Protektionismus als Konjunkturbremse

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WACHSTUMSAUSBLICK EUROPA

Protektionismus als Konjunkturbremse

US-Zölle belasten die wirtschaftliche Erholung Europas

▪ Zollmaßnahmen trüben Wachstumsaussichten: Nach einer erwarteten zyklischen Erholung des Wachstums im Euroraum haben sich die Wachstumsaussichten durch die neuen US-Importzölle und die Androhung von Gegenmaßnahmen abrupt eingetrübt. Insgesamt erwarten wir für den Euroraum ein Wachstum von 0,8 Prozent für das Jahr 2025

▪ Verzögerte Wirkung der Fiskalmaßnahmen: Die fiskalischen Maßnahmen, insbesondere in den Bereichen Verteidigung und Infrastruktur, kommen zu spät, um die negativen Auswirkungen der Zollmaßnahmen in diesem Jahr auszugleichen. Aufgrund von Verzögerungen bei der Umsetzung werden sie erst 2026 ihre volle Wirkung entfalten.

▪ Inflationserwartung stabil: Trotz einer möglichen leichten Teuerung durch EU-Gegenzölle auf US-Importe erwarten wir für 2025 eine unveränderte Inflationsrate von 2,2 Prozent, da sich Wachstums-, Wechselkurs- und Zolleffekte kurzfristig weitgehend ausgleichen. Zinssenkungen der EZB stützen Bau und Investitionen, kompensieren aber nur begrenzt Nachfrageschwäche und handelspolitische Wachstumsrisiken.

▪ Wachstumskräfte stärken: Die Wachstumskräfte im Euroraum sollten durch die Geldpolitik der EZB gestützt und durch eine aktivere Finanzpolitik in einigen Mitgliedstaaten mit erhöhtem Verteidigungs- und Infrastrukturbedarf befördert werden. Zielgenaue Reformen zur Stärkung des Wachstumspotenzials sind insbesondere auf dem Arbeitsmarkt, bei den Rahmenbedingungen für private Investitionen (Bürokratieabbau, Abbau von Berichtspflichten, Vertiefung des Binnenmarktes) und durch eine offensive Innovationsagenda auf nationaler und europäischer Ebene im Sinne des Draghi-Berichts und des Kompasses erforderlich. Auch neue Handelsabkommen wären hilfreich.

Einleitung

Die europäische Wirtschaft steht im Spannungsfeld tiefgreifender globaler Umbrüche. Das über Jahrzehnte etablierte internationale Wirtschaftssystem wird zunehmend in Frage gestellt – bestehende Regeln verlieren an Bindungskraft, während sich neue Ordnungsprinzipien noch nicht herausgebildet haben. Insbesondere die jüngsten protektionistischen Maßnahmen der USA, die seit Jahresbeginn in mehreren Wellen eingeführt wurden und mittlerweile weite Teile des Welthandels betreffen, markieren einen Paradigmenwechsel. Mit den nahezu flächendeckenden Zollerhöhungen hat die US-Zollpolitik ein Niveau erreicht, das über das der Großen Depression hinausgeht und den internationalen Handel und die Weltwirtschaft spürbar belastet Auch wenn zwischenzeitlich ein temporäres Aussetzen bestimmter Zollmaßnahmen vereinbart wurde, ist nach Standardvorgehensweise zu berücksichtigen, dass die Zollsätze wieder in Kraft treten.

Gleichzeitig vollzieht sich in Europa – insbesondere in Deutschland – ein fiskalpolitischer Kurswechsel mit deutlich steigenden öffentlichen Investitionen, vor allem in den Bereichen Infrastruktur und Verteidigung. Diese Impulse dürften die Binnennachfrage perspektivisch stützen. Allerdings ist aufgrund der typischen zeitlichen Verzögerung in der Umsetzung und Wirkung öffentlicher Investitionsprogramme frühestens ab 2026 mit nennenswerten konjunkturellen Effekten zu rechnen.

Angesichts der zuletzt deutlich gestiegenen Realeinkommen und des robusten Arbeitsmarkts hätte die konjunkturelle Erholung in Europa nach dem relativ schwachen Jahr 2024 eigentlich an Fahrt gewinnen können. Allerdings dürfte der zunehmende protektionistische Druck aus den USA die Konjunkturaussichten insbesondere der exportorientierten Mitgliedstaaten deutlich eintrüben. Der Aufschwung wird daher fragil und wenig dynamisch bleiben und stark von der Widerstandsfähigkeit der Binnennachfrage und den geldpolitischen Rahmenbedingungen abhängen.

Mit unserer Wachstumsprognose geben wir einen kompakten Überblick über die wichtigsten makroökonomischen Entwicklungen im Euroraum. Sie beleuchtet die maßgeblichen konjunkturellen Treiber und Risiken und ordnet die Rolle fiskal- und handelspolitischer Impulse in den europäischen Kontext ein. Ziel ist es, Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eine fundierte Grundlage für strategische Einschätzungen und wirtschaftspolitische Weichenstellungen zu bieten.

Wachstum im Euroraum

Moderates Wachstum im Euroraum im Jahr 2024, robustes erstes Quartal 2025

Das reale Wachstum im Euroraum betrug im Jahr 2024 0,9 Prozent. Nach einem relativ schwachen Jahresbeginn mit Quartalszuwächsen von jeweils 0,5 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahresquartal – unter anderem bedingt durch die schwache Investitionstätigkeit und den Lagerabbau – beschleunigte sich das Wachstum auf ein Prozent im dritten Quartal und 1,2 Prozent im vierten Quartal 2024. Vor allem der private und der öffentliche Konsum trugen in der zweiten Jahreshälfte zum Wachstum bei. Demgegenüber leisteten die Nettoexporte keinen nennenswerten beziehungsweise im vierten Quartal 2024 einen leicht negativen Beitrag, während die Bruttoanlageinvestitionen das Wachstum weiterhin dämpften (negativer Beitrag von minus 0,3 beziehungsweise minus 0,5 Prozentpunkten).

Im ersten Quartal 2025 ist der Euroraum laut vorläufigen Schätzungen um 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gewachsen Im Vergleich zum vorherigen Quartal betrug das Wachstum 0,4 Prozent. Unter den Mitgliedstaaten, für die Daten für das erste Quartal 2025 vorliegen,

Industrieproduktion*

*Veränderung ggü. Vorjahr, Volumenindex, 2-Monats-Durchschnitt, saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, Eurostat

Auch die niedrige Kapazitätsauslastung im Euroraum deutet auf eine weiterhin gedämpfte Industriekonjunktur hin. Seit Anfang 2022 ist ein rückläufiger Trend erkennbar – ein Indikator dafür, dass viele Unternehmen ihre Produktionsmöglichkeiten derzeit nicht voll ausschöpfen. Darin spiegeln sich sowohl die schwache Nachfrage als auch strukturelle Belastungen wider, etwa durch hohe Produktionskosten und geopolitische Unsicherheiten. Zu Beginn dieses Jahres zeichnete sich jedoch erstmals eine leichte Erholung ab: Die Auslastung stieg von 77,2 Prozent im vierten Quartal 2024 auf 77,7 Prozent im zweiten Quartal 2025 – ein möglicher Hinweis auf eine Stabilisierung.

Kapazitätsauslastung* im Euroraum, in Prozent

*saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, Europäische Kommission (DG ECFIN)

Der Einzelhandel im Euroraum hat sich zuletzt robuster gezeigt als die Industrieproduktion. Seit August 2024 verzeichnete der Einzelhandelsumsatz Zuwächse zwischen 1,5 und drei Prozent, nachdem zuvor – seit Sommer 2022 – teils deutliche Rückgänge zu beobachten waren. Im März 2025 stieg das Umsatzvolumen um 1,5 Prozent. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich die jüngsten Reallohnerhöhungen mit Verzögerung nun leicht positiv auf den Konsum auswirken.

Einzelhandel* im Euroraum (ohne Kraftfahrzeuge)

*Veränderung ggü. Vorjahr, kalender- und saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, Eurostat

Wachstumsausblick geprägt von US-Handelsstreit und Neuausrichtung der Ausgabenpolitik

Der Wachstumsausblick für den Euroraum wird aktuell maßgeblich von zwei Entwicklungen geprägt: Zum einen von der Einführung neuer US-Importzölle und möglicher europäischer Gegenmaßnahmen, zum anderen von einer Neuausrichtung der öffentlichen Ausgabenpolitik in Europa – insbesondere im Bereich Verteidigung und Infrastruktur. Beide Faktoren werden die wirtschaftliche Dynamik im Euroraum maßgeblich beeinflussen und werden daher im Kapitel "Makroökonomische Rahmenbedingungen" ausführlich analysiert und im Folgenden nur kurz angerissen.

Die von den USA angekündigten beziehungsweise bereits umgesetzten Zollmaßnahmen dürften sich als spürbare Wachstumsbremse für den stark exportorientierten Euroraum erweisen. Sollten europäische Vergeltungszölle folgen, könnten sich die negativen Effekte auf den Handel weiter verstärken. Diese Verwerfungen können auch nicht durch mögliche Einnahmen aus Gegenzöllen und deren mögliche Weitergabe an Verbraucher und Unternehmen abgefedert werden. Besonders belastend wirken dabei die mit der Zollpolitik verbundenen Unsicherheiten für Unternehmen und Verbraucher, die bereits kurzfristig Investitionen und internationale Lieferketten beeinträchtigen dürften. Neben den direkten Auswirkungen der US-Zölle auf europäische Produkte und der Unsicherheitseffekte ist davon auszugehen, dass insbesondere der Nachfragerückgang aus wichtigen Drittländern – vor allem aus dem besonders stark betroffenen asiatischen Raum – und ein möglicher Preisdruck durch den verschärften internationalen Wettbewerb das Wachstum belasten werden. Darüber hinaus verschlechtert die Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar (plus zehn Prozent zwischen 2. Januar und dem 5 Mai 2025) nach dem Zollschock die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Exporteure.

Dem gegenüber steht die finanzpolitische Wende in Europa: In zahlreichen Mitgliedstaaten – insbesondere in Deutschland – werden die öffentlichen Ausgaben derzeit deutlich ausgeweitet. Im Fokus stehen dabei Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur. Dies dürfte die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stärken Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die fiskalischen Spielräume in vielen europäischen Ländern begrenzt sind. Zudem dürfte die Umsetzung einige Zeit in Anspruch nehmen und eher mittelfristig in den nächsten drei bis vier Quartalen und damit im Jahr 2026 ihre volle Wirkung entfalten. Daher ist sehr wahrscheinlich, dass kurzfristig die belastenden Auswirkungen durch Zölle und politische Unsicherheiten überwiegen werden

PMIs rutschten ab, politische Unsicherheiten sind stark erhöht

Der vorläufige HCOB Einkaufsmanagerindex (PMI) von S&P Global (2025) für den Euroraum fand im April als erster Wert seit Einführung der neuen Zölle besondere Beachtung. Der Composite PMI sank um 0,8 Punkte auf 50,1 und signalisiert damit nur ein schwaches Wachstum im zweiten Quartal dieses Jahres. Unerwartet stabil zeigte sich hingegen die Industrie: Der Industrie-PMI legte leicht auf 48,7 Punkte zu (plus 0,1) – entgegen den Prognosen eines Rückgangs. Trotz der neuen Zölle blieben die Exportaufträge robust, was möglicherweise durch Vorzieheffekte begünstigt wurde (DB Research 2025). Darauf deuten auch die Schätzungen für das US-Wachstum im ersten Quartal hin, wonach die US-Importe annualisiert um 41,3 Prozent gestiegen sind (BEA 2025) Auch der Rückgang der Energiepreise dürfte das Vertrauen der Hersteller gestützt haben. Deutlich schwächer entwickelte sich dagegen der Dienstleistungssektor: Der entsprechende Index fiel um 1,3 Punkte auf 49,7 und liegt nun ebenfalls unter der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Auch auf Länderebene spiegeln Deutschland und Frankreich dieses Muster wider: Die Industrie schnitt besser ab als erwartet, während der Dienstleistungsbereich unter Druck geriet.

Index* der wirtschaftspolitischen Unsicherheiten

*nachrichtenbasierte Indizies

Quellen: Macrobond, Economic Policy Uncertainty

Die eigentlichen Auswirkungen der Zölle könnten jedoch zeitverzögert eintreten und mit etwas Abstand das Vertrauen insbesondere der Hersteller schwächen. Laut DB Research (2025) steigen das Rezessionsrisiko und die wirtschaftliche Unsicherheit spürbar – insbesondere durch wachsende Handelsrisiken und straffere Finanzierungsbedingungen. So sei die Wahrscheinlichkeit einer Rezession von rund 30 Prozent vor Einführung der Zölle nun auf bis zu 70 Prozent für den Sommer angestiegen. Die derzeit besonders prominente Rolle politischer Risiken in Europa spiegelt sich im Economic Policy Uncertainty (EPU) Index wider. In Deutschland und Frankreich ist das Maß an politischer Unsicherheit seit Ende des vergangenen Jahres deutlich angestiegen. Auch in Spanien und Italien hat die Unsicherheit zugenommen, wenn auch auf einem insgesamt deutlich niedrigeren Niveau

Im Gegensatz zum S&P Global Einkaufsmanagerindex verzeichneten die von der Europäischen Kommission erhobenen Indikatoren des Unternehmervertrauens im Euroraum im April einen Rückgang in allen Sektoren. Im Dienstleistungssektor, der weiterhin am besten abschneidet, sank der Index von 2,2 auf 1,4 Punkte. Der Einzelhandelsindex fiel deutlich von minus sieben auf minus 8,9 Punkte. Auch die Industrie und das Baugewerbe verzeichneten einen Rückgang um 0,9 beziehungsweise 0,6 Punkte, nachdem die Industrie zuvor einen deutlichen Anstieg beim Unternehmervertrauen verzeichnet hatte.

Indikatoren des Unternehmervertrauens* im Euroraum

Industrie Bauwesen Einzelhandel Dienstleistungen

*Salden, saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, Europäische Kommission (DG ECFIN)

Vor dem Hintergrund einer deutlichen Zunahme der Handelshemmnisse, eines schwächeren Unternehmer- und Verbrauchervertrauens, erhöhter politischer Unsicherheit, einer leichten Verschärfung der finanziellen Bedingungen und einer verzögerten Wirkung der Fiskalmaßnahmen erwarten wir für den Euroraum im Jahr 2025 aktuell nur noch ein Wachstum von 0,8 Prozent. Zu Jahresbeginn hatten wir in unserem Weltwirtschaftsausblick noch ein Wachstum von einem Prozent prognostiziert. Unterstützend wirken anhaltende Investitionen aus den EU-Fonds NextGenerationEU, widerstandsfähige Arbeitsmärkte und eine erwartete fortschreitende Lockerung der Geldpolitik durch die EZB.

2024 abgeschwächten, aber weiterhin positiven Wachstum zu rechnen. Insgesamt prognostizieren wir ein Wachstum von 0,6 Prozent für Frankreich.

Die Banque de France (2025) schätzt das Wachstum für 2025 auf 0,7 Prozent, eine Abwärtskorrektur um 0,2 Prozentpunkte gegenüber der Dezemberprognose 2024. Für 2026 wird eine Erholung mit einem Wachstum von 1,2 Prozent erwartet. Während der im Herbst 2024 angekündigte fiskalische Konsolidierungspfad etwas schwächer ausfallen dürfte als ursprünglich von der Banque de France angenommen, dürfte der positive Wachstumseffekt durch die zunehmende internationale Unsicherheit und die abwartende Haltung der inländischen Wirtschaftsakteure weitgehend kompensiert werden.

Es ist dabei wichtig zu betonen, dass die Prognose der Banque de France die potenziellen wirtschaftlichen Folgen jüngster handelspolitischer Maßnahmen der USA bislang nur teilweise berücksichtigt. Der Einfluss der allgemeinen Unsicherheit auf die französische Konjunktur wurde in der Prognose bereits eingepreist und dürfte das Wachstum 2025 um etwa 0,1 Prozentpunkte mindern. Insgesamt kommt die Banque de France zu dem Schluss, dass die Auswirkungen der US-Zölle auf Frankreich qualitativ ähnlich, jedoch quantitativ geringer ausfallen dürften als auf die EU oder den Euroraum insgesamt. Grund hierfür ist die relativ geringe Exponierung Frankreichs gegenüber dem US-Markt: Die Ausfuhren in die USA machen lediglich 1,7 Prozent des französischen BIP aus – etwa 40 Prozent weniger als im EU-Durchschnitt (2,8 Prozent des EU-BIP). Interessant ist jedoch, dass in den Umfragedaten bis März keine zollbedingte Frontloading-Bewegung zu erkennen ist (DB Research 2025b).

Die rund einen Monat später veröffentlichte Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) liegt leicht unter der der Banque de France: Der IWF erwartet ein Wachstum von 0,6 Prozent für 2025 Angesichts des wenig dynamischen Wachstums im ersten Quartal – nach der Verlangsamung Ende 2024 – und der geplanten Haushaltskonsolidierung erscheint diese Prognose plausibel. Zwar überwiegen weiterhin die Abwärtsrisiken für den Ausblick, doch könnte sich gegen Ende des Prognosezeitraums ein gewisses Aufwärtspotenzial ergeben – insbesondere im Falle eines Anstiegs der Militärausgaben.

Italien

Die italienische Wirtschaft ist im Jahr 2024 um 0,7 Prozent gewachsen. Das Wachstum wurde maßgeblich durch öffentliche Investitionen im Rahmen des Aufbau- und Resilienzplans (PNRR) gestützt, die den Rückgang im Wohnungsbau infolge des Auslaufens steuerlicher Sanierungsanreize teilweise kompensieren konnten (Europäische Kommission 2024).

Zu Beginn des Jahres 2025 zeigte sich die Konjunktur noch recht stabil: Im ersten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal und um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für das Gesamtjahr 2025 prognostiziert der IWF ein moderates Wachstum von 0,4 Prozent, bevor sich die Dynamik 2026 auf 0,8 Prozent beschleunigen soll. Der italienische Industrieverband Confindustria (2025) führt die Abschwächung in diesem Jahr vor allem auf die US-Handelszölle und die damit verbundenen globalen Unsicherheiten zurück, die Investitionen und Konsum belasten.

Positiv zu vermerken sind laut Confindustria die gesunkenen Energiepreise und der weiterhin robuste Arbeitsmarkt. Trotz der konjunkturellen Abkühlung ist die Beschäftigung im ersten Quartal 2025 im Vergleich zum vierten Quartal 2024 um ein Prozent gestiegen, was einem Zuwachs von über 230.000 Arbeitsplätzen entspricht.

Die wirtschaftlichen Verflechtungen Italiens mit den USA sind beträchtlich. Die USA sind das wichtigste Zielland außerhalb der EU für italienische Exporte, Dienstleistungen und Direktinvestitionen. Die USA nimmt 10,8 Prozent der italienischen Exporte im verarbeitenden Gewerbe ab. Confindustria betont, dass der Absatz in den USA direkt und indirekt rund sieben Prozent der italienischen Industrieproduktion (rund 90 Milliarden Euro) stützt. Besonders betroffen sind die Pharma-, Automobil- und Maschinenbauindustrie. Berechnungen zufolge könnten Handelszölle und Unsicherheiten das italienische BIP-Wachstum in den Jahren 2025 bis 2026 um 0,3 Prozent senken – durch schwächere Exporte (minus 1,2 Prozent) und geringere Investitionen in Maschinen und Anlagen (minus 0,4 Prozent).

Trotz des stabilen Arbeitsmarktes sinkt das Vertrauen der Unternehmen, Investitionsentscheidungen werden zunehmend aufgeschoben. Während der Tourismussektor einen starken Jahresauftakt verzeichnet, zeigen andere Dienstleistungsbranchen erste Schwächezeichen, die sich in rückläufigen Stimmungsindikatoren und Einkaufsmanagerindizes niederschlagen.

Die Aussichten für die italienische Wirtschaft bis 2025 bleiben damit verhalten. Externe Handelsspannungen und interne Herausforderungen dämpfen die Wachstumsdynamik. Zwar wirken die Investitionen im Rahmen des PNRR stabilisierend, das gesamtwirtschaftliche Umfeld bleibt aber fragil – mit erheblichen Abwärtsrisiken. Für das Gesamtjahr 2025 rechnen wir mit einem Wachstum von 0,4 Prozent.

Spanien

Die spanische Wirtschaft verzeichnete im Jahr 2024 ein robustes Wachstum von 3,2 Prozent und lag damit deutlich über dem Durchschnitt des Euroraums von nur 0,9 Prozent. Getragen wurde diese Entwicklung von einer starken Binnennachfrage, insbesondere durch positive Überraschungen bei den Investitionen und den Staatsausgaben. Der Außenhandel leistete hingegen einen negativen Wachstumsbeitrag (Banco de España, 2025).

Der dynamische Start ins Jahr 2025 bestätigt diesen positiven Trend: Im ersten Quartal wuchs die spanische Wirtschaft um 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr und um 0,6 Prozent gegenüber dem Vorquartal Für das Gesamtjahr 2025 erwartet der IWF (April 2025) eine leichte Abschwächung des Wachstums auf immer noch solide 2,5 Prozent. Damit korrigierte der IWF seine Prognose gegenüber Januar um 0,2 Prozentpunkte nach oben. Ausschlaggebend für die Anpassung sind positive Überhänge aus besser als erwarteten Ergebnissen im Jahr 2024 sowie Wiederaufbaumaßnahmen nach der Flutkatastrophe

Die Prognose der spanischen Zentralbank vom März 2025 liegt mit 2,7 Prozent leicht darüber. Getragen wird das Wachstum vor allem vom privaten Konsum. Der Staatskonsum dürfte ebenfalls einen positiven Wachstumsbeitrag leisten, wenn auch in geringerem Umfang. Bemerkenswert ist, dass der Staatskonsum in den Jahren 2023 und 2024 rund 39 Prozent beziehungsweise 27 Prozent zum BIPWachstum beitrug. Für die kommenden Jahre wird ein moderaterer Beitrag erwartet. Die Investitionen dürften dagegen an Bedeutung gewinnen. Unterstützt durch Mittel aus dem EU-Programm NextGeneration und insgesamt verbesserter Finanzierungsbedingungen – trotz der jüngsten Verschärfungen –wird ein leichter Anstieg des Investitionsbeitrags erwartet. Auch die Wohnungsbauinvestitionen dürften wieder zulegen. Vom Außenhandel wird dagegen eine leicht dämpfende Wirkung auf das Wachstum ausgehen. Die Dienstleistungsexporte, die in den Vorjahren kräftig gestiegen waren, dürften sich verlangsamen.

Der Arbeitsmarkt bleibt robust: Für 2025 wird ein Beschäftigungswachstum von 1,9 Prozent erwartet, die geleisteten Arbeitsstunden sollen um 1,7 Prozent steigen. Die Arbeitslosenquote dürfte von 11,3 Prozent im Jahr 2024 auf 10,5 Prozent sinken.

Wichtig ist, dass die Projektionen der spanischen Notenbank mögliche negative Effekte durch erhöhte Unsicherheit, geopolitische Spannungen oder mögliche US-Zölle nicht berücksichtigen. Dennoch gilt Spanien im europäischen Vergleich als relativ wenig exponiert: So weisen einige der wichtigsten Exportkategorien – etwa Erdölprodukte – nur einen inländischen Wertschöpfungsanteil von 17 Prozent auf. Insgesamt beläuft sich die indirekte Exposition Spaniens gegenüber dem US-Markt über den europäischen Handel auf 1,1 Prozent des BIP. Ein US-Zoll von 20 Prozent könnte kurzfristig einen negativen Effekt von rund 0,2 Prozentpunkten auf das BIP haben. Langfristig könnte sich dieser Effekt verstärken, wenn Investitionen und Neueinstellungen darunter leiden (ING 2025).

Diese Risiken sind in den offiziellen Projektionen ebenso wenig berücksichtigt wie mögliche positive Impulse durch höhere Verteidigungsausgaben in Spanien und der EU, die das Wachstum in den kommenden Jahren zusätzlich stützen könnten. Aufgrund des starken Starts ins Jahr 2025 erwarten wir für Spanien ein Wachstum von 2,6 Prozent.

Wachstumsprognose 2025 für den Euroraum

Quellen: Eurostat, Prognosen: BDI und IWF

Unsere Prognose für den Euroraum und die vier größten EU-Länder wird in der folgenden Übersicht zusammengefasst

Land / Region

Quellen: Eurostat. Prognosen: BDI und IWF (*). (p) = vorläufig (e) = Schätzung

Vergeltungszölle von bis zu 15 Prozent auf US-Waren an (Wirkung ab 10.03.). Kanada kündigt 25 Prozent Gegenzölle auf US-Waren im Wert von 155 Milliarden kanadische Dollar an.

Mit sofortiger Wirkung treten Zölle auf Waren im Wert von 30 Milliarden kanadische Dollar in Kraft.

▪ 06.03.2025 – Ausnahmen für USMCA-konforme Importe aus Kanada und Mexiko. Für Energieimporte und Kalisalze gilt ein reduzierter Zollsatz von zehn Prozent und für Waren, die die USMCA-Präferenz nicht erfüllen, 25 Prozent.

▪ 10.03.2025 – chinesische Zölle auf US-Agrarprodukte (15 Prozent auf Mais und zehn Prozent auf Sojabohnen) treten in Kraft. Zusätzlich setzt China weitere 15 US-Unternehmen auf seine Exportkontrollliste.

▪ 12.03.2025 – US-Zölle auf Stahl und Aluminium in Höhe von 25 Prozent treten in Kraft. Kanada und EU kündigen Gegenzölle an.

▪ 26.03.2025 – Trump kündigt 25 Prozent globale Importzölle auf Autos und Autoteile an (Autos: ab 03.04., Teile: ab 03.05.).

April 2025

▪ 02.04.2025 – Einführung des "Fair and Reciprocal Plan": zehn Prozent Mindestzoll auf fast alle Länder ab 05.04. Länderspezifische Zölle bis zu 50 Prozent für circa 60 Länder (ab 09.04.). Ankündigung, die zollfreie „de-minimis“-Behandlung ab dem 02.05 für Waren im Wert unter 800 US-Dollar aus China und Hongkong zu beenden.

▪ 03.04.2025 – US-Zölle auf Automobile in Höhe von 25 Prozent, aber nicht auf Teile, treten in Kraft. Kanada kündigt 25 Prozent Gegenzölle auf nicht-USMCA-konforme Fahrzeuge an.

▪ 04.04.2025 – China kündigt 34 Prozent Gegenzölle auf US-Importe an (Wirkung ab 10.04.) und weitere Exportkontrollen.

▪ 05.04.2025 – Zehn Prozent US-Zölle auf nahezu alle Länder treten in Kraft.

▪ 08.04.2025 – Weitere 50 Prozent US-Zölle auf China als Reaktion auf Chinas Maßnahmen. Damit erhöhen sich die US-Zölle auf Einfuhren aus China im Zusammenhang mit der ursprünglichen Ankündigung vom 02.04 auf insgesamt 84 Prozent (mit sektoralen Ausnahmen), zusätzlich zu den 20 Prozent (ohne sektorale Ausnahmen) vom 04.02 und 04.03.

▪ 09.04.2025 – Differenzierte US-Zölle (ein bis 74 Prozent) für Länder mit Handelsüberschuss werden verhängt (auf Basis der Ankündigung vom 2.4). Die am 3.04 angekündigten 25 Prozent kanadischen Gegenzölle auf US-Fahrzeuge treten in Kraft. Die EUMitgliedstaaten vereinbaren Vergeltungszölle gegen die USA für die US-Stahl- und Aluminiumzölle vom 12. März. Einige Zölle werden am 15. April in Kraft treten, einige am 15. Mai und andere im Herbst. China kündigt als Reaktion auf die am 8. April angekündigten US-Zölle zusätzliche Zölle in Höhe von 50 Prozent an, so dass die jüngste Kombination von Vergeltungszöllen den neuen US-Zusatzzöllen von 84 Prozent entspricht. Nachdem die Zölle in Kraft getreten sind, teilt US-Präsident Trump mit, dass die am 02.04 angekündigten Differenzzölle auf Länder mit Handelsüberschuss für 90 Tage ausgesetzt werden. Die Zehn-Prozent-Zölle für fast alle Länder bleiben jedoch in Kraft. Da China Vergeltungsmaßnahmen ergriffen hat, werden höhere Zölle in Höhe von 125 Prozent erhoben, und nicht mehr die 84 Prozent, die in der Durchführungsverordnung vom 02.04 und 08.04 vorgesehen sind. Zusammen mit den Zöllen unter dem International Emergency Economic Powers Act gilt auf die meisten Einfuhren aus China nun ein kombinierter Zollsatz von 145 Prozent.

▪ 10.04.2025 – US- und chinesische Zollmaßnahmen vom 4.04 und 9.04. treten in Kraft. Die EU pausiert die am 09.04 angekündigten Maßnahmen für 90 Tage.

▪ 11.04.2025 – USA: Smartphones und Elektronik von Zöllen ausgenommen. China: weitere Zölle zur Angleichung auf 125 Prozent werden angekündigt.

▪ 12.04.2025 – Zusätzliche chinesische Zölle (nun insgesamt bei 125 Prozent) treten in Kraft (Ankündigung vom 11.04).

▪ 29 04.2025 – Anordnungen der USA, um Autozölle auf US-Hersteller abzufedern. Diese können bis 30.04.2026 Zölle für importierte Teile bis zu 3,75 Prozent des Listenpreises ihrer in den USA gebauten Fahrzeuge verrechnen, danach bis 30.04.2027 bis zu 2,5 Prozent der US-Produktion.

▪ 08.05.2025 – Die USA und Großbritannien unterzeichnen ein Handelsabkommen mit Zollsenkungen auf Autos, Stahl und Agrarprodukte

▪ 12.05.2025 – Die USA und China vereinbaren eine 90-tägige Zollpause ab dem 14.05 mit beidseitigen Zollreduzierungen vereinbarten (jeweils von 145 Prozent auf 30 Prozent und von 125 Prozent auf 10 Prozent)

Die ökonomische Theorie lässt keinen Zweifel an den Folgen von Zöllen: Sie bremsen das Wachstum, verringern die Effizienz - und schaden letztlich allen Beteiligten. Für Länder, die Zölle erheben, stellen sie einen negativen Angebotsschock dar. Sie verteuern Importe im Vergleich zu heimischen Produkten, was theoretisch die heimische Produktion fördern kann. Die negativen Effekte überwiegen jedoch: Höhere Importpreise verringern die Kaufkraft der Konsumenten und belasten die Unternehmen durch höhere Kosten für Vorprodukte. Dies dämpft Konsum und Investitionen und kann die Unsicherheit über zukünftige Handelsbedingungen erhöhen. Eine allgemein erwartete Aufwertung der Währung verstärkt diesen Effekt, da die heimischen Produkte im Ausland teurer werden. Letzteres war im Falle der USA zunächst nicht der Fall. In einem ungewöhnlichen Szenario sank der Wechselkurs des US-Dollars und die Kurse der Staatsanleihen fielen, während die Renditen stiegen. Dies geschah, weil sich internationale Investoren aufgrund der gestiegenen Unsicherheit und der Angst vor einer Rezession von den USA abwandten.

Struktur der Leistungsbilanz im Euroraum

Primäreinkommen Sekundäreinkommen Waren Dienstleistungen Saldo der Leistungsbilanz

*saisonbereinigt, in Milliarden Euro

Quellen: Macrobond, Europäische Zentralbank

Für Länder, die Zöllen unterliegen, wirken diese als negativer Nachfrageschock. Exportorientierte Volkswirtschaften erleben einen Rückgang der Exporte in die betroffenen Märkte. Gestörte Lieferketten verteuern importierte Vorleistungen, was die Industrieproduktion belastet. Die Unsicherheit über die zukünftigen Handelsbedingungen führt zu Investitionszurückhaltung der Unternehmen und Kaufzurückhaltung der Konsumenten. Dies führt insgesamt zu einem Rückgang der Binnen- und Auslandsnachfrage. Ohne fiskal- oder geldpolitische Gegenmaßnahmen ergibt sich ein deutlich negativer Wachstumsimpuls, insbesondere für stark exportorientierte Regionen wie den Euroraum Gegenzölle verstärken die negativen Wachstumseffekte weiter

Die USA verfolgen mit ihrer Handelspolitik nach eigenen Angaben mehrere Ziele: Neben der Rückgewinnung von Industriearbeitsplätzen und der Bekämpfung unfairer Handelspraktiken soll auch das Handelsbilanzdefizit der USA reduziert werden (3,1 Prozent des US-BIP im Jahr 2024, BEA 2025b). Darüber hinaus zielt die US-Handelspolitik darauf ab, die wirtschaftliche Abhängigkeit von ausländischen Produzenten zu verringern Neben China ist es vor allem der Handelsüberschuss Europas mit den USA, der der US-Regierung ein Dorn im Auge ist

Wie die folgende Grafik zeigt, weist die allgemeine Leistungsbilanz des Euroraums seit Jahren einen positiven Saldo auf, der sich zu Jahresbeginn auf knapp 40 Milliarden Euro belief. Für das Gesamtjahr 2024 verzeichnete der Euroraum einen Leistungsbilanzüberschuss von 426 Milliarden Euro, was 2,8 Prozent des BIP entspricht. Zum Vergleich: Im Vorjahr lag der Überschuss bei 243 Milliarden Euro beziehungsweise 1,7 Prozent des BIP (EZB 2025). Verantwortlich für das positive Saldo ist vor allem der Überschuss bei den Waren, der 2024 mit 325 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch ausgefallen ist wie der Überschuss bei den Dienstleistungen mit 157 Milliarden Euro. Während die Primäreinkommen im Jahr 2024 mit 47 Milliarden Euro ebenfalls positiv ausfielen, waren die Sekundäreinkommen mit 161 Milliarden Euro negativ.

Im bilateralen Vergleich zwischen der EU insgesamt und den USA erreichte der Handel mit Waren und Dienstleistungen im Jahr 2023 – dem letzten Jahr, für das vollständige Daten vorliegen – ein Gesamtvolumen von rund 1,6 Billionen Euro. Die EU verzeichnete dabei einen leichten Handelsbilanzüberschuss in Höhe von 48 Milliarden Euro, was nur drei Prozent des gesamten Handels zwischen der EU und den USA entspricht. Dieser resultierte aus einem deutlichen Überschuss im Warenhandel: Die Warenexporte der EU in die USA beliefen sich auf 503 Milliarden Euro, während die Importe aus den USA bei 347 Milliarden Euro lagen – ein Saldo von plus 157 Milliarden Euro. Demgegenüber stand ein Defizit im Dienstleistungshandel in Höhe von 109 Milliarden Euro, bedingt durch Dienstleistungsexporte von 319 Milliarden Euro und -importe von 427 Milliarden Euro. Trotz des insgesamt relativ ausgeglichenen bilateralen Verhältnisses verdeutlicht das hohe Handelsvolumen die wirtschaftliche Relevanz der transatlantischen Beziehungen. Schon geringe handelspolitische Spannungen oder neue tarifäre Maßnahmen können erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen diesseits und jenseits des Atlantiks entfalten.

Darüber hinaus gilt als äußerst unwahrscheinlich, dass die aktuellen Handelspolitiken der USA die externen Defizite wesentlich verändern werden, da diese hauptsächlich durch nationale Spar-Investitions-Bilanzen und fiskalpolitische Maßnahmen, insbesondere große Haushaltsdefizite in den USA, niedrige Gesamtersparnisse und hohen Konsum, getrieben werden. Die bereits eingeführten und angedrohten Zölle werden daher voraussichtlich auch die bilateralen Handelsbilanzen nicht reduzieren. Zudem verringern sie die Handelsgewinne erheblich, insbesondere in den Bereichen, in denen diese am höchsten sind, und mindern dadurch das Wohl der Verbraucher.

In Bezug auf die Auswirkungen der US-Zölle auf die Wachstumsaussichten des Euroraums und der EU gibt es verschiedene Modellierungen. Diese unterscheiden sich teilweise hinsichtlich der Höhe der Zölle, des Einführungsdatums, der Elastizitäten und der möglichen Gegenmaßnahmen und sind daher nicht direkt vergleichbar. Im Folgenden stellen wir eine Auswahl verschiedener Studien dar:

▪ Das IW Köln (2024) hat bereits im vergangenen Jahr berechnet, dass ein transatlantischer Handelskrieg mit gegenseitigen Zöllen von 20 Prozent zu einem Rückgang des BIP in der EU um 0,4 Prozent im Jahr 2025, 1,1 Prozent im Jahr 2026 und 1,3 Prozent in den Jahren 2027 und 2028 führen könnte

▪ Das ifW Kiel (2025) schätzt mit seinem KITE-Modell, dass die Anfang April 2025 angekündigten neuen US-Zölle die Wirtschaftsleistung der EU binnen eines Jahres um gut 0,2 Prozent verringern könnten.

▪ Die niederländische Zentralbank (Knot, 2025) schätzt, dass ein US-Zoll von rund 25 Prozent auf Importe aus Europa das Wachstum im Euroraum um 0,3 Prozentpunkte senken würde. Gegenseitige Vergeltungsmaßnahmen würden die Belastung sowohl für die EU als auch für die USA weiter erhöhen. Die stärksten Auswirkungen würden im zweiten Jahr nach der Zollerhöhung auftreten. Die Auswirkungen würden im Laufe der Zeit nachlassen, aber es bliebe ein dauerhafter Produktionsrückgang. Die Banque de France (2025) geht in ihren Modellrechnungen von einem ähnlichen Effekt auf das Wachstum der Eurozone im Jahr 2025 aus.

▪ Der IWF (2024) hat in Simulationen vom Oktober letzten Jahres gezeigt, dass ein gegenseitiger Zoll von 10 Prozent das BIP der Eurozone bis 2026 um etwa 0,2 Prozent reduzieren könnte. Berücksichtigt man zusätzlich handelspolitische Unsicherheiten, liegt der Verlust bei ungefähr 0,6 Prozent. In seinem jüngsten World Economic Outlook modelliert der IWF (2025) die Auswirkungen der zwischen dem 1. Februar und dem 4. April 2025 eingeführten Zollmaßnahmen. Diese kombinierten Maßnahmen erhöhen den effektiven Gesamtzollsatz in den USA um etwa 25 Prozentpunkte, während der durchschnittliche Zollsatz gegenüber dem Euroraum um rund 15 Prozentpunkte steigt. Das Szenario berücksichtigt auch die Reaktionen der Handelspartner der USA auf die Zölle. Die Wirtschaft des Euroraums leidet unter den negativen Auswirkungen der Zollmaßnahmen, wodurch das BIP je nach Modellspezifikation bis 2027 um etwa Null bis 0,8 Prozent sinken könnte. Langfristig wird der Effekt mit dem GIMF-Modell des IWF auf minus 0,6 Prozent geschätzt.

Zölle und die damit einhergehenden Unsicherheiten wirken insgesamt als erhebliche Bremse für das weltwirtschaftliche Wachstum. Ein verschärfter Wettbewerb um Exportanteile in Drittmärkten könnte diese negativen Effekte zusätzlich verstärken. Zugleich belasten die protektionistischen Maßnahmen den Welthandel insgesamt spürbar. Der IWF hat bereits im Oktober 2024 ein Szenario analysiert, dem zufolge gegenseitige Zollerhöhungen von zehn Prozent zwischen den USA, der Eurozone und China die globalen Handelsströme (Exporte und Importe) bis 2026 um rund vier Prozent verringern würden. Tatsächlich liegen die Zollsätze in vielen Fällen mittlerweile deutlich über diesem Niveau und betreffen – mit wenigen Ausnahmen – weite Teile der globalen Wertschöpfungsketten. In seiner jüngsten Prognose hat der IWF seine Wachstumsprognose für den Welthandel mit Gütern und Dienstleistungen im Jahr 2025 von zuvor 3,2 Prozent auf nur noch 1,7 Prozent gesenkt, nachdem für 2024 noch ein Anstieg um 3,8 Prozent verzeichnet wurde.

Fiskalpolitische Maßnahmen dürften das Wachstum mittelfristig deutlich stärken

Die Fiskalpolitik kann eine bedeutende Rolle dabei spielen, die negativen Auswirkungen des Zollkonflikts zumindest mittelfristig abzufedern. Im Jahr 2024 betrug das aggregierte Defizit der öffentlichen Haushalte der Mitgliedsländer des Euroraums minus drei Prozent, was eine Verbesserung um 0,6 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr darstellt, bei einer Schuldenquote von 88,9 Prozent. Auch das strukturelle Haushaltssaldo, bereinigt um konjunkturelle Einflüsse, hat sich laut EZB-Daten im Jahr 2024 um 0,8 Prozentpunkte auf ebenfalls minus drei Prozent verbessert. Laut der Gemeinschaftsdiagnose (2025) führender deutscher Forschungseinrichtungen ist die Straffung der Finanzpolitik unter anderem auf das Auslaufen der Unterstützungsmaßnahmen zur Kompensation der hohen Energiekosten sowie auf den kontraktiven Impuls durch das Auslaufen der Steuergutschriften für den Wohnbau in Italien zurückzuführen.

Dennoch liegen zahlreiche Staaten des Euroraums und der EU weiterhin außerhalb der MaastrichtReferenzwerte von drei Prozent für das Haushaltsdefizit und 60 Prozent für die Schuldenquote. Mit Frankreich, Italien, Belgien, Österreich, Finnland und Ungarn verfehlen gleich sechs EU-Mitgliedstaaten beide Kriterien zugleich.

Defizit- und Schuldenquoten im Euroraum im Jahr 2024

Frankreich

Ungarn

Rumänien

Griechenland

Italien

EU 27 Belgien

Österreich

Euroraum

Deutschland

Kroatien

Schweden

Tschechien

Bulgarien

Estland

Defizit in Prozent des BIP

Quellen: Macrobond, Europäische Kommission (Ameco)

Zypern

Dänemark

Die Finanzpolitik dürfte künftig etwas expansiver ausgerichtet sein als noch Ende letzten Jahres angenommen. Insbesondere die geplanten zusätzlichen Verteidigungsausgaben, vor allem zusätzliche Investitionsvorhaben in Deutschland, sowie mögliche Maßnahmen in Bezug auf die durch die US-Zollpolitik gedämpften Wachstumsaussichten im Euroraum lassen steigende Finanzierungsdefizite erwarten. Diese Ausgaben werden voraussichtlich zunächst überwiegend durch Nettokreditaufnahmen finanziert werden. Dies dürfte insbesondere für einige nordische, baltische und osteuropäische Staaten sowie für Deutschland gelten. Zuletzt hat auch Spanien, das mit rund 1,3 Prozent des

Militärausgaben lange Zeit als Nachzügler innerhalb der NATO galt, angekündigt, das Zwei-Prozent-

Schulden in Prozent des BIP

Ziel der NATO für Verteidigungsausgaben bereits in diesem Jahr und nicht erst, wie ursprünglich geplant, im Jahr 2029 erreichen zu wollen (Table Europe 2025).

Vor diesem Hintergrund wurden die fiskalischen Regeln teilweise bereits angepasst, um die Verteidigungsausgaben und Infrastrukturinvestitionen zu erhöhen. Auf nationaler Ebene hat Deutschland durch eine Grundgesetzänderung die Kreditaufnahmebeschränkungen für Verteidigungsausgaben aufgehoben. Konkret bedeutet die Änderung der deutschen Schuldenbremse, dass alle Ausgaben für Verteidigung und andere sicherheitspolitische Aufgaben1, die über ein Prozent des BIP hinausgehen, ausgenommen werden und somit eine zeitlich unbefristete und in der Höhe unbeschränkte Kreditaufnahme für die Verteidigung ermöglicht wird. Im Zuge dieser Änderung wurde auch die Schuldenbremse auf Länderebene angepasst, um die Obergrenze für die Nettokreditaufnahme von null Prozent auf 0,35 Prozent des BIP anzuheben, analog zur Bundesebene. Darüber hinaus wurde ein Sondervermögen für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur beziehungsweise zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro für eine Laufzeit von 12 Jahren eingeführt, wovon 100 Milliarden Euro auf die Bundesländer entfallen und 100 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) überführt werden Zudem beabsichtigen die Koalitionäre, die deutschen Fiskalregeln zu reformieren.

Auch Schweden hat bereits im vergangenen Jahr sein Ziel eines zweiprozentigen Haushaltsüberschusses über den Konjunkturzyklus aufgegeben und strebt ab 2027 einen ausgeglichenen Haushalt an, was höhere Militärausgaben und andere öffentliche Investitionen erlaubt.

Auf europäischer Ebene hat die Europäische Kommission (2025 und 2025b) am 4. März 2025 ihren „REARM Europe“-Plan vorgestellt. Ziel dieses Plans ist es, bis zu 800 Milliarden Euro zur Stärkung der europäischen Verteidigungskapazitäten zu mobilisieren. Der Plan stützt sich auf drei zentrale Säulen:

1. Die koordinierte Aktivierung der nationalen Ausstiegsklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts: Mitgliedstaaten sollen durch die Aktivierung der nationalen Ausweichklausel temporär zusätzliche, kreditfinanzierte Verteidigungsausgaben tätigen können – etwa im Umfang von bis zu 1,5 Prozent des BIP gegenüber dem Niveau von 2021 –, ohne dadurch zwingend ein Defizitverfahren auszulösen. Die Klausel eröffnet für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren (verlängerbar) die Möglichkeit, vom mittelfristigen Haushaltskurs abzuweichen, sofern die zusätzlichen Ausgaben ausschließlich der Verteidigung dienen. Die Aktivierung erfolgt auf Antrag eines Mitgliedstaats durch Empfehlung der Europäischen Kommission und Beschluss des Rates. Laut einer Mitteilung der Europäischen Kommission (2025c) können die Kommission und der Rat im Falle eines übermäßigen Defizits über drei Prozent des BIP oder einer Abweichung vom Ausgabenpfad, die auf erhöhte Verteidigungsausgaben zurückgeht, davon absehen, ein Defizitverfahren einzuleiten. Dies ist besonders relevant für Mitgliedstaaten mit einem Schuldenstand über 60 Prozent des BIP, da in diesen Fällen die Berücksichtigung relevanter Faktoren nur möglich ist, wenn der Schuldenstand in zufriedenstellendem Tempo sinkt. Abgesehen von diesem zusätzlichen Spielraum gelten die EU-Fiskalvorschriften grundsätzlich weiter. Die Entscheidung über die Einleitung eines Defizitverfahrens soll zudem das Risiko für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen berücksichtigen. Laut Pressemitteilung des Rates der

1 Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten.

In dem für diesen Ausblick relevanten Prognosehorizont bis 2025 dürften die konjunkturellen Impulse durch zusätzliche Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben allerdings gering ausfallen, da die Umsetzung Zeit benötigt.

Zudem stellt sich die Frage, inwieweit finanzpolitische Spielräume durch die Lockerung europäischer und nationaler Regeln tatsächlich für Wachstumsimpulse genutzt werden können. Die finanzpolitischen Spielräume innerhalb des Euroraums sind sehr unterschiedlich. In Ländern mit begrenztem finanzpolitischem Spielraum könnten die Zwänge der Finanzmärkte die Verteidigungsausgaben trotz aktivierter Ausnahmeklauseln und EU-Darlehen einschränken. Dies könnte insbesondere für Länder gelten, die sich bereits in einem Defizitverfahren befinden (derzeit: Frankreich, Italien, Belgien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Polen und Malta). Höhere Militärausgaben könnten Länder mit hoher Verschuldung zu schwierigen politischen Entscheidungen anderweitiger Konsolidierungsmaßnahmen (Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen) zwingen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Wachstum der nicht-militärischen Ausgaben ausreichend zu senken.

Darüber hinaus könnte der Nutzen einiger Vorschläge der Europäischen Kommission begrenzt sein. So ist beispielsweise der finanzielle Anreiz des SAFE Instruments, wie kürzlich von Wolff et al. (2025) berichtet, sehr gering und ohnehin nur für Länder relevant, deren Zinsniveau über dem der EU-Anleihen liegt. Der REARM Europe-Vorstoß zur Nutzung von Ausnahmeklauseln könnte für Länder von Bedeutung sein, die sowohl ihre Verteidigungsausgaben erhöhen wollen als auch durch die EU-Fiskalregeln in ihren Ausgaben beschränkt sind, wie zum Beispiel Deutschland. Allerdings ist derzeit sehr fraglich, wie die deutschen Ausgabenpläne, die sowohl eine Erhöhung der Militärausgaben als auch der Infrastrukturausgaben vorsehen, mit den EU-Regeln in Einklang gebracht werden können.

Deutschland im Fokus: Herausforderungen bei der Einhaltung der EU-Haushaltsvorschriften

Der reformierte Stabilitäts- und Wachstumspakt im Überblick

Nach den im April 2024 reformierten europäischen Fiskalregeln müssen alle Mitgliedstaaten einen nationalen mittelfristigen Haushaltsstrukturplan mit einer Laufzeit von vier bis fünf Jahren vorlegen. Diese Pläne müssen einen mehrjährigen Pfad für die öffentlichen Ausgaben, die um verschiedene Posten bereinigt werden, enthalten. Zudem müssen die Regierungen erläutern, wie Reformen und Investitionen umgesetzt werden sollen, um die im Europäischen Semester identifizierten wirtschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen.

Für Mitgliedstaaten mit einem öffentlichen Schuldenstand über 60 Prozent des BIP oder einem öffentlichen Defizit über drei Prozent des BIP erstellt die Europäische Kommission einen sogenannten mehrjährigen Referenzpfad für die Nettoausgaben, der jedoch nicht öffentlich vorliegt. Dieser berücksichtigt die länderspezifischen Herausforderungen und stellt sicher, dass die Staatsverschuldung nachhaltig gesenkt oder auf einem soliden Niveau stabilisiert wird.

Die neuen Regeln enthalten zwei Sicherheitsvorkehrungen:

▪ Eine Maßnahme zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit, die einen Mindestabbau der Staatsschuldenquote gewährleisten soll. Der Mindestabbau beträgt mindestens ein Prozentpunkt des BIP pro Jahr, solange die Staatsschuldenquote über 90 Prozent des BIP liegt, und mindestens 0,5 Prozentpunkte des BIP pro Jahr, solange die Staatsschuldenquote zwischen 60 Prozent und 90 Prozent des BIP liegt.

Einen Defizitschutz, der eine ausreichende Sicherheitsmarge unterhalb der Defizitgrenze von drei Prozent des BIP gewährleistet. Der Referenzpfad gewährleistet, dass die Haushaltsanpassung fortgesetzt wird, bis ein Defizitniveau erreicht ist, das eine strukturelle Stabilitätsmarge von 1,5 Prozent des BIP aufweist. Die jährliche Verbesserung des strukturellen Primärsaldos zur Erreichung der geforderten Marge beträgt 0,4 Prozentpunkte des BIP und kann bei Verlängerung des Anpassungszeitraums auf 0,25 Prozentpunkte des BIP reduziert werden.

Die Mitgliedstaaten müssen den Nettoausgabenpfad in ihren Haushaltsstrukturplan integrieren, der vom Rat der EU gebilligt wird. Abweichungen vom Pfad werden auf einem Kontrollkonto erfasst. Eine Verlängerung des Plans auf bis zu sieben Jahre ist möglich, wenn sich der betreffende Mitgliedstaat zu Reformen und Investitionen verpflichtet, die die wirtschaftliche Resilienz und das Wachstumspotenzial erhöhen und prioritären EU-Zielen wie dem grünen und digitalen Wandel, der Energiesicherheit oder der Stärkung der Verteidigungskapazitäten entsprechen.

Auch das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (EDP) wurde überarbeitet. Ein schuldenbasiertes Verfahren kann eingeleitet werden, wenn die Schuldenstandsquote (Verhältnis von Bruttoverschuldung zu BIP) den Referenzwert überschreitet, kein (nahezu) ausgeglichener Haushalt vorliegt und die Abweichungen auf dem Kontrollkonto jährlich mehr als 0,3 Prozentpunkte des BIP oder kumuliert mehr als 0,6 Prozentpunkte betragen (Rat der Europäischen Union 2024).

Deutschlands Ausgabenpläne

Deutschland plant umfangreiche neue Ausgaben in verschiedenen Bereichen. Diese umfassen unter anderem:

▪ Erhöhung der Verteidigungsausgaben: Im Februar deutete der damalige Verteidigungsminister Boris Pistorius an, dass die deutschen Verteidigungsausgaben in Zukunft auf drei bis 3,5 Prozent des BIP steigen könnten (CNBC 2024). Laut SIPRI gab Deutschland im Jahr 2024 1,9 Prozent für Verteidigung aus.

▪ Für die Erhöhung der Infrastrukturausgaben sind im Sondervermögen 500 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zwölf Jahren vorgesehen. Im Koalitionsvertrag haben sich die Koalitionäre darauf verständigt, in den vier Jahren der Legislatur insgesamt 150 Milliarden Euro an Investitionen zu tätigen, davon mehrheitlich zusätzliche Investitionen.2 Obwohl die genauen Modalitäten noch unklar sind und eher von einem schrittweisen Anstieg auszugehen ist, würde dies linear betrachtet jährliche Mehrausgaben von durchschnittlich 37,5 Milliarden Euro bedeuten, was gut 0,8 Prozent des deutschen BIP entspräche.

▪ Die neue schwarz-rote Koalition plant zudem umfangreiche Entlastungen. Vorgesehen sind unter anderem temporäre degressive Abschreibungen für Unternehmen (30 Prozent über drei Jahre), eine stufenweise Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 sowie ein Paket zur Energiekostensenkung, unter anderem die Reduzierung der Stromsteuer, eine Deckelung der Netzentgelte und gegebenenfalls die Einführung eines Industriestrompreises, finanziert über die CO₂-Abgabe. Hinzu kommen verschiedene steuerliche Entlastungen sowie Mehrausgaben für die Rente.

2 Das genaue Ausmaß muss noch geklärt werden. 2024 lagen die Investitionsausgaben des Bundes bei zwölf Prozent der Ausgaben. Mindestens zehn Prozent werden als Referenzgröße angegeben. Insofern könnten anfänglich etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr an geplanten Bundesinvestitionen auch schlicht über das Sondervermögen finanziert werden, ohne zusätzliche Investitionen auszulösen. Ob und inwiefern das genutzt wird, bleibt abzuwarten.

Vereinbarkeit der deutschen Ausgabenpläne mit den EU-Fiskalregeln

In ihrem letzten Wachstumsausblick vom November 2024 projizierte die Europäische Kommission für Deutschland ein Haushaltsdefizit von 2,2 Prozent des BIP und eine Schuldenquote von 63 Prozent des BIP für das Jahr 2024. Damit lag die Bundesrepublik bereits im vergangenen Jahr über der Maastricht-Grenze von 60 Prozent und muss demnach ihren Schuldenstand gemäß den europäischen Fiskalregeln schrittweise reduzieren.

Der Deutsche Fortschrittsbericht 2025, basierend auf dem Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2025 vom 17. Juli 2024, der Jahresprojektion der Bundesregierung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 29. Januar 2025 und den Ergebnissen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ vom 22. bis 24. Oktober 2024, prognostiziert entgegen der Europäischen Kommission sogar ein Haushaltsdefizit von 2,8 Prozent des BIP im Jahr 2024. Für das laufende Jahr wird eine leichte Reduzierung auf rund 2,5 Prozent des BIP erwartet. Gleichzeitig wird ein moderater Anstieg der Schuldenquote prognostiziert. Für 2025 wird eine leichte Verbesserung des strukturellen Primärsaldos von minus 0,8 auf etwa minus 0,5 Prozent des BIP erwartet. Die Nettoprimärausgaben sollen sich von 3,8 Prozent im Jahr 2024 auf rund 2,5 Prozent im Jahr 2025 verringern, was auf eine allmähliche Konsolidierung hinweist (jedoch teils durch Sondereffekte bedingt). Diese moderat restriktive Ausrichtung des deutschen Haushalts entspricht laut dem Bericht den Empfehlungen des Rates für den Euroraum.

Allerdings basiert diese Prognose auf dem alten Regierungsentwurf, einem mittlerweile seitens der Übergangsregierung realistisch um 0,3 Prozent heruntergestuften Wachstumsausblicks (Prognose Nullwachstum 2025) und im Lichte einer neuen Steuerschätzung am 15. Mai des Jahres auf veralteten Einnahmeschätzungen. Klar ist, dass angesichts der anhaltenden wirtschaftlichen Stagnation in Deutschland die fiskalischen Spielräume insgesamt sehr begrenzt sind.

Deutschland könnte gleichzeitig in Konflikt mit den drei wesentlichen europäischen Fiskalvorgaben geraten.

▪ Mindestabbau der Staatsschuldenquote: Wie Zettelmeyer (2025) zeigt, steht die jüngste Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse – die eine zusätzliche Kreditaufnahme für Sicherheits- und Infrastrukturausgaben sowie für die Bundesländer erlaubt – in erheblichem Spannungsverhältnis zu den finanzpolitischen Regeln der EU. Zwar bliebe die Staatsverschuldung langfristig tragfähig beziehungsweise stabilisiert sich, da das deutsche Schuldenbremsenmodell ein strukturelles Defizit definiert, das auch Zinszahlungen für Kredite außerhalb der 0,35-Prozent-Grenze berücksichtigt. Das bedeutet: Auch Ausgaben, die formal vom Defizitdeckel ausgenommen sind – etwa Verteidigung –, erfordern an anderer Stelle im Haushalt eine Gegenfinanzierung. Allerdings weist Zettelmeyer (2025) darauf hin, dass bei voller Ausnutzung des neuen Verschuldungsspielraums – unter Annahme nominaler Wachstumsraten von zwei bis drei Prozent und Verteidigungsausgaben von 2,5 bis 3,5 Prozent des BIP – die deutsche Schuldenstandsquote langfristig zwischen 61,7 Prozent und 142,5 Prozent liegen könnte. Diese Entwicklung widerspricht der im EUVertrag verankerten Verpflichtung, Schuldenquoten über 60 Prozent sukzessive in Richtung dieser Schwelle zu senken. Ohne flankierende Konsolidierungsmaßnahmen droht somit ein strukturelles Abdriften der deutschen Staatsverschuldung.

▪ Gewährleistung des Defizitschutzes: Obwohl die reformierte deutsche Schuldenbremse formal weiterhin ein strukturelles Defizitlimit von 0,35 Prozent des BIP auf Bundesebene vorsieht, sind sicherheitsbezogene Ausgaben oberhalb von ein Prozent des BIP sowie Investitionen über den neuen, 500 Milliarden Euro schweren Extrahaushalt davon ausgenommen, was die nationalen fiskalischen Spielräume faktisch erweitert. Selbst bei Aktivierung der nationalen Ausweichklausel nach EU-Recht – die eine Ausklammerung von Verteidigungsausgaben oberhalb des Niveaus von 2021 (rund ein Prozent des BIP) bis

maximal 1,5 Prozent des BIP erlaubt – bleiben die europäischen Vorgaben jedoch eng. Laut Bruegel-Analyse (Steinbach und Zettelmeyer 2025) müsste Deutschland im Basisszenario im Jahr 2025 einen primären Überschuss (ohne Sicherheitsausgaben) erzielen, der um mindestens 0,21 Prozent des BIP über dem liegt, was die reformierte Schuldenbremse erlaubt – eine restriktive Vorgabe. Hinzu kommt, laut EU-Regeln muss Deutschland zudem einen mittelfristigen Finanzplan vorlegen, der bis 2031 (sprich im Zieljahr) einen strukturellen Primärüberschuss von über 0,1 Prozent des BIP vorsieht bei Wahl des siebenjährigen Anpassungspfads (0,4 Prozent im Falle eines vierjährigen Plans). Dieser erfordert jährliche Konsolidierungsschritte von etwa 0,13 Prozent des BIP, ausgehend von einem im Deutschen Fortschrittsbericht geschätzten Defizit von minus 0,8 Prozent im Jahr 2024. Nach EU-Regeln würde die Nettokreditaufnahme für Ausgaben des Sondervermögens voll mit angerechnet, ebenfalls die nach deutschen Regeln zusätzlichen 0,35 Prozent des BIP an Kreditspielraum für die Gesamtheit der Bundesländer.

Einhaltung des Nettoausgabenpfades: Deutschland hat bislang keinen finanzpolitischstrukturellen Plan mit einem verbindlichen Nettoausgabenpfad vorgelegt. Aufgrund der vorgezogenen Bundestagswahl hatte sich die Bundesregierung im Herbst 2024 mit der Europäischen Kommission auf eine Verschiebung verständigt. Die Analyse von Steinbach und Zettelmeyer (2025) legt jedoch nahe, dass die EU-Fiskalregeln – selbst unter Aktivierung der nationalen Ausweichklausel für Verteidigungsausgaben– kaum zusätzlichen Spielraum für Ausgaben aus dem Sondervermögen für Infrastruktur lassen, es sei denn, diese werden durch Einsparungen an anderer Stelle kompensiert. Auch die neue deutsche Regelung zu Sicherheitsausgaben steht unter dem Vorbehalt europäischer Vorgaben: Zwar kann Deutschland voraussichtlich von der Flexibilität der Kommission bei höheren Kernverteidigungsausgaben profitieren, laut Bruegel-Analyse müssten jedoch zusätzliche sicherheitsbezogene Ausgaben ebenfalls gekürzt oder durch Gegenfinanzierung ausgeglichen werden. Spätestens mit dem Auslaufen des Sondervermögens Bundeswehr 2027 stellt sich die Aufgabe, das tatsächlich erwünschte Ausgabenniveau für die Sicherheit aus einem bislang kleinen Kernhaushalt (etwa 1,2 Prozent des BIP), der Nettokreditaufnahme bis zu 1,5 Prozent des BIP zusätzlich und einem voll zu konsolidierenden Betrag oberhalb von 2,5 Prozent (1,5 Prozent plus ein Prozent Referenzjahr) darzustellen, sofern der Kernhaushalt nicht vorzeitig hochgefahren werden sollte. Zudem würde für den Haushalt 2029 zu klären sein, ob weiterhin von der nationalen Ausweichklausel Gebrauch gemacht werden kann.

Die im Koalitionsvertrag benannten Ausgaben- und Steuervorhaben stehen in einem erheblichen Spannungsverhältnis zu den strengen Fiskalregeln der EU. Die Ziehung der nationalen Ausweichklausel im Stabilitätspakt hilft zwar bei der Finanzierung zusätzlicher kreditfinanzierter Sicherheitsausgaben, wirkt aber voll auf die Schuldenstandsquote, das Defizit und die Tragfähigkeit durch. Deutschland erhält durch die nationale Ausweichklausel einen zusätzlichen Ausgabenspielraum von bis zu 1,5 Prozent des BIP für Verteidigung, bezogen auf den vom Rat der Europäischen Union festgelegten Nettoausgabenpfad. Aber: Dieser Spielraum gilt nur nach Erfüllung der Mindestanforderungen aus den neuen Defizit- und Schulden-Schutzmechanismen (das heißt gewisse fiskalische Anpassungen sind Pflicht). Falls Deutschland trotz dieser Anpassungen das Defizitkriterium von drei Prozent oder den Nettoausgabenpfad verfehlen, kann die Kommission entscheiden, kein Defizitverfahren einzuleiten – wenn die Überschreitung nachvollziehbar auf Verteidigungsausgaben zurückzuführen ist und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen nicht gefährdet scheint.

Die Mehrausgaben für Infrastruktur könnten die staatlichen Ausgaben leicht an die Grenze des Nettoausgabenpfads und des Defizitschutzes führen, sofern nicht anderweitig konsolidiert wird. Dies gilt auch für Haushaltsbelastungen beim Bund und der Ländergesamtheit im Zuge von Entlastungen von privaten Haushalten und Unternehmen bei den Einkommen- und Umsatzsteuerarten.

Selbst mit tiefgreifenden Reformen zur Erhöhung des Potenzialwachstums (zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt, bei den Investitionen oder dem technischen Fortschritt durch innovationsbezogene

Maßnahmen), sollten diese von der Koalition beabsichtigt und umgesetzt werden, ist noch nicht sichergestellt, dass dies von der Europäischen Kommission in üblicher Regelanwendung bei der Berechnung der Schuldentragfähigkeit berücksichtigt werden wird.

Arbeitsmarkt und Beschäftigung weiterhin robust

Der Arbeitsmarkt im Euroraum präsentiert sich robust, trotz eines insgesamt wenig dynamischen konjunkturellen Umfelds. Im Jahr 2024 stieg die Gesamtbeschäftigung (Inlandskonzept) um ein Prozent, womit 75,8 Prozent der 20- bis 64-Jährigen in der EU erwerbstätig waren. Dies entspricht 197,6 Millionen Menschen und markiert den höchsten Anteil seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2009. Im verarbeitenden Gewerbe stagnierte das Beschäftigungswachstum hingegen nahezu und verzeichnete einen leichten Rückgang um 0,1 Prozent. Im Baugewerbe setzte sich der positive Trend fort: Die Beschäftigung wuchs dort um 1,2 Prozent nach 2,4 Prozent im Jahr 2023

Ein Blick auf die vier größten Volkswirtschaften des Euroraums zeigt, dass die Beschäftigung in Spanien im Jahr 2024 mit 2,2 Prozent am stärksten zunahm, gefolgt von Italien mit 1,7 Prozent. In Frankreich lag das Beschäftigungswachstum bei 0,6 Prozent, während es in Deutschland mit 0,1 Prozent nahezu stagnierte.

Beschäftigte*im Euroraum

Euroraum Frankreich Deutschland Italien Spanien *Veränderungsrate, saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, Eurostat

Die Arbeitslosenquote im Euroraum blieb auf historisch niedrigem Niveau. Im März 2025 lag sie bei 6,2 Prozent, unverändert seit September 2024. Die Jugendarbeitslosigkeit (Personen unter 25 Jahren) ist jedoch weiterhin deutlich höher und betrug zuletzt 14,2 Prozent. Regional bestehen weiterhin große Unterschiede: Während Länder wie Deutschland und die Niederlande sehr niedrige Arbeitslosenquoten (3,5 und 3,9 Prozent) aufweisen, bleibt die Quote in Spanien und Frankreich vergleichsweise hoch (10,9 und 7,3 Prozent) In Italien lag die Arbeitslosenquote zuletzt bei sechs Prozent.

Arbeitslosenquote* im Euroraum, in Prozent

Arbeitslosenquote Durchschnitt 1 Standardabweichung *saisonbereinigt

Quellen: Macrobond, Eurostat

Geldpolitik der EZB weniger restriktiv, Finanzierungsbedingungen ziehen dennoch an

Inflationsentwicklung

Die Inflation im Euroraum hat sich im April 2025 laut erster Schätzung weiter der Zielmarke der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent angenähert. Die Gesamtinflationsrate lag bei 2,2 Prozent, während die Kerninflation – die schwankungsanfällige Energie- und Lebensmittelpreise ausklammert – mit 2,7 Prozent leicht höher ausfiel. Besonders im Dienstleistungssektor bleibt die Teuerung mit 3,9 Prozent erhöht und zog nach 3,5 Prozent im März leicht an. Dies spiegelt sich auch in den jeweiligen Beitragseffekten wider: Dienstleistungen leisteten zu Beginn des Jahres mit knapp 1,6 Prozentpunkten den größten Beitrag zur Gesamtinflation, gefolgt von Nahrungsmitteln mit 0,5 Prozentpunkten. Die Beiträge der Preise für Industriegüter ohne Energie – die während der Lieferkettenprobleme und der Energiekrise von 2021 bis Anfang 2023 maßgeblich zur Inflation beigetragen hatten – spielen inzwischen kaum noch eine Rolle. Gleiches gilt für die Energiepreise, die zuletzt rückläufig waren

Beiträge* zur Inflation im Euroraum

Nicht-Energie-Industriegüter (Beiträge)

Energie (Beiträge)

Nahrungsmittel, alkoholische Getränke und Tabak (Beiträge)

Dienstleistungen (Beiträge)

Inflation

*Veränderung ggü. Vorjahr

Quellen: Macrobond, Europäische Zentralbank

Zinsentwicklung

Im Zuge der nachlassenden Inflation senkte die Europäische Zentralbank (EZB) im April 2025 bereits zum siebten Mal seit Beginn ihres Lockerungszyklus im Juni 2024 den Leitzins und reduzierte ihn damit insgesamt um 175 Basispunkte. Seit dem 17. April 2025 liegt der Hauptrefinanzierungssatz der EZB bei 2,4 Prozent, die Einlagefazilität bei 2,25 Prozent und die Spitzenrefinanzierungsfazilität bei 2,65 Prozent. Bereits auf ihrer Sitzung im März hatte die EZB die Charakterisierung ihres geldpolitischen Kurses von „restriktiv“ auf „spürbar weniger restriktiv“ angepasst (EZB 2025b). In der April-Sitzung verzichtete sie vollständig auf den Begriff „restriktiv“ (EZB 2025c). EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, dass die Streichung des Begriffs jedoch nicht automatisch eine neutralere geldpolitische Haltung impliziere. Angesichts wirtschaftlicher Schocks solle sich die Geldpolitik künftig vorerst nicht mehr an einem neutralen Zinssatz orientieren, sondern ausschließlich datenabhängig gesteuert werden (DB Research 2025d).

Die geldpolitische Lockerung im Euroraum wird sich voraussichtlich fortsetzen, auch wenn Prognosen zur Inflationsentwicklung und insbesondere in Bezug auf die Auswirkungen der US-Zollpolitik auf die Inflation von hoher Unsicherheit geprägt sind. Für eine fortschreitende geldpolitische Lockerung sprechen eine schwächere Nachfrage aufgrund der US-Zollpolitik, die Aufwertung des Euro (handelsgewichtet zwischen dem 2. Januar 2025 und dem 5 Mai 2025 um 4,5 Prozent), niedrigere Energiepreise und mögliche Handelsumlenkungen von Gütern aus China, was alles deflationär wirken sollte. Wenngleich EU-Gegenzölle auf US-Importe leicht inflationär wirken könnten, erwarten wir insgesamt für 2025 eine Inflationsrate von 2,2 Prozent (mehr oder weniger unverändert zu vorangegangenen Prognosen, da sich Wachstums-, FX- und direkte Zolleffekte auf die Preise ausgleichen). Eine Mehrheit von Marktbeobachtern erwartet, dass der EZB-Einlagenzins bis Ende des Jahres auf 1,5 bis 1,75 Prozent abgesenkt wird (TradingView 2025). Die weiteren Leitzinssenkungen der EZB dürften

insbesondere aufgrund gestiegener Risikowahrnehmung. Die Nachfrage nach Unternehmenskrediten blieb verhalten, während Wohnungsbaukredite weiterhin gefragt waren.

Risikoanalyse

Insgesamt sind die Risiken für den Konjunkturausblick im Euroraum sowohl kurz- als auch mittelfristig nach unten gerichtet.

Abwärtsrisiken:

▪ Handelsspannungen und Fragmentierung: Eine zunehmende Eskalation der Handelsspannungen und anhaltende Unsicherheit über die Handels- und Investitionspolitik könnten den Welthandel weiter bremsen, die Lieferketten stärker fragmentieren und die Umstrukturierung der globalen Wertschöpfungsketten beschleunigen. Zwar könnten einige Länder ihre Position in den Lieferketten neu ordnen, insgesamt würde diese Fragmentierung jedoch das Wachstum weiter belasten, insbesondere in den stark exportorientierten Volkswirtschaften des Euroraums (unter anderem Deutschland, Niederlande, Österreich, Irland und Belgien).

▪ Geopolitische Spannungen: Bereits bestehende oder sich verschärfende geopolitische Konflikte, wie der Ukrainekrieg oder Spannungen im Nahen Osten, könnten die Rohstoffpreise erneut ansteigen lassen, den Inflationsdruck verstärken und das ohnehin schon schwache Vertrauen von Unternehmen und Konsumenten weiter belasten. Diese geopolitischen Risiken stellen ein signifikantes Abwärtsrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung dar und könnten das Wachstum im Euroraum weiter dämpfen.

▪ Finanzmarktrisiken: Anhaltende Inflation oder neue Preisschocks könnten die Zentralbanken weltweit dazu zwingen, die Zinssätze länger hochzuhalten, was die Volatilität an den Finanzmärkten erhöhen und zu Kapitalabflüssen aus den Schwellenländern führen könnte. Dies könnte die Finanzierungsbedingungen verschärfen und die Volkswirtschaften von Drittländern belasten, was sich wiederum negativ auf den Euroraum auswirken könnte, insbesondere über Handelsbeziehungen und Kapitalströme. Höhere langfristige Anleiherenditen könnten zudem den fiskalischen Spielraum hoch verschuldeter Staaten einengen und die globalen Finanzmärkte potenziell weiter belasten.

▪ Rückschläge bei internationaler Kooperation: Ein Rückgang der internationalen Zusammenarbeit, insbesondere in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz, könnte soziale Spannungen in fragilen Ländern verschärfen und zu Instabilität führen (IWF 2025). Dies könnte das globale Wachstum bremsen und über Handelsverflechtungen, Investitionen und geopolitische Spannungen indirekt auch den Euroraum belasten, was das Wachstumspotenzial des Euroraums weiter verringern könnte.

Wachstumschancen:

▪ Neue Handelsabkommen: Fortschritte bei Handelsinitiativen könnten neue Märkte öffnen und den Handel erleichtern, was Unsicherheiten verringern und das Wirtschaftswachstum ankurbeln würde. Stabile Handelsbeziehungen könnten Unternehmen ermutigen, langfristige Investitionen zu tätigen, was wiederum die Wirtschaftstätigkeit und die Beschäftigung steigern

▪ Konjunkturabschwächung und sinkende Inflationserwartungen eröffnen gewissen geldpolitischen Spielraum: Trotz der jüngsten protektionistischen Maßnahmen, die geldpolitische Entscheidungen erschweren, besteht im Euroraum angesichts rückläufiger Inflationsraten ein grundsätzlicher Spielraum für weitere Zinssenkungen. Wie auch der IWF (2025) hervorhebt, können in Ländern oder Regionen mit nachlassender Konjunktur und sinkenden Inflationserwartungen graduelle Zinssenkungen ein angemessener Schritt sein Eine Mehrheit von Marktbeobachtern erwartet, dass der EZB-Einlagenzins bis Ende des Jahres auf 1,5 bis 1,75 Prozent abgesenkt wird (TradingView 2025) In einem von Unsicherheit geprägten Umfeld ist zudem eine klare geldpolitische Kommunikation von zentraler Bedeutung, um wirtschaftliche Akteure zu unterstützen und Planungssicherheit zu schaffen. Gleichzeitig ist Wachsamkeit geboten: Während eine schwächere Nachfrage aufgrund von Zöllen und ein stärkerer Euro tendenziell dämpfend auf die Inflation wirken können, bergen Gegenzölle das Risiko, preistreibend zu wirken.

▪ Fiskalischen Spielraum klug nutzen, mittelfristige Schuldentragfähigkeit sichern: Um notwendige Investitionen in Verteidigung, Infrastruktur sowie Klima- und Umweltschutz zu ermöglichen, sollten die Mitgliedstaaten die bestehenden fiskalischen Spielräume gezielt nutzen. Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten die nationale Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts für Verteidigungsausgaben aktivieren können. Dies würde es den Mitgliedstaaten erlauben, ihre Verteidigungsausgaben erheblich zu erhöhen, ohne die EU-Defizitregeln zu verletzen, sofern der Rat zustimmt Gleichzeitig müssen die Mitgliedstaaten mittelfristige Haushaltspläne vorlegen, die sicherstellen, dass sie innerhalb von vier bis sieben Jahren auf einen nachhaltigen Ausgabenpfad zurückkehren. In Deutschland besteht weiterhin Unsicherheit darüber, wie die erhöhten Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben mit dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt in Einklang gebracht werden können. Allgemein ist im Euroraum eine klare Priorisierung der Ausgaben, Effizienzsteigerungen und eine glaubwürdige Konsolidierungsstrategie erforderlich, um die fiskalische Tragfähigkeit langfristig zu gewährleisten. Ein stabiler finanzpolitischer Rahmen ist eine Grundlage für nachhaltiges Wachstum und wirtschaftliche Resilienz

▪ EU-Haushalt auf Wettbewerbsfähigkeit und Innovation ausrichten: Der nächste Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) muss die Wettbewerbsfähigkeit der EU systematisch stärken. Er sollte gezielt den doppelten Übergang – grün und digital – sowie die industrielle Resilienz unterstützen. Dafür braucht es deutlich höhere Mittel für forschungs- und innovationsnahe Programme sowie für den Ausbau grenzüberschreitender Infrastruktur. Die Förderinstrumente müssen stärker industriegetrieben, zielgerichtet und administrativ vereinfacht werden, um private Investitionen besser zu mobilisieren. Ein substanzieller Europäischer Wettbewerbsfähigkeitsfonds kann helfen, strategische Sektoren zu stärken und Investitionslücken zu schließen. Angesichts der ab 2028 anstehenden Rückzahlungen der NGEU-Darlehen braucht es eine hinreichende Aufstockung des MFR und mehr budgetäre Flexibilität, um neue Prioritäten kurzfristig finanzieren zu können

▪ Strukturelle Reformen entschlossen vorantreiben – national wie europäisch: Vor dem Hintergrund schwacher Wachstumsaussichten und globaler Unsicherheiten muss die strukturelle Reformdynamik in Europa neuen Schwung erhalten. Nationale Regierungen und die EU müssen Reformen in Arbeits-, Produkt- und Finanzmärkten mit deutlich mehr Entschlossenheit vorantreiben, um Produktivität zu steigern, Investitionen zu mobilisieren und die wirtschaftliche

Resilienz zu stärken. Dazu gehört auch der zügige Ausbau der Kapitalmarktunion, um grenzüberschreitende Finanzierungsströme zu erleichtern und private Investitionen europaweit besser zu mobilisieren.

▪ Regulatorische Entlastung auf EU- und nationaler Ebene vorantreiben: Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten systematisch regulatorische Belastungen abbauen, insbesondere bei Berichtspflichten und Lieferkettenregelungen. Weniger Bürokratie fördert unternehmerische Initiative, beschleunigt Investitionen und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit Europas. Über 60 Prozent der EU-Unternehmen sehen übermäßige Regulierung als Investitionshindernis (BusinessEurope 2025), was die Notwendigkeit einer deutlichen Reduzierung der regulatorischen Belastung unterstreicht. Das Omnibus-Paket der Europäischen Kommission zur Vereinfachung des EU-Rechtsrahmens für Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Schritt. Diese Zeit muss von den europäischen Gesetzgebern genutzt werden, um die Richtlinien praxistauglich zu gestalten und durch klare Veränderungen substanziell zu verbessern.

▪ Binnenmarkt vertiefen – insbesondere bei Dienstleistungen, Energie und Digitalisierung: Ein vollständig integrierter Binnenmarkt ist zentral für höhere Produktivität und wirtschaftliche Resilienz in Europa. Vorrang haben der zügige Ausbau grenzüberschreitender Energie- und Digitalinfrastrukturen sowie der Abbau verbleibender nationaler Barrieren – insbesondere im Dienstleistungssektor. Das erschließt Wachstumspotenziale, fördert die Wettbewerbsfähigkeit und beschleunigt die nachhaltige und digitale Transformation.

▪ Clean Industrial Deal zügig und industriefreundlich umsetzen: Der politische Rahmen des Clean Industrial Deal liegt vor – nun kommt es auf eine konsequente und beschleunigte Umsetzung an. Dazu gehören schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, ein effektiver Carbon Leakage-Schutz, gezielte Unterstützung für grüne Schlüsseltechnologien sowie international wettbewerbsfähige Energiepreise. Wichtig sind zudem verlässliche Transformationsanreize, die klimafreundliche Investitionen wirtschaftlich tragfähig machen. Nur so gelingt die Dekarbonisierung im Einklang mit industrieller Stärke und internationaler Wettbewerbsfähigkeit.

▪ Offene Märkte sichern und strategische Handelsbeziehungen ausbauen: Die EU sollte weitere Handelsabkommen mit Partnern wie ASEAN oder Indien zügig abschließen und bestehende Abkommen konsequent umsetzen. Diversifizierte Lieferketten und bessere Marktzugänge sind entscheidend für wirtschaftliche Resilienz und Wachstumschancen. Die europäische Wirtschaft darf nicht zum Spielball geopolitischer Interessen werden. Die EU muss ihre Allianzen mit anderen großen Handelspartnern stärken und eine koordinierte Reaktion auf internationale Handelsumleitungseffekte sicherstellen.

Quellenverzeichnis

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BusinessEurope (2025). Reform Barometer. März. Brüssel.

CNBC (2024). Germany’s defense minister says NATO’s 2% target is just the start: ‘We’ll probably need more’. Februar. New Jersey

Confindustria (2025). Uncertainty and tariffs deteriorate the picture even if rates and energy prices fall. April. Rom.

Deutsche Bank Research (2025). Euro Weekly Digest: Survey data paint a mixed first picture of the post-tariff world. April. Frankfurt am Main.

(2025b). France: GDP, PMI and a pinch of salt. Focus Europe. April. Frankfurt am Main.

---(2025c). Focus Germany Four key questions. März Frankfurt am Main.

---(2024d). ECB Reaction: Follow the data Focus Europe. April. Frankfurt am Main.

Europäische Kommission (2025). Acting on defence to protect Europeans. März. Brüssel.

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---(2024). Autumn 2024 Economic Forecast: A gradual rebound in an adverse environment November. Brüssel

Europäische Zentralbank (2025). Vierteljährliche Zahlungsbilanz und Auslandsvermögensstatus für den Euroraum: viertes Quartal 2024. Pressemitteilung. April. Frankfurt

---(2025b). Geldpolitische Beschlüsse. Pressemitteilung. März. Frankfurt.

(2024c). Geldpolitische Beschlüsse. Pressemitteilung. April. Frankfurt.

---(2024d). Euro area bank lending survey. April. Frankfurt.

Gemeinschaftsdiagnose (2025). Frühjahr 2025: Geopolitischer Umbruch verschärft Krise – Strukturreformen noch dringlicher Kiel Institut für Weltwirtschaft. April. Kiel.

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