Biorama #31 – Deutschland-Ausgabe

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Biorama Nº. 31

Gelsen

56 sie sind eine wichtige Nahrungsquelle für Jung-Fische, Amphibien, andere Insekten, Vögel und Fledermäuse. Um herauszufinden, welche Gelsen-Varietäten im Bereich des Nationalparks Donau-Auen ihr Unwesen treiben, werden zwischen Wien und Bratislava seit mehreren Jahren Gelsen-Fallen aufgestellt. Carina Zittra, Gelsen-Expertin am Institut für Parasitologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien, betreut die Fang-Aktion: „Im Sieldungsgebiet haben wir hauptsächlich Haus-Gelsen gefunden. In der Dämmerung können theoretisch zwar auch Au-Gelsen mit dem Wind verdriften. In die Fallen in den Wohngebieten sind uns aber kaum welche gegangen.“ In den Wohngegenden stechen also vor allem die ortsansässigen Gelsen. Die Bekämpfung wirkt demnach am besten, wenn man direkt bei diesen Biestern ansetzt. Das heißt: Tümpel, Pfützen und Wasser in Regenwassertonnen, Blumentöpfen, Altreifen usw. entfernen, Gartenteiche naturnah ausgestalten, um auch den Gelsen-Essern wie den Libellen ein Heimat-Biotop zu bieten. Und: Der allfällige Bti-Einsatz sollte auf die Gelsen-Populationen im Bereich der Siedlungsgebiete ausgerichtet werden. Ein Groß-Versuch in der französischen Camargue hat Unterschiede zwischen Gebieten mit Bti-Bekämpfung und ohne untersucht. Das Ergebnis: Die Erfolge des BtiEinsatzes hielten sich in Grenzen. Insektizide sind freilich niemals frei von Nebenwirkungen, auch wenn sie als „Bio“ vermarktet werden. Nun scheint es aber einen ökologisch weit verträglicheren Hoffnungsschimmer am Mücken-Horizont zu geben: CO²-Gelsenfallen. Stechmücken werden vom Kohlendioxid (CO²) in unserer Atemluft, vom Hautgeruch und von Hell-Dunkel-Kontrasten angezogen. „Mit den neuartigen CO²-Fallen können die erwachsenen Stechmücken gezielt angelockt und eingefangen werden“, weiß Gelsen-Spezialistin Carina Zittra. „Es kommt kein Gift zum Einsatz. Man erwischt die Gelsen, wo sie leben und stechen. Der Einsatz erfolgt nicht in der Au, wo auch andere Arten geschädigt werden.“ Die neuartigen Mückenfallen basieren auf 16 Jahren Forschung an der Universität Regensburg und werden von der Firma Biogents (www.biogents.com) hergestellt. Die Technik befindet sich noch in der Erprobungsphase. Die bisherigen Resultate sind aber vielversprechend. Fazit: „Die durch Gelsen verursachten Konflikte könnten durch Aufklärung der Bevölkerung und umweltschonende Bekämpfungsstrategien wie CO²-Fallen reduziert werden“, so Carina Zittra. In Naturschutzgebieten sollte man mit der Ausbringung von Bti Vorsicht walten lassen, da es keine Langzeitstudien über die Auswirkungen des Bti gibt. Und: Die Plage muss zielgerichtet in den Wohngegenden bekämpft werden. Bleibt abzuwarten, ob dieser Rat auch noch Gehör findet, wenn die Nerven angesichts einer Gelsen-Plage wieder blank liegen.

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Neue Krankheiten durch Stechmücken? Invasive Stechmücken wie die Tigermücken sind drauf und dran, sich auch bei uns zu etablieren. Hans-Peter Führer vom Institut für Parasitologie an der Vetmed-Uni Wien: »Tigermücken können Krankheiten wie Chikungunya- und Denguefieber übertragen. Die Mücken werden durch Warentransporte und Reisetätigkeiten weltweit verschleppt. Sie sind eher im urbanen Bereich anzutreffen und fühlen sich in Blumenvasen, Blumentopf-Untersätzen oder Friedhöfen wohl. In Italien und Frankreich gab es schon autochthone Ausbrüche von viralen Krankheiten, die von invasiven Mücken übertragen werden.« Im Burgenland und in der südlichen Steiermark wurden die asiatische Tigermücke und die Japanische Buschmücke nachgewiesen. Entsprechende Krankheiten gab es bei uns bisher keine. Diese invasiven Arten halten das Klima in Österreich aber durchaus aus. Der Klimawandel könnte ihre Ausbreitung zusätzlich begünstigen. Hans-Peter Führer weiß auch von unangenehmen Würmern wie Dirofilarien (z.B. der Herzwurm), die von Stechmücken übertragen werden: »Die können von Hunden auf Menschen übertragen werden und haben das Potenzial, auch beim Menschen Krankheiten zu verursachen. Dirofilarien breiten sich derzeit von Ungarn nach Westen aus.« Malaria-Mücken (Anopheles) können auch in unseren Breiten die gefährlichen Blutplasmodien (Malaria-Erreger) übertragen. Immerhin gab es bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Malaria auch in Österreich, sie konnte aber eliminiert werden. Um Malaria zu übertragen, muss eine Anopheles-Mücke an einem bereits an Malaria erkrankten Menschen Blut saugen und die Erreger in den geeigneten Stadien aufnehmen. Dann braucht es eine längere Warmwetter-Periode, um einen vollständigen Erreger-Zyklus zu ermöglichen. Wenn diese Mücke dann wieder einen Menschen sticht, würde eine Malariainfektion stattfinden. Hans-Peter Führer: »Durch die gute medizinische Versorgung ist eine etwaige erneute Etablierung dieses Krankheitserregers bei uns aber unwahrscheinlich.«

05.06.14 13:09

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