Ravel
–
DAPHNIS ET CHLOÉ
Ballet en trois parties
Ballett in drei Teilen
Ballet in Three Parts
Partitur Score Partition
PB 5650
Breitkopf & Härtel
Partitur-Bibliothek
Historischer Kontext und erste Aufführungen
Ballet en trois parties
Ballett in drei Teilen
Ballet in Three Parts
Partitur Score Partition
PB 5650
Breitkopf & Härtel
Partitur-Bibliothek
Historischer Kontext und erste Aufführungen
Selten wurde eine Ballettmusik so oft bearbeitet wie diejenige zu Daphnis et Chloé. Bekanntermaßen war Michel Fokine bereits 1904 versucht, ein Ballett nach dem berühmten Roman Les amours pastorales de Daphnis et Chloé [Die pastorale Liebe von Daphnis und Chloé] von Longus aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus zu erschaffen. Zu dieser Zeit war er noch Mitglied des kaiserlichen Balletts von Sankt Petersburg. Als er zum ständigen Choreographen der Ballets russes in Paris ernannt wurde, scheint er dieses Projekt nach dem Erfolg der Danses du Prince Igor von Alexandr Borodin (19. Mai 1909) wieder zur Sprache gebracht und Sergej Diaghilew davon überzeugt zu haben, den Stoff für eine neue Choreographie in der anstehenden Saison 1910 zu nutzen. Dank der Vermittlung durch Michel-Dmitrij Calvocoressi gelang es Diaghilew, Ravel, dem das Sujet zusagte, für das Projekt zu gewinnen.
In seiner Autobiographischen Skizze1 behauptet Ravel, im Jahr 1907 mit der Arbeit an dem Werk begonnen zu haben. Alles weist darauf hin, dass es sich dabei um einen Irrtum handelt, da die eigentlichen Ballets russes erst 1909 in Erscheinung traten. 1907 hingegen wurden nur fünf „Concerts historiques russes“ aufgeführt. Serge Lifar versichert seinerseits, dass sich Diaghilew und Ravel bereits 1906 begegnet sind; daher besteht die Möglichkeit, dass die Arbeiten zu Daphnis bereits vor 1909 begonnen wurden – ohne dass das Werk zwingend schon als Ballett konzipiert war.2 Wie dem auch sei, die ersten Probleme tauchen sehr schnell auf. Die Saison 1909 endet für die Ballets russes mit einem Schuldenberg, und Misstrauen macht sich zwischen dem Komponisten und dem berühmten Impresario breit. Ravel, der nichts lieber möchte, als eine Ballettmusik für die Russen zu komponieren, empfindet Fokines mythologisches Geschichtchen als zu schwach und verlangt nachdrücklich danach, das Libretto zu ändern. Als ihm schließlich das Recht eingeräumt wird, Korrekturen anzubringen, die er für notwendig hält, macht er sich nur langsam an die Arbeit. Am 27. Juni 1909 schreibt er an Marguerite de Saint-Marceaux: „Ich muss Ihnen sagen, dass ich eine irre Woche hinter mir habe: Vorbereitung eines Ballettlibrettos, das für die kommende Saison russe bestimmt ist. Fast jede Nacht Arbeit bis drei Uhr früh. Was die Dinge kompliziert macht, ist, dass Fokine kein Wort Französisch kann. Ich aber kann auf Russisch nur fluchen. Sie können sich vorstellen, in welcher Atmosphäre die Zusammenkünfte stattfinden, trotz der Dolmetscher.“3
Selbst im freiwilligen Rückzug ins Landhaus seiner Freunde Cipa und Ida Godebski in der Nähe von Fontainebleau erweist sich die Ausarbeitung als schwieriger als erwartet. Im März 1910 ist die Partitur kaum gewachsen. „Nun haben wir uns [in Valvins, wo die Godebskis Ravel ihr Haus zur Verfügung gestellt haben] eingerichtet. Die Arbeit geht mir schnell von der Hand. Ma mère l Oye [Mutter Gans] ist bereits zum Kopisten geschickt. Heute habe ich eine Szene für das Ballett geschaffen, die in Paris nicht gelingen wollte.“4 Einen Monat später gesteht Ravel Ida Godebska: „Daphnis geht nur langsam voran (gemessen an dem, was die Russen daraus machen werden). Nicht, dass ich nicht daran arbeiten würde. Ich zwinge mich vom Morgen an dazu.“5 Aber „diese verdammten kleinen Vögel“ halten ihn von der Arbeit ab. Ravel setzt alles daran, die größte Zeitnot abzuwenden. Davon zeugt eine frühe Fassung für Klavier, bestehend aus 47 signierten Seiten, datiert auf den 1. Mai 1910, die er sogar bei Durand herauszugeben gedenkt. Doch seine Bemühungen reichen nicht aus, um die Partitur rechtzeitig zu Ende zu bringen. Darüber hinaus beginnt er, sich Sorgen um seine Rechte zu machen, sollte das Ballett nicht im Rahmen der Saison russe aufgeführt werden. „Wenn Daphnis in der Oper aufgeführt würde,“ schreibt er an Calvocoressi am 3. Mai 1910, „erhielte Madame Stichel (die Ballettmeisterin der Oper) ein Drittel, Fokine ein weiteres Drittel, und ich müsste mich mit dem Rest zufriedengeben. Unter keinen Umständen würde ich aber mein Werk zu diesen Bedingungen aufführen lassen. Wir (ich sage wir, da auch ich daran gearbeitet habe) haben einige schlaflose Nächte damit verbracht, das Libretto zu schreiben, an dem ich seitdem Verbesserungen vorgenommen habe, und nun schufte ich schon monatelang an der Musik. Ich fände es höchst ungerecht, nur ein Drittel zu erhalten... […] Es ist mir unangenehm, Sie mit dieser Geschichte zu belästigen, aber es ist nicht angenehm, einen Briefwechsel mit Typen zu führen, die kein Wort dieser Sprache beherrschen, um die uns Europa beneidet...“6
Unterdessen ersetzt Diaghilew verärgert Daphnis durch Igor Strawinskys Oiseau de feu [Feuervogel] (25. Juni 1910), der viel Beifall erhält. Selbst Ravel ist davon begeistert, wie folgende Worte an seinen Schüler Maurice Delage bezeugen: „Mein Bester! Sie müssen sich augenblicklich auf die Socken machen: der Oiseau de feu geht weit über Rimskij-Korsakow hinaus.“7
In der Folgezeit wird es für geraume Zeit still um das Projekt. „Am 13. Juni 1911 weckt Pétrouchka in Ravel den Enthusiasmus und die Lust, mit Daphnis abzuschließen. Einige orchestrierte Ausschnitte seiner Skizze hatte er bereits im Konzert getestet. Diese sind heutzutage als Erste Suite bekannt, deren Ur-
aufführung separat am 2. April 1911 stattfand, dirigiert von Gabriel Pierné, der auch L’Oiseau de feu uraufgeführt hatte. Die Rezeption war eher desaströs, und Ravel sah sich erneut mit Debussy verglichen, wo er doch den Vergleich mit dem jüngeren russischen Kollegen vorgezogen hätte.“8
Nach einer Überarbeitung der „Danse générale“ (Ziffer 194), deren Taktart er ändert (5/4 statt 3/4), wird die endgültige Ausarbeitung laut Manuskript am 5. April 1912 vollendet. Diaghilews Verzweiflung hingegen erreicht ihren Höhepunkt, da er nun, nach dem Erdulden der ravelschen Langsamkeit, dem Stil des Werkes wenig abgewinnen kann und ihm die lyrischen Aspekte der Choreographie altmodisch erscheinen. Obwohl „alles bereit war, um mit den Proben des Stücks im Châtelet zu beginnen“, schreibt Jacques Durand, der Verleger der Komposition, „ließ mir Herr von Diaghilew ausrichten, dass ihn das Werk nicht zur Gänze befriedigte und er zögerte, das Projekt fortzusetzen. Ich setzte meine Überzeugungskunst ein, um Herrn von Diaghilew dazu zu bringen, seinen ersten Eindruck zu überdenken ...Nach einigen Überlegungen antwortete mir Herr von Diaghilew schlicht: ‚Ich werde Daphnis aufführen…‘ “9 Noch ist allerdings nichts gewonnen. Der Mangel an Proben und die unablässigen Streitereien unter den Tänzern, vor allem zwischen Nijinsky und Fokine betreffs der Choreographie, lassen das Schlimmste erahnen. Hinzu kommen die Schwierigkeiten des Corps de ballet, bestimmte Passagen einzustudieren, vor allem den 5/4-Takt der „Danse générale“. Man stelle sich die Atmosphäre hinter den Kulissen vor! Unter diesen Umständen ist es kaum verwunderlich, dass die Uraufführung vom 5. auf den 8. Juni 1912 verschoben wird und sich zudem, mangels Generalprobe, die Anzahl der Aufführungen auf zwei reduziert. Dirigent ist Pierre Monteux, die Kritiker preisen die „rührende Anmut“ der Karsawina in der Rolle der Chloé und die „unvergleichliche Jugendhaftigkeit“ Nijinskys als Daphnis. „Baksts Bühnenbild erscheint in verblüffenden Farben. Man sieht eine Art blaues Meer hinter roten Felsen, dessen Effekt erstaunlich ist“, notiert Marguerite de Saint-Marceaux in ihrem Tagebuch.10 Neben Daphnis et Chloé enthält das Programm dieses Abends L’Aprés-midi d’un faune [Nachmittag eines Fauns] von Claude Debussy (bereits aufgeführt am 29. Mai), Le Spectre de la rose [Der Geist der Rose] mit der Choreographie von Michel Fokine und mit Carl Maria von Webers Aufforderung zum Tanz in der Orchesterfassung von Hector Berlioz sowie Schéhérazade von Nikolaj Rimskij-Korsakow.
Durch ihre anhaltenden Differenzen kommt es zwischen Fokine und Diaghilew zum Bruch, der zum Ende der Saison der Ballets russes offiziell wird. Ravel seinerseits befindet sich in einem „jämmerlichen Zustand“. So vertraut er sich Ralph Vaughan Williams an: „man musste mich aufs Land schicken, um eine beginnende Nervenschwäche zu behandeln.“11 An Jacques Rouché, der ihm das Unterfangen einer neuen Komposition vorschlägt, schreibt er: „Die vorhergehende Komposition, Daphnis et Chloé, deren Libretto für mich ein ewiges Hindernis war, hat es mir verleidet, eine solche Erfahrung zu wiederholen.“12
Die Gesamtpartitur des Balletts wird erst 1913 zur Wiederaufnahme am Théâtre des ChampsElysées verlegt, eine Veranstaltung, die unter der turbulenten Uraufführung des Sacre du Printemps [Das Frühlingsopfer] leidet. Im Januar gesteht Ravel Strawinsky, er sei „im Verzug, da ich mit den Korrekturen an Daphnis noch nicht fertig bin – ich entdecke dort Sachen, die Astruc die Haare zu Berge stehen lassen würden.“13 Im April 1914 steht das Ballett auf dem Programm der Oper von Monte-Carlo, allerdings ohne Chor, was Ravel jedoch nicht weiter verwundert. Diaghilew war schon immer der Meinung gewesen, die Chorpartie sei „nicht nur unnötig, sondern schädlich“14 und Ravel hatte sich bereit erklärt, „ein Behelfsarrangement“ ohne Chor zu erstellen, „um die Aufführung an weniger wichtigen Häusern zu erleichtern.“15 Als Diaghilew jedoch im Juni eine Aufführung von Daphnis et Chloé ohne Chor im Londoner Royal Theater in der Drury Lane plant, erzürnt sich der Komponist – „Vermutlich betrachtet Herr Diaghilew London als einen jener ‚Nebenschauplätze‘ “ – und veröffentlicht in den Londoner Zeitungen einen Protestbrief.16 Trotz dieser Meinungsverschiedenheit wird Ravel 1918 Diaghilews Angebot annehmen, Chabriers Menuet pompeux und seine eigene Alborada del gracioso für ein Londoner Programm der Ballets russes mit dem Titel Les Ménines zu orchestrieren. Zum endgültigen Bruch zwischen den beiden kommt es schließlich über La Valse. Die Zweite Suite für Orchester, die der Komponist 1913 aus seiner Daphnis-Partitur zieht, sichert nachhaltig die Bekanntheit des Werkes. Sie trägt den Untertitel „Lever du jour – Pantomime –Danse générale“ und greift den dritten und letzten Teil des Balletts auf, in welchem Chloé nach ihrer Rettung durch den Gott Pan mit Daphnis wiedervereinigt wird. Das Ballett an sich hingegen, mit Fokine und seiner Frau in den Rollen von Daphnis und Chloé sowie Philippe Gaubert am Pult, behauptet sich am 20. Juni 1921 an der Opéra de Paris. In einer späteren Aufführung verkörpert Claude Bessy die Chloé in einer Choreographie von George Skibine und dem Bühnenbild und Kostümen von Marc Chagall. Der Erfolg dieser Inszenierung erweist sich als entscheidend.
Rezeption
Der Erfolg der Pariser Uraufführung von 1912 war sowohl seitens des Publikums als auch seitens der Presse gedämpft. Robert Brussel zufolge gelingt Ravel „sein bisher eindringlichstes Werk, das vollständigste, dasjenige, dessen Empfindung gleichzeitig am erlesensten und am ausdrucksvollsten ist ... Zur Leichtigkeit, zur Anmut und zu der Unvorhersehbarkeit des Rhythmus, zum Genuss einer immer bedeutungsvollen Instrumentierung treten hier Elemente einer noch außerordentlicheren Qualität, nennen wir sie ‚Empfindung‘‚ oder ‚Poesie‘, deren Wirkung ungemein wertvoller ist als die Anmut des schriftlichen Erscheinungsbildes oder die erstaunlichsten Paradoxien der Orchestrierung.“17 Arthur Pougin schreibt im Ménestrel, es finde sich „zweifellos sehr viel Talent in dieser Musik, viel Wille, vor allem sehr viel Kühnheit; aber, das muss man zugeben, sehr wenig Anmut, sehr wenig Charme und vor allem sehr wenig Eingebung ... Sonderbares um des Sonderbaren willen, Vertracktes um des Vertrackten willen und gar zu vage Rhythmen für eine dem Tanz zugedachte Musik.“ Am Schluss seiner Kritik folgert er, dass das Ballett, „ohne ein Meisterwerk zu sein, uns immerhin für die Langeweile entschädigt hat, die L’Après-midi d’un Faune ausgelöst hat.“18 Henri Ghéon kommt zu einem wohlwollenderen Urteil: „Noch nie hat Herr Ravel einen umfangreicheren, abwechslungsreicheren und frappierenderen Beweis seines Talents gegeben. Von dieser Trockenheit, die man ihm bisweilen zum Vorwurf gemacht hat, ist hier keine Spur mehr: Eben jene Erweiterung, zu der sich Herr Debussy in Le Martyre de Saint Sébastien fähig zeigt, eben jene große melodische Welle trägt die Symphonie von Daphnis et Chloé; Herr Ravel verzichtet hier auf keine der ihm eigenen Feinheiten, Findigkeiten und Spitzen, im Gegenteil, er beschert sie uns mit einer derartigen Großzügigkeit, ohne bei ihnen zu verweilen, wenn die lyrische Trunkenheit ihn mitreißt, dass man dieses Mal weniger vom Raffinement der Mittel überrascht ist als vom Schwung der Eingebung: In diesem Sinne ist das Prélude zum dritten Tableau eines der schönsten symphonischen Stücke, die die moderne französische Musik hervorgebracht hat.“19 Auch Fokines Choreographie findet nicht die allgemeine Zustimmung. Ihm werden bisweilen unnötige Wiederholungen aus den Danses du Prince Igor vorgeworfen, die das Stärkste und Unerwartetste bleiben, was er hervorgebracht hat.
Form
„Das Griechenland von Daphnis und Chloé ist nicht das von Longus, sondern vielmehr das, was Ravel durch den Filter und die Interpretation der französischen Malerei des 18. Jahrhunderts vermittelt wird.“20 Das zeigt, nebenbei, wie sehr sich seine Vorstellung des Stoffs von der des Bühnenbildners Léon Bakst unterscheidet. „Tatsächlich bildet Daphnis et Chloé ein wahrhaftes ‚drame musical‘, dessen klangliches Gerüst den Zusammenhang und die Einheit einer umfangreichen Symphonie bietet. All diese Musik hält so sehr in sich zusammen und lebt so aus sich heraus, autonom, dass ein Blinder bei vorhergehender Kenntnis der Leitmotive in der Lage wäre, das Geschehen auf der Bühne zu verstehen und nachzuvollziehen ...“21 Indem Ravel seine Komposition als choreographierte Symphonie definiert, verweigert er es gewissermaßen, sich zum „Erben Gisèles“ zu machen. „Daphnis et Chloé ist nicht der Ausdruck einer programmatischen Idee oder einer Klangmalerei, zu welcher das Ballett wie ein ‚Zusatz‘ hinzukommt. Die Partitur an sich ist ein Programm und übersetzt weniger Konzepte als vielmehr die innewohnenden Kräfte in klangliches Material ... Erzählung ohne Text, Klangmalerei ohne Darstellung, Poetik des instrumentalen Gestus als Verlängerung des körperlichen Gestus...“22 Die Erzählung wird ins klangliche Material eingearbeitet. Man erlebt Form und Inhalt in perfektem Einklang. Gegenüber den choreographischen Ereignissen hat die Musik hierdurch die Möglichkeit, einen klar beschreibenden Charakter anzunehmen. Erwähnenswert sind die trockenen, (mit Mordent) hüpfenden Akkorde der Blasinstrumente in der „Danse grotesque“ des Dorcon (Z. 41), die das lautstarke Lachen der Bauern suggerieren, und die Harfenglissandi in der „Danse suppliante“ der Chloé (Z. 135 und 139), die an zwei Stellen den Moment ihres Fluchtversuchs darstellen. Lyceions Geste, mit der sie einen ihrer Schleier in der Art einer hellenischen Salome fallen lässt, ist im Orchester sichtbar (T. 382, 396). Schließlich wäre Chloés „Danse suppliante“ nicht flehenden Charakters ohne die Ästhetik des ravelschen Rhythmus‘, der alle zwei Takte nachgibt (Z. 133). Diese Vorgehensweise ergibt sich aus der choreographischen Vorlage. Auch bei Z. 176 wird auf diese Weise die Bewegung des Körpers aufgenommen: Chloé „stellt durch ihren Tanz die Akzente der Flöte dar“.
Harmonische Sprache
In seiner Autobiographischen Skizze bestätigt Ravel, dass „das Werk symphonisch gebaut ist, einem strengen tonalen Plan folgend und mit einer kleinen Anzahl von Motiven, deren Verarbeitung die Homogenität der Komposition sicherstellt.“23 Die beiden Hauptmotive treten von Anfang an in Erscheinung: das der Nymphen im siebten Takt in Form einer Arabeske mit einer für Ravel typischen absteigenden Linie und das von Daphnis und Chloé, das im 12. Takt vom Horn vorgetragen wird und sich um zwei Quinten herum aufbaut. Schon Christian Goubault hat deutlich auf dessen symbolischen Wert hingewiesen: der zweite
Teil (aufsteigende Quinte G–D) ist das Spiegelbild des ersten Teils (absteigende Quinte G–C), „wodurch die Identität und die Gegenseitigkeit der Liebe zwischen den beiden Wesen ausgedrückt wird.“24 Auf Anhieb ist der Hörer eingenommen von der Inszenierung des Klangs im Vorspiel: sechs aufsteigende reine Quinten, langsam vorgetragen von Harfe und gedämpften Streichern über einem Paukentremolo. Alles ist bewusst im kaum wahrnehmbaren pianissimo gehalten und mündet in einem vom Chor vorgetragenen schwingenden Quart-Motiv. Um die Formulierung von Roland-Manuel aufzugreifen, handelt es sich darum, „das Unvorhersehbare der klanglichen Substanz zu dosieren.“25 Das Aufschichten von Quarten und Quinten als Kompositionstechnik ist einer der zentralen Aspekte der harmonischen Sprache Ravels. Im Verlauf des Werkes erscheinen weitere Motive wie jener Kriegsschrei beim Überfall der Räuberbande (T. 435), der in der „Danse guerrière“ verarbeitet wird. Ein weiteres, durch Klarinetten und Bratschen vorgetragenes Motiv (Z. 196), scheint direkt dem zweiten Satz von RimskijKorsakows Schéhérazade zu entspringen.
Ravels ganze Kunst besteht darin, diese Motive mit dem Fortschreiten der Handlung nach und nach neu zu erfinden, indem er ihre Melodie oder ihre Struktur leicht verändert. Beispiele hierfür sind das Motiv der drei Nymphen, das Ravel im „Nocturne“ (Z. 70) anklingen lässt, um es dreifach zu variieren, sowie das Thema von Daphnis und Chloé, welches zahlreiche metrische und rhythmische Veränderungen erfährt (Z. 53, 63, 79). Im „Lever du jour“ [Sonnenaufgang] (Z. 155) komponiert Ravel eines der wunderbarsten jemals in Musik gefassten Naturbildnisse. Das SchlussBacchanal (Z. 199) hat stets Bewunderung hervorgerufen: „ein klanglicher Rausch ... Ein immenses Crescendo, das nie nachlässt und schließlich in einen frenetischen und dionysischen Rhythmus ausbricht.“26 Tatsächlich erzeugt die in den Tiefen des Orchesters entstandene melodische Linie HFisEAH (Z. 158), die unaufhaltsam anschwillt und zu dem von den Streichern verklärten Motiv von Daphnis und Chloé (Z. 165) zurückführt, einen außergewöhnlichen Effekt. Während die „Danse guerrière“ (Z. 92) durch ihren Rhythmus und ihren Charakter an Strawinsky anknüpft, erinnert die Bacchanale unausweichlich an die „Polowetzer Tänze“ aus Borodins Prince Igor Im Gegensatz zur Einheit des melodischen Materials, welches das Ballett in seiner ganzen Länge durchdringt, sind Ravels Harmonien vielschichtig, da es keine räumlichen Grenzen in den von ihm verwendeten Akkorden gibt. Häufig greift er auf die Undezime und die Tredezime zurück. „In Ravels Musik und speziell in Daphnis kann eine Harmonie eine Vielzahl anderer verdecken.“27 Die subtile Vermittlung ausgefallener Harmonien ist eine Fähigkeit, für die der Komponist auf ihm liebgewonnene Mittel zurückgreift: Pedaltöne, Vorausnahmen, Verzögerungen, Verzierungsnoten sowie unaufgelöste Vorhalte (oder solche, die sich nur aufzulösen scheinen). An dieser Stelle sollte auch auf eine Form von Eigen-Reminiszenzen in der Harmonik hingewiesen werden, die sich in der Mehrzahl seiner Kompositionen findet, beispielsweise durch Vergleich der Sequenz bei Z. 184 mit der aus Nummer sieben der Valses nobles et sentimentales (Z. 53). Ein weiteres Element, an dem Ravel sehr liegt, ist der Rückgriff auf altertümliche Modi wie dem hypodorischen (dem zweiten gregorianischen Modus) im Flötensolo der „Danse de Lyceion“ (Z. 57). Der Ausspruch „Ravel, dieser spanische Grieche“28, der von André Suarès stammt und von Léon-Paul Fargue aufgegriffen wurde, verdeutlicht perfekt die ästhetische Ausrichtung der Musik zu Daphnis: Die iberische Inspiration bestimmter Flötenpassagen ist unbestreitbar. Nicht zuletzt sollte die Aufmerksamkeit auf die dynamische Kraft der Rhythmen gelenkt werden, die eine zentrale Rolle im ravelschen Universum spielen. „Im Allgemeinen nimmt der Rhythmus bei Ravel eine konstruktive Rolle in der klanglichen Entwicklung und der Organisation des musikalischen Gerüsts ein.“29 Ravel hat eine Vorliebe für ungerade Taktarten: 7/4 in der „Danse des jeunes filles“ (Z. 17), 5/4 in der „Danse générale“ (Z. 194). Manchmal bevorzugt er die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Rhythmen. Jules van Ackere nennt als Beispiel die zweideutige Wiegenbewegung des 6/8Rhythmus, die sich aus der Überlagerung von drei Achteln mit zwei punktierten Achteln ergibt (Z. 43).30 Die Entführungsszene zeigt ebenfalls die Verwendung rhythmischer Dualität, besonders in der Überlagerung von 2/4 und 6/8Takten (Z. 105).
Merkmale der Instrumentierung
Der Komponist von Daphnis et Chloé war ein Bewunderer vom Orchesterklang der großen Symphoniker seines Jahrhunderts, nicht nur von dem von SaintSäens, sondern auch dem der russischen Schule im Allgemeinen. Dennoch ist „der Einfluss des Russischen selbst kaum bei ihm wahrnehmbar, und es gibt wenig Gemeinsamkeiten zwischen einer derartigen Meisterschaft und der brillanten, oft protzigen Virtuosität eines Rimskij-Korsakow. Man stellt viel mehr fest, dass es zwischen diesen beiden Stilen eine essentielle Gegensätzlichkeit gibt, die sich darin äußert, dass Ravels Instrumentierung im Gegensatz zu der des russischen Musikers nie auf einen Effekt purer Virtuosität abzielt...“31
Eine der wichtigsten Eigenschaften der ravelschen Instrumentierungstechnik besteht darin, dass der Komponist das Orchester nur selten in Gruppen behandelt. Das phasenweise Dominieren von Streichern, von Holz- oder von Blechbläsern,
A more favorable response came from Henri Ghéon: “Nowhere has Ravel given us more ample, varied, and striking proof of his talent. Of the severity with which he has been accused in the past there remains in Daphnis not the slightest trace. The same expansiveness of which Debussy showed himself capable in Le Martyre de Saint Sébastien informs the grand melodic sweep of the Daphnis et Chloé symphony. Ravel forsakes here none of his subtlety, ingenuity, or wit, but he dispenses them so generously, and lingers so delicately on them when lyrical inebriation takes hold, that we are impressed here less by refinement of means than by inspirational élan. In this regard, the introduction to the third tableau is one of the most beautiful pieces of symphonic writing ever created in modern French music.”19 Fokine’s choreography too generated mixed response. He was criticized for repeating what he had done in the Danses du Prince Igor, which remains his strongest and most surprising creation.
“The Greece of Daphnis et Chloé is not that of Longus, but rather one passed on to Ravel through the filter and perception of eighteenthcentury French painting.” 20 This is the very point on which Ravel’s concept of the scenario differed from that of the designer, Léon Bakst. “Daphnis et Chloé is actually a true ‘music drama,’ whose sound world exudes the coherence and unity of a largescale symphony. The entire score exists in and of itself as an autonomous creation, to the degree that foreknowledge of the leitmotifs practically allows a blind person to understand and follow the scenario.” 21 In calling his score a “choreographic symphony,” Ravel was in a way refusing to be an “heir to Giselle.” “Daphnis et Chloé does not express the idea of a program, a sound painting onto which the dancing is grafted like an additional element. The score is a program unto itself, translating virtual material inherent in the sound rather than ideas… Storytelling without words, tone painting without images, the poetry of instrumental movement as an extension of bodily movement.” 22 The narrative fabric becomes absorbed into the sound itself, creating a perfect union of form and substance, and allowing the music, in conjunction with choreographic events, at times to assume a distinctly descriptive quality. Take for example the sharp, jerky chords for the wind instruments, each preceded by a grace note, in Dorcon’s Danse grotesque [Grotesque Dance] (fig. 41), suggestive of the coarse laughing of peasants, or the harp glissandi in Chloé’s Danse suppliante [Dance of Supplication] (fig. 135 and 139), which portray the two exact moments when Chloé attempts to escape. When Lyceion lets fall one of her veils, somewhat in the manner of a Hellenic Salome, this is “visible” in the orchestra (mm. 382 and 396). Furthermore, Chloé’s Danse suppliante wouldn’t be what it is without Ravel’s rhythmic impulse, in which the musical motion alternates back and forth every bar in accordance with the choreographic material (fig. 133). This correspondence of bodily and musical movement is found again at fig.176, where Chloé “dances to the inflections of the flute line.”
Harmonic Language
In his Autobiographical Sketch , Ravel claimed that “the work is built symphonically on a very strict tonal plan using just a few motifs, the development of which ensures the work’s homogeneity.” 23 The two main motifs are heard in the opening measures: that of the nymphs in m. 7 as an arabesque in a descending line characteristic of Ravel, and that of the title characters in m. 12 by the horn, built around two perfect fifths. Christian Goubault calls attention to the symbolic significance of these fifths: the second half of the motif (beginning with the rising fifth, G–D) is the inverse of the first (the descending fifth, G–C), “thus alluding to the identity and reciprocity of love between two human beings.” 24 One is immediately struck by the tone painting of the opening measures, where a sequence of six perfect fifths in the harp and muted strings rises slowly over a barely perceptible pianissimo roll in the timpani and ends with a swaying motif in the chorus built on perfect fourths. Roland-Manuel calls this “measuring the imponderables of the sound substance.” 25 This procedure – the piling up of intervals of the fourth and fifth – constitutes one of the most important elements of Ravel’s harmonic language. Other motifs arise in the course of the work, such as the pirates’ war cry (m. 435), heard as they flood onto the stage; this motif will later be used in the Danse guerrière [Warriors’ Dance]. Or take the motif heard in the clarinet and violas at fig. 196, which seems to come right out of the second movement of RimskyKorsakov’s Sheherazade
Ravel’s total artistry can be seen in how he develops motifs as the storyline unfolds, slightly modifying their melodic shape and structure. Consider, for example, the motif of the three nymphs Ravel refers to and varies three times in the Nocturne (fig. 70), or the Daphnis and Chloé motif that goes through numerous rhythmic and metrical transformations (fig. 53, 63, 79). In the Daybreak scene (Lever du jour, fig. 155), Ravel created the most vivid evocation of
nature ever composed. One can understand the admiration generated by the final Bacchanale (fig. 199), described by Hélène JourdanMorhange as “sonic splendor… a tremendous crescendo that never flags in its explosive thrust of wild, Dionysian rhythm.”26 And there is no denying that the melodic line BFkEAB (fig. 158), emanating from within the orchestra and growing steadily until the recurrence of the Daphnis and Chloé motif in the strings (fig. 165), produces an incredible effect. While the Danse guerrière (fig. 92) may recall Stravinsky in its rhythms and sound, the Bacchanale inevitably brings to mind Borodin’s Polovtsian Dances from Prince Igor
Tonal unity of the melodic material informs the entire ballet. At the same time, Ravel’s harmony is complex, as there is no limit to how he spaces his chords, which often include intervals of the eleventh and thirteenth. “In Ravel’s music, and in Daphnis in particular, a single harmonic structure may contain within it many others.”27 This ease in subtly conveying the wellsprings of harmony comes from the use of pedal points, anticipations, retards, added notes and unresolved appoggiaturas (or at times those that seem to resolve), of which the composer was fond. In this regard, it should be emphasized that this sort of autoreminiscence in the harmony is found in much of Ravel’s music. For example, compare the sequence at fig. 184 in Daphnis with that at fig. 53 in the seventh of the Valses nobles et sentimentales
Another quality dear to Ravel is the recourse to ancient church modes, as seen in the solo flute line in Lyceion’s dance (fig. 57), which in this case employs the hypodorian (2nd Gregorian) mode. André Suarès’ epithet, “Ravel, the Greek from Spain,”28 (used also by LéonPaul Fargue), illustrates perfectly the esthetic orientation that characterizes the score of Daphnis: Iberian inspiration in some of the flute passages is indeed undeniable.
It is important also to call attention to the driving power of rhythm that constitutes a vital role in Ravel’s world. “Generally speaking, rhythm in Ravel makes a positive contribution to the sonic unfolding and distribution of the musical line.” 29 Ravel loves to use irregular meters: 7/4 in the danse des jeunes filles (fig. 17), and 5/4 in the Danse générale (fig. 194). At times he indulges in different rhythms simultaneously. Jules van Ackere notes as an example, at fig. 43, of the imbalance within the 6/8 meter caused by the opposition of three eighth notes and two dotted eighths.30 The episode with the pirates too offers an example of rhythmic duality, with 2/4 against 6/8 (fig. 105).
Orchestral Features
The composer of Daphnis et Chloé admired how the great symphonists of his time, not only SaintSaëns but also the Russians in general, used the orchestra. However, “the influence of the Russians themselves is only slightly apparent, and there is not a great deal in common between the mastery [found in Daphnis] and the brilliant, often showy virtuosity of a RimskyKorsakov. Rather, one could even assert that between the two, there exists a basic difference: contrary to that of the Russian composer, Ravel’s orchestration never aspires to virtuosity for its own sake [...].”31 One of the main elements of Ravel’s orchestration is that only rarely does he employ groups of the same instrument. The predominant use of just strings or just woodwinds or just brass, as commonly found in Stravinsky, is hardly ever found in Ravel. The way Ravel distributes his instruments is done as much for reasons of practicality as for those of volume. Each instrument is used in the most efficacious way. Ravel is particularly adept at how he writes for percussion. Vincent d’Indy criticized him for “really tiresome overuse of it.”32 Yet Ravel avoids superficial effects. There are no glissandi from the timpani, as are found in Bartók. On the other hand, Ravel, along with Richard Strauss, was one of the first to use the wind machine, which we find again in L’Enfant et les Sortilèges [The Child and the Spells]. How he uses it clearly demonstrates the care he took in notating dynamic nuances. As an example, look at what he does in the fifth measure of fig. 152: a surge to fff and fade to p in the next measure; then, again, a crescendo to f followed by another diminuendo.
One notes the great number of divisi strings, the glissandi and harmonics (second violins and cellos at fig. 70) and the frequent use of portato (fig. 42). At fig. 56 the solo cello is asked to raise the G string by a semitone. In a letter to composer and musicologist Henry Woollett, 33 Ravel cites several examples of “orchestral effects” in which he took special pride: the trilled, muted chords played over the fingerboard (sur la touche, fig. 70), “where a mysterious effect is produced by the division of the string parts combined with the tamtam as well as by the harmony”; the slurred pizzicati (fig. 104) and later “the wonderful effect of the alto flute playing p” (fig. 114). He also calls attention to the imaginative and poetic “tonal blending” that he so enjoyed indulging in (fig. 49). Dynamic nuances are notated with special care, such as the gradations we find at fig. 38, where the markings begin at subito ppp and change gradually with each successive measure, ending in f. Finally, use of the wordless chorus offers an example of a “continuous organ of voices,” a kind of vocal instrument found previously in the third of Debussy’s Nocturnes 34
The recording by the London Symphony conducted by 84yearold Pierre Monteux in 1959 is clearly an irreplaceable document. One could not dream of a more successful interpretation that brims with rare attention to expressivity and observation of every detail of orchestration. In his 1955 RCA Victor recording with the Boston Symphony, Charles Munch brings out the score’s vibrancy and passion, giving it a natural freedom of flow and the impression of transparency. Intuitively he finds exactly the right color for each moment. In this score, unquestionably the one in which Ravel came closest to Impressionism, he seeks not so much to dazzle as to find a balance between the often conflicting elements of melodic line and choreographic rhythm. In this sense, the recordings of Ernest Ansermet (1952 and 1965), André Cluytens (1962), and Jean Martinon (1974) all show care in the contrast and range of colors. Manuel Rosenthal’s 1959 recording with the Opéra Orchestra is a surprise, as it is the most “rapturous” version, especially in the way he emphasizes the drunken frenzy of the Danse générale.
Would the Daphnis ballet have been what it is without L’Oiseau de feu and Pétrouchka? And contrarywise, can one imagine L’Oiseau de feu and Pétrouchka without Ravel’s Rapsodie espagnole? In 1910, Stravinsky was suspected in some quarters of having copied the last two measures of the Rapsodie espagnole onto the end of the Danse infernale in his Oiseau de feu. This kind of writing is, however, the very element in Stravinsky that led Ravel to reflect on his own artistic development. We know the mindset of the “old subscriber” to the Belle époque who regards ballet music as only of secondary importance. Was Tchaikovsky’s Belle au bois dormant [Sleeping Beauty] not criticized for being insufficiently danceable and too symphonic? Ravel in turn was aware that he had to avoid falling into the trap of timeworn clichés of classical dance. So preoccupied was he with this thought that he hesitated calling his work a ballet, even though it was one in every respect. The influences therefore cross, and when Stravinsky published his Chronicles in 1935, Ravel discovered that Stravinsky had held Daphnis in particular esteem: “In Paris, where I went for the season with Diaghilev, I heard, among other things, the splendid score by Maurice Ravel, Daphnis et Chloé, which its composer had already introduced to me at the piano. This is surely not only one of Ravel’s best works, but one of the finest creations of French music.”35
We wish to thank sincerely the libraries of the Orchestre Les Siècles, the Orchestre de l’Opéra national de Paris, and the Orchestre de la Suisse Romande, which kindly allowed us to consult their orchestral material. Our gratitude goes also to Charles Dutoit, a discreet but always attentive advisor, as well as to the publisher Breitkopf & Härtel and their editor Alexandra Krämer, who supported our work with special care.
Epalinges, spring 2021
Jean-François Monnard
1 Roland-Manuel, Une Esquisse autobiographique de Maurice Ravel, in La Revue musicale December 1938 [= Roland-Manuel, Esquisse autobiographique], pp. 17–23.
2 Serge Lifar, Maurice Ravel et le ballet, in La Revue musicale, December 1938, p. 75.
3 Letter of 27 June 1909 from Ravel to Marguerite de Saint-Marceaux. See Arbie Orenstein, Maurice Ravel, Lettres, Ecrits, Entretiens, Paris, 1989 [= Orenstein, Lettres], p. 105.
4 Letter of 10 April 1910 from Ravel to Cipa Godebski. See René Chalupt, Ravel au miroir de ses lettres, Paris, 1956 [= Chalupt, Lettres], p. 83.
5 Letter of 10 May 1910 from Ravel to Ida Godebska, Chalupt, Lettres, p. 88.
6 Letter of 3 May 1910 from Ravel to Michel D. Calvocoressi, Orenstein, Lettres, pp. 111f.
7 Quoted by Marcel Marnat in Cahiers Maurice Ravel, Fondation Maurice Ravel [= CMR], No. 5 (1990–1992), p. 36.
8 Maurice Marnat, Ravel et Stravinski, in CMR, No. 5 (1990–1992), p. 44.
9 Jacques Durand, Quelques souvenirs d’un éditeur de musique, 2e série: 1910–1924, Paris, 1925, p. 16.
10 Marguerite de Saint-Marceaux, Journal 1894–1927, ed. under the direction of Myriam Chimènes, Paris, 2007, p. 707.
11 Letter of 5 August 1912 from Ravel to Ralph Vaughan Williams, Orenstein, Lettres, p. 124.
12 Letter of 7 October 1912 from Ravel to Jacques Rouché, Orenstein, Lettres, p. 125.
13 Quoted by Vera Stravinsky and Robert Craft in Stravinsky in Pictures and Documents New York, 1978, p. 73.
14 Comoedia, 18 June 1914.
15 Open letter of 7 June 1914 published in the London newspapers (e.g. The Times, Morning Post, Daily Mail).
16 Letter of early June 1914 from Ravel to the director of Comoedia, Gaston de Pawlowski. See Ravel, L’Intégrale: Correspondance (1895–1937), écrits et entretiens, ed. under the direction of Manuel Cornejo, Paris, 2018, p. 1371.
17 Robert Brussel, in Le Figaro, 9 June 1912.
18 Arthur Pougin, in Le Ménestrel, 15 June 1912.
19 Henri Ghéon, in La Nouvelle Revue française, August 1913.
20 Christian Goubault, Maurice Ravel. Le Jardin féerique, Paris, 2004 [= Goubault, Ravel], p. 79.
21 Jean Marnold, in Mercure de France, 16 August 1917 [= Marnold, Mercure].
22 Danielle Cohen-Lévinas, in Musical No. 4, June 1987 [= Cohen-Lévinas, Musical].
23 Roland-Manuel, Esquisse autobiographique, p. 22.
24 Goubault, Ravel, p. 115.
25 Roland-Manuel, A la gloire de…Ravel, Paris, 1938, p. 76.
26 Hélène Jourdan-Morhange, Ravel et nous. L’homme – l’ami – le musicien, Geneva, 1945, p. 115. JourdanMorhange quotes Charles Koechlin without naming him.
27 Cohen-Lévinas, Musical
28 André Suarès, Ravel, Esquisse, in: La Revue musicale, December 1938, p. 50.
29 Jules van Ackere, Maurice Ravel, Brussels, 1957, p. 192.
30 Ibid., p. 194.
31 Marnold, Mercure
32 Vincent d’Indy, À propos de Daphnis et Chloé, in: S.I.M., 1 May 1914, quoted in Goubault, Ravel, p. 124.
33 Letter of 29 June 1914 from Ravel to Henry Woollett, in CMR No. 15 (2012), pp. 53–57. Born in The Hague to English parents, the composer and musicologist Henry Woollett (1864–1936) was a friend of Georges JeanAubry, professor and later director of the Société Philharmonique Sainte-Cécile and of the Schola Cantorum in The Hague. A student of Raoul Pugno (piano) and Jules Massenet (composition), he was the teacher of André Caplet, Arthur Honegger, and Raymond Loucheur.
34 The reader interested in pursuing this subject may consult the wellsupported article by JeanDavid JumeauLafond, Le Choeur sans paroles ou les voix du sublime, in: Revue de musicologie, Vol. 83 (1997), No. 2, pp. 263–279.
35 Igor Stravinsky, Chroniques de ma vie, new Edition, Paris, 2000, p. 51.
ce nuancé qui va du ppp subito au f et qui change minutieusement à chaque mesure (chiffre 38). Enfin, l’usage du chœur sans paroles nous offre l’exemple d’un « orgue continu des voix », une manière d’instrumentation vocale que l’on trouve déjà dans le 3e mouvement des Nocturnes de Debussy.34
Premiers enregistrements
L’enregistrement que réalise Pierre Monteux à quatre-vingt-quatre ans à la tête du London Symphony Orchestra (1959) est évidemment un document irremplaçable. On ne saurait rêver mise en place plus réussie qui va de pair ici avec un rare souci d’expressivité et la volonté d’être attentif au moindre détail d’orchestration. Dans sa gravure avec le Boston Symphony (1955), passée à la postérité grâce à RCA Victor, Charles Munch a trouvé un frémissement, une émotion, une liberté de respiration qui donnent à son interprétation l’illusion de couler de source. Son intuition lui fait découvrir au fur et à mesure la couleur qui touche. Dans cette pièce qui est sans doute la plus proche de l’impressionnisme, il importe moins d’éblouir que de trouver un équilibre entre les deux dimensions souvent antagonistes que sont la ligne narrative et le rythme chorégraphique. À cet égard, les versions d’Ernest Ansermet (1952 et 1965), d’André Cluytens (1962) et de Jean Martinon (1974) ont toutes le mérite de soigner le relief et la gamme des couleurs. La surprise vient de Manuel Rosenthal qui réalise avec l’Orchestre de l’Opéra (1959) la version la plus « extatique » de l’ouvrage en mettant particulièrement en valeur l’ivresse dionysiaque de la Danse générale.
Le ballet Daphnis aurait-il été ce qu’il est sans L’Oiseau de feu et Pétrouchka ? En sens inverse, peut-on imaginer L’Oiseau de feu et Pétrouchka sans la Rapsodie espagnole ? En 1910, d’aucuns soupçonnaient Stravinsky d’avoir copié les deux dernières mesures de la Rapsodie espagnole à la fin de la Danse infernale de L’Oiseau de feu. C’est pourtant le caractère même de ce qu’apporte et entreprend Stravinsky qui amène Ravel à réfléchir sur sa propre évolution. On connaît l’attitude du « vieil abonné » de la Belle Époque qui n’admettait la musique au ballet que comme un élément secondaire. N’avait-on pas reproché à La Belle au bois dormant de Tchaïkovski de n’être pas assez dansante et trop symphonique ? À son tour, Ravel est conscient qu’il doit éviter de tomber dans le piège des poncifs les plus fatigués du spectacle de danse classique. Il est même tellement préoccupé par cette idée qu’il hésite à donner le titre de ballet à une œuvre qui pourtant le réclame de toutes parts. Les influences se sont donc croisées et, lorsque Stravinsky publiera ses Chroniques en 1935, Ravel découvrira qu’il avait gardé pour Daphnis une estime particulière : « A Paris, où je me rendis pour la saison de Diaghilew, j’entendis, entre autres choses, la brillante partition de Maurice Ravel, Daphnis et Chloé, à laquelle l’auteur m’avait déjà initié auparavant en me la jouant au piano. C’est, certainement, non seulement une des meilleures œuvres de Ravel, mais aussi une des plus belles productions de la musique française. »35
Nous tenons ici à remercier chaleureusement les bibliothèques de l’Orchestre Les Siècles, de l’Orchestre de l’Opéra national de Paris et de l’Orchestre de la Suisse Romande qui ont bien voulu nous autoriser à consulter le matériel d’orchestre. Notre reconnaissance s’adresse également à Charles Dutoit, conseiller discret, mais toujours attentif, ainsi qu’aux Editions Breitkopf & Härtel et leur collaboratrice Alexandra Krämer, qui ont accompagné notre travail avec un soin tout particulier.
Epalinges, Printemps 2021 Jean-François Monnard
1 Roland-Manuel, Une Esquisse autobiographique de Maurice Ravel, dans : La Revue musicale, décembre 1938 [= Roland-Manuel, Esquisse autobiographique], pp. 17–23.
2 Serge Lifar, Maurice Ravel et le ballet, dans : La Revue musicale, décembre 1938, p. 75.
3 Lettre de Ravel à Marguerite de Saint-Marceaux du 27 juin 1909, voir Arbie Orenstein, Maurice Ravel. Lettres, Ecrits, Entretiens, Paris 1989 [= Orenstein, Lettres], p. 105.
4 Lettre de Ravel à Cipa Godebski du 10 avril 1910, voir René Chalupt, Ravel au miroir de ses lettres, Paris 1956 [= Chalupt, Lettres], p. 83.
5 Lettre de Ravel à Mme Godebska du 10 mai 1910, Chalupt, Lettres, p. 88.
6 Lettre de Ravel à Michel D. Calvocoressi du 3 mai 1910, Orenstein, Lettres, pp. 111 s.
7 Cité par Marcel Marnat dans : Cahiers Maurice Ravel, Fondation Maurice Ravel [= CMR], no 5 (1990–1992), p. 36.
8 Marcel Marnat, Ravel et Stravinsky, dans : CMR, no 5 (1990–1992), p. 44.
9 Jacques Durand, Quelques souvenirs d’un éditeur de musique, 2e série : 1910–1924, Paris 1925, p. 16.
10 Marguerite de SaintMarceaux, Journal 1894–1927, édité sous la direction de Myriam Chimènes, Paris 2007, p. 707.
11 Lettre de Ravel à Ralph Vaughan Williams du 5 août 1912, Orenstein, Lettres, p. 124.
12 Lettre de Ravel à Jacques Rouché du 7 octobre 1912, Orenstein, Lettres, p. 125.
13 Cité par Vera Stravinsky et Robert Craft, dans : Stravinsky in Pictures and Documents New York 1978, p. 73.
14 Comoedia, 18 juin 1914.
15 Lettre ouverte, publiée dans les journaux londoniens (par exemple The Times, Morning Post Daily Mail), 7 juin 1914.
16 Lettre de Ravel au directeur de Comoedia, Gaston de Pawlowski, début juin 1914, voir Maurice Ravel, L’intégrale : Correspondance (1895–1937), écrits et entretiens, édité sous la direction de Manuel Cornejo, Paris 2018, p. 1371.
17 Robert Brussel, dans : Le Figaro, 9 juin 1912.
18 Arthur Pougin, dans : Le Ménestrel, 15 juin 1912.
19 Henri Ghéon, dans : La Nouvelle Revue française, août 1913.
20 Christian Goubault, Maurice Ravel. Le jardin féerique, Paris 2004 [= Goubault, Ravel], p. 79.
21 Jean Marnold, dans : Mercure de France, 16 août 1917 [= Marnold, Mercure].
22 Danielle CohenLévinas, dans : Musical n° 4, juin 1987 [= Cohen-Lévinas, Musical].
23 Roland-Manuel, Esquisse autobiographique, p. 22.
24 Goubault, Ravel, p. 115.
25 Roland-Manuel, A la gloire de…Ravel, Paris 1938, p. 76.
26 Hélène Jourdan-Morhange, Ravel et nous. L’homme – l’ami – le musicien, Genève 1945, p. 115. JourdanMorhange emprunte une citation de Charles Koechlin sans le nommer.
27 Cohen-Lévinas, Musical
28 André Suarès, Ravel, Esquisse, dans : La Revue musicale, décembre 1938, p. 50.
29 Jules van Ackere, Maurice Ravel, Bruxelles 1957, p. 192.
30 Ibid., p. 194.
31 Marnold, Mercure
32 Vincent d’Indy, À propos de Daphnis et Chloé, dans: S.I.M. 1er mai 1914, cité dans : Goubault, Ravel, p. 124.
33 Lettre de Ravel à Henry Woollett du 29 juin 1914, dans : CMR no 15 (2012), pp. 53–57. D’origine anglaise, Henry Woollett (1864–1936), compositeur et musicographe, ami de Georges JeanAubry, fut professeur puis Directeur de la Société Philharmonique Sainte-Cécile et de la Schola Cantorum du Havre. Elève de Raoul Pugno (piano) et de Jules Massenet (composition), il forma André Caplet, Arthur Honegger et Raymond Loucheur.
34 Le lecteur intéressé consultera à ce sujet l’article très étayé de JeanDavid JumeauLafond, Le chœur sans paroles ou les voix du sublime, dans : Revue de musicologie, tome 83, 1997, n° 2, pp. 263–279.
35 Igor Stravinsky, Chroniques de ma vie, nouvelle édition, Paris 2000, p. 51.
vierstimmiger gemischter Chor four-part mixed choir
3 Flöten (II, III auch Piccolo)
Altflöte
2 Oboen
Englischhorn
Kleine Klarinette in Es
2 Klarinetten in A, B
Bassklarinette in B
3 Fagotte
Kontrafagott
4 Hörner in F
4 Trompeten in C
3 Posaunen
3 Flutes (II, III also Piccolo)
Alto flute
2 Oboes
English horn
Soprano clarinet in Ej
2 Clarinets in A, Bj
Bass clarinet in Bj
3 Bassoons
Double bassoon
4 Horns in F
4 Trumpets in C
3 Trombones
Tuba Tuba
Pauken
Kleine Trommel
Kastagnetten
Crotales
Becken
Windmaschine
Große Trommel
Timpani
Side drum
Castanets
Crotales
Cymbals
Aeoliphone / Wind machine
Bass drum
Trommel Drum
Tambour de Basque
Tam-tam
Tambour de Basque
Tam-tam
Chœur mixte à quatre voix
3 Flûtes (II, III aussi Petite Flûte)
Flûte en Sol
2 Hautbois
Cor anglais
Petite Clarinette en Mij
2 Clarinettes en La, Sij
Clarinette basse en Sij
3 Bassons
Contrebasson
4 Cors en Fa
4 Trompettes en Do
3 Trombones
Tuba
Timbales
Caisse claire
Castagnettes
Crotales
Cymbales
Eoliphone / Machine à vent
Grosse Caisse
Tambour
Tambour de Basque
Tam-tam
Triangel Triangle Triangle
Jeu de Timbres
Xylophon
2 Harfen
Jeu de Timbres
Xylophone
2 Harps
Jeu de Timbres
Xylophone
2 Harpes I II I II I II
accordez:
8b 8b
Celesta
Streicher
accordez:
Kontrabässe mit obligatem C
Auf der Bühne
Piccolo
Kleine Klarinette in Es
Hinter der Bühne
accordez:
accordez:
Celesta
Strings
Double basses with obligate C
On stage
Piccolo
Soprano clarinet in Ej
Off stage
Horn Horn
Trompete
Trumpet
accordez: 8b 8b
Célesta
Cordes
accordez: 8b 8b
Contrebasses avec Do obligé
Sur la Scène
Petite Flûte
Petite Clarinette en Mij
Derrière la Scène
Cor
Trompette
Aufführungsdauer Performing Time Durée
etwa 50 Minuten
Orchestermaterial mietweise
Klavierauszug EB 9422
approx. 50 minutes
Orchestral material on hire
Piano vocal score EB 9422
käuflich lieferbar available for sale
environ 50 minutes
Matériel d’orchestre en location
Réduction pour chant et piano
EB 9422 disponible en vente
Une prairie à la lisière d un bois sacré. Au fond, des collines. À droite, une grotte, à l entrée de laquelle,taillées à même le roc, sont figurées Un peu vers le fond, à gauche, un grand rocher affecte vaguement la forme du dieu Pan. Au second plan, des brebis paissent. Une après-midi claire de printemps. Au lever du rideau, la scène est vide. trois Nymphes, d une sculpture archaïque. ,, ,
1 Partie re
Lent = 48
Petite Flûte
(aussi Fl. III) I
Grande Flûte II I
(II aussi Pte. Fl. II)
Flûte (Sol)
Hautbois II I
Cor anglais
Petite Clarinette(Mi )
Clarinette (La) II I
Clarinette basse (Si )
Basson III II I
Contrebasson
Cor (Fa) IV III II I
Trompette (Do) I−IV
Trombone II I
Trombone Tuba III
Timbales
Harpe I, II I
Alto Soprano
Ténor 8
Basse
Lent = 48
Violon II
Alto
Violoncelle
Contrebasse sourd.
herausgegeben von Jean-François Monnard Maurice Ravel
This is an excerpt. Not all pages are displayed. Have we sparked your interest? We gladly accept orders via music and book stores or through our webshop at www.breitkopf.com. Dies ist eine Leseprobe.
Nicht alle Seiten werden angezeigt. Haben wir Ihr Interesse geweckt?
Bestellungen nehmen wir gern über den Musikalien- und Buchhandel oder unseren Webshop unter www.breitkopf.com entgegen.