Quantentechnologien Handlungskonzept

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Quantentechnologien Handlungskonzept

Stellungnahme der deutschen Industrie zum Handlungskonzept

Quantentechnologien der Bundesregierung

08. August 2023

Der BDI begrüßt ausdrücklich die Initiative der Bundesregierung, den Einsatz von Quantentechnologien in Deutschland zu fördern und eine strategische Ausrichtung in diesem vielversprechenden Bereich zu verfolgen. Aus Sicht der deutschen Industrie setzt das Handlungskonzept Quantentechnologien an den Aktivitäten der alten Bundesregierung an und ergänzt wichtige und vorausschauende Akzente. Um den Erfolg des Handlungskonzeptes und damit die praxistaugliche Umsetzung zu gewährleisten, möchten wir allerdings auf einige Punkte hinweisen, die unserer Meinung nach weiterer Aufmerksamkeit bedürfen. Wir würden es sehr begrüßen, wenn die Bundesregierung die folgenden Empfehlungen berücksichtigen würde.

1. Finanzierung

Es ist als positiv zu bewerten, dass die Bundesregierung bis 2026 insgesamt 2,18 Milliarden € für die Weiterentwicklung von Quantentechnologien bereitstellen wird. Diese Investitionen sind von großer Bedeutung, da sie das Potenzial haben, bahnbrechende Fortschritte und Innovationen zu ermöglichen. Dies steht jedoch im Widerspruch zu den in der Haushaltsaufstellung 2024 und im Finanzplan bis 2027 allokierten Mitteln. Kürzungen im Etat des BMBF (Innovation durch neue Technologien

Quantensysteme – Quantentechnologien, Photonik: Kürzung um 21 Mio. € auf 215,07 Mio. €) sowie des BMWK (Entwicklung digitaler Technologien, wie u.a. Quantentechnologien: Kürzungen um 27 Mio. € auf 142 Mio. €) können zu einer Förderlücke für die Quantentechnologien führen. Dazu kommen fehlende Mittel für den Bau eines deutschen Quantencomputers in der Haushaltsaufstellung 2024 für die DLR-Quanteninitiative aus dem Konjunkturpaket. 740 Mio. € sind hier für 2022 – 2026 für Industrieausschreibungen von der Vorgängerregierung vorgesehen. Bisher wurden in den Haushalten 2022 165 Mio. € und 2023 185 Mio. € vergeben. Für 2024 werden 200 Mio. € nicht bereitgestellt. Diese Förderung bildet die Basis für alle weiteren Quantenaktivitäten Deutschlands und ist durch die haushälterischen Entscheidungen entscheidend geschwächt. Damit wird dem erst entstehenden Quantenökosystem Deutschland ein erheblicher Schaden zugefügt und die ersten Bemühungen zum Aufbau einer Quantenindustrie in der entscheidenden Wachstumsphase zunichte gemacht Die deutsche Industrie fordert die Fortsetzung der angedachten Mittel zum Aufbau eines deutschen Quantencomputers.

Um sicherzustellen, dass die Mittel effektiv genutzt werden können und dadurch die gewünschten Ergebnisse erzielt werden, ist es unerlässlich, dass die Transparenz des Budgets gewährleistet ist. Es ist wichtig zu wissen, wie viel neues Budget zur Verfügung steht und wie genau es auf die beteiligten Ministerien und bestehenden Förderprogramme, beispielsweise dem genannten „Deep Tech and Climate Fund“, aufgeteilt wird. Daher sind eine klare Budget-Allokation und eine Aufschlüsselung der geplanten Ausgaben bis zum Jahr 2026 notwendig. Zudem sollten Förderentscheidungen

Dr.
| Digitalisierung und Innovation | T: +493020281402| s.helmrich@bdi.eu | www.bdi.eu STELLUNGNAHME | INNOVATIONSPOLITIK | QUANTENTECHNOLOGIE
Sophia Helmrich

transparent und in Beachtung aller Ausschreibungskriterien vorrangig einen nationalen Nutzen mit sich bringen.

Wir möchten betonen, dass die Balance aus Geschwindigkeit und gründlicher Prüfung bei der Vergabe des Budgets ein Faktor von entscheidender Bedeutung ist. Es muss sichergestellt werden, dass die Fördergelder sowohl schnell als auch zielgerichtet verteilt werden, denn nur so können Projekte Anfang 2024 starten, ein erfolgreiches dreijähriges Forschungs- und Entwicklungsprogramm durchlaufen sowie Redundanzen bei der Mittel- und Themenvergabe vermieden werden. Es ist wichtig zu bedenken, dass die Umsetzung solcher Projekte Zeit erfordert, sei es bei der Einstellung von Fachkräften oder bei der Beschaffung von Materialien. Zudem sollte Unternehmen und Startups ein niedrigschwelliger Einstieg und Zugang zu Quantentechnologien insbesondere zu den mit öffentlichen Mitteln beispielsweise seitens des DLR und über EuroHPC akquirierten sowie von der Industrie bereitgestellten Quantencomputern ermöglicht werden und der potenzielle Nutzen der Technologie in der Praxis sichtbarer werden.

2. Themensetzung

Die Berücksichtigung der Quantentechnologien in voller Breite ist von entscheidender Bedeutung und somit besonders positiv zu bewerten. Wir möchten jedoch auf einige Ergänzungen hinsichtlich der Themensetzung hinweisen, bei denen es unserer Auffassung nach mehr Berücksichtigung bedarf.

Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass die Förderung und ausführliche Beschreibung von Quantentechnologien jenseits von Quantencomputing im Handlungskonzept Berücksichtigung findet. Insbesondere teilen wir die Erwartung, dass die ersten wirtschaftlich messbaren Erfolge im Bereich der Sensorik erzielt werden.

Hardware ist eine Grundvoraussetzung und im Handlungskonzept richtigerweise gut repräsentiert. Jedoch ist die Ambition unzureichend: Einen Quantenrechner mit mindestens 100 Qubits bis 2026 zu entwickeln, der perspektivisch erweiterbar auf 500 Qubits ist, ist bereits heute nicht mehr Stand der Technik und überholt. Wir weisen zudem darauf hin, dass die Anzahl der Qubits als Indikator zu eng gefasst ist und keine ausreichende Begründung für die Auswahl liefert. Unsere Empfehlung ist es daher, diesen Ansatz als Ausgangspunkt zu nutzen und die Metrik-Systeme in Zusammenarbeit mit der Industrie methodisch weiterzuentwickeln1 .

Um eine praktische Anwendung von Hardware-Komponenten zu ermöglichen, sollten die Entwicklung von Software und Algorithmen sowie die Integration in herkömmliche IT-Infrastrukturen stärker in den Fokus der Förderinitiativen gestellt und mit Fördermitteln unterstützt werden.

Der Fokus auf Anwendungen muss stärker herausgearbeitet werden. Anwendungen bestehen aus einer Problemstellung, die dann mittels Hard- und Software gelöst wird. Von zentraler Bedeutung bei der Förderung ist hierbei, dass der Fokus auf Technologie-Innovationen gesetzt wird, die 1) eine signifikante Performance-Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik erlauben, die 2) hochskalierbar und massentauglich sind, als auch 3) das Potenzial haben, zu erschwinglichen Preisen verfügbar zu sein Darüber hinaus ist ein einfacher und standardisierter Zugang zu den verfügbaren Lösungsangeboten sowie die vorhandenen Kompetenzen auf Seiten der Anwender unerlässlich.

Eine Förderung der kritischsten Komponenten beziehungsweise der entscheidenden Schlüsselkomponenten ist dringend zu empfehlen. Hier ist beispielsweise im Technologiestrang

1 Siehe hierzu auch: BDI-Positionspapier Benchmark-System Quantencomputing, 06/2023

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Quantenkommunikation die gezielte Förderung einer Realisierung von Quanten-Repeatern zu nennen und hingegen nicht die Förderung von reinen Show-Demonstratoren, die es bereits zahlreich gibt.

Wir begrüßen, dass Quantentechnologien als Lösung für Prozessoptimierung im Energiesektor oder in der Bewertung und Analyse in der Klimaforschung genannt werden. Es fehlt jedoch gänzlich eine angestrebte Harmonisierung mit „grünen" Gesetzgebungsprozessen und Strategien, wie beispielsweise der Ökodesignrichtlinie, die in den frühen Design-Stadien von Quantentechnologien direkt miteinander verzahnt werden können.

3. Kohärente Strategie

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass es an einer konkreten Zielsetzung und kohärenten Strategie im Handlungskonzept mangelt. Auf Seite 12 des Handlungskonzepts wird beispielsweise die Vision beschrieben, dass „komplexe Anwendungsfälle auf in Deutschland hergestellten universellen fehlerkorrigierten Quantencomputern gelöst werden“ sollen. Es fehlt jedoch, dass die wesentlichen Elemente des Quanten-Ökosystems, wie Fachkräfte, Infrastruktur und anwendungsbezogene Use Cases im Sinne einer Roadmap adressiert werden und nicht nur punktuell verschiedene Einzelaktivitäten Eine ambitioniertere Agenda der Bundesregierung zum Skillsaufbau für Quantencomputing (Integration in MINT-Ausbildung in Schulen, universitäre Vorlesungen, …) wäre aus Sicht der Industrie wünschenswert.

Zudem wird angestrebt, eine aufstrebende Quantentechnologie-Industrie zu schaffen. Das Rahmenprogramm listet zwar Akteure des Quantenökosystems und Grundlagenvorhaben auf, allerdings fehlt eine konkrete Beschreibung, wie eine relevante Marktabdeckung und industrielle deutsche Quantenlandschaft daraus aufgebaut werden können. Es ist unklar, wie genau die Roadmap zum Aufbau einer leistungsfähigen Quantentechnologie-Industrie aussehen soll. Es ist essenziell, eine präzisere und strategischere Herangehensweise zu entwickeln, um die gesteckten Ziele effektiv zu erreichen und eine zersplitterte Förderung zu verhindern. Dazu beitragen könnte unter anderem die Einführung von konkreten Key Performance Indicators (KPIs), um (i) Fortschritt messbar zu machen und (ii) Ausschreibungs- und Förderkriterien transparent gestalten zu können. Diese KPIs gilt es in einen europäischen und globalen Kontext zu setzen, um den Erfolg und die Wirksamkeit des Handlungskonzepts zu evaluieren und zu vergleichen.

Die Industrie bietet ihre aktive Mitarbeit in der Erstellung solcher KPIs an. Ein gutes Beispiel ist das Indikatoren-Monitoring der QUTAC2 Die deutsche Industrie schlägt die folgenden KPIs beispielhaft vor:

▪ Anzahl x an Fachkräften bis zum Jahr x ausbilden

▪ x Studiengänge zu etablieren

▪ Quantentechnologie in x KMU verankert zu haben / Anzahl x Prozent deutscher Unternehmen, die in der Lage sind Quantentechnologien anzuwenden

▪ Deutschland ist auf Platz x im internationalen Vergleich

▪ Anzahl x an Patentanmeldungen

▪ Spitzenposition bei Anzahl und Qualität wissenschaftlicher Veröffentlichungen in Quantentechnologien

▪ x Investitionssummen von Kapitalgebern

Ferner wird im vorliegenden Handlungskonzept der Bundesregierung auf den Vernetzungsgrad der Unternehmen im Ökosystem hingewiesen, sprich mit wie vielen Unternehmen oder wissenschaftlichen 2 KPIs - QUTAC; Oktober 2022; abgerufen 21.07.2023

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Partnern eine Kooperation oder sonstige wirtschaftliche Vernetzung besteht. Aus der Sicht der Industrie ist nicht die reine Anzahl der Vernetzung wichtig, entscheidend ist die Qualität der Vernetzung. Es sollte hier die komplette Wertschöpfungskette als zentraler Maßstab angestrebt werden. Insbesondere sollte der Fokus auf die entscheidenden wirtschaftlichen Werttreiber der Wertschöpfungskette gesetzt werden.

4. Ressortabstimmung und Governance

Eine herausfordernde Komponente liegt in den fragmentierten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Bereich der Quantentechnologie. Die Tatsache, dass verschiedene Ministerien und eine Vielzahl an Institutionen beteiligt sind, führt zu einer gewissen Komplexität. Dies wird verstärkt durch die fehlende zentrale Steuerung eines koordinierenden Ministeriums und kann die Umsetzung effektiver Maßnahmen erschweren. Aus Sicht der deutschen Industrie ist es von entscheidender Bedeutung, eine klare Zuweisung der Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche vorzunehmen, um die Zusammenarbeit und den Fortschritt zu erleichtern. Das benannte Arbeitsgremium, der „Ressortkreis“, muss mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft besetzt werden und braucht eine klare Governance- und Koordinierungsfunktion. Daneben muss herausgestellt werden, wie Vernetzung und Schwerpunktsetzung der Bundesländer untereinander sichergestellt werden können

Die Zuständigkeit für quantensichere Kommunikation ist bei den Ministerien BMI, BMVg und BMBF richtig verortet, sollte jedoch je nach spezifischem Sicherheitsaspekt auch vom BMWK und BMDV mitbetreut werden. Zur Bündelung der verschiedenen Ressorttätigkeiten bedarf es einer eindeutigen Federführung. Die deutsche Industrie empfiehlt hierfür das BMI Da es innerhalb der Bundesregierung für das Thema Cybersicherheit zuständig ist, sollte es auch bei quantensicherer Kommunikation gemeinsam mit dem ihm nachgelagerten BSI die Federführung erhalten, um – analog zu den USA3 – die Cybersicherheit von Behörden und Unternehmen übergeordnet zu adressieren. Post-Quanten-Kryptografie sollte aus Industriesicht vom BMWK mitbetreut werden – vor allem vor dem Hintergrund der aktiven Beteiligung des Privatsektors bei der Migration von gängiger zu quantensicherer Verschlüsselung, der damit verbundenen Skalierung und Markteinführung und nicht zuletzt der Standardsetzung. Die Einbindung des BMDV ist insbesondere im Hinblick auf den Aufbau neuer Quantum-Key-Distribution-kompatibler Kommunikationsinfrastrukturen notwendig

Darüber hinaus wird in Kapitel 4 des Handlungskonzepts betont, dass die Bundesregierung auf einen strategischen europäischen Ansatz mit dem politischen Ziel der technologischen Souveränität setzt. Es bleibt jedoch unklar, welcher konkrete strategische europäische Ansatz damit gemeint ist und welche europäischen Akteure dabei involviert sind. Eine klare Definition und Kommunikation dieses Ansatzes sind von Bedeutung, um eine effektive Zusammenarbeit auf europäischer Ebene zu gewährleisten. So muss für die Zukunftsperspektive 2036 auch die Projektlaufzeit des Quantum Flagships (aktuell 10 Jahre bis 2028) für die Projektausgestaltung mitgedacht werden.

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3 Quantum Computing Cybersecurity Preparedness Act | Congress.gov | Library of Congress

Impressum

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI)

Breite Straße 29, 10178 Berlin

www.bdi.eu

T: +49 30 2028-0

Redaktion

Dr. Sophia Helmrich Emilia Schuster (bis 06 / 2023) Referentin Digitalisierung und Innovation Praktikantin Digitalisierung und Innovation

s.helmrich@bdi.eu e.schuster@bdi.eu

BDI Dokumentennummer: D 1807

Lobbyregisternummer: R000534

EU- Transparenzregister: 1771817758-48

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