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Die Rollschule rollt durchs Säuliamt
from 051_2023
by AZ-Anzeiger



Ein neuartiges pädagogisches Überbrückungsangebot für Kinder
In der Rollschule erhalten Kinder, die nicht in der Regelklasse unterrichtet werden können, Raum, Aufmerksamkeit und Unterricht. Sobald möglich erhalten sie einen Platz in einer für sie geeigneten Schule.
Von Marianne Voss
Auf dem Parkplatz beim Schützenhaus Mettmenstetten steht ein Wohnwagen. Oder ist es eher ein Bauwagen? Jedenfalls sieht das suspekt aus. Zwei Tische und Bänke stehen an diesem sonnigen Tag draussen vor dem Gefährt Eine Frau sitzt mit einem Buben am kleineren Tisch und wickelt Wolle ab. Der andere Bub sitzt am grösseren Tisch und ist mit Heften beschäftigt Da ist auch noch ein Mann er war im Wohnwagen und schaut jetzt aus der Tür Ob das Fahrende sind? Eine Familie die hier illegal ihre Zelte aufschlägt?
Das haben sich in letzter Zeit wohl ab und zu Wanderer oder Spaziergängerinnen überlegt, wenn sie auf diesen aussergewöhnlichen Wohnwagen trafen Er steht nicht immer am selben Ort Manchmal ist er bei einem Bauernhof stationiert und manchmal ist er ganz geregelt zu Hause in Ottenbach, wo seine Besitzer wohnen.
Wer auf diesen Wohnwagen stösst, muss sich keine Sorgen machen, denn es geht alles mit rechten Dingen zu Der Schriftzug «Rollschule» sagt schon etwas darüber aus dass es sich hier um ein pädagogisches Angebot handelt Der «Anzeiger» hat die Rollschule besucht und durfte mit den Schülern Timo und Gabriel eine Stunde verbringen.
Aus dem System herauskommen
Lehrerin Andrea Stucky und ihr Mann
Tom Keller leiten die Rollschule. Mehr noch, sie haben dieses neuartige Pilotprojekt im März ins Leben gerufen. Begonnen hatte es mit einer einjährigen Reise mit den eigenen Kindern, während welcher das Paar den Unterricht im Wohnwagen, aber auch in der Natur selber erteilte. «Als ich danach wieder als Primarlehrerin arbeitete, merkte ich, dass ich raus muss mit den Kindern», berichtet Andrea Stucky Sie führte einen Waldmorgen pro Woche ein. Später war sie an der Tagesschule Birke tätig und bekam mit, dass es zu wenig Sonderschulplätze gibt für Kinder die in der Regelklasse nicht mehr geschult werden können Die Gründe dafür seien unterschiedlich. «Meistens liegen sie im sozialen oder emotionalen Bereich. Die Integration stösst dann an ihre Grenzen Die Kinder geraten in eine Negativspirale. Oft entstehen auch Probleme mit den Gspänli in der Klasse.» Für diese Kinder sei es die beste Lösung, situation Gemeinderätin Marlies
Salzmann fasste hier die Wünsche zusammen, die von einem Ausbau der ÖVVerbindungen, über Verkehrsberuhigung durch Tempobeschränkung bis zu einem verkehrsfreien Rifferswil reichen – dies wahlweise mit Umfahrung Untertunnelung oder Pferdekutschen-Shuttle
Den Energiebedarf selbst decken
Und wie lassen sich erneuerbare Energien nutzen und die Siedlungsökologie fördern? Hier wurde über naturnahe Gärten und ein Verbot von Steingärten diskutiert. Weiter war eine Regenwasser-Nutzungspflicht für Neubauten ein Thema, ebenso wie die Verwendung von nachhaltigen Baumaterialien Aktuell liege der Energie-Eigendeckungsgrad bei 20 Prozent verriet Gemeinderat Reto von Schulthess. Dieser Wert soll angehoben werden. Dazu beitragen könnte etwa ein grosses Fotovoltaik-Dach über dem Parkplatz beim Seleger Moor aus dem System herauszukommen
Im Plenum wurde die Vision von einem Netto-Null-Ziel für Rifferswil von einem grossen Mehr begrüsst «Wenn Sie das wünschen, können Sie das auch erreichen», machte Moderator Peter von Känel den Rifferswilerinnen und Rifferswilern Mut Weiter wurde auch das Thema Wohnen im Alter vertieft Hier empfahl der Raumplaner einen Verein oder eine IG zu gründen, um das Thema in Zusammenarbeit mit der Gemeinde anzugehen.
Rückmeldungen bis 21. August Zum Abschluss bot sich den Anwesenden Gelegenheit, mittels Smartphone in einer Echtzeit-Abstimmung zu einigen Fragen Stellung zu nehmen Dabei stimmten alle dem Grundsatz «Qualität vor Quantität» bei einer baulichen Verdichtung zu Deutlich mehrheitsfähig wären auch die Einführung einer Überbauungsziffer fürs Einfamilienhausgebiet Im Mattler und für die Kernzone, eine Busverbindung nach Baar mehr Biodiversität und bessere Siedlungsökologie sowie die Förderung von betreutem Wohnen Schon viel skeptischer beurteilt wurden hingegen Ladestationen für die e-Mobilität.
Spannend sei es gewesen, bilanzierte Gemeindepräsident Christoph Lüthi «aber wir haben auch viel Arbeit bekommen.» Nach den Sommerferien will der Gemeinderat die Nachbearbeitung des REL angehen. Weitere Inputs dazu seien willkommen müssen aber bis 21. August eingereicht sein.
Doch eben, es gebe zu wenig Plätze in geeigneten Institutionen «Oftmals müssen die Kinder warten, bis ein Platz für sie frei wird. Diese Phase kann für alle sehr schwierig sein.»
Immer draussen in der Natur
Andrea Stucky und Tom Keller entwickelten aus diesen Erfahrungen ein Konzept gründeten eine GmbH und wurden bei den Schulen und dem Schulpsychologischen Dienst vorstellig. «Wir sind keine Privatschule», betonen sie
«Wir sind ein Übergangsangebot Die Kinder werden bei uns geschult und betreut, bis sie einen geeigneten Platz erhalten.» Betroffene Kinder im Bezirk Affoltern werden von den Schulen und dem Schulpsychologischen Dienst an die Rollschule überwiesen Innerhalb weniger Tage können sie im Wohnwagen zur Schule gehen Die Finanzierung übernimmt die Schule des Wohnorts. Timo und Gabriel wirken völlig entspannt und glücklich. «Klar wir gehen sehr gerne hier zur Schule, es ist cool», erklären sie strahlend Die Pädagogin legt Wert darauf, dass sie sich an Regeln halten und lernen, ihre Aufgaben zu machen «Die Kinder brauchen Strukturen im Tagesablauf Zudem ist es uns wichtig ihr Selbstvertrauen zu stärken » Zwischen der Rollschule, der Ortsschule, den Eltern und dem Schulpsychologischen Dienst finde ein stetiger Austausch statt. «Alle in diesem Netzwerk stehen unserm Projekt sehr positiv gegenüber.»
Nun aber noch eine Frage: «Warum der Wohnwagen?» Die Erklärung ist einfach: «Wir rollen jeweils in die Gemeinden, von welchen die Kinder kommen. Wir reisen quasi den Kindern nach » Wenn Kinder aus verschiedenen Gemeinden kommen ist die Rollschule ein paar Tage im einen Dorf und ein paar Tage im anderen Dorf stationiert. Der Standort wechselt, das Schulzimmer ist immer dabei Die Kinder werden von Tom Keller im Rollschul-Bus von zu Hause abgeholt und zur Rollschule gebracht Und ein weiterer Vorteil der Schule im Wohnwagen: «Wir sind immer draussen in der Natur.»