Reformbedarf bei der Thesaurierungsbegünstigung
Notwendige Änderungen als Anwendungsvoraussetzung
Juli 2025
Familienunternehmen sind Grundpfeiler der deutschen Wirtschaft
In Deutschland stellt die Vielzahl an Familienunternehmen den Motor der Deutschen Wirtschaft und einen zuverlässigen Arbeitgeber von Millionen Angestellten dar Auch im internationalen Vergleich sind diese Unternehmen erfolgreich: 78 der Top-500-Familienunternehmen stammen aus Deutschland (16 Prozent). Hier sind auch die ältesten Familienunternehmen ansässig: Jedes zweite ist über 100 Jahre alt.1 Viele Familienunternehmen sind als Personengesellschaften strukturiert und als solche historisch gewachsen. Dadurch können Familienstrukturen und -bedürfnisse auch im Unternehmen abgebildet werden.
Steuerbelastung von Personenunternehmen hemmt Reinvestitionen
Das derzeitige System zur Besteuerung von Personenunternehmen benachteiligt Investitionen am Standort Deutschland und schwächt die Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Um Reinvestitionen deutscher Personenunternehmen zumindest mit denen von Kapitalgesellschaften steuerlich gleichzustellen wurde 2008 die Thesaurierungsbegünstigung in § 34a EStG eingeführt. Aufgrund ihrer unzureichenden Ausgestaltung führte sie jedoch nicht zu der beabsichtigten steuerlichen Entlastung von Gewinnen, die in das Unternehmen reinvestiert werden. Obwohl bei der Thesaurierungsbegünstigung in den letzten Jahren durch das Wachstumschancengesetz und zuletzt durch das Investitionssofortprogramm einige Probleme beseitigt wurden, sodass die steuerliche Belastung im Standardfall nunmehr nahezu deckungsgleich zu der von Kapitalgesellschaften geworden ist, bestehen auch weiterhin formale Hürden und technische Benachteiligungen, die eine Inanspruchnahme für viele Unternehmen unattraktiv machen
Nachbesserung der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG) notwendig
Eine weitere gesetzliche Nachbesserung der Thesaurierungsbegünstigung sollte zeitnah erfolgen, damit dieses Instrument in der Praxis und insbesondere für den Mittelstand nutzbar ist. Hierzu sollte der Nachversteuerungssatz variabler ausgestaltet werden, die Verwendungsreihenfolge flexibel gestaltbar sein, die Kontenlogik zur Verbuchung des Jahresüberschusses genutzt werden, Umstrukturierungshemmnisse beseitigt werden und das Steuerverfahren erleichtert werden.
1 Vgl. EY und University of St. Gallen, Family Business Index, https://familybusinessindex.com.
Nadja Fochmann
Thesaurierungsbegünstigung auch für KMU attraktiv ausgestalten
Wegen der bisherigen festen Thesaurierungs- und Nachversteuerungssätze von 28,25 Prozent und 25 Prozent führt die Thesaurierungsbegünstigung zu Steuerbelastungen von rd. 29 Prozent vor und rd. 48 Prozent nach der Nachversteuerung. Damit ist die Steuerbelastung von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland annähernd identisch Auch nach der paritätischen Senkung von Körperschaftsteuer- und Thesaurierungssatz durch das Investitionssofortprogramm wird die Steuerbelastung nahezu identisch bleiben. Die hohe Gesamtsteuerbelastung nach der Nachversteuerung führt jedoch dazu, dass die Thesaurierungsbegünstigung in dieser Ausgestaltung oftmals nur für Unternehmer im Spitzensteuersatz attraktiv ist, die diese langjährig in Anspruch nehmen Die Gesellschafter von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) unterliegen allerdings häufig jedoch nicht dem Spitzensteuersatz oder weisen eine kaum prognostizierbare, volatile Entwicklung ihrer Gewinne auf. Dadurch hemmt die bisherige Ausgestaltung die Förderung der Eigenkapitalstärkung von KMU.
Um die Thesaurierungsbegünstigung auch für KMU attraktiv auszugestalten, sollte sie analog zur Ausschüttungsbesteuerung von Kapitalgesellschaften flexibler realisiert werden. Hierbei kommen zwei Alternativen zum fixen Nachversteuerungssatz von 25 Prozent in Betracht, die das Steuersystem bereits von der Dividendenbesteuerung kennt und die beide parallel ermöglicht werden sollten. Zum einen würde die Gewährung eines Wahlrechts zwischen pauschaler Nachsteuer und individuellem Einkommensteuersatz im Sinne einer Günstigerprüfung analog zu § 32d Abs. 6 EStG für die Nachversteuerung die Thesaurierungsbegünstigung auch für KMU attraktiver gestalten und damit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entsprechen Zum anderen würde auch die Gewährung eines Optionsrechts zum Teileinkünfteverfahren analog des § 32d Abs. 3 i. V. m. § 3 Nr. 40 EStG eine Möglichkeit bieten, die Nachversteuerung flexibel zu gestalten und damit die Thesaurierungsbegünstigung als solche KMU-gerecht auszugestalten.
Kontenlogik für die Thesaurierungsbegünstigung nutzen
Die momentane Mechanik des § 34a EStG entspricht nicht der Lebenswirklichkeit von Personengesellschaften: Viele Gesellschaftsverträge haben Regelungen, wonach der Jahresüberschuss auf Rücklagenkonten für die langfristige Thesaurierung, Steuerkonten für die Entnahme von Steuern und Verrechnungskonten zur Finanzierung des Lebensunterhalts aufgeteilt wird. Nur die auf den Rücklagenkonten gebuchten Erträge sind für eine Thesaurierung vorgesehen und sollten daher auch ausschließlich unter die Regelungen des § 34a EStG fallen.
Für die Anwendung des heutigen § 34a EStG kommt es jedoch nicht auf die Verbuchung der Jahresüberschüsse auf den oben genannten Konten an. Vielmehr berechnet sich der begünstigungsfähige Betrag bislang auf Basis des Jahresüberschusses, korrigiert um Entnahmen und Einlagen und nicht abziehbarer Betriebsausgaben. Bei einer Überarbeitung der Thesaurierungsbegünstigung sollte der Gesetzgeber daher auch die gelebte Kontenlogik bei der Verbuchung des Jahresüberschusses berücksichtigen, damit nur die auf den Rücklagenkonten gebuchten Anteile auch den Regelungen des § 34a EStG unterworfen werden.
Gesetzlich bedingte Verwendungsreihenfolge anpassen
Eine weitere bisher bestehende Hürde der Thesaurierungsbegünstigung ist die gesetzlichen Verwendungsreihenfolge nach § 34a Abs. 4 S. 1 EStG. Hiernach können Altrücklagen aus der Zeit vor Anwendung der Thesaurierungsbegünstigung, welche bereits mit einem Spitzensteuersatz von bis zu 56 Prozent voll versteuert wurden, erst entnommen werden, wenn die der Begünstigung
unterliegenden Gewinnanteile („neue“ Rücklagen) vollständig entnommen und nachversteuert sind (lock-in Effekt). Diese gesetzlich bedingte Verwendungsreihenfolge führt damit faktisch zu einem Entnahmezwang von Altrücklagen vor erstmaliger Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung und verhindert eine zukünftige Einlagefinanzierung, was das gesetzgeberische Ziel der Eigenkapitalstärkung konterkariert.
Um dem entgegenzuwirken, könnten Altrücklagen und Einlagen einem gesonderten, nachsteuerfreien Konto zugeordnet werden. Die Verwendungsreihenfolge für Entnahmen könnte sodann dahingehend modifiziert werden, dass ein Wahlrecht bzgl. der Zuordnung von Entnahmen (nachsteuerpflichtig oder nachsteuerfreie Altrücklagen) eingeräumt wird. Dies würde es gestatten, die vorhandenen Altrücklagen entnehmen zu können, ohne eine Nachversteuerung auszulösen. Hierdurch würde die Eigenkapitalstärkung gefördert. Vorzugsweise sollten Entnahmen von Altrücklagenkonten und Verrechnungskonten mit nicht begünstigten Neugewinnen oder mit Einlagen stets vorranging steuerfrei erfolgen. Erst, wenn der gewählte Thesaurierungsbetrag angegriffen wird, kommt es zur Ausschüttungsbelastung.
Umstrukturierungshindernisse beseitigen
Nach bisherigem Recht lösen Umstrukturierungen und Umwandlungen die Nachversteuerung der thesaurierten Gewinne aus So muss nach Fällen der Einbringung des Betriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Kapitalgesellschaft sowie beim tatsächlichen und auch dem fiktiven Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft die Nachversteuerung des nachversteuerungspflichtigen Betrags erfolgen. Die auf den nicht entnommenen Gewinn bezogene Nachsteuer führt dazu, dass sich mit zunehmender Dauer einer in Anspruch genommenen Thesaurierungsbegünstigung das Hemmnis einer Umstrukturierung verstärkt.
Damit die Thesaurierungsrücklage nicht zu einem steuerlichen Umstrukturierungshindernis wird, sollte der nachversteuerungspflichtige Betrag kraft gesetzlicher Anwendung auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergehen und dort den ausschüttbaren Gewinn i. S. d. § 27 KStG erhöhen. Zum Zeitpunkt der tatsächlichen Ausschüttung werden die Gewinne ebenfalls mit einer (Dividenden-) Steuer von 25 Prozent versteuert, sodass dem Fiskus keine Steuerausfälle oder -mindereinnahmen entstehen.
Steuerverfahren erleichtern
Abschließend ist die Regelung auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu modernisieren. So sollte die Feststellung nach § 34a Abs. 10 EStG als unselbständiger Bestandteil in die einheitliche und gesonderte Feststellung einbezogen werden.
Zusammenfassung
Ziel der Bundesregierung ist es, Investitionen am Standort Deutschland zu fördern. Ein effizientes und fiskalisch unproblematisches Instrument ist die Unterstützung von unternehmensinternen Investitionen durch entsprechende förderliche Ausgestaltungen im Steuerrecht. Auf diesem Gedanken begründete sich auch die Einführung der Thesaurierungsbegünstigung im Jahr 2008. Allerdings wurde sie unzureichend ausgestaltet, so dass sie bislang nur von etwa 6.000 Unternehmen in Anspruch genommen
worden ist.2 Daher schlagen wir folgende Maßnahmen vor, um die Thesaurierungsbegünstigung attraktiv auszugestalten und damit die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen zu fördern:
▪ Thesaurierungsbegünstigung auch für KMU attraktiv ausgestalten: Die Nachversteuerung sollte unter Gewährung eines Wahlrechts zwischen pauschaler Nachsteuer und individuellem Einkommensteuersatz im Sinne einer Günstigerprüfung sowie einem Optionsrechts zum Teileinkünfteverfahren ausgestaltet werden
▪ Gesetzlich bedingte Verwendungsreihenfolge anpassen: Altrücklagen und Einlagen sollten einem gesonderten, nachsteuerfreien Konto zugeordnet werden. Für die Verwendungsreihenfolge für Entnahmen sollte ein Wahlrecht bzgl. der Zuordnung von Entnahmen (nachsteuerpflichtig oder nachsteuerfreie Altrücklagen) eingeräumt werden
▪ Umstrukturierungshindernisse beseitigen: Der nachversteuerungspflichtige Betrag sollte kraft gesetzlicher Anwendung auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergehen und dort den ausschüttbaren Gewinn i. S. d. § 27 KStG erhöhen.
▪ Steuerverfahren erleichtern: Die Feststellung nach § 34a Abs. 10 EStG sollte als unselbständiger Bestandteil in die einheitliche und gesonderte Feststellung einbezogen werden.
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BDI Dokumentennummer: D 1510
2 Vgl Antwort der Bundesregierung vom 6.12.2018 auf die kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, BTDrucksache 19/6308, Antwort auf Frage 22.