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Bezirk Affoltern

Freitag, 3. August 2012

«Wir sind der Staat» Moritz Spillmann hielt die Rede an der 1.-August-Feier Bonstetten Der Ämtler SP-Kantonsrat, Moritz Spillmann, hielt eine angriffige Festrede in Bonstetten. Er listete dringliche Probleme der Schweiz auf und sprach sich für mehr Einigkeit aus. ................................................... von salomon schneider In Bonstetten wurde der 1. August auf dem Bauernhof der Familie Weiss gefeiert. Mehrere Hundert Bonstetterinnen und Bonstetter feierten bei musikalischer Umrahmung des Musikervereins Bonstetten. Gemeindepräsident Bruno Steinemann begrüsste die Anwesenden: «Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass eine Gemeinde eine solche Feier durchführen kann. Finanziell fällt die Feier allerdings nicht ins Gewicht, sie kostet lediglich 2.50 Franken pro Einwohner.» Die Festrede hielt SP-Kantonsrat Moritz Spillmann. Er stellte von Anfang an fest, dass er Sozialdemokrat

und als solcher durchaus parteiisch sei. Partei komme vom lateinischen pars und heisse Teil. «Unser politisches System ist dank all seiner Teile eine Erfolgsgeschichte, trotzdem kann die Schweiz nicht ohne ihre Nachbarn existieren», leitete Spillmann ein. Es brauche den Dialog der Staatengemeinschaft. Die Europäische Union sei politisch und wirtschaftlich zu unserem Vorteil mit der Schweiz verwoben. Politisch sei der Dialog mit der EU zwar manchmal schwierig, doch in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum brauche es auch gemeinsame Politik, das heisse aber nicht unbedingt den EUBeitritt. Das Problem sei, dass sich ein globalisierter Markt eben nicht selbst reguliere: «Unsere Milchbauern haben schon vor Jahren gemerkt, dass Deregulierung ihren Milchpreis nicht stützen wird.» Ökonomisch sei der Kleinstaat Schweiz eine Grossmacht, die auf Exporte und funktionierende internationale Beziehungen angewiesen sei. Die momentane Weltwirtschafts-

krise beweise deutlich, dass es einen starken Staat brauche, um die Wirtschaft zum Wohle aller zu steuern: «Der Wirtschaftsliberalismus ist gescheitert!»

Ein neuer Feudalismus? Eine weitere Sorge von Spillmann ist die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft. Die Reichen würden immer reicher und vererbten ihr Vermögen meist steuerfrei: «Wenn Reichtum nicht auf Leistung beruht, sondern auf Abstammung, haben wir wieder feudale Verhältnisse.» Der Mittelstand dürfe nicht weiter ausgeblutet werden, schliesslich seien schon unsere Gründerväter diesem Stand entstammt. Er schloss mit einem politisch Statement, das alle Teile der politischen Landschaft einbezog: «Tragen Sie das Sünneli im Herzen, handeln Sie aus Liebe zur Schweiz und finden sie die neue Kraft für eine Politik für alle statt für wenige!»

Der Ämtler SP-Kantonsrat Moritz Spillmann gab sich bei seiner 1.-August-Rede patriotisch und kämpferisch. (Bild Salomon Schneider)

Spannende Wettkämpfe auf dem Wasser und ein doppelter Geburtstag Nationalfeiertag an der Reuss in Ottenbach Auf dem, mindestens für die Ottenbacher Einwohnerinnen und Einwohner, wohl schönsten 1.August-Festplatz wurde am Nationalfeiertag tüchtig gefestet. Die Wettfahrten mit den Schlauchbooten gehören in Ottenbach zum Nationalfeiertag wie die Vulkane und Raketen. Zusammen mit Mutter Helvetia feierte auch der junge Referent Geburtstag. ................................................... von martin mullis Das Wettrudern über die Reuss mit Gummibooten gilt schon seit einigen Jahren als Publikumsmagnet. Das Gaudi, welches die Teams von vier Personen auf dem Fluss bieten, zieht regelmässig scharenweise Zuschauer am Ufer und auf der Brücke in Ottenbach an. Die Zusammensetzung der Rudermannschaften zeigt sich äusserst vielseitig. Da rudern Eltern mit zwei Kindern, ein Grossvater und seine Enkel oder gar vier wackere Turner oder Turnerinnen und versprechen meist schon lange vor dem Start Diskussionen und fachkundige Kommentare.

Die Brücke als Zuschauertribüne: Mit viel Einsatz über die Reuss rudern. (Bilder Martin Mullis) Von der Brücke ertönen laute Anfeuerungsrufe, immerhin muss die Reuss zweimal überquert werden – und dies nicht ohne am gegenüberliegenden Ufer hochzuklettern und eine Glocke erklingen zu lassen. Die Strömung erschwert das Unterfangen und selbst erfahrene Profi-Pontoniere kommen buchstäblich ins Rudern. Wenn dann so ein kleines Gummiboot voll verwegener Ruderer nur mit grossen Schwierigkeiten das aargauische Ufer erreichen kann, brauchen die Hobbymatrosen für schadenfrohe Kommentare und Zurufe nicht besorgt zu sein. Natürlich sorgten auch die fantasievollen Namen der Gruppen für entsprechende Sprüche. Da ruderte eine Familie unter dem Namen Costa Concordia, andere Teams als Champagner Shower oder nicht unbescheiden unter der Bezeichnung Turbos.

691 Jahre jünger als die Schweiz Junger Festredner und erst seit Kurzem Schweizer: Francisco Jandula mit Freundin Romy Mayer.

Die Organisatoren der Bundesfeier in Ottenbach verpflichteten für die obli-

gate Festrede für einmal einen doch etwas aussergewöhnlichen Redner. Gemeindepräsident Kurt Weber begrüsste den jungen Mann und versicherte etwas doppeldeutig, dass die Ansprache des Redners der Festgemeinde jedoch nicht «spanisch» vorkommen werde. Der vor kurzer Zeit eingebürgerte Spanier Francisco Jandula stand denn auch selbstbewusst am Rednerpult und stellte sich der Festgemeinde erst einmal gebührend vor. Er feiere genau wie die Schweiz auch heute Geburtstag, nur sei er 691 Jahre später als die Schweiz geboren. Der junge Mann und erst seit Kurzem Schweizer wuchs am Bodensee auf, lernte Möbelschreiner und zog vor fünf Jahren ins Säuliamt. Nach einem kurzen Stopp in Hausen am Albis zog er nach Ottenbach, wo er auch seine Arbeitsstelle hatte. Neben einer Wohnung, frischen Brötchen am Morgen, einem Arzt und einer Autogarage fand er sogar Freunde in Ottenbach, betonte der junge Festredner.

Weiter sprach Francisco Jandula über die seiner Meinung nach wichtigsten Voraussetzungen, um das Schweizer Bürgerrecht zu erlangen. Unabdingbar sei die Vertrautheit mit den Sitten und Gebräuchen der Schweiz, aber auch die Achtung vor dem geltenden Recht. Leider würden diese Bedingungen von einigen Personen immer wieder mit Füssen getreten, hielt er fest. Seine weiteren Gedanken über Integration dürften ohne Weiteres in die Richtlinien der Behörden zu diesem Thema aufgenommen werden. Ein Staat lebe nur von den Menschen die in diesem Staat leben, hielt er fest und schloss mit der Bemerkung, dass niemand etwas ernten könne, der nicht auch vorher gesät habe. Der Möbelschreiner erhielt denn auch viel Applaus vom Publikum und die eine oder andere Bemerkung an den Festbänken war klar als grosses Kompliment einzuordnen. Seine kurze, aber prägnante und schnörkellose Rede fand rundum Anerkennung.


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