"Bündnerwald" August 2023

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Bündner Wald

Waldpflege

Jahrgang 76 | August 2023


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7 Inhalt Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Schutzwaldpflege im Puschlav – einige Erfahrungen aus einer 30-jährigen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Heckenpflege: Die Kunst, Natur und Kulturland harmonisch zu verbinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Die Schweizerische Gebirgswaldpflegegruppe GWG . . . . . . . 16 Die «etwas andere Pflege» ­im Schutzwald . . . . . . . . . . . 18 Pflege der (alten) Kastanienbäume . . . . . . . . . . . . . . . 20 Zukunftsbaumarten im Jungwald suchen und fördern . . . . . . 22 Zum Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Überführung eines gleichförmigen Hochwaldes in einen Dauerwald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 25 Jahre Dauerwaldbewirtschaftung – ein Erfahrungsbericht . . 32 Unaufgeräumte Wälder – Schutz­wirkung vor Verbiss und Austrocknen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Jungwaldpflege – einst und heute . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Jungwaldpflege in der Grundausbildung . . . . . . . . . . . . 44 Waldpflege aus der Sicht eines Lernenden . . . . . . . . . . . 46 Waldpflege aus der Sicht eines Forstunternehmers . . . . . . . 50 In Klagenfurt hat der Schutzwald seinen grossen Auftritt . . . . 54 Rottenpflege Tobelwald – das St. Galler Projekt für die Schutzwald-Preisverleihung 2023 . . . . . . . . . . . . 56 Aufwertung von lichten Wäldern mit Zikaden als Zielarten . . . 58 Die neue Redaktorin stellt sich vor . . . . . . . . . . . . . . . 60 Vorschau «Bündner Wald» Oktober 2023 . . . . . . . . . . . . 63

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Pflege der alten Kastanienbäume. (Bild: Paolo Ceschina)

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Bei der Jungwaldpflege treffen Forstwarte wichtige Entscheidungen für die Zukunft des Waldes. Gute baumartenspezifische Kenntnisse zur Konkurrenzstärke und Reaktionsfähigkeit sind dabei zentral. Die Orien­ tierung an natürlichen Abläufen senkt Kosten und erhöht die Erfolgschancen.

(Bild: Andreas Freuler)


Editorial Waldpflege wie aus dem Lehrbuch … oder besser dank Erfahrung und Beobachtungsgabe nach Gespür? Oder eine Mischung davon? Realität ist, dass die Waldpflege zu einem grossen Teil von relativ jungen Forstwarten ausgeübt wird. Ältere Berufsleute bilden sich weiter und übernehmen danach andere, körperlich weniger anstrengende Positionen. Es sind also vor allem die Jungen, welche den Wald der Zukunft prägen. Haben frisch diplomierte Forstwartinnen und Forstwarte das notwendige Rüstzeug? Und sind sie sich ihrer grossen Verantwortung bewusst? Zum Rüstzeug: Lehrbetrieb, Gewerbeschule und 52 überbetriebliche Kurstage vermitteln den Forstwart-Lernenden das Grundwissen rund um «Verjüngen und Pflegen von Wald und Sonderwaldstandorten». Vom Erkennen spezieller Lebensräume und Kleinstrukturen über das Pflegen von Jungbeständen gemäss Arbeitsauftrag bis hin zum Bestimmen und Unterscheiden der 40 wichtigsten regional vorkommenden Baumarten ist alles dabei. Jedoch: «Für viele im Forst gehört die Jungwaldpflege nicht zu den liebsten Arbeiten. So wie wir Lehrlinge unsere Ausbildung wahrnehmen, ist das Pflegen bloss der kleine Bruder des Holzens.» So lautet eine Aussage im Artikel eines Lernenden, der seinen Beruf schon recht reflektiert betrachtet. Er erzählt auch, wie eine Begegnung mit einem ‹alten Hasen› bei der Arbeit seine Einstellung änderte und ihn fortan schon den Wald sehen lässt, an den er jetzt Hand anlegen darf. Während die forstliche Grundausbildung wohl auf dem aktuellen Stand des heutigen Wissens und der gute Wille vorhanden ist, beschleunigen sich die gegenwärtigen Herausforderungen schneller, als die Bäume wachsen und der Wald stabil gehalten werden kann. Was tun? Wertvoll sind die Erfahrungsberichte von langjährigen Waldbauern wie etwa Gilbert Berchier, der nach einem ganzen Berufsleben für die Puschlaver Schutzwälder nun in Pension geht und zurückblickt. Vom drohenden Waldsterben über reale Naturer-

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eignisse, die grassierende Borkenkäferepidemie bis hin zum Klimawandel hat er vieles durchlebt, nicht alles ist überstanden. Oder Ernst Vetsch, der in Wartau seit 25 Jahren auf Dauerwaldbewirtschaftung setzt, setzen kann. Im Wissen um den Klimawandel interessiert man sich auch in Graubünden für eine Überführung von gleichförmigem Hochwald in Dauerwald. Anita Zuidema präsentiert zwei Konzepte, die mithelfen könnten, entsprechende Erfahrungen zu sammeln. Manchmal braucht es auch etwas Mut und das Grünlicht der Waldbesitzer, um mit aussergewöhnlichen Massnahmen – andere sprechen von Sauerei im Wald – das Wild auf kostengünstige Art und Weise besser im Zaum zu halten. In Untervaz scheint es jedenfalls zu funktionieren, wie Forstbetriebsleiter Ken Flury berichtet. Muss man den Wald aufgrund der stetig zunehmenden Ansprüche an ihn und angesichts des Klimawandels immer mehr und intensiver pflegen … oder anders? Die Situation ist kompliziert, und nicht einmal rasches Handeln hilft … das Wachstum im Wald lässt sich nicht beschleunigen. Wenigstens das ist eine Konstante, auf die die Waldbauer setzen können. Redaktorin Susi Schildknecht


Schutzwaldpflege im Puschlav – einige Erfahrungen aus einer 30-jährigen Tätigkeit Die Schutzwaldpflege im Puschlav ist die wichtigste forstliche Aufgabe, aber auch die schwierigste. Die Einführung der Verjüngung in den veralteten, instabilen Tannen-Fichtenwäldern ist schwierig, da der forstliche Eingriff zu einer Destabilisierung des Bestandes führt. Nach den Eingriffen sind meistens Folgeschäden zu verzeichnen, und die Verjüngung stellt sich langsamer ein als gewünscht. Gilbert Berchier

Meine ersten Erfahrungen Im April 1985 durfte ich als Praktikant bei meinem Vorgänger, Kreisförster Alfonso Colombo, meine ersten Erfahrungen mit dem Gebirgswaldbau machen. Ich erinnere mich gut an die Anzeichnungen in den Wäldern I Colond und Vartegna. In I Colond hat nach dem Holzschlag ein starker Windwurf im Mai 1987 den ganzen Bestand zerstört. Die gesamte Fläche wurde anschliessend mit sehr viel Aufwand vollständig mit Lärchen aufgeforstet und mit grossen Wildschutzzäunen geschützt. Nach der diffusen Durchforstung in Vartegna konnte sich die Verjüngung gegen die starke Reitgrasskonkurrenz nicht einstellen. Somit wurde mir klar, dass die Einleitung der Verjüngung in den veralteten Tannen-Fichtenwäldern schwierig ist. Die Eingriffe der ersten Jahre Infolge des grossen Sturms Vivian im Februar 1990, mit Schadenschwerpunkt in der Surselva, wurden die regulären Holzschläge per Regierungsbeschluss sistiert. Die ersten Eingriffe konnten wir, mit den Revierförstern von Brusio und Poschiavo, erst im Jahr 1992 wieder anzeichnen. In Golbia, Gemeinde Brusio, wurde ein grosser Eingriff oberhalb des Dorfes Miralago ausgeführt. Scheinbar war der Eingriff für einige Einwohner des Dorfes zu stark ausgefallen. Bei der Gemeinde Brusio wurde ein Protestbrief eingereicht, in welchem sie für die allfällige fehlende Schutzfunktion des Waldes verantwortlich

gemacht wurde. Es gab aber im behandelten Wald keine Folgeschäden, und die Verjüngung konnte sich sehr gut einstellen (Abb. 1). Ein Folgeeingriff in den nächsten Jahren, um die Verjüngung weiter zu fördern, wäre erstrebenswert. Im Gebiet Valenascia (Gemeinde Poschiavo) dagegen führte der Eingriff im geschlossenen Bestand zu starken Käferschäden. Etwas ratlos baten wir um Rat bei Ernst Zeller, ehemals Leiter der Försterschule in Maienfeld und ein sehr guter Gebirgswaldbauer. Sein Fazit war lapidar: «… nein, so nicht, mein Lieber. Du musst weniger destabilisieren und mehr auf die stabilen Baumgruppen mit langen grünen Kronen achten.»

Abb. 1: Bosch da Golbia im Jahr 2008 (16 Jahre nach dem «zu starken» Eingriff): Die Verjüngung wächst gut. Leider fehlt da wildbedingt die Weisstannenverjüngung.

(Bilder: Gilbert Berchier)

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Abb. 2: Instabile Tannen-Fichtenwälder oberhalb der

Abb. 3: Am gleichen Ort fünf Jahre nach dem Eingriff und

Berninastrasse.

den Zwangsnutzungen: Immer noch keine Verjüngung,

Die Einleitung der Verjüngung in den veralteten Tannen-Fichtenwäldern Im Puschlav dominieren die Tannen-Fichtenwälder (Waldgesellschaft 47). Die Weisstanne, sehr wichtig für die Bestandesstabilität, ist in den Hauptbeständen selten zu finden, mit Ausnahme in den Gebieten Golbia-I Colé (orografische rechte Talseite beim Lago di Poschiavo) und La Scera-Cadera (orografische rechte Talseite bei Angeli Custodi-­ San Carlo nördlich von Poschiavo). Die Tannen-Fichtenwälder werden durch einen starken Schlussgrad charakterisiert. Meist sind veraltete, teilweise instabile Bestände ohne Verjüngung zu finden. Die Einleitung der Verjüngung in diesen geschlossenen Beständen ist eine schwierige Aufgabe; aus meiner Sicht ist es sogar die schwierigste forstliche Aufgabe im Puschlav. Die Suche nach stabilen Baumgruppen mit langen grünen Kronen, die nach einem Verjüngungsschlag befreit wären, ist nicht so einfach, da eben diese Baumgruppen meist fehlen. Nach jedem Holzschlag in diesen Wäldern erschien der Eingriff meistens als stark bis zu stark. Es gab Folgeschäden durch Windwürfe oder Schneedruck. Der verbleibende Bestand wirkte schwach und destabilisiert (Abb. 2 und 3). Verzweifelt haben wir auch die Gelegenheit gepackt, waldbauliche Kurse in diesen schwierigen Beständen zu or-

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dafür eine starke Konkurrenzvegetation.

ganisieren, um von der Erfahrung von guten Kollegen und Experten zu profitieren. Da seien vor allem die guten Kurse mit den sehr geschätzten Kollegen Hansueli Frei und Raphael Schwitter zu erwähnen. Der Ausdruck «nicht NaiS-konform» ist während diesen Kursen ein paar Mal gefallen … Nach 20 bis 30 Jahren können wir feststellen, dass trotz der starken Eingriffe, inklusive Folgeschäden, die Verjüngung sich teilweise gut einstellen konnte. Beim Waldkomplex Pisciadel oberhalb der Berninastrasse, wo wir mit den ersten Verjüngungsschlägen im Jahr 1996 angefangen und diese in den Jahren 2007 bis 2011 weitergeführt haben, können wir gut beobachten, dass die Verjüngung viel Zeit braucht, um sich einstellen zu können (Abb. 4). Im Holzschlag vom Jahr 1996 haben wir einen grös­ seren Käferbefall gehabt. Der verbleibende Bestand war so stark geöffnet, dass kritische Stimmen aufgekommen sind. Es wurde sogar eine Aufforstung verlangt. Auf die Aufforstung wurde verzichtet, da der Aufwand für den nötigen Wildschutzzaun als zu gross erachtet wurde. Nach bald 30 Jahren können wir feststellen, dass die Verjüngung erfolgreich wächst. In den Schutzwaldpflegeflächen 2007 bis 2011 ist der Erfolg viel weniger deutlich (Abb. 5). In den


Abb. 4: In der Schadenfläche 1996 oberhalb der Bernina­

Abb. 5: Im gleichen Waldkomplex heute, in einer Eingriffs­

strasse (nach 27 Jahren): Eine üppige Verjüngung.

fläche vom Jahr 2007 (Erfolg nach 16 Jahren): Eine spärliche Verjüngung.

Öffnungen findet man teilweise nur wenige Verjüngungskerne, teilweise kommt die Verjüngung gut auf. Es braucht Geduld und es ist zu hoffen, dass der verbleibende Bestand seine Schutzfunktion weiterhin wahren kann und dass keine Borkenkäferschäden anfallen. Geduld ist gefragt Wie verjüngungsförderlich oder hemmend die grossen bis zu grossen Öffnungen wirken, die beim Verjüngungsschlag und allfälligen Folgeschäden entstehen, wird sehr kontrovers beurteilt. Unsere Beobachtungen nach 20 bis 30 Jahren sind eher positiv, obwohl es auch Bestände gibt, die immer noch nur eine schwache Verjüngung nachweisen (Abb. 6 und 7). Der Borkenkäfer Da 85 % der Wälder im Puschlav Schutzwälder sind, haben wir mit den beiden Gemeinden Brusio und Poschiavo konsequent gegen eine Ausdehnung von Borkenkäferschäden gekämpft. Beim vorletzten grösseren Windwurfereignis, am 6. Dezember 2013, wurden zwei grosse, kurz zuvor gepflegte Waldflächen auf der orografisch linken Talseite oberhalb Poschiavo total zerstört (Gebiete Li Presi Secchi 1460 m³ Zwangsnutzungen (ZN) und Val da Cölögna 4060 m³ ZN). Die Räu-

mungsarbeiten verliefen gut, und eine Borkenkäferkalamität konnte verhindert werden. Beim letzten grösseren Windwurfereignis Vaia, am 29. Oktober 2018, wurden über 50 000 m³ Holz im ganzen Tal zerstört, vor allem auf der orografisch rechten Talseite zwischen 1400 m. ü. M. und 2000 m. ü. M. Die Räumungsarbeiten konnten im Herbst 2018 bis Ende 2019 gut gemeistert werden. Interessanterweise wurden die befallenen Bäume bis spät im Herbst 2019 kaum vom Borkenkäfer befallen. Dafür wurden die Wälder ab dem Jahr 2020 bis heute sehr stark vom Borkenkäfer befallen. So stark, dass wir die normale Schutzwaldpflege immer noch beträchtlich reduziert, in gewissen stark befallenen Gebieten sogar ganz eingestellt haben. Die wenigen Holzschläge, die erst ab dem Jahr 2022 durchgeführt wurden, sind nun teilweise stark vom Borkenkäfer befallen und sehen gebietsweise fast kahlschlagartig aus (Abb. 8). Wie weiter mit der Schutzwaldpflege? Wie oben gesehen, braucht es mehr Zeit als anfänglich gedacht, bis ein Folgeeingriff zur Verjüngungsförderung durchgeführt werden kann. Wenn wir vor 30 Jahren der Meinung waren, im 20-Jahre-Turnus arbeiten zu können, stellen wir heute fest, dass es mindestens 30 bis 40 Jahre braucht

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Abb. 6: Vor dem Eingriff (Torn, oberhalb der Kantons­

Abb. 7: Heute, 24 Jahre nach dem Eingriff im Jahr 1999 und

strasse und der Rhätischen Bahn bei Le Prese).

den nachfolgenden Zwangsnutzungen: Eine sehr schöne Verjüngung.

bis zum nächsten Eingriff. Der verbleibende Bestand muss aber seine Schutzfunktion gewährleisten können und diese ist, wie wir es in den letzten Jahren beobachtet haben, durch Naturereignisse wie Windwurf und Borkenkäferepidemie gefährdet. Die Borkenkäferbekämpfung ist in den Schutzwäldern des Puschlavs deswegen prioritär. In gewissen alpinen Regionen kann man gut beobachten, wie die Schutzfunktion der Wälder geschwächt bis vernichtet wird, wenn die Käferepidemie ausser Kontrolle gerät. Es ist zu hoffen, dass eine konsequente Borkenkäferbekämpfung erfolgreich bleiben kann. Trotzdem können grössere Lücken im Schutzwald entstehen. Die grosse Frage wird sein, ob wir die natürliche Verjüngung abwarten können, oder ob in den grösseren beschädigten Flächen mit Aufforstungen oder Initialpflanzungen gestartet werden soll. Aufforstungen müssen aber gegen Wildverbiss geschützt werden; ohne Wildschutz sind Aufforstungen im Puschlav erfahrungsgemäss erfolglos. Erste Versuche mit Aufforstungen und Wildschutzzäunen sind im Gebiet I Colé, oberhalb der Kantonsstrasse und der Rhätischen Bahn am Lago di Poschiavo im Jahr 2022 gemacht worden. In diesem steinschlaggefährdeten Gebiet werden die Wildschutzzäune durch Steinschlag beschädigt. In kürzester Zeit kann dann das Wild die Verjüngung stark beschädigen,

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bevor der Förster den Schaden am Wildzaun gemerkt und repariert hat. Nur mit einer intensiven und aufwendigen Kontrolle wird es möglich sein, die Verjüngung in diesen Beständen einzuleiten. Schlussbemerkung Vor 30 Jahren haben wir uns, mit dem lokalen Forstdienst, der schwierigen Aufgabe der Einführung der Verjüngung in den dichten dunklen Tannen-Fichtenwäldern oberhalb der Kantonsstrasse, der Rhätischen Bahn und der Dörfer gestellt. Wir haben gute,

Abb. 8: Die kahlschlagartige Fläche Bignideo nach dem Eingriff im Nov.-Dez. 2021 und dem Borkenkäferbefall im Jahr 2022.


aber vor allem auch enttäuschende Erfahrungen gemacht, indem wir alte Bestände destabilisiert haben. Nach 30 Jahre können wir feststellen, dass allgemein die Verjüngung, insbesondere von Fichten und Lärchen im oberen Puschlav, zusätzlich die Waldföhre und verschiedene Laubhölzer im unteren Puschlav, sich gut eingestellt hat und gut wächst. Was zehn Jahre nach einem Verjüngungsschlag düster aussah, sieht heute nach 30 Jahren vielversprechend aus. Die Borkenkäferbekämpfung erweist sich seit einigen Jahren als schwierig, so schwierig, dass neue Verjüngungsschläge mit grossen Sorgen in Angriff genommen werden. In gewissen kritischen Situationen sind sogar Aufforstungen mit Wildschutzzäunen nötig. Während meines Gebirgspraktikums in Poschiavo im Jahr

1985 waren wir mit dem Waldsterben konfrontiert. Einige Pessimisten gingen sogar davon aus, dass je nach Entwicklung die Wälder in 20 bis 30 Jahren verschwunden wären. Heute üben die Wälder immer noch ihre wichtige Funktion aus. Neu sind wir mit dem Klimawandel konfrontiert. Ich wage keine Prognose. Sicher ist aber, dass der Forstdienst in Zukunft vor schwierigen Herausforderungen stehen wird. Dazu wünsche ich meinen Kolleginnen und Kollegen viel Erfolg. Gilbert Berchier ist als Regionalforstingenieur beim Amt für Wald und Naturgefahren seit 1990 zuständig für den Vollzug der Waldgesetzgebung im Puschlav (Gemeinden Brusio und Poschiavo). Ende Oktober 2023 geht er vorzeitig in Pension.

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Heckenpflege: Die Kunst, Natur und Kulturland harmonisch zu verbinden Die Pflege von Hecken spielt eine entscheidende Rolle für den Erhalt der Artenvielfalt und die Schaffung ökologisch wertvoller Lebensräume. Eine erfolgreiche Heckenpflege ist anspruchsvoll. Als erfahrene Fachpersonen mit umfangreichem praktischem Know-how zeigen wir effektive Methoden, um Hecken artenreich, vital und ökologisch wertvoll zu gestalten. Durch gezielte Massnahmen werden die Artenvielfalt gefördert, die Heckenstruktur bewahrt und gleichzeitig eine vernetzende Verbindung zum umliegenden Kulturland geschaffen. Michael Gabathuler

Die Bedeutung der Hecken Als Hecke gilt in der Regel ein Gehölzstreifen aus Sträuchern und/oder Bäumen mit oder ohne Krautsaum, sofern es sich nicht um Wald handelt. Hecken erfüllen eine Vielzahl von ökologischen und landschaftlichen Funktionen, die sie zu wertvollen Bestandteilen unserer Umgebung machen. Als Gehölzstreifen mit oder ohne Krautsaum spielen sie eine entscheidende Rolle bei der Vernetzung von

Eine abgeschlossene selektive Waldrandpflege mit geschaffenen Buchten. Deutlich zu sehen sind die Stufen des Waldrands mit hohen Bäumen und zahlreichen kleine­ren Sträuchern. Die geschaffenen Buchten sind von besonderem Wert für die Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen des Waldes.

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(Bilder: Zweckverband Falknis)

Lebensräumen und ermöglichen den Austausch von Arten sowie die natürliche Schädlingsbekämpfung im angrenzenden Kulturland. Darüber hinaus bieten Hecken Windschutz, verbessern das Kleinklima, verhindern Bodenerosion und sorgen für eine reiche Vielfalt an Pflanzen und Tieren. In Bezug auf das Landschaftsbild tragen Hecken zur landschaftlichen Schönheit bei, gliedern die Umgebung in verschiedene Kammern und bieten zahlreiche Ressourcen wie Brennholz, Früchte und Heilkräuter. Eine erfolgreiche Heckenpflege Das Ziel ist es, eine artenreiche Hecke mit einem vielfältigen Krautsaum zu schaffen, der zahlreichen Tieren Futter-, Nist- und Rückzugsplätze bietet. Ohne regelmässige Pflege breitet sich die Hecke seitlich aus, altert und wird instabil. Wir kennen diese natürliche Tendenz zu artenarmen Hochwäldern in der Sukzession. Dies liegt daran, dass bestimmte Baumarten, insbesondere lichtliebende und konkurrenzstarke Arten, in der frühen Sukzessionsphase dominieren und sich stark ausbreiten. Diese Arten können andere Pflanzenarten unterdrücken und zur Bildung von artenarmen Beständen führen. Dieser natürliche Prozess ist zwar ökologisch wertvoll, birgt jedoch die Gefahr einer einseitigen und artenarmen Heckenstruktur, und dies wollen wir mit einer regelmässigen Pflege verhindern. Bei der Heckenpflege ist es entscheidend, einige Aspekte zu berücksichtigen, um optimale Ergebnisse


Eine Hecke, die vier Jahre nach einem abschnittsweisen

In Zusammenarbeit mit dem Vogelschutz wurde ein

kompletten Rückschnitt deutlich an Artenvielfalt gewon-

Teilabschnitt dieser Hecke komplett auf den Stock gesetzt.

nen hat. Das erfreuliche Wachstum der Hecke ist deutlich

Durch diese Massnahme wird neuer Lebensraum für ver-

sichtbar, während verschiedene Pflanzenarten gedeihen

schiedene Arten geschaffen und die Ansiedlung von neuen

und Lebensraum für zahlreiche Tierarten bieten.

Pflanzenarten ermöglicht.

zu erzielen. Ein wichtiger Faktor ist der Zeitpunkt des Schnitts, um die Beeinträchtigung von brüten­ den Vögeln zu minimieren und das Wachstum der Hecke zu fördern. Darüber hinaus sollten langsam wachsende Arten weniger häufig geschnitten wer­ den als schnell wachsende, um die Artenvielfalt zu fördern. Die Hecken sollten am Rand eine dich­ te niedere Strauchschicht und einen vielfältigen Krautsaum aufweisen, um die Stufigkeit zu erhalten und einen vernetzenden Übergang zum Kulturland zu ermöglichen. Der Krautsaum sollte spät im Jahr und abschnittsweise gemäht werden, um den Tieren ausreichend Ausweichmöglichkeiten zu bieten. Dor­ nensträucher wie Weissdorn, Schwarzdorn, Kreuz­ dorn und Heckenrose sollten gefördert werden, da sie seltenen Heckenvögeln viele Nistplätze, Nah­ rung und Deckung bieten. Sträucher, die im Herbst Beeren tragen, sind besonders wertvoll. Einzelne alte Sträucher oder Bäume sollten belassen werden, ohne die Pflege der anderen zu unterbrechen. Das Schaffen von Buchten im Heckenverlauf erhöht die Anzahl der Vogelnistplätze. Steinhaufen am Rand

oder innerhalb der Hecke können dazu beitragen, Insekten, Eidechsen und Blindschleichen zu fördern. Die Heckenpflege sollte nur während der Vegeta­ tionsruhe zwischen November und März stattfin­ den. Bei Hecken, die reich an fruchttragenden Arten sind, empfiehlt sich eine Pflege im Februar/März. Pflegemethoden Um eine bestimmte Höhe, Breite und Dichte der He­ cke beizubehalten und sie zu verjüngen, stehen zwei Methoden zur Auswahl: das Auf-den-Stock-Setzen (komplettes Absägen aller Äste auf einer Höhe zwi­ schen 10 und 20 cm ab Boden) und das Zurückschnei­ den. Beide Methoden erfordern wiederholte und re­ gelmässige Eingriffe. Dabei sollten markante Bäume, die einen hohen ökologischen Wert haben, wenn möglich stehen gelassen werden. Alte Bäume mit Höhlen, Totholz und dürren Ästen bieten zahlreichen Tieren Brut- und Unterschlupfmöglichkeiten. Efeu, das Nahrung für Bienen und Vögel bietet und auch als wertvolle Brutnische dient, sollte nicht entfernt wer­ den, da es dem Baum keinen Schaden zufügt.

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Beim selektiven Auf-den-Stock-Setzen werden nur einzelne, ausgewählte, schnell wachsende Sträucher oder Bäume in regelmässigen Abständen auf den Stock gesetzt, um das Wachstum der langsam wachsenden Arten zu fördern und Licht in die Hecke zu bringen. Diese Pflegeart eignet sich besonders gut für eine kontinuierliche Verjüngung der Hecke und erfordert einen Eingriff im Intervall von zwei bis fünf Jahren. Das abschnittsweise Auf-den-Stock-Setzen ist für grössere Heckenflächen geeignet. Dabei werden ganze Abschnitte auf einer Länge von 1∕ 3 der Heckenlänge oder maximal 20 Meter alle 6 bis 15 Jahre auf der gesamten Breite auf den Stock gesetzt. Es ist wichtig, den Heckenbewohnern ausreichend Ausweichmöglichkeiten zu bieten, daher sollte niemals die gesamte Hecke auf den Stock gesetzt werden. Einige langsam wachsende Dornensträucher und seltene Pflanzenarten sollten in jedem Fall und immer stehen gelassen werden. Das Zurückschneiden der äusseren Äste und Zweige begrenzt den räumlichen Umfang der Hecke, reicht jedoch allein nicht aus, um den Artenkonkurrenzkampf auszugleichen und eine vielfältige Hecke zu erhalten. Der Krautsaum sollte abschnittsweise gepflegt werden, um seine natürliche Entwicklung zu ermöglichen. Alle zwei Jahre sollte der natürliche Heckensaum, der sich mindestens 50 cm von der Hecke erstreckt, auf verschiedenen Abschnitten gemäht werden. Dadurch können Kleintiere in den nicht gemähten Bereichen Schutz finden. Der Krautsaum sollte, wenn möglich, nicht beweidet oder landwirtschaftlich genutzt werden. Er dient als Rückzugsgebiet und wertvolle Nahrungsquelle für verschiedene Tiere. Die Pflanzen sollten blühen und sich aussamen können. Dies ist für die angrenzenden Landwirte teils schwer zu verstehen und muss regelmässig kontrolliert werden. Um den Krautsaum auszumagern, sollte das Schnittgut nach dem Mähen entfernt werden. Bereiche im Krautsaum, in denen stark vermehrende Straucharten wie zum Beispiel

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Die Abbildung zeigt die Pflanzung einer neuen Hecke zwischen einem Hochwasserschutzdamm und der Kantonsstrasse. Der Standort, als Landwirtschaftsfläche uninteressant, bietet optimale Bedingungen für die Neuanlage der Hecke. Durch gezielte Bepflanzung an diesem Ort wird nicht nur der Hochwasserschutz verbessert, sondern auch die ökologische Vielfalt gefördert.

Schwarzdorn vorkommen, sollten regelmässig gemäht werden. Das anfallende Schnittgut kann auf verschiedene Arten verwendet werden, wie beispielsweise als Brennholz oder Hackholz. Es kann auch verwendet werden, um Asthaufen am Rand der Hecke zu erstellen, die zahlreichen Kleinsäugern, Amphibien, Reptilien usw. als Unterschlupf dienen. In unserem Revier wurden in letzter Zeit selektive Heckenpflegemassnahmen durchgeführt, die im Rahmen eines Förderprojekts der Pro Natura umgesetzt wurden. Ziel dieser Massnahmen war es, die Wiesellandschaft im Bündner Rheintal zu fördern und den Lebensraum für Wiesel und andere Kleinsäugetiere zu verbessern. Im Zuge der Heckenpflege wurden dabei die anfallenden Schnittgutmaterialien zu Haufen geschichtet. Diese Haufen dienen als Rückzugs- und Unterschlupfmöglichkeiten für Wiesel- und andere Kleinsäugetiere. Durch die Schichtung des Schnittguts entstehen strukturreiche und geschützte Berei-


che, die den Tieren Schutz bieten und ihnen ermöglichen, sich innerhalb des Reviers zu bewegen. Heckenpflege – Chance für den lokalen Forstdienst Die Pflege von Hecken wird nicht nur von spezialisierten Fachkräften, sondern auch von Landwirten durchgeführt, die dabei eine wichtige Rolle spielen. Insbesondere im Kanton Graubünden werden Landwirte durch das Projekt «Landschaftsqualität» dazu ermutigt und unterstützt, sich an der Heckenpflege zu beteiligen. Hierbei übernimmt der lokale Forstdienst eine zentrale Funktion als kompetenter Ansprechpartner und trägt die Verantwortung für die fachgerechte Umsetzung der Heckenpflegemassnahmen durch die Landwirte. Um die Partnerschaft zwischen dem Forstdienst und den Landwirten weiter zu stärken, haben wir beim Zweckverband Falknis einen Heckenpflegekurs speziell für Landwirte angeboten. Dieser Kurs ermöglicht es den örtlichen Landwirten nicht nur, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in Bezug auf die Heckenpflege zu erweitern, sondern auch weiterhin finanzielle Unterstützung über das «Landschaftsqualitäts»-Projekt in Anspruch zu nehmen. Diese Zusammenarbeit zwischen dem Forstdienst und den Landwirten eröffnet beiden Seiten eine Vielzahl von Vorteilen. Der Forstdienst kann seine Rolle als verlässlicher Partner an der Seite der Landwirte weiter stärken und gemeinsam mit ihnen die Heckenpflege vorantreiben. Gleichzeitig profitieren die Landwirte von einer verbesserten Landschaftsqualität, einem erhöhten ökologischen Nutzen und möglichen finanziellen Mitteln für ihre Arbeit. Die Heckenpflege wird somit zu einer Win-win-Situation, bei der sowohl die Naturlandschaft als auch die lokale Landwirtschaft von einer nachhaltigen und artenreichen Umgebung profitieren. Es ist eine Chance für den lokalen Forstdienst und die Landwirte, gemeinsam zum Schutz und zur Förderung der Hecken beizutragen und somit einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität und des ökologischen Gleichgewichts zu leisten.

Im Rahmen des Projekts zur Förderung von Wieseln im Bündner Rheintal wurden viele Asthaufen gemacht. Solche Arbeiten können auch in Schulprojekten oder Beschäftigungsprogrammen für freiwillige Einsätze durchgeführt werden.

Pflanzen von Hecken Bei der Neuanlage von Hecken ist es wichtig, den Standort sorgfältig auszuwählen, um die gewünschten Funktionen der Hecke optimal zu erfüllen. Idealerweise werden Hecken an wenig produktiven Stellen auf der Landwirtschaftsfläche platziert, wie zum Beispiel Böschungen, Dämmen oder Hangzonen. Dabei sollten bevorzugt einheimische und regionaltypische Arten verwendet werden, da sie den Nahrungsbedarf der heimischen Tiere decken und Schutz bieten. Zudem sind Dornensträucher empfehlenswert, da sie zusätzlich Nahrung und Fortpflanzungsmöglichkeiten bieten. Die Auswahl der geeigneten Arten hängt von den Standortbedingungen und den gewünschten Funktionen der Hecke ab. Eine fundierte Beratung, beispielsweise durch den lokalen Forstdienst, kann bei der richtigen Wahl der Pflanzen unterstützen.

Michael Gabathuler ist Revierförster Maienfeld/Fläsch und Betriebsleiter des Zweckverbandes Falknis.

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Die Schweizerische Gebirgswaldpflegegruppe GWG Die GWG, das Netzwerk der Gebirgswaldbau-Fachleute der Schweiz, ist eine Expertengruppe, welche die Förderung einer nachhaltigen Pflege und Bewirtschaftung der Gebirgswälder unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Interessen anstrebt. Die Schwerpunkte bilden dabei die Wirkung des Waldes gegenüber Naturgefahren im Allgemeinen und die Schutzwaldpflege im Speziellen. Luca Plozza

Die GWG verfolgt folgende Ziele: – Aus- und Fortbildung der Forstingenieure und Förster, die sich mit dem Gebirgswald befassen – Austausch von Wissen und Erfahrungen zwischen Forschung, Lehre und Praxis sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene – Förderung und Weitergabe von waldbaulichen Kenntnissen und Erfahrungen zum Gebirgswald – Anstreben von Meinungsbildungen zu aktuellen fachlichen und politischen Themen, welche den Gebirgswald betreffen – Mitarbeit bei der Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von Vollzugsinstrumenten im Gebirgs- und Schutzwald wie beispielsweise bei der Wegleitung des BAFU «Nachhaltigkeit und Erfolgskontrolle im Schutzwald» (NaiS) – Unterstützung und Mitwirkung bei gebirgsrelevanten Forschungsprojekten Eine der Stärken der GWG ist ihre personelle Zusammensetzung. In der GWG wirken Praktiker, Professoren und Forschende zusammen, deren gemeinsames Interesse die Pflege und der Schutz der Gebirgswälder ist. Unterdessen gehören der GWG engagierte Vertreter der Forstdienste aller Schweizer Kantone, der Konferenz der Kantonsförster (KOK), des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), der Professur Waldökologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich, der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen, der Försterschulen in Maienfeld und Lyss (BZW), der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Birmens-

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dorf, des Forstdienstes der Schweizerischen Bundesbahnen sowie Betriebsleitende sowie Expertinnen und Experten aus dem Ausland an. Die Gruppe wird von einem zehnköpfigen Vorstand geleitet. Das Sekretariat wird von der Fachstelle GWP im ibW Bildungszentrum Wald Maienfeld geführt. Es wird erwartet, dass die ca. 60 Mitglieder der GWG regelmässig und aktiv an den Veranstaltungen der Gebirgswaldpflegegruppe teilnehmen. Zudem sollen die an den GWG-Veranstaltungen erworbenen Kenntnisse in den jeweiligen Wirkungskreisen vermittelt werden. Dies beinhaltet beispielsweise die Organisation eines Kurses. Weiter wirken sie in Arbeitsgruppen und bei der Erarbeitung von Stellungsnahmen mit. Die GWG pflegt auch Beziehungen zum Ausland, denn Wälder enden nicht an den Landesgrenzen. Insbesondere arbeitet sie eng mit den Forstdiensten der Nachbarländer Liechtenstein, Österreich und Deutschland zusammen. Wie erreicht die GWG ihre Ziele? Die GWG organisiert zwei Arbeitstagungen pro Jahr: eine eintägige Wintertagung in Zürich und eine dreitägige Sommertagung im Wald. Pro Jahr wird ein für den Gebirgswald relevantes Thema an diesen Fachtagungen präsentiert, diskutiert und im Feld konkret geübt. Die letzten Tagungen waren zum Beispiel den folgenden Themen gewidmet: – Anpassung der Baumartenmischung an den Klimawandel – Jungwaldpflege im Gebirgs- und Schutzwald


Gruppenfoto anlässlich der GWG-Sommertagung 2021.

– Schutzwald und Waldbrand – Fortschritte bei Wald-Wild – Erfolgsfaktoren und Lösungsansätze im Bereich Kommunikation und Interessensvertretung. Alle Dokumente der Tagungen können unter folgendem Link online konsultiert werden: www.gwggsm.ch/de/dokumentationen.html. Die GWG organisiert jedes zweite Jahr ein Gebirgswaldkolloquium abwechslungsweise an der ETH Zürich und an der HAFL Zollikofen. Im Rahmen dieser Veranstaltung präsentieren Forschende und ehemalige Studierende neue Resultate aus der Schweizer Gebirgswaldforschung. Die Veranstaltung richtet sich an Fachleute aus der forstlichen Praxis wie Forstingenieure, Umweltnaturwissenschaftler und Förster. Die Resultate sind ebenfalls online abrufbar. Die GWG nimmt zu aktuellen politischen Prozessen Stellung und wirkt bei Forschungsarbeiten mit. Sie finanziert in einem kleineren Rahmen auch wichtige Projekte Dritter mit. Die aktuellen Schwerpunkte der GWG Die zwei Hauptherausforderungen der Gebirgswälder sind der Klimawandel und der Wildeinfluss

(Bild: GWG)

auf die Waldverjüngung. Sie sind miteinander verknüpft. Die GWG befasst sich seit Langem mit dem Einfluss des Klimawandels auf den Wald. Die erste Tagung zum Thema Klimawandel wurde im Jahr 2009 organisiert. Auch das Thema «WaldWild» ist bei der GWG ein Dauerbrenner. Seit Jahrzehnten sind die Wildbestände im Wald in vielen Regionen, insbesondere in den Alpen, so hoch, dass die Waldverjüngung stark behindert oder gänzlich verunmöglicht wird. Zudem stellt der Klimawandel neue Anforderungen an die Waldverjüngung. Viele zukunftsfähige Baumarten sind durch den hohen Wildeinfluss (Verbiss, Schälen etc.) stärker gefährdet als die heutigen Hauptbaumarten wie die Fichte und die Buche. Bei den Letzteren wird jedoch erwartet, dass sie in den nächsten Jahrzehnten grossflächig unter dem Einfluss des Klimawandels leiden werden. Angesichts der grossen Tragweite und Dringlichkeit der WaldWild-­Problematik engagiert sich die GWG in diesem Bereich stark. Luca Plozza ist Regionalforstingenieur beim AWN in Rove­ redo und Präsident der GWG.

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Die «etwas andere Pflege» ­ im Schutzwald Stabilitätspflege, Durchforstung mit Kronenpflege oder Stabilitätsköpfen. Aus einem Problem entstand diese aussergewöhnliche Pflegeart im Laubmischwald. Thomas Tschuor

Laubmischwälder der südlichen Misoxer Randal­ pen (kolline Stufe) bestehen häufig aus einge­ wachsenen Landwirtschaftsflächen, welche noch nie behandelt worden sind. Der Bestand ist ein­ schichtig und hallenartig sowie labil bis instabil. Nur noch als Kollektiv besteht eine gewisse Stabi­ lität. Jungwald mit gewünschten Laubbaumarten ist kaum vorhanden und kann auch kaum entste­ hen, da er von Wild gefressen, geschält oder ge­ fegt wird. Stehen solche unbehandelten Bestände oberhalb von Wohngebieten oder Infrastruktur, sind die Probleme vorprogrammiert. Eine klassische Durchforstung würde die Bestan­ desstabilität weiter vermindern und das ohne Aus­

sicht auf Verbesserung. Freigestellte «Stabilitäts­ träger» wären im Nachhinein bestenfalls labil. Die Schutzwirkung, insbesondere gegen Stein­ schlag, wäre nicht mehr gewährleistet, die Bäume würden selbst zur Gefahr werden. Die Lichtver­ hältnisse würden sich für die Verjüngung positiv entwickeln. Diese hat aber durch die Schalenwild­ problematik zurzeit keine Chance. Weiter besteht die Gefahr (haben wir), dass unerwünschte Neo­ phyten wie Robinien, Götterbaum, Blauglocken­ baum (Paulownie) und Armenische Brombeere so­ wie Ginster, Adlerfarn, Waldrebe usw., die offenen Flächen besiedeln. Um die Schutzwirkung dauerhaft zu gewährleisten, würden einzig teure technische

Links: Bestand vor Eingriff, Februar 2022, TS-Sassel. Rechts: Bestand nach Eingriff, Mai 2023, TS-Sassel. (Bilder: Th. Tschuor)

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Schutzmassnahmen greifen. Kurz: die Lage ist verzwickt! Stabilitätspflege, Durchforstung mit Kronenpflege oder Stabilitätsköpfen Laubbäume schlagen bekanntlich nach einem Stock- oder Kronenschnitt wieder aus. Einige gut, andere besser. Besonders die Kastanie. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass auch Linde, Ahorn, Kirsche, Mehlbeere, Ulme und erstaunlicherweise die Esche gut auf einen Kröpfungkronenschnitt reagieren. Bei der Traubeneiche und der Buche hingegen ist ein sanftes Vorgehen angesagt. Erfolgversprechend sind Schneiden und Köpfen wie folgt: – im oberen Kronenbereich – kurz oberhalb Gabelungen, Astknoten – geringe Schnittdurchmesser – saubere, leicht schräge Schnitte mit geringer Fläche – je jünger der Baum, desto besser Der Spezialeingriff «Stabilitäts- und Sicherheitsköpfen» versteht sich als letzte waldbauliche Möglichkeit vor einem technischen Verbau. Diese Massnahme sollte von Baumpflegenden mit forstlichem Hintergrund durchgeführt werden (siehe Artikel von Caterina Beffa). Ziel ist, mittels Kronenschnitten an potenziellen Stabilitätsträgern (Z-Bäume) die Stabilität wiederherzustellen. Angesichts der Naturgefahr Steinschlag sollte eine möglichst grosse und stabile Grundfläche beibehalten werden und in verschiedenen BHD-Stärkeklassen gefördert werden. Auch eine vertikale Stufigkeit sollte angestrebt werden, d. h. dass nicht alle Bäume auf derselben Höhe geköpft werden sollten. Jeder Baum braucht seine eigene optimale Behandlung. Vorgehen Der Eingriffsperimeter wird markiert oder klar kommuniziert. Der Förster markiert vorgängig oder zusammen mit den Baumpflegern eine kleine Fläche, wo er seine Vorstellungen des Eingriffs (Baumarten,

Behandlung, Köpfhöhen usw.) an die Kletterer vermitteln kann. Der beste Zeitpunkt für den Eingriff ist der laublose Zustand im Winterhalbjahr. Man hat viel mehr Übersicht im Bestand und in den Kronen, und es gibt weniger Schäden am Baum. Dokumentierte Erfahrung seit 2014 Insgesamt ist das nun der vierte Bestand, den wir im Revier Lostallo/Soazza grossflächig mittels Kronenschnitte pflegen. In der Mesolcina sind es noch mehr. Im Grossen und Ganzen haben alle Bestände positiv auf die Eingriffe reagiert. Nur bei der Traubeneiche sind einige Ausfälle zu verzeichnen. Die Eingriffe sind aufwendig und kosten zwischen 10 000.– und 40 000.– Franken pro Hektare. Bewilligung sowie Kostenübernahme durch Kanton und Bund müssen natürlich vorgängig abgeklärt werden. 2015 hat das Bafu die Weiserfläche Cabbiolo mit dem Prädikat «ausgezeichnet» versehen. Die Beschreibung ist auf der Plattform SwissNaiS – Weiserflächen unter der Nr. GR38 zu finden. Fazit Diese Art Eingriffe sind nur dort vorzunehmen, wo es keine andere Möglichkeit mehr gibt. Erst in einem oder zwei Jahrzehnten wird man eine verlässliche Erfolgsaussage machen können. Darum ist eine gute Dokumentation der Eingriffe unabdingbar. Diese konnten wir mit LeiNa sowie mit zwei Weiserflächen erreichen. Zum heutigen Zeitpunkt dürfen wir Reaktion und Entwicklung der so behandelten Bestände positiv beurteilen, das Verfahren hat sich in der Region etabliert.

Thomas Tschuor ist seit über 20 Jahren Revierförster in Lostallo/Soazza. Besonders am Herzen liegen ihm der natürliche Waldbau und die Biodiversität.

Dieser Artikel musste aus Platzgründen gekürzt werden. Die ausführliche Version mit zusätzlichen Fotos gibts es unter www.buendnerwald.ch.

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Pflege der (alten) Kastanienbäume Im italienischsprachigen Graubünden gibt es 240 Hektare (ha) Kastanienselven, von denen derzeit 147 gepflegt sind (72 ha allein im Misox). Caterina Beffa

Der Kastanienbaum wurde zur Zeit der römischen Eroberung in unser Gebiet eingeführt und wurde rasch zu einer wesentlichen Quelle der Ernährung. Im späten Mittelalter wurde der Kastanienanbau so wichtig, dass er den Alltag unserer Vorfahren massgeblich prägte (Krebs et al. 2015). Die spätere Aufgabe der Kastanienhaine und des Kastanienanbaus haben in der italienischsprachigen Schweiz zahlreiche monumentale Kastanienbäume als einzige Zeugen einer vergangenen Zeit hinterlassen. Die aufgegebenen Kastanienhaine (auch Selven genannt) wurden daher später wieder bewaldet, sodass sich das Bild einer offenen Mosaiklandschaft, in der die Obstbäume weit auseinanderste-

Gefragt sind Schwindelfreiheit und viel Know-how.

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(Bild: zVg)

hen, in einen echten Wald mit dichter Vegetation, Birken und Fichten verwandelte. Befreiung der Kastanienbäume im Wald Castanea sativa Mill ist eine Art, die unter optimalen Bedingungen an sonnigen Standorten wächst und daher sehr unter der Konkurrenz um die Ressource Licht leidet. Die Auslichtung der Kastanienkronen von benachbarten Bäumen, die sie unterdrücken, ist eine der wichtigsten Massnahmen zur Förderung ihres Wachstums und ihrer Vitalität. Man beobachtet nämlich oft, dass die Krone eines Baumes, der sich an einem Ort mit wenig Licht befindet, dazu neigt, sich in Richtung einer Lichtquelle zu orientieren und zu wachsen (das Phänomen des positiven Phototropismus), was manchmal zu einem räumlichen Ungleichgewicht in der Verteilung der Kronenmasse führt. Die Befreiung der Kastanienbäume von ihren Konkurrenten ist daher die Bedingung zur Förderung ihrer Lebenskraft und strukturellen Stabilität und damit auch ihres Überlebens. Kronenpflege von Kastanienbäumen in den Selven Seit 1986 fördert der Forstdienst Projekte zur Wiederherstellung von Kastanienhainen, die in den Jahren zuvor aufgegeben worden waren (Moretti et al 2021). Im italienischsprachigen Graubünden gibt es 240 Hektare (ha) Kastanienselven, von denen derzeit 147 gepflegt sind (72 ha allein im Misox). Die Pflege der Kastanie in den Selven besteht vor allem im Kronenschnitt, um die Baumstruktur zu stabilisieren. Durch das Beschneiden einiger Äste wird in bestimmten Fällen das Ungleichgewicht der Krone vermieden; ausserdem wird durch die Verrin-


den der Halssauger (an der Basis des Baumes). Das sind Strukturen, die der Baum anlegt und zur Verjüngung nutzt. Die Pflanze investiert viel Energie in ihre Bildung; durch ihre Entfernung wird versucht, die verfügbaren Ressourcen auf die bestehende Hauptstammstruktur zu lenken.

Der Monumentalbaum lebt.

(Bild: Caterina Beffa)

gerung der Masse das Gewicht des Baumstamms entlastet. In der Literatur wird bei jahrhundertealten Bäumen ein leichter Kronenschnitt empfohlen, bei dem jährlich nicht mehr als 25 % der gesamten Äste entfernt werden sollten (Ferrini 2006, English Nature 2000). Der Schnitt sollte hauptsächlich darin bestehen, trockene, schwache und gefährdete Teile zu eliminieren, wobei auch schwere Teile der Krone (oder des Stammes oder Triebe), die die Struktur des Baumes horizontal aus dem Gleichgewicht bringen, berücksichtigt werden sollten. Der Fachmann schneidet je nach Vitalität des Baumes mehr oder weniger stark. Früher wurde der Kastanienbaum jährlich zum Zeitpunkt des Fruchtfalls beschnitten, heute erfolgt dies weniger häufig. In der Tat hat die Kastanienernte an Bedeutung verloren, und folglich hat die Pflege in den Selven abgenommen und wurde in vielen Fällen ganz aufgegeben. Ein weiterer Eingriff, der häufig an Kastanienbäumen in Selven vorgenommen wird, ist das Abschnei-

Pflege der monumentalen Kastanienbäume Ende des 20. Jahrhunderts definierte der WSL-Forscher Patrik Krebs als «Monumentalbäume» diejenigen Bäume, die in Brusthöhe einen Umfang von 7 m oder mehr haben. Mit dieser Definition konnte Krebs in den Jahren 1999 bis 2004 insgesamt 305 monumentale Kastanienbäume im Tessin und in Moesano inventarisieren und dokumentieren. Da monumentale Bäume oft eine Stammhöhle haben, die eine dendrochronologische Analyse verunmöglicht, wird ihr Alter auf einer säkularen Skala gemessen, und einige Exemplare überschreiten sogar 600 Jahre. Nach einer Analyse im Rahmen der zweiten Bestandsaufnahme (noch unvollständig: 101 von 305 untersuchten Exemplaren), die etwa zwei Jahrzehnte nach der ersten durchgeführt wurde, starben von 101 erfassten monumentalen Kastanienbäumen 17 (von insgesamt 19 Todesfällen bei 101 Bäumen) aufgrund eines strukturellen Zusammenbruchs (C. Beffa 2022). Dies war hauptsächlich auf ein Ungleichgewicht und eine Verschlechterung der Struktur, insbesondere der Krone, zurückzuführen. Wenn sie nämlich ungünstigen Umweltbedingungen (z. B. starkem Wind) ausgesetzt ist, bricht sie zusammen und reisst die gesamte Baumstruktur oder einen Teil davon mit sich. Die Pflege der Kastanie und insbesondere der Krone kann daher das Leben dieser Baumart beeinflussen, indem sie einem riskanten strukturellen Ungleichgewicht entgegenwirken. Caterina Beffa ist Praktikantin beim AWN in Roveredo. Sie hat ihre Masterarbeit an der ETH den monumentalen Kastanienbäumen gewidmet.

Literatur und Quellen auf buendnerwald.ch

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Zukunftsbaumarten im Jungwald suchen und fördern – es lohnt sich! Um die Wälder an den Klimawandel anzupassen, muss sich die Baumartenmischung vielerorts grundlegend verändern. Oft findet man – wenn man genau hinschaut – auch in artenarmen Jungwäldern einzelne Exemplare zukunftsfähiger Baumarten. Diese sind jedoch oft (noch) konkurrenzschwach und können sich ohne Pflege nicht halten. Auch wenn deren Überlebenschancen teilweise ungewiss sind, lohnt sich deren Förderung. Samuel Zürcher

Anpassung der Baumartenmischung ist zentral Der rasch fortschreitende Klimawandel führt zu deutlichen Veränderungen der Höhenstufengrenzen und Standortverhältnisse. Dadurch wird sich die Baumartenzusammensetzung auf grosser Fläche stark verändern. Im Gebirgswald wird insbesondere der Fichtenanteil bis in höhere Lagen massiv abnehmen. Tools wie die Tree-App geben hierzu konkrete Hinweise. Um die zukünftigen Waldleistungen bestmöglich zu sichern, sollten diese natürlichen Veränderungen in der Baumartenmischung wo immer möglich unterstützt bzw. teilweise vorweggenommen werden. Zudem ist angesichts der vorhandenen Unsicherheiten die Risikoverteilung mittels Förderung der Baumartenvielfalt unbestrittene Zielsetzung. Doch wie gelingt dies? Neu aufwachsende Naturverjüngung soll immer bestmöglich auch an die zukünftigen Standortverhältnisse angepasst werden (u. a. Lichtdosierung). Wo das Samenangebot fehlt, sind Pflanzungen oder Saat zu prüfen. Hinzu kommen punktuell unterstützende Massnahmen wie B ­ odenschürfungen oder Verbissschutz. Insbesondere das Aufbringen von bisher nur beschränkt standorttauglichen Baumarten ist jedoch sehr anspruchsvoll und die Erfolgsquoten sind häufig gering, insbesondere wenn zusätzlich zu suboptimalen Wuchsbedingungen der Wildeinfluss übermässig stark ist.

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Eine einsame Eiche in einer Fichtenverjüngung. Ohne Förderung hat sie kaum Chancen. Mit Unterstützung schafft sie es vielleicht und wird zu einem wertvollen Samenbaum.

(Bild: L. Glanzmann, GWP)


Wer sucht, der findet oft erstaunlich viel Angesichts dieser Schwierigkeiten ist es besonders wichtig, den im Jungwald (oder auch im Baumholz) vorhandenen Individuen dieser zukunftstauglichen, aber gegenwärtig noch wenig konkurrenzstarken Baumarten viel Beachtung zu schenken. Denn in vielen auf den ersten Blick artenarmen Dickungen oder Stangenhölzern findet man bei genauerem Hinsehen einzelne Ahorne, Linden, Eichen, Buchen etc. Man muss sich jedoch die Zeit nehmen, nach ihnen zu suchen, denn oft sind es nur wenige Exemplare pro Hektare. Gleiches gilt auch für Pionierbaumarten wie Birke oder Aspe. Sie haben den grossen Vorteil, dass sie sowohl mit dem heutigen als auch mit dem zukünftigen Klima sehr gut zurechtkommen. Sie sind aber ebenfalls konkurrenzschwach, sobald sie keinen Wachstumsvorsprung mehr h ­ aben und von anderen Baumarten bedrängt werden. Zukunftstauglichkeit vor Vitalität? Solche Einzelbäume (noch) konkurrenzschwacher Zukunftsbaumarten sind oft nur mitherrschend oder gar beherrscht. Sie als Z-Bäume auszuwählen, widerspricht somit dem Grundsatz der bisherigen Lehrmeinungen zur Jungwaldpflege, nur die vitalsten Einzelbäume eines Bestandes zu fördern. Es macht aber Sinn, sie zu fördern, wenn sie aus Klimawandel-Sicht im Vergleich zu den direkten Konkurrenten deutliche Vorteile bringen. Ihre kurzfristigen Erfolgschancen sind im Vergleich zu üblichen Z-Bäumen, welche vorherrschend oder herrschend sind, meist viel geringer. Im Vergleich zu einer heute keimenden Naturverjüngung oder einem frisch gepflanzten Baum aber oft deutlich höher: Sie haben bereits mehrere Jahre im gegenwärtigen Klima überlebt sowie den Konkurrenzverhältnissen und dem Wildeinfluss widerstanden. Hinzu kommt, dass je nach Baumalter oft ein «Zeitgewinn» von 10 – 30 Jahren möglich ist. Ohne gezielte Förderung verschwinden solche Einzelbäume meist bald und unbemerkt, sodass Be-

In einer Vivian-Sturmfläche konnten sich einige Buchen entwickeln. Buche ist hier wichtige Zukunftsbaumart, weil sich der Standort von hochmontan zu submontan entwickeln dürfte. Entsprechend wurde sie als Z-Baum ausgewählt und mehrere schöne Fichten entfernt.

(Bild: R. Schwitter, GWP)

stände mit deutlich weniger Baumartenvielfalt und geringerem Anpassungspotenzial übrig bleiben. Zudem müssen diese Bäume nicht zu Stabilitätsträgern oder Wertträgern werden, sondern in erster Linie Samen produzieren, weshalb die Anforderungen an sie geringer sind. Und selbstverständlich gilt der Grundsatz, die vitalsten Einzelbäume einer Zielbaumart zu fördern, auch hier – wenn man den Luxus hat, auswählen zu können. Schwache Eingriffe für wenige Einzelbäume Diese konkurrenzschwachen Zukunftsbäume stocken oft in sehr geringer Zahl auf Flächen, auf denen für die grosse Mehrheit der Jungbäume gegenwärtig keine Eingriffe notwendig sind und die Selbstdifferenzierung spielen kann und soll. Pflegeeingriffe zum Mischungserhalt sind daher oft in einem deutlich früheren Zeitpunkt resp. häufiger sinnvoll, umfassen aber teilweise nur eine sehr tiefe Anzahl Z-Bäume. Das führt zu äusserst geringen Eingriffsstärken pro Hektare. Die Hauptarbeit liegt

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sowohl eine geringe Anzahl (vor-)herrschender Einzelbäume der bisherigen Hauptbaumarten gefördert werden, gleichzeitig aber auch die besten Einzelbäume bisher wenig konkurrenzstarker, aber besonders wichtiger Baumarten, auch wenn diese (mangels Alternativen) nur mitherrschend oder gar bedrängt sind.

Diese Föhre ist die einzige weit und breit. Sie wurde stark freigestellt, da ein baldiger Folgeeingriff unwahrscheinlich ist. Kann sie sich erfolgreich entwickeln?

(Bild: R. Schwitter, GWP)

darin, die wenigen versteckten Einzelbäume zu suchen und zu erkennen. Die eigentliche Ausführung ist dann auf die Hektare bezogen mit äusserst geringem Aufwand verbunden. Die Eingriffsstärke pro Z-Baum ist variabel zu wählen, je nach Lichtbedarf und Stabilität des Z-Baumes sowie der Möglichkeit/Wahrscheinlichkeit, in wenigen Jahren wiederzukommen. Bei wenigen Bäumen pro Hektare kann es auch sinnvoll sein, deren Koordinaten zu speichern, was gezielte Folgeeingriffe sehr viel effizienter und wahrscheinlicher macht. Auch in Kombination mit üblichen Pflegeeingriffen Die Förderung konkurrenzschwacher Zukunftsbäume kann selbstverständlich auch gut mit Eingriffen kombiniert werden, welche auch die dominierenden Baumarten betreffen und/oder die Bestandesstruktur fördern. Beispielsweise eine Kammerung mit Förderung der Mischbaumarten innerhalb der Kammern. Oder eine Z-Baum-Pflege, bei welcher

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Fazit Insgesamt sehen weder die Fachstelle GWP noch die Gebirgswaldpflegegruppe GWG Bedarf, die bisherigen Grundsätze und Empfehlungen zur Jungwaldpflege im Gebirgs- und Schutzwald wesentlich zu überarbeiten. Besonders wichtig bleibt, Pflegeeingriffe konsequent auf die langfristige Zielsetzung auszurichten. Ebenso die Grundsätze, dass bei Förderung einer grossen Anzahl Z-Bäume die Nachteile überwiegen und dass die frühzeitige Strukturierung/Überführung im Gebirgswald zentral ist. Immer deutlicher wird aber, dass die sich aufgrund des Klimawandels verändernden Mischungsziele und Konkurrenzverhältnisse dazu führen, dass hohe Baumartenvielfalt noch bedeutender wird und dass der Grundsatz, jeweils nur die aktuell vitalsten Bäume eines Bestandes zu fördern, teilweise nicht mehr sinnvoll erscheint. Die Jungwaldpflege ist einer der wichtigsten waldbaulichen «Hebel», um die Waldentwicklung bestmöglich an den Klimawandel anzupassen. Nutzen wir ihn! Weiterführende Informationen Praxishilfe und Checkkarten zur Jungwaldpflege im Gebirgs- und Schutzwald (GWP, 2019): www.gebirgswald.ch ➞ Publikationen. Synthese der wichtigsten Ergebnisse der GWG-Sommertagung 2022 zur Jungwaldpflege im Gebirgsund Schutzwald: www.gwg-gsm.ch ➞ Dokumentationen Samuel Zürcher leitet die nationale Fachstelle für Gebirgswaldpflege GWP. www.gebirgswald.ch


Zum Thema

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Überführung eines gleichförmigen Hochwaldes in einen Dauerwald Die Dauerwaldbewirtschaftung zeichnet sich auch im Hinblick auf den Klimawandel durch diverse Vorteile aus. Bei der Überführung eines gleichförmigen Hochwaldes in einen Dauerwald kann ein Konzept helfen, um die Planung und Ausführung möglichst effizient zu gestalten. Zwei Beispiele aus dem Kanton Graubünden zeigen eine mögliche Vorgehensweise. Anita Zuidema

Was ist ein Dauerwald? Der Dauerwald ist ein Überbegriff, der die klassische Plenterung mit Schattenbaumarten und die Plenterung mit Halbschatten- oder Lichtbaumarten umfasst (vgl. Abb. 2) [4]. Es handelt sich um eine Form der Waldbewirtschaftung, bei der eine Bestandesstruktur mit sämtlichen Entwicklungsstufen auf kleinster Fläche gefördert wird (vgl. Abb. 1) [2]. Die Nutzung erfolgt einzelstammweise in einem regelmässigen Turnus [4].

Abb. 1: Blick in einen Bestand mit Dauerwald-Charakteristik.

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Wieso ein Dauerwald? Die Waldbewirtschaftungsform «Dauerwald» hat diverse Eigenschaften, welche insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel bei der Schutzwaldbewirtschaftung anstrebenswert sind. Folgende nicht abschliessende Liste zeigt einige Vorteile auf: – Hohe Stabilität bspw. gegenüber Windwurf und dementsprechend geringe Risiken. – Hohe Resilienz dank dem Vorhandensein sämtlicher Entwicklungsstufen auf kleinster Fläche und

(Bild: A. Zuidema).


für je einen Perimeter eine Überführung eines gleichförmigen Hochwaldes in einen Dauerwald anzugehen. Als Basis für dieses Vorhaben wurde je ein Konzept erarbeitet:

Abb. 2: Einordnung des Dauerwaldes in die Systeme der Waldbewirtschaftung (aus [4], leicht angepasst).

1) Bestand «Al Tenz» bei Borgonovo, Gemeinde Bregaglia [5] Der Konzeptperimeter umfasst eine Fläche von rund 41 ha. Die vorherrschende Waldgesellschaft wird der 47er-Gruppe (Tannen-Fichtenwälder der hochmontanen Stufe) zugeordnet. Die Waldbestände weisen eine mehrheitlich einschichtige Struktur und einen hohen Vorrat auf. Zudem werden sie aufgrund eines zu hohen Schlankheitsgrades als wenig stabil beurteilt. Im Bergell sollen sämtliche flacheren und befahrbaren Gebiete in Dauerwälder umgewandelt werden. Das Konzept auf dem Teilperimeter dient als Beispiel und wird ohne solche detaillierten Aufnahmen auf die anderen Gebiete übertragen.

damit optimale Aufrechterhaltung der Schutzfunktion nach Störungen. – Hohe Wirtschaftlichkeit durch die Produktion von hochwertigem Stammholz und dank tiefen Jungwaldpflegekosten. Die Dauerwaldbewirtschaftung ist jedoch auch mit Herausforderungen verbunden. Die Überführung eines gleichförmigen Hochwaldes in einen Dauerwald stellt einen langandauernden Prozess dar, der Entschlossenheit und konsequentes Handeln erfordert [2]. Zudem sind dazu eine sorgfältige Holzernte, ein ausgewogenes Wald-Wild-Gleichgewicht, eine ausreichende Erschliessung sowie Ausdauer und Motivation von Waldbesitzer und Forstpersonal unabdingbar. Beispiele aus dem Kanton Graubünden Um Erfahrungen bei der Überführung und bei der Bewirtschaftung im Dauerwaldsystem zu sammeln, haben sich der Forstbetrieb Bregaglia und der Forstbetrieb Surses in Absprache mit dem Amt für Wald und Naturgefahren (AWN) entschlossen,

Abb. 3: Lage der untersuchten Bestände (rot) südöstlich von Borgonovo (aus [5], leicht angepasst).

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holen und in den folgenden Abschnitten erläutert werden.

Abb. 4: Lage der untersuchten Bestände (rot) südwestlich von Savognin, zwischen Eisla und Tgant Agict (aus [6], leicht angepasst).

2) Bestand «Eisla – Tgant Agict» bei Savognin, Gemeinde Surses [6] Der Konzeptperimeter hat eine Fläche von knapp 16 ha. Die Waldbestände mit der Fichte als Hauptbaumart befinden sich auf der Grenze zwischen der hochmontanen und der subalpinen Stufe. Die Bestände sind relativ heterogen, teilweise mehrschichtig und weisen teils hohe und teils tiefe Vorräte auf. Die horizontale Struktur ist lückig bis dicht. Nachfolgend werden die grundsätzlichen Arbeitsschritte bei einer Überführung erläutert. Die theoretischen Ausführungen werden jeweils mit den wichtigsten Erkenntnissen aus dem Konzept des Bestandes «Eisla-Tgant Agict» ergänzt. Als Beispiel dient die Teilfläche 10 (vgl. Abb. 6). Überführung in einen Dauerwald Die Überführung kann grundsätzlich in zwei Schritte gegliedert werden, welche sich laufend wieder-

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Schritt 1: Aufnahme des Ist-Zustandes und Festlegung des Soll-Zustandes In einem ersten Schritt wird die aktuelle Bestandesstruktur erfasst und der Soll-Zustand festgelegt. Darauf basierend kann die Planung von geeigneten Massnahmen zur Erreichung des Soll-Zustandes angegangen werden. Der Ist-Zustand der Bestände wird mittels Feldaufnahmen erhoben. Die Erhebungen können stichprobenartig (vgl. Projekt «Al Tenz» [5]) oder durch eine Vollkluppierung (vgl. Projekt «Eisla-Tgant Agict» [6]) erfolgen. Neben dem Brusthöhendurchmesser (BHD) wird auch die Stabilität der Bäume (Kronenlänge, Verletzungen, Hänger) erfasst. Die Nachwuchssituation wird für jede Aufnahmeeinheit qualitativ beschrieben. Eine Aufnahme des Ist-Zustandes mittels Fernerkundung wäre eine wertvolle Alternative, die bei zukünftigen Projekten geprüft werden könnte. Zur Festlegung des Soll-Zustandes werden üblicherweise sogenannte Dauerwaldkennzahlen verwendet: – Zielvorrat Der Zielvorrat gibt denjenigen Wert des Vorrats an, bei welchem genügend Licht und Wärme für den Nachwuchs und die Nachrücker vorhanden sind [4]. Der Zielvorrat ist abhängig vom Standort (Bonität), der Baumartenzusammensetzung und gegebenenfalls von der Waldfunktion. Basierend auf der geographischen Lage und der vorherrschenden Waldgesellschaft wurde der Zielvorrat im Bestand «Eisla-Tgant Agict» auf 250 m³/ha festgelegt (vgl. [1], [2], [3]). In der Aufnahmeeinheit 10 ist der Vorrat mit knapp 440 m³/ ha im Vergleich zum Zielvorrat zu hoch. – Stammzahlverteilung Die wichtigste Voraussetzung für einen nachhaltigen Aufbau eines Dauerwaldes ist das Vorhandensein eines permanenten Nachwuchses


Abb. 5: Stammzahlverteilung in der Teilfläche 10 (aus [6], leicht angepasst).

in ausreichender Anzahl [2]. Um das Prinzip der Nachhaltigkeit zu erfüllen, benötigt jede Durchmesserstufe mindestens so viele Bäume, dass in einer bestimmten Zeit genügend Bäume in die nächsthöhere Stufe einwachsen können, um dort die geernteten und die aus der Stufe auswachsenden Bäume sowie die natürlichen Ausfälle zu ersetzen (Gleichgewichtszustand). Die sogenannte Gleichgewichtskurve zeigt dafür die optimale Stammzahlverteilung an (vgl. Abb. 5). Sie hängt vor allem vom Durchmesserzuwachs und von den Nutzungen ab. Wird die reale Stammzahlverteilung zusammen mit der anzustrebenden Gleichgewichtskurve dargestellt, zeigt sich in welchen BHD-Stufen Bäume fehlen oder übermässig viele vorhanden sind [4]. Die Stammzahlverteilung in der Teilfläche 10 ist nicht im Gleichgewicht (vgl. Abb. 5). Im Vergleich zur Gleichgewichtskurve fehlen Stämme in den unteren BHD-Stufen, während insbesondere in den BHD-Stufen ab 56 cm eher zu viele Bäume vorhanden sind. Sehr stabile Bäume mit langer

Krone werden als Stabilitätsträger erfasst, da diese bei einer Überführung in einen Dauerwald besonders wichtig sind. In den unteren BHD-Stufen sind nur wenige Stabilitätsträger vorhanden. Bei entsprechender Förderung können sich die Bäume dieser Stufen jedoch noch zu Stabilitätsträgern entwickeln. – Turnus und Bewirtschaftungseinheiten Der Turnus ist abhängig von der geografischen Lage, vom Zuwachs, vom vorhandenen Vorrat und der Stabilität. In den Alpen wird mit einem Turnus von 6 bis 12 Jahren gerechnet. Der Turnus kann für die Förderung der Struktur und Stabilität sowie für den Vorratsabbau verkürzt werden [4]. Üblicherweise wird die zu bewirtschaftende Gesamtfläche in kleinere Bewirtschaftungseinheiten geteilt. Dabei ist es gebräuchlich, die Anzahl Einheiten dem Turnus entsprechend zu wählen. Dadurch kann jedes Jahr eine Teilfläche bewirtschaftet werden [4]. Die Bestände innerhalb einer Einheit sollen möglichst homogen und die

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Abb. 6: Einteilung der Bewirtschaftungseinheiten im Projekt «Eisla-Tgant Agict» (aus [6]). Abb. 7: Geplante Eingriffe (2030, 2040, …) in der Teilfläche

Aufteilung sinnvoll auf die Bewirtschaftung bzw. Erschliessung abgestimmt sein. Für den Bestand «Eisla-Tgant Agict» wurde ein Turnus von 10 Jahren gewählt und dementsprechend wurden 10 Bewirtschaftungseinheiten ausgeschieden (vgl. Abb. 6). Aufgrund der kleinen Flächengrössen wurde entschieden, jedes zweite Jahr zwei Teilflächen zusammen zu bewirtschaften. – Eingriffsstärke und Aushieb Die Eingriffsstärke beschreibt den Anteil des vorhandenen Vorrats, der dem Bestand bei einem Eingriff entnommen wird. Sie beträgt in stabilen Beständen üblicherweise zwischen 16 % und 22 %. Bei zu geringer Eingriffsstärke ist die Lichtverfügbarkeit in der Mittelschicht zu gering und die Wirtschaftlichkeit des Eingriffs nicht gegeben. Ein zu starker Eingriff gefährdet die Struktur, die Stabilität, die Qualität der Bäume sowie den Zuwachs [4].

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10: Der Vorratsabbau ist oben dargestellt, unten kann die Eingriffsstärke sowie der Aushieb abgelesen werden (aus [6]).

Die für den Bestand «Eisla-Tgant Agict» vorgesehenen Eingriffsstärken und Aushiebe sind im Schritt 2 erläutert (vgl. Abb. 7). Schritt 2: Definition und Ausführung der Massnahmen zur Erreichung des Soll-Zustandes Wird der aufgezeigte Soll-Zustand (Dauerwaldkennzahlen) mit dem Ist-Zustand (Feldaufnahmen) verglichen, ergeben sich für die Teilfläche 10 folgende Massnahmen: – Senkung des Vorrats – Reduktion der Stammzahlen in den BHD-Stufen ab 56 cm – Förderung bestehender oder zukünftiger potenzieller Stabilitätsträger – Verjüngungseinleitung und -förderung


Abb. 8: Zahlen und Kurznotizen zu den geplanten Eingriffen aus dem Massnahmenblatt zur Teilfläche 10 (aus [6]).

Diese Massnahmen werden in einem Arbeitsgang sorgfältig angezeichnet (Plenterdurchforstung auf der gesamten Bewirtschaftungseinheit) und anschliessend bei bestandesschonender Holzernte umgesetzt. Abb. 7 zeigt die geplanten Eingriffe (oben) und die Nutzungen bzw. Eingriffsstärken (unten). In Abb. 8 ist ein Ausschnitt aus dem Massnahmenblatt zur Teilfläche 10 mit den konkreten Zahlen zu den Eingriffen abgebildet. Wirkungskontrolle Mit der Wirkungskontrolle wird sichergestellt, dass die Massnahmen die gewünschte Wirkung zeigen. Bei Abweichungen von der Zielsetzung kann schnell reagiert werden. Die Wirkungskontrolle sollte jeweils nach einem Turnus, wenn also alle Bewirtschaftungseinheiten einmal behandelt wurden, durchgeführt werden. Die Wirkungskontrolle entspricht einer Wiederholung des Schrittes 1, da sie den Ist-Zustand des Bestandes nach der Ausführung der Massnahmen erhebt. Dann beginnt der Kreislauf wieder von vorne. Anita Zuidema ist Umweltnaturwissenschaftlerin mit Vertiefung Wald- und Landschaftsmanagement (ETH). Sie hat ab Oktober 2020 ein Praktikum beim AWN Südbünden absolviert und arbeitet seit März 2021 als technische Sachbearbeiterin beim AWN Mittelbünden in Tiefencastel.

Literatur [1] H. Langenegger, 1979: Normalzahlen für Wälder im Gleichgewichtszustand. [2] J.-P. Schütz, 2002: Die Plenterung und ihre unterschiedlichen Formen. [3] Y. Pulver, 2014: Optimale Holzvorräte in Gebirgsplenterwäldern, Masterarbeit. [4] S. Hatt, 2020: Checkkarten Dauerwald, Zürich: Herausgeber: ProSilvaSchweiz (3. Auflage). [5] A. Zuidema, Amt für Wald und Naturgefahren, 2022. Überführung eines gleichförmigen Hochwaldes zu einem Dauerwald. Al Tenz bei Borgonovo, Gemeinde Bregaglia. [6] A. Zuidema, Amt für Wald und Naturgefahren, 2023. Plenterwald Eisla – Tgant Agict, Surses. Konzept zur Überführung eines gleichförmigen Hochwaldes in einen Plenterwald. ANZEIGE

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25 Jahre Dauerwaldbewirtschaftung – ein Erfahrungsbericht Ernst Vetsch, langjähriger Revierförster in Wartau, berichtet, wie er zu einem überzeugten und erfolgreichen Verfechter der Dauerwaldbewirtschaftung wurde, und was er in diesen 27 Jahren im Wald beobachtet und erfahren hat. Ernst Vetsch

Das Forstrevier Wartau ist deckungsgleich mit der Gemeinde Wartau. Die Waldfläche beträgt rund 1250 ha. Die Waldungen im Revier erstrecken sich von 480 Meter über Meer bis zur Waldgrenze. Davon sind 50 % im Besitz der Ortsgemeinde War-

Schmale Linie im Seilkrangelände.

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(Bilder: Ernst Vetsch)

tau. Rund zwei Drittel der Fläche ist Seilkrangelände. Auf der restlichen Fläche wird im Bodenzug oder mittels Forwarder gerückt. Auf der bewirtschafteten Fläche der Ortsgemeinde werden pro Jahr rund 4000 Kubikmeter Holz geerntet. Die Waldungen werden durch eine sehr gut ausgebildete und ausgerüstete Forstgruppe bewirtschaftet. Die Bringung im Seilkrangelände wird durch den Einsatz von überbetrieblichen Kursen und Unternehmereinsätzen ergänzt. Erfahrungsbericht Vor rund vier Jahrzehnten bestanden die meisten Waldungen aus vorratsreichen, dunklen Baumhölzern. Verjüngung war sehr spärlich oder gar nicht vorhanden. 1980 fegte ein gewaltiger Gewittersturm über die Wartauer Waldungen. Es entstanden grosse Kahlflächen, die in den folgenden Jahren grosse Aufwendungen für Pflanzungen, Wildschutz und Pflege verursachten. Im Jahre 1996 bin ich durch eine glückliche Fügung auf die Dauerwaldbewirtschaftung gestossen. Als Gast durfte ich an einer Pro Silva Exkur­sion teilnehmen. Das Gesehene und Erfahrene dieses Tages hat bei mir einen so grossen Eindruck hinterlassen, dass es klar war, etwas im Waldbau musste ich ändern. Am Anfang zwar noch zögerlich, versuchte ich die Dauerwaldgrundsätze an­zuwenden. War doch das in der Ausbildung zum Förster Gelernte ziemlich weit entfernt von dem, was ich auf den Exkursionen und vor allem an den Anzeichnungsübungen immer wieder dazulernen konnte. Schnell habe ich erkannt, dass die Voraussetzungen für eine Umstellung zum Dauerwald im Revier


Vielfältiger Wald mit verschiedenen Baumarten, unterschiedlichem Alter und Durchmesser.

sehr gut sind. Obwohl alle Bestände aus schlagweisen Hochwäldern entstanden sind, gab es vielversprechende Ansätze. Die Erfahrungen aus den Sturmereignissen bewogen mich, keine flächigen Verjüngungen mehr zu schaffen. Ab diesem Zeitpunkt spricht man von einem Dauerwald, obwohl die meisten Bestände noch weit von den angestrebten Waldbildern entfernt sind. Mit dieser Waldbauform können pro Jahr viel grössere Flächen behandelt werden. Auf immer mehr Flächen wurde es grün, und Verjüngungsansätze stellen sich überall ein. Aller Anfang ist schwer Versäumte Pflege kann durch einen Eingriff nicht nachgeholt werden. In den meisten Wäldern standen bei den ersten Eingriffen zu hohe Vorräte. Die Entnahmemenge ergibt sich aus der Grundfläche

(Vorrat), dem Eingriffsintervall, dem Zuwachs und evtl. einem Teil Vorratsabbau auf dem entsprechenden Standort. Nicht der Bestand, sondern der Einzelbaum steht im Mittelpunkt. Im Seilkrangelände ist vielfach beim ersten Eingriff die Entnahmemenge schon mit dem Seillinienholz und dem Anzeichnen der schlechtesten Bäume erreicht. Es braucht also Zurückhaltung und Geduld. Die Seillinien müssen möglichst eng gehalten werden, und wenn möglich soll das Tragseil unterhalb der Kronen geführt werden. So entstehen nicht zu grosse Entnahmemengen der Linie entlang und bei den Folgeeingriffen ist noch Holz vorhanden. Bei zu grossen Entnahmemengen auf einmal steigt das Risiko von Folgeschäden enorm (Windwurf, Käferbefall, Sonnenbrand, Neophyten). Ziel ist, bis zum nächsten Holzernteeingriff keine Massnahmen auf der Fläche mehr tätigen zu müssen. In

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Natürliche Verjüngung von verschiedenen Baumarten auf kleiner Fläche.

noch intakten Wäldern kann mit mässigen, aber regelmässigen Eingriffen auch sehr gut auf die Fol­ gen des Klimawandels reagiert werden. Im laufenden Betriebsplan haben wir uns vorge­ nommen, im Seilkrangelände einen Turnus von 12 bis 15 Jahren und im Bodenzug 8 bis 12 Jahre ein­ zuhalten. Im Seilkrangelände sind dies Herausfor­ derungen, die nicht so einfach zu lösen sind. Die Einzelbaumnutzung wird im Seilkrangelände meis­ tens durch eine Entnahme von Baumgruppen oder Baumreihen ersetzt. Dies nicht zuletzt aus Grün­ den einer rationellen und schonenden Bringung. In der Regel werden bei Folgeeingriffen die Seillinien wieder auf die gleiche Seiltrasse gelegt. Eine Förstergeneration reicht bei Weitem nicht, um einen schlagweisen und gleichförmigen Wald in ei­ nen vielschichtigen, ungleichaltrigen und artenrei­ chen Dauerwald zu überführen. Aber schon nach

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zwei Jahrzehnten pfleglicher Nutzung sind grosse positive Veränderungen sichtbar. Voraussetzungen für eine Dauerwaldbewirtschaftung Grundsätzlich kann der Dauerwaldgedanke überall angewandt werden. Aus meiner Sicht müssen aber ein paar Voraussetzungen gegeben sein. – Eine waldfreundliche Wildsituation muss eine ganzflächige natürliche Verjüngung dauerhaft ermöglichen. Wenn der Start verhindert wird, nützen alle waldbaulichen Massnahmen nichts. – Eine zweckmässige Feinerschliessung, die der zu­ ständige Revierförster festlegt, sollte vorhanden sein. – Vor der Anzeichnung der Bäume muss das Holz­ ernteverfahren bekannt sein. – Gut ausgebildetes Personal, das Verständnis für


den Dauerwald aufbringt, ist eine Grundvoraussetzung für eine schonende Holzernte. – Nicht nur der Förster, sondern auch die Waldbesitzer müssen von der Dauerwaldbewirtschaftung überzeugt sein. Eine nachhaltige pflegliche Nutzung über mehrere Förstergenerationen ist nötig, und vor allem sollte sich der Waldbesitzer schriftlich zur Dauerwaldbewirtschaftung bekennen. Der Waldbesitzer muss es wollen. Vorteile Die Verjüngung funktioniert natürlich mit standortsgerechten Baumarten, auch wenn ganz wenige Samenbäume vorhanden sind. Dadurch fallen immer weniger Pflanzkosten an. Die klassische Pflege in Jungbeständen wird mit den Jahren immer weniger. Der Anteil an hochwertigen Sortimenten und damit die Durchschnittserlöse steigen nach jedem Eingriff. Der Baum ist Produktionsmittel und Produkt in einem (kann auch ein Nachteil sein). Die Dauerwaldeingriffe sind praktisch gleich wie die Schutzwaldpflege nach NaiS. Der Dauerwald erfüllt die Nutz-, Schutz- und Wohlfahrtsfunktion auf der gleichen Fläche optimal. Naturschutz- und Biodiversitätsmassnahmen lassen sich bei dieser Waldbaueinstellung sehr gut umsetzen. Die Wälder sind resilient gegen äussere Einflüsse jeglicher Art. Das Äsungsangebot für das Schalenwild steigt auf der ganzen Fläche und der Verbissdruck nimmt ab. Nachteile Bei der Umstellung fallen bei den ersten Eingriffen mehr minderwertige Sortimente an. Die direkte Holzernte wird in den meisten Fällen etwas teurer. Die Übersicht bei der Holzernte wird mit der Zeit schwieriger. Das Wild wird «unsichtbar», und die Jagd in den stufigen Beständen wird anspruchsvoller.

Dauerwald Dauerwald im Gleichgewicht ist ein strukturreicher Wald mit standortgerechten Baumarten. Die verschiedenen Baumgenerationen sind einzeln oder in Trupps gemischt. Der Vorrat bleibt auf einer angepassten Höhe relativ konstant. Diesen speziellen Waldcharakter behält der Dauerwald dauerhaft und auf seiner ganzen Fläche. Im Dauerwald wird einzelstammweise und in regelmässigem Turnus auf der ganzen Waldfläche genutzt (Plenterprinzip). Die Waldfläche wird dazu in Bewirtschaftungseinheiten eingeteilt. Dauerwald liegt ab dem Zeitpunkt vor, ab dem auf flächige Hiebe verzichtet wird. Ziel der Dauerwaldbewirtschaftung ist es, qualitativ wertvolles Starkholz zu produzieren. Im gleichgewichtigen Dauerwald sind keine Bestände nach Alter oder Struktur abgrenzbar. In den Altersklassenwäldern treten die verschiedenen Baumgenerationen als räumlich getrennte gleichaltrige Bestände auf. Quelle www.prosilva.ch Weitere Infos Checkkarte Dauerwald, www.prosilva.ch Der Dauerwald kann alles, es sei denn, er wird kahlgeschlagen oder stillgelegt! Ernst Vetsch ist seit 38 Jahren Revierförster im Forstrevier Wartau und bewirtschaftet den Wald seit 1996 konse­ quent nach den Grundsätzen des Dauerwaldes. Die Pro Silva setzt sich seit über 30 Jahren für den Dauer­ wald ein. Durch Anzeichnungsübungen und Exkursionen sowie die Zeitschrift «Dauerwald» werden immer mehr Mitglieder für diese Waldbauform begeistert. Der Dauer­ wald ist aber auch in der Forstwartlehre, den Försterschu­ len und allgemein in der forstlichen Ausbildung ange­ kommen.

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Unaufgeräumte Wälder – Schutz­ wirkung vor Verbiss und Austrocknen In den Wäldern von Untervaz dürfen verschiedene Mass­ nahmen ausprobiert werden. Mit möglichst individuellen Holzschlägen und bewusstem Nicht-Aufräumen hat das Forstteam gute Erfahrungen gemacht. Ken Flury

Frisch ab der Försterschule übernahm ich das Forst­ revier Untervaz im Jahr 2018. Mein Wald zeigt sich vom Rhein in der Talebene bis zur Waldgrenze unter dem Calanda in vielen Facetten. Die sehr trockenen Standorte, wie der 40 M Gamander-Traubeneichen­ wald mit Bingelkraut oder der 65+ Hauhechel-Föh­ renwald mit Niedriger Segge, fallen mit den vielen Dürrständer oberhalb des Dorfes markant auf. Die Veränderungen durch den Klimawandel sind, wie im Mittelland, in Untervaz bereits ersichtlich. Beim Erkunden meines Revieres habe ich einige Beobach­ tungen gemacht: Zum einen verhinderte der starke Wildverbiss eine Baumartenvielfalt bereits im Keim­ lingsstadium. Zum andern war der Sommerflieder auffällig viel im Wald vertreten. Vor allem wenn ein Baum umgekippt war, verjüngte sich der Som­ merflieder auf dem frisch aufgerissenen Rohboden und breitete sich, einmal im Bestand Fuss gefasst, von dort im Wald aus. Ebenfalls sehr interessant war, dass in dem liegenden Kronenbereich von drei grossen gekippten Buchen, neben Buchen auch vier Spitzahorne ohne Verbiss heranwuchsen. Im Hitze­ sommer 2018 konnte ich beobachten, wie in den Holzschlägen die Verjüngung im Keimlings- und Dickungsalter flächig abgestorben waren. Einzig ­ um die Asthaufen herum waren die Jungpflanzen noch grün. Der Boden war um die Haufen herum feucht, gleich daneben aber aufgerissen und tro­ cken gewesen. Die nicht behandelten Käfernester haben sich nach einem Jahr nicht vergrössert, und die vitalen Fichtenbestände daneben sind ver­ schont geblieben. Alle diese Beobachtungen haben mich dazu ge­ bracht, verschiedene Methoden auszuprobieren. Das Ziel war es, so viele Holzschläge so individuell

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wie möglich auszuführen. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass bei zehn Holzschlägen mit einheitli­ chen Seillinien und Eingriffen die punkto Klimaver­ änderung falschen Massnahmen getroffen werden. Wenn aber bei jedem Holzschlag etwas anderes ausprobiert wird und dann nur eine Massnahme wirklich nützt, wird aus meiner Sicht das Gesam­ trisiko reduziert. Wir haben angefangen, in den Holzschlägen die ganzen Kronen gezielt liegen zu lassen. Zuerst ha­

Bewusst liegen gelassene Kronen schützen Keimlinge, darunter auch Weisstannen, ein paar Jahre vor Verbiss und Austrocknung.

(Bild: Ken Flury)


Mit dem Holzschlag im Baumholz 1 im 2020 konnte das Wild auf vier Wechsel kanalisiert werden, was die Verbiss-Situa­ tion deutlich verbesserte.

ben wir vor allem Laubhölzer und Weisstannen «abgegipfelt». Das Personal musste sich daran gewöhnen, dass ab der Schnittstelle kein Ast mehr verschnitten wird. Für sie war das kein schönes Bild. Sie waren sich gewöhnt, dass alle Kronenteile in kleine Stücke bodennah zersägt wurden. Ich musste ihnen viele Male aufzeigen, dass das Zersägen die Zeit und das Benzin nicht wert ist und es nur Kosten verursacht. Wir haben die Produktion von Hack- und Industrieholz auf ein Minimum reduziert. Dadurch haben sich die Rüstkosten gesenkt. Mit der Zeit haben wir begonnen, bei Verjüngungsansätzen Weisstannengipfel ungeastet parallel zueinander an den Strassen auszulegen. Es zeigte sich, dass dies einfache Wildschadenverhütungen waren, welche die Keimlinge ein paar Jahre vor Verbiss und Austrocknen schützten (siehe Foto). Im Jahr 2020 hatte ich in einer aufgeforsteten Fläche mit Fichten im Baumholz 1 einen Vollernteeinsatz geplant. Der Holzschlag war angezeichnet, und die Gassen wurden markiert. Durch die schlechten Holzerlöse war der Eingriff so nicht tragbar. Ich habe mich dann dazu entschieden, den Holzschlag dennoch durchzuführen, denn die Dringlichkeit war

(Bild: Ken Flury)

hoch. Wir haben dann, ausserhalb der Gassen, den Holzschlag so ausgeführt, wie er angezeichnet war. Die Fichten wurden gefällt und grösstenteils vom Stammfuss bis 20 cm Durchmesser auf der Oberseite gestreift. Der obere Abschnitt ab 20 cm Durchmesser blieb unbehandelt und die Stämme blieben grösstenteils ganz. Die gefällten Bäume lagen mit den ganzen Kronen kreuz und quer (siehe Foto 1). Dies führte dazu, dass die örtlichen Jäger sehr negativ über diesen Eingriff sprachen, denn aus ihrer Sicht konnte sich das Wild nicht mehr frei bewegen und würde sich in diesem Bestand nicht mehr aufhalten. Ich sprach mit einigen von ihnen, sie sollen noch ein wenig warten, da sich neue Wildwechsel ergeben würden, und dann könne man diese mit wenig Aufwand freistellen. Nach einem halben Jahr haben sich aus vielen beliebigen Wildwechseln vier neue ergeben. Diese vier Wege konnten die Jäger dann gezielt freistellen und die Posten darauf richten. Die Wechsel habe ich mit einer Wildkamera beobachtet und festgestellt, dass sie stark genutzt wurden. Seit der Holzerei musste sich das Wild auf den Wechseln bewegen und konnte nicht mehr, wie vor dem Eingriff, überall durch den Bestand gehen.

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Im 2022 führte das Forstteam, ebenfalls im Baumholz 1, einen Holzschlag mit einer Seillinie im Ganzbaumverfahren aus. Direkt daneben wurden 2021 nur die Zukunftsbäume freigestellt.

Dies zeigte sich auch in der Verbiss-Situation. Im ganzen Bestand konnten Keimlinge heranwachsen, genau die, die nicht erreicht werden können, sind bis jetzt noch nicht verbissen worden. Der Käfer hat begonnen, die liegenden Bäume zu befallen, auf die stehenden ist er jedoch nicht übergegangen. Letztes Jahr haben wir in einem Bestand im Baumholz 1 eine Seillinie im Ganzbaumverfahren durchgeführt. Der Bestand wurde aufgeräumt, und es liegen nach dem Eingriff fast keine Äste oder Stämme auf dem Waldboden. Parallel zu diesem Holzschlag hatten wir ein Jahr zuvor im gleichen Bestand nur Zukunftsbäume im Endabstand freigestellt, aber alles ungeastet und nicht gestreift liegen gelassen. Die Seillinie wird nun von den Jägern als Schussschneise mit drei Hochsitzen genutzt. Das Wild kann durch die liegenden Stämme im danebenliegenden Bestand nur an wenigen Stellen auf die offene Fläche treten. Der «saubere» Holzschlag wird von der Bevölkerung auch als Fussweg genutzt. Erstaunlicherweise kamen nur negative

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(Bild: Louis Kunz)

sowie auch positive Rückmeldungen zum Holzschlag mit der Seillinie, nicht aber zum anderen. Vor allem bei der älteren Generation stösst dieses Unaufgeräumte direkt an den Wegen auf Unverständnis. Wir haben zwar gezielt Infotafeln aufgestellt. Doch ich musste feststellen, dass wenn ich mit den Leuten direkt reden konnte, sie viel mehr verstanden haben, was ich mit den Massnahmen bezwecken möchte. Ich denke, es ist wichtig, dass sie uns verstehen und nicht, dass ich sie belehre. Der Bevölkerung ist oft nicht bewusst, was Totholz bewirkt. Darum ist es wichtig, ihnen Beispiele vor Ort zu zeigen. Sie müssen sehen, wie der Wald eigentlich aussehen sollte und was naturnaher Waldbau bedeutet. Bei einer Begehung für eine Wasserfassung wurde ich von einem kritischen Bürger darauf angesprochen, dass hier in diesem abgelegenen Waldgebiet dringend aufgeräumt werden müsse, da das Holz am Boden am Verfaulen sei. Es lagen überall sehr grosse Stämme am Boden, und rundherum war Adlerfarn vertreten. Ich konnte


ihm zeigen, wie sich auf den morschen Stämmen Keimlinge entwickelten und daneben nichts ausser dem Farn wuchs. So konnte ich ihm sehr gut in seinem Lieblingswald, der in der Zerfallsphase war, den Nutzen von Totholz aufzeigen. Er hat das so noch nie betrachtet und ist seitdem überzeugt, dass das Totholz wichtig ist. Zudem hat er auch andere kritische Fragen selbst neu überdenken müssen. Mir wurde immer gesagt, ich soll doch die «liegen gelassenen» Holzschläge nicht direkt an der Strasse machen, damit es nicht so unaufgeräumt aussieht und sich die Leute nicht darüber ärgern. Doch ich denke, das ist falsch. Die Bevölkerung muss sehen, wie der Wald auch fern von Wegen und Strassen aussieht. Sie müssen mit Holzschlägen, Tafeln und Gesprächen aufgeklärt werden. So wird über den Wald gesprochen. Die Klimaerwärmung und der Wildverbiss sind so wichtig, dass sie immer und zu jeder Zeit erwähnt werden müssen. Die Gemeinde Untervaz führte im Mai 2022 einen Zukunftstag durch, an dem die Bevölkerung über sieben aktuelle Themen in der Gemeinde informiert wurde. Ein Thema war die Bewirtschaftung des Waldes unter den herrschenden Rahmenbedingungen. Dabei ergab sich die Gelegenheit, mit sehr vielen Leuten im direkten Gespräch über die Bewirtschaftung der Untervazer Wälder zu diskutieren. So konnte an diesem Zukunftstag auch die Zufriedenheit in der Bevölkerung mit der Bewirtschaftung der Wälder abgefragt werden. Die grosse Mehrheit war zufrieden. Der starke Wildverbiss und dass sich der Wald dem Klimawandel anpassen muss, war fast allen bewusst. Ich habe gemerkt, dass bei mir im Revier sehr viele mit dieser Wildnis zufrieden sind. Wichtig ist, dass die Massnahmen auf den Schutzwald ausgerichtet sind. Meines Erachtens können die Massnahmen in den Holzschlägen, bei denen das Holz liegen gelassen wird, viel gezielter und effizienter ausgeführt werden. Es ist einfacher, Einzelbäume freizustellen, ohne grossen Schaden anzurichten.

Am Untervazer Zukunftstag vom Mai 2022 konnte der Betriebsleiter Ken Flury den Jungjägern die Massnahmen im Wald persönlich erklären.

(Bild: Gemeinde Untervaz)

Die Forstgruppe erkennt selbst, dass nun viel weniger Sommerflieder in den Holzschlägen wächst, und dass die liegenden Bäume und Kronen ihre Wirkung haben. Sie probieren immer wieder etwas aus oder fällen gezielt Baumkronen in den Anwuchs, sodass dieser für ein paar Jahre geschützt ist. Wir sind in einem grossen Wandel. Niemand weiss, was das Richtige ist. Ich werde weiterhin vieles ausprobieren und mich nicht auf einheitliche Massnahmen fixieren. Für mich ist es wichtig, dass jede und jeder weiss, dass wir in der Zukunft mit diesem Wilddruck keinen klimafitten Wald haben werden und ich dies nicht ändern kann. Ich kann nur meinen forstlichen Teil dazu beitragen. Ken Flury ist Förster und Betriebsleiter des Gemeindebetriebs Untervaz mit insgesamt sieben Mitarbeitenden.

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Jungwaldpflege – einst und heute In den letzten rund 100 Jahren wurden verschiedene Methoden der Jungwaldpflege entwickelt. Dabei wurden wichtige Fortschritte, aber auch Fehler gemacht. Heutige Konzepte berücksichtigen diese Erfahrungen. Durch den Klimawandel gibt es wieder einen neuen Fokus. Peter Ammann

Durch Jungwaldpflege werden Baumarten, Mischungen, Qualität und Stabilität von Jungbeständen so beeinflusst, dass die erwarteten Waldleistungen erreichbar sein sollen. Jungwaldpflege ist ein wesentlicher Kostenfaktor der Waldbewirtschaftung. Niederdurchforstung und negative Auslese Bis ca. 1930 war die Jungwaldpflege geprägt durch die Niederdurchforstung. Es wurde nur in den dünneren Durchmessern eingegriffen. Diese Form des Eingriffs hatte nur wenig Einfluss auf die Bestandesentwicklung – oder gar keinen, wenn nur die aufgrund der starken Konkurrenz abgestorbenen Bäume entfernt wurden. Im Gegensatz zu heute war die Nutzung auch der dünnsten Bäume bereits wirtschaftlich (Brennholz, Zaunpfähle).

Ein wichtiges Element war damals auch die negative Auslese. Als «minderwertig» angesehene Bäume wurden entfernt. Neben den bereits erwähnten dünnsten Bäumen waren dies einzelne Baumarten (Weichlaubhölzer oder generell alles Laubholz) oder Qualitäten (Zwiesel, Schiefständer, Grobastige, «Protzen»). Durch das Entfernen sowohl der dicksten Bäume (Protzen) als auch der dünnsten Bäume eines Bestandes wurden die Bestände «homogenisiert». Dies hatte negative Auswirkungen auf die Bestandesstruktur und Stabilität (vgl. Abb. 1). Die Durchmesserdifferenzierung wurde verhindert. Oftmals entstanden mit der Idee der maximalen Wertproduktion reine Nadelholzbestände mit Risiken oder späteren Verjüngungsschwierigkeiten, weil Laubholz bzw. Nebenbestand durch die Pflege aktiv entfernt wurden.

Abb. 1a: Beispiel für natürliche Differenzierung: Dieser be-

Abb. 1b: Dieser erst 35jährige gepflanzte Bestand wurde

reits 50- bis 60-jährige Bestand aus Naturverjüngung ist

durch einen flächigen Eingriff homogenisiert – trotz Pflege

auch ohne Pflege stabil geblieben. (Bilder: Peter Ammann)

ist die Stabilität hier weniger gut.

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Abb. 2: Die Z-Baum-Durchforstung.

(© CODOC 2020,

Originalgrafik aus Wilhelm und Rieger 2013)

Positive Auslese und Auslesedurchforstung 1933 publizierte Professor Schädelin (ETH Zürich) erstmals die positive Auslese. Auslesekriterium ist nicht mehr das Negative, zu entfernende, sondern das Positive, zu fördernde. Dies ist wirksamer und rationeller. Allerdings wurden bei der damaligen «Auslesedurchforstung» möglichst viele Auslesebäume gefördert (bis mehrere Tausend pro Hektare, ohne Berücksichtigung von Abständen). Dadurch war die Pflege extrem aufwendig (bei noch sehr tiefen Löhnen). Bei jedem späteren Eingriff mussten bereits geförderte Auslesebäume entfernt werden. Die Baumartenansprüche (Eingriffsstärke, Reaktionsfähigkeit) wurden noch zu wenig berücksichtigt. Z-Baum-Durchforstung 1975 kam die Z-Baum-Durchforstung (Abetz, Deutschland). Ausgehend vom Platzbedarf im Baumholz (=Produktionsziel) werden die Z-Bäume im Endabstand ausgewählt und nur deren direkte Konkurrenten entfernt. Der «Füllbestand» bleibt unbehandelt. Mit jedem Eingriff vergrössert sich

der Standraum des Z-Baums, der Anteil Füllbestand wird kleiner (Abb. 2). In der Schweiz begegnete man der neuen Methode mit Skepsis und wählte eine Zwischenform, welche mehr Ähnlichkeit hatte mit der alten Auslesedurchforstung. Durch den «Halbendabstand» wurde eine Reserve an Z-Bäumen angestrebt. Dieser Kompromiss war teuer und kontraproduktiv. Der halbe Abstand bedeutet auf der Fläche eine 4-fach höhere Anzahl geförderter Bäume. Er führte auch dazu, dass die Bestände homogenisiert wurden; im starken Stangenholz stehen nur noch die Z-Bäume. Ebenfalls wurden aufgrund der hohen Anzahl oft nicht wirklich vitale Bäume gefördert. Oder es wurde zu wenig konsequent eingegriffen, weil man Hemmungen hatte, die geförderten Bäume wieder zu fällen. Teilweise wurde der Durchmesser von Beständen durch Eingriffe systematisch reduziert, weil auf dünnere, feinastigere Bäume gesetzt wurde. Ungünstig war auch die Fokussierung auf möglichst genaue Abstände in regelmässiger Dreiecksverteilung. Lieber der richtige Baum am falschen Ort, als der falsche Baum am richtigen Ort. Genauso wenig zielführend ist es, den Aushieb mit dem Messband festzulegen. Mit der Schaffung des Forstwart-Berufes ab 1962 nahm der Umfang der Jungwaldpflege stark zu. Die Stundenansätze stiegen markant, während das Holz (nach einem Maximum 1984) immer weniger wert war. Studien im Lehrwald der ETH Zürich zeigten in den 1990er-Jahren, dass ein 20-jähriges Stangenholz bis zu Fr. 35 000.–/ha kostete – so konnte es nicht weitergehen. Die biologische Rationalisierung Professor Schütz (ETH Zürich) formulierte 1996 die Schlüsselbegriffe «Konzentrationsprinzip» und «Naturautomation». Basierend darauf entwickelte Ammann (2004) die «biologische Rationalisierung» mit dem Ziel, natürliche Abläufe bestmöglich zu nutzen. Für die Hauptbaumarten Fichte, Buche, Esche und Bergahorn wurde untersucht, wie ohne

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handene konkurrenzschwache Lichtbaumarten schon früh gefördert (z. B. Eiche, Kirsche, Nussbaum, Lärche, Föhre), während für konkurrenzstarke Hauptbaumarten wie Buche, Fichte, Tanne oder Bergahorn erst später eingegriffen werden muss (vgl. Abb. 4). Moderne Konzepte arbeiten oft mit niedrigeren Z-Baum-Zahlen (z. B. nur 30 oder 40/ha, dafür «Supervitale»), kombiniert mit Massenproduktion und Habitatbäumen. Im Mittelland sind Z-Baum-Durchforstungen bei einfachen Verhältnissen (flach, gut erreichbar) und rationeller Durchführung mit rund fünf Stunden/ha durchführbar.

Bezeichnung

Vorherrschend

Herrschend

Mitherrschend

Beherrscht

Unterdrückt

Eigenschaft

Vorherrschend - Herrschend - Mitherrschend - Beherrscht - Unterdrückt

Zuwachs

Hoch

Gering

Stabilität

Sehr gut

Schlecht

Reaktion auf Eingriffe

Gut

Schlecht oder keine

Risiko

Gering

Hoch

Pflegeaufwand

Gering

Hoch

Abb. 3: Die Bedeutung der sozialen Stellung bei der Auslese von Z-Bäumen und ihre Auswirkung. (© CODOC 2020)

Eingriffe die Entwicklung von Stammzahlen, Durchmesser, Stabilität und Qualität verläuft. Es zeigte sich, dass dank Selbstdifferenzierung die Stammzahlen von selber abnehmen und jeder Jungbestand stabile Bäume enthält. Bezüglich Qualität waren zwar weniger Kandidaten (= mögliche Z-Bäume) vorhanden als in gepflegten Beständen, aber immer noch genügend (für Endabstand). Die Erziehung (Astreinigung beim Laubholz) verläuft dank der hohen Dichte sogar schneller als in durchforsteten Beständen. Überraschend war die Erkenntnis, dass ohne Pflege im gleichen Alter z. T. dickere Bäume vorhanden sind. Ursache dafür ist die bereits erwähnte «Zurücksetzung» des Durchmessers durch Eingriffe. Daraus ergaben sich neue Ausleseprioritäten: Vitalität vor Qualität vor Abstand (vgl. Abb. 3). Die heutige Jungwaldpflege erfolgt situativ und baumartenspezifisch. Dies betrifft die maximale Anzahl Z-Bäume, die Stärke und den Zeitpunkt des Eingriffs. Innerhalb eines Bestandes werden vor-

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Anderer Fokus im Gebirgswald Bezeichnend ist, dass Fehlentwicklungen vor allem dort auftraten, wo man besonders intensiv pflegte bzw. möglichst viel (Qualität, Wertleistung) aus den Beständen herausholen wollte. Im Gebirgswald wurde tendenziell weniger früh und weniger intensiv eingegriffen. Aufgrund der Zielsetzung (oft Schutzwald) lag der Fokus mehr auf Vitalität und Stabilität als auf Qualität, wodurch man näher an den natürlichen Abläufen war (vgl. Abb. 1a). In der subalpinen Höhenstufe oder auf Blockschutt bewirkt der Standort an sich bereits eine dauernd gute natürliche Strukturierung. In Schutzwäldern dient die Zahl von maximal 50 Z-Bäumen/ha als Richtwert (egal für welche Baum­ art). Mit dieser Anzahl verbleibt auch im Baumholz noch etwas Füllbestand mit hohen Stammzahlen und geringeren Durchmessern (Struktur!) – während ein Hallenwald mit 100 dicken Buchen/ha für einen Wirtschaftswald optimal ist, hingegen als Steinschlagschutzwald kaum mehr wirksam ist. Eine Extrem-Variante der Pflege ist die Rottenpflege. Die Rationalisierung besteht hier darin, in einem einzigen, extremen Eingriff den Bestand so stark zu strukturieren, dass danach keine weiteren Eingriffe mehr nötig sind (falls die Gassen genügend breit angelegt werden!). Eine interessante Variante ist auch die Kammerung, welche ohne oder mit


Je nach Baumart wird früher oder später mit Z-BaumDurchforstung begonnen: - Für Lichtbaumarten früher - Für Schattenbaum- Eingriff im Alter von 5, 10, 15 und arten später 20 Jahren für Ei und Lä. - Kombination Ei Lä Fi Ta innerhalb eines Rückegasse Bestandes

Eingriff im Alter von 25 Jahren für alle Baumarten. Für Ei und Lä ist es der fünfte Eingriff, für Fi und Ta der erste Eingriff.

Abb. 4: Beispiel für zeitlich variierte Z-Baum-Auslese aus der Checkkarte «Waldbau und Ökologie».

Z-Baum-Eingriffen innerhalb der Kammern erfolgen kann (z. B. für Mischbaumarten, Laubbäume). Anpassungen wegen dem Klimawandel Es gelten weiterhin die gleichen Grundsätze, wobei die Auslese der Vitalsten durch Selbstdifferenzierung und danach durch die Z-Baum-Auslese noch wichtiger ist. Anstelle von Fichte, Tanne, Lärche und Buche (in tieferen Lagen und auf trockenen Standorten zunehmend Risiko-Baumarten) werden neu auch bisherige Nebenbaumarten als Z-Bäume gewählt, wie z. B. Spitzahorn, Feldahorn, Winterlinde, Sommerlinde, Hagebuche, Elsbeere, Birke, Aspe, Vogelbeere oder Salweide (Zukunftsbaumarten). Mit kürzeren Schaftlängen (z. B. Eiche mit 5 m Wertholzstamm anstatt 10 m) sind grössere Kronen (Vitalität) und kürzere Produktionszeiten (weniger Risiken, raschere Anpassung) möglich. Allen Entwicklungen in der Jungwaldpflege gemeinsam war, dass es Jahre bis Jahrzehnte gedauert hat, bis sie wirklich in der Praxis angekommen sind. Dies war auch mit der Z-Baum-Durchforstung und biologischen Rationalisierung nicht anders. Motiviert durch Subventionen und veraltete Methoden wurden z. B. noch sehr lange Pionierbaumarten und Laubhölzer mehr oder weniger systematisch

(© CODOC 2020)

entfernt – gerade in Gebirgswäldern ist dies für die Struktur, Stabilität und Anpassungsfähigkeit des Ökosystems Wald kontraproduktiv. Seit 2020 ist auch die Forstwart-Ausbildung auf dem aktuellen Stand (vgl. Abb. 2 bis 4 aus der Codoc-Checkkarte «Waldbau und Ökologie»). Höchste Zeit – denn in der Jungwaldpflege treffen Forstwarte (und bereits Lehrlinge) in Eigenverantwortung für die Zukunft der Wälder wichtige Entscheidungen. Peter Ammann ist Co-Leiter der Fachstelle Waldbau, Jungwaldpflege-Unternehmer und Inhaber eines Forstingen­ ieurbüros.

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Jungwaldpflege in der Grundausbildung «Forstwartinnen und Forstwarte sind sich der Notwendigkeit der Jungwaldpflege bewusst. Sie erledigen sämtliche Pflege­ arbeiten im Jungwald sicher, schonend und speditiv.» So lautet das vordefinierte Ziel gemäss Bildungsplan für Lernende. Flurin Guidon

Waldpflege als Handlungskompetenz Während der Lehrzeit müssen angehende Forstwartinnen und Forstwarte verschiedene überbetriebliche Kurse (ÜK’s) besuchen. Über die gesamte Lehrzeit sind dies 52 ÜK-Tage. An sieben dieser ÜK-Tage befassen sich die Lernenden intensiv mit dem «Verjüngen und Pflegen von Wald und Sonderwaldstandorten» oder auch ÜK-D genannt. Die genannte Handlungskompetenz ist sehr vielseitig und beinhaltet verschiedene Leistungsziele. Vom Erkennen spezieller Lebensräume und Kleinstrukturen über das Pflegen von Jungbeständen gemäss Arbeitsauftrag bis hin zum Bestimmen und Unterscheiden der 40 wichtigsten regional vorkommenden Baumarten ist alles dabei.

beizubringen. Die Lehrbetriebe leisten einen enormen Aufwand, um den Lernenden möglichst viele Einblicke in die verschiedenen Methoden der Jungwaldpflege zu geben. Ist dies im eigenen Betrieb nicht möglich, wird häufig mit einem Nachbar- oder sogar Austauschbetrieb im Unterland zusammengearbeitet. Dass die Jungwaldpflege meist nicht zum Steckenpferd eines 16-jährigen Lernenden gehört, ist sicherlich kein Geheimnis. In diesem Alter ist es normal, dass man am liebsten möglichst grosse Fichten, Lärchen oder Buchen fällen möchte, welche mit lautem Krachen zu Boden fallen. Doch nur wer den Wald pflegt, wird in Zukunft weiterhin mit viel Freude schöne grosse Bäume ernten können.

Waldpflege an den drei Lernorten Die zu pflegenden Wälder in Graubünden sind enorm unterschiedlich, was mit kaum einem anderen Kanton der Schweiz zu vergleichen ist. So finden wir einerseits im Churer Rheintal verschiedene Laubmischwälder mit einer sehr hohen Artenvielfalt und andererseits im Engadin Lärchen-Arvenwälder mit nur zwei bis drei verschiedenen Baumarten. Nun ist es die Kunst der drei Lernorte (Gewerbeschulen, Ausbildungsbetrieb, ÜK-Organisation), den verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden. Die Gewerbeschulen vermitteln die theoretischen Kenntnisse der modernen Jungwaldpflege. Alle Pflegemethoden werden den Lernenden vermittelt, sodass diese mit einem guten Vorwissen in den Jungwaldpflegekurs einrücken können. Im eigenen Lehrbetrieb bemüht sich der Berufsbildner den Lernenden die regional üblichen Pflegemethoden, welche zu den vorhandenen Beständen passen,

Chance ÜK-D Anfang des zweiten Semesters der Lehre werden die Lernenden zum Jungwaldpflegekurs aufgeboten. Aufbauend auf dem theoretischen Wissen aus der

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Ausführung der Arbeit unter Aufsicht des Instruktors.

(Bilder: Flurin Guidon)


Gewerbeschule und den praktischen Erfahrungen des Lehrbetriebs, ist es nun die Aufgabe der Instruktoren, den Lernenden die Waldpflege näherzubringen. Die Lernenden kommen mit sehr unterschiedlichem Wissen und Können in die Kurse. Der/die eine Lernende konnte im Lehrbetrieb bereits einige Wochen Waldpflegeerfahrung sammeln und kann alle Baum- und Straucharten voneinander unterscheiden. Der/die andere Lernende war im Lehrbetrieb mit der Holzernte beschäftigt, verfügt über eine sensationelle Sägeführung, kennt aber leider nur drei Baumarten und hat noch nie etwas von einem Pflegeauftrag gehört. Was hier sehr übertrieben klingt, entspricht zum Teil der Realität. Die Ziele des Jungwaldpflegekurses sind klar definiert. Nach einer Kurswoche kennen die Lernenden die Massnahmen zur Qualitäts- und Stabilitätsförderung, sie haben Baum- und Strauchartenkenntnis verbessert und wissen, wie man die unterschiedlichen Baumarten behandeln muss. Mittlerweile kennen wir in der Grundausbildung sechs verschiedene Pflegemethoden: – Positive Auslese – Negative Auslese – Biologische Rationalisierung – Z-Baum-Methode – Rottenpflege – Kammerung Da es wahrscheinlich allen klar ist, dass man innert einer Woche nicht alle sechs Pflegemethoden vermitteln kann, beschränkt man sich im Kurs auf die wesentlichste Methode der positiven Auslese und der Z-Baum-Methode (Z steht für Baum mit hohem Potenzial für die Zukunft). Beherrschen die Lernenden diese beiden Methoden, können sie sich im Bereich der Jungwaldpflege einfach und gut weiterentwickeln. In den meisten Kursen hat man die Möglichkeit, mit den Lernenden noch eine weitere Methode wie zum Beispiel eine Kammerung oder eine Rottenpflege auszuführen. Diejenigen Pflegemethoden, welche nicht praktisch geübt werden können, werden theoretisch vermittelt.

Der Z-Baum ist markiert und freigestellt.

Arbeiten am Kursort Für den Lernerfolg in einem Pflegekurs sind passende Objekte sehr wichtig. Während eines Kurses wird eine Fläche zwischen acht und zehn Hektaren Jungwaldpflege bearbeitet. Dies ist stark von der Pflegemethode und der Eingriffsstärke abhängig. Jegliche Flächen werden vor dem Kurs mit dem zuständigen Förster besichtigt, und die Massnahmen sowie der Pflegeauftrag werden definiert. Die ausgeführte Arbeit muss den Vorstellungen und Vorgaben des Försters entsprechen. Natürlich können die Objekte, an denen die Lernenden in die Jungwaldpflege eingeführt werden, sehr unterschiedlich sein. Leider ist es logistisch nicht möglich, jeder und jedem Lernenden individuell die optimalen Flächen zur Verfügung zu stellen. Trotzdem können die Kursziele jeweils gut erfüllt werden. Wenn man am Ende einer Kurswoche die Lernenden verabschiedet, für sich den Kurs gedanklich rekapituliert, die Fortschritte der Lernenden sieht und miterleben durfte, erfüllt einen dies mit viel Freude. Flurin Guidon ist beim AWN GR als «Förster Schulung» für die schulische Ausbildung der Forstwart-Lernenden zuständig. Er leitet diverse Kurse, unter anderem beim ÜK-D. Zudem amtet er als Chefexperte bei den Lehrabschlussprüfungen der Forstwartinnen und Forstwarte ­in Graubünden und im Fürstentum Liechtenstein.

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Waldpflege aus Sicht eines Lernenden Buche, Nussbaum oder Eiche? Bäume sind wichtig fürs Klima und die Umwelt, heisst es. Aber welche Bäume sollen es am Ende denn sein? Auch wenn man es manchmal vergisst, beim Pflegen geben wir dem Wald der Zukunft seine Form. Für viele im Forst gehört die Jungwaldpflege nicht zu den liebsten Arbeiten. So wie wir Lehrlinge unsere Ausbildung wahrnehmen, ist das Pflegen bloss der kleine Bruder des Holzens. Sebastian Müntener

Bei uns sieht das Pflegeziel meistens ungefähr so aus: Buche und Fichte sollen etwas Platz machen für Nussbaum, Kirsche, Eiche und Ahorn. Der Forstbetrieb Madrisa bewirtschaftet über 7000 ha Wald in den Gemeinden Fideris, Luzein, Küblis, Conters und Klosters. In den Höhenlagen sind es vor allem Fichten und weiter unten Laubmischwälder, die den Bestand ausmachen. Von der Technik her ist die Pflege sicher etwas weniger komplex als die Holzernte. Standard-Methode ist der Schrägschnitt. Dabei wird auf angenehmer Arbeitshöhe in einem Winkel von ca. 45° der Stamm durchgeschnitten und rutscht dann (im besten Fall) der Schnittfläche entlang zu Boden. Die Krone sollte an einem Nachbarn anstehen, damit der Vorgang wiederholt werden kann, bis alles zerkleinert ist. Da es sich nicht lohnt, so schmale Stämme aus dem Wald zu führen, wird das Holz liegengelassen. Zudem ist der Waldboden dankbar für die Nährstoffe, die er zurückbekommt. Ganz ohne Risiko ist das Pflegen trotzdem nicht. Ein Schrägschnitt ist nie so präzise wie eine Fallkerbe. Es besteht immer die Gefahr, die Säge in der Schnittschutzhose zu versenken oder den angespitzten Stamm auf den Fuss zu bekommen. Abgehauen werden übrigens nur die Konkurrenten der Auswahlbäume. Dazwischen wird zwingend ein Nebenbestand erhalten. Dieser wirft Schatten auf den Hauptbestand und hilft diesem, schönes, astfreies Stammholz zu entwickeln. Schneidet man zu viel ab, was schnell passieren kann, hat man

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dem gesamten Wald mehr geschadet als geholfen. Das Pflegeziel muss auf die vorgefundene Situation angepasst werden, was Spielraum für Interpretationen zulässt. Die erfahreneren Forstwarte machen das nach Gefühl. Dabei gibt es auch regional bedingte Unterschiede. Unser St. Galler Mitarbeiter beispielsweise pflegt zurückhaltender als die Bündner. Ein Konflikt zwischen den Generationen ist auch immer die Frage nach dem Zersägen. Für die Alten ist klar, man muss rigoros zerkleinern, was herumliegt. So verrottet das Holz schneller, die Fläche ist besser begehbar und es sieht allgemein ordentlicher aus. Die Jungen wollen optimieren und Aufwand einsparen. Der Astteppich biete Lebensraum für Tiere, schatte den Boden gegen Unkraut ab und halte das Wild fern, lauten andere Argumente. Für einen Lehrling ist es auch noch zu früh, sich schon eine feste Meinung zu bilden. Interessant sind solche Diskussionen aber schon, denn keine Pflegefläche ist gleich wie die andere, und Schema F gibt es hier nicht. Trotzdem braucht es doch System und Logik, damit die Eingriffe dokumentierbar sind. Unter diesem Aspekt finde ich es gut, dass wir in den Überbetrieblichen Kursen (ÜK’s) genormt werden und das auch am Qualifikationsverfahren geprüft wird. In der Berufsschule begannen wir im zweiten Semester mit dem Thema Waldbau. Biologisches Grundwissen wurde aufgefrischt und das Ökosystem Wald genauer unter die Lupe genommen. Der Schwerpunkt lag auf der Pflanzenkenntnis. Jeden


Donnerstagnachmittag erwartete uns André Walder mit einem Bündel von rund 30 Zweigen in der Gewerblichen Berufsschule Chur. Zudem gab es im April 2022 gleich zwei Überbetriebliche Kurse. Im Ökologiekurs machten wir eine Exkursion in den Taminser Eichenwald und pflegten danach eine Hecke in Maienfeld. Für jemanden wie mich, der immer gerne Naturdokus geschaut hat, war das spannend. Damals habe ich eher aus allgemeiner Neugier zugehört. Es dauerte seine Zeit, bis ich bei der Arbeit im Wald jene ökologischen Strukturen erkannte, von denen Jürg Hassler gesprochen hatte. Der Ökologiekurs war aber nur die Vorbereitung auf den eigentlichen Pflegekurs. Dazu waren wir eine Woche in der Försterschule Maienfeld einquartiert. Nach einem Tag im Wald kamen wir zu Flurin Guidon ins Klassenzimmer für die Theorie des nächsten Tages. Ich glaube, es wurde versucht, etwas aussergewöhnlichere Pflegeflächen zu finden. In Erinnerung geblieben ist mir der Fürstenwald von Trimmis, wo wir Vogelbeeren als Auswahlbäume vorgegeben hatten. Dort zeigte man uns auch die regionale Art des Ringelns, die sich der Förster wünschte. Das Ringeln ist eine spezielle Technik zum Austrocknen stehender Bäume und wird bei grösseren Laubbäumen angewendet. Durch gezieltes Entfernen der Kambiums-Schicht wird der Baum in seinem Wachstum gestoppt. Würde man ihn fällen, ginge zu viel kaputt. Ausserdem kann er bis zu seinem endgültigen Ende noch etwas Schatten spenden und bietet danach Wohnraum für unterschiedlichste Arten. Anfangs war ich der Trimmiser Methode gegenüber skeptisch, aber dann fand jemand eine abgestorbene Buche, die auf diese Weise behandelt worden war. Heute wende ich diese Technik selbst gerne an im Betrieb. Das macht zwar die Arbeit schon mal interessanter, aber es war ein ganz bestimmtes Erlebnis, das mich zum Umdenken gebracht hat. In den Holzerkursen lernt man ja immer, den Arbeitsplatz sauber und ordentlich zu halten. Eine Zeit lang habe ich im Umkreis von zwei Metern alles abgeschnit-

Fichtenpflege in St. Antönien.

(Bild: Linus Lippuner)

ten, was einem beim Fällen in den Weg kommen könnte. Ich habe das nie gross hinterfragt. Wen kümmert ein einzelnes Tännlein im Holzschlag? Einmal war ich jedoch bei uns im Revier mit einem selbstständigen Forstunternehmer in einem Holzschlag. Während ich meine Säge tankte, bat ich ihn, das Tännlein neben dem Baum abzuschneiden, falls er Zeit habe. Er war sicher kein Mann, den man als einen Öko beschreiben würde, aber er schüttelte sehr bestimmt den Kopf. Der alte Prättigauer sah den Wald, wo ich nur einen einzelnen Baum sah.

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Wenn dieser Fichtenbusch zehn Jahre alt war, würde es zehn Jahre dauern, bis an dieser Stelle wieder ein kniehohes Bäumchen gewachsen wäre. Wahrscheinlich hätte ich damals die einzige Fichte in der Nähe weggenommen, die gegen die aufkommenden Brombeeren gewappnet gewesen wäre. Das war jetzt ein Beispiel aus dem Holzschlag, aber es hat auch meine Einstellung zum Pflegen verändert. Natürlich haben wir uns alle nicht für die Forstwartlehre entschieden, weil wir gerne mit kleinen Pflänzchen arbeiten. Die anfängliche Anziehung dieses Berufes liegt in der Holzernte, nicht im Waldbau. Und erst recht «Naturnaher Waldbau», das hat etwas von einer Öko-Disziplin. Die besten Waldpfleger, die ich bis jetzt kennengelernt habe, sind allerdings keine Naturschützer. Es sind gewöhnliche Forstwarte mit Berufsstolz. Ich glaube sowieso, die ganze Umweltdebatte wird falsch angegangen. Egal ob in der Schule, im Internet oder sogar auf den Bildschirmen neben der Zapfsäule: Wir werden bombardiert mit Bildern des Klimawandels: Eingeäscherte Regenwälder, schwimmende Inseln aus Abfall und halb verhungerte Polarbären. Ich frage mich auch, wen die Klimaaktivisten noch auf etwas aufmerksam machen wollen? Das Thema ist doch schon mehr als allgegenwärtig. Die Gefahr ist viel grösser, dass wir dadurch unsensibel werden. Mit einer solchen Perspektive muss es jungen Menschen ja irgendwann ablöschen. Warum sollte ich den Singvögeln zuliebe diesen nervtötenden Weissdorn stehen lassen, wenn sowieso die ganze Erde den Bach hinuntergeht? Dabei stehen ja genau wir im Kampf gegen den Klimawandel an vorderster Front. Unsere Bergfichten produzieren ebenso Sauerstoff wie die Bäume im Amazonasdelta. Der Neuntöter, der so gerne in Dornensträuchern haust, ist ebenso Teil der Nahrungskette wie der Eisbär. Man muss sich auch kein Bein ausreissen. Es gibt einige Massnahmen, die mir persönlich jetzt übertrieben scheinen. Irgendwo müssen wir der Natur doch noch zutrau-

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en, eigene Lösungen zu finden. Indem man mit der richtigen Einstellung durch eine Pflegefläche geht, ist schon viel getan. Wir begleiten die Bäume vom Leben in den Tod und darüber hinaus. Selbstverständlich nicht den gleichen Baum. Jene, die wir pflanzen, überleben uns hoffentlich um Jahrhunderte. Das Nutzholz von heute wiederum fiel als Samen herab, als Napoleon gerade nach Russland marschierte. Darin liegt für mich die grösste Faszination am Wald. Unsere Eingriffe in einem Bestand werden 2123 bemerkbar sein. Aber gilt das auch in die andere Richtung? Meine Recherchen haben ergeben, dass die ersten Pflegeeingriffe (wie wir es heute verstehen) in Graubünden um das Jahr 1970 gemacht wurden. Das war vor 53 Jahren. Dazu holte man Leute aus dem Mittelland, die darin bereits erfahren sind. Unter anderem aus dem Aargau meinen damals 20-jährigen Grossonkel, der mir einiges über jene Zeit erzählt hat. In jeder anderen Branche ist klar, dass man seinem Lieferanten etwas schuldet für die Rohstoffe, die man bekommt. Ansonsten hat man ziemlich schnell ein belastetes Verhältnis zueinander. Es ist ein Geben und Nehmen. In unserem Fall ist der Wald selbst der Lieferant, und beim Pflegen können wir ihm etwas zurückgeben, von dem wir langfristig selber profitieren. So sehe ich das jedenfalls. Sebastian Müntener (24) ist Forstwart-Lernender im 2. Lehrjahr bei Forst Madrisa in Klosters. Vorher hat er an der Universität Basel Geschichte studiert.


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Waldpflege aus der Sicht eines Forstunternehmers Die Firma Kunfermann Forst AG mit Sitz in Scheid im Domleschg hat sich in den letzten zehn Jahren auf die Holzernte im Gebirge spezialisiert. Dabei kommen vor allem mobile Seilkrananlagen zum Einsatz. Doch neben der Holzernte und dem Holzhandel ist die Kunfermann Forst AG auch in allen anderen Arbeiten, die in der Waldpflege anfallen, tätig. Die Firma beschäftigt zurzeit rund 14 Angestellte und 2 Lernende. Mauro Gartmann

Der Unterhalt des Schutzwaldes ist aufwendig, und seine Pflege ist anspruchsvoll. Es benötigt gut ausgebildetes und geschultes Personal. Viele Forstreviere sind auf die Unterstützung

von privaten Unternehmern angewiesen, sei es in der Holzernte oder bei kleineren forstlichen Arbeiten. Ein Grund kann sein, dass sie keine eigenen Forstgruppen führen oder zu wenig Personal ha-

Durch die gefällten Föhren wird ein Trockenstandort freigestellt.

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(Bilder: Mauro Gartmann)


ben, um alle Arbeiten intern erledigen zu können. Geht es um die Jungwaldpflege, kommen die zuständigen Förster auf den Forstunternehmer zu. Dies geschieht auf verschiedene Arten: Einerseits haben Forstreviere Leistungsvereinbarungen mit Forstunternehmern. Das heisst, die während des Jahres anfallenden Arbeiten werden vom jeweiligen Forstunternehmen erledigt. Andererseits melden sich Forstreviere bei Unternehmern kurzfristig, wenn sie ungeplante Arbeiten haben, für die sie mehr Personal benötigen. Diese Arbeiten werden meist in Regie vergeben, da es für den Unternehmer schwierig ist, den genauen Arbeitsaufwand abzuschätzen. So etwa auch im Forstrevier Ausserdomleschg, welches keine eigene Forstgruppe beschäftigt. Der Revierförster ist auf Hilfe von privaten Unternehmern angewiesen, was zu einer Zusammenarbeit mit der Kunfermann Forst AG führt. Im Rahmen einer Leistungsvereinbarung zwischen der Firma Kunfermann Forst AG und der Gemeinde Domleschg werden jährlich die Regietarife neu angesetzt. Eine Situation von beidseitigem Nutzen. Der Unternehmer erhält sichere Arbeit, welche er in auftragsarmen Zeiten erledigen kann. Die Gemeinde im Gegenzug erhält einen lokalen Partner, der selbstständig die Arbeitseinteilung organisiert und sämtliches benötigtes Arbeitsmaterial bereitstellt. Mitarbeiter werden vom Unternehmer langfristig eingesetzt, diese kennen sich also in ihrem Einsatzgebiet aus und können so Organisation und Arbeitsplanung vereinfachen. Durch eine langfristige Partnerschaft können somit die Effizienz und Qualität gesteigert werden. Quartalsweise besprechen Förster und Unternehmer die anfallenden Arbeiten. Dem Unternehmer stehen Arbeitseinteilung und personelle Einteilung frei. Meist wird jedoch gewünscht, dass ein Mitarbeiter die Leitung übernimmt und immer als Ansprechpartner vor Ort ist. In der Regel erhält der Unternehmer vom Förster einen Lageplan mit den Standorten der Arbeitsplätze und einem kurzen

Ein Forstwart der Kunfermann Forst AG beim Pflegen und Entbuschen im Einsatz.

Beschrieb der Arbeitsanweisungen, wie zum Beispiel dem Pflegeziel. Die zuständigen Mitarbeiter erledigen dann die Arbeiten nach eigenem Ermessen. Allerdings lässt der Förster nicht uneingeschränkt freie Hand, er kontrolliert sporadisch den Arbeitsfortschritt. Bei Unklarheiten wird kurz telefonisch mit dem zuständigen Förster Rücksprache gehalten. Konkretes Beispiel: Entbuschung und Pflege Scheidnerhalde In der Scheidnerhalde soll eine Fläche entbuscht und gepflegt werden, um die Trockenstandorte zu erhalten und somit die Artenvielfalt zu erhöhen. Zudem sollten im eher lockeren Bestand Föhren zugunsten der Eichen entnommen werden. Der Förster trifft sich mit einem Vorarbeiter und einem Forstwart direkt im Wald, um in der geplanten Fläche die Bäume zu zeichnen, die entfernt werden müssen. Im Bestand gibt der Förster direkt Anweisungen, wie die Arbeit zu erledigen ist. Da in den offenen Flächen schützenswerte Orchideen wachsen, muss mit Fällen auf diese Rücksicht genommen werden. Das anfallende Ast- und Stammma-

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Nachher: Freigestellte Eichen erhalten mehr Platz und Licht.

terial soll auf Haufen geräumt werden, damit die Grünflächen frei bleiben. Nach dem Anzeichnen überlässt der Förster dem Unternehmer die Arbeit. Es liegt in der Kompetenz der Arbeiter, weitere instabile Bäume zu fällen, welche beim Anzeichnen übersehen wurden. Am Abend wird jeweils mit dem Förster Rücksprache gehalten, und er wird über den Fortschritt der Arbeit in Kenntnis gesetzt. Kurz vor Abschluss der Arbeit macht der Förster einen Kontrollgang, um allenfalls noch Bäume nachzuzeichnen. Ist die Arbeit erledigt, kann der Förster mithilfe eines Abnahme-Protokolls die Arbeit bewerten und Verbesserungsvorschläge anbringen. Auch von Unternehmerseite ist ein ständiger Austausch mit dem

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Vorher: Eichen und Föhren wachsen dicht nebeneinander.


Eine eingewachsene Grünfläche wird aufgelockert, um mehr Licht an den Boden zu bringen.

Auftraggeber wichtig, um sich stetig verbessern zu können. Der Auftraggeber muss dem Unternehmer einiges an Vertrauen entgegenbringen, der Unternehmer seinerseits ist verpflichtet, gut ausgebildetes und selbstständiges Personal einzusetzen. Die Jungwaldpflege ist für den Forstunternehmer eine interessante und abwechslungsreiche Arbeit, welche schnell und ohne grosse Planung erledigt werden kann und nicht zu stark vom Wetter abhängig ist. Auch für die Mitarbeitenden bietet die Waldpflege eine willkommene Abwechslung zum Holzhauerei-Alltag. Zudem hat es bei dieser Arbeit der Sägen-Führer noch in der Hand, wie der Wald in Zukunft aussehen soll.

Mauro Gartmann ist Forstwart und Mitglied der Geschäftsleitung der Kunfermann Forst AG in Scheid. Ausserdem amtet er als Aktuar für Graubünden Wald.

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In Klagenfurt hat der Schutzwald seinen grossen Auftritt Im März wurde der Helvetia Schutzwaldpreis in Kärnten verliehen. Graubünden Wald reichte mit dem Forstgarten Rodels ein Erfolgsprojekt ein. Für Graubünden Wald, Johannes Jakob

Seit 2006 wird der Schutzwaldpreis verliehen und würdigt damit Menschen und Projekte, die sich für den Schutzwald einsetzen und seine Bedeutung der Öffentlichkeit zugänglich machen. Teilnehmen können Personen, Schulen, Institutionen, Vereine, Betriebe und Gemeinden aus allen Alpenländern. Die eingereichten Projekte sollen einen direkten Bezug zum Bergwald und dessen Wirkungen haben. In insgesamt sechs Kategorien wählt die Jury aus den eingereichten Projekten die besten aus und bestimmt ein Siegerprojekt. Gastgeber der Preisverleihung ist jeweils ein Mitgliedsverein der ARGE Alpenländische Forstvereine (Bayern, St. Gallen, Liechtenstein, Vorarlberg, Tirol, Südtirol und Graubünden). Eine kleine Delegation von Graubünden Wald fuhr dieses Jahr nach Klagenfurt im österreichischen Bundesland Kärnten. Es war eine lange Anreise zur Helvetia Schutzwaldpreisverleihung, die am 17. März in feierlichem Rahmen im Konzerthaus stattfand. Graubünden Wald schickte den Bündner Forstgarten in Rodels in der Kategorie Erfolgsprojekte ins Rennen. Seit 66 Jahren werden junge Bäume gezüchtet und Samen vorbereitet, die anschliessend

Bewertet wurden spannende Projekte aus sechs Kategorien.

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(Bild: Johannes Jakob)

im Bündner Wald gepflanzt oder gesät werden. Ausserdem dient der Pflanzgarten als Saatguttresor. Die Samen werden in der einzigen Samenklenge der Schweiz vorbereitet. Leider bevorzugte die Jury andere Projekte. In der Kategorie Erfolgsprojekte gewann der Ludescher Frassenwald in Vorarlberg. In den 1980er-Jahren wurde der Wald durch Wind und Käfer stark aufgelichtet. Die Gemeinde Ludesch übernahm mutig die Bewirtschaftung des Waldes und band die Bevölkerung in die Waldbewirtschaftung mit ein. Die Auszeichnung in der Kategorie Öffentlichkeitsarbeit – Schutzwaldpartnerschaften – Innovation ging an die Südtiroler Feuerwehrjugend. Im vergangenen Jahr pflanzten 1000 Kinder und Jugendliche insgesamt 50 000 Bäume im Südtiroler Wald, der durch den Sturm Vaia stark in Mitleidenschaft gezogen worden war. Ein Preis ging zumindest in die Schweiz, wenn auch nicht nach Graubünden. Der Kanton St. Gallen konnte in der Kategorie Medienpreis gewinnen. Die Journalistin Barbara Schirmer schrieb über die Waldfunktionen und die Bedeutung der Schutzwirkung in einer Beitragsserie in der «Linthzeitung». Nächstes Jahr wird die Anreise zur Schutzwaldpreisverleihung weniger lang sein. Sie findet am 22. März 2024 in Schaan FL statt. Gesucht werden Projekte aus Graubünden. Warum mitmachen? Graubünden unternimmt viel für den Schutzwald. Durch den renommierten Schutzwaldpreis erhält der Forst Anerkennung und die Medien informieren gleichzeitig die Bevölkerung über seine wichtige Arbeit. Der Vorstand von Graubünden Wald freut sich sehr über Projekte aus Graubünden. Kontakt bitte per E-Mail an: vorstand@graubuendenwald.ch.


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Rottenpflege Tobelwald – das St. Galler Projekt für die Schutzwald-Preisverleihung 2023 Ein Projekt für mehr als einen Förster: Vor rund 60 Jahren im Jahr 1966, entstand durch Holzschlag, Windwurf und Käferschaden eine grosse Verjüngungsfläche von mehreren Hektaren. Es wurden mit viel Aufwand Fichten gepflanzt. Die ersten Pflegeeingriffe wurden 1986 nötig, man entschied sich für einen Rottenpflege-Eingriff. Roger Bolliger und Jakob Jäger

Der Tobelwald liegt auf ca. 1400 m. ü. M. und auf Gebiet der Ortsgemeinde Quarten am Walensee im Kanton St. Gallen. Bewirtschaftet wird die Fläche durch die eigene Forstgruppe unter Anleitung des Revierförsters des Forstreviers Quarten. Die Flächen wurden früher stark beweidet und haben einen hohen Wildbestand. Vor rund 60 Jahren im Jahr 1966, entstand durch Holzschlag, Windwurf und Käferschaden eine grosse Verjüngungsfläche von mehreren Hektaren. Es wurden mit viel Aufwand Fichten gepflanzt. An-

Tobelwald 1987.

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dere Baumarten wurden nicht in Betracht gezogen, obwohl in unmittelbarer Nähe Ahorn, Tanne und sogar Arve vorkamen. Auf eine Naturverjüngung wurde erst gar nicht gewartet. In den ersten Jahren waren die Fichten einem sehr hohen Verbiss durch Gams- und Rehwild ausgesetzt. Auch die Hausziegen der nahegelegenen Alp bevorzugten die zarten Sommertriebe. Zusätzlich trieb der Halimaschpilz sein Unwesen. Und auch der Wintertourismus hinterliess seine Spuren, verursacht durch Variantenskifahrer.

(Bilder: Jakob Jäger und Roger Bolliger)


Tobelwald 1994.

Tobelwald 2002.

Vor Ausführung 2020.

Drohnenaufnahme nach Ausführung 2021.

Trotz allem entwickelte sich die Verjüngung in den folgenden Jahren prächtig. Gegen den Wildverbiss wurden die Abschüsse heraufgesetzt, die Pflanzentriebe wurden chemisch behandelt und mit Schafwolle geschützt. Das Auftreiben der Ziegen wurde auf eine Anzahl beschränkt, und zum Schluss wurden auch die Skiabfahrten kanalisiert. Die ersten Pflegeeingriffe wurden 1986 nötig. Durch Einbezug der Fachlehrer der Försterschule Maienfeld und der Gebirgswaldfachstelle entschied man sich für einen Rottenpflege-Eingriff. Das Ziel war klar gegeben, auf keinen Fall wollte man in 50 Jahren einen gleichförmigen Bestand haben. Die inneren Wald­ ränder wurden festgelegt und die Pflege gestartet. Die angelegten Rotten waren auch im Jahr 2006 noch sehr gut sichtbar. Im Jahr 2020 konnte beob-

achtet werden, dass die Baumkronen sich berühren und ein erneuter Eingriff nötig wurde. Dieser wurde im Jahr 2021 von der Eingriffstärke her so geplant, dass die nächsten Eingriffe schon zur Verjüngungseinleitung geschehen und keine weiteren Eingriffe nötig sein werden. Von Anfang an wurde Wert auf die Ausbildung von Forstpersonal, speziell der Förster, gelegt. Die Zusammenarbeit mit der Försterschule Maienfeld und der Gebirgswaldfachstelle war stets sehr eng und gut. Dies hat sich von 1986 bis heute bewährt und wurde beibehalten, mit grossem Erfolg. Den Artikel hat Roger Bolliger verfasst, Projektförster der Waldregion 3 Sargans. Unterstützt wurde er von alt Revier­förster Jakob Jäger.

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Aufwertung von lichten Wäldern mit Zikaden als Zielarten Die Schaffung lichter Wälder ist eine wichtige Massnahme für die Förderung der Biodiversität im Wald. Nicht immer werden die Eingriffe für die zu schützenden Arten aber optimal ausgeführt. Ein Projekt zur Förderung von Singzikaden in Moesano zeigt auf, wie Zielarten die Aufwertung des Lebensraumes verbessern können. Stephan Durrer

Lichte Wälder sind sehr artenreiche Lebensräume. Viele licht- und wärmeliebende Tier- und Pflanzen­ arten wie Tagfalter, Vögel, Käfer und Blütenpflanzen profitieren vom lichten Kronenschluss. Im Grenz­bereich zwischen Offenland und Hochwald finden sich Arten beider Lebensräume ein. Das macht sie für den Artenschutz extrem wertvoll. Doch auch im Wald sind lichte Strukturen selten geworden. Einst weit verbreitete heliophile Wald-Arten sind in vielen Regionen ausgestorben oder stark dezimiert. Der Forst hat in den letzten Jahrzehnten grosse Anstrengungen zur Schaffung lichter Wälder unternommen. Im Vordergrund stand dabei die Förderung des Lebensraums. Nicht immer aber werden die Ansprüche von spezifischen Arten an den Lebensraum ausreichend berücksichtigt. Diesem Anspruch trägt der «Aktionsplan zur Zielartenförderung im

lichten Wald» des Schweizer Forstvereins und Info­ Species Rechnung. Der konkrete Umgang mit dem Artenschutz im Feld ist aber alles andere als einfach. Welche Zielarten sollen für die Aufwertungsmassnahmen ausgewählt werden? Wie es gehen könnte, zeigt ein Projekt im Moesano: Hier sind die Massnahmen zur Lebensraumaufwertung spezifisch auf die Ansprüche von Singzikaden ausgerichtet.

Singzikade Tettigettalna argentata.

Singzikade Cicadetta sibillae. (Bild: T. Hertach)

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(Bild: T. Hertach)

Wieso ausgerechnet Zikaden? Zikaden kennen wir alle, zumindest akustisch, von Ferien am Mittelmeer. Weniger bekannt ist, dass in der Schweiz vier der fünf grössten Singzikaden-


denarten gezielt aufwerten. Geleitet wird es von der lokalen Stiftung «Fondazione Paessaggio Mont Grand» unter Mitarbeit des Amtes für Wald und Naturgefahren, der Förster, der Gemeinden und eines Landwirtes.

Zivildienstleistende der Stiftung Umwelteinsatz mähen Adlerfarn-Bestände auf verbrachten Lichtungen.

(Bild: O. Morandi)

arten Europas vorkommen. Zehn Arten gibt es in der Schweiz, davon gelten acht als bedroht. Ihren Lebensraum finden sie neben gebüschreichen Trockenwiesen vor allem in lichten Wäldern. Die beiden Arten Cicadetta sibillae und Tettigettalna argentata kommen nur auf der Alpensüdseite und auch hier nur an wenigen isolierten Orten vor. Sie benötigen gut besonnte Waldlichtungen mit wenigen, eher kleineren Bäumen, über denen die Männchen während der Brutzeit ihren Gesang vortragen. Hohe Bäume würden eine weitere Zikadenart begünstigen, die die Fortpflanzung der beiden Zielarten stören würde. Eine Art braucht zudem felsige Bereiche auf den Lichtungen. Weniger anspruchsvoll sind sie hingegen bezüglich der floristischen Zusammensetzung der Waldlichtungen. Lichte Wälder sind im Moesano durch extensive Beweidung der Wälder und die Kultivierung von Kastanien entstanden. Mit der Aufgabe der Nutzung hat sich die Zahl der Lebensräume für die Zikaden drastisch verringert. Im Moesano wurden nur noch einige wenige Populationen in den Gemeinden San Vittore, Castaneda, Roveredo und Grono beobachtet. Ein Aufwertungsprojekt des Amtes für Natur und Umwelt ANU will nun auf fünf Standorten die Lebensräume der beiden Zika-

Zivis im Einsatz Unterstützt werden die Pflegearbeiten unter anderem durch Zivildienstleistende der Stiftung Umwelteinsatz. So auch im Gebiet Ai du Sass in San Vittore. Die sehr steile, felsige Fläche mit einem grossen Bestand Besenheide ist ein idealer Lebensraum für die Zikade Tettigettalna. Die Lichtung wurde in der Vergangenheit als Weide und Kastanienselve genutzt. Heute ist die Selve verwildert und die Lichtung mit Birkenaufwuchs übersät. Ohne Eingriffe droht sie einzuwachsen. Deshalb wurde die Zahl der Kastanienbäume stark reduziert und die Birken geringelt. Das langsame Absterben soll invasive Arten wie den Götterbaum weiterhin konkurrenzieren. Ausdruck der zunehmenden Verbrachung ist auch die starke Ausbreitung des Adlerfarns im Gebiet. Dieses verdrängt die anderen Wiesenarten und schränkt damit den Lebensraum der Zikaden weiter ein. Bei der Adlerfarnbekämpfung kommen die vielen Hände der Zivildienstleistenden zum Einsatz. Alle Farne müssen von Hand ausgerissen werden, bevor sie in späteren Jahren zweimal pro Jahr gemäht werden können. Für Oscar Morandi, der die Pflegearbeiten im Zikadenprojekt Moesano leitet, zeigt das Projekt auf, wie wichtig das Arbeiten mit Zielarten ist. «Die Schaffung lichter Wälder hat in der Schweiz einen Boom erfahren, aber jeder Standort ist wieder anders. Mit Zielarten können wir den lokalen Ansprüchen an den Lebensraum gerecht werden.» Stephan Durrer arbeitet für das Büro oekoskop. Im Auftrag der Stiftung Umwelteinsatz leitet er das Biotop­ pflege-Programm mit Zivildienstleistenden. Das Pro­ gramm unterstützt u. a. Arbeiten im lichten Wald und in Kastanienselven.

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Die neue Redaktorin stellt sich vor Liebe Leserschaft Meine Glarner Wurzeln prägten mich stark, und mein Interesse an den Bergen und der Berglandschaft wuchs von Jahr zu Jahr. So ist es nicht verwunderlich, dass ich nun mit meinem Partner und unserem einjährigen Sohn im Prättigau lebe. Nach der obligatorischen Schulzeit absolvierte ich eine kaufmännische Lehre in einem Verlag und lernte dort unter anderem die Redaktionsarbeiten kennen. Nach der Lehre hielt ich es im Büro jedoch nicht mehr aus und machte beim Bergwaldprojekt ein Praktikum. Dort war ich später lange Zeit als Projektleiterin tätig. Dies war auch ein Mitgrund für meine Berufswahl als Forstingenieurin. Ich absolvierte mein Studium in Bern und verbrachte abschliessend noch ein Jahr in Deutschland. Danach war ich in der forstlichen Ausbildung bei Codoc tätig, und später durfte ich beim AWN in Ilanz weitere Erfahrungen sammeln. Doch das Pendeln vom Prättigau nach Ilanz beanspruchte viel Zeit. So entschied ich mich, mein Interesse der Botanik und Gewässerökologie zu widmen und kam so auf das Pilotprojekt für Quell-Lebensräume im Raum Prättigau/Davos. Und nun darf ich in die Fussstapfen von Jörg Clavadetscher beim «Bündner Wald» treten. Ich freue mich sehr auf die spannenden Herausforderungen

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bei den Redaktionsarbeiten und hoffe auf eine gute Zusammenarbeit und interessante Begegnungen. Laura Brunner


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Herausgegeben von Graubünden Wald und der SELVA. Verlag: © Somedia Production AG, CH-7007 Chur Sekretariat: SELVA, Bahnhofplatz 1, CH-7302 Landquart, ­Telefon + 41 (0) 81 300 22 44, buendnerwald @ selva-gr.ch Redaktoren: Redaktion: Susi Schildknecht, susi.schildknecht@bluewin.ch, Laura Brunner, laurabrunner@bluewin.ch. Die Redaktion behält sich vor, Beiträge in nicht verlangter ­Form ohne Rückfrage zu ändern. H ­ erstellung: Viaduct AG, 7000 Chur. Erscheint sechsmal jährlich. Auflage: 1400 Exemplare Inserate: Somedia Promotion AG, Telefon + 41 (0) 81 650 00 70, thusis@somedia.ch Abonnementspreise: CHF 60.– (inkl. MwSt. für Mitglieder Verein Graubünden Wald) Abonnemente/Adressände­rungen: Telefon 0844 226 226, abo @ somedia.ch, www.buendnerwald.ch Für Inseratetexte übernimmt die Redaktion keine Verantwortung, auch muss die Meinung der Beiträge nicht mit der Ansicht der Redaktion übereinstimmen. Schreibende, die zu oben stehenden Themen publizieren möchten, sind herzlich eingeladen, ihre Vorschläge der Redaktion einzureichen.

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Warum wir auf Schweizer Holz setzen

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Holz ist der Werkstoff für eine nachhaltige Zukunft schlechthin. Es ist ein fantastischer CO2 -Speicher und zudem wächst in der Schweiz jährlich mehr Holz nach, als geerntet wird. SWISS KRONO Produkte bestehen zu fast 100 % aus Schweizer Holz – natürlich aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Damit halten wir die Transportwege kurz, erreichen ausgezeichnete Ökobilanzen und bringen Ihnen ein Stück Schweizer Wald nach Hause. swisskrono.com/ch


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