EB 8870 – OperAria, Sopran 4

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Edition Breitkopf 8870

OperAria Sopran 4 Repertoire | dramatisch dramatic dramatique drammatico драматический

+ Phonetik-Assistent



Das Repertoire fĂźr alle Stimmgattungen The Repertoire for all Vocal Genres Sopran Band 4: dramatisch

Soprano Volume 4: dramatic

herausgegeben von / edited by Peter Anton Ling unter Mitarbeit von / with the collaboration of Marina Sandel

Edition Breitkopf 8870 Printed in Germany


OperAria ∙ Das Repertoire für alle Stimmgattungen in 16 Bänden Herausgeber: Peter Anton Ling OperAria ∙ The Repertoire for all Vocal Genres in 16 Volumes Editor: Peter Anton Ling Sopran Band 4 | Soprano Volume 4 EB 8870 Repertoire dramatisch | dramatic Lektorat und Projektkoordination: Christian Rudolf Riedel Klaviereinrichtung: Reinhard Schmiedel Editorische Mitarbeit: Marina Sandel Dramaturgische Mitarbeit: Diane Ackermann Übersetzungen: Eleanor Forbes, Petra Kamlot, Isabel Sievers (englisch), Jutta Eckes (italienisch), Sabine Wehr-Zeller (französisch) Umschlaggestaltung: Marion Schröder Notensatz: Felix Uehlein, Wiesbaden Druck: Halstan Deutschland GmbH, Mainz Tonstudio: Dirk Austen, Paul Productions Audio & Videorealisation GmbH, Hannover­­


Inhalt / Contents Geleitwort/Foreword

5

Vorwort/Preface

6

Seite Kommentar page comment

Repertoire dramatisch – dramatic 1

Carl Maria von Weber: Und ob die Wolke sie verhülle Agathe – Der Freischütz

8

142

2

Richard Wagner: Dich, teure Halle, grüß ich wieder Elisabeth – Tannhäuser

11

142

3

Richard Wagner: Einsam in trüben Tagen Elsa – Lohengrin

15

143

4

Richard Wagner: Du bist der Lenz Sieglinde – Die Walküre

20

143

5

Giuseppe Verdi: Morrò, ma prima in grazia Amelia – Un ballo in maschera

24

144

6

Giuseppe Verdi: Pace, pace, mio Dio Leonora – La forza del destino

27

144

7

Giuseppe Verdi: Tu che le vanità conoscesti Elisabetta – Don Carlo

33

145

8

Giuseppe Verdi: Mi parea / Ave Maria Desdemona – Otello

42

145

9

Amilcare Ponchielli: Suicidio! Gioconda – La Gioconda

53

146

10 Jules Massenet: De cet affreux combat / Pleurez mes yeux ! Chimène – Le Cid

57

146

11 Alfredo Catalani: Ebben? Ne andrò lontana Wally – La Wally

62

147

12 Giacomo Puccini: Sola, perduta, abbandonata Manon – Manon Lescaut

66

147

13 Giacomo Puccini: Vissi d’arte Floria Tosca – Tosca

70

148

14 Giacomo Puccini: Un bel dì, vedremo Cio-Cio-San – Madama Butterfly

73

148


Seite Kommentar page comment

15 Francesco Cilea: Io son l’umile ancella Adriana – Adriana Lecouvreur

77

149

16 Umberto Giordano: La mamma morta Maddalena – Andrea Chénier

80

149

17 Erich Wolfgang Korngold: Glück, das mir verblieb Marietta – Die tote Stadt

85

150

18 Christoph Willibald Gluck: Divinités du Stix Alceste – Alceste

90

150

19 Ludwig van Beethoven: Abscheulicher, wo eilst du hin Leonore – Fidelio

94

151

20 Carl Maria von Weber: Ozean, du Ungeheuer! Rezia – Oberon

102

151

21 Richard Wagner: Traft ihr das Schiff Senta – Der fliegende Holländer

114

152

22 Richard Wagner: Hojotoho Brünnhilde – Die Walküre

121

152

23 Richard Wagner: Mild und leise Isolde – Tristan und Isolde

126

153

24 Giuseppe Verdi: Ritorna vincitor Aida – Aida

134

153

Repertoire hochdramatisch – highly dramatic


7

Geleitwort

Foreword

Als Sängerin muss man eine klare Vorstellung von seiner Stimme und ihren Möglichkeiten haben. Was sind ihre momentanen Stärken und Schwächen, wohin wird sie sich entwickeln und wie kann ich ihr dabei helfen bzw. was könnte diese Entwicklung behindern? Welche Rolle passt zu meiner Stimme? Muss oder soll ich mich in ein bestimmtes „Fach“ einordnen? Gerade in der ersten Phase einer Gesangsausbildung stellen sich viele solcher Fragen. Eine Antwort darauf zu finden – die für die jeweilige Sängerin individuell richtige – ist nicht leicht. Meist ist es ein längerer Prozess, der manchmal etwas verunsichernd sein kann, aber auch ein immer neues Abenteuer, während dessen man sich selbst, seine Stimme und seine Ziele immer klarer wird definieren können. Ich möchte ausdrücklich jede junge Sängerin ermutigen, diese „Erkundungs-Zeit“ neugierig und voller Tatendrang anzugehen, Dinge auszuprobieren und mit großer Aufmerksamkeit der ­eigenen Intuition zu folgen, um herauszufinden, wie und wo die eigene Stimme sich wohl fühlt und entfaltet. Da das aber manchmal schwierig ist und man zumal in der Anfangszeit auch unsicher sein kann, ist es wunderbar, dass es jetzt die hier vorliegenden Bände des OperAria-Projektes für Sopran gibt, die genau die Hilfestellung geben können, die wir während dieses spannenden Prozesses brauchen. Mit der Zusammenstellung nach Stimmtyp und den zusätzlichen Informationen bzw. Ergänzungen wird eine große Lücke geschlossen. Ich wünsche allen jungen Kolleginnen viel Freude, viele ­Entdeckungen und alles, alles Gute.

A singer must have a clear idea of her voice and its potential. What are its current strengths and weaknesses, in which direction will it develop and how can I help this process, or what could obstruct it? Which role is suited to my voice? Must I, or should I, decide on a particular “fach”? Many such questions arise, especially in the early stages of ­singing training. Finding an answer – the absolutely right one for the individual singer – is not easy. Mostly it is a lengthy process which can often be disconcerting, but is always a new adventure that helps the singer learn to define her own self, voice, and goals more and more clearly. I would like to encourage every young singer to approach this “time of discovery” with zest and enthusiasm, to try things out, and take great care to follow her intuition, in order to find out how and where her own voice feels comfortable and opens up. Because this can sometimes be difficult and in the beginning we occasionally feel insecure, it is wonderful that these soprano volumes from the OperAria project are now available to provide just the right sort of assistance we need during this exciting process. With their classification according to voice type plus additional information and commentaries, they fill a large gap. I wish all young colleagues much joy, many discoveries, and all the very best.

Diessen am Ammersee, Frühjahr 2017

Diessen am Ammersee, Frühjahr 2017

Juliane Banse

Juliane Banse


8

Vorwort

Preface

Wer kennt sie nicht als treue Wegbegleiter: die traditionellen Arienalben – manchmal auch nur mühsam daraus zusammengestellte fliegende Blätter – mit einem oft schlecht spiel- oder lesbaren, nicht immer zuverlässigen Notentext. Sie gehörten einfach dazu, leisteten gute Dienste und ersparten aufwändiges Recherchieren in Bibliotheken, auch wenn viele der ­abgedruckten Arien nicht zur eigenen Stimme passten, sei es, weil das Repertoire zu unterschiedlich zusammengestellt war und lediglich die Einteilung in Stimmlagen berücksichtigte, sei es, weil ambitionierte Herausgeber Partien in einem Band ­vereinten, die unter sängerischen Gesichtspunkten nicht von ein und ­derselben Person zu bewältigen sind. Auch die inzwischen weitaus bequemeren Möglichkeiten des Internets boten bislang keine überzeugenden Alternativen. Anliegen der vorliegenden Repertoiresammlung mit Opern­ arien ist es, dem Benutzer einen modernen Wegbegleiter – oder um im Bild zu bleiben, einen systematisch aufgebauten, gut informierten Vokalcoach – an die Hand zu geben, der sich auf der Höhe der Zeit bewegt und den Anforderungen der ­heutigen Theaterpraxis entspricht. Hauptsächlich zum ­G ebrauch für Hochschulstudien und Theatervorsingen entwickelt, richtet sich die Repertoiresammlung jedoch nicht nur an Studierende, sondern auch an bereits beruflich tätige Sänger, die ihr Fachrepertoire erweitern möchten oder sich auf einen Fachwechsel vorbereiten. Darüber hinaus dürfte eine schlüssige Bündelung des Vorsingrepertoires, wie sie hier vorgestellt wird, auch für gesangspädagogisch Tätige und alle diejenigen interessant sein, die sich unter dem Aspekt spezifischer Stimmprofile über ­Besetzungsfragen informieren möchten oder die bei Rollenbesetzungen an Theatern mitzuentscheiden haben. Der vorliegende Band enthält einen repräsentativen Querschnitt durch das dramatische Sopran-Repertoire und ist ­Bestandteil einer umfassenden Repertoiresammlung von ­O pernarien für alle Stimmgattungen. Die grundlegende ­E inteilung in die Kategorien lyrisch–Koloratur, lyrisch, ­dramatisch–Koloratur, dramatisch ist als Orientierungshilfe sinnvoll; sie gibt eine Richtung vor, lässt aber genügend Spielraum für die Individualität der verschiedenen Stimmund Rollentypen und wird deshalb unter Lehrenden wie Theaterpraktikern zunehmend als nützliche Ergänzung zur traditionellen Stimmfacheinteilung verwendet, ohne mit d ­ ieser konkurrieren zu wollen. Überschneidungen zwischen den Kategorien und dem jeweils in den Einzelbänden enthaltenen Repertoire ­lassen sich bei einer so offenen Einteilung wie der hier vorgenommenen natürlich nicht ganz ausschließen. Die Auswahl der Arien aus drei Jahrhunderten des klassischen Opernrepertoires erfolgte nach stimmlichen Kriterien ­( Umfang, Tessitura, Spezifika, Arientyp) unter Berücksichtigung musikalischer und theaterpraktischer Aspekte (Stilistik, Epoche, Rollentyp, nationale Herkunft). Arien aus Barock­ opern, die heute zwar ebenfalls zum gängigen Repertoire ­gehören, aber teils andere Fähigkeiten und weitere Kenntnisse erfordern, konnten dabei nur am Rande berücksichtigt werden.

Everyone knows them as faithful companions on one’s path to vocal mastery; the traditional aria album. Sometimes these albums were simply hastily compiled loose sheets, and their musical texts hard to read or play, and were not always authoritative. They were part of the singer’s training. They were serviceable and saved the singer a great deal of research in ­libraries, even if many of the arias printed in such anthologies did not suit the singer’s voice. The repertoire often pres­ented a potpourri of vastly contrasting pieces and only took into account the distinction in vocal ranges. Other times, a­ mbitious editors compiled into one volume parts which, from a singer’s point of view, were so distant from one another that they could not be mastered by one and the same person. Even the multifarious resources of the Internet have yet to offer any compelling alternatives. The goal of the present repertoire collection of opera arias is to give the user a modern-day, systematically structured ­companion – or, to stay in character, a knowledgeable, well-informed and up-to-date vocal coach – who satisfies the demands of present-day theater practice. Although developed mainly for use in college- or university-level studies and theatrical auditions, the collection does not solely target students, but also singers who are already professionally active and wish to expand their specialized repertoire or prepare for a change of voice range. Moreover, a well-ordered conflation of the audition repertoire, as presented here, might also be interesting to anyone involved in vocal pedagogy and to all who wish to be knowledgeable about specific vocal profiles for casting-related matters, including those responsible for the casting of theatrical roles. The present volume contains a representative cross-section of the dramatic repertoire for soprano and forms part of a comprehensive repertoire anthology of opera arias for all vocal genres. The basic subdivision into the lyric–coloratura, lyric, dramatic–coloratura, dramatic categories is conceived as a means of orientation; it suggests a direction, but leaves enough room to showcase the individuality of the various types of voices and roles. This is why it is increasingly seen as a valuable supplement to the traditional “Fach” specification used by teachers and theatrical casting professionals, without seeking to compete against this traditional vocal division. Obviously, an overlapping of the categories and repertoire contained in the individual volumes cannot always be precluded on account of the very supple ­division that we have made here. The selection of arias from three centuries of classical opera repertoire was made according to vocal criteria (range, ­tessitura, specifics, type of aria), while taking into account practical aspects of a musical and theatrical nature (style, era, role type, national provenance). Arias from Baroque operas which are commonly found in today’s repertoire but sometimes call for very different qualities and additional knowledge, were ­included in this selection only marginally.


9 Meist, aber nicht immer, deckt sich der Grundcharakter der ausgesuchten Arien mit demjenigen der gesamten Partie. In Fällen, wo die stimmlichen Anforderungen von Einzelarie und Gesamtpartie auseinanderklaffen, wird darauf eigens hingewiesen, um der Gefahr stimmlicher Überforderung ­vorzubeugen. Ausgewählt wurden sowohl gängige Vorsing­a rien wie auch schwer oder nur in unzulänglichen Ausgaben zugängliche Raritäten sowie Arien der klassischen Moderne des 20. Jahrhunderts, die zumeist aus urheberrechtlichen Gründen in traditionellen Arienalben fehlen, inzwischen aber Eingang in die Spielpläne gefunden haben. Damit enthält diese Repertoiresammlung neben den unverzichtbaren klassischen Vorsingarien für Theatervorsingen eine breit gefächerte Auswahl an Arien für V ­ ortragsabende, Konzerte, Opern-Recitals, mit der Studierende wie Ausübende ihre stimmlichen und gestalterischen Fähigkeiten zeigen können. Der Notentext der Arien basiert auf Ausgaben, die in der Bühnenpraxis als Standard gelten und die größte textliche Zuverlässigkeit bieten. Die Klaviersätze wurden entweder neu erarbeitet oder auf der Grundlage bewährter Klavierauszüge mit dem Ziel revidiert, eine partiturnahe klangliche Realisierung bei ­möglichst einfacher Spielbarkeit zu ermöglichen. Dem Zweck entsprechend mussten Arien gelegentlich gekürzt (z. B. ­orchestrale Vor- oder Zwischenspiele) oder praktikable Schlüsse ergänzt werden (z. B. in weiterführenden, offenen Arien und Szenen). Die Einzelkommentare zu den Arien enthalten Informationen zu Komponist, Librettist, Werk, Tonumfang und zu eventuellen Besonderheiten wie Fassungs- und Besetzungsfragen einschließlich einer kurzen Inhaltsangabe, die die dramatische Grundkonstellation andeutet, in der die jeweilige Arie im Handlungskontext der Oper steht. Hinzu kommen methodische Hinweise aus sängerischer Sicht als Empfehlung aus der Praxis von Bühne und Hochschule, in die wertvolle Ratschläge vieler Sängerkolleginnen und -kollegen eingeflossen sind. Schließlich sei auf zwei Studierhilfen für die Arientexte verwiesen: einen „Phonetik-Assistenten“ mit Audiodateien (mp3) in der Originalsprache von Muttersprachlern gesprochen und einen „Text-Assistenten“ mit Textdateien (pdf ) in deutscher und englischer Übersetzung. Beide sind als Download unter ­w ww.breitkopf. com verfügbar. Dem Bund Deutscher Gesangspädagogen und einer Reihe von Lehrenden der Hochschule für Musik, Theater und ­Medien Hannover sei ganz herzlich für fachlichen Austausch und ­kollegialen Rat gedankt. Besonderer Dank gebührt meiner ­Kollegin Marina Sandel, die mit ihrem reichen Erfahrungsschatz beim Verfassen der methodischen Hinweise und bei der Auswahl der Arien wesentlich zum Gelingen der Ausgabe ­beigetragen hat. Zu danken ist auch dem Tonmeister Dirk Austen und den Mitwirkenden an der Audio-Aufnahme sowie allen, die beim Übersetzen und Korrekturlesen halfen: Eleanor Forbes, Petra Kamlot und Isabel Sievers (englisch), Jutta Eckes (italienisch), Sabine Wehr-Zeller (französisch), Diane Ackermann für die dramaturgische Mitarbeit, Reinhard Schmiedel für die ­Revision der Klavierauszüge und Christian Rudolf Riedel für das genaue, ­sachkundige ­Lektorat und sein unermüdliches Engagement bei der Koordinierung aller am Gelingen der Ausgabe Beteiligten und schließlich dem Verlag Breitkopf & Härtel, der die A ­ usgabe erst möglich gemacht hat.

Generally, but not always, the basic character of the aria in question reflects that of the entire part. In cases where the vocal demands of the individual aria diverge considerably from those of the overall role, this will be pointed out specifically in order to banish the danger of overtaxing the voice. We have chosen well-known audition arias as well as rarities that are otherwise inaccessible, or accessible only in unsatisfactory editions, along with arias from the 20th-century’s “classical modernity” that are missing in traditional aria albums, usually for copyright reasons, but which have since found their way into the operatic repertoire. Thus next to the indispensable classical arias for stage auditions, this anthology contains a vast ­selection of arias for recitals, concerts and opera soirées with which students and professionals can let their vocal and interpretative talents shine. The musical text of the arias is based on editions that are considered as standard in stage practice and offer the most authoritative texts. The piano parts were either newly written or revised on the basis of proven piano-vocal scores with the aim to achieve a transposition of the original sound that is as faithful to the score as possible, while remaining easy to play. To this end, we have had to occasionally abridge some arias (e.g. orchestral preludes or interludes) or supplement them with practicable endings (e.g. in open arias and scenes that lead immediately into another musical section without a break). The individual comments on the arias provide information on the composer, the librettist, the work, the range and, if deemed necessary, on peculiarities such as matters of versions and casting. Also included is a short synopsis of the contents which illuminates the basic dramatic constellation in which the ­respective aria is embedded in the context of the opera’s plot. Furthermore, there are methodical comments from the singer’s point of view as recommendation from someone who has both stage and academic teaching experience, incorporating valuable advice from many singer colleagues. Finally, we draw attention to two study aids for the aria texts: a “phonetics assistant” with audio files (mp3) in the original language, spoken by native speakers, as well as a “text assistant” with text files (pdf ) of the German and English translations. Both are available for download at www.breitkopf.com. We wish to extend our most cordial thanks to the Bund Deutscher Gesangspädagogen and several teachers at the Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hanover for rewarding professional exchanges and collegial advice. ­Special thanks are due to my colleague Marina Sandel, who has ­contributed significantly to the successful outcome of this edition with regard to the methodical comments and selection of the arias. I would also like to thank the sound engineer Dirk Austen and the students who took part in the CD ­recording, as well as to all who helped with the translations and proofreading: Eleanor Forbes, Petra Kamlot and Isabel Sievers (English), Jutta Eckes (Italian), Sabine Wehr-Zeller (French), Diane Ackermann for her dramaturgical collaboration, Reinhard Schmiedel for the revision of the piano-vocal scores, and Christian Rudolf Riedel for his precise and expert editing, and his tireless commitment as coordinator of all who contributed to the success of the edition. We are also grateful to the publisher, Breitkopf & Härtel, without whom there would be no such collection at all.

Hannover, Frühjahr 2018

Hanover, Spring 2018

Peter Anton Ling

Peter Anton Ling




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142

1

Und ob die Wolke sie verhülle (Agathe)

Carl Maria von Weber (1786–1826): Der Freischütz Akt III, Nr. 12 / Act III, No. 12 Libretto: Johann Friedrich Kind nach der Novelle Der Freischütz. Eine Volkssage von Johann August Apel Premiere: 18. Juni 1821, Berlin, Königliches Schauspielhaus Umfang: es1–as2 Dauer: ca. 5 Minuten

Libretto: Johann Friedrich Kind after the novella Der Freischütz. Eine Volkssage by Johann August Apel Premiere: 18 June 1821, Berlin, Königliches Schauspielhaus e J1–a J2 Range: Duration: ca. 5 minutes

Mit Webers „erster deutscher Nationaloper“ wurde 1821 das neu erbaute Königliche Schauspielhaus Berlin eröffnet. Am Gelingen des Probeschusses hängt für Max das Lebensglück. Nur wenn er ihn besteht, erbt er die Försterei und darf Agathe, die Tochter des Erbförsters, heiraten. So lässt er sich auf einen Handel mit dem diabolischen „schwarzen Jäger“ Samiel ein, der ihm sechs unfehlbare Kugeln dafür verspricht, die siebte Kugel selbst lenken zu dürfen. Agathe quälen dunkle Vorahnungen, doch weiß sie nicht, dass sie als Samiels Ziel tatsächlich in tödlicher Gefahr schwebt. Am Morgen des Probeschusses bereits als Braut geschmückt, versichert die fromme Frau sich einmal mehr, dass ein gnädiger Gott über sie wacht. Vorsingarie, in der weniger Dramatik als Legatofähigkeit und ruhige Stimmführung in großen Bögen gefordert wird. Es ist auf stimmliche Klarheit und schlicht wirkenden Ton zu achten, ohne dass ­Fülle und Farbe verloren gehen. Phrasen dynamisch zum inhaltlichen Endpunkt führen. Die Vorschläge in T. 13 kurz nehmen. Die langen Noten in T. 24ff. und T. 37ff. gewinnen durch Messa di voce und ruhige Führung der 16tel. Auch die Fermate in T. 30 mit Messa di voce singen. Die vokalisch beginnenden Töne in T. 17, 24 dürfen mit sehr weichem bzw. ohne Glottisschlag angesetzt werden. Bei den nach oben steigenden Phrasen sollte die Stimme leicht beginnen. T. 56 ­leise zu singen, zeigt Souveränität wie Gestaltungskraft. In T. 28 und 60 auf genaue und scharfe Punktierungen achten.

The newly built Königliches Schauspielhaus in Berlin was opened in 1821 with Weber’s “first German national opera”. Max’s happiness depends on the success of his test shot. Only if he passes will he be able to inherit the forestry district and marry ­Agathe, the head forester’s daughter. For this reason he does a deal with the demonic “black hunter” Samiel, who gives him six magic bullets that unfailingly hit their target, on condition that Samiel may control the seventh bullet himself. Agathe is tormented by dark premonitions, yet she does not know that she is in grave danger as Samiel’s target. Already in her wedding apparel on the morning of the test shot, the ­pious young woman assures herself that a gracious God watches over her. An audition aria which demands good legato technique and serene calmness in the long vocal lines, rather than dramatic singing. Make sure the voice sounds clear and unpretentious, yet without losing fullness and color. The phrases should lead dynamically towards the last word. The appoggiaturas in m. 13 should be short. The long notes in mm. 24ff. and mm. 37ff. benefit from a messa di voce and smooth handling of the 16th notes. Sing the fermate in m. 30 with messa di voce, too. The notes beginning on vowels in mm. 17, 24 may be sung with a smooth onset, i.e. without a glottal attack. The voice should begin the rising phrases lightly. Singing m. 56 quietly shows great control and interpretative creativity. In mm. 28 and 60 the dotted rhythms should be crisp and precise.

2

Dich, teure Halle, grüß ich wieder (Elisabeth)

Leseprobe

Richard Wagner (1813–1883): Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg Akt II, 1. Szene / Act II, 1st Scene

Libretto: Richard Wagner Premiere: 19. Oktober 1845, Dresden, Königlich Sächsisches Hof­ theater; Französische Fassung: 13. März 1861, Paris, Opéra (Salle Le Peletier) Umfang: dis1-h2 Dauer: ca. 4 Minuten

Libretto: Richard Wagner Premiere: 19 October 1845, Dresden, Königlich Sächsisches Hof­ theater; French version: 13 March 1861, Paris, Opéra (Salle Le Peletier) Range: d k1-b2 Duration: ca. 4 minutes

Der Tannhäuser hatte bei der Dresdener Premiere nicht den erhofften Erfolg. Dieser stellte sich erst ein, als Liszt die Oper 1849 in Weimar mit überarbeitetem Schluss aufführte. Vor langer Zeit hat Sänger Tannhäuser die vergeistigte Gesellschaft auf der thüringischen Wartburg verlassen und sich im Venusberg körperlichen Genüssen hingegeben. Elisabeth, die Tochter des Landgrafen, hat sich jedoch in den streitbaren Sänger verliebt und meidet seit seinem Verschwinden alle Menschen und Feste. Die Nachricht von seiner Rückkehr belebt sie. Voller Vorfreude betritt sie wieder die Halle der Wartburg, Schauplatz der berühmten Wettsingen. Großartige Vorsingarie mit einem strahlenden a cappella-Beginn und der Möglichkeit, wechselnde Farben zwischen euphorischer Freude und Trauer über Tannhäusers Abwesenheit in großen Bögen zu zeigen. Die Phrase ab T. 43 sollte dynamisch klug eingeteilt werden. Zahlreiche Punktierungen und Tonsprünge verführen zum Stoßen, dies vor allem in T. 91 auf a² vermeiden. Insgesamt können eine kluge dynamische Einteilung und ein durchgehendes Legato, auch über Pausen hinweg, stimmschonend und auch ausdruckssteigernd wirken. Dies gilt besonders für T. 78 und 92. Spätestens ab T. 93 wird die Stamina der Sängerin aufs Höchste gefordert, und das zumindest für Vorsingen optionale h² in T. 110 zeigt dann, ob die Stimme zuvor zu schwer geführt worden ist.

At its Dresden premiere Tannhäuser was not as successful as had been expected. Success came later, when Liszt performed the opera with a revised ending in Weimar in 1849. Tannhäuser left the spiritualized company at the Thuringian Wartburg long ago and surrendered himself to physical pleasures at the Venusberg. Elisabeth, daughter of the landgrave, has fallen in love with the quarrelsome singer, however, and since his disappearance she has avoided all company and festivities. The news that Tannhäuser has returned revives the young woman. Bursting with anticipation she reenters the Wartburg hall, the scene of the famous song contest. A splendid audition aria with a radiant a cappella beginning and the opportunity to show vocal colors ranging from euphoric joy to remembrance of the sad time of Tannhäuser’s absence, within a framework of long sweeping lines. The dynamics in the phrase from m. 43 onwards should be judiciously distributed. Numerous dotted rhythms and intervallic leaps can tempt the singer to push, but this should be avoided, especially on the a² in m. 91. Overall, a wise distribution of dynamics and a constant legato, even across the rests, can prevent vocal fatigue as well as intensify the expression. This applies particularly to mm. 78 and 92. The singer’s stamina is challenged to the utmost from m. 93 at the latest, and the optional (at least for auditions) b² in m. 110 then shows whether or not the voice is already carrying too much weight.


3

Einsam in trüben Tagen (Elsa)

143

Richard Wagner (1813–1883): Lohengrin Akt I, 2. Szene / Act I, 2nd Scene Libretto: Premiere: Umfang: Dauer:

Richard Wagner auf Basis mittelalterlicher Volkssagen 28. August 1850, Weimar, Großherzogliches Hoftheater es1–as2 ca. 6 Minuten

Bei einem Besuch in Brabant wird König Heinrich aufgefordert, über einen Erbfolgestreit zu richten: Einst wurden Elsa von Brabant und ihr Bruder, Thronfolger Gottfried, von ihrem sterbenden Vater in die Obhut Friedrich von Telramunds gegeben, der die junge Frau zu gegebener Zeit heiraten wollte. Da Gottfried von einem Spaziergang mit seiner Schwester nicht zurückgekehrt ist, klagt Telramund nun Elsa des Mordes an und erhebt zugleich Anspruch auf die Herrschaft über das Herzogtum Brabant. Vor Gericht weigert sich die abwesend wirkende Elsa jedoch, dazu Stellung zu nehmen. Stattdessen erzählt sie einen Traum, in dem ihr ein namenloser edler Ritter erschienen ist. Diesen bestimmt Elsa zu ihrem Fürstreiter, als die Frage ihrer Schuld durch ein Gottesurteil geklärt werden soll. Die Auftrittsarie der Elsa setzt sehr gute Beherrschung der deutschen Aussprache voraus; zahlreiche Umlaute, meist „ü“, können erschwerend sein, wohingegen die vielen geschlossenen Vokale auf e² und f² den Übergang zur strahlenden Höhe erleichtern. Die Stimme sollte weich, rein, klar und einfach klingen und Elsas Unschuld glaubhaft machen. Ab T. 22 nicht zu früh crescendieren, sonst ist die Steigerung bis T. 26 nicht gut zu meistern. Wenn die Traumerzählung beginnt, sollte die Stimme ein klangmalendes und tragendes pp halten, immer dominiert von guter Textverständlichkeit. Die zahlreichen scharfen Punktierungen ab T. 43ff. sind zwar streng, aber immer legato zu singen.

Libretto: Richard Wagner based on medieval folk tales Premiere: 28 August 1850, Weimar, Großherzogliches Hoftheater e J1–a J2 Range: Duration: ca. 6 minutes On a visit to Brabant King Heinrich is called upon to judge a matter of succession. Some time previously, Elsa von Brabant and her brother Gottfried, heir to the throne, were entrusted by their dying father to the care of Friedrich von Telramund, who in due course wanted to marry the young woman. When Gottfried does not return from a walk with his sister, Telramund now accuses Elsa of murder and claims lordship over the Duchy of Brabant. Questioned before the court, the seemingly absent-minded Elsa refuses to comment on the accusations. Instead she tells of a dream she had, in which a nameless noble knight appeared to her. Elsa appoints him as her champion when the question of her guilt is to be settled by an ordeal. Elsa’s entrance aria requires an excellent command of German; numerous umlaut vowels, mostly “ü”, can be difficult, whereas the many closed vowels on e² and f² ease the transition to the radiant upper register. The voice should sound warm, pure, clear and unpretentious, making Elsa’s innocence believable. Do not start the crescendo from m. 22 too soon, so that the increase in intensity up to m. 26 is more easily mastered. When the dream narration begins, the voice should maintain a subtly expressive, carrying pp, with clarity of text a predominant factor. The many sharply dotted rhythms from mm. 43ff. should be sung with precision yet always legato.

4 Du bist der Lenz (Sieglinde) Richard Wagner (1813–1883): Die Walküre

Leseprobe Akt I, Act I

Libretto: Richard Wagner Premiere: 26. Juni 1870, München, Königliches Hof- und National­t heater Umfang: des1–as2 Dauer: ca. 2 Minuten

Libretto: Richard Wagner Premiere: 26 June 1870, Munich, Königliches Hof- und Nationaltheater Range: d J1–a J2 Duration: ca. 2 minutes

Die Walküre war lange Zeit das am häufigsten einzeln aufgeführte Werk des Rings, in der Frühphase der Inszenierungsgeschichte meist mit Strichen. Komplett erklang die Partitur erstmals 1905 unter Gustav Mahler in Wien. Göttervater Wotan hat mit einer Sterblichen das Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde gezeugt. Als Kinder früh getrennt, lernte Siegmund vom Vater das Kämpfen, während die entführte Sieglinde in eine unglückliche Ehe mit Hunding gedrängt wurde. Als Jahre später Siegmund unter dem Namen Wehwalt bei Sieglinde erscheint, spüren beide eine innige Vertrautheit und unwiderstehliche Anziehung zu einander. Ihrer leidenschaftlichen Liebe tut es auch keinen Abbruch, dass Sieglinde wenige Augenblicke später in Siegmund ihren Bruder erkennt. Kurze, aber aussagekräftige Vorsingarie, die sowohl Textverständlichkeit, Durchschlagskraft als auch die Fähigkeit, längere Legatobögen zu führen, zeigt. Die wellenförmige Dynamik der kräftigen Orchesterbegleitung erfordert einen klugen Auf bau der Phrasen zu den jeweiligen Höhepunkten (T. 18, 34, 51); von T. 40 bis zum Schluss der Arie muss eine große Steigerung hörbar werden.

Die Walküre was for a long time the most frequently performed single work of the Ring cycle, and in most early productions it was performed with cuts. The first complete performance of the score was in 1905 in Vienna, conducted by Gustav Mahler. Wotan, the father of the gods, has sired the twins Siegmund and Sieglinde, with a mortal mother. Separated early in childhood, Siegmund was taught to fight by his father, while the kidnapped Sieglinde was forced into an unhappy marriage with Hunding. When Siegmund appears to Sieglinde years later under the name of Wehwalt, they both sense a deep intimacy and are irresistably attracted to each other. The fact that Sieglinde recognizes her brother in Siegmund a few moments later is no detriment to their passion. A short but convincing audition aria displaying clarity of text, carrying power and the ability to sustain longer legato phrases. The wavelike dynamics of the powerful orchestral accompaniment demand a shrewd structuring of the phrases up to the individual climaxes (mm. 18, 34, 51); there must be a clearly audible buildup from m. 40 until the end of the aria.


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Morrò, ma prima in grazia (Amelia)

Giuseppe Verdi (1813–1901): Un ballo in maschera Akt III, Nr. 19 / Act III, No. 19 Libretto: Antonio Somma nach dem Libretto Gustave ou Le Bal masqué von Eugène Scribe Premiere: 17. Februar 1859, Rom, Teatro Apollo Umfang: a–ces3 Dauer: ca. 5 Minuten

Libretto: Antonio Somma after the libretto Gustave ou Le Bal masqué by Eugène Scribe Premiere: 17 February 1859, Rome, Teatro Apollo a–c J3 Range: Duration: ca. 5 minutes

Mit dem Maskenball zog Verdi die Aufmerksamkeit der Zensur auf sich. Die Geschichte der Ermordung des Schwedenkönigs Gustav III. durch den Grafen Anckarström auf einem Maskenball erinnerte zu sehr an das Attentat auf Napoleon einige Jahre vor Entstehung der Oper. In Verdis Oper ist der Protagonist deshalb ein amerikanischer Gouverneur. Ausgerechnet seinen treuesten Freund Renato hat Riccardo, der Gouverneur von Boston, hintergangen, als er ein Verhältnis mit dessen Frau Amelia beginnt. Als Renato den Verrat entdeckt, will er Amelia töten, aber er bringt es nicht übers Herz, die letzte Bitte seiner Frau abzuschlagen: Nur noch ein einziges Mal möchte sie den gemeinsamen Sohn in die Arme schließen, bevor sie für ihre Taten büßt. Anrührende Arie, die gestalterische Reife, sehr gute Legatoführung und großen Stimmumfang erfordert. Die letzte Note von T. 15 kann mit einem Portamento in T. 16 hineingeführt werden. Trotz durchgehendem Legato die Punktierungen – besonders gegen die Triolenbegleitung – deutlich machen. Auch die seufzenden Akzente in T. 31 und 37 dürfen das Legato nicht behindern; T. 31f. artikulatorisch und dynamisch deutlich unterscheiden. In T. 35f. bewusst vom con forza ins pp zurückgehen. Die Schlusskadenz benötigt nach einem kunstvollen Messa di voce auf ces³ eine gewisse Freiheit in der Ausführung.

Verdi attracted the attention of the censors with Un ballo in maschera. The story of the Swedish King Gustav III’s murder by Count Anckar­ ström at a masked ball was too reminiscent of the assassination attempt on Napoleon a few years before the opera was written. In Verdi’s opera the protagonist is therefore an American governor. Riccardo, the governor of Boston, has betrayed his truest friend Renato by beginning an affair with the latter’s wife, Amelia. When Renato discovers the betrayal he is determined to kill Amelia. But he cannot deny his wife’s last request – before she atones for her deeds, she wants to hold their son in her arms one last time. A touching aria requiring artistic maturity, excellent legato technique and a wide vocal range. The last note of m. 15 can be linked by a portamento into the start of the next measure. Despite the continuous legato, the dotted notes should be clearly articula­ted – especially against the triplet accompaniment. Neither should the sighing accents in mm. 31 and 37 hinder the legato line, and mm. 31f. should be clearly differentiated by means of articulation and dynamic contrast. In mm. 35f. drop back deliberately from the con forza to pp. The final cadence needs a certain amount of freedom, after an artful messa di voce on the cJ³.

6 Pace, pace, mio Dio (Leonora) Giuseppe Verdi (1813–1901): La forza del destino Akt IV, Nr. 17 / Act IV, No. 17

Leseprobe

Libretto: Francesco Maria Piave nach dem Schauspiel Don A ­ lvaro, ó La fuerza del sino von Angelo Perez de Saavedra und Schillers Wallenstein Premiere: 10. November 1862, St. Petersburg, Kaiserliche Oper (1. Fassung), 20. Februar 1869, Mailand, Teatro alla ­Scala (2. Fassung) Umfang: cis1–b2 Dauer: ca. 5’30 Minuten

Libretto: Francesco Maria Piave after the play Don Alvaro, ó La fuerza del sino by Angelo Perez de Saavedra and ­Schiller’s Wallenstein Premiere: 10 November 1862, St. Petersburg, Imperial Theatre (1st version), 20 February 1869, Milan, Teatro alla Scala (2nd version) Range: c K1–b J2 Duration: ca. 5’30 minutes

Da Leonoras Vater ihren geliebten Alvaro als unstandesgemäß ablehnt, wollen die Liebenden heimlich ausreißen. Ungewollt verschuldet Alvaro dabei den Tod des Vaters, worauf Leonoras Bruder Carlos blutige Rache schwört. Auf der Flucht getrennt, kreuzt Alvaros Weg immer wieder jenen von Carlos, während Leonora Zuflucht im Kloster sucht und schließlich als Eremitin ein abgeschiedenes Leben im Gebirge führt. Dass das Schicksal die kämpfenden Männer dort hinführen wird, weiß Leonora noch nicht, als sie betend vor die Tür ihrer Grotte tritt und sich den Tod wünscht. Häufig gewählte Vorsingarie für eine Stimme, die sowohl zu pp-Höhen wie auch zu kraftvollen Tönen in der Lage ist und über ein perfektes Messa di voce, geschmackvolle Portamenti und gute sängerische Kondition verfügt. Die Punktierungen gegenüber der triolischen Begleitung deutlich abheben. In T. 41 darf das d² vor dem Atmen auf das f² portamentiert werden. T. 43 erfordert den Einsatz der weichen Bruststimme, an anderen Stellen ist zumindest eine gut gemischte untere Mittellage nötig (T. 47f., 60f., 75f.). Wenn in T. 59 ein Atem erforderlich ist, kann nach dem auf das ges² führenden Portamento kurz geatmet und auf „o“ weitergesungen werden. T. 63 zeigt, ob die Sopranistin auch ein zart schwebendes pp mit Messa di voce und anschließendem Portamento beherrscht; die perfekte Kontrolle des Vibratos in der Höhe trägt sehr zum Gelingen bei. Um T. 86 ein strahlendes b² zu erreichen, darf zuvor mit neuer Textverteilung abgesetzt werden.

Leonora’s father rejects her lover Alvaro as being beneath her social status, and therefore the lovers want to elope. Alvaro unwittingly causes her father’s death, whereupon Leonora’s brother Carlos swears bloody revenge. Separated during their flight, Alvaro’s and Carlos’ paths keep crossing, while Leonora seeks refuge in a convent and eventually leads a cloistered life as a hermit in the mountains. When she steps outside her hermitage, praying and wishing to die, Leonora does not know that fate will lead the two belligerent men to her door. A popular audition aria for a voice that can produce both high pp notes and powerful notes, this requires perfect messa di voce, tasteful portamenti and good vocal stamina. The dotted rhythms should be clearly emphasized against the triplet accompaniment. In m. 41 the d² can be taken through with a portamento to the f² before ­taking a breath. M. 43 needs light chest voice, while other places require at least a well-balanced lower middle range (mm. 47f., 60f., 75f.). If the singer needs to breathe in m. 59, she can do so briefly after the portamento to the gJ² and continue singing on the vowel “o”. M. 63 shows whether the soprano is able to produce a floating pp with messa di voce and subsequent portamento; perfect control of vibrato in the upper range helps achieve this. In order to reach a radiant bJ² in m. 86, it is possible to take a break beforehand by re­distributing the text.


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Tu che le vanità conoscesti (Elisabetta)

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Giuseppe Verdi (1813–1901): Don Carlo Akt IV / Act IV Libretto: Joseph Méry und Camille du Locle nach Don Karlos von Friedrich Schiller Premiere: 11. März 1867, Paris Théâtre Impérial de l’Opéra (Salle Le Peletier) als Don Carlos; italienische Fassung 10. Januar 1884, Mailand, Teatro alla Scala Umfang: ais–ais2 Dauer: ca. 8 Minuten

Libretto: Joseph Méry and Camille du Locle after Don Karlos by Friedrich Schiller Premiere: 11 March 1867, Paris Théâtre Impérial de l’Opéra ­( Salle Le Peletier) as Don Carlos; Italian version 10 January 1884, Milan, Teatro alla Scala a K –a K2 Range: Duration: ca. 8 minutes

Verdi kürzte die fünfaktige französische Originalfassung inklusive Balletteinlage radikal kurz vor der Premiere 1867. 1884 legte er eine vieraktige italienische Fassung ohne Ballett vor. Obwohl der spanische Infant Carlo und Elisabetta von Valois sich im Wald von Fontainebleau kennengelernt und verliebt haben, hat König Philipp die französische Prinzessin selbst geheiratet. Der Revolutionär Posa kann Carlo dazu überreden, sich gegen seinen Vater und auf die Seite des unterdrückten Flandern zu stellen. Dies bringt den Infanten in Lebensgefahr; dennoch willigt er ein, am Grab von Kaiser Karl Elisabetta zu treffen, die ihn beschwört, zu fliehen. Sie selbst hat sich bereits in das Schicksal ergeben, den Rest ihres Lebens an der Seite des ungeliebten Königs in der Fremde zuzubringen. Diese lange Szene mit Arien- und Rezitativabschnitten gibt die Möglichkeit, ausladende Phrasen, große Sprünge, eine zuverlässige Bruststimme und farbenreiche Gestaltung zu zeigen. Im Gebet wechseln Schicksalsergebenheit und Todeswunsch mit Jugenderinnerungen an Don Carlo, was sich deutlich in der Farbgebung der Stimme widerspiegeln muss. Oft sind auf kurzem Raum große Lagenwechsel zu bewältigen, die guten Vokalausgleich und Vorbereiten der Höhe durch innere Weite erfordern, in den lyrischeren, lichten Passagen mit Messa di voce (T. 56, 61, 76f.). Die Stimme wird zum Ende der Arie sowohl in ihrer Kraftentfaltung wie auch im feinsten ppp aufs Höchste gefordert.

Before the premiere in 1867 Verdi radically shortened the original French version, which was in five acts and included a ballet insert. In 1884 he produced an Italian version in four acts without ballet music. In spite of the fact that the Spanish Infante Carlo and Elisabetta of Valois had met in the forest of Fontainebleau and fell in love with each other, King Philipp has married the French princess himself. The revolutionary Posa manages to persuade Carlo to turn against his father and take up the cause of the oppressed county of Flanders. This brings the Infante into mortal danger; nevertheless he agrees to a meeting at the grave of the Emperor Charles with Elisabetta, who implores him to flee. She herself has already resigned to her fate, spending the rest of her life in a foreign land at the side of the king she does not love. This long scene with aria and recitative sections provides an opportunity to show expansive phrases, wide intervallic leaps, a solid chest voice connection and a variety of vocal colors. In the prayer, resignation and the desire to die alternate with memories of her youth and Don Carlo, and this must be clearly mirrored in the coloring of the voice. There are often larger register shifts to negotiate, which need good vowel balancing and inner expansion in preparation for the high notes, with messa di voce in the more lyrical, lighter passages (mm. 56, 61, 76f.). The voice is challenged to the utmost towards the end of the aria in terms of powerful delivery and the subtlest ppp.

Leseprobe 8 Mi parea / Ave Maria (Desdemona) Giuseppe Verdi (1813–1901): Otello

Akt IV, 1. und 2. Szene / Act IV, 1st and 2nd Scene

Libretto: Arrigo Boito nach The Tragedy of Othello, the Moor of V ­ enice von William Shakespeare Premiere: 5. Februar 1887, Mailand, Teatro alla Scala Umfang: h–ais² Dauer: ca. 14 Minuten

Libretto: Arrigo Boito after The Tragedy of Othello, the Moore of ­Venice by William Shakespeare Premiere: 5 February 1887, Milan, Teatro alla Scala Range: b–a K² Duration: ca. 14 minutes

Die Erfolge, die der maurische Krieger Otello auf dem Schlachtfeld für die Republik Venedig erringt, tragen ihm Ehre, aber auch Neid ein – vor allem, als er die schöne Desdemona heiratet. Jago sinnt auf Rache, weil er bei einer Beförderung zugunsten von Otellos Günstling Cassio übergangen wurde. Schuldlos wird Desdemona zum Spielball einer Intrige Jagos, der Otello davon überzeugt, seine Frau würde ihn mit Cassio betrügen. Die Verzweiflung über den plötzlichen Zorn und das für sie unerklärliche beleidigende Verhalten ihres Mannes hallen in Desdemona noch nach, als sie sich vor dem Zubettgehen ihrer Zofe Emilia anvertraut und später allein in Erwartung von Otellos Ankunft ihr Abendgebet spricht. Große, rezitativische Szene, die eine lyrische Stimmführung mit zarten und klaren Tönen und eine gereifte Darstellerin erfordert. Für Vorsingen wegen der Länge und mangels dramatischer Anteile weniger geeignet. Die Stimme muss in der Lage sein, zarte pp-Farben zu produzieren. Eine weiche Bruststimmmischung sollte für die zahlreichen rezitierenden tiefen Passagen zur Verfügung stehen, ebenso eine gut tragende, nicht forcierte untere Mittellage. Daneben werden Messa di voce (Echowirkungen), feine Portamenti (z. B. T. 229) und eine flexible Randstimmfunktion benötigt. Alle rezitativischen oder rezitierenden Elemente – auch im Ave Maria – sollten sich an der rhythmischen Notierung orientieren.

The successes achieved in battle by the Moorish warrior Otello for the Venetian republic bring him honour but also envy – especially when he marries the beautiful Desdemona. Iago plots revenge, because he was overlooked when a promotion was given to Otello’s ­favourite, Cassio. The innocent Desdemona becomes a pawn in Iago’s intrigue when he convinces Otello that his wife is betraying him with Cassio. Her despair at her husband’s sudden anger and inexplicable, insulting behavior still reverberates within her as she confides in her maid ­Emilia before going to bed and later says her evening prayer while ­waiting alone for Otello’s arrival. This is a grand, recitative-like scene that requires a lyrical line with gentle, clear tone and a mature performer. Due to its length and lack of dramatic elements it is less suitable for auditions. The voice must be able to produce delicate pp colors. A light chest voice mix should be available for the many low ­recitative-like passages, as well as a well-projected, unforced ­lower ­middle. Additional requirements are messa di voce (echo effects), fine portamenti (e.g. in m. 229), and a flexible head voice function. All recitative-like or speechlike elements – including in the Ave Maria – should be guided by the rhythmical notation.


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Suicidio! (Gioconda)

Amilcare Ponchielli (1834–1886): La Gioconda Akt IV, 2. Szene / Act IV, 2nd Scene Libretto: Arrigo Boito (alias Tobia Gorrio) nach dem Prosadrama Angelo, tyran de Padoue von Victor Hugo Premiere: 1. Fassung 8. April 1876, Mailand, Teatro alla Scala; endgültige Fassung 12. Februar 1880 ebendort Umfang: cis1–h² Dauer: ca. 5 Minuten

Libretto: Arrigo Boito (alias Tobia Gorrio) after the play Angelo, tyran de Padoue by Victor Hugo Premiere: 1st version 8 April 1876, Milan, Teatro alla Scala; final version 12 February 1880, same place c K1–b² Range: Duration: ca. 5 minutes

Trotz der sehr erfolgreichen Uraufführung war Ponchielli nie ganz mit der Werkgestalt zufrieden und erstellte insgesamt fünf verschiedene Fassungen der Oper. Um die schöne Straßensängerin Gioconda zu besitzen, ist dem Spitzel Barnaba jedes Mittel recht. Nicht nur bedroht er ihre blinde Mutter, sondern auch den Mann, den Gioconda liebt. Doch Enzo hat sich inzwischen mit der verheirateten Laura eingelassen. Gioconda überwindet sich dazu, Laura vor einer tödlichen Intrige zu bewahren, indem sie das für Laura bestimmte Gift mit einem Schlaftrunk vertauscht und Barnaba im Tausch für Enzos Leben sich selbst anbietet. Gioconda ist entschlossen, sich zu töten, bevor sie Barnaba in die Hände fällt. Die eindrucksvolle Arie verführt leicht zum Forcieren. Unterlegt mit einem meist kräftigen Orchesterklang erfordert sie gute Tragfähigkeit der Stimme, vor allem in mittlerer und tiefer Lage, sowie sicheren Zugriff auf die Bruststimme. Es zahlt sich aus, den Anfang und andere hohe akzentuierte Töne nicht zu stoßen: ein gedachtes Messa di voce sowie das klangliche Angleichen der Oktavsprünge entlastet die Stimme. 16tel-Auftakte sowie Punktierungen streng einhalten. In T. 22 darf ein deutliches Portamento angebracht werden, ebenso T. 29 in lichterer Farbe zum lyrisch schwebenden a². „fra le tenebre“ T. 38 (evtl. schon ab „or piomba“) sollte mit weicher Bruststimme gesungen werden. Trotz der Akzente ab T. 45 legato singen. Ein Atem nach his1 in T. 50 und die Bindung der letzten drei Achtel auf a1 kann den Weg auf das h² erleichtern. Wenn in T. 57f. geatmet werden muss, erst die Portamenti zum Zielton ausführen, dann atmen. Die lyrischen Momente in der Arie herausarbeiten, um der Stimme die nötige Entspannung zu verschaffen.

In spite of the very successful premiere, Ponchielli was never completely happy with the work’s form and produced a total of five different versions of the opera. Barnaba, a spy of the Inquisition, will go to any lengths to possess the beautiful street singer Gioconda. He threatens not only her blind mother, but also the man whom Gioconda loves. Yet in the meantime Enzo has become involved with Laura, a married woman. Gioconda brings herself to protect Laura from a fatal intrigue by swapping the poison intended for Laura with a sleeping potion and offering herself to Barnaba in exchange for Enzo’s life. Gioconda is determined to kill herself before falling into Barnaba’s hands. This impressive aria can easily tempt the singer to push. With an often powerful orchestral underlay, it demands good vocal projection, particularly in the middle and lower range, and secure access to the chest voice. It pays not to push at the beginning and on other high, accented notes – thinking a messa di voce and balancing out the octave leaps relieves pressure on the voice. The 16th note upbeats and the dotted rhythms should be strictly adhered to. A clear portamento may be added in m. 22, likewise in m. 29 in a lighter color up to the lyrically floating a². “fra le tenebre” in m. 38 (perhaps already from “or piomba”) should be sung with a light chest voice. Sing legato from m. 45 in spite of the accents. The ascent to the b² can be made easier by taking a breath after the bK1 in m. 50 and slurring the final three 8th notes on a1. If a breath must be taken in mm. 57f., first execute the portamento to the intended note, then breathe. Emphasize the lyrical moments in the aria, to allow the voice the necessary respite.

Leseprobe 10 De cet affreux combat / Pleurez mes yeux ! (Chimène) Jules Massenet (1842–1912): Le Cid Akt III, 1. Szene / Act III, 1st Scene

Libretto: Premiere: Umfang: Dauer:

Adolphe d'Ennery, Louis Gallet und Edouard Blau 30. November 1885, Paris, Opéra (Salle Garnier) cis1–h² 7 Minuten

Der tapfere Rodrigue hat sich im Kampf gegen die Mauren so verdient gemacht, dass er zum Ritter geschlagen wird. Einer Verbindung mit Chimène steht nichts im Wege, bis deren Vater Rodrigues alten Vater empfindlich kränkt – Rodrigue muss seiner Sohnespflicht nachkommen und ihn töten. Die fassungslose Chimène bittet den König um Gerechtigkeit und soll diese bekommen, sobald Rodrigue aus dem Kampf gegen die Mauren zurückkehrt. Chimène ist innerlich zerrissen: Sie liebt Rodrigue noch immer, fürchtet aber, dass sie ihren Vater verraten würde, wenn sie seinem Mörder verzeiht. Wunderschöne melodiöse Legatoarie, die langen Atem, eine gut tragende untere Mittellage sowie eine gereifte emotionale Darstellung erfordert, geeignet für eine Stimme, die etwas leichter strukturiert ist als die gesamte Partie. Der Arienbeginn erfordert eine weiche, runde und traurige Farbe, die Stimme muss trotz syllabischer Komposition im dichten Legato geführt werden. Ab T. 34 findet ein dramatisches Auf begehren mit brillanterem Klang statt. Ab T. 41 sollten Rodrigues Worte zunächst mit leichterer Stimmgebung und schönster Farbe zitiert werden – eine deutliche Zäsur vor „conduire“, wo die kräftige Orchesterbegleitung einen starken Stimmeinsatz fordert, erleichtert den Aufgang zum ersten Höhepunkt auf b².

Libretto: Adolphe d'Ennery, Louis Gallet and Edouard Blau Premiere: 30 November 1885, Paris, Opéra (Salle Garnier) Range: c K1–b² Duration: ca. 7 minutes

The valiant Rodrigue has acquitted himself so well in the battle against the Moors that he is made a knight. Nothing stands in the way of marriage to Chimène, until her father offends Rodrigue’s old father – Rodrigue must do his filial duty and kill him. The stunned Chimène asks the king for justice and this will be granted as soon as Rodrigue returns from the battle against the Moors. Chimène is inwardly torn: She still loves Rodrigue, but is afraid she would betray her father if she were to forgive his murderer. A beautiful and melodious legato aria that requires good breath control, a well-projected lower middle range and an emotionally mature portrayal that suits a voice type somewhat lighter than the rest of the role. The beginning of the aria demands a warm, round, sad color, and the voice must maintain a secure legato line in spite of the syllabic nature of the composition. From m. 34 onwards there is a dramatic protest with a more brilliant timbre. From m. 41 onwards Rodrigue’s words should be quoted in a lighter voice with a most beautiful timbre – a clear break before “conduire”, where the powerful orchestral accompaniment demands a strong vocal attack, eases the ascent to the first climax on the bJ2.


11 Ebben? Ne andrò lontana (Wally)

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Alfredo Catalani (1854–1893): La Wally Akt I / Act I Libretto: Luigi Illica nach dem Roman Die Geier-Wally von ­Wilhelmine von Hillern Premiere: 20. Januar 1892, Mailand, Teatro alla Scala Umfang: e1–h2 Dauer: ca. 4 Minuten

Libretto: Luigi Illica after the novel Die Geier-Wally by Wilhel­mine von Hillern Premiere: 20 January 1892, Milan, Teatro alla Scala Range: e1–b2 Duration: ca. 4 minutes

Alfredo Catalanis letzte Oper brachte dem Komponisten großen Erfolg. Das berühmteste Musikstück darin, Wallys Arie, hatte Catalani bereits 1878 als „Chanson Groënlandaise“ komponiert und dann mit neuem Text in die Oper verpflanzt. Gutsbesitzer Stromminger ist Vater der selbstbewussten Wally. Er möchte sie mit seinem Freund Gellner verheiraten, was das Mädchen aber entschieden ablehnt: Sie ist verliebt in den Jäger Hagenbach. Dieser jedoch ist dem Vater ein Dorn im Auge, so dass er seine Tochter vor die Wahl stellt: gehorchen oder gehen. In einer Mischung aus Mut und Trotz entscheidet sich Wally für ein Leben hoch in den Tiroler Bergen. La Wally wird an deutschen Bühnen leider sehr selten gespielt. Die Arie eignet sich daher weniger für Vorsingen, jedoch bestens als Studien- und Konzertarie. Sie erfordert eine feinabgestimmte Farbgebung und eine schlichte Tongebung; ein verlässliches Legato unterstützt diese Wirkung. Bis auf die letzten vier Takte darf die Stimme eher im lyrischen Bereich und auch im f weich und durchlässig bleiben; Portamenti können mit entsprechender Expertise und Geschmack angebracht werden (T. 17, 21, 45, 52, 58). Die zahlreichen kleinen dynamischen und artikulatorischen Vortragsanweisungen sollten akribisch befolgt werden und tragen erheblich zur glaubhaften musikalischen Gestaltung bei; so sollte die versierte Sopranistin in T. 21 unbedingt ein Decrescendo zeigen.

Alfredo Catalani’s last opera brought him great success. The most famous music in it, Wally’s aria, was composed by Catalani in 1878 as “Chanson Groënlandaise” and then incorporated into the opera with a new text. Stromminger, a wealthy farmer, is the father of the self-assured Wally. He wants to marry her to his friend Gellner, but the girl ­refuses point blank. She is in love with Hagenbach, the hunter, who is, however, a thorn in her father’s side, and so he makes his daughter choose: either obey or leave home. With mixed feelings of courage and defiance, Wally decides in favor of a life high up in the Tyrolean mountains. La Wally is regrettably very seldom performed in German theatres. The aria is therefore less suitable for auditions, but excellent as a study aria and for concerts requiring finely nuanced vocal colors and pure tone; a reliable legato line can underscore this effect. Apart from the last four measures the voice may maintain a lyrical, mellow quality, even in f; portamenti can be added with appropriate expertise and taste (mm. 17, 21, 45, 52, 58). The numerous small dynamic and articulation markings should be followed meticulously, as they contribute considerably to the credibility of the musical interpretation; for example, the experienced soprano should definitely show a decrescendo in m. 21.

12 Sola, perduta, abbandonata (Manon)

Leseprobe Giacomo Puccini (1858–1924): Manon Lescaut Akt IV / Act IV

Libretto: Ruggiero Leoncavallo, Marco Praga, Domenico Oliva, Luigi Illica, Giuseppe Giacosa, Giulio Ricordi, ­Giuseppe Adami und Giacomo Puccini nach dem Libretto zu Gounods Manon und Abbé Prévosts Roman Premiere: 1. Februar 1893, Turin, Teatro Regio Umfang: c1–b² Dauer: ca. 5 Minuten

Libretto: Ruggiero Leoncavallo, Marco Praga, Domenico ­Oliva, Luigi Illica, Giuseppe Giacosa, Giulio Ricordi, G ­ iuseppe Adami and Giacomo Puccini after the libretto of Gounod’s Manon and Abbé Prévost’s novel Premiere: 1 February 1893, Turin, Teatro Regio Range: c1–b J ² Duration: ca. 5 minutes

Liebe auf den ersten Blick bringt die attraktive Manon – eigentlich auf dem Weg ins Kloster – dazu, mit dem leidenschaftlichen Chevalier Des Grieux durchzubrennen. Doch Manons Lust auf Luxus führt über andere, einflussreichere Liebhaber letztlich zu ihrer Inhaftierung und Deportation. Des Grieux folgt der Verurteilten bis nach Amerika, wo beide nach neuerlichen Vergehen in die Wüste verbannt werden. Während Des Grieux nach Wasser sucht, begreift die verdurstende Manon in Todesangst, dass sie sich selbst und den Geliebten ins Verderben gerissen hat. Die Schuld dafür gibt sie der Verführungskraft ihrer Schönheit. Diese ergreifende Arie, die sich sehr gut als Vorsingarie für das italienische Fach eignet, sollte nur von einer sowohl stimmlich wie darstellerisch gereiften Sängerpersönlichkeit vorgetragen werden. Sie setzt eine ausladende, belastbare Stimme mit tragfähiger unterer Mittellage und weicher Bruststimme sowie die Fähigkeit voraus, die eigenen Kraftreserven gut einzuteilen; Übertreibung und klischeehaftes Agieren verbieten sich. In T. 16 sollte das Portamento im letzten Augenblick erfolgen. Die Phrase ab T. 39 mit heller Stimmgebung angehen und zur Entspannung vor den dramatischen Sprüngen T. 47 und 51 nutzen. Auch nach dem großen Ausbruch in T. 69 müssen noch Reserven vorhanden sein.

Love at first sight leads the attractive Manon, who is actually on her way to a convent, to run off with the passionate Chevalier Des Grieux. However, Manon’s love of luxury leads in the end, by way of other, more influential lovers, to her imprisonment and deportation. Des Grieux follows the convict as far as America, where both of them are sent into the desert as a punishment for fresh misde­ meanors. While Des Grieux looks for water for Manon, who is dying of thirst, she ­realizes in her deathly anguish that she has brought herself and her lover to ruin. She blames this on the seductive ­power of her beauty. This moving aria, excellent as an audition aria for the Italian fach, should only be performed by a singer who possesses vocal and dramatic maturity. It presupposes an expansive, resilient voice with a well-projected lower middle and light chest voice mix, and the ability to manage power reserves well; exaggeration and clichéd gesturing have no place here. In m. 16 the portamento should be left to the last moment. Approach the phrase from m. 39 with a bright voice and use this to relax before the dramatic leaps in mm. 47 and 51. The singer should also leave something in reserve after the grand outburst in m. 69.


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13 Vissi d'arte (Floria Tosca) Giacomo Puccini (1858–1924): Tosca Akt II /Act II

Libretto: Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach dem Drama La Tosca von Victorien Sardou Premiere: 14. Januar 1900, Rom, Teatro Costanzi, Teatro ­ ell’Opera d Umfang: es1–b2 Dauer: ca. 3 Minuten

Libretto: Giuseppe Giacosa and Luigi Illica after the play La ­Tosca by Victorien Sardou Premiere: 14 January 1900, Rome, Teatro Costanzi, Teatro dell’Opera Range: e J1–b J2 Duration: ca. 3 minutes

Schon um 1889 interessierte sich Puccini für das Drama Sardous, der sein Erfolgsstück aber dem damals fast unbekannten Komponisten nicht anvertrauen wollte. Erst nach dem Erfolg der Bohème gelang es Puccinis Verleger Ricordi, die Rechte zu erwerben. Der Maler Cavaradossi, Geliebter der berühmten Sängerin Floria Tosca, versteckt den politischen Flüchtling Angelotti. Polizeichef Scarpia gelingt es, den Rebellen und seinen Helfer aufzuspüren und so die begehrte Tosca in seine Gewalt zu bringen: Im Tausch gegen das Leben Cavaradossis soll sie sich ihm hingeben. Tosca ist verzweifelt: Nachdem sie ihr Leben der Kunst gewidmet hat und stets fromm und mildtätig war, fühlt sie sich von Gott im Stich gelassen. Die relativ kurze, sehr bekannte Arie ist sehr geeignet für Vorsingen wie auch zum Studium und ermöglicht es der Sängerin, eine wohlklingende, im Gegensatz zur Partitur meist lyrisch geführte Stimme und Gefühle von tief empfundener Verzweiflung und Verbitterung zu zeigen. Der Arienanfang sollte leise und legatissimo gesungen sein. Die Vorschläge in T. 19 und 22f. vor dem Schlag singen, alle Triolen deutlich und rhythmisch streng ausführen. Puccini soll einer Umverteilung der Silben in T. 24 zugestimmt haben, in der die Silben „fio-ri-agl‘-al(tar)“ den letzten vier Tönen des Taktes zugeteilt werden; so kann bei Bedarf noch einmal geatmet werden. In T. 36 kann zugunsten größerer Kontrolle über das anschließende ausschwingende b² die Silbe „Si-(gnor)“ lediglich auf die Auftaktachtel gesungen werden. Die Fermate keinesfalls zu lang halten und in das geforderte Schluchzen auflösen.

Around 1889 Puccini was already interested in Sardou’s drama, but the author did not want to entrust his successful play to Puccini, who was at the time an unknown composer. Only after the success of La Bohème did Puccini’s publisher Ricordi manage to acquire the rights. The painter Cavaradossi, lover of the famous singer Floria Tosca, is hiding the political fugitive Angelotti. Scarpia, the chief of police, manages to track down the rebel and his accomplice and thus hold the coveted Tosca in his grip – she must give herself to him in exchange for Cavaradossi’s life. Tosca is distraught. After having dedicated her life to art and been always pious and benevolent, she feels abandoned by God. This relatively short and very well-known aria is ideal both for auditions and for study purposes and allows the singer to demonstrate a mellifluous, mostly lyrical voice (in contrast to the rest of the role), and an emotional state comprising deeply felt desperation and bitterness. The opening of the aria should be sung quietly, with a legatissimo line. Sing the grace notes before the beat in mm. 19 and 22f., and execute all the triplets clearly and with rhythmic precision. Puccini is said to have agreed to a redistribution of the syllables in m. 24, in which the syllables “fio-ri-agl‘-al(tar)” are allocated to the last four notes. This allows for a breath to be taken if necessary. In m. 36, to allow for greater control over the subsequent vibrant bJ², the syllable “Si-(gnor)” may be sung on the eighth note upbeat. Do not hold the fermate for too long – it should dissolve into sobs, as stipulated.

Leseprobe 14 Un bel dì, vedremo (Cio-Cio-San)

Giacomo Puccini (1858–1924): Madama Butterfly Akt II, 1. Teil / Act II, 1st Part

Libretto: Giuseppe Giacosa und Luigi Illica nach der gleichnamigen Tragödie von David Belasco Premiere: 17. Februar 1904, Mailand, Teatro alla Scala (1. Fassung), 28. Mai 1904, Brescia, Teatro Grande (2. Fassung) Umfang: des1–b² Dauer: ca. 4’30 Minuten

Libretto: Giuseppe Giacosa and Luigi Illica after the tragedy of the same name by David Belasco Premiere: 17 February 1904, Milan. Teatro alla Scala (1st version), 28 May 1904, Brescia, Teatro Grande (2nd version) Range: d J1–b J² Duration: ca. 4’30 minutes

Nach einer desaströs aufgenommenen Premiere brachte eine überarbeitete zweite Fassung Madama Butterfly großen Erfolg. Weitere Revisionen folgten, selbst 1919 nahm Puccini noch Änderungen vor. Für die Zeit seiner Stationierung in Nagasaki legt sich der amerikanische Marineleutnant Pinkerton ein Haus und die Geisha Cio-Cio-San zu, die er der Form halber heiraten muss. Doch die junge Frau verliebt sich und ist entschlossen, Kultur und Religion ihres Ehemanns zu übernehmen – zum Zorn ihres gesamten Umfelds. Auch Jahre nachdem Pinkerton sie schwanger zurückgelassen und sich damit nach japanischer Auffassung von ihr geschieden hat, betrachtet sich CioCio-San als verheiratet. Allen Einwänden zum Trotz malt sie sich bis ins Detail den freudigen Tag von Pinkertons Rückkehr aus. Die Herausforderung dieser dramatischen Vorsingarie besteht ­darin, der jugendlichen Naivität und visionären Energie Cio-Cio-Sans mit ausladender, kraftvoller Stimme Ausdruck zu verleihen. Eine tragfähige untere Mittellage und weiche Bruststimme ist unabdingbar, ebenso ein strömendes, klingendes Parlando in tiefer wie höherer Lage. Ab T. 61 ist bei starker Orchesterunterlegung die volle Kraftentfaltung der Stimme gefordert. In T. 63f. sollten der Stimmfluss und die Weite der Ansatzräume nicht durch Überartikulation gefährdet werden, auch um das abschließende strahlende b² zu ermöglichen.

After the disastrously received premiere, a reworked second version brought Madama Butterfly great success. After further revisions in subsequent years Puccini made more alterations even as late as 1919. While stationed in Nagasaki, the American marine lieutenant Pinkerton takes a house and the geisha Cio-Cio-San, whom he must marry for form’s sake. The young woman loves him, however, and is determined to take on her husband’s culture and religion – causing anger amongst all around her. Cio-Cio-San considers herself married, even years after Pinkerton has abandoned her when pregnant and thus divorced her, according to Japanese opinion. Despite every objection she paints a detailed picture in her mind of the day when Pinkerton will return. The challenge of this dramatic audition aria lies in expressing ­Cio-Cio-San’s youthful naivety and visionary energy with an expansive, powerful voice. A well-projected lower middle and light chest voice are indispensable, likewise a flowing, vibrant parlando in both low and high ranges. From m. 61 onwards, the full power of the voice is required, due to the thick orchestral underlay. In mm. 63f. the flow of the voice and the expansion of the vocal tract must not be ­compromised by over-articulation, in order to reach the final radiant bJ².


15 Io son l'umile ancella (Adriana)

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Francesco Cilea (1866–1950): Adriana Lecouvreur Akt 1 / Act I Libretto: Arturo Colautti nach dem Schauspiel Adrienne ­ ecouvreur von Eugène Scribe und Ernest Legouvé L Premiere: 6. November 1902, Mailand, Teatro Lirico Umfang: c1–as2 Dauer: ca. 4 Minuten

Libretto: Arturo Colautti after the play Adrienne Lecouvreur by Eugène Scribe and Ernest Legouvé Premiere: 6 November 1902, Milan, Teatro Lirico Range: c1–a J2 Duration: ca. 4 minutes

Historischer Hintergrund des Stücks von Legouvé ist die Geschichte der Schauspielerin Lecouvreur, die um 1730 angeblich von einer Rivalin um die Gunst eines adligen Verehrers vergiftet wurde. Die Leidenschaft von Herzog Moritz von Sachsen für die Gattin des Fürsten Bouillon ist erkaltet: Er hat sich in Adriana Lecouvreur verliebt, Schauspielerin an der Pariser Comédie Française. Dort steht diese mit ihrer Konkurrentin Anne-Marie Duclos auf der Bühne. Als sie vor der Vorstellung von Fürst Bouillon, Mäzen und Liebhaber der Duclos, Komplimente erhält, dankt Adriana in aller Bescheidenheit: Sie begreift sich selbst nur als Instrument, um die Kunst der Dichter zum Leben zu erwecken. Bezaubernde Arie, eher als Konzert- oder Wettbewerbsarie denn als Vorsingarie geeignet, die dynamisch fein abgestimmte Legatobögen und langen Atem erfordert. Vorwiegend im Pianobereich angesiedelt – hier sollte die Stimme die schlichte und bescheidene Haltung der Protagonistin widerspiegeln –, werden doch einige Phrasen mit sehr kräftigem stimmlichem Zugriff abverlangt. Eine besondere Herausforderung stellen die als Portamenti gedachten Glissandi in T. 32 dar: Die Ansatzräume dürfen sich im Moment des Hinaufgleitens nicht verengen; ein Messa di voce auf dem anschließend gehaltenen Schlusston as² zeugt von großer Kunstfertigkeit.

The historical background in Legouvé’s play is the story of the actress Lecouvreur, who around 1730 was ostensibly poisoned by a rival for the favour of an aristocratic admirer. Count Moritz of Saxony’s passion for the wife of Prince Bouillon has cooled off. He has fallen in love with Adriana Lecouvreur, an actress at the Comédie Française in Paris. There she shares the stage with her rival, Anne-Marie Duclos. When she receives compliments before the performance from Prince Bouillon, Duclos’ patron and lover, Adriana thanks him in all modesty. She considers herself merely an instrument to bring the poet’s art to life. A charming aria, more of a concert or competition aria than for auditions, requiring finely graded dynamics, legato phrasing and good breath control. It stays mostly within piano boundaries, the voice mirroring the protagonist’s unpretentious and modest attitude, although a few phrases demand a powerful vocal attack. The portamento-like glissandi in m. 32 present a particular challenge – the vocal tract must not narrow during the upward slide. A messa di voce on the following sustained final aJ² displays great skill.

16 La mamma morta (Maddalena) Umberto Giordano (1867–1948): Andrea Chénier

Leseprobe Akt III / Act III

Libretto: Premiere: Umfang: Dauer:

Luigi Illica 28. März 1896, Mailand, Teatro alla Scala cis1–h² ca. 5 Minuten

Sein „Musikalisches Drama mit historischem Hintergrund“ verfasste Giordano auf Basis eines Librettos von Luigi Illica, in dem diverse – tatsächlichen Persönlichkeiten nachempfundene – Figuren auftauchen, darunter der französische Dichter André Chénier, der 1794 mit 31 Jahren auf der Guillotine endete. Nach Ausbruch der Französischen Revolution klammert sich die adlige Maddalena de Coigny in verzweifelter Zuneigung an den Dichter Andrea Chénier. Carlo Gérard, ehemals Diener im Hause de Coigny, ist derweil zum Revolutionsfunktionär aufgestiegen. Als Chénier festgenommen wird, bietet Gérard ihr Chéniers Leben im Austausch dafür, dass sie sich ihm hingibt. Maddalena ist zu allem bereit: Nachdem sie die Ermordung ihrer Familie hatte mitansehen müssen und in ständiger Furcht und Armut lebt, ist die Liebe zu Chénier das einzige, was ihr noch Hoffnung gibt. Herausfordernde Vorsingarie, die Farbenreichtum, lyrische und dramatische Stimmgebung sowie Parlando vereinigt. Die Sängerin muss der verzweifelten Zerrissenheit Maddalenas überzeugend Ausdruck verleihen können. Ihre volle Wirkung entfaltet die Arie nur, wenn die zahlreichen Tempoänderungen befolgt werden. Das Parlando in T. 11f. sollte durch lockere Artikulation erleichtert werden, Stimmschönheit tritt wegen des grausigen Inhalts in den Hintergrund. In T. 35 und 82 mit Portamento in das Andantino/Più mosso überleiten. In T. 61 sollte der Vokal „i“ sauber artikuliert werden. Ab T. 87 sind Kraftreserven erforderlich, um die sich mit ausladender Orchesterbegleitugn nach oben schraubende Entwicklung mit einem sicheren, strahlenden h2 abschließen zu können. Sollte es stimmlich leichter fallen, kann in T. 95 auf fis² schon das „Ah!“ vorweggenommen werden.

Libretto: Luigi Illica Premiere: 28 March 1896, Milan, Teatro alla Scala Range: c K1–b² Duration: ca. 5 minutes

Giordano wrote his “musical drama with historical background” to a libretto by Luigi Illica in which diverse figures based on actual historical figures appear, including the French poet André Chénier, who ended his life on the guillotine in 1794, aged 31. After the outbreak of the French Revolution the aristocratic Maddalena de Coigny clings to the poet Andrea Chénier with frantic affection. Carlo Gérard, a former servant of the de Coigny family, has meanwhile risen to the rank of revolutionary official. When Chénier is arrested, Gérard offers her Chénier’s life in exchange for her submission. Maddalena is willing to do anything: After being forced to witness the murder of her family and living in constant fear and poverty, her love for Chénier is the only thing that still gives her hope. A challenging audition aria that combines a rich variety of vocal colors, lyrical and dramatic singing and parlando. The singer must be able to express convincingly Maddalena’s desperate inner turmoil. The aria only displays its full effect when the many changes of tempo are followed. The parlando in mm. 11f. can be made easier by relaxing the articulation, and beauty of tone takes a back seat due to the gruesome nature of the content. In mm. 35 and 82 carry through with portamento to the Andantino/Più mosso. In m. 61 the vowel “i” should be cleanly articulated. From m. 87 the upwardly spiralling development with its expansive orchestral accompaniment needs reserves of power to end with a secure, radiant b². To make it easier on the voice, the “Ah!” can be brought forward to the f K² in m. 95.


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17 Glück, das mir verblieb (Marietta) Erich Wolfgang Korngold (1897–1957): Die tote Stadt 1. Bild, 5. Szene / 1st Picture, 5th Scene

Libretto: Paul Schott ( Julius Korngold) nach Hans ­Müllers ­Dramatisierung des Romans Das tote Brügge von ­Georges Rodenbach Premiere: 4. Dezember 1920, Hamburg, Stadttheater und Köln, Stadttheater Umfang: f 1–b² ca. 6 Minuten Dauer:

Libretto: Paul Schott ( Julius Korngold) after Hans Müller’s ­dramatization of the novel Das tote Brügge by Georges Rodenbach Premiere: 4 December 1920, Hamburg, Stadttheater, and Köln, Stadttheater f 1–b J² Range: Duration: ca. 6 minutes

Das Werk des Wunderkind-Komponisten Korngold avancierte zu einer der meistgespielten Opern der 1920er Jahre und war bis in die 1950er Jahre auf rund 80 internationalen Bühnen erfolgreich. Zurückgezogen in einem Zimmer, seiner „Kirche des Gewesenen“, zelebriert Paul das Andenken an seine tote Frau Marie. In der Tänzerin Marietta findet er eine Doppelgängerin der Verstorbenen; er lädt sie zu sich ein und stattet sie mit dem Seidenschal und der Laute seiner toten Frau aus. Marietta meint, zu dem alten Instrument passe ein altes Lied, und am besten ein trauriges, um ihr übermütiges Naturell auszugleichen. Der spätromantische Stil Korngolds enthält gewisse veristische Anteile. Die sängerische Anlage der Marietta verlangt deshalb eine Stimme, die lyrische Momente dramatisch grundieren kann und nicht etwa zwischen den Kategorien des Lyrischen und Dramatischen liegt. Das ursprüngliche Duett Marietta–Paul ist hier, wie in Konzerten praktiziert, als Arie abgedruckt. Die Tessitura liegt überwiegend im empfindlichen Passaggio-Bereich der Stimme, die nie im f klingen soll, sondern immer etwas zurückgehalten sein muss. Voraussetzung dafür ist eine sehr gute Appoggio-Fähigkeit, die mit dieser Arie hervorragend geschult werden kann.

The work of the child prodigy-composer Korngold became one of the most frequently performed operas of the 1920s and was successful on some 80 international stages up to the 1950s. Withdrawn to the room he keeps as a “Shrine from the Past”, Paul honors the memory of his late wife, Marie. In the dancer Marietta he finds someone who exactly resembles Marie; he invites her back to his home and provides her with his late wife’s silk scarf and lute. Marietta says that an old song would be suitable for the old instrument, preferably a nostalgic one to offset her exuberance. Korngold’s late romantic style contains some veristic elements. The fach classification of Marietta’s role requires a voice not lying somewhere between the lyrical and dramatic categories but one that can give a dramatic underlay to the lyrical moments. Here the orginal ­Marietta–Paul duet is printed as an aria, as is common practice for concerts. The tessitura lies for the most part in the sensitive passaggio area of the voice, which must never sound f, but instead somewhat restrained. This assumes an excellent command of appoggio, for the training of which this aria is eminently suited.

18 Divinités du Stix (Alceste) Christoph Willibald Gluck (1714–1787): Alceste

Leseprobe Akt I, 7. Szene / Act I, 7th Scene

Libretto: Ranieri de' Calzabigi nach dem Drama Alkestis von ­Euripides (italienisch), François-Louis Gand-Leblanc du Roullet (französisch auf Basis von Calzabigi) Premiere: 26. Dezember 1767, Wien, Burgtheater (italienisch), 23. April 1776, Paris, Opéra, Palais Royal (französisch) Umfang: c1–b² Dauer: ca. 5 Minuten

Libretto: Ranieri de' Calzabigi after the play Alkestis by Euripides (in Italian), François-Louis Gand-Leblanc du Roullet (in French based on Calzabigi) Premiere: 26 December 1767, Vienna, Burgtheater (Italian), 23 April 1776, Paris, Opéra, Palais Royal (French) Range: c1–b J² Duration: ca. 5 minutes

Als Gluck seine „tragedia“ zur „tragédie-opéra“ umarbeitete, war dies nicht bloß eine Übersetzung, sondern umfasste Änderungen des Handlungsverlaufs und der Personnage ebenso wie musikalische Anpassungen. Der allseits geliebte Herrscher Admète liegt im Sterben. Ein Orakel verkündet, dass sein Leben nur gerettet werden könne, wenn jemand an seiner Stelle stürbe. Admètes Frau Alceste ruft die Gottheiten der Unterwelt an, um ihren Entschluss kundzutun: Sie hat sich entschlossen, für den König in den Tod zu gehen. Das Mitleid der Götter will sie nicht; für sie ist es eine natürliche und edle Entscheidung, sich für den zu opfern, den sie liebt. Die Strenge und Unerbittlichkeit dieser Arie spiegelt die große Stärke der Protagonistin. Die Stimme sollte bei aller geforderten Dramatik Natürlichkeit und Klarheit bewahren. Das Andante unbedingt alla breve empfinden, die stimmliche Kraft gut einteilen. In den lyrischeren Abschnitten wie T. 33ff. und 52ff. darf die Stimme weicher geführt werden, ohne jedoch die intonatorische Präzision zu verlieren (T. 38) oder gar Portamenti anzubringen. In T. 41f. genügt ein Messa di voce als Verzierung, die Vorschläge als Achteldurchgänge ausführen. Verfügt die Sängerin über eine gut tragende Bruststimme, sollte in T. 49f. die tiefe Variante gewählt werden. Ab T. 63 dynamisch klug einteilen, um das abschließende b² mit der nötigen Strahlkraft präsentieren zu können.

When Gluck reworked his “tragedia” into a “tragédie-opéra”, it was not simply a translation, but also included changes to the plot and characters as well as musical adjustments. The much-loved ruler Admète is dying. An oracle anounces that his life can only be saved if someone dies in his stead. Admète’s wife Alceste invokes the gods to tell them of her decision to die in place of the king. She does not want the gods’ pity – for her, to sacrifice herself for the man she loves is a natural and noble choice. The severity and inexorability of this aria mirror the protagonist’s great strength. The voice should maintain a naturalness and clarity in spite of the dramatic nature of the aria. The Andante should definitely be treated as alla breve, and the vocal resources well-paced. In the more lyrical sections as in mm. 33ff. and 52ff. the voice may be more gentle, but with no loss of secure intonation (m. 38) and without adding portamenti. In m. 41f. a messa di voce suffices as ornamentation, and the grace notes should be executed as a group of equal eighth-notes. If the singer possesses a well-carrying chest voice, she should choose the lower alternative in mm. 49f. The dynamics should be judiciously graded from m. 63, in order to display the final b J² with the necessary radiant power.


19 Abscheulicher, wo eilst du hin? (Leonore)

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Ludwig van Beethoven (1770–1827): Fidelio Akt I, Nr. 9 / Act I, No. 9 Libretto: Joseph Ferdinand von Sonnleithner, Stephan von ­Breu­ning und Georg Friedrich Treitschke nach dem Opern­libretto Léonore ou L'amour conjugal von Jean ­Nicolas Bouilly Premiere: 23. Mai 1814, Wien, Kärntnertortheater (Endfassung) Umfang: h–h² ca. 7 Minuten Dauer:

Libretto: Joseph Ferdinand von Sonnleithner, Stephan von ­Breuning and Georg Friedrich Treitschke after the ­opera libretto Léonore ou L'amour conjugal by Jean Nicolas Bouilly Premiere: 23 May 1814, ­Vienna, Kärntnertortheater (final version) Range: b–b² Duration: ca. 7 minutes

Nachdem die dreiaktige Oper Leonore (1805) ihre Premiere unmittelbar nach dem Einzug Napoleons in Wien vor fast leerem Haus erlebt hatte, bearbeitete Beethoven das Werk tiefgreifend. Don Pizarro, Gouverneur eines spanischen Staatsgefängnisses, hat seit Kurzem einen neuen Mitarbeiter; in Wahrheit ist dieser Fidelio aber die als Mann verkleidete Leonore, die versuchen will, ihren inhaftierten Gatten Florestan zu befreien. Als der Besuch eines Ministers aufzudecken droht, dass Pizarro Florestan aus Rache unrechtmäßig eingekerkert hat, soll der Gefangene aus dem Weg geräumt werden. Diese dramatische Vorsingarie ist wegen der instrumentalen Stimmführung, des großen Umfanges und des meist syllabischen Textes eine Herausforderung. Belcanto-Schulung der Stimme kann helfen, den syllabischen Text gut zu verbinden. Portamenti und rhythmische Freiheiten sind nicht angebracht. Das Rezitativ verlangt dramatisch-deklamatorische Fähigkeiten, ab T. 38 sind eine weichere, wärmere Stimmgebung und Legatoqualität gefragt. Beim Übergang zum Allegro (T. 69) nur wenig oder gar nicht ritardieren. Das folgende con brio wörtlich nehmen, die Phrasen dynamisch klug einteilen: T. 77, 78, 80 von unten immer wieder leicht beginnen, auf punktierten Noten entspannen. T. 87ff. kann erleichtert werden, indem die Achtel in Vierergruppen gedacht werden. Ab T. 137 ermöglichen eine lockere Artikulation sowie kluge dynamische Einteilung den Abschluss mit einem triumphierend strahlenden h².

After the three act opera Leonore was premiered in 1805 to an almost empty house immediately after Napoleon’s entry into Vienna, Beethoven radically revised the work. Don Pizarro, governor of a Spanish state prison, has recently acquired a new member of staff. Fidelio is actually Leonore disguised as a man, wanting to attempt to free her imprisoned husband, Florestan. When a visit by a government minister threatens to uncover the fact that Pizarro had wrongly imprisoned Florestan as an act of vengeance, the prisoner is to be done away with. This dramatic audition aria is a challenge because of its instrumental lines, vocal range and mostly syllabic text. Belcanto training can help the voice connect the syllabic text. Portamenti and rhythmic freedom are not appropriate here. The recitative demands dramatic, declamatory skills, and from m. 38 a gentler, warmer voice with a legato quality. In the transition to the Allegro (m. 69) use very little ritardando, if at all. The subsequent con brio should be taken literally and the dynamics in the phrasing judiciously graded. Always begin lightly on the lower notes in mm. 77, 78, 80 and relax the dotted notes. Mm. 87ff. can be made easier by thinking the eighth notes in groups of four. Relaxed diction from m. 137 and cleverly graded dynamics make it possible to finish with a triumphantly radiant b².

Leseprobe 20 Ozean, du Ungeheuer! (Rezia)

Carl Maria von Weber (1786–1826): Oberon Akt II, 3. Szene / Act II, 3rd Scene

Libretto: James Robinson Planché nach Christoph Martin Wielands Versepos Oberon Premiere: 12. April 1826, London, Royal Theatre Covent Garden Umfang: b–c³ Dauer: ca. 9 Minuten

Libretto: James Robinson Planché after Christoph Martin Wieland’s epic poem Oberon Premiere: 12 April 1826, London, Royal Theatre Covent Garden Range: b J –c³ Duration: ca. 9 minutes

Weber komponierte seine letzte Oper auf das englische Libretto von Planché, basierend auf William Sothebys Übersetzung von Wielands romantischem Heldenepos. Bekannt wurde das Werk durch die hier wiedergegebene deutsche Übersetzung von Karl Theodor Winkler. Titania und Oberon haben sich über die Frage zerstritten, ob Männer oder Frauen unbeständiger in der Liebe seien. Versöhnung winkt erst, wenn sich zwei Liebende finden, die einander trotz größter Widerstände die Treue halten. Oberon führt daher den Ritter Hüon zu der unglücklich verlobten Kalifentochter Rezia. Sie fliehen gemeinsam, doch nun beginnen die von Puck inszenierten Prüfungen: Er lässt das Schiff der beiden kentern. Als Rezia vom einsamen Strand aus ein nahendes Schiff erspäht, glaubt sie die Rettung nah. Die selten gespielte Oper ist schwer zu besetzen. Auch die Rezia-Arie stellt höchste Anforderungen an die Sopranistin hinsichtlich Dramatik, Umfang und virtuoser Koloraturfähigkeit. Die Einleitung muss Größe haben, die Rezitative (auch im Maestoso und Allegretto) sind a tempo zu gestalten. Die Steigerung ab T. 96 durch Abspannen der punktierten Noten erleichtern, auch die 32stel T. 103 werden durch Stimmentlastung präziser. Das Presto con fuoco verlangt rhythmisch, sprachlich und intonatorisch höchste Präzision. Ab T. 170/182 sollten die jeweils tieferen Töne leicht gesungen werden, um die Flexibilität der Stimme zu erhalten. Vor dem c³ in T. 188 kann abgesetzt und auf Vokal „a“ weitergesungen werden.

Weber composed his last opera using Planché’s English libretto, based on William Sotheby’s translation of Wieland’s romantic epic. The work became known through the German translation by Karl Theodor ­Winkler, which is given here. Titania and Oberon have quarrelled about whether men or women are more fickle in love. They will only be reconciled when they find two lovers who remain faithful to each other in the face of strong resistance. Oberon therefore leads the knight Huon to the unhappily fianced Rezia, daughter of the Caliph. They elope, but now the trials staged by Puck begin – he makes their ship capsize. When Rezia spies an approaching ship from the deserted beach, she thinks they will soon be rescued. This rarely performed opera is difficult to cast. Rezia’s aria presents a great challenge to the soprano with regard to drama, range and virtuosic coloratura. The introduction must have grandeur, and the recitatives (including the Maestoso und Allegretto) should be performed a tempo. From m. 96 the escalation can be made easier by relaxing the dotted rhythms, and the 32nd notes in m. 103 become more precise when the voice is less weighty. The Presto con fuoco demands absolute accuracy of rhythm, diction and intonation. Sing the lower notes from mm. 170/182 lightly, to maintain the flexibility of the voice. It is possible to add a break before the c³ in m. 188 and continue on the vowel “a”.


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21 Traft ihr das Schiff (Senta) Richard Wagner (1813–1883): Der fliegende Holländer Akt II, Nr. 4 / Act II, No. 4

Libretto: Richard Wagner nach Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski von Heinrich Heine Premiere: 2. Januar 1843, Dresden, Königliches Hoftheater Umfang: b1–a² ca. 7 Minuten Dauer:

Libretto: Richard Wagner after Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski by Heinrich Heine Premiere: 2 January 1843, Dresden, Königliches Hoftheater Range: b J1–a² Duration: ca. 7 minutes

Wagner wurde 1839 bei seiner Flucht aus Riga während einer stürmischen Schifffahrt an Heines Geschichte erinnert und zu seinem Matrosenchor inspiriert. Bald darauf begann Wagner in Paris mit dem Entwurf der Oper, bekam dort aber nicht den erhofften Auftrag. An der 1841 „in Noth u. Sorgen“ nun deutschsprachig komponierten Oper nahm er immer wieder Umarbeitungen vor. Seefahrer Daland verspricht einem mysteriösen Kapitän die Hand seiner Tochter Senta im Austausch gegen dessen Reichtümer. Währenddessen hängt die junge Frau ihren Träumereien nach. Sie singt ihren Gefährtinnen die Ballade vom „fliegenden Holländer“ vor, eine gespenstische Gestalt, die Senta fasziniert und dessen Schicksal sie rührt: Er ist verflucht, über die Meere zu segeln, bis die Liebe einer bedingungslos treuen Frau ihn erlöst. Für die Ballade benötigt die Sängerin großen Farbenreichtum und leichten Zugriff auf eine schnell und kräftig ansprechende Höhe; rechtzeitige Bereitstellung von Weite in den Ansatzräumen hilft dabei. Die einleitenden Takte dürfen frei gestaltet werden; die anschließende syllabische Schilderung mit guter Textverständlichkeit und doch tragendem Legato singen. Die Takte 24ff. (72ff.) profitieren von gut platzierten, nicht zu engen e- und i-Vokalen. In T. 32–34 (76–78) ist auf guten Stimmfluss im Parlando zu achten. Für die Phrase ab T. 39 empfiehlt sich eine wohlklingende, weiche Stimmgebung und gute Atemführung. Den Doppelschlag T. 93 auf dem Hauptvokal „ “ führen; auch bei den nachfolgenden Diphthongen in „Heil“ und „erreichen“ gewinnt die Stimme Fülle und Durchschlagskraft durch längeres Verweilen auf dem Hauptvokal „a“.

Wagner, while fleeing from Riga by ship during a storm in 1839 he remembered Heine’s story and was inspired to write the sailors’ chorus. A short time later Wagner began his sketch of the opera in Paris, but did not gain a commission there. He repeatedly undertook reworkings of the opera, composed in 1841 and now in German, “in straitened circumstances”. The seafarer Daland promises a mysterious sea captain the hand of his daughter Senta in exchange for his riches. Meanwhile the young woman indulges in daydreams. She sings to her companions the ballad of the “flying Dutchman”, a ghostly figure who fascinates Senta and whose fate moves her. He is cursed to roam the sea until he is released by the love of a woman who loves him unconditionally. For the ballad the singer needs a wealth of color and easy access to high notes with a direct and strong attack; expanding the vocal tract in advance can help. The introductory measures may be sung freely; sing the subsequent syllabic description with clear text but with a sustained legato. Mm. 24ff. (72ff.) benefit from well-placed, yet not too narrow “e” and “i” vowels. In mm. 32–34 (76–78) take care that the voice flows in the parlando. For the phrase from m. 39, a honeyed tone and good breath control are recommended. Sing the gruppetto in m. 93 on the main vowel “ ”; likewise the voice gains in fullness and carrying power by remaining longer on the main vowel “a” in the diphthongs in “Heil” and “erreichen”.

Leseprobe 22 Hojotoho (Brünnhilde)

Richard Wagner (1813–1883): Die Walküre Akt II, 1. Szene / Act II, 1st Scene

Libretto: Richard Wagner Premiere: 26. Juni 1870, München, Königliches Hof- und National­t heater Umfang: dis1–c³ ca. 2 Minuten Dauer:

Libretto: Richard Wagner Premiere: 26 June 1870, Munich, Königliches Hof- und Nationaltheater Range: d K1–c³ Duration: ca. 2 minutes

Als nach vielen Jahren die von Wotan gezeugten, als Kinder getrennten Zwillinge Siegmund und Sieglinde wieder aufeinandertreffen, entbrennt zwischen ihnen eine leidenschaftliche Liebe. Sieglindes herrischer Ehemann Hunding fordert Siegmund zum Duell – doch Wotan ist fest entschlossen, seinen Sohn zu schützen. Er erteilt seiner Lieblingstochter Brünnhilde den Auftrag, Siegmund im Kampf gegen Hunding beizustehen. Während die Walküre gern gehorchen möchte, warnt sie zugleich den Vater: Dass Sieglinde und Siegmund miteinander Inzest und Ehebruch begangen haben, hat den Zorn von Wotans Frau Fricka erweckt. Kurze Vorsingarie für das hochdramatische Fach mit zahlreichen Herausforderungen. Die hohe Tessitura kann als anstrengend empfunden werden. Beim Walkürenruf sind intonatorische und rhythmische Schwierigkeiten zu überwinden, vor allem die Oktavsprünge nach oben erfordern ein rechtzeitiges Öffnen der Ansatzräume und gute Unterstützung; h² und c³ dürfen vibrieren, um nicht nur angestoßen zu werden. Der Triller in T. 15f. sollte sich deutlich vom Vibrato unterscheiden. Die sich durch das gesamte Stück ziehenden Punktierungen, die den kämpferischen Charakter unterstützen, dürfen nicht den Stimmfluss beeinträchtigen; gute Textverständlichkeit ist unabdingbar, wobei die zahlreichen Alliterationen als schwierig empfunden werden können und nicht übertrieben werden sollten.

When the twins Siegmund und Sieglinde, fathered by Wotan and separated at birth, meet again after many years, they become enflamed with passion for each other. Sieglinde’s overbearing husband Hunding challenges Siegmund to a duel – but Wotan is determined to protect his son. He gives his favorite daughter Brünnhilde the task of supporting Siegmund in the fight against Hunding. The Valkyrie wants to obey, but she warns her father that Sieglinde’s and Siegmund’s incest and adultery have angered Wotan’s wife Fricka. A short, very challenging audition aria for the dramatic Wagner ­soprano. The high tessitura can be taxing. In the call of the Valkyries there are difficulties of intonation and rhythm to overcome, and the upward octave leaps in particular require expansion of the vocal tract and good support; the b² and c³ may be sung with vibrato to avoid just pushing them. The trill in mm. 15f. should be clearly different from the vibrato. The dotted rhythms throughout the piece ­underscore its militant character, but must not be detrimental to the flow of the voice; clarity of text is vital, but the numerous examples of alliteration can be tricky and should not be exaggerated.


23 Mild und leise (Isolde)

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Richard Wagner (1813–1883): Tristan und Isolde Akt III, 3. Szene / Act III, 3rd Scene Libretto: Text vom Komponisten auf Basis einer Volkssage in der Fassung von Gottfried von Straßburg Premiere: 10. Juni 1865, München, Königliches Hof- und National­t heater Umfang: es1–as²/gis² Dauer: ca. 7 Minuten

Libretto: Text by the composer based on a folk tale in the version by Gottfried von Straßburg Premiere: 10 June 1865, Munich, Königliches Hof- und Nationaltheater Range: e J1–a J²/g K² Duration: 7 minutes

Im Sommer 1857 unterbrach Wagner die Arbeit am Ring, um sich seiner Tristan-Vertonung zuzuwenden. Diese spiegelt ein Stück weit seine Lebenssituation; im schweizerischen Exil hatte er sich auf eine Romanze mit Mathilde, der Ehefrau seines großzügigen Unterstützers Otto Wesendonck, eingelassen. Der ruhmreiche Ritter Tristan hat die irische Prinzessin Isolde als Braut für König Marke nach Kornwall gebracht. Doch unterwegs ist aus Feindseligkeit heftige Leidenschaft geworden; Tristan und Isolde beginnen heimlich eine Liebesbeziehung. Als diese entdeckt und Tristan tödlich verwundet wird, wartet er in der Bretagne auf Isolde; er stirbt in dem Moment, als sie gemeinsam mit König Marke eintrifft. Angesichts der Leiche ihres Geliebten steigert sich Isolde immer weiter in selige Verklärung, die in einer Vereinigung im Tod mündet. Die grandiose Schlussszene der Isolde erfordert sowohl stimmlich wie auch darstellerisch langjährige Bühnen- und Wagnererfahrung. ­Lange, nicht enden wollende Atembögen mit anschließenden Höhepunkten sowie am Ende der Szene sich verbreiternde Haltetöne über dicht geführtem Orchesterklang fordern die Stamina der Sängerin aufs Höchste. Es empfiehlt sich, die Phrasenanfänge immer wieder im Piano zu beginnen (T. 44). Die Fiorituren (T. 40, 42) sollten weich in den Stimmfluss eingebunden werden. Die Phrasen ab T. 67 bedürfen größter Kondition bei nicht nachlassender stimmlicher Schönheit.

In the summer of 1857 Wagner interrupted his work on the Ring to attend to his Tristan score. To a certain extent this work mirrors his own situation, as during his exile in Switzerland he began an affair with Mathilde, the wife of his generous sponsor Otto Wesendonck. The renowned knight Tristan has brought the Irish princess Isolde to Cornwall to become the bride of King Marke. However, during the journey their mutual hostility turns to intense passion; Tristan and Isolde secretly begin a love affair. When this is discovered and Tristan is fatally wounded, he waits in Brittany for Isolde to come to him; he dies as soon as she arrives with King Marke. At the sight of her lover’s corpse Isolde describes with growing intensity her vision of their blissful union in death. Isolde’s grand final scene requires the singer to have many years’ stage experience, both vocally and dramatically, and of singing Wagner. Endlessly long phrases leading to a climax, and long high notes at the end of the scene sustained above a dense orchestral sound challenge the singer’s stamina to the utmost. It is advisable to start the ­phrases piano (m. 44). The fioriture (mm. 40, 42) should be incorporated smoothly into the vocal line. The final phrases from m. 67 demand great stamina and never-ending beauty of tone.

24 Ritorna vincitor (Aida)

Leseprobe Giuseppe Verdi (1813–1901): Aida Akt I / Act I

Libretto: Antonio Ghislanzoni nach einem Handlungsentwurf von Auguste Mariette und einem Szenarium von ­Camille Du Locle und Giuseppe Verdi Premiere: 24. Dezember 1871, Kairo, Dar Elopera Al Misria Umfang: c1–b² Dauer: ca. 7 Minuten

Libretto: Antonio Ghislanzoni after the draft of a plot by ­Auguste Mariette and a szenario by Camille Du Locle and Giuseppe Verdi Premiere: 24 December 1871, Cairo, Dar Elopera Al Misria Range: c1–b J² Duration: ca. 7 minutes

Die Eröffnung des Opernhauses in Kairo und die Fertigstellung des Suezkanals fielen beide in den November 1869. Verdi hatte eine Auftragskomposition zu den Feierlichkeiten abgelehnt, ließ sich aber später überzeugen, seine Aida nach Entwürfen des Ägyptologen Mariette zu realisieren. Aida, die gefangen genommene nubische Prinzessin, lebt als Sklavin am Königshof von Memphis. Sie liebt heimlich Radames, ausgerechnet jenen Feldherren, der nun gegen die Truppen kämpfen soll, die Aida befreien sollen. Beim Abschied wünscht Aida Radames den Sieg, klagt sich aber für diese Worte an. Großartige Szene, auch Vorsingarie, die eine Sängerin mit großer stimmlicher und darstellerischer Reife voraussetzt. Lange Atembögen sowie ein guter Zugriff auf Bruststimme und -mischung sind außerordentlich herausfordernd, deshalb die Bruststimme nicht zu häufig und zu hoch einsetzen. Neben dramatischen Ausbrüchen muss auch Pianofähigkeit in schöner und weicher Qualität gezeigt werden (T. 58ff., 76ff., 93ff.). Die Pausen ab T. 79 sollten deutlich werden. In T. 92 und 112 darf mit einem Portamento an den nächsten Takt angeschlossen werden; den Vorschlag in T. 97 und 105 vorwegnehmen, um die Triolenwirkung nicht zu verringern. Das as² in T. 103 kann etwas länger gehalten werden. In T. 117 wird häufig nach d1 geatmet, um erst dann mit „del mio soffrir“ fortzufahren.

The opening of the opera house in Cairo and the completion of the Suez canal both took place in November 1869. Verdi had turned down a commission for the celebrations, but he was later persuaded to compose his Aida on the basis of sketches by the Egyptologist Mariette. Aida, the captured Nubian princess, is living as a slave at the royal court of Memphis. She is secretly in love with Radames, who happens to be the commander who is to attack the troops that have come to free Aida. At their parting, Aida has wished Radames victory, but accuses herself for saying this. A magnificent scene, also an audition aria, which needs a singer-actress of great maturity. Long phrases and access to a good chest register and chest voice mix are extremely challenging, therefore do not use the chest voice too often taking it too high. Alongside dramatic outbursts, the singer must also show her ability to sing piano with a beautiful, soft quality (mm. 58ff., 76ff., 93ff.). From m. 79 onwards the rests should be made clear. In mm. 92 and 112 it is permissable to connect through to the next measure with a portamento; anticipate the appoggiatura in mm. 97 and 105 so as not to disturb the effect of the triplets. The aJ² in m. 103 can be held a little longer. In m. 117 a breath is often taken after the d1, continuing with “del mio soffrir”.


Leseprobe


Leseprobe


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dramatic – coloratura EB 8870 Repertoire dramatisch | dramatic

Repertoiresammlung nach stimmlichen Kriterien (Umfang, Tessitura, Spezifika, Arientyp) unter Berücksichtigung ­musikalischer und theaterpraktischer Aspekte (Stilistik, ­Epoche, Rollentyp, nationale Herkunft)

mit Kommentaren zu den Arien • Informationen zu Komponist, Librettist, Werk, Tonumfang und Fassungs- oder Besetzungsfragen • Inhaltsangabe zur dramatischen Grundkonstellation im Handlungskontext der Oper • Einschätzung aus sängerischer Sicht

Foto: © Elsa Okazaki

Juliane Banse

Schirmherrin Sopran | Patron Soprano „Welche Rolle passt zu meiner Stimme? Muss oder soll ich mich in ein bestimmtes „Fach“ einordnen? Wunderbar, dass es jetzt die hier vorliegenden Bände des OperAria-Projektes für Sopran gibt, die genau die Hilfestellung geben können, die wir ­brauchen.“ “Which role is suited to my voice? Must I, or should I, decide on a particular ”fach”? Wonderful that these soprano volumes from the OperAria project are now available to provide just the right sort of assistance we need.” Foto: © privat

Sopran 1 EB 8867 Repertoire lyrisch – Koloratur | lyric – coloratura 2 EB 8868 Repertoire lyrisch | lyric 3 EB 8869 Repertoire dramatisch – Koloratur |

Foto: © Ulf Meinhardt

OperAria

Leseprobe

mit „Phonetik-Assistent“ und „Text-Assistent“

• Arientexte von Muttersprachlern gesprochen als ­Audiodatei (mp3) • Arientexte in deutscher und englischer Übersetzung als Textdatei (pdf) Downloads verfügbar unter www.breitkopf.com

Repertoire anthology of opera arias according to vocal criteria (range, tessitura, specifics, type of aria) with due regard to practical aspects of musical and theatrical nature (style, era, role type, national provenance)

with comments on the arias • information on the composer, the librettist, the work, the range and of versions or casting • a short synopsis of the contents illuminating the basic ­dramatic constellation in the context of the opera’s plot • an evaluation from the singer’s point of view

with “phonetics assistant” and “text assistant” • aria texts in the original language spoken by native speakers as an audio file (mp3) • aria texts in German and English translations as a text file (pdf) available for download at www.breitkopf.com

www.breitkopf.com

Peter Anton Ling Marina Sandel Herausgeber | Editors

„Unser Anliegen ist es, Studierenden einen modernen, systematisch aufgebauten, gut informierten Vokalcoach an die Hand zu geben, der den Anforderungen der heutigen Theaterpraxis entspricht. Endlich ein stimmiges Repertoire und eine schlüssige Bündelung der Vorsingearien für jede Stimm­ gattung.“ “Our goal is to give the user a modern-day, system­atically structured vocal coach who satisfies the de­mands of ­present-day theater practice. At long last a consistent ­repertoire and a well-ordered conflation of respective audition arias for all vocal genres.”

ISMN 979-0-004-18460-8

9 790004 184608 A 18

EB 8870


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