Pücklers Orient (Leseprobe)

Page 25

ANDREA POLASCHEGG

Möglichkeitsraum Morgenland1 Fürst Pückler im Schwerefeld orientalistischer Erfahrungs­welten des 19. Jahrhunderts

Ex oriente luxus

Um den Orient mit allen Sinnen erleben zu können, hat man in den Jahrzehnten um 1800 deutschen Boden nicht verlassen müssen. Als Hermann Ludwig Heinrich Graf von Pückler-Muskau geboren wurde, war das Morgenland längst in Brandenburg, Sachsen und der Oberlausitz angekommen, und es trug eine ausgeprägt mondäne Note. Schließlich sind es samt und sonders Luxusgüter gewesen, die seit dem Spätmittelalter aus dem Nahen, Mittleren und Fernen Osten nach Westeuropa gelangten und im Laufe der Jahrhunderte mitsamt ihrer orientalischen Signatur tief in die hiesigen Wahrnehmungs- und Lebenswelten hineinwirkten – stets vermittelt über die großen Höfe und Adelshäuser.2 Der Import von Seide, Damast und Teppichen und die Einführung orientalischer Polstermöbel wie des Sofas, der Ottomane oder des Divans, deren Namen noch heute von ihrer Herkunft zeugen, revolutionierten die hiesigen Interieurs und schufen im Wortsinne ein Morgenland zum Anfassen. Für die Orientalisierung der Geschmackswelten sorgten Safran, Zimt, Nelken und Muskat, flankiert von Tee und Kaffee, genossen aus ehedem ebenfalls morgenländischem Porzellangeschirr. Besonders aparte visuelle Reize sendeten die einst exklusiven Haustiere und Zierpflanzen ex oriente wie Goldfische, Pfauen, Papageien, Tulpen, Chrysanthemen, Kamelien oder Heliotrope.3 Dank des Moschus, des Sandelholzes und des legendären Rosenöls drückte das Morgenland auch der Olfaktorik seinen sinnlichen Stempel auf. Und selbst akustisch konnte sich der Orient mitteilen: über die sogenannte »Janitscharenmusik«,4 die während der Frühen Neuzeit aus den Militärkapellen des Osmanischen Reiches übernommen wurde und im 18. Jahrhundert auch die hiesige Kunstmusik

1

»Fürst Pückler-Muskau als Reisender in Afrika«, Lithografie, um 1838

EB16_PücklersOrient.indb 25

25

04.11.20 08:34


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.