Waldes zu engagieren.» Oskar Hugentobler ist pensionierter Forstingenieur und leitete während vieler Jahre den Forstkreis 14. Gemeinsam mit «seinen» Revierförstern strebte er eine möglichst breit gefächerte Baumartenmischung an und machte sich stark für Baumarten, die in ihrem angestammten Lebensraum bedroht wurden.

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Weshalb die Sumpfeiche von Interesse sein könnte Der Wald und die gesamte Natur geraten zusehends unter massiven Druck. Das Klima verändert sich nachhaltig und sorgt vermehrt für trockene Hitzesommer. Die Niederschläge verschieben sich vom Sommer und Herbst in den Winter und das zeitige Frühjahr hinein. So kommt es im Sommer zu Trockenheit und im Winter mancherorts zu heftigen Überschwemmungen. Auf Reinbestände und einzelne (Brot-)Baumarten werden wir uns nicht mehr verlassen können. Deswegen wird nach «neuen» Baumarten gesucht und geforscht. Eine dieser Baum­ arten könnte die Sumpfeiche sein. Jörg Clavadetscher

Beheimatet ist die Sumpfeiche im östlichen Nordamerika, wo sie weite Gebiete gegen Norden und auch gegen Westen hin besiedelt. Anzutreffen ist sie natürlicherweise nicht etwa in Sumpfgebieten, sondern in Flusstälern. Vor allem bei unseren nördlichen Nachbarn in Deutschland ist die Sumpfeiche schon seit einigen Jahrhunderten vertreten und erfreut sich örtlich grosser Beliebtheit, vor allem in Parks oder Friedhöfen sowie im urbanen Landschaftsbau. Doch auch dem Forstdienst ist sie keineswegs unbekannt.

Eine besonders grosse Sumpfeiche (Quercus palustris).

(Bild: Helmut Preisinger, Botanischer Verein zu Hamburg)

Standortansprüche Obwohl die Sumpfeiche häufig in Flussauen zu fi den ist und dort offenbar ihr bevorzugtes Refugium findet, ist ihr Name nicht ganz passend. Gegenüber zeitweiliger Nässe, d. h. Überflutunge von wenigen Monaten, ist sie zwar sehr tolerant, erträgt aber keine dauerhafte Staunässe. Die ideale Bodenbeschaffenheit wird als leicht sauer, sandig und tiefgründig beschrieben. Der Boden darf aber auch leicht trocken oder sogar tonig sein. Der Standort für Quercus palustris sollte sonnig bis halbschattig sein. Da sie zudem absolut frosthart ist, kann sie auch an verhältnismässig kalten Lagen am Waldrand gepflanzt we den.

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Sie gehört zu den schattentolerantesten Eichenarten und erträgt somit auch eine zeitweilige Beschattung im Jungpflanzenstadium, was bei unseren anderen Eichenarten nicht der Fall ist. Alles in allem handelt es sich bei der Sumpfeiche also um einen Spezialisten für Auenwälder mit periodischen Überschwemmungen. Mit diesen Standorten kommen nicht viele heimische Baumarten zurecht. Als ideale Pflanzpartner werden Fichte, Erle, Ulme, Lebensbaum, Zelkove, Amberbaum, Tupelobaum, Sandbirke und Tulpenbaum aufgeführt. Nebenbei ist die Sumpfeiche, wie bereits erwähnt, auch für Bepflanzungen im innerstädtischen Bereich, in Parks und Friedhöfen oder als Alleebaum beliebt. Im Landschaftsbau wird die Sumpfeiche zur Begrünung von sehr schweren und vernässten Tonböden eingesetzt. Wuchs Die Sumpfeiche wächst sehr schnell und erreicht durchaus eine Wuchshöhe von circa 25 Meter. Die Krone von Quercus palustris kann als kegelförmig bezeichnet werden. Die Äste stehen fast waagrecht und nur leicht aufrecht stehend am Stamm. Dieser Waldspezialist bildet oft einen schnurgeraden Stamm aus, welcher bis in die Spitze durchgehend ist und wächst somit weit gerader als die meisten anderen Eichenarten. Die Äste sind locker am Baum verteilt. So bilden sich die Äste unregelmässig, was der Krone ein aufgelockertes Aussehen verleiht. Aufgrund dieser Aststellung erhält die Sumpfeiche eine lichte Krone, welche ideal zur Beschattung der Naturverjüngung geeignet ist. Biologie Als besonderes Highlight wird das wunderschöne Laub der Sumpfeiche gelobt. Die Blätter errei­chen eine durchschnittliche Länge von circa 12 cm und eine Breite von circa 8 cm. Die Blätter von Quercus palustris verfärben sich im Herbst zu einem leucht-

Sumpfeichen als Strassenbäume in Hamburg.

(Bild: Helmut Preisinger, Botanischer Verein zu Hamburg)

enden Karminrot, womit sie in ihrer ursprünglichen Heimat, im östlichen Nordamerika, wesentlich zum Indian Summer beiträgt. Wie die Roteiche hat auch die Sumpfeiche zugespitzte Blattlappen. Bei der Sumpfeiche sind die Blätter fast bis zum Mittelnerv eingebuchtet, wodurch man sie leicht von der Roteiche unterscheiden kann. Neben den interessanten Blättern spielen auch die dekorativen, kleinen und kugeligen Eicheln eine wichtige Rolle. Sie treten in grossen Massen auf und ernähren viele Waldtiere. Daher wird dieser Waldspezialist auch sehr gerne zur Wildfütterung für Rehwild, Wildschweine, Vögel und Nagetiere angepflanzt. Die Eicheln erreichen einen Durchmesser von circa 1,5 cm und sind auffallend ­gestreift. Diese Eicheln können auch gesammelt, getrocknet und für den Bastelbedarf verkauft werden, da es im Aussehen keine vergleichbare Eichel gibt. In ihrer Jugend zeigt sich Quercus palustris in hellgrauer sehr glatter Rinde. Mit zunehmendem Alter wird diese dann dunkler und rissiger. Die Sumpfeiche ist als Flachwurzler zu beschreiben. Allerdings bildet sie keine typische Tellerwurzel aus, sondern eine flache Herzwurzel. Somit ist sie nicht so windanfällig wie ein typischer Teller-

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che kann als wuchsstarken Baum mit einem Holz von hervorragendem Heizwert bezeichnet werden. Das Holz schwindet etwas stärker und ist wesentlich offenporiger als jenes der heimischen Stieleiche. Die Volumenschrumpfung liegt bei circa 14 Prozent und das Trockengewicht wird mit 705 kg pro Kubikmeter bezeichnet. Das Holz dieses Spezialisten weist eine wunderschöne Maserung auf. Das Splintholz ist von tiefgelber Farbe, während der Kern stark dunkelbraun ist, was das Holz für den Möbelbau sehr attraktiv macht. Dieses Holz ist mit dem der Roteiche absolut vergleichbar. Beide Hölzer gelten als hart und trotzdem gut bearbeitbar. Da sich die Roteiche bei uns schon länger etabliert hat, können auch schöne Stämme der Sumpfeiche gut gehandelt werden.

Die Blätter der Sumpfeiche sind fast bis zum Mittelnerv eingebuchtet.

(Bild: Helmut Preisinger, Botanischer Verein zu Hamburg)

wurzler. Als Windschutzpflanzung ist sie aber nicht zu empfehlen! Holz Das Holz der Sumpfeiche wird für verschiedene Zwecke verwendet. Vor allem im Möbelbau finde sich eine grosse Abnehmerschaft. Dieses Holz kann zwar mit dem der heimischen Stieleiche nicht ganz mithalten, jedoch kann es trotzdem hervorragend bearbeitet, poliert und lackiert werden. Es ist zudem schrauben- und nagelfest. Aufgrund des schnelleren Wuchses ist das Holz von Quercus palustris günstiger als das Holz unserer Stieleiche. Trotz der offenen Poren ist dieses Holz nicht als leicht zu bezeichnen und eignet sich daher auch hervorragend als Cheminéeholz. Die Sumpfei-

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass –– die Sumpfeiche unsere Pflanzenauswahl für «Waldnischen», vor allem im Auenbereich, um ein weiteres Stück erweitert; –– wir mit ihr auch auf sauren Böden mit zeitweise starken Überschwemmungen Eichen kultivieren können; –– es ein Irrglaube ist, dass nur das Holz der Stiel­ eiche für Weinfässer verwendet werden kann. Das Holz der Sumpfeiche wird ebenfalls gerne für diesen Zweck verwendet (Viele hervorragende kalifornische Rotweine sollen in Fässern aus Sumpfeichenholz reifen.); –– auch der biologische Nutzen in Form der Früchte und der biologischen Vielfalt im Bereich der Auwälder diesen Waldspezialisten interessant machen. Jörg Clavadetscher ist Redaktor des Bündner Wald.

Quellen www.klimawandelgehoelze.de www.botanischerverein.de www.baumkunde.de www.wikipedia.org

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Von der Eichel zum Risotto al Tartufo Wir schreiben das Jahr 1857. In der Nähe von Fläsch zieht ein Reh unter einer mächtigen Eiche vorbei. Unachtsam drückt es eine Eichel in den weichen Boden. Später keimt die Eichel und über die Jahre wächst ein stattlicher Baum heran. 160 Jahre später spaziert Roland Schmid mit seinem Hund an gleicher Stelle durch. Der Hund verharrt und scharrt im Boden. Schmid ruft seinen Hund zur Seite, bückt sich und zieht vorsichtig eine dunkle Knolle aus dem Boden … Bis hier hin eine frei erfundene Geschichte. Was nun folgt, sind Fakten zu diesem Thema. Stefan Spahr

Fragiles Gleichgewicht im Wald Lassen wir uns von einer hypothetischen Trüffeleiche in einem Bündner Wald die Geschichte der Trüffeln erzählen. Ungezählte Eicheln, die jährlich in den Wäldern auskeimen, finden im Boden schon im ersten Jahr Verbündete bei den Pilzen. Die Eiche ist spezialisiert auf Pilzarten, die zusammen mit ­ihrem Wirtsbaum eine Ektomykorrhiza bilden können – eine Zellverbindung zwischen Feinwurzeln und Hyphen des Pilzmyzels. Über diese für beide Arten lebenswichtige Verbindung tauschen die Symbiosepartner nicht nur Kohlenhydrate, Mikronährstoffe und Wasser aus, sondern senden auch Botenstoffe und Informationen in ein weitverzweigtes Netzwerk über ganze Waldregionen zu den darin lebenden Pflanzen und Pilzen. Auf die keimenden Eicheln warten Hunderte verschiedener Pilzarten im Boden, die sich um Territorien und Wirtsbäume streiten. Nur in äusserst seltenen Fällen wird eine keimende Eichel auf einen Pilz der Gattung Tuber (Trüffeln) stossen, denn nur sehr wenige Habitate bieten genau die richtigen Bedingungen für diese sensiblen Pilze, die rasch durch andere Arten verdrängt werden. Ist eine solche Verbindung zustande gekommen, so wird der Keimling zusammen mit seinem Pilzpartner über Jahrzehnte wachsen müssen, bis der Pilz im Stande

ist, erstmals Fruchtkörper – also Trüffeln – auszubilden. Über diese vielen Jahre hinweg bleibt die Symbiose nur dann stabil, wenn sich das Mikroklima rund um den Baum nicht verändert. Jeder Eingriff in den umgebenden Wald – und sei es nur das Fällen eines einzelnen Baumnachbars – kann das fragile Gleichgewicht durch Änderung der Lichtverhältnisse und der Begleitvegetation zum Kippen bringen. Auch Bodenverdichtungen durch schwere Waldmaschinen gefährden das Überleben des Myzels im Boden. Unter stabilen Verhältnissen hingegen können Eiche und Pilz über Jahrzehnte bestehen, und jährlich bildet der Pilz nun – je nach Saisonverlauf – unterirdisch wachsende Trüffeln als Fruchtkörper für seine Sporen. Kreislauf vieler Waldbewohner Im Gegensatz zu Ständerpilzen, die quasi über Nacht aus dem Boden «schiessen», wachsen Hypo­gäen über Wochen bis Monate im Boden, zum Beispiel unter unserer Eiche, heran. Im Verlaufe des Herbsts gelangen die Sporen in den Fruchtkörpern aufgrund äusserer Bedingungen wie Niederschlag und Temperaturverlauf zur Reife. Damit sich die Sporen räumlich verbreiten können, bedient sich die Natur eines genialen Tricks: Durch ein Zusammenspiel von Sporen und Bakterien-

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Trüffeln im Bündner Wald In der Schweiz existieren rund zehn verschiedene wild vorkommende Hypogäenarten der Gattung Tuber (echte Trüffeln). Davon ist knapp die Hälfte geniessbar (Sommertrüffel Tuber Aestivum, Wintertrüffel Tuber Brumale, Burgundertrüffel Tuber Uncinatum, Teertrüffel Tuber Mesentericum). Diese leben in Symbiose mit rund fünfzehn verschiedenen einheimischen Baumarten zusammen, die häufigsten sind Rotbuch und Fichte, doch auch einheimische Eichenarten gehören dazu. Die Habitate finden sich in der Regel unterhalb vo 800 m ü. M. auf basischen und kalkhaltigen Gründen. Im Bündnerland beschränken sich diese Bereiche auf das Churer Rheintal, das Domleschg, das Misox sowie das südliche Bergell. Diese Regionen sowie zusätzlich allenfalls die Surselva und das untere Prättigau kommen auch als Anbauregion in Frage. Die wohl erste Trüffelplantage im Kanton Graubünden wurde vor rund acht Jahren in der Bündner Herrschaft angelegt.

stämmen entwickelt die reife Trüffel einen intensiven Geruch auf Basis einer Schwefelverbindung, welchen Feinschmecker zum Beispiel zusammen mit einer frischen Tagliatelle sehr schätzen. Dieser wird ebenfalls geschätzt und leicht gefunden von im Waldboden lebenden Käfern, Schnecken, Würmern, Maden und zwischendurch auch mal von Säugetieren wie Mäusen, Mardern und anderen Nagern. Das Trüffelwildschwein hingegen ist wohl eher Legende als häufige Realität. Durch den Frass gelangen die reifen Sporen über den Magen-

Darm-Trakt der Tiere in die Umgebung, wo sie keimfähig ausgekotet werden. Gelangen die Sporen auf diese Weise zufällig in ein geeignetes ­Habitat, so beginnt der Lebenskreislauf erneut. … und der Risotto? Der Mensch erweist sich nicht als fähig, den zarten Duft der Trüffeln im Boden zu orten. Er muss sich für die Trüffelsuche eines Gehilfen bedienen, dessen Sinne für Gerüche um ein Tausendfaches sensibler sind. Während das historische Trüffelschwein aus praktischen Gründen heute ausgedient hat (es hat ein natürliches Interesse an den trüfflige Schwefelverbindungen, die dem Sexualhormon des Ebers ähneln sollen), setzen Trüffelsucher heute bevorzugt auf Hunde. Diese lassen sich durch ein gezieltes Training und eine ordentliche Belohnung dazu bringen, den exakten Ort am Boden unter unserer Eiche anzuzeigen, wo sich eine reife Trüffel befindet, sodass sie der geübte Trifolao sorgfältig unter einer meist nur wenige Zentimeter dicken Erdschicht bergen kann. Mit einer Riechprobe identifiziert der Trüffelsucher sofort Art und Qualität der gefundenen Delikatesse, um sie spä-

Rotweinrisotto mit frisch gehobeltem Trüffel ist eine nicht ganz alltägliche, aber sehr feine und geschmackvolle Variante.

(Bild: J. Clavadetscher)

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Weissweinrisotto mit Trüffel (2 Port.) 1 Prise 200 g 1 Glas 500 ml 2 EL 3 Stk. 40 g 5 – 6 EL 50 g

Salz und Pfeffer Risottoreis Weisswein Bouillon oder Wasser Butter oder Olivenöl Schalotten (oder 1 gr. Zwiebel) Burgundertrüffel Parmesan (gerieben) Mascarpone Zubereitung

Am Vortag: Eine Trüffel halbieren und beiseitestellen. Restliche Trüffel raffeln, mit der Mascarpone vermengen und gedeckt kühl stellen. Schalotten oder Zwiebel schälen und fein hacken. In einem Topf in der Butter/im Olivenöl andünsten, Reis dazugeben und kurz mitdünsten lassen.

ter in der heimischen Küche zu einem einfachen Gericht zu veredeln oder – unter oft konspirativen Bedingungen – an einen zahlungskräftigen Gourmet abzugeben. Eichennoten in der Trüffel? Geruch und Geschmack der Trüffeln unterscheiden sich stark bei den verschiedenen Arten, die sich längst nicht nur in «schwarze» und «weisse» unterscheiden lassen. Zu den Schwefelverbindungen gesellen sich je nach Art zum Beispiel Noten von Käse, feuchtem Moos, Phenol, Rettich, Moschus oder Schokolade. Es sei dem Feinschmecker überlassen, zu beurteilen, ob sich auch geschmackliche Unterschiede je nach Wirtsbaum oder Bodenbeschaffenheit erkennen lassen. Immer aber sind Geruch und Geschmack der Trüffeln flüchtig und sensibel und verändern sich, sobald der Edelpilz mit

Mit Weisswein ablöschen. Diesen einkochen, dann den Reis mit der Suppe (oder Wasser) bedecken. Kurz aufkochen lassen, und auf ganz kleine Flamme schalten. (Wer hier lieber Wasser verwendet, gibt etwas mehr Salz oder Kräutersalz bei.) Die restliche Suppe regelmässig nachgiessen, sodass der Reis immer bedeckt ist. Reis ausquellen lassen und ab und zu rühren. Kurz vor dem Servieren den Parmesan unterheben. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Temperatur kontrollieren: Sobald der Risotto unter 60 °C abgekühlt ist, die Trüffel-Mascarpone unterziehen. Risotto anrichten, restlichen frischen Trüffel fein über den Risotto hobeln und servieren. Tipp Wird der Trüffel erst am Tisch frisch über den Risotto gehobelt, sorgt dies beim Besuch für einen zusätzlichen «Wow-Effekt».

Sauerstoff in Berührung kommt. Eine frisch geerntete Trüffel verliert deshalb schon wenige Tage nach dem Fund an Qualität. Produzenten von Pasten, Butter, Ölen und anderen mit Trüffeln veredelten Produkten bedienen sich deshalb fast immer künstlicher Aromen. Diese sind leider meist sehr dominant, wenig differenziert und haben mit den natürlichen Noten der Trüffeln kaum etwas gemeinsam. Glücklich also, wer sich dem echten Genuss einer wirklich frischen Trüffel hingeben kann. Gemeinsam mit seiner Frau Linda leitet Stefan Spahr die Schweizer Filiale der Firma TrüffelGarten in Büren a. A. und bietet nicht nur Trüffelbäume an, sondern auch verschiedene Kurse zur Trüffelsuche.

Weiterführende Informationen zu Trüffeln und Trüffelanbau: www.trueffelgarten.ch

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Säge Tenna – bald ein Jahrhundert in Betrieb Wieder wurde von den Bauern viel Holz zur Säge angefahren, entrindet und auf den Lagerplatz gerollt, wo die Stämme von Lieni Joos mit Geschick zur Verarbeitung auf den Rollwagen befördert werden. Ein Kurzbericht für einmal nicht von einer Grosssägerei, sondern aus einem Kleinstsägereibetrieb, betrieben mit Hand, Herz und Leidenschaft. Elisabeth Bardill

Holz aus den Waldungen der Gemeinde. Kraft der historischen Einfach-Gattersäge und ihrem Säger läuft ein uraltes System in der Holzverarbeitungskette wie am Schnürchen. Die Bauern liefern gefällte Blöcker und Sturmholz mit ihren modernen Transportmaschinen auf den Lagerplatz. Der Bauer Lieni Joos sägt nach Angaben Bretter und Balken für Haussanierungen, Stallbauten, Anbauten, Zäune … Beim Sonntagsspaziergang mit seiner Frau Ursulina kann er mit Genugtuung feststellen, wo seine Arbeit Spuren hinterlassen hat. Vor siebenundfünfzig Jahren wurde Lieni Joos von seinem Vater in die Sägereiarbeiten eingeführt. Mit einigen kurzen und längeren Unterbrüchen bedient er

In der Sägerei Tenna ist viel Handarbeit gefragt, ebenso werden Geschick und Erfahrung verlangt. (Bilder: E. Bardill)

die Säge bis auf den heutigen Tag. Sie ist ihm ans Herz gewachsen, ja, ist Teil seines Lebens. So hat er die Geschichte der Anlage in einer schönen Broschüre archivwürdig dokumentiert. – Das Holz wird zu gewissen Zeiten sommers wie winters angeliefert. Sind die Blöcker gesägt, wird das Schnittgut umgehend abgeholt. Lieni Joos organisiert den Betrieb und führt die Betriebsrechnung. Die zuverlässige gute Arbeit wird von den Bauern in Tenna ausserordentlich geschätzt. Der Sägerlohn ist bescheiden, die Transportwege kurz, der Nutzen gross. Die Holzlieferanten sind teilweise Enkel und Urenkel der Gründergeneration. Unabhängigkeit in Notsituation Weil im Januar 1929 das Heimwesen einer Bauernfamilie vollständig niedergebrannt war, nahm der Brandgeschädigte das zum Anlass, eine transportable Bergsäge nahe bei der Baustelle zu installieren. Mithilfe von Verwandten und Nachbarn kam es zur Umsetzung dieser Idee. Die Säge leistete gute Dienste und es fand sich bald danach ein Grundstück, um das Sägereigebäude, wie es heute noch steht, zu errichten. Das Projekt wurde von acht Konsortiumsmitgliedern zügig an die Hand genommen. Der Riegelbau sowie das Verlegen von Schienen für den 2-achsigen Rollwagen konnten auf dem erworbenen Grundstück erstellt werden. Auch Platz für Anlieferung von Blöckern, geschnittenem

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Der Anblick und die Geräuschkulisse vermitteln einen Hauch von Nostalgie und scheinbar vergangener Zeit.

sowie Abfallholz ist vorhanden. 1933 konnte die Säge im neuen Gebäude in Betrieb genommen werden. Sanierung der Betriebseinrichtung 1976 wurde die Anschaffung einer älteren, noch gut erhaltenen Säge aus dem Toggenburg beschlossen. Es handelt sich um eine historische Holz-Gattersäge mit einem Sägeblatt. Der elektrische Antrieb geschieht durch Lederriemen über die mittlere Welle auf die Sägegatter-­ Schwungradwelle. Die Verbesserung bei der Wagenfräse mit dem Kauf eines 5,5-PS-Tischfräsenmotors bedeutete bessere Arbeitsleistung. Finanzierung, Transporte, Installationen, Pflege, Unterhalt und einfachere Reparaturen sind seit jeher Sache der acht Konsortiumsmitglieder. Daran hat die spätere Umwandlung in den «Sägeverein Tenna» nichts verändert. Der Verkauf der Sägerei an die Gemeinde, zugunsten öffentlicher Verwertung des Grundstücks, kam bis heute nicht infrage.

Umgang mit den Tücken im Betrieb Oft schon ist der Rolli beim Beladen eines schweren, krummen Blocks einseitig aus der Gleitschiene gesprungen. Bei Gefriertemperaturen entsteht Reif an den Rädern und Schiebstoppklötzen beim Vorschubsystem. Wenn knarrende, abwürgende Geräusche zu hören sind, befinden sich Nägel oder eingewachsene Steine im Holz. Das Reissen eines Treibriemens kann dann und wann vorkommen. Wenn Lieni Joos unliebsame Überraschungen erlebt, sinkt die Sägerlaune augenblicklich ins Minus. Die Freude ist gross, wenn die Sache behoben ist, die Säge wieder funktioniert, was das regelmässig stampfende Geräusch des Gatters anzeigt. Handarbeit mit Zapin, Kehrhaken, Feile, Schneeschaufel … ist unerlässlich. Elisabeth Bardill-Meyer, 1941, lebt in Tenna. Sie ist freischaffende Schreiberin mit pädagogischer Ausbildung.

Quellen: Dokumentation von Lieni Joos-Buchli

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Kantonsförster Reto Hefti geht neue Wege Seit dem 1. April 1984, also seit 36 Jahren, setzt sich Kantonsförster Reto Hefti für den Bündner Wald ein. Mit einem ETH-Studium und dem dazugehörigen Abschluss zum diplomierten Forstingenieur ETH nahm Retos berufliche Karriere ihren Anfang. Interview von Sabine Leisinger

Im Anschluss an sein Studium engagierte sich Reto während knapp zweier Jahre in einem Forschungsprojekt der damaligen EAFV (heute WSL) in Davos und Birmensdorf. Das UNESCO-Projekt – unter dem Kürzel MAB (Man and Biosphere) war einer der ersten Versuche, mit einfachen, georeferenzierten Daten Ökosystemforschung zu betreiben.

Ab jetzt soll mehr Zeit für Skitouren bleiben.

(Bild: zVg. Reto Hefti)

Danach stellte er die Weichen und begann als akademischer Mitarbeiter für den Kanton beim damaligen Forstinspektorat sich für den Bündner Wald einzusetzen. Bereits nach kurzer Zeit wurde Reto Hefti zum Sektionsleiter für den Bereich Betriebsführung ernannt. Im Jahr 1992 folgte dann die Wahl zum Kreisförster des damaligen Forstkreises 5 und im 1999 wurde Reto Hefti Leiter des sechsköpfigen Teams, welches für das Gebiet Rheintal/Schanfigg zuständig wa . Im Jahr 2006 übernahm er die Leitung des Amts für Wald und zügelte sein Büro nach Chur. Seit 2014 übernahm er zusätzlich das Amt des Stabsschef-Stellvertreters des Kantonalen Führungsstabs. Seit nun 14 Jahren als Amtsleiter geht Reto H ­ efti per Ende Juli 2020 in Pension. In den vergangenen 36 Jahren, in denen er sich für den Bündner Wald engagiert hat, hat er vieles erlebt. Reto Hefti, werfen wir zuerst einen Blick zurück – eine Bilderbuchkarriere? Waren diese Schritte stets dein Wunsch und geplant? Überhaupt nicht! Ich hatte ursprünglich ganz andere, berufliche Ziele. Ich strebte eine Karriere als Militärpilot beziehungsweise Flugzeugkonstruk­ teur an. Das begann mit einigen Prüfungen, der mehrwöchigen fliegerischen Vorschulung, die mir letztlich das Segelflugb evet brachte, und endete mit einem Grounding in der Rekrutenschule. Meine Interessen hatten sich fast um 180 Grad geändert. Nach zwei freudlosen Semestern an der Abt. Maschinenbau der ETH landete ich an der Abt. VI, Forstwirtschaft. Das rudimentäre Berufsbild, das ich bei Studienbeginn hatte, versprach mir die sehnsüchtig gesuchte Verbindung von Natur und Technik. Um ein Haar wäre ich aber noch Geologe geworden. Nach dem Studium wollte ich eine Weltreise machen und letztlich in Kanada stranden, wo ich während des Studiums ein zweimonatiges

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Praktikum gemacht hatte. Ich hatte eine «social insurance card» mit einem Ahornblatt, das wäre meine Eintrittskarte für einen mehrjährigen Aufenthalt in meinem damaligen Lieblingsland gewesen. Man hatte uns damals wenig Hoffnung auf einen Job im Kanton Graubünden gemacht. Nach einem Winter als Aushilfslehrer in Physik und Mathe und Skilehrer wollte ich starten. Da erreichte mich das Angebot von Forstinspektor Rageth für ein zweijähriges Engagement als Mitarbeiter in einem Forschungsprojekt – das Forstinspektorat (FI) wollte da einen Bündner haben und ich war der einzige auf dem «Markt». Sollte ich diesen Job annehmen, wurde mir eine anschliessende Stelle beim FI garantiert. Das war eine der sprichwörtlichen Weichen in meinem Leben. Die Liebe zu meinem Kanton, zu den Bergen liess mich den Job annehmen. Die Welt und Kanada würden ­sicher warten und sie warten heute noch. Meine weitere berufliche Karriere ergab sich aus meinem Engagement, das ich entwickeln kann, wenn mich etwas gepackt hat, der Freude am Arbeiten mit Menschen und dann war da noch das Glück. Wie heisst es so schön: «Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.» 36 Jahre Engagement für den Wald, für den Bündner Wald. Welche Bedeutung hat der Wald für dich heute? Hat sich diese im Laufe der Jahre verändert? Der Wald hat für mich auch etwas Mystisches. Ich war schon als kleiner Junge viel im Wald. Damals wohnten wir in einem Haus, das nur mit Holz oder Kohle geheizt wurde. Ich ging Zapfen sammeln, habe Äste und Rinde aus Holzschlägen nach Hause geschleppt und war dann schon früh für den rechtzeitigen Betrieb – vor allem am Sonntagmorgen – der Holzöfen verantwortlich. Der Wald war vor allem auch Spielplatz. Vermutlich hatte der Förster in

«Jedes zweite Haus in Graubünden wird vom Wald geschützt, genau wie rund 60 Prozent der Strassen. Tatsache ist: Ohne den Wald wäre unser Kanton schlicht nicht bewohnbar.» Quelle: Terra Grischuna 3/2019

Flims, der uns die Baumhütte demontieren liess und uns anhielt, die langen Nägel aus den Bäumen zu ziehen, nachhaltigen Eindruck auf mich gemacht. Beruflich hat mich der Respekt vor dem Wald, vor der Natur wohl mehr geprägt als dessen wirtschaftlicher Nutzen. Ich habe in all den Jahren viel Energie dafür verwendet – egal auf welcher Ebene und in welcher Funktion – den Wald, die Lebensgemeinschaft, seinen unbezahlbaren Wert für uns, unter die Menschen zu bringen. Es war und ist mir ein grosses Anliegen. Wir Förster haben eine grosse Verantwortung, der Lebensgemeinschaft Wald zu helfen, die sich wandelnden Ansprüche der Gesellschaft so zu steuern, dass dadurch keine unlösbaren Konflikte entstehen. In den letzten 14 Jahren habe ich den Wald mehrheitlich und häufig in der Freizeit besucht, als Jäger, Pilzsucher oder mit meinem Hund. Als Amtsleiter steht man oft zwischen Politik und Wissenschaft respektive Politik und Verwaltung. Wie schwierig ist dieser Spagat? Konntest du deine Ideen auch immer umsetzen, oder gibt es Ziele, die du dir gesteckt hast, für die die Zeit (oder die Politik) nicht gereicht hat? Ich habe sehr, sehr viele Ideen realisieren können. Wir sind ein agiles Amt, wir haben tol-

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«Die Frage ist nicht, ob es den Klimawandel gibt. Die Frage ist, wie der Mensch mit seinen Ängsten umgeht, wenn Gefahr droht.» Quelle: Terra Grischuna 3/2019

le, innovative und sehr motivierte Mitarbeiter und arbeiten in einem Umfeld, das uns viele Überraschungen beschert – vor allem im Bereich Naturgefahren und Waldschutz – und auch gesellschaftlich geprägt wird. Als Mitarbeiter des AWN produzieren wir Dienstleistungen für den Steuerzahler. Es muss uns gelingen, diese gegenüber den Menschen, der Politik zu vertreten, dann haben wir auch Erfolg mit unseren Anliegen. Ich glaube, das ist mir in den vergangenen 14 Jahren recht gut gelungen. Den Spagat habe ich deshalb nie als Anstrengung oder «Murks» empfunden, sondern vielmehr als Motor, noch besser zu werden, die richtigen Argumente herauszuschälen und dann dazu auch die erforderlichen Grundlagen zu erarbeiten. Ich war sicher zu selten der typische Beamte und manchmal auch mehr Manager als Förster, fühlte mich aber immer sehr gut verstanden und auch unterstützt durch meine politischen Vorgesetzten. Natürlich gibt es Ziele, die ich nicht erreichen konnte, darunter auch einige wichtige. Es ist mir trotz sehr grossen Anstrengungen nicht gelungen, eine tragfähige und nachhaltige Wald-Wild-Strategie zu definie en. Zu emotional und zu verhärtet waren und sind leider die Fronten. Dann sind die Naturgefahren in Graubünden noch immer nicht in einem Amt zusammengeführt. Was mir als Berater im Wallis gelang, wurde mir im eigenen Kanton verwehrt.

Der Klimawandel betrifft vor allem auch das Amt für Wald und Naturgefahren. Welches ist der Baum der Zukunft und warum? Der Baum der Zukunft? Das wäre für mich sinnbildlich der «Baum der Zusammenhänge» oder vielleicht auch der «Baum der Eigenverantwortung». Der Mensch als Treibender im und Getriebener vom Klimawandel hat nur eine Chance, wenn er die Zusammenhänge erkennt und seine Eigenverantwortung wahrnimmt. Natürlich will man von mir an dieser Stelle keine philosophischen Inputs, sondern Fachwissen. Nun, da würde ich ohne zu zögern sagen, dass es diese Baumart nicht gibt, und dass wir deshalb möglichste viele Baumarten in die Zukunft mitnehmen sollten. Auf jedem Standort wird sich dann die Richtige zu erkennen geben. Und nach der Pensionierung, wie füllst du die plötzlich leer gewordenen Tage? Ich werde es keine Sekunde langweilig haben, werde mich aber – entgegen der letzten 36 Jahre – nur noch am Rande mit dem Wald beschäftigen. Da sind noch einige kleine Mandate und dann ist da vor allem viel Zeit für die 1. Produktionsstufe: Fischen, Jagen, Gärtnern etc … Ich werde viel in der Natur sein. Und, ich lese sehr gerne und werde nun endlich genügend Zeit dafür haben. Sicher gibt es noch das eine oder andere Projekt, das aber erst als Idee vorliegt. Ich hatte eine tolle Zeit in einem tollen Team bei einem sehr guten Arbeitgeber und freue mich trotzdem sehr auf den neuen Lebens­ abschnitt.

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Urban Maissen betritt neues Terrain Als Leiter der AWN-Region 3 in Ilanz und stellvertretender Kantonsförster ist Urban Maissen kein Unbekannter. Der «Bündner Wald» stellte dem zukünftigen Kantonsförster 3 Fragen. Interview von Sabine Leisinger

Wer ist der neue Amtsleiter des AWN und welche Vorstellungen hat er? Mich zeichnet sicher das grosse Interesse und die Freude an allen Fragen zum Wald und zu Naturgefahren aus. Der Wald ist ein faszinierendes Objekt, das mich nie langweilt. Auch die Naturgefahren lassen «einen nie los». Diese Begeisterung für die gestellte Thematik

möchte ich allen Mitarbeitenden mitgeben und unterhalten. Wir arbeiten an etwas sehr Wichtigem für den Kanton Graubünden. Zu den Grundaufgaben ergeben sich beim AWN immer wieder grössere Herausforderungen, insbesondere bei Waldschäden und Natur­ereignissen. Das sind denn auch die Gradmesser für unsere Leistungen. Um diese Aufgaben gut bewältigen zu können, ist ein gutes Team entscheidend. Und für dieses Team möchte ich da sein. Rein fachlich gesehen sind künftig vor allem drei Aufgaben wichtig: die Funktionserfüllung unserer Wälder auch mit der Klimaveränderung, die Bewältigung von grösseren Naturereignissen, die Qualität in der Waldpflege und bei forstlichen Projekten.

Urban Maissen vor einem Holzstapel als Sinnbild für den Bündner Forstdienst: Viele Einzelheiten ergeben ein Ganzes.

(Bild: zVg. AWN)

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«Ich glaube, der Bündner Wald wünschte sich, dass seine Vielfalt an ökologischen Inhalten breite Anerkennung findet. Ist das AWN in Fragen des Waldes und bei Naturgefahren allein am Steuer oder gibt es auch wichtigste Partner? Das ist eine entscheidende Frage, denn die kantonalen Amtsstellen sind zuständig für die Umsetzung der kantonalen Gesetzgebungen. Im Falle des AWN betrifft dies selbstverständlich und in erster Linie das Waldgesetz mit den dazugehörigen Verordnungen, inklusive dem Naturgefahrenmanagement. Die Umsetzung des Waldgesetzes ist aber eindeutig eine Verbundaufgabe zwischen Bund, Kanton und Gemeinden. Im Kanton Graubünden gehört der Wald zu 86 Prozent den Gemeinden und öffentlichen Korporationen. Am Beispiel der Schutzwaldpflege lässt sich diese Zusammenarbeit gut erklären: Der Bund schliesst mit dem Kanton eine Programmvereinbarung ab, in welcher der Kanton sich verpflichtet, die Pflege des Schutzwaldes im Kanton nach Vorgaben zu realisieren. Die Umsetzung ist für den Kanton nur mit dem Waldeigentümer möglich. Dies erfolgt mit dem sogenannten Sammelprojekt Schutzwald, in welchem jährlich bestimmt wird, welche Waldteile prioritär zu behandeln sind. Dafür gibt es finanzielle Unterstützung vom Bund und vom Kanton, die Restkosten trägt der Waldeigentümer. Würde einer dieser drei Partner nicht mitmachen wollen, gäbe es keine genügende Schutzwaldpflege und der Gesetzesauftrag könnte nicht erfüllt werden – denn der Auftrag im Bundesgesetz über den Wald, Art. 20, bestimmt: «Der Wald ist so zu bewirt-

schaften, dass er seine Funktionen dauernd und uneingeschränkt erfüllen kann (Nachhaltigkeit) … Wo es die Schutzfunktion erfordert, stellen die Kantone eine minimale Pfleg sicher.» Nebst dem Bund und dem Waldeigentümer sind selbstverständlich auch Branchenverbände und Partnerämter – namentlich das Amt für Jagd und Fischerei – wesentlich, um im Wald ein koordiniertes Vorgehen realisieren zu können. Aus Sicht des Waldes, was würde sich der Wald wohl selber wünschen, wenn er drei Wünsche offen hätte? Ich glaube, der Bündner Wald würde für sich wünschen: –– dass seine Produkte auf dem Markt Absatz finden. Konk et, –– dass seine Schutzleistung und sein Erholungsangebot auch etwas kosten kann, –– dass sein Holz in der einheimischen Bevölkerung Verwendung findet –– dass die vollständige Palette an standortgerechten einheimischen Baumarten gedeiht, –– dass seine Baumarten sich dadurch auszeichnen könnten, sich dem Klimawandel anpassen zu können.

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Vorschau «Bündner Wald» August 2020

Vorschau auf die nächsten Nummern Oktober 2020: Forstliche Führungsinstrumente Redaktion: Jörg Clavadetscher Redaktionsschluss: 7. August 2020

Forstwartausbildung in Graubünden Der Erfolg einer Branche hängt von der Qualität der geleisteten Arbeit jedes Akteurs ab. Wir können jeden Baum aufnehmen und jeden Hektar Wald planen, aber wenn die Arbeit im Wald nicht mit Sorgfalt, Professionalität und Leidenschaft ausgeführt würde, wäre die Forstbranche nie erfolgreich. Die Forstwartarbeit wird oft auf das Fällen von Bäumen reduziert. Das ist aber nur ein Teil dieser sehr schweren Arbeit, welche unter ausserordentlichen Rahmenbedingungen durchgeführt werden muss. Die Forstwartarbeit beeinflusst die Qualität des gelieferten Holzes, der gepflegten Bestände und des betrieblichen Erfolgs. Deshalb spielt die Forstwartausbildung eine zentrale Rolle für die Zukunft unserer Wälder und unserer Branche. Redaktion: Viola Sala

Dezember 2020:Standortskunde Redaktion: Viola Sala Redaktionsschluss: 20. Oktober 2020

Herausgegeben von Graubünden Wald, Amt für Wald und Naturgefahren Graubünden und der SELVA. Verleger: Südostschweiz Presse und Print AG,Wald, Südostschweiz CH-7007 Chur Sekretariat: SELVA, Christophe ahnhofplatz 1, CH-7302 Herausgegeben von Graubünden Amt fürPrint, Wald und Naturgefahren Graubünden undTrüb, der­BSELVA. 81 300 22 44, buendnerwald  Redaktoren: Jörg Clava­ detscher, Revier forestal da Val Müstair, CH-7535 Landquart, Telefon + 41 (0)Production AG,  selva-gr.ch CH-7007@Chur Sekretariat: SELVA, Amanda Feltscher, ­Bahnhofplatz 1, Verlag: © Somedia Valchava, Telefon + 41 (0) 81 858 58 21, forestal-muestair @ bluewin.ch. Sandro Krättli, AWN GR, Sagastägstrasse 96, CH-7220 Schiers, Telefon

CH-7302 Landquart, Telefon + 41 (0) 81 300 22 44, buendnerwald @  selva-gr.ch Redaktoren: Redaktion: Viola Sala,

+ 41 (0) 81 300 24 11, sandro.kraettli @ awn.gr.ch.

viola.sala@awn.gr.ch. Jörg Clavadetscher, forestal-muestair@bluewin.ch. Die Redaktion behält sich vor,

Die Redaktion behält sich vor, Beiträge in nicht verlangter Form ohne Rückfrage zu ändern Druckvorstufe (Satz, Lithos, Belichtung) : Südost-

Beiträge in nicht verlangter Form ohne Rückfrage zu ändern. ­Herstellung: Viaduct, 7000 Chur. Erscheint sechsmal schweiz Presse und Print AG, Südostschweiz Print, Antonin Friberg Druck: Südostschweiz Presse und Print AG, Süd­ostschweiz Print, Postfach 508, jährlich. Auflage 1700 Exemplare Inserate: Somedia Promotion, Kasernenstrasse 1, CH-7007 Chur, Telefon + 41 (0) 81 255 51 11, Fax + 41 (0) 81 Telefon

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