Limmatwelle Woche 52

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Offiz. Amtliches Publikationsorgan des Kreis 2 Limmattal für die Gemeinden Wettingen, Neuenhof, Killwangen, Spreitenbach und Würenlos Donnerstag, 24. Dezember 2020, 59. Jahrgang, Nr. 52/53

Redaktion und Verlag wünschen frohe Festtage und einen guten Start ins 2021.

PP 5432 Neuenhof Post CH AG

Vreni Rogallas Weihnachtstraum

«KOMMENTAR»

Melanie Bär, Redaktionsleiterin Limmatwelle

Die nebenstehende Geschichte hat mich aus mehreren Gründen bewegt. Einerseits hat mir Vreni Rogollas Durchhaltewille imponiert. Über fünfzig Jahre musste sie warten, bis sie sich ihren Weihnachts-Dekotraum erfüllen konnte. Trotzdem hat sie ihn nicht vergessen und ihren Traum umgesetzt, als die Zeit reif dafür war. Andererseits beeindruckte mich ihre grosse Freude an den scheinbar kleinen Dingen im Leben: den leuchtenden Lichterketten, glitzernden Sternen und farbigen Weihnachtsfiguren. Ihre Antwort auf die Frage, was sie mache, wenn sie die Wohnung fertig dekoriert habe («Dann nehme ich Ferien. Damit ich Zeit habe, die schöne Dekoration anzuschauen und zu geniessen»), hat mich am Schluss auch noch betroffen gemacht. Wie oft habe ich mir nach getaner Arbeit fürs Innehalten und Geniessen keine Zeit genommen? Bin schon zum nächsten gehetzt, ohne zu sehen – geschweige denn zu schätzen –, was ich bereits habe? Vielleicht bieten der Jahreswechsel und die Feiertage Gelegenheit, das nachzuholen. Covid-19 zwingt uns, innezuhalten, neue Wege zu gehen. Dazu wünsche ich Ihnen und mir viel Durchhaltewillen. Dass wir die Freude an den kleinen Dingen nicht verlieren, im besten Fall sogar neu entdecken, und Frieden in uns selbst finden. So wie Vreni Rogalla. Feedback an: melanie.baer@chmedia.ch

Mehr als fünfzig Jahre musste Vreni RogallaStäubli warten, bis sich ihr Traum erfüllte. Dafür geniesst sie ihn jetzt umso mehr. MELANIE BÄR

Normalerweise wäscht und sortiert Vreni Rogalla-Stäubli in der Wettinger Arwo-Stiftung Kleider. Doch nicht so in der Woche vor Weihnachten. Dann nimmt sie extra Ferien und geniesst ihre weihnächtlich dekorierte Wohnung. Angefangen bei der mit künstlichen Tannzweigen und Weihnachtsfiguren behängten Haustüre. Schon als Kind hätte sie das Elternhaus gerne weihnächtlich dekoriert. Doch ihre Eltern wollten nichts «Gspunnigs», wie sie sagten. Ein Adventskranz und ein Weihnachtsbaum mussten reichen. Auch als Vreni Rogalla aufgrund ihrer Beeinträchtigung eine Zeit lang in einem Wohnheim lebte, war Weihnachtsdekoration nicht erwünscht. Und später fand ihr Ex-Mann es unnötig, für Lichterketten und Kerzen Geld auszugeben. Also liess sie es sein. Den Traum hat sie nie vergessen, als die Zeit reif war, hat sie ihn umgesetzt Vergessen hat sie ihren Wunsch aber nie. Als die Journalistin sie zum Interview traf, war Vreni Rogalla ganz aufgeregt. «Jetzt beginne ich mit der Dekoration des Balkons», sagte sie und strahlte. Seit der Scheidung vor fünfzehn Jahren lebt sie alleine in einer Wohnung. Mit über fünfzig konnte sie damals ihren Traum erstmals ausleben. Seither zelebriert sie das Dekorieren Jahr für Jahr. Bereits im Oktober holt sie die Kisten mit Dekorationsmaterial aus dem Keller, behängt die Sonnenstore mit Lichterkette und farbigen Schneemännern.

Vreni Rogalla unter dem Rahmen ihrer dekorierten Haustüre. Mittlerweile hat sie die ganze Wohnung mit Lichterketten, Weihnachtsfiguren und Kerzen in ein Weihnachtsparadies verwandelt. Im Badezimmer hängt die mit Santa Claus und Schneemännern bedruckte Frotteewäsche, der Stubentisch ist mit passender Decke und dem Weihnachtsgeschirr gedeckt. Und dann, wenn alles fertig ist, nimmt sie Ferien. «Damit ich Zeit habe, die schöne Dekoration anzuschauen und zu geniessen», begründet die mittler-

Sandra Ardizzone

weile 62-Jährige. Das tut sie auch heute. Heiligabend und Weihnachten feiert sie alleine. Nicht wegen Covid-19, sondern seit Jahren. Für sie ist das auch kein Müssen, sondern ein Dürfen. «Ich bin für mich alleine und geniesse Weihnachten seelenruhig.» Später kommen dann Freunde vorbei, für die sie ein kleines Geschenk unter den Weihnachtsbaum legt. Sie selbst – wen wundert es – bekommt meistens Dekorationsmaterial geschenkt.


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