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Extra

Mittwoch, 20. Mai 2020

«Lieber produzieren als konsumieren»

DIGITALISIERUNG IN WORTEN

Disruption

Menschen im Säuliamt: Beni Federer leitet ein Baugeschäft und produziert Filme übers Dorf Bauen und Filmen – zwei kreative Tätigkeiten bestimmen das Leben von Beni Federer. Der «Ur-Mettmenstetter» ist heute Mitinhaber einer Baufirma und dreht in der Freizeit regelmässig Filme. Im Dorf hat er sich seit seiner Jugendzeit aktiv engagiert. Mit Beni Federer sprach Marianne Voss «Es war eine gute Idee meines Vaters, 1957 vom Rheintal hierher nach Mettmenstetten zu zügeln», erzählt Beni Federer. Er sitzt in grossem Abstand zur Journalistin am Gartentisch draussen vor dem Haus. «Ich bin ein Urmettmenstetter und habe hier meine Kindheit sowie die Schulzeit verbracht.» Mit der Schule habe er sich eher schwer getan. «Und darum hatten die Lehrer und ich uns wohl auch nicht so gerne.» Im Baugeschäft Crescionini absolvierte er eine Maurerlehre, wurde Vorarbeiter und wechselte in die Firma De Capitani Baugeschäft AG in Zürich. «Das war vor 42 Jahren. Ich bin heute noch dort und inzwischen Mitinhaber.» Er ergänzt humorvoll: «Sie konnten mich halt sonst nirgends brauchen.» Seine Berufswahl war eindeutig richtig. Er schwärmt: «Bauen, das ist mein Leben! Etwas aufbauen, das ist ein positiver, kreativer Vorgang. Und man sieht, was man gemacht hat.» Seine Firma sei vor allem auf den Umbaubereich spezialisiert und habe schon früh viel Wert auf mineralische und biologische Baustoffe gelegt – mit Erfolg. Im Moment müsse er sich aber ernsthaft Sorgen machen, denn wegen der Coronakrise seien die Aufträge völlig eingebrochen. «Ich habe Respekt vor der wirtschaftlichen Situation und bin sehr skeptisch, ob sich diese bald erholen kann. Ich hoffe sehr, dass ich mich täusche.» Für den Weg vom Maurer zum Geschäftsführer hat Beni Federer natür-

Serie «Menschen im Säuliamt» In der Serie «Menschen im Säuliamt» berichtet Marianne Voss in loser Folge aus dem Leben von Menschen, die im Säuliamt wohnen oder hier ihren Arbeitsplatz haben.

Beni Federer in seinem schönen Garten – mit Wasser und Desinfektionsmittel. (Bild Marianne Voss) lich einige Aus- und Weiterbildungen gemacht. «Doch das meiste habe ich mir selber beigebracht. Ich hatte nie Zeit für ausführliche Studiengänge, ich bin eher der Autodidakt.»

Wilde Zeiten Während seiner Jugend war er bereits aktiv im Dorf Mettmenstetten engagiert und half mit, den Jugendkeller «Join in» im Gemeindehaus zu gründen und zu betreiben. «Ich arbeitete als Lehrling am Bau des Gemeindehauses und wusste dadurch, dass dort viel Kellerraum vorhanden ist.» Er berichtet von den wilden Zeiten, als sich jedes Wochenende bis zu 300 Jugendliche trafen. Es wurde getanzt, geraucht und geschwatzt. Und um Mitternacht war Schluss. «Dann starteten rund 200 Töffli und heulten durchs Dorf. Darauf gab es natürlich Reklamationen aber auch Versöhnungsgespräche.» Ja, der Jugendtreff sei wirklich eine grosse Geschichte gewesen, meint er rückblickend. «Unser Projekt machte positive Schlagzeilen übers Säuliamt hinaus, und wir waren riesig stolz über das Erreichte.» Im Alter von 20 Jahren zog Beni Federer von zu Hause aus, kehrte dann

WETTER

aber nach der Heirat wieder nach Mettmenstetten zurück. Die Familie wohnte mit den drei Kindern zuerst in einer Wohnung, später in einem eigenen Haus. «Das ist dieses Haus, und ich habe es selber aus- und umgebaut».

Filmen aus Leidenschaft Beni Federer bezeichnet sich selber als einen, der gerne geniesst aber auch gerne anpackt und etwas erarbeitet. Auf eine einsame Insel würde er unbedingt ein paar Flaschen guten Wein mitnehmen, bemerkt er schmunzelnd. Und auch die Kochkunst seiner Frau Trix, die geniesse er extrem. Doch abgesehen vom Kulinarischen ist sein Motto: «Lieber produzieren als konsumieren.» Er könne stundenlang in der Kammer sitzen und an einem Projekt tüfteln, bis es wirklich stimme, und er damit zufrieden sei. Damit ist er beim Thema Film und Fotografie angekommen. «Das ist eine Leidenschaft, die mich das ganze Leben begleitet.» Für dieses Hobby investiere er sehr viel Zeit. Zu seinen Projekten gehören die Reportagen für die 900-Jahr-Feier und der viel beachtete Dok-Film Landluft. «Toppaktuell habe ich die Filme Mättmi März und Mättmi April auf YouTube aufge-

schaltet.» Diese Kurzfilme seien in der Coronakrise entstanden und sollten bewusst schöne und aufmunternde Bilder aus den Dörfern Mettmenstetten, Knonau und Maschwanden vermitteln. «Ich mache das einfach so, weil ich Freude daran habe und es auch vielen anderen Freude bereitet. Die vielen schönen und dankbaren Mails, die ich zu diesen Videos erhalte, sind für mich der Lohn für den grossen Aufwand.»

Leben von schönen Erinnerungen War Beni Federer nie im Gemeinderat? «Angefragt wurde ich dafür schon, aber ich sah dort nicht meinen Platz.» Er engagiere sich aber gerne fürs Dorf unter anderem auch in der IG Dorfgeschichte. Nebst dem Filmen hat seine Familie – inzwischen mit Enkeln – einen hohen Stellenwert für ihn. «Und das Reisen zusammen mit Trix auch», fügt er an. «Oft setzen wir uns ein Fernziel und fahren einfach mal los. Unterwegs lassen wir uns dann gerne auch vom Weg abbringen, zum Beispiel von Schildern zu Weingütern.» Doch das Reisen sei im Moment natürlich kein Thema. «Wir leben zurzeit von den Erinnerungen an die Reiseerlebnisse und vom Wein im Keller.»

Disruption ist ein Vorgang, der seit Menschengedenken von Ängsten begleitet war. Der Begriff stammt von lateinischen «disrumpere» ab und heisst zerreissen, zerschlagen und zerbrechen. Gemeint ist die in rasantem Tempo vor sich gehende Verdrängung von Produkten oder Dienstleistungen durch moderne Alternativen. In den USA verdrängte das Auto beispielsweise in den Städten innert weniger Jahre die Pferdekutsche. Durch die Digitalisierung kommt es immer öfter zu disruptiven Verdrängungen von Technologien. Während bis in die 1990er-Jahre Technologien durch andere Technologien abgelöst wurden, entstehen heute ganz neue Formate, die in der Handhabung völlig anders sind. Die Schritte von VHS-Kasette zur DVD und Blue-Ray waren für technologieferne Konsumenten viel einfacher verständlich als der Schritt von Blue-Ray zu Netflix. Mit Netflix werden Filme und Serien nicht mehr gekauft, sondern können jeweils für den einmaligen Gebrauch heruntergeladen werden. Die zunehmenden Disruptionen durch neue Technologien führen auch im Knonauer Amt zu Abwehrreaktionen. Auch immer mehr Jugendlichen wird der rasante Wandel zu viel und manche entscheiden sich gegen die Nutzung von Smartphones, Sozialen Medien oder engagieren sich gegen die Einführung des 5G-Datennetzes. (sals) In der Serie «Digitalisierung in Worten» erläutert der «Anzeiger» Begriffe, die sich im 21. Jahrhundert im deutschen Sprachgebrauch durchgesetzt haben.

HERKÖMMLICHES

Büstenhalter Der Büstenhalter – umgangssprachlich diskret BH – weckt Männerfantasien, obwohl er eigentlich Busenhalter heissen müsste. Eine Büste – sprachlich entlehnt aus italienisch «busto» – ist laut Herkunftswörterbuch ein «aus Stein, Erz, Bronze oder anderem Material gearbeitetes Brustbild». Dementsprechend ist von Übergriffen gegenüber Büsten – abgesehen von lästigen Sprayereien – selten oder nie die Rede. Anders verhält es sich mit dem Ausdruck Büste im Sinn weiblicher Brüste. Diese spezielle Bedeutung hat sich im 19. Jahrhundert via Frankreich eingebürgert. Damit stand dem Büstenhalter nichts mehr im Wege. Das weibliche Bekleidungsstück vermittelt Halt, weshalb selbstbewusste Frauen bei übergriffigem Verhalten zu Recht ungehalten reagieren. (ubo) In der Serie «Herkömmliches» deutet Urs Boller die mutmassliche Herkunft von Wörtern und Begriffen.

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LEBENSWEISHEIT «Es gibt eine Kraft aus der Ewigkeit, und diese Kraft ist grün.» Hildegard von Bingen

Geschnetzeltes Braumeisterart Zutaten für 4 Personen

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300 g Schweinsgeschnetzeltes 300 g Pouletgeschnetzeltes 4 EL Öl 2 Zwiebeln, 1 Peperoni, 4 Essiggurken in Streifen geschnitten 2 dl Weisswein 5 dl Weizenbier 0.5 dl Orangensaft 1.8 dl Sauerrahm Salz, Pfeffer, Muskatnuss

Zubereitung Zwiebeln in Öl glasig braten, Geschnetzeltes dazugeben, kurz anbraten. Peperoni und Essiggurken dazugeben und mitbraten. Mit Weisswein und Bier ablöschen. Mit Salz, Pfeffer und Orangensaft abschmecken. Flüssigkeit etwas einreduzieren. Sauerrahm dazugeben, mit Muskatnuss abschmecken. Weitere Rezepte unter www.volg.ch/rezepte

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