Bezirk Affoltern
Dienstag, 26. November 2013
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«Die Zukunft des Spitals Affoltern liegt im Ungewissen...» Reaktionen nach dem sonntäglichen Resultat: Abgewiesene Spitalvorlage – Rätselraten, wie es weiter geht Zweimal Nein in Affoltern, Mettmenstetten, Obfelden und Ottenbach sowie Nein zur Spital AG, aber Ja zur Auflösung des Zweckverbandes in Bonstetten - das Verdikt zur Abstimmung über die zweiteilige Spitalvorlage lautet: abgelehnt! Bedauern bei den Befürwortern, Freude bei den Gegnern und allgemein ein grosses Fragezeichen zur SpitalZukunft bilden das Fazit. ................................................... von urs e. kneubühl Enttäuschung und Bedauern herrschen vor im Mehrzweckraum des Spitals Affoltern, wohin das Spital und dessen Betriebskommission geladen haben. Zu diskutieren gibt es reichlich Stoff für die Anwesenden, Ärzte und Belegschaft des Spitals, Behörden aus verschiedenen Gemeinden und Befürworter. Über allen und jedem Gespräch schweben die Fragen «warum?» und «wie weiter?». Allerdings ist bei vielen Anwesenden auch ein Aufatmen spürbar, dass man nun «am Ende einer sehr emotionalen Phase» angelangt ist, wie Thomas Jucker festhält. Der Präsident der Betriebskommission findet es «absolut wichtig, dass das Spital nun wieder aus den Schlagzeilen und seine Mitarbeitenden etwas zur Ruhe kommen». Hier stimmt auch der ärztliche Leiter Roland Kunz mit ein: «Meine Hauptsorge war stets die Unruhe, welche die Spitalvorlage mit sich gebracht hat. Grundsätzlich können wir im Spital mit beidem leben – mit einem Zweckverband oder einer AG.» Ein Ja zur AG allerdings, so Kunz, hätte für das Spital Planungssicherheit bedeutet: «Mit der jetzigen Situation können wir nun gar nicht planen.»
Gründe: Ideologie und Zweckverbandverdruss Die Analyse der Ergebnisse aus den Gemeinden gestaltet sich nicht ganz einfach. Für Rita Ackermann, Gemein-
derätin im ablehnenden Ottenbach, ist das Resultat ihrer Gemeinde nicht ganz nachvollziehbar: «Der Gemeinderat, der sich sehr akribisch und intensiv mit dem ganzen Geschäft auseinandergesetzt hat, stand den ganzen langen Weg stets voll hinter der Vorlage, plädierte klar für zweimal Ja.» Sie ist enttäuscht über den Ausgang, zumal zum Orientierungsabend, bei welchem sich die Bevölkerung eingehend über die Spitalvorlage informieren lassen konnte, gerade einmal eine Handvoll Besucher gekommen sind. Auch Walter von Siebenthal, Gemeindepräsident im zweimal Ja stimmenden Knonau, findet nur einen vagen Grund für den negativen Abstimmungsausgang: «Bei einer solch komplexen Vorlage ist sehr viel Vertrauen gegenüber den Behörden nötig. Offensichtlich ist es nicht überall gelungen, dieses rüberzubringen.» Ideologische Argumente, vernimmt man bei etlichen Befürwortern, seien sicherlich mitbestimmend gewesen, so sei es der Gegnerschaft
Gegner: Wollen nicht triumphieren Hans Roggwiler, Gegner der Spitalvorlage, liess dem «Anzeiger» seitens des Vereins «Pro Zweckverband Spital Affoltern» folgende Stellungnahme zukommen: «Hurra, wir haben gewonnen, die AGVorlage wurde verworfen. Die AGFreunde haben ein gutes Resultat erreicht, aber knapp daneben ist eben daneben. Wir wollen nicht triumphieren, sondern das Resultat demütig entgegennehmen und den Verlierern die Hand reichen, wohl wissend, dass sie sämtliche Trümpfe nach wie vor in ihrer Hand halten. Sie können auf die institutionellen Kräfte zählen und sie haben das Recht, im selben Tramp weiterzumachen. Nehmen sie uns und unser Resultat aber ernst, werden sie mit uns das Gespräch suchen und den Fahrplan festlegen.»
gelungen, die Bevölkerung zu verunsichern. Für die Befürworter zeigt sich andererseits auch eine klare Tendenz, wie Bertram Thurnherr, Projektleiter «Neue Rechtsform», meint: «Die deutliche Zustimmung zur Auflösung des Zweckverbandes in der Mehrzahl der Gemeinden macht die Situation nicht einfacher. Ein neuer Zweckverband ist daher nicht das optimale Szenario.»
Zukunft ist offen – Damoklesschwert Privatisierung Die Frage, wie es weiter geht, steht für alle, die sich im Mehrzweckraum eingefunden haben, offen. Thomas Jucker: «Einen Plan B haben wir nicht in der Schublade, der Ball liegt nun also wieder bei den Spitalorganen, den Gemeinden und der Betriebskommission.» Eines sei klar, meint Jucker weiter: «Es ist die letzten beiden Jahre gut gegangen mit dem Zweckverband und es wird wohl auch noch zwei weitere Jahre damit gut gehen. Die Lösung kann dies aber mit Sicherheit nicht sein.» Spitaldirektor Fredy Furrer bestätigt, dass es am Spitalbetrieb selber nicht liegt: «Der Betrieb selber funktioniert sehr gut, und wir haben viele Neuerungen umsetzen können. Auf der politischen Ebene aber sieht es desolat aus.» Es gehe damit sicherlich viel Zeit verloren, was nicht zugunsten des Spitals sei. Furrer denkt dabei an das neue Bettenhaus, das «so wichtig wäre», zumal 2015 die Bewilligung für das Provisorium ausläuft. Die Infrastruktur im Spital Affoltern hinke, verglichen mit den umliegenden Spitälern, hinterher, weshalb sich nun auch die Frage stelle: «Wie kommen wir zum Kredit für die Verbesserung dieser Infrastruktur?» Ein Beispiel am Limmattalspital, dem es als Zweckverband gelungen ist, die Finanzierung für seinen Neubau im Umfang von 270 Millionen Franken auf dem Kapitalmarkt zu sichern, will man sich diesbezüglich nicht nehmen. So laufe man Gefahr, dass nicht mehr die Gemeinden, sondern die Banken das Sagen hätten. Für Bertram Thurnherr ist die Finan-
Das Lachen ist trotz Ausstimmungsausgang nicht verloren gegangen: Spitaldirektor Fredy Furrer, Chirurgie-Chefarzt Matthias Wiens und der Ottenbacher Gemeindepräsdient Kurt Weber (v. l.). (Bild Urs E. Kneubühl) zierung des Bettenhauses «praktisch gestorben» und er stellt sich auch die Frage, wie es mit dem Zweckverband weitergeht: «Das Resultat in Bonstetten, wo man für die Auflösung des Zweckverbandes, aber gegen eine AG gestimmt hat, lässt vermuten, dass die Gemeinde aus dem Zweckverband aussteigen will. Ich bin überzeugt, dass man sich dies beispielsweise in Stallikon und Wettswil genauso überlegen wird.» Bei einem solchen Szenario sieht Thomas Jucker schwarz: «Wenn mehrere Gemeinden austreten sollten, wird es um einiges schwieriger mit dem Zweckverband. Dann schwebt zum Schluss das Damoklesschwert der Privatisierung über dem Spital.» Hans Roggwiler, Gegner der Vorlage (siehe auch Kasten), sieht dies gelassener: «Der Austritt verschiedener Gemeinden war immer eine Art Keule der Befürworter. Ich bin überzeugt, wenn die Bevölkerung gut informiert wird, setzt auch ein Umdenken bezüglich eines Zweckverbandes ein. Schliesslich steht man hierzulande hinter dem Spital.»
Zweckverband «renovieren»: schwieriges Projekt Die Meinung, dass es nicht leicht sein wird, den Zweckverband zu «renovie-
ren», wie Thomas Jucker sagt, wird durchs Band weg geteilt. Bertram Thurnherr meint dazu: «Als nächsten Schritt werden die Gemeinden nun eine neue Spitalstrategie entwickeln müssen. Es braucht neue Statuten mit Austrittsszenarien und das wird kein leichtes Unterfangen, zumal nicht damit zu rechnen ist, dass nun in den vierzehn Gemeinden ein Herz und eine Seele herrschen.» Gleichzeitig, so Thurnherr, halten sich Gerüchte, dass einige Chefärzte nun das Spital verlassen wollen: «Das Spital Affoltern verfügt über gute Leute, die anderswo gefragt sind.» Vertrackt, so Walter von Siebenthal, Gemeindepräsident in Knonau, sei die Situation jetzt eigentlich in allen Gemeinden: «Vom Gesamtergebnis her bin ich im Moment ziemlich ratlos, wie es weitergehen soll und das wird in allen anderen Gemeinden ziemlich ähnlich sein.» Er plädiert deshalb dafür, «die Situation nun zuerst ruhig und abgeklärt zu analysieren». Diese Zeit, so sagen weitere Befürworter, wolle man sich nehmen und nun zuerst die Behördenwahlen 2014 abwarten. Thomas Jucker dazu: «Nach den Wahlen im nächsten Jahr kann dann die Neuerarbeitung mit neuen Kräften angepackt werden.»
weitere reaktionen zur abstimmung Über die spital-rechtsform
Jetzt gangbare Lösungen aufzeigen Nach der Abstimmung über die Rechtsform Stellungnahme zum Abstimmungsresultat neue Rechtsform Spital Affoltern.
Zukunft leisten, was kann es nicht leisten usw.?
Das Abstimmungsresultat zeigt: Die Stimmbeteiligten wollen das Spital nicht aus der Hand geben. Sie wollen ihren demokratischen Einfluss auf die Zukunftsgestaltung des Spitals behalten. Nun sind die Statuten des Zweckverbandes zügig zu überarbeiten, damit die Spitalverantwortlichen selbstständig und unternehmerisch handeln können und sie das Spital in allen Bereichen professionell leiten und betreiben können. Als Zweites sind die wichtigen Fragen zu Zielsetzung und Strategie des Spitals Affolterns gründlich anzugehen: Was soll mit dem Spital in Zukunft geschehen? Welche Therapien sollen angeboten, welche Patienten sollen behandelt werden? Was kann das Spital in
Jetzt ohne Verzug weitermachen Diese Diskussion zwischen den Vertretern des Spitals und den politisch Verantwortlichen der Ämtler Gemeinden ist breit zu führen unter Einbezug der Bevölkerung, der Ärzte, etc. Diese Aufgaben sind ohne Verzug anzugehen. Die Zeit und die Entwicklung stehen nicht still – das Unterfangen, die Rechtsform anzupassen, hat bereits zu viel Zeit in Anspruch genommen! Die Bevölkerung steht hinter dem Spital – nun haben die politisch Verantwortlichen die Aufgabe, gangbare Lösungen aufzuzeigen und zu verwirklichen!
Martin Gallusser, Affoltern am Albis
Ein Votum für das Spital Affoltern Die SP Bezirk Affoltern ist hocherfreut über die Ablehnung der Umwandlung des Spital Affoltern in eine Aktiengesellschaft. Zusammen mit dem Vpod, dem Verein Pro Zweckverband setzte sich die SP Bezirk Affoltern gegen die breite Phalanx aus Parteien und Gemeinderäten durch. Offensichtlich pokerten die Spitalverantwortlichen zu hoch: in den letzten Jahren verunglimpften diese den Zweckverband mit dem klaren Ziel, das Spital in eine Aktiengesellschaft zu verwandeln. Das Ergebnis schafft nun aber Klarheit: die Aktiengesellschaft ist vom Tisch – das Spital bleibt ein Zweckverband und damit in den Händen der Bevölkerung. Das Spital sichert nicht nur die medizinische Grundversorgung, sondern übernimmt in der Langzeitpflege für den ganzen Bezirk Affoltern eine Schlüsselfunktion. Das Ergebnis ist deshalb ein deutliches Zeichen, dass die Bevölkerung ihre Verantwortung nicht nur im Akutbereich, sondern gerade auch in der Langzeitpflege wahrnehmen will. In der Kombination der
Ergebnisse zu den beiden Abstimmungsfragen zeigt sich eine starke Unterstützung für das Spital. Die SP Bezirk Affoltern sichert dem Spital auch in der Frage des allenfalls notwendigen Bettenhauses volle Unterstützung zu. Auf Grundlage einer fundierten Bedarfsanalyse und Zukunftsstrategie soll ein konkretes Projekt ausgearbeitet werden. Die SP Bezirk Affoltern steht zu einem konkurrenzfähigen Spital und ist auch bereit, dafür zu investieren. Angesichts der kritischen Stimmen vieler Gemeinden gegenüber dem Zweckverband gilt es die längst überfällige Revision der Zweckverbandsstatuten unverzüglich anzugehen und die notwendige Professionalisierung in den Abläufen vorzunehmen. Dafür sind alle beteiligten Akteure aus Gemeinden, Spital, Personal und Bevölkerung mit einzubeziehen. Die SP ist gewillt, aktiv in diesem Prozess konstruktiv mitzuarbeiten und sichert dem Bezirksspital weiterhin die volle politische Unterstützung zu.
Spital Affoltern – wie weiter? Die Stimmbürgerschaft des Bezirkes Affoltern steht zweifellos hinter ihrem Spital. Wer Nein zur Auflösung des Zweckverbandes gestimmt hat, huldigt weder einer Ideologie noch gefährdet er die Zukunft des Spitals, wie arrogant behauptet wurde. Das Abstimmungsergebnis zeigt, dass eine unnötig starke Einschränkung der Volksrechte mit einer AG im Knonauer Amt nicht zum Ziel eines ganzheitlichen und zugleich wettbewerbstüchtigen Spitals führt. Eine neue, vertrauenswürdige Arbeitsgruppe sollte nun die beiden Möglichkeiten 1. zukunftstauglicher Zweckverband und 2. privatrechtliche Stiftung erarbeiten, welche dann dem Stimmbürger vorgelegt werden könnten. Rolf Grob, Obfelden