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Das verflixte zwanzigste Jahr

Sicherheitskomponenten: „Verfallsdatum“ in Produktionsanlagen sorgt für Ärger

„Sicherheitskomponenten haben ein Verfallsdatum“, darauf und vor allem auf die drastischen Folgen weist Sebastian Fink, Business Development Specialist bei Inspares GmbH, im Interview hin. „In den Anleitungen von Sicherheitskomponenten steht fast überall zu lesen, dass die Komponenten nach Ende der sogenannten Gebrauchsdauer getauscht werden müssen“, so Fink . Wichtig dabei sind die Worte tauschen und müssen. Da hilft auch keine Prüfung. So weit, so eindeutig. Dennoch bleibt so manches im Unklaren. Grund genug, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Sebastian Fink von der Inspares GmbH verweist im Interview darauf, dass die Verantwortlichen derzeit zumeist nicht einmal einen Überblick haben, wann welche Sicherheitskomponenten getauscht werden müssen.
Bild: Inspares

Herr Fink, welche Anlagen sind von dieser Thematik betroffen?

Alle Anlagen, die gemäß ISO 13849 oder EN62061 bewertet wurden. Es geht also um Anlagen, die in irgendeiner Form eine Gefahr in sich bergen und diese Gefahren durch bestimmte Sicherheitskomponenten wie Sicherheitsverriegelungsschalter, Lichtgitter, Not-Halt-Taster, Türschalter oder auch Fußmatten gebannt wurden. Das betrifft im Grunde alle Produktionsanlagen seit dem Jahr 2012.

Ist das Problem denn überhaupt bekannt?

Tatsächlich haben die meisten Verantwortlichen hierüber keine Kenntnis. Die Anlagendokumentation des Anlagenbauers gibt meist 20 Jahre Betriebsdauer an, ohne weiter zu informieren, was nach Ablauf dieser 20 Jahre zu tun ist, damit die Anlage weiterbetrieben werden kann.

Problematisch wird es aber schon bei der Definition der 20 Jahre. Der Inbetriebnahmezeitpunkt entspricht zumeist nicht dem Herstellungsdatum der Komponente. Das bedeutet: Der Betreiber kann auf diese Weise sogar unwissentlich die Betriebserlaubnis der Anlage verlieren.

Gibt es eine einheitliche Gebrauchsdauer oder legt das jeder Hersteller für sich und seine Komponenten selbst fest?

Jeder Hersteller kocht hier sein eigenes Süppchen und macht eigene Angaben. Bei manchen geht es um das Herstellungsdatum, andere verweisen auf das Lieferdatum und wieder andere auf das Inbetriebnahmedatum oder die Betriebszeit.

Eigentlich ist hier alles vorhanden. Selbst die 20 Jahre sind nicht einheitlich. Manche Hersteller geben sogar nur eine Gebrauchsdauer von 10 Jahren.

Können diese Komponenten nicht von einer sachkundigen Person überprüft und dann weiter eingesetzt werden?

Leider nein. Anders als die TÜV-Prüfung am Auto gibt es hier keine (bekannten) Prüfkriterien, die eine Prüfung ermöglichen würden. Daher sind die Komponenten trotz scheinbarer Funktionsfähigkeit auszumustern.

Ab wann gilt diese Gebrauchsdauer? Ab Produktion der Komponente, ab Lieferung oder ab Einbau in die Anlage?

Eine allgemeingültige Aussage ist, wie bereits angedeutet, nicht möglich. Es hilft nur, von jeder einzelnen Komponente, die jeweilige Herstellerdokumentation im Detail durchzugehen, um herauszufinden, ob der Hersteller eine Gebrauchsdauer festgelegt hat, wie lange diese ist und ab welchem Zeitpunkt diese beginnt.

Aus Ihrer Erfahrung heraus: Haben die Verantwortlichen derzeit einen Überblick, wann welche Sicherheitskomponenten getauscht werden müssen?

Durch die unterschiedliche Handhabung der einzelnen Hersteller hat nahezu kein Betrieb derzeit einen Überblick , welche Komponenten wann ausgetauscht werden müssen.

Auch das Thema Obsoleszenz, also die Abkündigung von Bauteilen, spielt in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rolle, die nur von wenigen Betrieben wirksam gemanagt wird.

Was müssen Instandhalter und die Verantwortlichen jetzt konkret tun?

Wer noch keine Übersicht hat, was, und in welcher Anzahl wo verbaut ist, hat natürlich ganz schlechte Karten. Erst wenn diese Hürde genommen wurde, hilft ein Blick in die Herstellerdokumentation. Bei beiden Schritten können wir mit langjähriger Erfahrung und unserem Brownfield-Aufnahmetool schnell und effizient unterstützen.

Wenn nun Komponenten ausgetauscht werden müssen, dann sind die Tauschteile – Stichwort Obsoleszenz – häufig ja genauso alt. Bedeutet dieses Verfallsdatum dann nicht eine Pflicht zum Retrofit?

Stimmt. Gegebenenfalls müssen vorhandene Ersatzteile tatsächlich nach 20 Jahren entsorgt werden, selbst wenn sie noch in der Originalverpackung sein sollten und noch nie genutzt wurden. Wenn, wegen der Abkündigung von Komponenten – hier sind wir dann beim Thema Obsoleszenz – ein Eins-zu-eins-Tausch nicht möglich ist, dann steht wirklich ein Retrofit an.

So manche Dokumentation, hier ein paar Beispiele, hält eine unliebsame Überraschung für die Betreiber bereit, denn für Sicherheitskomponenten gibt es eine maximale Gebrauchsdauer, also eine Art Verfallsdatum“. Im besten Fall sind es 20 Jahre, es können aber auch weniger sein. Danach darf die Komponente nicht mehr genutzt werden.
Bild: Inspares

Wer das nicht möchte, wird die Anlage abschalten müssen. Das ist ähnlich wie mit dem TÜV am Auto. Nur weil das Auto noch fährt, darf man es noch lange nicht auf der Straße nutzen.

www.inspares.de

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