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Bezirk Affoltern

Freitag, 25. Juli 2014

Wenn man gegen sich selbst kämpft Sina Thüring schrieb als Abschlussprojekt der Sekundarschule «Lost – die Geschichte einer Süchtigen»

Sina Thüring hat die Thematik der Selbstverletzung auch künstlerisch verarbeitet. (Bilder zvg.)

Vom Bedürfnis nach Schmerz bis zur Selbstverstümmelung ist es ein weiter Weg. Wer mit seinen psychischen Schmerzen nicht zurechtkommt, überträgt sie manchmal auf die physische Welt. Sina Thüring hat ein Buch zu diesem Thema geschrieben. ................................................... von salomon schneider Anne ist ein «gewöhnliches» Mädchen, das durch den Tod ihrer Mutter und die Alkoholkrankheit ihres Vaters in ein psychisches Tief gerissen wird. Als sie mit ihrem Vater zu dessen neuen

Freundin zieht, wird sie auch noch sozial entwurzelt. Von der neuen Familie wird sie schlecht behandelt, in der Schule ist sie eine Aussenseiterin. Sie kommt mit dem psychischen Schmerz, der Einsamkeit, dem Gefühl ungeliebt zu sein und den Schuldgefühlen nicht mehr zurecht und fängt an den physischen Schmerz zu suchen. Sie fängt an sich zu verletzen und ist bald gefangen im Strudel von Selbstmitleid, Selbsthass und Selbstverletzung. Dies ist der Anfang des Buches «Lost» das Sina Thüring als Abschlussarbeit der dritten Sekundarklasse geschrieben hat. Eindrücklich erzählt sie, wie jede kleine Enttäuschung, jede Zurückwei-

sung und jede Unsicherheit eine kleine Wunde in der Psyche des jungen Mädchens zurücklassen und autoaggressiv von der psychischen zur physischen Selbstzerstörung führen.

Eine alltägliche Realität Sina Thüring hat die Geschichte zwar erfunden. Auf das Thema ist sie jedoch wegen einer Freundin gekommen: «Eine meiner Freundinnen hat mit mir über ihr selbstverletzendes Verhalten gesprochen. Anfangs war ich schockiert, doch dann habe ich mich ins Thema hineingelesen und gemerkt, dass sie nicht die Einzige in meinem Bekanntenkreis ist, die sich

selbst verletzt.» Als es um die Themenwahl für die Abschlussarbeit ging, sei das Thema für sie klar gewesen – auch, um einen Weg zu finden, mit dem Thema umzugehen. Selbstverletzung ist ein erschreckend häufig auftretendes – und oft unbemerktes – Phänomen. Statistiken zur Selbstverletzung gibt es keine. Solche Statistiken würden auch wenig Sinn machen, da die Dunkelziffer in diesem Bereich riesig wäre. Bei der Selbstverletzung geht es nicht um Aufmerksamkeit. «Die Betroffenen versuchen – oft verzweifelt – die Selbstverletzung zu verbergen, auch wenn sie im tiefsten Innern eigentlich entdeckt werden wollen», erklärt Sina Thüring. Experten von Fachstellen in Deutschland gehen davon aus, dass etwa ein Prozent der Bevölkerung zwischen 15 und 35 Jahren selbstverletzende Tendenzen aufweise. Frauen seien sechsmal öfter betroffen als Männer. Im Gegenzug sind Männer, nach Zahlen des Bundesamtes für Statistik, stärker suizidgefährdet. 2012 sind in der Schweiz 752 Männer und 285 Frauen durch Suizid gestorben.

ring Interviews mit drei Betroffenen geführt, alle aus dem Bekanntenkreis. Auch über Internetforen erfahre man viel zu diesem öffentlich totgeschwiegenen Thema. «Manchmal fiel es mir sehr schwer, über das Thema zu schreiben, da es mich hinuntergezogen hat. Das Interesse, meine Freunde und die gute Betreuung durch Rolf Oberhänsli haben mich aber immer wieder motiviert», erläutert Sina Thüring. Als nächstes wird Sina Thüring eine KV-Lehre bei AS-Aufzügen beginnen. Das Abschlussprojekt «Lost» wurde mit der Bestnote bewertet.

Ein Buch über Selbstverletzung schreiben Zu Beginn der Recherchen für ihr Buch hat Sina Thü- Der Arm als Ventil für die emotionale Ohnmacht.

Auch als Schauspieler klein anfangen Der Kurzfilm «Best Buddies» wurde in Affoltern gedreht – mit lokalen Statisten Der Schweizer Filmlandschaft befindet sich in Aufbruchsstimmung, seit auch Schweizer Filmschaffende vom EU-Filmförderungsprogramm profitieren können. Die erfolgreiche Affoltemer Regisseurin Irene Ledermann drehte in der vergangenen Woche den Film Best Buddies, mit Ämtler Statisten. ................................................... von salomon schneider

Im Kurzfilm Best Buddies geht es um zwei beste Freunde, die alles teilen und sich manchmal auch dabei filmen. Als ein Freund wütend auf den anderen ist, veröffentlicht er ein kompromittierendes Filmchen über den anderen via soziale Medien. Am vergangenen Freitag war der Film bis zu diesem Punkt gedreht. Für die letzte Szene, dem Eclat an der Jugendparty, wurden 40 Statisten benötigt, auch einige Säuliämtler meldeten sich. Die Szene wurde auf dem «Hornbach Areal» in Affoltern gedreht, das leer steht und sich gut eignet, um eine Jugendparty zu inszenieren. «Es ist immer schwierig, Objekte zu finden, die lange genutzt werden können und nicht

übermässig viel kosten. In Affoltern finde ich zum Glück immer wieder solche Objekte für meine Filme», kommentiert Irene Ledermann die Wahl des Sets. Bereits ihr Film Schonzeit wurde in Affoltern gedreht.

Auf Laienschauspieler gesetzt Film ist ein sehr aufwendiges Medium. Geschichte, Bild, Ton und Stimmung laufen ineinander über und müssen aufeinander abgestimmt sein. Wenn das Drehbuch einmal steht, in diesem Fall wurde es von Irene Ledermann selber geschrieben, müssen Schauspieler gecastet werden. Das Casting sei besonders schwierig gewesen, meinte Irene Ledermann: «Da wir einen Jugendfilm drehten, mussten wir auf Laienschauspieler zurückgreifen. In diesem Alter hat einfach noch keiner eine abgeschlossene Schauspielausbildung.» Auch die Wahl der Schauplätze und Bewilligungen und die Finanzierung würden viel Zeit in Anspruch nehmen.

Irene Ledermann instruiert die Statisten (links), während Ton- und Bildcrew die Aufnahmen im Detail besprechen. Schauspielerfahrung ist schwer zu kriegen Am Drehabend trafen die 40 Statisten gegen 21.30 Uhr ein. Es herrschte angespannte Stille. Die Regieassistenten bereiteten die Statisten auf ihre Rolle

(Bild Salomon Schneider)

vor, während Irene Ledermann die Schauspieler einwies. Die Anwesenheit der ca. 60 Personen, Geflüster und Lichteffekte liessen das nüchterne dunkle «Hornbach-Areal» beinahe

mystisch wirken. Eine der Statistinnen war die Affoltemerin Paula Foster, die schon bei mehreren Produktionen als Statistin mitgearbeitet hat: «Ich nutze jede Gelegenheit, um Erfahrung als

Schauspielerin zu sammeln. Auch in dieser Branche muss man klein anfangen.» Schauspieler und Statisten waren stark gefordert, da die Dreharbeiten bis nach Mitternacht dauerten.


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