Biorama Nº. 45
WC
54
text
Christina Wetter-Nohl
Auf ein stilles Wörtchen Fäkalien sind ein vernachlässigter Rohstoff.
D
er Gang zur Toilette beginnt mit einem Bedürfnis und endet mit der Wasserspülung: Als Teil des Alltags wird er dabei meist nicht weiter beachtet. Dabei ist das, was aus uns Menschen und Tieren herauskommt, ein unterschätzter Rohstoff, aus dem Dünger, Medikamente und Energie gewonnen werden können.
durch Bakterien gereinigt, bevor es wieder in die Gewässer geleitet wird. Doch die Unmengen an Schmutzwasser, die täglich diesen Prozess durchlaufen, könnten viel kleiner sein. Der erste Gedanke sollte die Vermeidung von Abwasser sein, doch es gibt noch mehr Ideen.
Es war einmal das Abwasser
Das wohl bedeutendste Thema im Zusammenhang mit den Rohstoffen Urin und Kot ist die Erzeugung von Dünger. Das Prinzip ist seit Jahrhunderten bekannt und funktioniert durch unterschiedliche Verfahren. Ob als Hocktoilette oder Komposttoilette mit getrennten Sammelbehältern, dem Urinieren in einen Becher oder gegen einen Heuballen: Die primitivste Form der Düngergewinnung ist es, zunächst Urin und Kot zu trennen und reinen Urin als Dünger zu verwenden. Laut einem Projekt der schwedischen Universität Lund aus dem Jahr 2015 kann das gelbe Gold in drei Schritten verwertet werden und ist vor allem für arme Länder geeignet, die sich keine chemischen Dünger leisten können. Zunächst wird Urin gesammelt und dicht verschlossen. Wenn der Sammelbehälter voll ist, wird der Urin zwei Wochen gelagert, um Bakterien zu töten, die Krankheiten verursachen können. Danach kann er in Regenperioden pur und in Dürrezeiten mit Wasser verdünnt direkt auf die Felder aufgetragen werden. Eine andere Möglichkeit zur Düngergewinnung ist es, Kot und Urin gemeinsam zu sammeln und nach erfolgtem Toilettengang in einer Komposttoilette mit Spänen zu bestreuen, damit der Dung nicht zu nass wird und zu
In deutschen und österreichischen Kläranlagen kommen im Regelfall alle Abwässer aus Haushalt und Straße zusammen: Toilettenwasser gemeinsam mit Urin, Kot und Toilettenpapier, Duschwasser, Küchenwasser sowie Regenwasser. Die Entwicklung des modernen Badezimmers hatte zur Folge, dass aus finanziellen und praktischen Gründen alle Abwässer in einem gemeinsamen Rohr landen. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen dem Grauwasser aus Waschbecken oder Dusche, das keine Fäkalien enthält, und dem Schwarzwasser, bestehend aus allem, was die Toilette heruntergespült wird. Es ist in Vergessenheit geraten, dass das Trennen von Grauwasser und Schwarzwasser Sinn machen würde. Es spräche auch einiges dafür, das Schwarzwasser in Urin und Kot zu unterteilen und so der natürlichen Trennung Folge zu leisten. Denn das, was nach dem Klospülen, Duschen und Abwaschen kommt, ist ein langer Klärprozess unzähliger Kubikmeter Schmutzwasser – allein in Wien etwa 5 bis 18 Kubikmeter in der Sekunde. Feste Stoffe werden zunächst mit einem Rechen herausgezogen und danach verbrannt. In mehreren Stufen wird dann das Schmutzwasser im Belebtschlammbecken
045_040-061_Story 02.indd 54
Gelber Dünger, Brauner Dünger
04.10.16 17:34