Themenschwerpunkt Die Anfänge der deutschen Fitnessbranche
Das Studio in der Friedhofstraße in Schweinfurt gilt als erstes deutsches Fitnessstudio. Harry Gelbfarb links im Bild, vorne seine Frau Elly Gelbfarb und rechts Karl-Hein Rüd Ende der fünfziger Jahre
Die Entwicklung des Fitnessmarktes Text Niels Gronau und Gregor Titze
Die vergangenen anderthalb Jahre waren und sind noch eine große Herausforderung für die gesamte Fitnessindustrie. Die Corona-Epidemie hat die Anlagenbetreiber nicht nur wirtschaftlich hart getroffen, sondern zudem ihre eigene grundsätzliche Wahrnehmung und sicher auch die ihrer mehr als 11 Millionen Trainierenden als Gesundheits- und Fitnessanbieter infrage gestellt. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der nachfolgende Artikel mit der Frage nach den Ursprüngen und der langfristigen Entwicklung des Fitnessmarktes in Deutschland. Die ersten Sportvereine nach heutigem Verständnis entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts, mangels institutioneller Alternativen damals noch oft mit einer stark politischen Motivation. Dies war zugleich der Grund für die Schaffung der ersten kommerziellen Betreiber, denn nachdem sowohl die Jahn’schen Turnerzusammenschlüsse als auch die frühen Vereine aufgrund ihrer politischen Ausrichtung größtenteils verboten worden waren, bildeten sich ab ca. 1820 in einigen Städten die ersten gewerblichen Anstalten, die dem dortigen Bürgertum die Möglichkeit zur Ausübung des eigentlichen Fitnesssports boten. Die Idee der gemeinschaftsorientierten Turn- und Sportvereine 48
wurde von deutschen Emigranten auch in die Vereinigten Staaten exportiert, wo Mitte des 19. Jahrhunderts in Großstädten wie New York, Boston oder Philadelphia erste „Turnvereins“ entstanden. Diese standen dort in Konkurrenz zu den „Clubs“ nach englischem Vorbild, die einen eher statusbezogenen und mehr kommerziellen Charakter hatten, sowie den Einrichtungen der YMCA, der Young Men’s Christian Association, die ebenfalls Mitte des 19. Jahrhunderts beginnend Fitnesseinrichtungen zur Förderung eines gesunden Körpers und Geistes unterhielten und noch heute in den Vereinigten Staaten einen der größten Anbieter darstellen.
Einen deutlichen Schub erfuhr die sportliche Bewegung um 1900 durch die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen, nach denen sich immer mehr soziale Schichten sportlich betätigten. Während sich jedoch Arbeiter und Kleinbürgertum eher in die klassischen Turnvereine begaben, wurden die gehobenen Schichten, entsprechend ihrem stärker individualistisch geprägten Wertesystem, Mitglied bei einem der gewerblichen Anbieter. Deren Anlagen hatten zu dieser Zeit hinsichtlich Ausstattung und Service schon sehr viel mit den Fitnessstudios der heutigen Art gemeinsam. Sie verfügten über vergleichbare Öffnungszeiten, ein relativ breites Angebot