BV 513 – Ich bin ein Theatermensch

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ICH BIN EIN THEATER MENSCH

UDO ZIMMERMANN –ERINNERUNGEN UND DOKUMENTE

Herausgegeben von Saskia Zimmermann und Matthias Herrmann

Die Kammeroper Weiße Rose von Udo Zimmermann ist mit annähernd 250 Inszenierungen in weniger als vier Jahrzehnten die am häufigsten aufgeführte moderne Bühnenkomposition des Leipzig-Wiesbadener Verlages.

Wenngleich die alleinige Fokussierung auf dieses Werk die Perspektive unzulässig einengt, so repräsentiert es doch wie im Brennglas wesentliche künstlerische und inhaltliche Prinzipien des Zimmermannschen Œuvres: „Musik als Gespräch mit den Menschen setzt ... zweierlei voraus: verständliche Sprache und inhaltlichen Wert“, wie es der Komponist schon als Student formulierte.

„Für die jeweilige Umgebung war Udo Zimmermanns Widersprüchlichkeit vermutlich nicht immer leicht zu händeln. Im Rückblick erscheint sie – neben der kompositorischen Meisterschaft – als eine Art Humus, der aus inneren Widersprüchen und Kämpfen Neues entstehen ließ, das so noch nicht vorgedacht war.“

Udo Zimmermann –Erinnerungen und Dokumente

Herausgegeben von Saskia Zimmermann und Matthias Herrmann

Abdruck eines Auszugs aus dem Gedicht Lieder von einer Insel von Ingeborg Bachmann auf Seite 283 aus:

Ingeborg Bachmann: Werke, Band 1. Gedichte © 1978 Piper Verlag GmbH, München

BV 513

ISBN 978-3-7651-0513-5

© 2024 by Breitkopf & Härtel, Wiesbaden

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagfoto: picture alliance / Süddeutsche Zeitung, Foto Stephan Rumpf Umschlaggestaltung: Andreas Jacobsen (Breitkopf & Härtel)

Gesamtgestaltung / Satz: Tankred Steinicke (Breitkopf & Härtel)

Druck: BELTZ, Bad Langensalza

Printed in Germany

Inhalt

ANFÄNGE

DIE GROSSEN OPERN

Vorwort von Saskia Zimmermann 9 Hartwig Ebersbach: UZ 13
Herwig Guratzsch: Mein Mitschüler und Banknachbar Udo Zimmermann 17 Dokumente: Vom Kruzianer zum Meisterschüler 21 Siegfried Koegler: Das 1. Violinkonzert meines Kommilitonen Udo Zimmermann 23 Dokumente: Leitbild Hans Werner Henze 25 Lothar Krause: Die Wiederentdeckung von Udo Zimmermanns Opernerstling Die weiße Rose 29 Götz Schneegaß: Dankbare Erinnerungen an Udo Zimmermann und seine Oper Die weiße Rose 34 Lothar Wittke: Die zweite Entscheidung. Erinnerung an ein vergessenes Werk 38 Dokumente: Ideologische Gratwanderungen 44
Eberhard Schmidt: Levins Mühle. Oper in 9 Bildern frei nach dem Roman von Johannes Bobrowski 49 Dokumente: Levins Mühle 54 Werner Mankel: Vom Opernkomponisten zum Intendanten. Die 70-er und 80-er Jahre in den Erinnerungen eines Freundes 60 Dokumente: Mutazioni 73 Eberhard Schmidt: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin. Oper in drei Abteilungen von Udo Zimmermann, Text von Peter Hacks 78 Dokumente: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin 86 Michael Heinicke: Unter Tränen lächeln können. Aus meiner Beschäftigung mit Udo Zimmermanns Opernwerken 91 Dokumente: Die Entstehung der Oper Die wundersame Schustersfrau 99 Andreas Göpfert: Vom Manuskript zur Uraufführung. Stationen eines Werkes im Verlag 103 Alfred Kirchner: Der fliegende Robert. Die Uraufführung der Wundersamen Schustersfrau 106 Dokumente: Resonanz auf Die wundersame Schustersfrau 111 Dokumente: Das Ringen um Die Sündflut 113

UNRUHE

DER LEHRER

WEISSE ROSE

NOUVEAUX DIVERTISSEMENTS

Helge Leiberg: Der Ermöglicher 119 Udo Zimmermann im Gespräch mit Peter Zacher: Das Studio Neue Musik der Staatstheater Dresden 121 Dokumente: Chorsinfonik: Ode an das Leben und Psalm der Nacht 126 Herbert Blomstedt: Erinnerungen an die Aufführungen der Sinfonia come un grande lamento 128 Dokumente: Sinfonia come un grande lamento 129 Hans Modrow: Die Wiedereröffnung der Dresdner Semperoper. Meine Erinnerungen an Udo Zimmermann 134 Dokumente: Songerie 138 Arila Siegert: Unruhe 141 Harald Wandtke: Brennender Friede 143 Dokumente: Pax Questuosa 145
Friedhelm Hartmann: Udo Zimmermann war für mich das Fenster zur Welt 153 C. René Hirschfeld: Das Telegramm. Erinnerungen an einen unbequemen Visionär 155 Silke Fraikin: Udo Zimmermann – umtriebiger Förderer junger Künstler 162 Annette Schlünz: „Ein Garten der Zeit“. Erinnerungen an meinen Lehrer Udo Zimmermann 164
Dokumente: Weiße Rose 171 Wolfgang Willaschek: Triumph des Bindestrichs und Erinnerung an ein Fragezeichen. Zum Werkstattprozess in der Zusammenarbeit eines Librettisten mit Udo Zimmermann 177 Gabriele Fontana: „Das Wichtigste ist die innere Haltung“ 213 Dokumente: Reflexionen über Weiße Rose 215 Anna Drescher: Udo Zimmermanns Weiße Rose. Eine persönliche Betrachtung aus Regieperspektive 218
Peter Damm: Entstehung und Aufführungen der Nouveaux Divertissements d‘après Rameau 231 Dokumente: Nouveaux Divertissements d‘après Rameau 235 Dokumente: Dirigieren 240

KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT

LIEDER VON EINER INSEL

EPILOG

LEBEN UND WERK

Matthias

„Ich

Morsbach: „Vermutlich möchte
Zimmermann
der Oper Bonn 246
Schröder: Pax Questuosa
der Oper Leipzig 249
Ernst: Unterwegs mit Udo Zimmermann 251 Dokumente: Die Intendanz der Oper Leipzig 257 Jörg Herchet: Freundschaftsgesten 263 Peter Konwitschny: Mein Nachruf auf Udo Zimmermann 266 Frank Geißler: Vom Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik nach Hellerau 268 Chaya Czernowin: Berührungspunkte 275 Larissa Kowal-Wolk: „Einer, ohne den das Musikleben der Stadt München heute ganz anders aussähe“. Udo Zimmermann als Künstlerischer Leiter der musica viva 277
Petra
ich geliebt werden“. Udo
an
Mario
an
Michael
Jan Vogler: Lieder von einer Insel 285 Dokumente: Lieder von einer Insel 287 Christoph Lindenmeyer: „... kämpferisch wie lange nicht mehr ...“. Udo Zimmermanns spätes Projekt öffentlicher europäischer Gespräche 290 Manos Tsangaris: Begegnungen 295 Marc André: ... eine Art „Destinerrance“ 298
Werner Felber: Udo Zimmermann – eine Pathografie 301 Peter Gülke: Udo Zimmermann zum Gedenken. Ansprache beim Trauergottesdienst 313 Burkhard Glaetzner: ode an ein eigenes zerbrechliches ich 317
Herrmann:
brauche
in Leben und Werk von Udo Zimmermann 321 ANHANG Vita 381 Chronologisches Werkverzeichnis 387 Die Autoren 401
den assoziativen Raum“. Aspekte

Vorwort

„Mit dem Abschied beginnt die Erinnerung“ – diesen Satz von Salvador Dalí zitierte Udo Zimmermann gern, wenn ihn wieder einmal die Nachricht vom Tod eines Kollegen oder Freundes erreicht hatte und er beim Kondolieren um eine geistreiche Sentenz verlegen war. Was mir stets wie ein Gemeinplatz erschienen war, erschloss mir nach seinem Tod einen tieferen Sinn. Indem ich begann, sein Archiv aufzuarbeiten, diese unüberschaubare Fülle an treulich gesammelten und nie sortierten Dokumenten seines Lebens und Schaffens, blühte mir die Erinnerung an den redegewandten, charismatischen Menschen förmlich auf, während das Bild des kranken Mannes allmählich verblasste, den ich während der zurückliegenden Jahre gepflegt hatte.

Das vorliegende Buch ist gewissermaßen die Essenz dieses Prozesses. Es verdankt seine Entstehung einer Anregung von Matthias Herrmann, der im November 2021 die Idee eines Erinnerungsbandes an mich herangetragen hatte. Daraus erwachsen ist schließlich eine Art Monographie über Udo Zimmermanns Leben und Werk, komponiert aus originalen Beiträgen von Zeitzeugen, die mit ihm gelebt, gearbeitet, musiziert, ihn beobachtet, begleitet haben, und Dokumenten aus seinem Nachlass: Briefen, Notenskizzen, Notizen, Rezensionen, Fotografien.

Das Phänomen Udo Zimmermann hat viele Facetten: Er war Komponist, Dramaturg, Künstlerischer Leiter, Dirigent, Lehrer, Intendant, Netzwerker, Spiritus rector, Förderer, Ermöglicher oder auch, in pointierenden Selbstdefinitionen, „Wanderer zwischen den Welten“ und „Theatermensch“. Letzteres vor allem. Er meinte das umfassend. Er konnte sich nie entscheiden, ob er lieber Komponist oder Dirigent oder Intendant sein wollte. So sehr es ihn drängte, schöpferisch tätig zu sein, so sehr brauchte er den Dialog, den kreativen Austausch, Bühne und Publikum, den großen Gestaltungsspielraum. Er wollte alles, und er wollte alles gleichzeitig und auf höchstem Niveau – was ihn innerlich antrieb und zugleich überforderte.

Udo Zimmermanns Biografie fällt in ein einzigartiges Kapitel deutscher Kultur- und Zeitgeschichte: vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Ende der Merkel-Ära. Wie kein zweiter Komponist der DDR genoss er schon von den 1970-er Jahren an Erfolge, Kompositionsaufträge und Uraufführungen in beiden deutschen Staaten, dachte und wirkte er weit über die engen Grenzen der DDR hinaus, die sich hinter Mauern gegenüber westlichen Einflüssen abschottete und die Tabuisierung kosmopolitischen Denkens zur Staatsdoktrin erhob. „Ich war in meinem Selbstverständnis immer ein europäischer Komponist“, so Udo Zimmermann rückblickend 2006 in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

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Dieses Buch nähert sich ihm aus ganz verschiedenen Blickwinkeln, geht dem nach, was ihn geprägt, ihn angetrieben und ausgemacht hat, wo überall er hineingewirkt, was er geschaffen hat, was von ihm bleibt. Es verfolgt sein Leben aus der Erinnerung derer, die dabeigewesen sind, als er in der unmittelbaren Nachkriegszeit im zerstörten Dresden Schule und Kreuzchor besucht oder als Student erste kompositorische Erfolge gefeiert hat, die seine großen Opern, Chor- und Orchesterwerke aus der Taufe gehoben oder Einblick genommen haben in seine Rolle als Enfant terrible der DDRKulturpolitik, die mit ihm um Werke gerungen haben, ihm Mitarbeiter oder Freunde waren, von ihm gefördert oder inspiriert wurden, denen er Lehrer war. Und es verfolgt Udo Zimmermanns einzigartiges Engagement als Vermittler und Lobbyist der zeitgenössischen Musik, von der Gründung des Studios Neue Musik 1974 über das Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik 1986 bis zum Europäischen Zentrum der Künste Hellerau, als Künstlerischer Leiter der Bonner Werkstatt für zeitgenössisches Musiktheater und der Münchner musica viva, als Intendant der Oper Leipzig und der Deutschen Oper Berlin.

Im besonderen Fokus des Buches aber stehen der Komponist und sein Werk – das so viel mehr ist als die weltweit erfolgreiche Kammeroper Weiße Rose. Beleuchtet werden kompositorische Anfänge ebenso wie seine Entwicklung zu einem in Ost und West gleichermaßen vielgespielten und -diskutierten Opernkomponisten; das Buch lässt teilhaben an den Entstehungsprozessen seiner Werke, an kreativen Höhenflügen und Krisen, Einflüssen und Rahmenbedingungen seines kompositorischen Schaffens, es reflektiert dessen Rezeption und Wirkung. Und es offenbart die Kehrseite des extrovertierten Kommunikators und umtriebigen Machers: die fragile Künstlerseele.

Udo Zimmermann bezeichnete das Komponieren einmal als eine „Suche nach der Welt von Tönen und zugleich immer nach sich selbst“. Zu seiner ersten Arbeit für das Musiktheater – Die weiße Rose, seine Abschlussarbeit an der Dresdner Hochschule für Musik – sagte er später, er habe den Widerstand von Hans und Sophie Scholl bis zu ihrer Hinrichtung für sich „psychisch und physisch erfahrbar zu machen“ versucht. Die Musik diente ihm dazu, diese extreme Grenzerfahrung auch für den Hörer bzw. Theaterbesucher nach-erfahrbar zu machen. Er besaß ein intuitives Gespür dafür, mit welchen Mitteln er das erreichen konnte, und er setzte sie gezielt ein. Dabei war die Musik ihm ebenso Medium der Selbsterfahrung wie der Kommunikation. In einem Vortrag über die „Qualität in der Neuen Musik“, den er noch als Student an der Dresdner Musikhochschule hielt, heißt es: „Musik als Gespräch mit den Menschen setzt mithin zweierlei voraus: verständliche Sprache und inhaltlichen Wert.“ Es war dies zeitlebens seine Maxime künstlerischen Schaffens und zugleich sein „Erfolgsgeheimnis“: die Eingängigkeit und Prägnanz der musikalischen Sprache und die Wesentlichkeit der Themen und Anliegen.

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VORWORT |

Stets ging es ihm um Kernfragen, um Grundlegendes. Interessiert verfolgte er die gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und geistig-kulturellen Strömungen seiner Zeit – und mischte sich ein, ob als Komponist, als Dirigent oder als Intendant. Was immer er unternahm, es war bezogen auf das Publikum, das er bewegen, berühren, erschüttern, aufrütteln, zur Reflexion anregen wollte. Für ihn bedeutete Kunst Zeitgenossenschaft, sie sollte gesellschaftlich relevant sein, zu politischem Denken und ethischer Verantwortung motivieren, Vernunft und Toleranz fördern. Und gern gebrauchte er, vor allem, wenn er im zähen Ringen mit der meist knausrigen Kulturpolitik die Lebensnotwendigkeit von Kunst verteidigte, den Begriff „Innenweltschutz“: Kunst als Ausdruck menschlicher Selbstverständigung und Diskursmittel zur Verhandlung wesentlicher gesellschaftlicher und menschlicher Seins-Fragen.

Im Rückblick wird erkennbar, wie viele nachhaltige Impulse von ihm ausgegangen sind, wie viele Wege er bereitet und Menschen er bewegt hat, mit seiner Musik, mit den Inszenierungen, die er als Intendant verantwortete, mit seinen Themensetzungen. Wer mit ihm gearbeitet, ihn gekannt und erlebt hat, weiß, wie widersprüchlich und herausfordernd er sein konnte, aber wie er einen auch mitriss, inspirierte und über sich hinauswachsen ließ. Ich selbst habe ihn über Jahre hinweg in verschiedenen Arbeitssituationen, an der Oper Leipzig und in Hellerau, als Mitarbeiterin erlebt und war zuletzt fast 13 Jahre lang mit ihm verheiratet. Die Herausforderung, wenn er einen in den Blick nahm, hat sich mir eingebrannt: durchdringend bis ins Innerste, provozierend, zugleich suchend, fragend, mit egozentrischer Inanspruchnahme.

Ich danke allen beteiligten Autoren, die es auf sich genommen haben, ihre Erinnerungen an teils viele Jahrzehnte zurückliegende Begegnungen, Erlebnisse oder Arbeitsprozesse mit Udo Zimmermann wachzurufen und aufzuschreiben. Es sind wunderbare Texte entstanden, fein gezeichnete Porträts, sehr persönliche Einblicke in seine Arbeitsweise als Komponist und als Intendant, in sein Ringen um Kompositionen, in seine Gedankenwelt. Nicht alle, deren Erinnerungen wertvoll gewesen wären, ließen sich noch befragen. Wie gern hätte ich Harry Kupfer zu seinen Dresdner Uraufführungs-Inszenierungen von Levins Mühle und Der Schuhu und die fliegende Prinzessin befragt oder Kurt Horres zu seinen zahlreichen Zimmermann-Inszenierungen der 1980-er Jahre in Westdeutschland! Was hätten Komponistenfreunde wie Karlheinz Stockhausen, Mauricio Kagel, György Ligeti und Dieter Schnebel von Begegnungen und Aufführungen berichten können! Wie hätte Max Frisch rückblickend die Gespräche über eine Veroperung seines Gantenbein erinnert, George Tabori die gemeinsamen Probenwochen in Salzburg und Leipzig oder die Dirigenten Stefan Soltesz, Gary Bertini und Michail Jurowski ihre Arbeit mit Udo Zimmermanns Werken? Einen kleinen Eindruck von diesen und anderen Begegnungen und Freundschaften vermitteln Briefe, Fotos und Dokumente aus dem Nachlass. Der Abdruck der Briefe erfolgt mit freundlicher Genehmigung ihrer Schreiber oder deren

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| VORWORT

Rechtsnachfolger, sofern diese ausfindig gemacht werden konnten. Zitate und transkribierte Briefe sind orthographisch den Originaldokumenten getreu wiedergegeben, lediglich offensichtliche Schreibfehler wurden korrigiert.

Ich danke meinem Mitherausgeber Matthias Herrmann für die ergiebige Zusammenarbeit, die stundenlangen Gespräche und Nachlassdurchforstungen sowie sein erhellendes Nachwort, in das so viele Kostbarkeiten aus dem Schatzkästchen jahrzehntelanger Beobachtung, Materialsammlung und Nachforschung eingeflossen sind. Ich danke auch allen in Familie und Freundeskreis, die mir bei der Aufarbeitung der Archivalien mit Antworten und Hintergrundinformationen zur Seite gestanden haben, allen voran Udos treuem Weggefährten Werner Mankel und dem Bruder Ingo. Und ich danke den Söhnen Robert und Alexander für ihr Vertrauen.

Mein besonderer Dank gilt dem Lektor Thomas Frenzel für seinen klugen Sachverstand und seine Geduld bei der Bewältigung des „süßen Breis“, seine Begeisterung für den Gegenstand dieses Buches, nicht zuletzt für seine Akribie beim Korrigieren und sein Feingefühl für die deutsche Sprache. Dem gemeinsamen Ringen um genaue, unmissverständliche Formulierungen eignete mitunter durchaus etwas Vergnügliches.

Und ich danke dem Gestalter Tankred Steinicke für die angenehme Zusammenarbeit, für seine Umsicht und Ausdauer, und schließlich auch dem Verlag Breitkopf & Härtel für dieses Buch. Es möge Udo Zimmermann in der Erinnerung der Zeitgenossen lebendig halten und nachfolgende Generationen neugierig machen auf die Entdeckung und Beschäftigung mit seinem Werk.

Dresden, im Sommer 2023

Saskia Zimmermann

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VORWORT |
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Hartwig Ebersbach: Udo Zimmermann (2004), © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

DIE GROSSEN OPERN

In erster Linie bin ich doch ein Mensch des Theaters. Hier ist meine wesentliche, fast einzige Möglichkeit, Musik „direkt“, also aus nächster Nähe, persönlich gegenüberzutreten. Es ist so etwas wie eine große Liebe, die Welt der Bühne, der szenische Raum, die Figuren und die Situationen, und die Verlebendigung durch alle am Prozeß Beteiligten.

Das Theater zwingt zu großer Einfachheit, zu logischer Konsequenz in all seinen Mitteln, zu Unmittelbarkeit, zu Betroffenheit. Alle meine bisherigen kompositorischen Arbeiten kommen vom Theater her und gehen wiederum auf das Theater zu, sind ohne Theater eigentlich undenkbar.

Im Gespräch mit Peter Kost in der Sächsischen Zeitung vom 1. Dezember 1983

Eigentlich bin ich in den letzten Jahren mehr „Theatermensch“ als „Komponist“ geworden. Zumindest ist meine Liebe zum Theater eine sehr ausschließliche. Was meine Musikdramatik angeht, komponiere ich heute mehr denn je aus dem Geist des Theaters.

Im Interview mit Ernst Krause im Neuen Deutschland vom 28. Dezember 1984

Ich bin ein Theatermensch, der auch komponiert.

In einem Gespräch mit der Schweizer Zeitung Der Bund vom 19. Oktober 1995

Eberhard Schmidt

Der Schuhu und die fliegende Prinzessin

Oper in drei Abteilungen von Udo Zimmermann, Text von Peter Hacks*

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1964 – es war das zweite Jahr meiner Tätigkeit als Operndramaturg am Deutschen Nationaltheater Weimar – stieß ich in der Literaturzeitschrift Sinn und Form auf ein Kunstmärchen von Peter Hacks mit dem Titel Der Schuhu und die fliegende Prinzessin Die Poesie und Hintergründigkeit dieser Prosaerzählung schlugen mich in ihren Bann. Ich träumte sogleich davon, welche wunderbare Wirkung dieses Märchen auf der Opernbühne entfalten könnte. Obwohl ich mehrmals Komponisten auf den nach meiner Ansicht äußerst dankbaren und musikträchtigen Stoff aufmerksam zu machen versuchte, blieb ich mit meinem Traum von einer Schuhu-Oper ohne Resonanz. Bald allerdings wunderte mich das nicht mehr, denn eine Inszenierung der von Peter Hacks und Uta Birnbaum geschaffenen Bühnenfassung mit Studenten der Berliner Theaterhochschule sollte – ich wusste es freilich nur vom Hörensagen – trotz ihres Erfolgs nach zwei oder drei Vorstellungen abgesetzt worden sein; und dies offenbar nicht aus künstlerischen Gründen. Angesichts dessen und weil sich Hacks ja durchaus nicht als botmäßiger Staatsdichter erwies, mochte ein Komponist in der DDR der sechziger Jahre schon glauben, sich mit diesem zwar nicht verbotenen, aber sicher unerwünschten Stoff nur in die Nesseln zu setzen.

Später erfuhr ich, dass sich, ungeachtet etwa zu erwartender offizieller Einwände, Rainer Kunad die Option für eine Opernversion gesichert hatte. Angesichts anderer, ihn vordringlicher interessierender Pläne trat er sein Vorrecht eines Tages an Udo Zimmermann ab, der die Absicht bekundete, Levins Mühle eine Oper nach dem Hacksschen Märchen folgen zu lassen. Er bekam, wie damals üblich, einen sogenannten Entwicklungsvertrag, der ihn verpflichtete, das Werk im Kontakt zur Staatsoper Dresden zu schaffen und es ihr zur Uraufführung zu übergeben.

* Nachdruck aus: Matthias Herrmann, Vitus Froesch (Hrsg.): Märchenoper. Ein europäisches Phänomen, Dresden 2007, S. 103–107 (leicht gekürzt)

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Die Kooperation zwischen dem Komponisten und dem Theater bestand vor allem in der Zusammenarbeit zwischen Zimmermann und der Dramaturgie. Deshalb darf ich im Weiteren das Pronomen „wir“ verwenden, wenn es um die Entstehung des Textbuchs geht.

Werkstatt Libretto

Als unmittelbare Vorlage benutzten wir die dramatisierte Fassung des Märchens und wollten nach Möglichkeit die Texte von Hacks wörtlich übernehmen. Allerdings ergab sich sofort ein Problem mit dem von Szene zu Szene führenden Erzähler. Er wäre, als außerhalb der Handlung stehende und selbst nicht agierende Figur, auch nur außerhalb der musikalisch-dramatischen Ordnung am rechten Platz gewesen und hätte die eigentlichen Opernszenen eher getrennt als verbunden, d. h. sie lediglich wie Perlen auf eine Schnur gereiht. Ihn als Kommentator und Arrangeur des Spiels einzusetzen, missfiel uns nicht deshalb, weil solches anderwärts bereits praktiziert worden war (etwa von Siegfried Matthus in Der letzte Schuss), sondern weil damit das genannte Grundproblem nicht gelöst werden konnte. Aber ohne wichtige Informationen für den Verlauf zu verlieren, konnten wir den Erzähler auch nicht ersatzlos streichen. Also suchten wir einen Weg, seine verbindende Funktion so in die Handlung einzubeziehen, dass ihre Integration in die musikalische Ordnung der Oper garantiert wäre.

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Wir kamen schließlich auf die Idee, das ganze darstellende Ensemble an die Stelle des Erzählers zu setzen, d. h. ihn in Komödianten aufzuspalten, die gemeinsam das Märchen vom Schuhu und der fliegenden Prinzessin spielen. Somit war die Erzähler-

Peter Hacks am 24. April 1972 an Udo Zimmermann

79 Eberhard Schmidt: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin | DIE GROSSEN OPERN

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funktion nicht nur einbeziehbar in die künftige musikalische Ordnung, sondern sogar zum bestimmenden Parameter für sie geworden. Der Komponist musste, so könnte man sagen, „lediglich auf die Komödianten hören“, um den gesamten musikdramatischen Kosmos seiner Oper formen zu können. Mit anderen Worten: Gegenüber der Schauspielfassung folgte aus dem für die Opernversion angewandten Kunstgriff eine grundsätzlich andere Dramaturgie. Das Märchen bestand nicht mehr episodenhaft jeweils aus dem Erzählten und dessen Übergang in vergegenständlichende Darstellung, sondern war zum Bestandteil einer kontinuierlichen Handlung der Komödianten geworden, der Erzähler vom außenstehenden Vermittler zur dramaturgischen Basis mutiert. Die Oper hatte nicht mehr nur das Märchen, sondern auch den Vorgang seiner Hervorbringung zu realisieren.

Diese Lösung erschien uns wie das Zerschlagen des Gordischen Knotens. Wir konnten kaum noch verstehen, dass sie uns so heftiges Kopfzerbrechen bereitet hatte. Das Libretto verlangte nun beinahe nur noch die geschickte Verteilung von Aufgaben und Texten an die Komödianten, deren jeder grundsätzlich jede Märchenfigur spielen konnte. Freilich waren dabei durchgehend die Stimmlagen und Stimmcharaktere zu berücksichtigen.

Wir kamen bald überein, dass die Figuren Schuhu und Prinzessin – die Hoffnungsträger derer, die sie hervorbringen und sich mit ihnen identifizieren – nur im Märchen agieren dürften, d. h. die Darsteller beider sollten nicht zwischen Komödianten- und Märchenebene wechseln. Der Schuhu zumal, der menschliche Eigenschaften und die sinnbildliche Weisheit der Eule in sich vereint, galt uns als eine Art Sonde, mit der die Komödianten, Varianten von Welt und Leben durchspielend, Zustände menschlicher Existenz ausloten.

Ein gewisses Herzklopfen, mit dem wir dem Originalautor unser Libretto-Konzept unterbreiteten, sei nicht verschwiegen. Hacks hörte aufmerksam und fast durchweg schweigend der ausführlichen Erläuterung zu. Lediglich nach der Schilderung jenes Frühstücks, das der holländische Starost mit der Prinzessin original in Holland genießt, das wir jedoch in Tripolis beginnen und in Holland enden ließen, sagte er etwas überrascht, aber zustimmend: „Das ist keck!“

Das Plazet des Dichters zu unserer Textbuch-Version bekamen wir problemlos, und bis zum Schluss mischte sich Hacks nicht in den Entstehungsprozess der Oper ein. Nach Kenntnisnahme des fertigen Werks allerdings meinte er, der als Dichter bzw. Dramatiker eigene Vorstellungen vom Verhältnis der Komposition zum Libretto hatte, sinngemäß: das sei eine wunderbare Oper, aber was der Komponist da getan habe, sei „Unsinn“. Danach befragt, worin denn dieser „Unsinn“ bestünde, erklärte er: Zimmermann habe den Hacks völlig in sich eingesogen und als Zimmermann wieder von sich gegeben. Er dagegen stelle sich vor, ein Komponist müsse sich gegenüber

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| Eberhard
DIE GROSSEN OPERN
Schmidt: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin

dem Dichter so verhalten, wie es Mozart gegenüber Da Ponte getan habe. Das freilich meinten wir ebenfalls, wenn auch durchaus nicht im Sinne von Hacks und – hatten eine höchst anregende und freundliche Diskussion mit ihm bis in den nächsten Morgen hinein.

Werkstatt Komposition

Dazu kann ich natürlich nur indirekt und eher analytisch etwas sagen, denn wir, der Regisseur Harry Kupfer und ich, lernten zwar von Szene zu Szene die Musik kennen, sprachen auch mit dem Komponisten darüber, entstehen aber konnte sie natürlich nur und ohne unsere aktive Beteiligung in der internen Werkstatt Udo Zimmermanns. Ich will versuchen, aus meiner Sicht einiges von dem anzudeuten, was der Komponist über die sinngebende Vertonung von Texten hinaus dem Werk einprägte.

Das Märchen als Teil des Spiels veranlasste Zimmermann zu prinzipiell einheitlicher Behandlung von Komödianten und Märchenfiguren trotz ihrer Unterschiedlichkeit. Dem entspricht, dass alle wesentlichen melischen Formulierungen aus einem Grundmaterial abgeleitet sind. Es bildet sich am Anfang erst allmählich heraus. Auf die das Spiel initiierende Moritatenweise eines mit einem Blockflötenquartett besetzten Leierkastens (eine Erfindung des Komponisten) singt der Darsteller des Schneiders seine einleitende Erzählung mit nur drei Tönen und deren Oktavversetzungen. In gleichem Maße, wie die Komödianten in ihrem sinnreichen Spiel aufgehen, erfährt dieses Tonmaterial immer neue Erweiterungen, bis es sich im Musizieren von Bühne und Orchester voll entfaltet hat.

Obwohl mit wenigen Ausnahmen wörtlich auf der dramatisierten Fassung beruhend, meldete unsere veränderte Dramaturgie ein spezifisches Eigenleben an. Es lag nämlich nahe, dass die Komödianten ein aus ihren Erfahrungen, ihrem Sehnen und ihrem Glücksverlangen gespeistes Märchen nicht würden hervorbringen können, ohne selbst davon angerührt zu werden. Der Regie solche Rückkopplung nicht nur unverbindlich zu überlassen, sondern zwingend vorzuschreiben, musste, da es der Text nicht formulierte, Aufgabe der Musik sein. Deutlich realisiert das u. a. eine hinzuerfundene Szene: Nachdem der aus dem Ei befreite Schuhu von seinem Vater widerstrebend ins Haus genommen worden ist und gleich einer Uhr friedlich in der Stube steht, singen die Komödianten wie verzaubert ihren Traum vom Glück in einem großen Vokalisenensemble aus und heften ihr Sehnen und Hoffen an das wundersame Wesen ihrer Phantasie.

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Die metrisch meist relativ indifferent wirkende, quasi schwebende Polyphonie erfasst sowohl gestisch wie geistig die Fähigkeit des Fliegens und ist klingende Metapher für Sehnsucht nach Erweiterung und Harmonie des Menschlichen. Deshalb begleitet ein gleiches, „quasi schwebendes“ instrumentales Liniengeflecht auch die „Wanderung“

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Schmidt: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin | DIE GROSSEN OPERN
Eberhard

des Schuhu aus der kleinen Welt seiner Vaterstadt in die große Welt der Potentaten, und am Ende der Oper folgen die Komödianten mit einem Vokalisenensemble gleichen Charakters ihren Phantasiegeschöpfen zu jenem hohen Berg, auf dessen Gipfel über den Wolken eine bessere Welt ahnbar scheint.

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Auf die Spitze getrieben ist das Verfahren in einem ebenfalls ganz als musikalische Idee geborenen Szenenkomplex. Der Schuhu erhält in Mesopotamien eine Stelle als Nachtwächter des siebzehnten kaiserlichen Gartens und ein Wächterhorn. Dessen Klang verzaubert ihn zu völliger Hingabe ans Musizieren. Um ihn her tönen (elektroakustisch realisiert) Echos und fügen sich mit den Hornmotiven allmählich so zu einem seltsamen Kanon, als klinge die ganze Welt. Doch der Schuhu ist mit sich allein, und in den Klängen, die er musizierend auskostet, schwingt bewusst oder unbewusst Sehnsucht mit.

Hier setzt die Verwandlung zu einer Simultanszene ein. Das Klingen scheint bis nach Tripolis zu dringen, wo es Resonanz bei der für die Schwingungen des Schönen empfänglichen Prinzessin hervorruft. Sie stimmt ein in das, was ihr über Raum und Zeit hinweg entgegenklingt und in ihr auf eine „unbestimmte Sehnsucht“ trifft. Auch ihre Vokalisen wecken Echos. Die Vereinigung der Klänge nimmt im musikalischen Vorgang die Liebesverbindung der beiden Figuren vorweg, ehe sie voneinander wissen.

Im Übrigen gaben diese und andere Simultanszenen Anlass, den Instrumentalpart der Oper für zwei Orchester zu konzipieren. Die lyrischen Komplexe von kantabler Linearität und metrisch oft indifferenter schwebender Polyphonie stehen im Kontrast zu solchen, die sich meist metrisch und rhythmisch stabil, vielfach aber auch aggressiv oder chaotisch lärmend darbieten. In ihnen wie in Maßnahmen gegen den Schuhu spiegelt sich vorwiegend angstvolles oder militantes Beharren auf dem Status quo als der besten aller Welten.

Dabei kommt es sogar dazu, dass zwei gleiche Bühnenvorgänge mit ihren je zwei Stimmen um eineinhalb Takte gegeneinander versetzt wie ein komplexer Kanon ablaufen. Nachdem nämlich die Prinzessin um ihrer Liebe zum Schuhu willen die Werbungen der Herrscher abgewiesen hat und diese die Spekulation aufgeben müssen, mit erheiratetem Reichtum ihr militärisches Patt zu überwinden, lassen sie den Bruderkrieg ruhen, um zuerst den Nebenbuhler zu beseitigen. In einer Simultanszene diktiert jeder der Potentaten seinem Sekretär, der (einen halben Takt später beginnend) murmelnd wiederholt, einen Brief an den Bruder.

So fügt der Komponist Identisches und Trennendes in eins. Im Vergleich zu vorausgegangenen, emotional anrührenden Kantilenen weisen hier die zwar rhythmisch fixiert, aber mit nur ungefähren Tonhöhen geführten Sprechstimmen auf den niederen Geist der Beteuerungen beider Brüder. Überdies kommentiert (zehn Takte später ein-

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DIE GROSSEN OPERN | Eberhard Schmidt: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin

Eberhard

setzend) der unseriös jahrmarktige Klang zweier Singender Sägen die Zweckverbrüderung sarkastisch mit dem Lied „Du, du liegst mir im Herzen“.

Auf der Fahrt per Schiff über das mittelländische Meer nach Tripolis wird der Schuhu von den vereinten Streitkräften der Herrscher in eine gewaltige Seeschlacht verwickelt.

Der Märchenheld bereitet seinen Gegnern eine totale Niederlage. Zur Seeschlacht lässt der Komponist alla marcia einen enggeführten Umkehrungskanon spielen. Motivische Gegenbewegung und Raumdistanz der beiden Orchester gemahnen geradezu an militärische Zangentaktik. Die Musik crescendiert martialisch, geht in Aleatorik über, und schließlich greifen die Bläser der Orchester sogar auf der Bühne in das Getümmel ein, „ihre Instrumente gleichsam als Waffen benutzend und mit ihnen Tonfolgen wie Schüsse abfeuernd“, wie es im Klavierauszug beschrieben ist.

Solche Anleihe an instrumentales Theater spielt auch bei der Verurteilung eines Bergs eine Rolle. Der besteht nämlich aus Musikern. Ihre gleichsam statische Klangfiguration tönt, nachdem er buchstäblich „beseitigt“, also beiseitegeschaufelt worden ist, an neuem Platz unbeirrt weiter. Bei Hacks heißt es, dass ältere Karten den Berg an einer etwas anderen Stelle verzeichnen, und nicht, weil sie sich irrten.

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Szenenfoto der Uraufführung am 30. Dezember 1976 an der Staatsoper Dresden in der Inszenierung von Harry Kupfer, Foto Erwin Döring
Schmidt: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin | DIE GROSSEN OPERN

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Da der Schuhu keiner der Welten, die er durchlebt, integrierbar ist, gibt es außer der vokalen und der instrumentalen Schicht noch eine dritte, die unmittelbar ihm zugehört. Sie wird realisiert durch das Einspielen elektronisch transformierter Klänge. Schon bei der Geburt des Schuhu-Eies weist ein aus dem Schmerzensschrei der Gebärenden aufsteigendes Klangereignis, das den Start eines Weltraumschiffs assoziieren lässt, nachdrücklich darauf hin, dass das Geschehen weit größere Dimensionen anvisiert als in der engen Kleinbürgerwelt des Provinzstädtchens denkbar sind. Wenn es auch die im Gehorsam gegenüber der Obrigkeit zufriedenen Leute nicht im rechten Sinne zu begreifen vermögen: Hier geschieht „Ungeheures“. Das danach dreimal erklingende dreitönige Schuhu-Motiv aus elektronisch verfremdeten Cembalotönen wirkt wie eine erste fröhliche Äußerung des noch nicht ganz Geborenen.

Auf die weitere Verwendung von mittels Ringmodulation, Sinusgeneratoren, Filtern und Tonbandtechniken verfremdeten Klängen kann ich nur hinweisen, ebenso auf eine Menge sinnreich eingesetzter Zitate, auf die Relativierung des harmonischen Lebens im reichen Tripolis oder auf die vorübergehende Entfremdung von Schuhu und Prinzessin. Es ist eine von dem unglaublich anregenden Stoff evozierte überbordende Phantasiewelt.

Nachtrag

Das Schuhu-Ei kann man durchaus einem Kuckucks-Ei vergleichen, denn es liegt mindestens in der von den Komödianten geschilderten Welt wie in einem fremden Nest. Es gab allerdings bestimmte Leute, die meinten, wir legten ihnen den Schuhu und die fliegende Prinzessin als Kuckucks-Ei ins Nest. Während der Entstehungszeit des Werks nämlich flatterte der Leitung der Dresdner Staatsoper ein Brief aus der SED-Bezirksleitung auf den Tisch. Darin wurde um ein Gespräch über das Uraufführungsprojekt gebeten. Die Zusammenkunft fand im Theater statt. Außer den aktuell beteiligten Vorständen der Staatsoper, zu denen selbstverständlich auch der Komponist gehörte, nahmen teil: der Erste Sekretär und Chef der SED-Bezirksleitung Dresden, Hans Modrow, der Sekretär für Kultur und, als Wortführer, der Sekretär für Literatur. Der versuchte uns begreiflich zu machen, dass die Gleichnisse dieses Märchens zweifellos gegen die DDR gerichtet seien. Nachdem im Verlauf der Diskussion dieser Frage dem Hüter der Ideologie die Argumente allmählich ausgegangen waren, sagte er: „Ihr wisst, dass wir euch vertrauen, aber Hacks hat in seinen Sachen immer Haken versteckt, die merkt nicht mal ihr.“ Unsere Gegenfrage war natürlich: „Wer dann?“ An dieser Stelle sprach Hans Modrow, der zwar aufmerksam zugehört, aber sich bisher ebensowenig am Gespräch beteiligt hatte wie sein Kultursekretär, folgendes denkwürdige, mir unvergesslich bleibende, drastische Schlusswort, das ich immer noch genau zitieren kann: „Natürlich ist das Stück ein Tritt in den eigenen Arsch, aber warum denn nicht!“

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DIE GROSSEN OPERN | Eberhard Schmidt: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin

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Notizen zum Einsatz von Ringmodulatoren in Der Schuhu und die fliegende Prinzessin
DIE
OPERN
Eberhard Schmidt: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin
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GROSSEN

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Der Schuhu und die fliegende Prinzessin

Die in den letzten Wochen und Monaten verstärkte Nachtarbeit, manche Nacht bis früh 5 Uhr, haben nun doch unvermeidliche Nachwirkungen. Also: zur Zeit liege ich fest, habe schon zwei Analgin-Spritzen erhalten, aber noch immer keine wesentliche Besserung der Schmerzen, dennoch hoffe ich sehr, in der kommenden Woche wieder arbeiten zu können, mir fehlt ja momentan jede Stunde! [...] Was nun die Termine angeht, so habe ich mich da verkalkuliert, zumal ich nicht damit gerechnet habe, daß das Stück derart kompliziert kompositorisch zu erarbeiten sein würde, dies ist wohl aber auch eine Frage der anderen Qualität meiner Musik, ich will nicht sagen, einer neuen Qualität. So habe ich eigentlich mit der intensiven Arbeit an der Partitur, nach notwendigen Vorarbeiten von einem dreiviertel Jahr, erst im August 1974 begonnen, nun, ein Jahr und drei Monate ist wahrlich nicht zuviel für dieses Stück!

Am 15. November 1975 an Eberhard Schmidt

Gerade das Experiment mit neuen Klängen erlegt dem Komponisten höchste Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Wahrung der Verständlichkeit, Eingängigkeit und Überzeugungskraft der musikalischen Sprache auf. Schuhu, die Figur eines zu früh Geborenen, probiert verschiedene historische gesellschaftliche Ordnungen aus, um sie schließlich in Erkenntnis ihrer Unbrauchbarkeit zu verwerfen. Die Hackssche Märchenparabel umschreibt das uralte, in jeder geschichtlichen Situation neu gestellte und unerschöpfliche Thema der Sehnsucht nach einem sinnerfüllten Ziel menschlichen Daseins und nach dem Glück vollkommener Harmonie. [...] Wenn es mir gelingen sollte, mit dem „Schuhu“ zu beweisen, daß heute ebenfalls schöne Melodien geschrieben werden und unmittelbar als solche beim Hörer ankommen, auch wenn er sie nicht nachsingen kann, dann habe ich gar nichts dagegen, wenn man diese Musik vielleicht als romantisch bezeichnet. Die neue Musik muß sich wieder ein Stück Romantik erobern.

In einem Werkstattgespräch mit Gerd Schönfelder im Neuen Deutschland vom 2./3. August 1975

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Dokumente: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin |

Dort, wo es gilt, das innere Leben von Figuren und Situationen mit Musik zu enthüllen, wo Spannungen auf der Bühne sich so verdichten, daß sie notwendig Klang auslösen, Momente des Schweigens Musik werden, ja selbst die Stille „musikalisch atmet“, empfinde ich die schönsten Momente meiner Arbeit mit Tönen.

Der Schuhu und die fliegende Prinzessin nehmen [...] Anstrengungen gemeinsam auf sich, um in eine erhoffte und ersehnte Zukunft zu gelangen. Historische Lebensmodelle werden gewissermaßen auf ihre Brauchbarkeit hin untersucht und verworfen. Der Schuhu erlebt Demagogie, Ignoranz, Selbstgenügsamkeit, Verdinglichung, Entfremdung und Verwüstung. [...] Die vorliegende Oper hat Akzente der Komödie und der Tragödie, aber sie hat noch etwas anderes, mir scheint dies der wichtigste Akzent im Stück: die Wanderung des Schuhu über all den Morast hinweg, seine immer neue Aktivität, geboren aus der Sehnsucht nach einem sinnerfüllten Leben, sein produktives Träumen, seine Klugheit und gleichzeitige Naivität, letztlich seine große Menschlichkeit, die für ein anderes Menschsein steht. Der Schuhu und seine Prinzessin können fliegen, ihre Sehnsucht verleiht ihnen Flügel. Dieses „Fliegenkönnen“ ist ein wunderbares Symbol für die menschliche Kraft, die den jahrtausendealten Traum der Menschheit selbst verwirklichen muß. [...]

Ich glaube, die Neue Musik hat sich gerade in den letzten Jahren durch ein Zuviel an „gedanklicher Befrachtung“, an „klug scheinender Konstruktion“, an sogenannter „Dialektik des Kontrapunkts“ eine ihrer größten Wirkungsmöglichkeiten vergeben: Kreatürlichkeit, die darstellen, versinnbildlichen, anreden will. [...] Wir werden zukünftig wieder stärker als bisher auch auf die ursprünglichen Möglichkeiten der menschlichen Stimme zu achten haben, so vielseitig und interessant auch ihre Ausdrucksskala ist, dominieren wird ihre Schönheit. Einer solchen Forderung sich mit all ihrer Problematik stellen, bedeutet eine umfassende Beschäftigung mit dem Melodischen, das eigentlich nichts Problematisches an sich haben dürfte, ein Element der Musik, unentbehrlich, veränderbar, kompliziert und einfach zugleich.

In einem Interview mit Peter Kost in der Sächsischen Zeitung vom 3. Dezember 1976

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Zimmermann ist ein Lyriker, der aus feinstem musikalischem Gespinst weite Klangräume zu errichten weiß. Er schreibt betörende, vielstimmig vokalisierende Ensembles, die geradezu aufnebeln aus dem Nichts, an Konsistenz gewinnen und dann wieder verwehen. [...] In Zimmermanns exzellent gearbeiteter Partitur steht alles, was heutzutage angewendet wird in der neuen Oper, darunter auch durchaus Geniales: ein Sprechquartett in vorgezeichneten Tonhöhen, streng rhythmisch fixiert, von singenden Sägen begleitet. Rossini hätte sich daran delektiert. Das ist prachtvollste Opera buffa von heute.

Klaus Geitel in Die Welt vom 6. Januar 1977 über die Uraufführung von Der Schuhu und die fliegende Prinzessin am 30. Dezember 1976 an der Staatsoper Dresden

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DIE GROSSEN OPERN

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88 DIE GROSSEN OPERN | Dokumente: Der Schuhu und die fliegende Prinzessin
Gunter Hempel, Direktor des Deutschen Verlags für Musik, am 19. Januar 1977 an Udo Zimmermann

Den Mut [...], dem Komponisten zu raten, Hacks „Schuhu“ zu komponieren, hätte ich nicht gehabt. Dieses liebenswerte Stück ist schlicht in seiner Fabel und bordet doch über an dichterischem und gedanklichem Reichtum. [...] Und doch hat Udo Zimmermann eine Oper hervorgebracht, die das Geistige des Stoffes nicht mit einem betörenden Schleier überzieht, sondern es mit einer neuen wundersamen, poetisch-zauberischen Atmosphäre durchwebt, reich an Assoziationen und Sinnbildern, fähig, vielfältig große Emotionen im Zuschauer zu wecken. [...] Diese Parabel vom unbeirrten Suchen nach menschheitlichem Glück ist von ewig zeitgenössischem Gehalt. Udo Zimmermann hat ihre poetisch-philosophische Kraft mit einer so eminenten Vielfalt angemessener Mittel und beträchtlichem Aufwand an Phantasie erfaßt, daß man staunen möchte, daß nicht bröckelnde Heterogenität, sondern gebundene Stil-Einheit die Folge ist.

Zimmermann [...] bekennt sich zu seinem Schuhu als einem „absoluten Unikum“ in der Gesellschaft – was man als schüchternes, verschlüsseltes Bekenntnis zum Individuellen verstehen mag. Die Musik bekennt es noch freier. Da wird nach Herzenslust von allen „avancierten“ Techniken des Westens genippt; seit ein paar Jahren darf man das ja in der DDR. Ein bißchen Aleatorik, ein bißchen Elektronik, ein bißchen instrumentales Theater [...], vielgestufte Vokalformen, vom Dialog über Sprechgesang bis zum wortlosen Melisma. Zimmermann mixt vielerlei Ingredienzien, von Henze bis Kagel; aber es wird kein fader Cocktail daraus, sondern ein prickelnder, mit der entscheidenden, geschmacklichen Würze der Persönlichkeit angereicherter.

Kurt Honolka im Münchner Merkur vom 7. Mai 1977 über die westdeutsche Erstaufführung am 5. Mai 1977 zur Eröffnung der Schwetzinger Festspiele in der Inszenierung von Kurt Horres

Wir haben es mit einer vielsagenden, vieldeutigen und vielsträhnigen Märchenoper zu tun, die tatsächlich mit der „Zauberflöte“ oder der – allerdings wesentlich komplizierteren – „Frau ohne Schatten“ in Verbindung gebracht zu werden verdient. [...] Der Schuhu trägt ein musikalisches Gewand, wie es anziehender, kleidsamer kaum denkbar wäre. Es gibt in dieser Oper Partien, deren klanglicher Zauber schlichtweg in Bann schlägt. [...] So, wähnt man, würde Rossini komponieren, lebte er heute.

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Heinz W. Koch in der Badischen Zeitung vom 7. Mai 1977

Das Theater geht aus den Fugen bei diesem elementaren Lustspiel-Vergnügen.

Reinhard Beuth in der Abendzeitung München vom 7. Mai 1977

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Prinzessin | DIE GROSSEN OPERN
Dokumente: Der Schuhu und die fliegende
Wolfgang Lange in Theater der Zeit, März 1977

Helga Termer als Fliegende Prinzessin und Jürgen Freier als Schuhu in der Uraufführungs-Inszenierung von Harry Kupfer an der Staatsoper Dresden, Foto Erwin Döring

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Das nächtliche Hornkonzert des Schuhus, ein einfacher Hornruf, im Multiplay-Verfahren ein tausendfaches Echo erzeugend und die ganze Erde umspannend, und die darauf antwortenden klargläsernen Vokalisen der Prinzessin – das ist fürwahr eine der schönsten Liebesszenen, die in diesem Jahrhundert komponiert worden sind.

Eugen Bichterer in Die Welt vom 7. Mai 1977

Mit wenigen Sätzen [...] ist der Zauber dieser Geschichte nicht einzufangen: Sie strotzt von Einfällen, witzigen Pointen, kunstvollem Maschinenwerk, ist erfüllt von zarter Poesie, berückender Farbigkeit, prächtigen Lichtwirkungen. [...] Zimmermann erweist sich erneut als außerordentliche Theaterbegabung, die gegensätzlichste Elemente im Dienst der Szene zur Einheit binden kann.

Klaus Kirchberg in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 7. Mai 1977

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| Dokumente:
DIE GROSSEN OPERN
Der Schuhu und die fliegende Prinzessin

KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT

Meine Intendanten-Pläne gehen mir nicht aus dem Kopf, obwohl ich weiß, was dies den Komponisten und mittlerweile Dirigenten Zimmermann kosten wird.

Am 8. August 1989 an Rolf Mares, bis 1988 Intendant der Hamburgischen Staatsoper

Nicht die Trends, nicht die Moden sind, was zählt, sondern das Substantielle, das Unbedingte, das künstlerisch Notwendige, das nach einer ästhetischen und humanen Botschaft fragt. [...] Die Geister der Aufklärung forderten ein Theater als Ort menschlicher Emanzipation. Vielleicht könnte für das 21. Jahrhundert ein neuer Begriff des Musiktheaters entwickelt werden, wo in der Durchdringung von Sehen und Hören spirituelle Energien wahrgenommen werden, konzentriert und geformt werden, aus denen ein wach registrierendes Bewußtsein entsteht, ein neuer Ausgangspunkt für das verlorengegangene „Denken des Herzens“, wie es Pascal nennt, ein Bewußtsein, das moralische Phantasie entwickelt und die Entfremdungen des 20. Jahrhunderts überwinden kann. Es wäre die Erfindung eines Rituals für die Zukunft, provozierend und anregend, obsessiv, ermutigend, von großer ästhetischer und humaner Kraft.

In einem Gespräch mit Lothar Schmidt-Mühlisch in Die Welt vom 11. September 1995

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Werter Genosse Zimmermann!

Mir fiel heute anliegender Bericht des Wiener [sic] General-Anzeigers in die Hand. Ich habe mir erlaubt, an bestimmten Stellen Fragezeichen anzumerken und bitte Dich um Aufklärung. Entweder es handelt sich hier um Hirngespinste und infame Falschmeldungen, dann müßte das von Dir öffentlich dementiert werden, oder es ist ein Verwirrspiel mit Aktivitäten Deinerseits, die angesichts der zwischen uns dieser Tage getroffenen Übereinkünfte für ein Dresdner Zentrum junger Komponisten unter Deiner Leitung miteinander nicht zu vereinbaren sind. Du wirst sicher verstehen, wenn ich Dich um Aufklärung des Sachverhaltes bitte.

Ursula Ragwitz, Abteilungsleiterin Kultur des ZK der SED, am 7. November 1985 an Udo Zimmermann

Nach der „Turandot“-Premiere vor vier Wochen, die er sich aufmerksam angesehen hatte, war Udo Zimmermann dieser Tage erneut aus Dresden an den Rhein gereist, um mit Generalintendant Jean-Claude Riber Gespräche fortzusetzen, die über den allgemeinen Erfahrungsaustausch hinauszielten, den beide, die sich seit Jahren gut kennen, schon häufig gepflegt hatten. Es ging jetzt um durchaus akute und aktuelle Projekte sowohl im kompositorischen wie dramaturgischen Bereich und eine eventuelle Bindung Zimmermanns an das Bonner Haus, um diese Projekte durchzuführen.

Von Ursula Ragwitz mit Fragezeichen versehener Passus aus dem Artikel im Bonner General-Anzeiger vom 16. Oktober 1985

Das Engagement des Dresdner Komponisten Udo Zimmermann als „künstlerischer Mitarbeiter“ für die Musiktheater-Werkstatt haben die Bühnen der Stadt Bonn bekanntgegeben. Nach dem Auszug des Schauspiels aus dem Großen Haus steht dessen Werkstattbühne ab nächster Spielzeit der Oper zur Verfügung. Erste Produktion wird Zimmermanns „Weiße Rose“ sein, gefolgt von Alfred Schnittkes „Gelbem Klang“ nach Kandinsky und Paul-Heinz Dittrichs „Verwandlung“ nach Kafka. Wieweit es sich bei Zimmermanns Engagement um einen festen Vertrag handelt und ob der schon von den „DDR“-Behörden gebilligt ist, war nicht zu erfahren.

Zeitungsmeldung (Quelle unbekannt) vom 8. März 1986

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Man wird politisch benutzt – das ist eine Erfahrung, die ich auch in der DDR gemacht habe. Aber ich sage dann immer ganz frech: Dann muß man auch die Politik benutzen.

In einem Interview mit Frederik Hanssen im Tagesspiegel vom 21. Juli 1999

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| KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT
„Vermutlich möchte ich geliebt werden“

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Udo Zimmermann an der Oper Bonn

Udo Zimmermann arbeitete von 1986 bis 1991 als Berater für zeitgenössisches Musiktheater an der Oper Bonn. Bonn war damals Bundeshauptstadt, der Intendant setzte auf ein konservatives Repertoire. Als man ihm Einseitigkeit vorwarf, engagierte er Udo Zimmermann, einen der aktuell gefragtesten zeitgenössischen Komponisten. Zimmermann sollte an der bis dahin kaum genutzten kleinen Hausbühne zwei Kammeropern pro Saison herausbringen, wobei er Auswahl und Besetzung wie ein Sub-Intendant selbst bestimmen würde. Er reiste von Dresden ein paar Mal im Jahr für einige Tage an und brachte Unruhe, aber auch Energie und Kreativität in das träge, einfallslose Klima der Oper Bonn.

Vordergründig war es eine Win-win-Situation: Jean-Claude Riber, der Intendant, profitierte vom Nimbus des Künstlers und Intellektuellen Zimmermann, und der DDRBürger Zimmermann erwarb administrative Westkompetenz. Als 1989 unerwartet die Mauer fiel, empfahl sich Zimmermann für eine Schlüsselposition in den sogenannten neuen Bundesländern und wurde fast sofort Intendant der Oper Leipzig.

Ich habe ihn als Dramaturgin in Bonn von 1988 bis 1990 erleben dürfen und kann sagen, dass ich jede Minute mit ihm genoss. Er war sprachmächtig, witzig, genialisch, großzügig. Da er kein eigenes Büro hatte, bewirtschaftete er das meine. Er war für mich das erste lebende Beispiel für praktisches Networking, denn er telefonierte nahezu ununterbrochen mit Funktionären und Rezensenten – ein Rhetoriker erster Güte und begnadetes PR-Talent. Zwischen den Telefonaten stopfte er seine Pfeife, paffte und warf mir unter dem Kräuselpony einen Vogelblick zu: „Was meinen Sie?“

Ich hatte bis dahin nur in Provinztheatern gearbeitet, doch er gab mir ein Gefühl von Wertschätzung und schien meinen Widerspruch zu genießen, zumindest als Spiel. Nebenbei war er der erste Künstler, der mich aktiv gefördert hat: Er verschaffte mir eine Regie am Landestheater Eisenach, damals noch DDR, und nach der Wende eine weitere im Kellertheater der Oper Leipzig. Ich habe nur Gutes von ihm erfahren.

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Dabei könnte man es belassen. Doch das Phänomen Zimmermann wäre damit nicht erfasst. Nicht verschwiegen sei, dass Intendant und Sub-Intendant in Bonn einander zwar brauchten, aber auch belauerten. Der Intendant wollte vom großen Namen Zimmermann profitieren, hatte aber das Charisma und den Ehrgeiz der realen Person unterschätzt; entsprechend zwiespältig ging er mit ihm um. Zu den Behinderungen gehörte das fehlende Büro, das sich für mich als Glücksfall erwies. Zimmermann haderte, nahm aber die Signale der Missachtung hin, weil er seine eigene Politik betrieb.

Er tanzte auf vielen Hochzeiten. Große, reiche Häuser erteilten ihm Kompositionsaufträge. Seine Projekte – unter anderem eine Oper Die Sündflut nach Ernst Barlach, ein tiefer, fataler, mächtiger Entwurf, und Mein Name sei Gantenbein nach Max Frisch als Gegenstück dazu, eine intellektuelle Spielerei – versprachen freies Schaffen und Auskommen für zehn Jahre. Es fehlte Zimmermann also weder an Ideen, noch an Ermutigung und Anerkennung, noch an Ressourcen. Was fehlte, waren die zehn Jahre. Denn er musste ja telefonieren. Ich hörte ihn in einem Bonner Salon selbstironisch über Gantenbein fabulieren und sah die Bonner Intelligenz dahinschmelzen. Aber am nächsten Tag hing er wieder am Telefon.

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Warum telefonierte er? Er wollte Intendant werden. Warum wollte er Intendant werden? „Ich glaube nicht mehr an meine Sachen.“ – „Das klang gestern ganz anders.“ – Er lachte unbehaglich. Er drehte schwindelerregend rasch auf dem hohen Karussell und hatte nicht mehr die Geduld, eine Note nach der anderen auf ein Blatt Papier zu schreiben. Er konnte kaum seine Dirigate vorbereiten. Vielleicht hatte die PR ihren Zauberlehrling verschluckt. Andererseits wirkte er bei aller Getriebenheit nicht unglücklich. Er interessierte sich für die Arbeit seiner Kollegen und freute sich, ihnen Aufführungen zu ermöglichen. Allenfalls störte ihn die Beschränktheit der kleinen Bühne; lieber hätte er die große bespielt. „Stellen Sie sich vor“, erregte er sich nach einem Telefonat, „X wirft mir vor, ich würde an Ribers Stuhl sägen!“ –„Das tun Sie doch auch.“ – „Aber nicht um meinetwillen! Es geht um die Zukunft der Oper Bonn!“

Petra Morsbach: „Vermutlich möchte ich geliebt werden“ | KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT 247
1992 in Leipzig, Foto Rita Große

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Dann fiel der Eiserne Vorhang, ein unerhörtes Ereignis. Ich verließ die feste Anstellung in Bonn, um mein Glück als freie Regisseurin zu versuchen, Zimmermann wurde Intendant der Oper Leipzig. Dorthin holte er mich für eine Regie und eine Leitungsfunktion in einer noch zu gründenden Opernschule. Die Oper Leipzig war damals ein unterfinanzierter Riesenkasten, die Stadt marode, doch mitten in diesem Chaos telefonierte Udo Zimmermann energischer als je zuvor, beantragte Bundesgelder, lockte Sponsoren und stellte anspruchsvolle, attraktive Programme in Aussicht, für die hinten und vorn das Geld fehlte.

Die damalige Betriebskultur an der Oper Leipzig habe ich als quasi monarchisch erlebt. Im großen Vorzimmer des schicken, modern ausgestatteten Intendantenbüros warteten ehrgeizige junge und ausgebootete alte Leute wie Höflinge auf eine Gelegenheit, zum Monarchen vorzudringen. Gut ausgebildete Vorstände aus der DDR-Zeit, seriöse Leute, die an unbefristete Verträge gewöhnt waren, bangten um ihre Existenz. Junge Hasardeure aus dem Westen drängten sich vor. Weitere Berater aus Ost und West kamen einander in die Quere, weil Zimmermann sie über ihre Kompetenzen im Unklaren ließ. Wer das herrschaftliche Intendantenbüro betrat, bekam Recht und verließ es mit falscher Gewissheit. „Jetzt haben Sie Y eine Zusage gemacht, die Sie nicht halten können“, bemerkte ich einmal. – „Da ham Se ooch wieder recht“, gab er entwaffnend zurück. „Vermutlich möchte ich geliebt werden.“ Er konnte über seine Schwächen lachen. Dennoch glaube ich nicht, dass dies alles schöpferische Konfusion war: Machtlust war durchaus dabei. Für mich war es die falsche Umgebung, also verließ ich sie. Wir verabschiedeten uns im Guten.

248 KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT |
Petra Morsbach: „Vermutlich möchte ich geliebt werden“

Pax Questuosa an der Oper Leipzig

Erinnerungen sind Fenster in die Vergangenheit. Wenn man sie öffnet, erkennt man rückblickend Brüche, Impulse, Prägungen. Eine solche verbinde ich in einem ganz besonderen Maße mit Udo Zimmermann. Im März 1990 wurde er Intendant der Oper Leipzig. Ich war damals Erster Solist im Leipziger Ballett und ahnte nicht, wie tief mich die folgenden Jahre als Mensch und Künstler prägen sollten.

Der gesellschaftliche Umbruch im Zuge der friedlichen Revolution von 1989 erzeugte große Hoffnungen und Euphorie, war aber auch mit Verunsicherung und Zukunftsängsten verbunden. Udo Zimmermann hatte in dieser historischen Situation den Mut zum Aufbruch und entwickelte eine inspirierende Kraft, die uns regelrecht elektrisierte. Das Gefühl, den sich vollziehenden Wandel aktiv mitgestalten zu können, setzte enorm viel Kreativität und intensive künstlerische Reflexion frei. Mit welch unbedingter Hingabe Udo Zimmermann seine Vision verfolgte, die Oper Leipzig zu einem Ort der Zeitzeugenschaft zu machen und der Kunst eine starke Stimme zu geben, um soziale, gesellschaftlich-politische, aber auch zutiefst menschliche Fragen anzusprechen und zur Diskussion zu stellen, hinterließ Spuren bei jedem, der an diesem Prozess teilhatte.

Doch nicht nur in seinem Wirken als Intendant, auch in seinem kompositorischen Schaffen war diese Unbedingtheit einer künstlerischen Zeitgenossenschaft zu spüren. Seine Komposition Pax Questuosa (Der klagende Friede), in der Choreografie von Uwe Scholz im November 1992 mit dem Leipziger Ballett uraufgeführt, bei der ich als Solist mitwirkte, zeigte mir exemplarisch, wie es möglich ist, mit künstlerischen Mitteln existenzielle menschliche Fragen zu reflektieren. Im Klangkosmos dieses Werkes offenbaren und verbinden sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wird die Angst vor der Vernichtung

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Balletturaufführung von Pax Questuosa in der Choreografie von Uwe Scholz am 31. Oktober 1992 an der Oper

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Leipzig, Foto Andreas H Birkigt

der Menschheit hörbar. In der Verschmelzung von Musik und Tanz durch die kongeniale Choreografie von Uwe Scholz wurde das Werk zu einem überwältigenden Appell an die Menschlichkeit.

1998 griff Uwe Scholz diese für seine Leipziger Ära so prägende Choreografie von Pax Questuosa erneut auf und verknüpfte sie, die ursprünglich mit seiner Choreografie von Richard Wagners Tannhäuser-Ouvertüre gekoppelt gewesen war, nun mit einer Choreografie zu Udo Zimmermanns in der Zwischenzeit neu entstandenem Orchesterstück Dans la marche von 1994, welches – ideal dazu passend – mit seinem Kreisen um die ewigen Fragen von Sehnsucht, Liebe, Abschied und Tod dem großen chorsinfonischen Friedensappell vorangestellt wurde.

Nachdem ich 2010 Chefchoreograf und Direktor des Leipziger Balletts geworden war, nahm ich 2013, fast zehn Jahre nach dessen Tod, Uwe Scholz’ Choreografie von Pax Questuosa meinerseits noch einmal auf und verband sie nun mit einer eigenen tänzerischen Interpretation von Udo Zimmermanns 2009 für Jan Vogler geschriebenem Violoncellokonzert Lieder von einer Insel, welches im Mittelteil musikalischen Bezug auf die „Versöhnung“ aus Pax Questuosa nimmt. So lebt Udo Zimmermann nicht allein in meiner Erinnerung fort, sondern ist auch Teil meines eigenen kreativen Schaffens geworden.

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Balletturaufführung von Pax Questuosa in der Choreografie von Uwe Scholz am 31. Oktober 1992 an der Oper Leipzig, Foto Andreas H Birkigt

250 KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT | Mario Schröder:
Oper Leipzig
Pax Questuosa an der

Unterwegs mit Udo Zimmermann

Komponist, Intendant und Dirigent ist er gewesen. Auf nur eine einzelne Position ließ er sich einfach nicht festlegen. Für Udo Zimmermann gab es nur eine Richtung: immer voran. Und zwar möglichst schnell. Oft mitreißend schnell. Wer von seinen Ideen fasziniert war, wurde mitgerissen und: wollte ihm folgen. Ein Zurück gab es nicht, sollte es möglichst nicht geben. An eine einzige Ausnahme erinnere ich mich allerdings doch. Mehr dazu später.

Udo Zimmermann wollte selbst das verschlafene Dresden voranbringen. Seine Geburtsstadt. Ausgerechnet dort, wo die Stadt am verschlafensten war (und wohl nach wie vor ist), hat er 1986 (in der Nachfolge des bereits 1974 gegründeten Studios Neue Musik) das Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik ins Leben gerufen. Ein Hort der Moderne, ein Ort des Austauschs von Ost und West. Was für ihn bemerkenswerterweise nicht nur das deutsch-deutsche Ost-West bedeutete, sondern zumindest auch Frankreich und Polen mit in den Blick und ins Ohr nahm. In der Schevenstraße etablierte sich ein Unikat der Experimente, eine Insel der außergewöhnlichen Begegnungen. Beizeiten wurde hier auch auf medialen Austausch gesetzt, kamen namhafte Journalisten des westdeutschen Groß-Feuilletons mit kenntnisreichen Rezensenten der ostdeutschen Presselandschaft zusammen. Wenngleich das Ziel von Zimmermanns Medienkontakten weniger das grenzüberschreitend Verbindende gewesen sein mag als ein Propagieren seiner persönlichen Ambitionen, so sind letztere freilich stets innovativ genug gewesen, um für Schlagzeilen zu sorgen.

Fortgesetzt hat sich sein „Draht“ zur Öffentlichkeit, als Udo Zimmermann 1990 die Intendanz der Oper Leipzig übernahm und sich, einer vielzitierten Schlagzeile des Nachrichtenmagazins Spiegel zufolge, selbstironisch als „Hochstapler auf der Rostkutsche“ etablierte. Er wollte sich und das Haus voranbringen, schneller, weiter und möglichst auch höher in jedwedem Ranking. Schon der Auftakt war ein Fanal: Jonny spielt auf, diese 1927 in Leipzig uraufgeführte Jazzoper von Ernst Krenek, rief die Erinnerung wach an einen in Deutschlands braunsten Zeiten verfemten und danach viel zu lange vergessenen Komponisten. Mehr als doppeldeutig dürfte in diesem Kontext das Stückzitat „Die Überfahrt beginnt ins unbekannte Land der Freiheit“ wahrgenommen worden sein.

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Damit waren Udo Zimmermanns Fernziele für ein zukunftsorientiertes Opernleben der Gegenwart abgesteckt. Dafür hat er das Operetten- und Musicaltheater der

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Ernst Krenek am 6. September 1990 an Udo Zimmermann

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Musikalischen Komödie sowie – unverzichtbar für das lange Zeit von Uwe Scholz geprägte Leipziger Ballett – die Ballettschule mit ins Boot zu holen vermocht und so beider Überleben in einer kulturpolitisch schwierigen, von vielen Verwerfungen geprägten Umbruchszeit gesichert.

1993 ist das Musiktheater der Messestadt zum ersten Mal „Opernhaus des Jahres“ geworden. (In aller Bescheidenheit sei hier angemerkt: ein bis dato unbekannter Titel, der nach Auswertung der abgegebenen Kritikerstimmen im Pressebüro der Leipziger Oper kreiert wurde und seitdem in der Theaterlandschaft als allseits begehrte Trophäe gilt.)

„Man sieht nur, was man hört, und man hört nur, was man sieht“, das war eine der Lieblings-Maximen Udo Zimmermanns. Er bezog sich damit auf das Gesamtkunstwerk Musiktheater. Im Idealfall sind die Eindrücke von Auge und Ohr auf der Leipziger Opernbühne tatsächlich konform gegangen. Man denke nur an die großartigen Inszenierungen von Willy Decker, John Dew, Andreas Homoki, Alfred Kirchner, Peter Konwitschny und Nikolaus Lehnhoff, um nur einige wenige Beispiele aus dieser Ära zu nennen.

Zur 300-Jahr-Feier des Leipziger Opernlebens wurde ein schieres Feuerwerk initiiert, mit Uraufführungen etwa von Karlheinz Stockhausen und Jörg Herchet, mit dem Beginn eines Rameau-Zyklus’ und einem umfangreichen Begleitprogramm. Einer der Höhepunkte war Modest Mussorgskis Boris Godunow, inszeniert von dem insbesondere durch seinen Film Mephisto berühmt gewordenen Regisseur István Szabó. Mir unvergessen bleibt Zimmermanns Erstbegegnung mit ihm im Budapester Café Gerbeaud am Vörösmarty tér. Ein Kaffeehaus, ungarisch Kávéház, mit einer bis ins Jahr 1858 zurückgehenden Historie. Dort hat der Intendant so lange auf den OscarPreisträger eingeredet, bis Szabó einwilligte, die Zarenoper mit geradezu ikonischen Bildern in Leipzig auf die Bühne zu bringen. Das Resultat war ein von Publikum und Presse begeistert aufgenommener Erfolg. (Ganz privat hat sich mir noch ein kurzer

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KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT | Michael Ernst: Unterwegs mit Udo Zimmermann

Spaziergang mit Szabó und Zimmermann als weitere Erinnerung eingeprägt: Vor einem Budapester Schaufenster mit MozartKugeln meinte der Gast aus Deutschland, schon bald werde es hier überall SzabóKugeln geben.)

Gespräche mit Steven Spielberg verliefen weniger erfolgreich, aber mit einer unvergleichlich hohen Resonanz. Udo Zimmermann kam eines Sommers auf die Idee (ohne dies seinem Pressebüro mitzuteilen), einem Boulevardblatt Richard Wagners Ring des Nibelungen a ls Operndebüt des Hollywood-Regisseurs anzukündigen. Natürlich in Leipzig! Und sorgte damit mal wieder überregional für Schlagzeilen. Auf die hatte der Komponist und Künstlerische Leiter schon immer geachtet. Und ein gutes Händchen dafür gehabt. Er war schon medienwirksam in Bonn unterwegs, als Deutschland noch betonköpfig geteilt gewesen ist, leitete ab 1986 an der dortigen Oper die Werkstatt für zeitgenössisches Musiktheater und realisierte Uraufführungen seiner Werke in Dresden, Hamburg und Schwetzingen, die (auch dafür hatte er zu sorgen gewusst) von den wichtigsten Blättern beider deutscher Staaten begleitet wurden. Zu schade nur, dass aus seiner über Jahre hin immer wieder lauthals angekündigten Oper nach Max Frischs Mein Name sei Gantenbein nichts mehr geworden ist.

Seine Beschäftigung mit dem Widerstand der Geschwister Scholl jedoch hatte bereits 1967 zum Opernerstling Die weiße Rose (nach einem Libretto des Bruders Ingo Zimmermann) und dann noch einmal auf Grundlage eines neuen Librettos von Wolfgang Willaschek zur Kammeroper Weiße Rose geführt, die bis heute zu den am häufigsten aufgeführten Musiktheaterwerken der Moderne zählt. Mit Uwe Wands Inszenierung des Stücks konnte die Oper Leipzig 1992 beim Jerusalem Festival gastieren und einen bedeutsamen Brückenschlag deutsch-israelischer Aussöhnung gestalten.

Mit Kompositionen wie Pax Questuosa (Der klagende Friede), choreografiert von Uwe Scholz, setzte sich der dirigierende Komponist auch als Intendant für Frieden, Versöhnung und das ein, was er gern als „Innenweltschutz“ bezeichnete, Werte, die sein christlich fundiertes Leben schon immer geprägt hatten. Tönende Beispiele dafür gab es im Leipziger Spielplan zuhauf. Einige stammten aus Zimmermanns eigenem kompositorischen Schaffen (1995 Der Schuhu und die fliegende Prinzessin in einer

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Ernst: Unterwegs mit Udo Zimmermann | KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT
Michael
Mit István Szabó 1993 in Leipzig, Foto Andreas H Birkigt

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Koproduktion mit den Salzburger Festspielen, 2000 Levins Mühle), andere manifestierten sich vor allem in Großprojekten wie Arnold Schönbergs Moses und Aron (realisiert durch den legendären Altmeister George Tabori, mit dem zuvor bereits Bruno Madernas Satyricon unter Zimmermanns bühnenpräsent musikalischer Leitung großen Erfolg bei den Salzburger Festspielen gehabt hatte) und nicht zuletzt in Gottfried Pilz’ Inszenierung von Olivier Messiaens einziger Oper Saint François d’Assise als Leipziger Erstaufführung.

Wer auch immer ein derart ambitioniertes Musiktheater aus Unverständnis späterhin kleinreden wollte: Udo Zimmermanns Wirken in Dresden, Bonn, Leipzig, München, später auch in Berlin und zuletzt wieder in Dresden am Festspielhaus Hellerau dürfte bei vielen, sehr vielen Menschen unvergessliche Erinnerungen hinterlassen haben. Er drängte vorwärts, wollte vorangehen. Gleich in seiner ersten Saison als Künstlerischer Leiter der 1945 von Karl Amadeus Hartmann gegründeten musica viva gab es (nach den beiden Leipziger Uraufführungen von Dienstag und Freitag aus l Icht) mit dem Michaelion aus Sonntag aus l Icht eine kleinere Stockhausen-Uraufführung, die zum besseren Verständnis sinnvollerweise gleich zweimal hintereinander gespielt wurde. Was umgehend zu einem öffentlich ausgetragenen Eklat führte, da der Komponist hierfür prompt ein doppeltes Honorar einfordern wollte.

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KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT | Michael Ernst: Unterwegs mit Udo Zimmermann
Mit George Tabori und Gottfried Pilz während der Proben zu Moses und Aron 1994 an der Oper Leipzig, Foto Andreas H Birkigt

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György Ligeti am 10. April 1991 an Udo Zimmermann

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Michael
Ernst: Unterwegs mit Udo Zimmermann
KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT

Zimmermann (obwohl beim Amtsantritt vom damaligen BR-Intendanten dazu eingeladen, in München die „sächsische Sparmentalität“ bitteschön abzulegen) lehnte ab, vernünftigerweise, und hatte den l Icht-Zyklisten dann in Hellerau wieder ante portas zu stehen, weil der das Festspielhaus vor den Toren von Dresden am liebsten mit der Semperoper verbunden hätte, um sein übersinnlich-galaktisches Lebenswerk wenigstens einmal komplett aufgeführt zu erleben.

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Ganz so weit reichte der Vorwärtsdrang von Udo Zimmermann dann aber doch nicht. Denn mit einem solchen Vorhaben, die sieben abendfüllenden Traumstücke quasi in Serie aufzuführen, wären sämtliche Kostenrahmen mehr als gesprengt worden. Stattdessen ging er lieber mit großen Schritten nach vorn und rief Hellerau, unmittelbar nach seinem Scheitern als Generalintendant der Deutschen Oper Berlin, als „Grünen Hügel der Moderne“ aus. Und tatsächlich wurde so das künstlerisch-architektonische Kleinod mit der großen Historie sehr rasch zum wiederbelebten Anziehungspunkt moderner Musik mitsamt Tanz, Theater und anderen Künsten.

Ein einziges Mal jedoch wollte der den Stillstand nie leidende Dirigent, Intendant und Komponist, der zudem schon immer ein leidenschaftlicher Autofahrer gewesen war, doch tatsächlich den Rückwärtsgang einlegen. Als ich ihn zwischen Oper Leipzig und Deutscher Oper Berlin auf der Avus auf die gerade verpasste Ausfahrt hinwies, trat er heftig auf die Bremse und hätte beinahe dominoartige Auffahrunfälle provoziert. Gerade noch rechtzeitig konnte ich ihn mit einem herausgeschrieenen „Vorwärts!“ vom Beibehalten seiner Lieblingsrichtung überzeugen: immer voran.

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KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT | Michael Ernst: Unterwegs mit Udo Zimmermann
Levins Mühle in der Inszenierung von Alfred Kirchner 2000 an der Oper Leipzig, mit Ofelia Sala als Marie und Tom Erik Lie als Leo Levin, Foto Andreas H Birkigt
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Am 2. Juli 1989 an Ursula Ragwitz Leseprobe Sample page
Die Intendanz der Oper Leipzig

Sehr geehrter Herr Professor Zimmermann!

Gestern bin ich aus St. Gallen, wo ich Hans Werner Henzes „Elegie für junge Liebende“ inszenierte, nach der „Heldenstadt“ Leipzig zurückgekehrt. Ich muß sagen, daß ich zum ersten Male ungern am 22. Oktober ins westliche Ausland fuhr. Die sich überstürzenden Tagesereignisse hielten mich in jeder Beziehung gefangen. Trotzdem muß ich sagen, daß mich im Gegensatz zur Französischen Revolution das bisherige Fehlen der Guillotine mit einer schwer zu beschreibenden Art von Erleichterung erfüllt. „Keine Gewalt!“ – diesen Satz halte ich für den bedeutendsten unserer Epoche, erfüllt er doch in einer über das christliche Maß hinausgehenden Weise die eigentliche Größe der Forderung, etwa ähnlich der Feststellung Heines, daß Saint-Just das größte Wort der Revolution gesprochen habe: „Das Brot ist das Recht des Volkes!“ Was bei uns durch Apfelsinen und Bananen zu erweitern wäre. Nun aber Spaß beiseite. Noch Prof. Kayser verriet uns Opernvorständen, daß wir die Aussicht hätten, Sie als Intendanten der Leipziger Oper begrüßen zu können. Er nannte in diesem Zusammenhang Forderungen verschiedener Art, die Sie als Bedingung an die Regierung erhoben hätten. Er meinte dazu mit bemerkenswerter Selbsteinschätzung, daß ihm für solche Maßnahmen die Hände gebunden seien und daß er es nur begrüßen würde, wenn ein außenstehender Fachmann seine Stimme in solchen Belangen erhöbe. Das wurde von uns allen gutgeheißen, von Wand, Pieske und mir. Nun wuchern wilde Gerüchte ins Kraut. [...] Wie schön wäre die Vorstellung, Sie als Komponisten und nun auch Dirigenten an unserer Spitze zu wissen. Es könnte sich etwas beglückend Utopisches nämlich erfüllen – daß ganz einfach ein wahrer Künstler Kunstausübende anführt! Für Sie würden alle durchs Feuer gehen, dessen bin ich gewiß. Mögen Ihnen sonstwas für Leute Greuel über die Leipziger Oper gesagt haben – aus diesem riesigen Institut, das momentan im Vakuum eines Interregnums vor sich hindümpelt, ließe sich unter sachgemäßer Leitung ein Vorbild für andere machen. Herr Kayser wollte einmal Leipzig zu einem führenden Theater Deutschlands profilieren. Er sitzt heute auf der Müllhalde seiner Illusionen. Aber es steckt soviel Humuserde drin, daß Sie, Udo Zimmermann, einen Garten Eden daraus machen könnten. Könnten!

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In der Hoffnung, daß Sie diese Ergüsse nicht als Anbiederung oder so etwas ähnliches verstehen, grüße ich Sie herzlich und wünsche Ihnen für das bevorstehende Jahr 1990 Gesundheit und große künstlerische Erfolge. Auch wenn Sie nicht nach Leipzig kommen sollten. Ihr Günter Lohse

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Leipzig
Günter Lohse, Chefregisseur der Oper Leipzig, am 30. November 1989 an Udo Zimmermann
Die Intendanz der Oper

Wir müssen handeln. Wir haben keine Zeit, zu warten. Jedes Warten auf irgend etwas, was da kommen wird, ist zur Minute auch für die künstlerische Entwicklung der neuen Bundesländer tödlich, weil nicht nur Planungen, sondern Haltungen aktiviert werden müssen. Wir müssen die Dinge in die Hand nehmen, wir müssen sie mit voranbringen. Das ist die einzige Chance – und es ist eine große!

Im Vorwort zum Jahresprogramm der Oper Leipzig, Spielzeit 1991/92

In der kommenden Woche wird die Leipziger Oper ihre neue Spielzeit eröffnen – in Salzburg!

Die Co-Produktion zwischen dem sächsischen Opernhaus, dem Mozarteum und den Salzburger Festspielen wird von George Tabori inszeniert und musikalisch betreut von Opernchef Udo Zimmermann.

Diese Meldung ist, auch wenn sie sich nicht gleich so anhört, außergewöhnlich. Ein Opernhaus, das noch vor sechzehn Monaten zweitrangig, perspektivlos und entmutigt ins Ungewisse schlingerte, schickt sich an, in die feine Gesellschaft renommierter Festspielgäste aufzusteigen. Ein künstlerisches Team aus einer Region, die man derzeit so gern der Verzagtheit bezichtigt, ist so dreist, die Welt erobern zu wollen (auch wenn hier scheinbar nur die Musikwelt zur Debatte steht).

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Sagte nicht unlängst einer, der aus der gleichen Region kommt, der düstere Metaphysiker des sozialistischen Theaters Heiner Müller, man solle in der früheren DDR erst einmal alle Theater

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Dokumente: Die Intendanz der Oper Leipzig |
Bei der Generalprobe zu Bruno Madernas Satyricon im Januar 1992 in der Oper Leipzig, mit Christine Hansmann als Fortunata und Lennart Forsén als Eumolpus, Foto Andreas H Birkigt

schließen und sich besinnen? Das hört sich nach einer Zwischen-Pensionierung für alles Lebende an. Und klingt nicht ohnehin schon vom Erzgebirge bis zur Ostsee das vorweggenommene Klagelied eines Sterbens der rund siebzig Theater mit ihren weit mehr als zweihundert Spielstätten?

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Und in dieser Situation geht einer hin und beginnt mit leerem Beutel und unvergleichlicher Chuzpe, eine „Oper im Aufwind“ zu propagieren, eine Oper mit Weltstadtniveau! Originalton von Leipzigs Opernchef Udo Zimmermann: „Auf eine unterbelichtete Situation wollen wir mit einer Überblendung reagieren.“ Und siehe da, als habe der Rattenfänger von Hameln gerufen, folgen die renommiertesten Künstler der Lockung: Von Ruth Berghaus und John Dew bis zu Nikolaus Lehnhoff und Giancarlo del Monaco geben sich die ersten Regisseure ein Stelldichein in dem Gebäude, mit dem sich einst Walter Ulbricht sein Denkmal setzen wollte.

Lothar Schmidt-Mühlisch in Die Welt vom 12. August 1991

Es fällt auf, daß niemals nur von der „Oper Leipzig“ die Rede ist, sondern immer zugleich auch deren „Intendant Professor Udo Zimmermann“ namhaft gemacht wird – zweierlei ist also in diesem methodischen offiziellen Sprachgebrauch zu einem Markenzeichen verschweißt. Der sachliche Hintergrund für diese ungewöhnliche Identifizierung oder Verbackung eines Theaters mit seinem Leiter mag sein, daß es derzeit in der Welt wirklich keinen derart um sein Haus und nichts sonst sich sorgenden und mühenden Theatermann gibt wie Zimmermann, der weiß, daß nur Titanen-Standfestigkeit, Schlangenklugkeit und Biberfleiß uniert ein solches Kulturinstitut anspruchsvoll über Wasser halten können.

Hans-Klaus Jungheinrich in der Frankfurter Rundschau vom 22. März 1991

Udo Zimmermann, so scheint es, hat sie alle das Fürchten gelehrt: Politiker und Künstler, die Konkurrenten in Dresden und die kritische Öffentlichkeit in Deutschland. Möglicherweise gibt es zur Zeit keinen penetranteren, aber auch keinen erfolgreicheren Opernintendanten hierzulande, und es scheint, als hänge in diesen Tagen und jenen Regionen das eine mit dem anderen zusammen. [...] Nirgends ist in diesen drei Jahren so aufregendes und kontroverses Musiktheater geboten worden – tatsächlich von Kreneks „Jonny“ als Auftakt, über Busoni, John Dews „Figaro“, Ligetis Musiktheater, bis zu Bartóks „Blaubart“ und Schönbergs „Erwartung“.

Wolfgang Sandner in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13. Februar 1993*

* Ar t. „Tonstörung“, © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

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KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT | Dokumente: Die Intendanz der Oper Leipzig

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Karlheinz Stockhausen am 16. September 1996 an Udo Zimmermann Die Intendanz der Oper Leipzig | KÜNSTLERISCHER LEITER UND INTENDANT

KÜNSTLERISCHER LEITER

UND

Leipzig

Ich werde nie vergessen, wie ich ihm am Telefon „begegnet“ bin ... Er rief mich in Paris an, im Verlag Alphonse Leduc, wo ich Künstlerischer Direktor war, und redete eine Stunde lang auf mich ein, um sein Inszenierungsvorhaben von Olivier Messiaens „Saint François d’Assise“ an der Oper Leipzig auszuführen. Nach dem Telefonat sagte ich mir: Ich hatte Kontakt mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Sein Enthusiasmus war so ansteckend, er machte mich für den Rest des Tages glücklich.

Natürlich fuhr ich zur Premiere nach Leipzig, d. h. nach Deutschland, und ich traf ihn in der Pause, aber da waren so viele Menschen, dass wir nicht viel miteinander sprechen konnten. Trotzdem war ich glücklich, diesem Mann begegnet zu sein und mit eigenen Augen die Feinheit seiner Gesichtszüge gesehen zu haben, in denen sich für mich die Feinheit seiner Seele spiegelte.

Jean Girard Leduc am 9. November 2021 an die Familie Zimmermann (Übersetzung aus dem Englischen: Saskia Zimmermann)

Was Udo Zimmermann in den gut zehn Jahren seines Wirkens am drittgrößten Opernhaus der Republik [...] bewirkte, das gehört zu den herausragenden Kulturleistungen in Deutschland zu dieser Zeit. Wer außer ihm hätte es gewagt, einen Spielplan konsequent nach der Moderne auszurichten, John Cages „Europeras 3 & 4“, Karlheinz Stockhausens „Dienstag aus Licht“ und „Freitag aus Licht“, Erwin Schulhoffs „Flammen“, György Ligetis „Grand Macabre“, Dieter Schnebels „Majakowskis Tod“ oder Ernst Kreneks „Jonny spielt auf“ in den Spielplan aufzunehmen, Regisseure wie George Tabori mit Schönbergs sperrigem „Moses und Aron“ zu betrauen, überhaupt die Riege innovativer Musiktheatermacher wie István Szabó, Ruth Berghaus, Andreas Homoki, John Dew und Peter Konwitschny permanent zu beschäftigen. Man hat voller Bewunderung von der Gielen-Ära der Städtischen Bühnen Frankfurt gesprochen. Die ZimmermannÄra der Oper Leipzig war dieser spektakulären Bühne für Innovationen mindestens ebenbürtig, an der puren Frequenz von Uraufführungen und Erstinszenierungen – fünfzehn an der Zahl –übertraf Leipzig Frankfurt sogar noch. Dass die anschließende Intendanz an der Deutschen Oper Berlin, die so fulminant mit Nonos „Intolleranza“ begonnen hatte, weniger erfolgreich verlief, wird man kaum dem kühnen Neuerer Zimmermann selbst anlasten können, eher schon den Verwerfungen einer heillosen Kulturpolitik in einer chronisch armen, am Tropf des Bundes hängenden Hauptstadt.

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Wolfgang Sandner in „Ost-westliche Wanderungen. Nachdenken über Udo Zimmermann“ im Programmheft zum musica-viva-Konzert am 8. Juli 2011 in München INTENDANT
| Dokumente: Die Intendanz der Oper
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Zusammengestellt nach dem Nachlass von Udo Zimmermann (Privatbesitz) von Matthias Herrmann

UA = Uraufführung

ML = Musikalische Leitung

Musikalische Liederbibliothek. Eine Sammlung von 20 Liedern für Sopran bzw. Tenor und Klavier

Texte: Ludwig Uhland, Kurt Schwarzburger und ein unbekannter Dichter 1952–1957

I Frühlingsglaube / II Frühlingsfeier / III Lob des Frühlings / IV Morgenlied / V Abendlied / VI Freie Kunst / VII Lied des Gefangenen / VIII Des Knaben Berglied / IX Die Lerchen / X Der König auf dem Turme / XI Waldlied / XII Scheiden – Meiden / XIII Der Kirchhof im Frühling / XIV Die Bitte / XV All mein Gedanken / XVI Morgens / XVII Im Herbste / XVIII Die Siegesbotschaft / XIX Das neue Märchen / XX Des Schäfers Sonntagslied

Schön wird das Leben, schön

für Gesang und Klavier, Text: Johannes R. Becher 1958

Schritt der Jahrhundertmitte „Die Welt will blühen“

für Gesang und Klavier, Text: Johannes R. Becher 1959

Vaterunserlied „Vater unser, der du bist im Himmel“ für 4–7-stimmigen Chor und Sopransolo, Text: Hermann Stock 1959

UA: 3. Oktober 1959, Kreuzkirche Dresden, Vesper des Dresdner Kreuzchores, ML: Udo Zimmermann

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Erfülle den Tag mit Freude!

Kleine Kantate für Bariton, Chor und kleines Orchester, Text: Anna Primus 1960

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Chronologisches Werkverzeichnis

Grab und Kreuz „Wer heimlich Christi Leiden“

Passions-Motette für gemischten Chor, Text: Reinhold Schneider 1961

Wort ward Fleisch

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Motette für 4–8-stimmigen gemischten Chor, Text: Christa Hacker 1961

UA: 27. Januar 1962, Kreuzkirche Dresden, Vesper des Dresdner Kreuzchores, ML: Udo Zimmermann

„Die Dämmerung schließt das Tor der Welt“

Abendlied für kleinen gemischten Chor, Text: H. Bürger 1962

Miniaturen für Bläserquintett 1962

Sonate für Violine und Klavier 1963

UA: 1963, Dresden

Dramatische Impression 1963 für Violoncello und Klavier bzw. Orchester 1963

Geschrieben im November 1963 unter dem Eindruck des Mordes an J. F. Kennedy Für Joachim Bischof

a) für Violoncello und Klavier

UA: Anfang April 1964, Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, Öffentliche Musizierstunde, Solisten: Joachim Bischof (Violoncello), Ingeborg Friedrich (Klavier)

Edition Peters / Collection Litolff Leipzig 1966

b) für Violoncello und Orchester 1965

UA: 5. Mai 1966, 7. Sonderkonzert der Städtischen Theater Karl-Marx-Stadt (II. Städtisches Orchester), ML: Wolfgang Suppas, Solist: Joachim Bischof (Violoncello)

VEB Edition Peters / Collection Litolff Leipzig 1966 / C. F. Peters Ltd. & Co. KG

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ANHANG | Chronologisches Werkverzeichnis

Sinfonietta für Streicher 1963

1. und 2. Satz vollendet, 3. Satz fehlt

Konzert für Violine und Orchester 1963

UA: 11. Oktober 1964, Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Konzert der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden im Rahmen der Sozialistischen Musikfesttage, Studentensinfonieorchester der Hochschule für Musik, ML: Rudolf Neuhaus, Solist: Siegfried Koegler (Violine) Partitur unvollständig überliefert (Schluss fehlt)

Fünf Gesänge auf Texte von Wolfgang Borchert 1964

a) für Bariton und Kammerorchester

I Versuch es / II Das graurotgrüne Großstadtlied / III Legende / IV Draußen / V Abendlied

UA: 2. Februar 1965, 8. Kammerabend der Staatskapelle Dresden, ML: Hans-Peter Frank, Solist: Günter Leib (Bariton)

Breitkopf & Härtel Wiesbaden

b) für Gesang und Klavier

daraus Nr. III für Sopran bzw. Tenor und Klavier in: Spektrum. Neue Lieder und Gesänge für Singstimme und Klavier, hrsg. von Heidi Kirmße, VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1981, S. 68–70

Movimenti caratteristici per violoncello solo 1965

UA: 8. Juni 1965, 14. Kammerabend der Staatskapelle Dresden, Solist: Clemens Dillner (Violoncello)

VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig 1969, 1977 (Reihe: positionen – kammermusik junger komponisten) / Breitkopf & Härtel Wiesbaden

Episoden

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für Bläserquintett, 6 Pauken und Klavier 1965

UA: 8. April 1965, Eröffnungskonzert der Hochschultage der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, Solisten: Rudolf Märker (Klavier), Peter Sondermann (Pauken)

389 Chronologisches Werkverzeichnis | ANHANG

Dialoge

für Klarinette und Klavier 1965

UA: geplant 1. Halbjahr 1966, Kammerabend der Staatskapelle Dresden, Solist: Manfred Wünsche (Klarinette)

Konzert für Pauken und Orchester

1965/66

Partitur unvollständig überliefert (Schluss fehlt); das vollendete Werk wurde später zurückgezogen

Sonetti amorosi

für Alt, Flöte und Streichquartett, Text: Gaspara Stampa

I Quasi vago e purpureo giacinto (Schön blüht die Hyazinthe purpurot) / II Come chi mira in ciel fisso le stelle (Wer nachts am Himmelszelt die lieben Sterne) / III Or che ritorna e si rinova l’anno (Zu neuem Kreise öffnet sich das Jahr)

Auftrag des Deutschlandsenders (Radio der DDR)

1966

UA: 28. Oktober 1967, Gobelinsaal im Dresdner Zwinger, 62. Galeriekonzert des Deutschlandsenders, Hantzschk-Quartett Berlin, Solisten: Brigitte Pfretzschner (Alt), Eberhard Grünenthal (Flöte)

VEB Peters Leipzig / Collection Litolff 1970 / Edition Peters Leipzig

Die weiße Rose

Libretto: Ingo Zimmermann

a) Erstfassung: Ein Stück für das Musiktheater

1967

UA: 17. Juni 1967, Kleines Haus der Staatstheater Dresden, im Rahmen der 9. Arbeiterfestspiele der DDR, Studierende der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, ML: Wolfgang Bothe, Regie: Klaus Kahl

Breitkopf & Härtel Wiesbaden

b) Zweitfassung: Oper in acht Bildern und sieben Rückblenden

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1968

UA: 6. Oktober 1968, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, ML: Joachim Willert, Regie: Reinhard Schau

VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig 1968

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ANHANG | Chronologisches Werkverzeichnis

c) Drittfassung: Rundfunk der DDR

1972

Produktion: 31. Januar – 15. Februar 1972

Erstsendung: 16. Februar 1973, Radio DDR II

d) Kompilierte Fassung aus a) bis c) für kleine Instrumentalbesetzung von Lothar Krause und Arno Waschk

UA: 25. Februar 2023, Theater Hof, ML: David Preil, Regie: Lothar Krause

Breitkopf & Härtel Wiesbaden

Holunderblüte „Es kommt Babel“ für Sopran oder Tenor und Klavier, Text: Johannes Bobrowski

1968

VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig 1969, in: Spektrum 69. Neue Lieder und Gesänge für Singstimme und Klavier, Heft 2, hrsg. von Heidi Kirmße, S. 8–10

Musik für Streicher

1968

Auftrag des Collegium musicum Leipzig

UA: 28. Januar 1969, Kongresshalle Leipzig, 4. Rathauskonzert von Radio DDR II, Collegium musicum Leipzig, ML: Adolf Fritz Guhl

VEB Breitkopf & Härtel Musikverlag Leipzig 1969 / Breitkopf & Härtel Wiesbaden

Von unserer Liebe

Kantate für Sprecher, Soli, Chor und Orchester nach einem Text von Gottfried Jürgas

Zu Ehren des 100. Geburtstages von W. I. Lenin (1970) Auftrag des Staatlichen Sinfonieorchesters Greiz 1969/70

Die zweite Entscheidung

Oper in 7 Bildern und 3 Interludien, Libretto: Ingo Zimmermann Auftrag des Ministeriums für Kultur der DDR 1969/70

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Ring-UA: 10. Mai 1970, Bühnen der Stadt Magdeburg, ML: Roland Wambeck, Regie: Reinhard Schau / 11. Mai 1970, Landestheater Dessau, ML: Heinz Röttger, Regie: Peter Gogler

VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig 1970 / Breitkopf & Härtel Wiesbaden

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Chronologisches Werkverzeichnis | ANHANG

Der Mensch

Kantate für Sopran und 13 Instrumente, Text: Eugène Guillevic Auftrag des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz als Beitrag zum Lenin-Gedenk-Jahr 1970

1970

UA: 8. Oktober 1970, Stadthalle Görlitz, Sinfoniekonzert des Orchesters des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz, ML: Alfred Schönfelder, Solistin: Lenelies

Höhle (Sopran)

VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig 1970 / Breitkopf & Härtel Wiesbaden

Sieh, meine Augen. Reflexionen für Kammerorchester nach Ernst Barlach

Auftrag der Staatstheater Dresden für die Kammermusik der Staatskapelle

1970

UA: 26./27. Januar 1972, Deutsches Hygiene-Museum Dresden, 2. Aufführungsabend der Staatskapelle Dresden, ML: Hans-Peter Frank

VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig 1974, 1977 / Breitkopf & Härtel Wiesbaden

L’homme. Meditationen für Orchester nach Eugène Guillevic Auftrag des Rundfunks der DDR als Beitrag zum Lenin-Gedenk-Jahr 1970

1970

Rundfunkproduktion: 9.–13. Juni 1972, Bethanienkirche Leipzig

Ursendung: 14. Oktober 1972, Stimme der DDR, Sender Dresden

UA: 22. September 1972, Kulturpalast Dresden, 2. Außerordentliches Konzert der Dresdner Philharmonie, ML: Lothar Seyfarth

VEB Edition Peters 1974 / C. F. Peters Ltd. & Co. KG

Kontraste für Kammerensemble

Auftrag des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin

1971

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UA: 6./7. Februar 1973, Großes Haus des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin, Mecklenburgische Staatskapelle, ML: Jochen Wehner

Levins Mühle

Oper in neun Bildern

Frei nach dem Roman von Johannes Bobrowski, Libretto: Ingo Zimmermann

Auftrag des Hauptvorstandes der CDU der DDR zum 13. Parteitag 1972

1971/72

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ANHANG | Chronologisches Werkverzeichnis

Ring-UA: 27. März 1973, Großes Haus der Staatstheater Dresden, ML: Siegfried Kurz, Regie: Harry Kupfer / 28. März 1973, Deutsches Nationaltheater Weimar, ML: Hans-Peter Frank, Regie: Ehrhard Warneke

VEB Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1974 / Breitkopf & Härtel Wiesbaden

Ein Zeuge der Liebe, die besiegt den Tod für Sopran und Kammerorchester nach Texten von Tadeusz Róz ewicz in der deutschen Nachdichtung von Günter Kunert und Karl Dedecius I Sie dachte, die Welt wäre traurig / II Wie gut, ich kann Beeren pflücken / III Ich sehe die Besessenen / IV Du weißt, ich bin da Auftrag des Kleist-Theaters Frankfurt (Oder)

1972/73

UA: 11. März 1973, Kleist-Theater Frankfurt (Oder), Philharmonisches Orchester des Kleist-Theaters Frankfurt (Oder), ML: Wolfgang Bothe, Solistin: Annerose Günther (Sopran)

VEB Edition Peters Leipzig 1975 / C. F. Peters Ltd. & Co. KG

Tänzerinnen. Choreographien nach Degas für 21 Instrumentalisten

1972/73

Auftrag des Rundfunks der DDR

UA: 16. November 1974, 112. Galeriekonzert des Senders „Stimme der DDR“, Mitglieder des Rundfunk-Sinfonieorchesters Leipzig, ML: Max Pommer

VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig o. J. / Breitkopf & Härtel Wiesbaden

Mutazioni per orchestra

Auftrag der Dresdner Philharmonie

1973

UA: 26./27. Oktober 1973, Kulturpalast Dresden, Dresdner Philharmonie, ML: Günter Herbig

VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig 1975 / Peer-Southern Concert Music, New York, Hamburg 1985 / Breitkopf & Härtel Wiesbaden

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Ode an das Leben für Alt (Mezzosopran), 3 vierstimmige Chöre und Orchester nach Texten von Lucretius Carus und Pablo Neruda

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Chronologisches Werkverzeichnis | ANHANG

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Die Herausgeber

Saskia Zimmermann, geboren 1969 in Leipzig. Studium von Theater- und Musiktheaterwissenschaft in Leipzig. Arbeitete als Dramaturgin an der Oper Leipzig, als Konzert- und Schauspieldramaturgin am Theater Rudolstadt, als Leiterin der Presseabteilung am Europäischen Zentrum der Künste Hellerau und als Redakteurin im Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Dresden; seit 1993 Opernübersetzungen und Redaktion von Übertiteln, u. a. für das Festspielhaus Baden-Baden.

© Fotos privat Matthias Herrmann, geboren 1955 in Mildenau/Erzgebirge, Musikwissenschaftler. Studium an der Universität Leipzig, dort auch Promotion und Habilitation. Wirkte an der Sächsischen Landesbibliothek, beim Sächsischen Tageblatt und an der Hochschule für Musik Dresden, dort 1993–2021 als Professor. Zahlreiche Veröffentlichungen insbesondere zu Geschichte und Persönlichkeiten des Dresdner Musiklebens.

ICH BIN EIN

THEATER MENSCH

UDO ZIMMERMANN –ERINNERUNGEN UND DOKUMENTE

Die Biographie von Udo Zimmermann ist in vielerlei Hinsicht einzigartig: In ihr verbindet sich ein ausgeprägtes schöpferisches Talent mit einem steten Streben, musikvermittelnde und kulturpolitische Prozesse an vorderster Front zu gestalten.

In diesen – oft einander widerstrebenden – Tätigkeiten als Künstler und Manager manifestierte sich ein Drang zum großen Ganzen in der Lebensrealität sowie zum Absoluten in der Kunst: Ambitionen, mit denen die permanente Gefahr des Scheiterns einherging.

Dass die Voraussetzung dafür in einer komplizierten, oft gefährdeten Persönlichkeit lag, offenbarte sich nur selten und allenfalls seinen engsten Mitarbeitern und Weggefährten.

Dieses Buch setzt sich zum Ziel, die Facetten von Persönlichkeit und Werk Udo Zimmermanns in größtmöglicher Authentizität nachzuzeichnen.

9783765105135

Udo Zimmermann, geboren 1943 in Dresden, gestorben 2021 ebendort: Komponist, Dirigent, Intendant, Künstlerischer Leiter, Dramaturg, Lehrer, Netzwerker, Spiritus rector, Förderer, Ermöglicher oder auch, in pointierender Selbstdefinition, „Wanderer zwischen den Welten“. Tätig in Dresden, Bonn, Leipzig, Salzburg, München, Berlin und wiederum Dresden.

www.breitkopf.de

ISBN978-3-7651-0513-5
9783765105135 BV513 A 24
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