Ausgabe 2 / 2025
Wirtscha srecht
Recht als Rahmen für technologischen Fortschritt und unternehmerische Verantwortung

Der Aufsichtsrat sollte KI nutzen – jetzt!
Künstliche Intelligenz macht Aufsichtsratsarbeit effizienter –und verlangt zugleich mehr Verantwortung und Kompetenz.
GASTBEITRAG VON DR. THOMAS KREMER SEITE 5

Nachhaltigkeitsberichterstattung
Die CSRD soll nachhaltiges Wirtscha en voranbringen, muss dabei aber praxistauglich bleiben und Unternehmen vor übermäßiger Bürokratie schützen.
BEITRAG VON JULIAN WINKLER SEITE 13
BDI Forum Recht Veranstaltungseinladung
Einladung zum ersten BDI Forum Recht: Innovationskra steigern durch zukun sorientierten Rechtsrahmen.
MELDEN SIE SICH GERNE AN! 04. NOVEMBER 2025


Das weltwirtschaftliche Wachstum hat sich wieder auf moderate Werte um die 3 % herum eingependelt, die natürlich hinter dem Schnitt der ersten beiden Jahrzehnte des Jahrhunderts von 3,75 % deutlich zurückfallen. Deutschland und Europa liegen klar darunter. Erst im kommenden Jahr ist wieder mit einem Wachstum deutlich oberhalb von 1 % zu rechnen, dies vor allem aufgrund der Regierungsbeschlüsse zu Infrastruktur und Verteidigung. Die größte Chance liegt in der Stärkung der Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen der Privatwirtscha und im Einsatz von künstlicher Intelligenz quer durch die Branchen, die 0,3 % zum Wachstumspotenzial beitragen könnten.
Wirtscha s- und Finanzpolitik im Umbruch - noch mit dem alten Bundestag und in Ausgestaltungdurch den neuen Bundestagunter der jetzigen Koalition kommt es zu weitreichenden Weichenstellungen. Die größte Änderung zeigt sich in der Finanzpolitik, die sich an Verteidigung, Infrastruktur, Energiewirtscha und Steuersystem orientiert. In der Finanzpolitik sind die Weichen gestellt worden,um einen dramatischen und raschen Aufwuchs der Verteidigungsausgaben auf 3,5 % der Wirtscha sleistung bis 2029 zu ermöglichen. Dies folgt auf das Sondervermögen Bundeswehr, das bereits 2027 aufgebraucht sein wird und stellt die Finanzierung für eine erheblich ausgeweitete Landes- und Bündnisverteidigung bereit. In nominalen Größen steigen die Ausgaben von gut 100 Mrd. Euro derzeit auf dann 160 Mrd. Euro an. Spürbarer Aufwuchs wird bei der Beschaffung militärischer Ausrüstung erfolgen, der anders als in der ersten Runde der nachholenden Beschaffung über das Sondervermögen in deutsche und europäische Produkte fließen dür e und insofern auch einen deutlichen Impuls fürdie inländische Produktion in diesen Feldern geben wird.
Trotz aller Debatten: Die gesamtstaatlichen Investitionen dür en um deutlich mehr als 30 Mrd. Euro pro Jahr seitens des Bundes und um weitere Beträge seitens Länder und Kommunen erhöht werden. Abschreibungsregeln entlasten die Unternehmen bei Investitionen temporär um gut 2 Mrd. Euro pro Jahr. Die mittelfristige Korrektur der Energiepolitik ist der weitere Meilenstein auf diesem Weg. Die Maßnahmen in der Energie- und Klimapolitik in den Feldern Verkehr, Gebäude und Industrie sind teilweise noch in der Ausarbeitung, auch gerade im Abgleich mit europäischen Vorgaben. Aus gesamtindustrieller Perspektive ist gerade angesichts der weltwirtscha lichen Verwerfungen und der Wettbewerbsprobleme die sog. High-Tech-Strategie in Verbindung mit der Wagniskapitalfinanzierung wesentlich, um die Unternehmen und Branchen voranzubringen: für Künstliche Intelligenz, Quantentechnologien, Biotechnologie, Fusion und klimaneutrale Energieerzeugung sowie klimaneutrale Mobilität. Diese Strategie benötigt jedoch ein hohes Maß an Umsetzung im Detail, von der Forschungsförderung über den Forschungstransfer bis hin zur Wagniskapitalfinanzierung, Fachkrä en und Regulatorik auf deutscher und europäischer Ebene. Transferschwächen, mangelnde Skalierungsfinanzierung und fehlendes konsequentes Projektmanagement hat Wachstum in der Vergangenheit behindert.
Von größter Bedeutung sind bürokratische Belastungen aus deutscherund europäischer Regulierung sowie zu langwierige Planungsund Genehmigungsverfahren. Der Zeitplan für eine „Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung“ ist wenig ambitioniert. Er muss angesichts der dramatischen Lage in der Wirtscha deutlich beschleunigt werden.Gerade in den komplizierten Feldern der Innovation, des Klimaschutzes, der Dekarbonisierung und der Resilienz – Halbleiter, KI-Infrastruktur und KI-Verticals, NettoNull-Technologien, Batterien, Rohstoffe, dekarbonisierte energieintensive Industrien – bleibt für Weichenstellungen für höhere öffentliche und stärkere private Investitionen auf nationaler Ebene, bei gemeinsamen Projekten wie IPCEIs, in der gemeinsamen Finanzierung über die Europäische Investitionsbank und nationale Förderbanken und in den Haushalten der Europäischen Union noch vieles zu leisten.
Die EU muss bei Innovationskra und Forschung zulegen, um ihre technologische Wettbewerbsfähigkeit behaupten zu können. Neben der Start-up- and Scale-up-Strategie sollen Akzente bei Pharma- und Biotechnologien, Quanten und Künstlicher Intelligenz gesetzt werden, durch Fördermaßnahmen und veränderte Regulatorik. All dies erfordert große Investitionen der privaten Wirtscha , ggf. unterstützt durch die öffentliche Hand, in diese Felder.
Die BDI-Reihe zum Wirtscha srecht hat sich immer zum Ziel gesetzt, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die hier geschilderten entscheidenden Standortfragen und die Wettbewerbsfähigkeit derUnternehmen auf den Punkt zu bringen. Das ist in dieser Ausgabe nicht anders. Wir wünschen eine aufschlussreiche Lektüre..
Ansprechpartner
Niels Lau n.lau@bdi.eu

Der Aufsichtsrat sollte KI nutzen – jetzt!

Gastbeitrag von Dr. Thomas Kremer, Aufsichtsratsvorsitzender der Solutions30 SE, ehemaliger Vorstand bei der Deutsche Telekom AG sowie Lehrbeau ragter an der Rheinische FriedrichWilhelms-Universität Bonn

KI ist heute im öffentlichen Diskurs fast omnipräsent. Jeden Tag berichten Medien von neuen Anwendungsfeldern von KI in Wirtscha , Gesellscha und Verwaltung. Man könnte den Eindruck gewinnen, Deutschland sei auf dem Weg zu einem führenden KI-Land. Und politisch: Die nationale KI-Strategie sieht seit 2018 vor, dass Deutschland ein führender KI-Standort für KI-Forschung, aber auch für KI-Anwendungen z.B. durch Start-Ups werden soll – und das im europäischen Rahmen („AI made in Europe“). Zur Zielerreichung ist seit Juni 2020 ein Budget von 5 Mrd. Euro vorgesehen – eine im internationalen Vergleich eher bescheidene Summe. Und auf europäischer Ebene: Die Regierung von Albanien hat gerade eine KI zum Minister ernannt, um die Korruption im Lande besser zu bekämpfen. Auch wenn es sich im letztgenannten Fall eher um eine PR- Maßnahme handeln dür e, könnte man doch den Eindruck gewinnen, Unternehmen, Wirtscha und Politik sind gut positioniert, um diesem Megatrend mit seinen Wachstumschancen gerecht zu werden.
Demgegenüber ist der Blick in die Realität der Unternehmen doch eher ernüchternd, wenn wir einmal von den Werbeblöcken in den Medien absehen. Der Einsatz von KI erfolgt vorwiegend einzelfallgetrieben in kundennahen operativen Bereichen, z.B. im Vertrieb, Marketing, Logistik, zunehmend auch in der Produktionssteuerung, im Personalbereich, bei der Cyberabwehr und bei der Finanzberatung – um nur einige Beispiele zu nennen. Große Unternehmen nutzen KI in der Tendenz intensiver als mittlere und kleine. In vielen Fällen befinden sich die KI-Anwendungen immer noch in der Experimentierphase. Und das Thema KI wird heute noch nicht durchgehend als Vorstands- und Aufsichtsratsaufgabe erkannt. KI als strategisches Thema für die Unternehmensentwicklung hat sich noch nicht durchgesetzt. Viel zu o ist in Gesprächen immer noch zu hören, KI werde doch nur von den Medien gehypt und betreffe einzelne Tools, die man getrost der IT-Abteilung überlassen könne. Ein Grund für diese Haltung mag daran liegen, dass gerade bei wirtscha lich erfolgreichen Unternehmen, mit wachsenden Umsätzen, Ergebnissen und Cash-Flows, die Bereitscha zu (disruptiven) Veränderungen nicht besonders ausgeprägt ist. Erfolg kann träge machen. Das gilt dann für Vorstand und Aufsichtsrat. Weitere Gründe für die Zurückhaltung sind sicher das fehlende technische Verständnis und die gefürchtete Komplexität der Implementierung von KI in die Geschä smodelle.
Der Aufsichtsrat in disruptiven Zeiten
Aufgabe des Aufsichtsrats ist die Überwachung und Beratung des Vorstands in seinen Leitungsaufgaben. Das rein operative Geschä verantwortet der Vorstand im Regelfall alleine. Die Anforderungen an den Aufsichtsrat und an seinen Beitrag zu einer effektiven Unternehmensführung haben sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Technologische, geopolitische und regulatorische Entwicklungen beeinflussen nachhaltig die Ertragsfähigkeit des Unternehmens. Marktbedingungen werden komplexer und ändern sich schneller. Das erfordert eine tiefergehende Befassung des Aufsichtsrats, insbesondere mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Der Aufsichtsrat muss sich zum strategischen Sparringspartner für den Vorstand entwickeln, um die Herausforderungen besser im Sinne allerStakeholder zu bewältigen. Er begleitet den gesamten Strategieprozess, von der Strategieentwicklung, ihrer Umsetzung bis hin zu notwendigen Anpassungen. Um diesen Dialog auf Augenhöhe mit dem Vorstand führen zu können, braucht es einen kompetenten Aufsichtsrat mit den entsprechenden Qualifikationen. Das ist heute ein Kernthema der GovernanceDiskussion um den effektiven Aufsichtsrat.
Budget für KI in Deutschland
Deutschland hat seit Juni 2020 ein Budget von 5 Mrd. Euro für die nationale KI-Strategie vorgesehen.
Ef zientere Aufsichtsratsarbeit durch KI
Aufgrund der dynamischen Entwicklung von Märkten, Kunden und Lieferbeziehungen und steigenden regulatorischen Anforderungen (Stichwort CSRD und Omnibus) erreichen den Aufsichtsrat heute eine Flut von komplexen Informationen, die es zeitgerecht zu erfassen, zu analysieren und zu beurteilen gilt. Zur Informmationsflut trägt auch die zunehmende Digitalisierung unternehmerischer Aktivitäten bei. Denn die Digitalisierung erzeugt eine wachsende Anzahl von Daten, die für die Unternehmensführung relevant sind. Diese gilt es zu verarbeiten, das macht die Aufsichtsratsarbeit aufwändiger und deutlich zeitintensiver als früher. Um diese wachsenden Aufgaben effizienter bewältigen zu können bietet sich der Einsatz von KI an. Das Potential von KI läßt sich an vielen Beispielen festmachen. KI kann umfangreiche technische Beschreibungen verständlich zusammenfassen, wenn es z.B. um die Investition in neue IT-Systeme geht. Risikoeinschätzungen des Vorstands und deren Veränderungen können anhand der Auswertung früherer Risikoeinschätzungen transparent nachvollzogen werden. Marktentwicklungen können analysiert und für den Aufsichtsrat aufgearbeitet werden. Wettbewerbsvergleiche können unter Nutzung interner und externer Datenquellen erstellt und nach bestimmten Kriterien strukturiert werden, und, und, und. Zusammenfassend läßt sich sagen, dass mit KI Informationen schnellerverarbeitet, Muster bessererkannt, datenbasierte Szenarien erstellt und komplexe Inhalte verständlich verdichtet werden können.
KI-Systeme können daher die Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat effizient vorbereiten und beschleunigen, sie können sie aber nicht ersetzen. Hierfür sind abwägende Entscheidungen erforderlich, die jedenfalls zurzeit noch eine menschliche Domäne sind und durch KI nicht substituiert werden können.
Die Kodex-Kommission spricht sich für Einsatz von KI im Aufsichtsrat aus
Angesichts der vielfältigen Chancen, die KI fürdie Aufsichtsratsarbeit bietet, ist es nicht verwunderlich, dass auch die Kodex Kommission in ihrem jüngsten Praxisimpuls „Einsatz künstlicher Intelligenz im Aufsichtsrat“die Nutzung von KI zurUnterstützung der Aufsichtsratsarbeit befürwortet. Ein schrittweises Vorgehen wird richtigerweise angeraten. Um den Aufsichtsrat im Umgang mit KI vertraut zu machen, wird die KI erst nach einer Eingewöhnungsphase für komplexere Aufgabenstellungen eingesetzt. Zunächst sollten repetitive Aufgaben wie z.B. die Erstellung von Protokollen oder Textzusammenfassungen mittels KI generiert werden. Im nächsten Schritt könnten KI-Tools dann für Recherchen und strukturierte Auswertungen (Markt- und Wettbewerbsanalysen) eingesetzt werden. Als letztes empfehlen sich dann z.B. intelligente Risikoanalysen und Investitionsprüfungen mittels KI, um eine gute Basis zum „strategischen Sparring“ auf Augenhöhe mit dem Vorstand zu schaffen.
Das ist ein pragmatischer Ansatz, der berücksichtigt, dass Aufsichtsratsmitglieder in der Regel keine KI-Experten sind und ein Gewöhnungsprozess im Umgang mit der KI hilfreich ist.
Die Voraussetzungen der KI-Nutzung
Eine KI sollte nicht einfach so, ohne jede Vorbereitungangewandt werden.Zum einen gilt auch für die KI-Nutzung das Legalitätsprinzip. Es sind also Vorkehrungen zu treffen, dass die KI-Nutzung die rechtlichen Rahmenbedingungen wie den Datenschutz, die Datensicherheit, das Diskriminierungsverbot, die Wahrung des Urheberrechts und die europäische KI-Verordnung einhält (KICompliance). Hierfür ist die Datenhygiene von entscheidender Bedeutung, also auf welche Daten des Unternehmens – und ggfs. auch externe Quellen – kann die KI zugreifen. Das muss transparent sein. Die Datensätze müssen die genannten rechtlichen Rahmenbedingungen erfüllen, also nicht gegen den Datenschutz verstoßen, diskriminierungsfrei sein, etc. Genauso wichtig ist die Frage, auf welchen Datensätzen die KI trainiert worden ist. Auch hier gelten die genannten Regeln.
Zudem bestehen besondere Sorgfaltspflichten im Umgang mit den Ergebnissen einer KI. KI-Tools, die Entscheidungen des Aufsichtsrats (mit) vorbereiten, sind nicht immer fehlerfrei in ihren Ergebnissen (Stichwort „Halluzination“) und die Herleitung ihrer Ergebnisse ist nicht immer transparent und im Einzelnen nachvollziehbar (Stichwort „Blackbox“). Das bedeutet: Ergebnissen auch von hoch entwickelter KI kann nicht uneingeschränkt vertraut werden. Eine Überprüfung im Sinne einer Plausibilisierung durch den Aufsichtsrat bleibt notwendig. Denn eines ist klar – der Aufsichtsrat bleibt verantwortlich für seine Entscheidungen und nicht die KI.
Aufsichtsratsmitglieder sollten ein grundlegendes Verständnis davon haben, was KI leisten kann, wie sie Geschä smodelle beeinflusst und welche Chancen und Risiken bestehen.
Verantwortungsvolle KI-Nutzung
Auch wenn der Einsatz von KI für den Aufsichtsrat einen hohen Nutzen für bessere und schnellere Entscheidungen bringen kann, ist der Aufsichtsrat nicht verpflichtet, KI zur Vorbereitung seiner Entscheidungen einzusetzen. Das entspricht allgemeiner Rechtsauffassung. Es ist also eine Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats im Sinne der Business Judgement Rule, ob und ggfs. welche KI-Tools er nutzt. Der faktische Druck zum Einsatz von KI wird allerdings zukün ig steigen. Und für den Einsatz von KI im Unternehmen braucht es eine KI-Governance, also klare Spielregeln für den Einsatz von KI, nicht nur im Aufsichtsrat.
Bei der Anwendung von KI sollte der Aufsichtsrat darauf achten, dass die Aufgabenstellungen für die KI transparent und dokumentiert sind. Das scha auch unter noch kritisch eingestellten Aufsichtsratsmitgliedern Vertrauen. Eine gewisse KI-Kompetenz im Aufsichtsrat ist notwendig.
KI-Kompetenz im Aufsichtsrat
Die gute Nachricht: Die Sensibilität für die Bedeutung von KI gerade bei strategischen Themen wächst und eine Mehrheit von Aufsichtsräten sind heute der Meinung, dass Digitalisierung und KI (kün ig) zentrale Kompetenzen für Überwachungsgremien sein werden. Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass die Selbsteinschätzungen vieler Aufsichtsräte zu ihren eigenen Fähigkeiten zum Thema Digitalisierung und KI nicht ganz der Realität entsprechen. Und zur Realität gehört auch, dass die Kompetenzprofile der meisten Aufsichtsräte heute das Thema KI – auch im Zusammenhang mit Digitalisierung, Innovation und Technik – sehr selten enthalten. Wir brauchen zwar keine KI-Nerds in Aufsichtsräten, aber Aufsichtsratsmitglieder sollten ein grundlegendes Verständnis haben – also wissen, was KI leisten kann, wie sie Geschä smodelle beeinflusst und welche Chancen und Risiken bestehen. In größeren Gremien sollten zudem ein bis zwei Mitglieder über vertie es Wissen verfügen. Und wenn diese Expertise dann in fachspezifischen Ausschüssen eingesetzt wird, kann die Aufsichtsratsarbeit deutlich effizienter werden. Eine Überarbeitung der Kompetenzprofile für den Aufsichtsrat und eine intensivierte Nachfolgeplanung können dabei unterstützen.
Fazit
KI hat das Potential, die Aufsichtsratsarbeit in einer Zeit zunehmenden Wandels deutlich effizienter zu gestalten.
Dafür benötigen die Aufsichtsratsmitglieder ein grundlegendes Verständnis für die Funktionsweise von KI. Der Einsatz von KI zur Unterstützung der Aufsichtsratsarbeit sollte schrittweise hin zu mehr komplexeren Anwendungen erfolgen und von einer KI-Governance für das Unternehmen unterstützt werden.
Vor dem Einsatz von KI sollte sich der Aufsichtsrat davon überzeugen, dass die regulatorischen Voraussetzungen für die Nutzung von KI – wie z.B. der Datenschutz – eingehalten werden.
In der Realität der deutschen Unternehmen fehlt es den Aufsichtsräten o mals an der notwendigen KI-Kompetenz. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Denn die zunehmende Komplexität der Aufsichtsratsarbeit erfordert den Einsatz von KI nicht erst in der Zukun , sondern jetzt..
Dr. Thomas Kremer Aufsichtsratsvorsitzender der Solutions30 SE, ehemaliger Vorstand bei der Deutsche Telekom AG sowie Lehrbeau ragter an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

OLG Hamm ebnet
Weg für zivilrechtliche Klimaha ung von CO2-Großemittenten
Obwohl auch die Berufung des peruanischen Klägers gegen die RWE AG zurückgewiesen wurde, schafft das Urteil des OLG Hamm neue Grundlagen für die Klimahaftung: Wer massiv CO2 ausstößt, kann künftig zivilrechtlich haftbar gemacht werden – mit weitreichenden Folgen für Unternehmen und kommende Klimaklagen.


Auf den ersten Blick scheint es ein juristischer Erfolg für CO2-Großemittenten wie RWE zu sein. Das OLG Hamm hat im sog. Klimaklage-Verfahren die Berufung des peruanischen Klägers zurückgewiesen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die eigentliche Sprengkra des Urteils in seiner Begründung und nicht in seinem Ergebnis liegt. Denn das OLG Hamm hat mit bemerkenswerter Deutlichkeit festgestellt: Wer in großem Stil Treibhausgase ausstößt, kann grundsätzlich zivilrechtlich für die Folgen des Klimawandels habar gemacht werden.
Hintergrund des Verfahrens
Der Kläger, ein peruanischer Landwirt, hatte RWE auf eine anteilige Beteiligung an den Kosten für Schutzmaßnahmen gegen eine drohende Gletscherflut verklagt. Die Begründung: Die Emissionen des Konzerns trügen zur globalen Erwärmung bei, die wiederum das Abschmelzen des Gletschers in der Nähe seines Heimatdorfes fördere. Das LG Essen wies die Klage im Jahr 2016 ab. Damals hieß es, RWE könne nicht als Störerin im zivilrechtlichen Sinne angesehen werden, da ihre Emissionen allein nicht ursächlich für die behauptete Gefahr seien. Aufgrund der Vielzahl globaler Emittenten sei eine individuelle Zurechnung ausgeschlossen.
OLG Hamm setzt neue rechtliche Maßstäbe
Das OLG Hamm hat die Berufung zwar zurückgewiesen, jedoch aus anderen Gründen. Demnach ist jede einzelne Emission –unabhängig von Ort und Urheber – kausal für den Klimawandel. Das bedeutet, dass auch die Emissionen von RWE und ihrer Tochtergesellschaften zur vom peruanischen Kläger behaupteten Beeinträchtigung beitragen. Selbst wenn deren Wegfall das Risiko nur geringfügig senken würde, reicht dies für die Annahme der Kausalität im juristischen Sinne aus.
In seiner rechtlichen Begründung hebt das Gericht hervor, dass RWE bereits seit Mitte der 1960er Jahre in der Lage gewesen sei, die Auswirkungen derCO2-Emissionen auf das Weltklima zu erkennen. Dabei sei nicht der absolute Anteil an den globalen Emissionen maßgeblich, sondern es müsse eine relative Betrachtung im Vergleich zu anderen Emittenten vorgenommen werden. In dieser
Perspektive sticht RWE als einer der größten Einzelverursacher weltweit klar heraus. Umgekehrt bedeutet dies, dass nur CO2Großemittenten wie RWE von der neuen Rechtsprechung des OLG Hamm erfasst werden. Wo genau die Grenze zwischen einem CO2-Großemittenten und einem nicht erfassten „normalen“ CO2-Emittenten verläu , bleibt unklar. Dass RWE lediglich eine von vielen CO2-Quellen sei, stehe der Ha ung jedenfalls nicht entgegen. Dies führe lediglich dazu, dass die Ha ung an die jeweilige Verursachungsquote angepasst werden müsse.
Auch öffentlich-rechtliche Genehmigungen oder Zertifikate nach dem TreibhausgasEmissionshandelsgesetz (TEHG) entbinden den Konzern nicht von seiner zivilrechtlichen Verantwortung. Sie begründen nach Auffassung des OLG Hamm keine Duldungspflicht auf Seiten der Geschädigten. Damit stellt sich das OLG Hamm gegen zwei Entscheidungen des OLG München (Az. 32 U 936/23 e) und des OLG Stuttgart (Az. 12 U 170/22). In einem Verfahren gegen BMW entschied das OLG München, dass BMW die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet habe, indem es die Vorgaben aus den Pkw-Emissionsverordnungen der EU eingehalten habe. Das OLG Stuttgart ging in einem Verfahren gegen MercedesBenz davon aus, dass die Drittwirkung von Grundrechten gegen Private nicht weiter reichen könne als die unmittelbare Drittwirkung, die den Staat selbst verpflichte, und daher kein rechtswidrigerZustand vorliege.
Warum die Klage trotzdem scheiterte
Im vorliegenden Fall blieb die Klage aus rein tatsächlichen Gründen erfolglos. Der Kläger konnte nicht überzeugend darlegen, dass eine konkrete, erstmalig drohende Beeinträchtigung seines Eigentums mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit und zeitlichen Nähe besteht. Laut eines vom Gericht beau ragten Sachverständigen liegt die
Eintrittswahrscheinlichkeit der behaupteten Überflutung in den nächsten 30 Jahren bei nuretwa einem Prozent.Zudem wäre der Wasseranstieg auf seinem Grundstück so geringfügig, dass keine ernstha e Beschädigung zu erwarten sei.
Folgen für künftige Verfahren
Die juristische Sprengkra des Urteils liegt somit nicht im Einzelfall, sondern in den vom OLG Hamm formulierten Maßstäben. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Klimaha ungsklage sind nun klarer umrissen und unter bestimmten Bedingungen erreichbar. Entscheidend ist, dass Kläger kün ig eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit und konkretere Betroffenheit nachweisen können. Denn das Urteil signalisiert: Ein anderer Kläger – etwa jemand, dessen Eigentum an der Küste unmittelbar durch den Meeresspiegelanstieg bedroht ist – hätte nach den Kriterien des OLG Hamm deutlich bessere Erfolgsaussichten.
Fazit
Mit seinem Urteil hat das OLG Hamm CO2-Großemittenten keinen Freispruch erteilt, sondern im Gegenteil die rechtlichen Grundlagen für eine zivilrechtliche Klimaha ung geschaffen. Zwar blieb der Erfolg in der konkreten Sache aus – doch für künftige Kläger stellt das Urteil einen wichtigen Etappensieg dar. Mit Spannung zu erwarten ist, wie sich der BGH zu den grundlegenden Rechtsfragen von Klimaklagen gegen Unternehmen äußern wird. Mitte Oktober hat der BGH in dem bereits erwähnten Mercedes-Benz-Verfahren dem Antrag der Deutschen Umwelthilfe auf Zulassung der Revision stattgegeben. Somit wird es in naher Zukun eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der zivilrechtlichen Klimaha ung geben. CO2-Großemittenten sollten sich aus Gründen unternehmerischerVorsicht bereits jetzt darauf einstellen, dass der Zivilrechtsweg zur Klimaha ung zukün ig nicht länger versperrt ist..
Ansprechpartner
Dr. Tim Neumann t.neumann@bdi.eu

Die BürokratieabbauAgenda der EUKommission in der Praxis: Omnibus I und die CSDDD

Mit dem vorgelegten Omnibus-I-Paket verfolgt die Europäische Kommission das Ziel, zentrale Elemente der EU-Nachhaltigkeitsgesetzgebung zu vereinfachen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Investitionskapazitäten freizusetzen. Die kommenden Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament werden entscheidend dafür sein, ob die CSDDD zu einem praxisgerechten und wirtschaftlich tragfähigen Regelwerk wird.

Bürokratierückbau und regulatorische Vereinfachung sind erklärte Kernprioritäten der EU-Kommissionspräsidentin Ursulavon der Leyen für ihre zweite Amtszeit 2024-2029, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtscha angesichts zunehmender geopolitischer Verwerfungen wiederherzustellen. Der maßgebliche Anstoß dafür ging von den Berichten der beiden ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi und Enrico Letta aus, die jeweils Überregulierung und exzessive Bürokratie durch die EU-Gesetzgebungals strukturelle Probleme fürdieWettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und die Vollendung des Binnenmarkts erkannten und zu tiefgreifenden Reformen aufriefen.
Die von Kommissionspräsidentin von der Leyen angekündigte BürokratieabbauAgenda enthält ein Bündel von Maßnahmen, in dessen Zentrum ein Stress-Test des gesamten EU-Aquis steht. Jede/r Kommissar/in ihres Kabinetts hat die Aufgabe, in seinem oder ihrem Bereich Entlastungspotentiale zu identifizieren und der Kommissionspräsidentin entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Das erklärte Ziel ist es, bis zum Ende des Mandates 2029 Berichtspflichten fürUnternehmen,um mindestens 25 Prozent zu reduzieren (35 Prozent für kleine und mittelgroße Unternehmen) und so mehr als 37 Milliarden EUR an regulatorischen Belastungen einzusparen.
Die Umsetzung der Vorschläge soll insbesonderedurch sogenannte„Omnibus-Pakete“ erfolgen. Das Arbeitsprogramm der EUKommission für das Jahr 2025 benannte bereits die ersten drei Omnibusse: (1) zum EU-Nachhaltigkeitsrechtsrahmen (Februar 2025), (2) zum InvestEU-Programm (Februar 2025),und (3) zu Small Mid Caps (Juni 2025). Die EU-Kommission veröffentlichte zusätzlich weitere„Omnibusse“ in 2025: ein Omnibus fürdie Landwirtscha (Mai 2025) sowie ein weiterer für die „Verteidigungsbereitscha “(Juni 2025). Fürdie zweiteJahreshäl e 2025 sind weitere relevante Initiativen geplant, unter anderem ein Digital-Omnibus, eine Revision der EU-Chemikalienverordnung REACH sowie – aller Voraussicht nach – ein Omnibus zum EU-Umweltrecht.
Mit dem am 26. Februar 2025 vorgelegten Omnibus-Paket zur EU-Nachhaltigkeitsgesetzgebung (sog. Omnibus-I) verfolgt die Europäische Kommission das Ziel, zentrale Elemente der EU-Nachhaltigkeitsgesetzgebung zu vereinfachen,
die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Investitionskapazitäten freizusetzen. Das Paket umfasst Änderungen an vier zentralen Rechtsakten: der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), der CorporateSustainability Reporting Directive (CSRD), der Taxonomie-Verordnung sowie dem CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM).
Die beiden Richtlinienvorschläge aus dem Paket, die die CSDDD betreffen, bestehen aus einem Vorschlag zur Verschiebung der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie (sog.Stop-the-clock-Richtlinie),COM(2025) 80 final, sowie einem zweiten Richtlinienvorschlag zur inhaltlichen Änderung des Rechtstextes der CSDDD, COM(2025) 81 final.
„Stop-the-clock“: Fristverlängerung für Unternehmen und Mitgliedstaaten
In dem Stop-the-clock-Richtlinienvorschlag werden die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten und dieAnwendungsfristen für Unternehmen neu geregelt: Demnach soll die Umsetzung der CSDDD durch die Mitgliedstaaten bis Juli 2027 (statt 2026) erfolgen.
Auch die Anwendung der Richtlinie verschiebt sich um ein Jahr für Unternehmen mit 5000 Beschä igten und 1,5 Milliarden EUR Umsatz auf den 26. Juli 2028 (statt Juli 2027) sowie für Nicht-EU-Unternehmen mit mehrals 900 Mio. EURUmsatz in der EUauf den 26. Juli 2028. Für die anderen Gruppen von Unternehmen bleibt derZeitplan fürdie Anwendung unverändert.
Anfang April 2025 haben beide EU-Gesetzgeber Rat und EP dem sog. Stop-the-clockVorschlag ohne Änderungen zugestimmt. Die Richtlinie ist im Juni 2025 in Kra getreten und muss bis zum 31. Dezember 2025 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.
Inhaltliche Änderungen der CSDDD
DerRichtlinienvorschlagCOM(2025)81final bringt folgende inhaltliche Anpassungen:
. Harmonisierungsgrad (Artikel 4): Der Omnibusvorschlag der Kommission dehnt die Anwendung der Harmonisierungsklausel auf weitere Artikel rund um die zentralen Sorgfaltspflichten aus. Allerdings haben die Mitgliedstaaten weiterhin die Möglichkeit, zu allen nicht von dem Artikel erfassten Bestimmungen strengere als die in der Richtliniegeregelten Vorschri en einzuführen.
. Begrenzung der Sorgfaltspflichten auf Tier-1-Lieferanten: Unternehmen sollen sich auf direkte Geschä spartner konzentrieren. Das Risikomapping ist allerdings auf mittelbareGeschä spartner auszudehnen, wenn es „plausible Informationen“ für tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen in der Lieferkette gibt.
. Abschaffung der Verpflichtung, einen Vertrag bei Verstößen als „ultima ratio“ zu kündigen (Artikel 10, 11). Die Verpflichtung zur Aussetzung des Vertragsverhältnisses bleibt bestehen,ohne jedoch eine direkte Ha ung nach sich zu ziehen.
. Die Definition des Begriffs „Stakeholder“ wurde geändert, im Geltungsbereich eingeschränkt (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe n)und die Phasen der Einbeziehung der Beteiligten reduziert (Artikel 13 Absatz 3).
. Klimaplan: Unternehmen müssen zwar einen Klimaplan erstellen, doch die inhaltlichen Anforderungen an ihn wurden deutlich reduziert. Die Formulierungen sind nun weicher („angemessene Anstrengungen“ statt „bestmögliche“).
. Zivilrechtliche Ha ung: Die ursprünglich vorgesehene zivilrechtliche Haftung wurde teilweise gestrichen – ein zentraler Punkt der BDI-Forderungen. Die Ha ung regelt sich nun nach den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten.
. Sanktionen: Abschaffung der umsatzabhängigen Geldbuße von 5 % in Artikel 27 Absatz 4.
. Revisionsklausel: Die Überprüfung der Einbeziehungdes Finanzsektors wurde aus dem Text gestrichen.
. Die von derder EU-Kommission vorzulegenden Leitlinien und bewährten Verfahren nach Artikel 19 Absatz 2 a) für die ErfüllungderSorgfaltspflichten der Artikel 5 bis 16 sind bis Juli 2026 (früher als vorgesehen) zur Verfügung zu stellen, Artikel 19 Absatz 3; alle anderen Leitlinien bis spätestens Juli 2027.
Mit dem Omnibus-I-Vorschlag zur CSDDD hat die EU-Kommission einen wichtigen Schritt zur Entschärfung der ursprünglich geplanten Lieferkettenregulierung unternommen. Der BDI begrüßt diesen Kurs ausdrücklich – mahnt jedoch an, dass im weiteren Gesetzgebungsprozess keine Verwässerung der Entlastungsvorschläge erfolgen darf.Vielmehr sind weitere substanzielle Erleichterungen notwendig, um den Regulierungs-, Verwaltungs- und Berichterstattungsaufwand fürUnternehmen deutlich zu reduzierenund dieWettbewerbsfähigkeitder europäischen Industrie zu sichern.
BDI-Forderungen zur CSDDD im Überblick
Der BDI setzt sich für eine praxisnahe und wirtscha sfreundliche Ausgestaltung der Richtlinie ein. Zentrale Forderungen sind:
. Erweiterung der Harmonisierung: Der Grad der Harmonisierung der Richtlinie sollteerweitert werden in Bezugauf den Anwendungsbereich und die Definitionen und Artikel 4 Absatz 2, derein Einfallstorder Mitgliedstaaten fürGoldplating darstellt, gestrichen werden.
. Risikobasierter Ansatz: Die Beschränkung der Sorgfaltspflichten auf eigene Aktivitäten,Tochtergesellscha en und direkteGeschä spartner(sog.„Tier 1“) ist richtig und stellt eine wesentliche Erleichterung für Unternehmen dar. Gleichwohl sollte der risikobasierte Ansatz (der in den internationalen Standards verankert ist) gestärkt werden, sodass Unternehmen ihre Risiken bei derErfassungund Bewertung sowie auch bei ihrer Verhinderung und Behebung priorisieren können.
. Streichung der Pflicht zur Aussetzung von Geschä sbeziehungen: Keineautomatische Beendigung bei Verstößen.
. Die Pflicht zurAufstellung eines Klimaplans sollte gestrichen werden.
. Die Abkehr von einem separaten zivilrechtlichen Haftungstatbestand ist zwar ein erster Schritt, allerdings sollten die Vorgaben zu einer zivilrechtlichen Ha ung zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit und Klagerisiken komplett gestrichen werden (Artikel 29).
. An der Streichung der umsatzabhängigen Geldbuße von 5 % sollte festgehalten werden, Artikel 27 Absatz 4. Die im Annex genannten Verpflichtungen müssen gekürzt werden,um überbordende Detailvorgaben zu reduzieren.
. Leitlinien der KOM zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten: Rechtzeitige,d.h.vor Beginn derAnwendungsfrist der Richtlinie zur Verfügungstellung der Leitlinien des Artikel 19.
Ratsposition: Viele BDIForderungen aufgenommen
Am 23. Juni 2025 hat der Rat fürAllgemeine Angelegenheiten seine Position zum Omnibus-I-Vorschlag festgelegt. Die polnische Ratspräsidentscha trieb die VerhandlungenunterhohemZeitdruckvoran,um ihrZiel einer Einigung der Mitgliedstaaten innerhalb ihrer Ratspräsidentscha zu erreichen. Die Ratsposition grei viele Forderungen der BDI-Position auf. Wichtige Elemente der Ratsposition:
. Anwendungsbereich: Erhöhung der Schwellenwerte auf 5000 Beschäftigte und 1,5 Mrd. EUR Umsatz.
. Harmonisierungsgrad (Artikel 4): Wie Omnibusvorschlag der Kommission (s.o.).
. Risikobasierter Ansatz und Begrenzung auf Tier 1: Pflicht zur Durchführung eines sog. scopings der direkten Geschä spartner basierend auf „reasonably available“ Informationen zur Identifizierung, wo nachteilige Auswirkungen wahrscheinlich sind und dort Durchführung einer tiefergehenden Überprüfung (Ausnahmen bei objektiv überprüfbaren Informationen bezüglich indirekter Geschä spartner nach Artikel 8 Absatz 2a).
. Klimaschutzpläne: Keine Streichung, aberweitere Abschwächung derAnforderungen, keine Nennungvon Gradzahlen für die Begrenzung der Erderwärmung, fakultative Ausgestaltung, die Annahme eines Klimaplans soll in den ersten zwei Jahren nach Beginn der Anwendungsfrist der Richtlinie optional sein.
. Sanktionen: Wiedereinführung der 5 %-Geldbuße gemäß Artikel 27Absatz 4 – entgegen BDI-Forderung.
. Zivilrechtliche Ha ung: Die Streichungen im Omnibus-Vorschlag der Kommission zur zivilrechtlichen Ha ung sind im finalen Ratstext übernommen worden.
. Revisionsklausel, Artikel 36: Die Überprüfung der Einbeziehung des Finanzsektors wurdeaus dem Text gestrichen; AnhebungdesÜberprüfungsdatumsauf 26. Juli 2031, Anpassung der Regelung zu den Klimaplänenund Einfügen eines Abschnitts h) zur Überprüfung, ob das scoping und die weitergehende Überprüfung des Artikel 8 Absatz 2 a) und b) auf indirekte Geschä spartner ausgedehnt werden sollte.
. Verschiebung der Umsetzungsfrist (Artikel 37) auf Juli 2028 sowie der Anwendungsfrist auf Juli 2029.
. Verschiebung der Frist zur Vorlage von Leitlinien der Kommission, Artikel 19: Der Rat hebt die vom Omnibus-Vorschlag vorgesehene vorzeitige Pflicht der KOM zurVorlage von Leitlinien zur Unterstützung der Unternehmen und Behörden bei der Durchführung der Sorgfaltspflichten von Juli 2026 bzw. 26. Januar 2027 auf Juli 2027 bzw. 26. Januar 2028 an.
EP Position steht fest
Am 13. Oktober 2025 hat auch der Rechtsausschuss des EP(JURI) seine Position abgestimmt. Die EP-Position sieht u.a. vor:
. Anwendungsbereich: Zukün ig sollen Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitenden und einem Mindestumsatz von 1,5 Mrd. EUR erfasst werden.
. Harmonisierungsgrad: Dieser wirdzum einen durch dieAufnahmeweiterer
Artikel in Artikel 4 erhöht (Artikel 6-16), sowie zum anderen durch die Streichung des bisherigen Artikel 4 Absatz 2, was der BDI-Position nach einer weiteren Vereinheitlichung entspricht.
. Klimapläne: Der finale Bericht sieht vor, dass Unternehmen verpflichtet sind, einen Klimaplan zu verabschieden, Artikel 22 CSDDD. Gestrichen wurde aberdie Formulierung im Omnibus-Vorschlag der KOM, die in diesem Zusammenhang auch die Umsetzungsmaßnahmen miteingeschlossen hat. Ziele sollen durch „reasonable efforts“ anstatt durch „best efforts“ erreicht werden, die Nennung von Gradzahlen fürdie Begrenzung der Erderwärmung wurde gestrichen. Wenn ein Unternehmen im Rahmen der CSRD über Übergangspläne berichtet, erfüllt es die Verpflichtungaus Artikel 22. Die Behörden müssen nur die Annahme des Klimaplans durch ein Unternehmen überprüfen, nicht jedoch dessen Umsetzung. Die Behörden haben eine beratende Funktion und keine rein strafende. Der BDI hatte sich dafüreingesetzt, die gesamte Vorschri zu streichen.
. Zivilrechtliche Haftung: Die Regelung der zivilrechtlichen Ha ung des Berichts entspricht dem Omnibus-Vorschlag der KOM zu Artikel 29 CSDDD. Dies bedeutet, dass keine EU-weite, harmonisierte Regelung zur zivilrechtlichen Ha ung in die Richtlinie aufgenommen wird. Dennoch sind Elemente, die die Ha ung betreffen, im Bericht, wie schon im Kommissionsvorschlag enthalten, wie beispielsweise Vorschri en zu Verjährungsfristen oder zur Offenlegung von Beweismitteln. Des Weiteren sieht die Revisionsklausel des Artikel 36 u.a. die Überprüfung vor, ob weitergehende Regelungen zur zivilrechtlichen Ha ung zukün ig in der EU-Richtlinie vorgesehen werden sollen. Der BDI hatte sich zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit und Klagerisiken fürdievollständigeStreichung der Regelung zur Ha ung eingesetzt.
. Risikobasierter Ansatz, Artikel 8: Eine Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Geschä spartnern und Begrenzung auf Tier 1, wie es die Kommission und der Rat vorschlagen, ist im EP-Bericht nicht vorgesehen. Der Bericht sieht vielmehr vor, dass
die Überprüfung der Geschä stätigkeiten von Geschä spartnern grundsätzlich risikobasiert und unter Berücksichtigung relevanter Risikofaktoren wie geographischer und kontextualer Faktoren, wie z.B. der Grad der Rechtsdurchsetzung erfolgt: In einem ersten Schritt ist ein scoping anhand von reasonably available Informationen vorzunehmen zur Identifizierung allgemeiner Bereiche der schwerwiegendsten und wahrscheinlichsten Risiken auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Informationen.Gibt das Ergebnis dieser Prüfung Anlass zurAnnahme, dass die Geschä stätigkeit zu negativen Auswirkungen i. S. d. Richtlinie geführt hat oder führen wird, ist in einem zweiten Schritt eine weitergehende Untersuchung vorzunehmen. Wenn Unternehmen eine angemessene Priorisierung der schwerwiegendsten und wahrscheinlichsten Risiken vornehmen, können sie nicht für Schäden bestra werden, die aus weniger bedeutenden negativen Auswirkungen resultieren, die noch nicht angegangen wurden. Der BDI hatte sich für die Konzentration auf Tier-1-Geschä spartner und einen risikobasierten Ansatz mit klaren Grenzen für weitergehende Prüfpflichten eingesetzt.
. Sanktionen: Die umsatzabhängigen Sanktionen in Höhe von 5 % werden wieder eingeführt, jedoch als Höchstbetrag(in Anlehnungan dieallgemeine Ausrichtung des Rates).
. Die von der der EU-Kommission vorzulegenden Leitlinien nach Artikel 19 sind bis Juli 2026 (früher als vorgesehen) zur Verfügung zu stellen.
. Revisionsklausel, Artikel 36: Die Überprüfung der Einbeziehung des Finanzsektors wurdeaus dem Text gestrichen; die Vorlagefrist für den Überprüfungsbericht ist wie im Kommissionstext der 26. Juli 2030 (Rat 2031); die Überprüfung der Regeln zu den Klimaplänen e) wird erweitert um die Überprüfung des Inkra tretens des Klimaplans durch ein Unternehmen; ferner Erweiterung der Regelung f) zur Überprüfung der auf nationaler Ebeneeingerichteten Durchsetzungsmechanismen,derSanktionen und Vorschri en über die zivilrechtliche Ha ung um die Prüfung der Aufnahme weiterer Ha ungsregeln in die Richtlinie.
Richtungsweisende TrilogVerhandlungen stehen bevor
Die kommenden Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament werden entscheidend dafür sein, ob dieCSDDD zu einem praxisgerechtenund wirtscha lich tragfähigen Regelwerk wird. Der BDI wird sich weiterhin dafüreinsetzen, dass die Interessen der Industrie gehört und berücksichtigt werden..
Ansprechpartner
Christoph Bausch c.bausch@bdi.eu

Ansprechpartnerin
Verena Westphal v.westphal@bdi.eu

Ansprechpartnerin
Dr. Stefanie Espitalier s.espitalier@bdi.eu

Quo vadis neue Nachhaltigkeitsberichterstattung?
Praxistauglicher Wegbereiter oder überbordendes Bürokratiemonster?

Die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) kann die grüne Transformation entscheidend vorantreiben – allerdings nur, wenn der Berichtsaufwand für die Unternehmen auch leistbar ist. Sie muss im Rahmen des EU-Omnibus I daher jetzt dringend praxistauglich überarbeitet und auch im Rahmen der deutschen Umsetzung ohne „Goldplating“ implementiert werden.

Die neuen EU-Vorschri en zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD zielen im Rahmen des Green Deals der Europäischen Kommission darauf ab, dass bestimmte Unternehmen über die sozialen und ökologische Auswirkungen, Risiken und Chancen ihrer Geschä stätigkeit berichten. Damit soll einerseits die grüne Transformation innerhalb der Unternehmen strukturiert und beschleunigt sowie andererseits Finanzunternehmen und anderen Stakeholdern relevante und vergleichbare Daten aus der Realwirtscha zur Förderung nachhaltiger Investitionen zur Verfügung gestellt werden.
Allerdings birgt die Umsetzung der CSRD für viele deutsche Unternehmen auch tiefgreifende Veränderungen und vielfältige bürokratische Herausforderungen. Künftig müssen betroffene Unternehmen mit dem Lagebericht einen umfangreichen Nachhaltigkeitsbericht in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance vorlegen. Daher muss der Aufwand der Unternehmen höchstmöglich begrenzt werden und verhältnismäßig sein.
Die aktuelle Überarbeitung der CSRD im Rahmen des EU-Omnibus I bietet eine einmalige Chance, jetzt praxisnahe Regelungen zu finden,ohnedabei dieZieledes Green Deal zu untergraben. Gleichzeitig bietet die parallel stattfindende deutsche Umsetzung der CSRD die Gelegenheit, wichtige Änderungen durch den Omnibus direkt aufzunehmen und die deutschen Unternehmen nicht unverhältnismäßig zu belasten.
Die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung in Zahlen
Nach der Vorgängerregelung der CSRD, der Non-Financial Reporting Directive (NFRD), waren bereits seit 2017 ca. 500 Unternehmen in Deutschland dazu verpflichtet, eine nichtfinanzielle (Konzern-) Erklärungüber ihre Nachhaltigkeitsaspekte zu veröffentlichen. Mit der Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD wären nach aktuellem europäischem Recht sogar rund 13.200 Unternehmen in Deutschland (EU-weit ca. 49.000 Unternehmen)1 schrittweise von der Berichterstattung betroffen – nicht nur große, sondern auch viele mittelständische Unternehmen. Außerdem wurde mit der CSRD auch die Art und der Umfang der eigentlichen Berichterstattung im Vergleich zur NFRD erweitert. Dazu gehören vor allem die doppelte Wesentlichkeit und der Einbezug der gesamten Wertschöpfungskette.
Die Berichterstattung für die ersten betroffenen Unternehmen sollte laut europäischer Richtlinie eigentlich bereits für ab dem 1. Januar 2024 beginnende Geschä sjahre (Berichterstattung in 2025) gelten. Aufgrund des Ampelbruchs konnte die deutsche Umsetzung der CSRD im Jahr 2024 allerdings nicht abgeschlossen werden. Im Jahr 2025 erfolgt ein zweiter Umsetzungsversuch. Somit würden die ersten Unternehmen frühestens für ab dem 1. Januar 2025 beginnende Geschä sjahre (Berichterstattung in 2026) berichtspflichtig werden. Aufgrund der Überschreitung der offiziellen Umsetzungsfrist bis Anfang Juli 2024 wurde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet.
Massive Ausweitung
Von 500 Unternehmen auf bis zu 13.200 in Deutschland.
Praxistaugliche Überarbeitung der CSRD im Rahmen des EU-Omnibus I notwendig
Durch die Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung stehen betroffene Unternehmen vor großen Herausforderungen. Sie müssen ihre Prozesse entsprechend anpassen, geschultes Personal einstellen und ihre Nachhaltigkeitsberichte extern prüfen lassen, was hohe zusätzliche Kosten und Ressourcenaufwand bedeutet. Daher ist besonders entscheidend, dass im Rahmen des EU-Omnibusverfahrens eine praxistaugliche Überarbeitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgt und der Bürokratieaufwand für die Unternehmen höchstmöglich begrenzt wird.
Durch den aktuellen EU-Omnibus könnten einige wichtige Erleichterungen des bestehenden Regelwerks, vor allem für den Mittelstand, geschaffen werden. Dazu gehört unter anderem eine Verringerung des Anwendungsbereichs, wodurch sich die Zahl betroffener Unternehmen um ca. 80 % auf nur 3.900 betroffene deutsche Unternehmen2 verringern könnte, eine Verschiebung der Berichtspflichten für neu berichtspflichtige Unternehmen3 sowie eine deutliche Überarbeitung der Berichtsstandards.
1 Europäische Kommission, CSRD-Entwurf (COM/2021/189 nal), Abschnitt „Folgenabschätzung“.
2 Regierungsentwurf zur deutschen Umsetzung der CSRD. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2464 hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in der durch die Richtlinie (EU) 2025/794 geänderten Fassung.
3 Im Rahmen des sog. "Stop-theclock" bereits erfolgt.
Wichtigste
BDI-Forderungen
zur Überarbeitung
der CSRD im Rahmen des EU-Omnibus I
Verschiebung der Berichtspflichten für neu berichtspflichtige Unternehmen (bereits erfolgt im Rahmen des „Stop-the-clock“).
Deutliche inhaltliche Vereinfachungdes Nachhaltigkeitsstandards ESRS(insbesonderederqualitativen Datenpunkte).
Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitenden und 450 Mio. EUR Nettoumsatz.
Vereinheitlichung der Berichtsgrenzen von Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Ausweitung des Konzernprivilegs auf alle konzernweiten Tochtergesellscha en.
Einschränkung der Berichtspflichten von Unternehmen in der Wertschöpfungskette berichtspflichtiger Unternehmen („Trickle-down“-Effekt).
Keine Entwicklung zusätzlicher Sektorstandards. siehe auch BDI-Positionspapier
Deutliche Reduzierung der konkreten Nachhaltigkeitsberichtstandards erforderlich
Die konkreten Berichtsstandards finden sich in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Diese wurden von der Europäischen Kommission erlassen und sind – anders als die ins nationale Recht umzusetzende CSRD – direkt anzuwenden. Das ESRS Set 1 umfasst zwölf sektorübergreifende Standards mit einer Vielzahl an Berichtspflichten aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance. Aktuell umfassen die ESRS quantitative und qualitative Angaben zu mehr als 1.100 Datenpunkten. Die Berichterstattung unterliegt grundsätzlich einem Wesentlichkeitsvorbehalt, sodass nur als wesentlich eingestu e Angaben berichtet werden müssen. Aufgrund der Vielzahl und Komplexität der zu berichtenden Datenpunkte und großen Herausforderung der bereits gemachten Erfahrung mit der praktischen Anwendbarkeit wurde beschlossen, auch die ESRS inhaltlich zu überarbeiten.
Einschränkung von Verfolgungs- und Sanktionsmöglichkeiten.
Daher wurde die EFRAG von der EU-Kommission damit beauftragt, bis zum 30. November 2025 eine fachliche Empfehlung zur Überarbeitung des ESRS Set 1 zu erarbeiten. In diesem Zuge wurden am 31. Juli 2025 die Entwürfe des überarbeiteten ESRS Set 1 zur Konsultation veröffentlicht. Dazu gehört beispielsweise der Vorschlag, das Konzept der Fair Presentation einzuführen oder die Vorgaben zur Wesentlichkeitsanalyse noch einmal nachzuschärfen, um eine stärkere Fokussierung auf tatsächlich wesentliche Nachhaltigkeitsinformationen zu ermöglichen und eine checklistenähnliche Abarbeitung der Anforderungen zu vermeiden.
Der BDI hat sich an der Konsultation beteiligt und die Reduzierung des geforderten Berichtsumfangs grundsätzlich begrüßt. Allerdings gehen weder die vorgeschlagene konzeptionelle Vereinfachung der Standards noch die konkrete Streichung von Datenpunkten weit genug. Wichtig ist, dass insgesamt eine Fokussierung auf steuerungsrelevante Kennziffern erfolgt und sich der Berichtsumfang und -aufwand für die betroffenen Unternehmen deutlich reduziert.
Umsetzung der CSRD in Deutschland darf nicht zu Goldplating führen
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 10. Juli 2025 einen neuen Referentenentwurf veröffentlicht, mit dem die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) von Unternehmen in das deutsche Recht umgesetzt werden soll. Bereits die vergangene Bundesregierung hatte einen Entwurf zur Umsetzung der CSRD vorgelegt. Das Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch seinerzeit nicht abgeschlossen. Am 27. Juli 2025 wurde der Regierungsentwurf veröffentlicht. Wesentliche Inhalte des neuen Entwurfs:
. Der Regierungsentwurf zielt erneut grundsätzlich auf eine 1:1Umsetzung ab, sodass keine Vorgaben über den europäischen Entwurf hinaus für die Unternehmen beschlossen werden sollen.
. Die Berichterstattung der 1. Welle4 muss erstmals über das Geschä sjahr 2025 erfolgen. Es wurde allerdings eine Übergangslösung für Unternehmen mit 500 bis 1000 Mitarbeitenden integriert. Diese Unternehmen werden durch die im Rahmen der aktuell verhandelten Omnibusinitiative vorgeschlagene Schwellenwertanhebung voraussichtlich aus dem Anwendungskreis der CSRD herausfallen. Daher sieht der Entwurf vor, diese Unternehmen von der Berichterstattungüberdie Geschä sjahre 2025 und 2026 auszunehmen,um zu verhindern,dass sie nur für einen sehr kurzen Übergangszeitraum berichtspflichtig würden.
. Die Verschiebung der Berichtspflicht für neu berichtspflichtige Unternehmen um zwei Jahre im Rahmen des „Stop-the-clock“ ist ebenfalls bereits enthalten. Unternehmen der zweiten 5 und dritten Welle 6 sind also erst einmal nicht betroffen.
. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass der Omnibus auf EU-Ebene zügig beschlossen wird, um die Ergebnisse noch im laufenden nationalen Gesetzgebungsverfahren umzusetzen.
. Es ist erneut die „Aufstellungslösung“ bei der elektronischen Berichterstattung ab dem Jahr 2026 enthalten.
. Es werden erneut hohe Sanktionen für Unternehmen definiert.
. Es ist eine Übergangsregelung enthalten, wonach für den Fall, dass ein Unternehmen keinen vorsorglichen Hauptversammlungsbeschluss über die Bestellung eines CSRD-Nachhaltigkeitsprüfers eingeholt hat, der Abschlussprüfer auch als Prüfer des CSRD-Nachhaltigkeitsbericht gilt.
. Prüfer soll immer ein Wirtscha sprüfer oder eine Wirtscha sprüfungsgesellscha , nicht zwingend aber der Abschlussprüfer des Jahresabschlusses sein.
4 Große kapitalmarktorientierte Unternehmen, die bereits unter der NFRD berichtsp ichtig waren.
5 Große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden, unabhängig von der Kapitalmarktorientierung.
6 Kapitalmarktorientierte KMU (ausgenommen Kleinstunternehmen).
BDI-Forderungen zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in Deutschland
Der Schutz des Wesentlichkeitsprinzips muss gewährleistet werden.
Es muss eine Ermöglichung einer freien Wahl der Sprache des Lageberichts erfolgen.
Es muss dringend eine Abkehr von der Aufstellungslösung bei derelektronischen Berichterstattung erfolgen. Diese Lösung würde einen sehr hohen Aufwand verursachen, ohne dabei einen Mehrwert zu schaffen.
Der BDI regt dazu an, erneut abzuwägen, ob eine deutsche Umsetzung der CSRD noch im Jahr 2025 und vor Abschluss derOmnibusverhandlungentatsächlich erforderlich ist.
Es muss ein Ausschluss von unwesentlichen Tochterunternehmen erfolgen.
Sanktionen für Unternehmen müssen eingeschränkt werden.
Es muss eine Ausweitung des Prüferkreises erfolgen.
Der „Trickle-down“-Effekt muss weiter begrenzt werden.
Weitere Informationen finden Sie dazu auf der BDI-Webseite zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. .
Eine Vereinfachung der Bestellung des Prüfers des Nachhaltigkeitsberichts muss dauerha erfolgen.
siehe auch BDI-Stellungnahme
Ansprechpartner
Julian Winkler j.winkler@bdi.eu

EU-Kommission konsultiert zu den Kartellverfahrensverordnungen
Eine Verkürzung der Kartellverfahren darf nicht auf Kosten der Verteidigungsrechte der Unternehmen und der Rechtssicherheit erfolgen.


Zwei Jahrzehnte nach Einführung der Kartellverfahrensverordnung (EG) Nr. 1/2003 vom 1. Mai 2004 und der Durchführungsverordnung 773/2004 führt die Europäische Kommission eine umfassende Evaluierung durch. Ziel ist es, die Verordnungen an die veränderten wirtscha lichen und technologischen Rahmenbedingungen anzupassen. Die Kommission hat bis zum 2. Oktober 2025 die interessierte Öffentlichkeit per Fragebogen zu spezifischen Fragestellungen konsultiert.
Mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 am 1. Mai 2004 wurde das europäische Kartellrecht grundlegend neu ausgerichtet. Die bis dahin geltende Verordnung Nr. 17/62, die ein zentralisiertes Anmelde- und Genehmigungssystem vorsah, wurde durch ein System der Legalausnahme ersetzt. Unternehmen sind seither selbst verantwortlich für die kartellrechtliche Bewertung ihrer Vereinbarungen nach Maßgabe der Artikel 101 und 102 AEUV. Gleichzeitig wurde die Rolle nationaler Wettbewerbsbehörden gestärkt und mit dem European Competition Network (ECN) ein Kooperationsrahmen geschaffen, der die parallele Zuständigkeit zwischen EU-Kommission und Mitgliedstaaten strukturieren sollte. Diese Dezentralisierung hat sich in der Praxis grundsätzlich bewährt, hat jedoch neue Herausforderungen mit sich gebracht – etwa bei der rechtssicheren Selbsteinschätzung durch Unternehmen in komplexen oder innovativen Kooperationsformen.
Im Zentrum der Reformüberlegungen der Europäischen Kommission stehen aktuell die folgenden Themenfelder: Digitalisierung, Verfahrensbeschleunigung, Akteneinsicht und Vertraulichkeit, Beteiligung von Beschwerdeführern sowie Einheitlichkeit im Binnenmarkt. Die Kommission fragt per Fragebogen zu digitalen Prüfverfahren, neuen Befragungsbefugnissen, verbindlichen Fristen fürVerpflichtungszusagen und Modellen wie Vertraulichkeitskreise bei der Akteneinsicht.Außerdem möchte siewissen, inwieweit die parallele Anwendung nationalerund europäischer Vorschri en bei einseitigen Handlungen zu Rechtsunsicherheiten geführt hat.
Der BDI sieht Verbesserungsbedarf bei der Planbarkeit und Dauer von Kartellverfahren. Er schlägt vor, verbindliche Fristen oder individuelle Zeitpläne analog zur Fusionskontrolle einzuführen. Einstweilige Maßnahmen sollten weiterhin strengen Voraussetzungen unterliegen,da sieerheblicheund teils irreversible Auswirkungen auf Unternehmen haben können.
Der BDI betont, dass Auskun sverlangen der Kommission mit erheblichem Verwaltungsaufwand für Unternehmen verbunden sind und daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen. Die Fristen zur Beantwortung solcher Auskun sersuchen sind o zu kurz bemessen, insbesondere bei komplexen Sachverhalten. Eine pauschale neue Befugnis zur Beweissicherung sieht der BDI kritisch. Er spricht sich für ein Aussageverweigerungsrecht
20 Jahre nach Reform
Die EU-Kommission überprü erneutdas Kartellverfahrensrecht, um Verfahren zu modernisieren und die Rechtssicherheit für Unternehmen zu stärken.
von Unternehmensvertretern und Juristen aus, um das Selbstbelastungsverbot zu wahren. Er fordert zudem eine frühzeitige und umfassende Akteneinsicht, auch bereits in der Voruntersuchungsphase. Die Möglichkeit, externen Beratern unter Vertraulichkeitsauflagen Zugang zur vollständigen Akte zu gewähren, wird grundsätzlich begrüßt – allerdings nur, wenn auch die Unternehmen selbst Zugang zu den zentralen Beweismitteln erhalten.
Der BDI sieht eine zunehmende Fragmentierung des Wettbewerbsrechts durch strengere nationale Vorschriften über einseitige Handlungen (Artikel 102 AEUV). Im zwischenstaatlichen Bereich sollte daher ausschließlich EU-Recht zur Anwendung gelangen. Eine vollständige Abschaffung der nationalen Sonderregelungen befürwortet der BDI jedoch nicht, da diese in rein nationalen Fällen sinnvoll sein können.
Darüber hinaus kritisiert der BDI die institutionelle Rolle der Kommission als Ermittlungs-und Entscheidungsbehördeund sieht darin ein strukturelles Ungleichgewicht. Er fordert eine stärkere rechtsstaatliche Absicherung des Verfahrens. Die überarbeitete Bekanntmachung zu informellen Orientierungshilfen wird grundsätzlich begrüßt, jedoch besteht weiterhin Verbesserungsbedarf hinsichtlich Transparenz, Fristen und Schutz vor Verfahrenseinleitung. Der BDI fordert zudem klarere Zuständigkeitsregeln im Netz der Wettbewerbsbehörden und eine verbindliche Fallzuweisung durch die Kommission. .
Ansprechpartnerin
Nadine Rossmann n.rossmann@bdi.eu

Ansprechpartnerin
Dr. Ulrike Suchsland u.suchsland@bdi.eu

EU-Kommission konsultiert zu den EU-Fusionskontrollleitlinien
Europäische Fusionskontrolle neu denken –Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Ef zienz und eine dynamische Betrachtungsweise stehen bei der Industrie im Fokus.


Der BDI fordert eine grundlegende Überarbeitung der EU-Fusionskontrollleitlinien, damit diese den veränderten wirtscha lichen Rahmenbedingungen gerecht werden können. Die bestehenden Leitlinien stammen aus den Jahren 2004 und 2008 und spiegeln weder die fortschreitende Globalisierung noch die Digitalisierung, die Dekarbonisierung der Industrie oder geopolitischeUmbrüchewider. Der BDI begrüßt den angekündigten neuen Ansatz der Europäischen Kommission, Wettbewerbspolitik und Fusionskontrolle stärker auf gemeinsame europäische Ziele auszurichten und dabei Aspekte wie Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz, Innovation, Nachhaltigkeit und Digitalisierung in größerem Umfang zu berücksichtigen.
Bis zum 3. September 2025 hat die Europäische Kommission eine umfassende Konsultation zur Überarbeitung der Fusionskontrollleitlinien durchgeführt mit dem Ziel, die geltenden Leitlinien an die heutigen wirtscha lichen Realitäten anzupassen. Die Konsultation ist Teil eines größeren wettbewerbspolitischen Reformvorhabens, das bereits im „Mission Letter“ von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an Exekutiv-Vizepräsidentin Teresa Ribera angekündigt wurde. Demzufolge soll Ribera eine Modernisierung der Wettbewerbspolitik anstreben, die stärker auf strategische Ziele wie Resilienz, Effizienz, Innovation und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Die Überarbeitung der Fusionskontrollleitlinien stellt dabei ein zentrales Element dar. Die zurückliegende Konsultation bezog sich auf sieben zentrale Themenfelder: Wettbewerbsfähigkeit, Marktmacht, Innovation, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Effizienzgewinne und öffentliche Ordnung.
Aus Sicht des BDI sollte die EU-Kommission kün ig in der Fusionskontrolle einen dynamischeren Bewertungsansatz verfolgen, der nicht nur kurzfristige Preiseffekte, sondern auch langfristige Auswirkungen auf Innovation, Qualität, Nachhaltigkeit und Resilienz berücksichtigt. Unternehmen konkurrieren heute nicht mehr ausschließlich über den Preis, sondern auch über qualitative Merkmale. Deshalb müssen alle relevanten Wettbewerbsparameter umfassend analysiert und auch absehbare Marktveränderungen sowie potenzielle Markteintritte stärker berücksichtigt werden.
Effizienzgewinne müssen kün ig eine deutlich größere Rolle spielen. Die Bewertung
sollte einen längeren Zeithorizont einbeziehen, um auch langfristige Investitionszyklen zu erfassen. Neben Preisaspekten sind qualitative Vorteile wie Innovationsintensität, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit als Teil des Verbrauchervorteils zu würdigen. Die Leitlinien müssen die Besonderheiten digitaler Märkte – etwa Netzwerkeffekte, Datenaggregation und Interoperabilität – besser abbilden. Auch Nachhaltigkeitsaspekte wie CO2-Einsparungen, Kreislaufwirtscha und Zugang zu grüner Energie sollten als Effizienzgewinne anerkannt werden – auch wenn sie außerhalb des relevanten Marktes entstehen. Die hohen Anforderungen an die Überprüfbarkeit und Zusammenschlussspezifität von Effizienzgewinnen sind in der Praxis o nicht erfüllbar. Ein Zusammenschluss sollte auch dann genehmigt werden können, wenn die Vorteile für Verbraucher die Nachteile für den Wettbewerb überwiegen – selbst wenn dasselbe Ziel theoretisch mit anderen Mitteln erreichbar wäre.
Im internationalen Standortwettbewerb ist die Anerkennung von Skaleneffekten entscheidend. Die EU braucht ein zukun sfähiges Fusionskontrollrecht, das nicht nur den Binnenmarkt schützt, sondern auch die globale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen stärkt. Eine zu enge Marktbetrachtung und die kritische Haltung gegenüber Konsolidierungen führen zu Nachteilen gegenüber internationalen Wettbewerbern. Die Leitlinien sollten zudem stärker auf Innovation ausgerichtet sein und die Möglichkeit einer „Innovation Defence“ vorsehen. Die Zusammenführung von Ressourcen kann Forschungsaktivitäten intensivieren und die Innovationskra europäischer Unternehmen stärken. Eine zukun sgerichtete Perspektive, die auch mittel- und langfristige Auswirkungen
auf strategische Ziele der EU berücksichtigt, ist unerlässlich.
Der BDI spricht sich für die Beibehaltung unterschiedlicher Bewertungsmaßstäbe für horizontale und nichthorizontale Zusammenschlüsse aus. Vertikale und konglomerate Fusionen führen deutlich seltener zu Wettbewerbsbeeinträchtigungen und bieten erhebliches Potenzial für pro-kompetitive Effizienzen.
Neue Schadenstheorien wie die InnovationsoderÖkosystemtheorie müssen transparent und nachvollziehbar erläutert werden. Sie sollten stets auf soliden wirtscha lichen Nachweisen beruhen. Die Kommission sollte dabei dem „effects-based approach“ folgen, bei dem die tatsächlichen wirtschalichen Auswirkungen im Zentrum der Analyse stehen.
Schließlich sollte die Bewertung von Marktmacht über statische Kennzahlen wie Marktanteile hinausgehen. Marktanteile sind nur ein Indiz für eine marktbeherrschende Stellung. Weitere relevante Faktoren sind Marktzutrittsschranken, finanzielle Ressourcen, Know-how, Zugang zu wesentlichen Einrichtungen, Netzwerkeffekte, Wechselkosten und die Stärke der Nachfrageseite. Dynamische Wettbewerbsindikatoren wie Investitions- und Innovationsintensität geben Aufschluss über die langfristige Wettbewerbsentwicklung und sollten stärker berücksichtigt werden. Die Einführung rechtlicher Vermutungen und eine damit verbundene Verlagerung der Beweislast auf die Zusammenschlussparteien lehnt der BDI hingegen ab.
Ziel der Kommission ist es, auf Basis der Konsultation und einer Folgenabschätzung eine Neufassung der Leitlinien im 4. Quartal 2027 vorzulegen..
Ansprechpartnerin
Nadine Rossmann n.rossmann@bdi.eu
Ansprechpartnerin
Dr. Ulrike Suchsland u.suchsland@bdi.eu


Geplante Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts
Eine Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts kann zu einer offenen und lebendigen Debattenkultur in deutschen Hauptversammlungen beitragen und Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland eröffnen.


Die schwarz-rote Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag 2025 eine Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts angekündigt. Ziel ist die „Stärkung der Rechtssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit des Wirtscha sstandorts Deutschland“ sowie die Eindämmung von Missbrauchsmöglichkeiten. Neu ist dieser Reformgedanke nicht. Seit Jahren wird über die (teilweise) Reform des Aktienrechts diskutiert. Unter anderem hat sich die wirtscha srechtliche Abteilung des Deutschen Juristentages (DJT, 2018) des Themas angenommen, genauso wie die Wissenschaftliche Vereinigung für Unternehmens- und Gesellscha srecht (VGR, 2021) über eine Reform der Hauptversammlung diskutierte. Auch der Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode zwischen derSPDund derCDU/CSU enthielt bereits das Vorhaben „Im aktienrechtlichen Beschlussmängelrecht […] im Interesse des Minderheitenschutzes und der Rechtssicherheit Brüche und Wertungswidersprüche [zu] beseitigen“.
Gleichwohl scheiterte ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion „Für Rechtsicherheit und eine lebendige Hauptversammlung –Reformbedarf im Beschlussmängelrecht” am 22. April 2024 im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages an den Gegenstimmen derdamals regierenden Ampelkoalition.
Dabei waren sich die wissenscha lichen Sachverständigen in der Anhörung im Rechtsausschuss überwiegend einig: Es besteht Reformbedarf.
Was sollte reformiert werden?
Während in der öffentlichen Diskussion durchaus eine umfassende Reform des Aktienrechts vorgeschlagen wird, wie beispielsweisevon derVGR(Vorschläge füreine große Aktienrechtsreform, 2024), scheint sich die aktuelle Bundesregierung hingegen auf das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht zu fokussieren.
Mit der Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts soll die Hauptversammlung reformiert und eine lebendige Debattenkultur zwischen Unternehmen und Aktionären ermöglicht werden.
Denn derzeit wird die Hauptversammlung, aus Angst der Unternehmen vor möglichen Beschlussmängeln, durch eine minutiöse Vorbereitung und einen starren Ablauf geprägt.
Das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht
In den §§ 241 ff. AktG regelt das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht die Folgen von in der Hauptversammlung fehlerha gefassten Beschlüssen. Dabei können Beschlüsse unter verschiedenen Mängeln leiden, wie Einberufungsfehlern oder Fehlern bei der Auskun serteilung.
Beschlussmängel, die erfolgreich durch eine Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklage angegriffen werden, haben nach derzeitiger Rechtslage zwingend die rückwirkende Kassation – das heißt die Nichtigkeit ex tunc – des Beschlusses zur Rechtsfolge.
Die Beschlusskassation kann für Unternehmen weitreichende Folgen haben: Die Hauptversammlung ist zu wiederholen, um den Beschluss erneut fehlerfrei zu fassen. Dies führt auf Seiten der Unternehmen zu hohen Kosten. Weiterhin können unternehmerische Entscheidungen nicht vollzogen werden. Zuletzt sieht sich der Vorstand Regressrisiken ausgesetzt.
Dies führt dazu, dass Aktiengesellscha en die Hauptversammlung minutiös vorbereiten, um Fehler bei der Beschlussfassung zu vermeiden. Ein offener Dialog mit den Aktionären findet zumeist nicht statt. Die Hauptversammlung wird durch Unterbrechungen und der juristischen Prüfung von Aktionärsfragen im „Back-Office“ geprägt. Ein offener Dialog in der Hauptversammlung scheitert insbesondere daran, dass Unternehmen bei Auskun smängeln die Beschlussnichtigkeit droht.
Minutiöse Vorbereitung der Hauptversammlung
Unternehmen droht bei in der Hauptversammlung fehlerha gefassten Beschlüssen die rückwirkende Kassation des Beschlusses.
Das Freigabeverfahren
Abhilfe hat insoweit auch nicht die Einführung des Freigabeverfahrens (§ 246a AktG) geschaffen. Zwar konnten damit missbräuchliche Beschlussmängelklagen durch sog. räuberische Aktionäre eingedämmt werden, allerdings steht das Freigabeverfahren nur im Fall strukturändernder Beschlüsse (bspw. bei Kapitalmaßnahmen) zur Verfügung.
Das Freigabeverfahren erfasst damit nicht alle eintragungspflichtigen Beschlüsse, insbesondere nicht die Wahl des Abschlussprüfers oder die Wahl von Aufsichtsräten.
Das Freigabeverfahren trägt damit nicht zu einer lebendigeren Hauptversammlung bei. Denn insbesondere Fehler bei der Erteilung von Auskün en und Informationen stellen weiterhin einen Anfechtungsgrund darund können auch nicht durch das Freigabeverfahren gelöst werden.
Reformziele
Eine Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts kann maßgeblich zu einer offenen und lebendigen Diskussion in der Hauptversammlung beitragen und den Dialog zwischen Aktionären und Unternehmensleitung verbessern.
Denn keinesfalls scheuen Unternehmen die offene Diskussion mit den Aktionären. Im Gegenteil würden Unternehmen den kritischen Dialog nutzen, um unternehmerische Entscheidungen zu erläutern.
Aus Sicht des BDI soll die Reform daher insbesondere zum Ziel haben, das erhebliche Anfechtungsrisiko bei der Auskun serteilung in der Hauptversammlung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.
Eine Reform des Beschlussmängelrechts sollte allerdings mit Augenmaß erfolgen. Wichtige Elemente der derzeitigen Regelungen, nicht zuletzt das mehrfach reformierte Freigabeverfahren, haben sich bewährt. Es gilt mit einer Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts einen angemessenen Ausgleich zwischen Aktionärsschutz und Beschlusserhaltung herzustellen.
Das Freigabeverfahren konnte Beschlussmängelklagen durch räuberische Aktionäre eindämmen, steht aber nur im Fall strukturändernder Beschlüsse zur Verfügung.
Vorrangig soll das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“, also die zwingende Kassationswirkung bei Vorliegen eines Beschlussmangels, abgescha und durch eine flexiblere Rechtsfolgenregelung ersetzt werden.
Aus Sicht des BDI ist es nicht zielführend, dass jeder Beschlussmangel zur Nichtigkeit des Beschlusses führen kann. Dies gilt insbesondere für Beschlussmängel, die der Gesellscha im Rahmen der Geltendmachung von Auskun s- und Informationsrechten der Aktionäre drohen.
Statt der zwingenden Rechtsfolge der Nichtigkeit des Beschlusses bei Vorliegen eines Mangels soll das Gericht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung anstellen, bei der die Auswirkungen des Mangels für die Aktiengesellscha einerseits und den Aktionär andererseits abgewogen werden. Dabei soll der Grundsatz der Beschlusserhaltung gelten, sodass Bagatellfehler nicht mehr die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge haben können.
Unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeitsprüfung sollen dem Gericht sodann alternative Rechtsfolgen wie die Aufhebung eines Beschlusses mit Wirkung ex nunc, die Gewährung von Schadenersatz, die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses, die Verhängung eines Rügegeldes oder die Veröffentlichung des Urteilstenors in den Gesellscha sblättern zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus soll das bisherige Freigabeverfahren, das eine Eintragung von strukturändernden Beschlüssen trotz laufender Anfechtungsklage ermöglicht, auf alle eintragungspflichtigen auch nicht strukturändernden Beschlüsse ausgeweitet und ein neues Eilverfahren etabliert werden. Damit sollen Verfahren beschleunigt und die Rechtssicherheit erhöht werden. So könnte im Eilverfahren festgestellt werden, dass ein Beschluss zwar unter einem Mangel leidet, dieser aber nicht die Rechtsfolge der Beschlusskassation rechtfertigt. Somit könnte das Prozessgericht durch Beschluss
feststellen, dass die Erhebung einer Anfechtungsklage der Registereintragung nicht entgegensteht und der geltend gemachte Beschlussmangel die Wirkung der Eintragung unberührt lässt. Damit würde die faktische Registersperre überwunden, die eine Beschlussmängelklage sonst auslöst.
Weiterhin sollen die Nichtigkeitsgründe nach § 241 AktG reformiert werden, um schwere von weniger schweren Rechtsverstößen zu trennen.
Zuletzt könnte bei Beschlussmängeln, die auf einer Verletzung von Auskun s- und Informationsrechten derAktionäre beruhen, die Einführung eines Mindestquorums als Relevanzfilter sinnvoll sein. Denn ist eine Frage nach Ansicht des Fragestellers nicht oder nicht vollständig beantwortet worden, haben die übrigen Aktionäre aber gleichwohl für den Beschluss gestimmt, dür e dies dafürsprechen, dass die verlangte Information für die Willensbildung und die Beschlussfassung nicht relevant war.
BDI-Position
Der BDI unterstützt die geplante Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts. Die Reform kann ein bedeutender Schritt zur Modernisierung des Gesellscha srechts sein und eine lebendigere und attraktivere Hauptversammlung ermöglichen. Dabei sollte eine Reform insbesondere das erhebliche Anfechtungsrisiko bei der Auskun serteilung in den Blick nehmen und reduzieren.
Gleichwohl sollte eine Reform mit Augenmaß erfolgen, um die sorgfältig austarierten, bestehenden Regelungen nicht zu gefährden..
Die geplante Reform des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts kann ein bedeutender Schritt zur Modernisierung des Gesellscha srechts sein und eine lebendigere und attraktivere Hauptversammlung ermöglichen.
Ansprechpartnerin
Inga Waldmann i.waldmann@bdi.eu

Veranstaltungseinladung
Einladung zum ersten BDI Forum Recht: Innovationskraft steigern durch zukunftsorientierten Rechtsrahmen.



Am 4. November lädt der BDI zum BDI Forum Recht 2025 unterdem Fokusthema „Innovationskra steigern durch zukun sorientierten Rechtsrahmen“ ein.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen spielen für das Innovationsgeschehen und die Innovationsoffenheit einer Gesellschaft eine fundamentale Rolle. Ein innovationsfreundlicher Rechtsrahmen, der Unternehmen einen ausreichenden und rechtssicheren Handlungs- und Gestaltungsspielraum eröffnet, ist unerlässlich, um die Innovationskra in Deutschland und in der Europäischen Union zu stärken und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen im globalen Markt zu steigern.
Das BDI Forum Recht 2025 wird diese wichtige Schnittstelle zwischen Recht und Innovation beleuchten. Mit hochkarätigen Gesprächspartnern aus Politik, Wissenscha und Wirtscha werden wir darüber debattieren, welche legislativen Maßnahmen auf nationalerund europäischer Ebene Innovation fördern können. Wir freuen uns auf eine Keynote von Bundesjustizministerin Dr. Stefanie Hubig.
Auf Expertenpanels zum Geistigen Eigentum, zur Wettbewerbspolitik und zur Beihilfenpolitik wollen wir u. a. über die Notwendigkeit einer nationalen IP-Strategie, über die richtigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und über erforderliche Anpassungen des Wettbewerbs- und Beihilfenrechts sprechen, um die Bildung europäischer Innovationsökosysteme und innovativer Unternehmenskooperationen verstärkt zu ermöglichen.
Melden Sie sich bei Interesse gerne noch an!
Programm 4. November 2025 tinyurl.com/programm-bdi-forum-recht
Anmeldelink 4. November 2025 tinyurl.com/bdi-forum-recht
Ansprechpartnerin
Nadine Rossmann n.rossmann@bdi.eu
Ansprechpartnerin
Dr. Ulrike Suchsland u.suchsland@bdi.eu


Impressum
Herausgeber
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29 10178 Berlin
T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu
Redaktion
Niels Lau (V.i.S.d.P.), Abteilungsleiter Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
Inga Waldmann, Syndikusrechtsanwältin Referentin Abteilung Recht, Wettbewerb und Verbraucherpolitik
Konzeption & Umsetzung
Sarah Schwake Abteilung Kommunikation
T: +49 30 2028-1426 s.schwake@bdi.eu
Layout & Satz
Lana Grochowina lanagrochowina.com
T: +39 176 807 529 63 kontakt@lanagrochowina.com
Verlag
Industrie-Förderung GmbH, Berlin
Stand
Oktober 2025
Bildnachweis
Umschlag | 1517009376 | AdobeStock
S. 2 | BDI
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S. 26 | Jana Legler | BDI
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