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Unter böhmischer Herrschaft
Zisterzienserkloster Neuzelle. Ähnlich aktiv agiert zu dieser Zeit der Magdeburger Erzbischof Wichmann, ebenfalls ein Spross der Wettiner, indem er die Ansiedlung von Flamen und Niedersachen im Gebiet östlich der Elbe und im Fläming vorantreibt. Dass bei der Siedlungsbewegung im ostmitteldeutschen Raum nicht ausschließlich Deutsche, sondern auch Siedler slawischer Herkunft beteiligt sind, lässt sich direkt für das Pleißenland und die östliche Oberlausitz nachweisen.11 Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass diese Tatsache auch für die Niederlausitz zutrifft.
Um die Jahrhundertwende vom 13. zum 14. Jahrhundert bedrängt der römisch-deutsche König die Wettiner um ihre Ansprüche auf die Mark Meißen und die Landgrafschaft Thüringen, so dass sie zur Beschaffung finanzieller Mittel u. a. die Niederlausitz verpfänden müssen. Erst nach der siegreichen Schlacht bei Lucka (nahe Leipzig) 1307 können die Wettiner sich dauerhaft durchsetzen12, verlieren aber die Niederlausitz. Dem Umstand, dass die Pfändungsurkunde von 1301 überliefert ist, verdanken wir eine erste – und zwar naturräumliche – Beschreibung des Territoriums der Markgrafschaft Niederlausitz. Es reicht vom Fluss Dahme bis zur Landschaft Sorau und von der Schwarzen Elster bis zur Oder sowie von der Oder bis zur Schlaube bzw. von der Schlaube bis zum Bober: »Praedicta enim terra seu Marchia Lusatiae incipit ab illa parte aquae Damis, et continet in se Zanowe etc. item praedicta terra incipit ab Oelstera nigra et protendit usque Oderam, et ab Odera, usque an fluvium Slube, et a slube usque ad fluvium Boberam«.13
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Unter böhmischer Herrschaft
Schließlich nutzt der böhmische König und spätere Kaiser Karl IV. die Gunst der Stunde und kauft 1368 die Markgrafschaft Niederlausitz und 1373 die Markgrafschaft Brandenburg, fördert den Sechs-Städte-Bund in der Oberlausitz und bindet die Schlesischen Herzogtümer an sich.14 Böhmische Adlige, meist Mitglieder des Prager Hofes, übten als sog. Landvögte, die Herrschaft in den inkorporierten Ländern aus und wählten ihrerseits Stellvertreter und Unterhauptleute aus dem lokalen Adel für die niederen Ämter: »Das innere Leben des Landes, seine Gewohnheiten und spezifische Merkmale, wurden durch die Angliederung an die Böhmische Krone im Wesentlichen nicht gestört. Allerdings nahmen damit die Kontakte nach Prag zu – und zwar nicht nur im administrativen Sinne, sondern auch in sozialer und kultureller Hinsicht.«15
11 Schulze, Hans K.: Siedlung, Wirtschaft und Verfassung im Mittelalter. S. 23–32. 12 Naumann, Günter: Sächsische Geschichte in Daten. S. 53. 13 Reinhold, Werner: Chronik der Stadt Dahme und der Umgegend. S. 64–65. 14 Heimann / Neitmann / Tresp: Konturen einer Integrationslandschaft. In: HEIMANN / NEITMANN /
TRESP 2013. S. 20. 15 Bobková, Lenka: Zwei Länder der Böhmischen Krone in der Zeit der Luxemburger. In: HEIMANN /
NEITMANN / TRESP 2013. S. 215.
Im Zusammenhang mit dem Verkauf der Niederlausitz durch den Wettiner Friedrich III., Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen, an Karl IV. werden in der Urkunde vom 8. August 1353 erstmals Landesteile konkret differenziert: »Luckowe hus und stat, Gubin dy stat und daz frowencloster, Sumerfelt hus und stat, Ubgowe daz hus, daz closter zcu der Nuencellen, daz closter zcum Dobirluge, Besekowe, Storkowe, Bucholcz, Fridelant, Lubraz, Luebin, dy Picze, Boransdorf, Sunnenwalde, Tupcz, Schenkendorf, den Sare, des Sezs, Ylburg hus und stat, Elztirwerde, Mukenberg, Lubenowe, Golzsin, Richenwalde, Kotebuz hus und stat, den von Ylburg, des Libenwerde ist, mit dem Forste, Drebekowe, Kalowe und Vinsterwalde, […und] Zcossen.«16 Nach heutiger Schreibweise zählt die Urkunde die Orte Luckau, Guben, Sommerfeld, Übigau, Beeskow, Storkow, Buchholz, Friedland, Lieberose, Lübben, Peitz, Bornsdorf, Sonnewalde, Teupitz, Schenkendorf, Groß Särchen, Seese, Elsterwerda, Mückenberg (heute eine Ortsteil von Lauchhammer), Lübbenau, Golßen, Reichenwalde, Cottbus, Liebenwerda, Forst, Drebkau, Calau, Finsterwalde, Zossen sowie die Herrschaft Ileburg und die Klöster Guben, Dobrilugk und Neuzelle auf.
Nach dem Tod Karls IV. 1378 wird sein erstgeborener Sohn Wenzel böhmischer König und damit gleichzeitig Markgraf der Niederlausitz, und als Wenzel IV. Kaiser des römisch-deutschen Reiches. Die Ränkespiele innerhalb des böhmischen Herrscherhauses führen jedoch dazu, dass Wenzel von 1398 bis 1401 seinem Vetter, Jobst von Mähren, die Niederlausitz auf Lebenszeit überlässt. Zur Huldigung durch die Stände kommt es erst 1411: »Damals gelobt ihnen […] [Jobst von Mähren], dass das Land Lausitz von der Krone Böhmen nicht geschieden werden solle, und zwar werden genannt vom Prälatenstande die Äbte von Dobrilugk und Neuzelle und die Äbtissin des Klosters Guben, vom Herrenstand Hans von Biberstein (auf Sorau und Beeskow), Otto von Kittlitz (auf Spremberg), Hans von Cottbus (auf Cottbus), Hans von Torgau (auf Zossen), Anselm von Ronow (auf Lieberose), Otto Schenk von Synow (auf Teupitz), Botho von Ileburg (auf Sonnewalde), dann Ritter und Knechte und endlich die Städte Luckau, Guben, Sommerfeld, Spremberg, Lübben, Calau.«17 Diese Aufzählung der Stände stellt eine weitere umfassende Dokumentation der territorialen und inneren Machtstrukturen der Niederlausitz im Mittelalter dar. Deutlich wird die Ständestruktur bestehend aus den Prälaten der Klöster, den adligen Grundherren und den Städten. Territorial greift der Machtbereich im Norden bis Neuzelle, Beeskow, Zossen und Teupitz, im Süden bis Spremberg und Sorau, im Westen bis Dobrilugk, Luckau, Sonnewalde sowie im Osten bis Guben, Sommerfeld und Sorau. Nicht erwähnt wird, wie auch in der oben genannten Urkunde von 1353, die Herrschaft Dahme.
16 Lehmann, Rudolf: Urkundeninventar zur Geschichte der Niederlausitz, Nr. 561. 17 Lehmann, Rudolf: Geschichte der Niederlausitz. S. 106–07.