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buch.macher v or .or vor or.or .ortt band 24 Sturmmotive müssen es sein; Weststrand und Sonne – das ist lediglich Urlaubsidylle. Theodor Schultze-Jasmer 1971 Man muss selber durch die windzerwühlten Dünen geschritten sein, selber das flache Land nach allen Richtungen durchstreift haben, um seine Liebe zu diesem Lande verstehen zu können. Man muss selber auf dieser Halbinsel einen sonnighereinbrechenden Tag erlebt haben, selber im spukhaften Mondenschein durch Nebelschleier geschritten sein, um zu verstehen, was dieses Land für den Künstler Theodor Schultze-Jasmer darstellt. Um die Eigenart seiner Kunst recht würdigen zu können, muss man sich selber an der windzerwühlten Küste des Fischlandes den Wind um den Kopf haben wehen lassen, wo der Sturm jeden Baum und Strauch zu gespensterhaften Gestalten peitscht und die Gegend zu einem romantischen Flecken Erde gemacht hat. Hermann Ulbrich-Hannibal 1929

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Uwe Rieger wurde 1958 in Greifswald geboren. Er verlebte große Teile seiner Kindheit in Prerow auf dem Darß. Er veröffentlichte in Zeitschriften, Magazinen und Anthologien. Bei buch.macher erschienen u.a. die Romane „Schwarze Windflüchter“, „Letzte Gnade?“ sowie der Erzählungsband „Ein kurzer Besuch“. buch.macher autoren.verlag ist ein Verlagsprojekt aus Vorpommern und hat seinen Sitz in Mesekenhagen bei Greifswald. Der Verlag bemüht sich insbesondere um neue Autoren sowie um Autoren aus der Region.

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Theodor Schultze-Jasmer Der Maler des DarĂ&#x; Grafik und Fotografie herausgegeben von Uwe Rieger

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Herzlichen Dank an alle, die mich bei diesem Buchprojekt unterst端tzt haben, vor allem aber an Frau Susanne Lau in Prerow, mit deren Hilfe es mir gelang, den notwendigen Schritt aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu tun. Uwe Rieger

Titel: Weststrandbuchen, 1925, Farbholzschnitt/Privatbesitz

www .buchmacher-autoren verlag .de www.buchmacher-autoren .buchmacher-autorenv erlag.de buch.macher@t-online.de 2. 端berarbeitete und erweiterte Auflage ISBN 978-3-935039-25-3 Druck: printmanufaktur Dassow

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Es ist immer so gewesen, daß erst eine spätere Zeit die Spreu vom Weizen zu scheiden weiß. Wievieles was zur Zeit seiner Entstehung hoch gepriesen wurde, ist in der Versenkung verschwunden, und dafür sind Dinge zutage gekommen, die wir heute zum schönsten Kunstbesitz zählen. Theodor Schultze-Jasmer 1963

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und überflüssigerweise meinte, mich rechtfertigen zu müssen. Aber das ist Geschichte und liegt bald ein Jahrzehnt zurück. Heute braucht sich niemand um die öffentlichen Wahrnehmung Theodor Schultze-Jasmers zu sorgen und gleiches gilt für die künstlerische Bewertung seines Lebenswerkes. Hier hat sich vor allem der ehemalige Prerower Pfarrer Gerhard M. Schneidereit verdient gemacht, der in seinem Buch „Theodor SchultzeJasmer- Von Leipzig nach Prerow auf dem Darss“ den Lebensweg des Künstlers sachkundig und zugleich sehr liebevoll nachzeichnete. Die Beschäftigung mit Theodor Schultze-Jasmer hat mich den Orten meiner Kindheit um vieles näher gebracht. Hierfür bin ich sehr dankbar. Über ihn habe ich Menschen kennen gelernt, die ich sehr schätze und denen ich mich sehr verbunden fühle. Hierzu gehören Herr Gerhard M. Schneidereit, vor allem aber das Ehepaar Doris und Jörg Pagel und Herr Kai Bast aus Prerow, die mit ihrer Leidenschaft für Darßer Künstler inzwischen auch viele Werke Theodor Schultze-

Uwe Rieger

Vorwort zur zweiten, erweiterten Auflage

Wenn ich heute das Vorwort zur ersten Ausgabe dieses Buches aus dem Jahr 2002 lese, dann ist mir der missionarische Unterton meiner einleitenden Worte doch ein wenig peinlich. Wer war ich, dass ich mir anmaßte, daran zu appellieren, dass es längst überfällig sei, Theodor Schultze-Jasmer als Künstler gebührend anzuerkennen und zu würdigen? Zu meiner Entlastung muss ich heute anführen, dass ich damals ganz offensichtlich noch unter dem Eindruck der Sichtung des erstaunlichen Nachlasses des Künstlers im Stralsunder Museum stand. Hinzu kam, dass ich mich von einigen etwas schroffen Bemerkungen zu einer Textstelle in meinem kleinen Prerow-Krimi - in dem die Grafiken Schultze-Jasmers eine nicht unerhebliche Rolle spielen - viel zu sehr beeindrucken ließ 6


Jasmers an den Ort ihrer Entstehung zurückholen konnten. Und Theodor Schultze-Jasmer war und ist für mich willkommener Anknüpfungspunkt für Begegnungen und viele interessante Gespräche an Büchertischen, sei es beim Museumsfest in Prerow, beim Seemannskirchenfest oder bei Lesungen. Das Interesse an dem Prerower Maler, Grafiker und Fotografen hat deutlich zugenommen. Und

das ist gut so. Auch deshalb habe ich mich entschlossen, dieses Buch noch einmal aufzulegen und es mit zusätzlichen Beiträgen und Abbildungen, insbesondere mit Fotos Schultze-Jasmers, auszustatten. Allen, die mich hierbei unterstützt haben, möchte ich noch einmal ganz herzlich danken. Uwe Rieger 2011

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Jasmer gehörte zu Prerow wie die Seemannskirche, der Strom, der Weststrand und die bunten Haustüren. Ich erinnere mich an ihn als einen großen schlanken Mann mit Baskenmütze und Cordjacke, der freundlich zu mir hinabblickte. Meine Großeltern starben Anfang der 70er Jahre. Meine Mutter konnte den frühen Tod ihrer Eltern nur schwer verwinden, wir verließen Prerow nach einem letzten wunderschönen Sommer. Meine Kindheit war vorüber. Für eine Zeit geriet mir Prerow aus dem Sinn. Ich weiß nicht, wann ich erfuhr, dass Schultze-Jasmer und seine Frau nur wenige Jahre nach meinen Großeltern verstorben waren. Diese Nachricht berührte mich auf eine eigentümliche und nur schwer zu beschreibende Weise.

Zur Einführung Vorwort zur ersten Auflage 2003 Theodor Schultze-Jasmer war im Prerow meiner Kindheit allgegenwärtig. Seine Grafiken schmückten die Zimmer, die meine Großeltern im Sommer an Urlauber vermieteten, im Dorf sah man stets Plakate mit den Terminen seiner nächsten Dia-Vorträge, es gab Ansichtskarten mit Schultze-Jasmer-Motiven, unten am Strand – gegenüber vom Dünenhaus – befand sich seine „Darßer Kunsthütte“, es gab von ihm illustrierte Bücher. Und mit ein wenig Glück konnte man ihm selbst begegnen, vielleicht sogar in der Grünen Straße, vor seinem „Eschenhaus“. Schultze8


Als ich mehr als zwanzig Jahre später begann, mich den Orten meiner Kindheit wieder zu nähern, war ich überrascht, wie leicht es mir fiel. Das lag wohl daran, dass sich Prerow – im Gegensatz zu vielen anderen Gemeinden entlang der ostdeutschen Ostseeküste - seine Wiedererkennbarkeit bewahrt hatte. Vorsichtig begann ich nach Wurzeln zu suchen. Und es war einer dieser Zufälle im Leben, dass ich dabei in einem Sommer auf eine Ausstellung mit Grafiken Schultze-Jasmers in der Prerower Seemannskirche stieß. Es war eine wunderschöne Ausstellung, aber ich hatte das Gefühl, dass Schultze-Jasmer noch nicht in der Weise wahrgenommen wird, wie es ihm gebührt. Gewiss, da war diese Ausstellung, es gab Bilder im Heimatmuseum, den Schaukasten vor dem Eschenhaus und ein Büchlein des 9

Bremer Verlags Atelier im Bauernhaus. Aber von Allgegenwärtigkeit konnte keine Rede sein. Der Nachlass Theodor Schultze-Jasmers befindet sich im Kulturhistorischen Museum der Hansestadt Stralsund. Er enthält praktisch sein komplettes Werk, wie es sich zum Zeitpunkt seines Todes im Besitz des Künstlers befand. Dazu gehören Gemälde, Pastelle, Grafiken, Zeichnungen, Skizzenbücher, Fotos, die Druckplatten für Linol- und Holzschnitte. Hinzu kommen Emaille- und Holzarbeiten. Die Erbin, Frau Irmgard Thiel aus Prerow, übertrug den Nachlass auf dem Wege einer Schenkung in den Jahren 1981 bzw. 1988 an das Stralsunder Museum. Der Bestand ist – wie es sich für ein Museum gehört - akribisch erfasst und wartet geduldig auf


Künste und Buchgewerbe in Leipzig studiert. Gerade in seinem grafischen Werk ist Theodor Schultze-Jasmers ständiges Bemühen, vertretbaren künstlerischen Anspruch mit Verkaufbarkeit zu verbinden, deutlich zu spüren. Sieht man heute auf die Verkaufspreise für einzelne Blätter aus dieser Zeit, so fragt man sich kopfschüttelnd, wie das aufgehen sollte 40,- Mark für eine Radierung in A3! Spätestens jetzt verstehe ich den Satz in einem späten Prerower Zeitungsartikel, wonach Theodor Schultze-Jasmers Leben nie wirklich frei von materieller Not war.

seine Sichtung und Aufarbeitung. Dies kann mit diesem Büchlein bestenfalls angeregt werden, es ist keinesfalls beabsichtigt, leistbar ist es schon gar nicht. Dies sollten irgendwann einmal Fachleute übernehmen. Die Grafiken in diesem Büchlein sind lediglich ein winziger Ausschnitt aus dem Gesamtwerk Schultze-Jasmers. Bei der Auswahl habe ich mich bemüht, das Schaffen dieses für mich herausragenden Prerower Künstlers in seiner gesamten Breite widerzuspiegeln. Dies wurde durch den Umstand erleichtert, dass die Grafik Theodor Schultze-Jasmers eigentliches Metier war, hatte er diese nicht zuletzt an der Königlichen Akademie für Graphische 10


Allein schon aus diesem Grund lohnt es sich, diese Zeitdokumente zu lesen.

Die Zeitungsartikel in diesem Büchlein dokumentieren den Weg des Künstlers in besonderer Weise. So enthalten sie zu allererst eine Unmenge biografischer Fakten, darüber hinaus sind sie aber Zeugnisse ihrer Zeit und der jeweils gerade herrschenden Verhältnisse und Umstände. Es ist ein Glücksfall, dass diese Artikel – die überwiegend ebenfalls aus dem Nachlass des Künstlers stammen – das Schaffen Schultze-Jasmers in drei wichtigen Abschnitten deutscher Geschichte des letzten Jahrhunderts wiedergeben: Weimarer Republik, Nazi-Deutschland und die DDR. Mitunter beklemmend wirken die sich jeweils wiederholenden Versuche, einen Mann wie Theodor Schultze-Jasmer gesellschaftlich zu vereinnahmen und ihn zu dem „Seinigen“ zu machen. Wunderschön sind diese Artikel wiederum in ihren Beschreibungen des Darß, der besonderen Insel-Landschaft, der urwüchsigen Natur, aber auch immer wieder der dort lebenden Menschen.

Der Darß und Prerow waren die künstlerische Heimat Theodor SchultzeJasmers. Auch wenn heute die klassischen Windflüchter nicht mehr existieren, in den Werken Theodor Schultze-Jasmers leben sie weiter und es ist vor allem sein Verdienst, den Darß wie kein anderer dargestellt zu haben. Auch wenn ihn Puristen gern zu den Kunsthandwerkern rechnen und betonen, es gebe da in Prerow noch ganz andere Künstler, die man in Form einer solchen Veröffentlichung anerkennen und würdigen sollte, so bleibt Theodor SchultzeJasmer für mich einer der Künstler, die ihre Größe vor allem im Kleinen gelebt haben und auf die man sich – früher oder später – besinnen wird. Möge dieses Büchlein ein winziger Anstoß dazu sein. Uwe Rieger / Mesekenhagen , 2003 11


Theodor Schultze-Jasmer 1888

bandgestaltung für Theodor Storms Werke in Einzelausgaben

am 07.07. in Oschatz/ Sachsen geboren Vater Textilkaufmann, die Mutter (geb. Jasmer) erteilt nach dem frühen Tod ihres Mannes und Übersiedlung nach Leipzig Mal- und Zeichenunterricht Besuch der Realschule in Leipzig

1904 1907

1911

1914

Studienreise nach Estland, Zivilgefangenschaft in Wologda (Russland) mit Ausbruch des 1. Weltkrieges

1915 1918

Heirat mit Elli Lehbert in Wologda Geburt des Sohnes Jens am 19.Juli

1918

Rückkehr aus dem 1. Weltkrieg nach Einsatz an der Westfront in Verdun

bis 1913 allsommerliche Studienreisen nach Zingst

Wiederaufnahme des freiberuflichen Grafikerhandwerks in Leipzig

Aufnahme des Studiums an der Königlichen Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe zu Leipzig nach erfolgreicher Beendigung des Studiums freiberufliche Arbeit als Gebrauchsgrafiker in Leipzig, u.a. Ein12

1920

Übersiedlung zunächst nach Heidebrink-Wollin in Pommern

1921

Umzug nach Prerow und Kauf des späteren Eschenhauses in der Grünen Straße


Theodor Schultze-Jasmer 1888-1975 13


landlschaft anschaulich und mit viel Begeisterung nahe bringt, dokumentiert aber auch den Untergang der legendären Buchen am Darßer Weststrand, die Windflüchter Mitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR und des Kulturbundes, Engagement als Gemeindevertreter und Abgeordneter des Kreistages Ribnitz-Damgarten

Eröffnung der „Darßer Kunsthütte“ ebenda zunächst mit E. Th. Holtz 1921

Heirat mit Käthe Baake

1929

Umzug der „Darßer Kunsthütte“ in das ehemalige Warmbad der Gemeinde Prerow gegenüber des Dünenhauses

1945

späte Einberufung als Landschütze im 2. Weltkrieg, abenteuerliche Rückkehr zu Fuß aus Holland über Hamburg

künstlerische Tätigkeit ungebrochen bis ins hohe Alter, immer wieder offen für neue Formen und Techniken, wie Lithografie und Arbeit in Emaille

Fortsetzung der freischaffenden Tätigkeit als Maler und Grafiker in Prerow, Weiterbetreibung der „Darßer Kunsthütte“ Theodor Schultze-Jasmer fotografiert und hält mehr als 50 Lichtbildervor träge jährlich, in denen er Urlaubern und Gästen die Schönheit der Darß14

1975

Theodor Schultze-Jasmer stirbt am 30.10.1975 in Prerow und wird auf dem dortigen Friedhof beigesetzt

1982

die Darßer Kunsthütte wird geschlossen, heute befindet sich in den Räumen im Obergeschoß ein Restaurant


Sturm am DarĂ&#x;strand, 1959, Postkarte 15


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