AT R G IS
Zeitung für immersive Kunst | 8. Ausgabe | November 2021
Der Dresdner Barock Extase des Blicks Bazon Brock Baroque Immersions in der Kölner Philharmonie Baroque Baroque Juliane Voigt Fanny Thiel Gloger Festspiele in Kongsberg Juliane Voigt
Fanny Thiel
2 Editorial
Der Barock ist weit entfernt und doch gefühlt so nah. Die Sehnsucht nach dem Opulenten begleitet uns jeden Tag. Yadegar Asisi
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Liebe Leserinnen, Liebe Leser,
Stellen Sie sich vor, es läuft jemand durch Ihre Stadt und ruft aufgeregt, dass der Nachbarort in Flammen steht, alle Leute seien tot, die Vorräte geplündert, die Felder niedergebrannt und die brandschatzende Bande sei unterwegs zu Ihnen. Was würden Sie machen? Vielleicht verzweifeln. Oder vielleicht den Champagner aus dem Kühlschrank holen und Freunde einladen? So war das im dreißigjährigen Krieg. Der Krieg verwüstete das Land. Die katholischen kämpften gegen die protestantischen Truppen oder taten zumindest so, denn am Ende ging es natürlich um Geld und Macht und Territorium ohne Rücksicht auf Verluste oder neusprachlich: Kollateralschäden. Mittendrin – Der kleine Mensch in seiner Todesangst. Der Barock steht in dieser Ausgabe der ThreeSixO im Mittelpunkt. Die Lust am Leben im Angesicht der Vergänglichkeit. Sie war die prunkvollste aller Epochen und zog sich über zwei Jahrhunderte. Heute omnipräsent in Musik und Literatur, vor allem aber in den bildenden Künsten und der Architektur. Zu besichtigen zum Beispiel in dem Winterpalais des Prinzen von Savoyen in Wien. Der Barockpalast ist heute ein Museum. Wir berichten über die Ausstellung BAROQUE BAROQUE von Olafur Eliasson, dessen bezaubernde Kunstinstallationen ein immersives Eintauchen in diese Zeit ermöglichten. Die Ausstellung ist schon vor einigen Jahren gewesen. Zeigt aber, dass sich auch zeitgenössischen Künstler immer wieder von dieser Epoche angezogen fühlen und sie mit ihren Arbeiten interpretieren. Das ist auch für Musikerinnen und Musiker unserer Zeit, ob Instrumentalisten oder Sänger, eine Herausforderung. Wie klang Barockmusik für die Menschen vor 300 Jahren, die damals ja zeitgenössische Kompositionen waren? Keiner hatte je so etwas Zauberhaftes gehört. Es ist die Zeit der ersten großen Opern und Opernhäuser, aber auch der Kammermusik, komponiert als musikalische Begleitmusik höfischer Lustbarkeiten. In unserem Beitrag BAROQUE IMMERSIONS geht es um ein Sound-Experiment der Kölner Philharmonie. Und der Beitrag über das 20-jährige Bestehen der Gloger Barockfestspiele im norwegischen Kongsberg fragt nach der immersiven Wirkung von barocker Musik für die Festspiele-Besucher durch Konzerte unter anderem im Stadtraum. Wir haben für ein Gespräch darüber die künstlerische Leiterin des Festivals, die deutsch-norwegische Opernsängerin, Isa Katharina Gericke, getroffen. Auch der Panoramakünstler Yadegar Asisi hat sich mit dieser Epoche ausführlich beschäftigt. Ein Riesen-Rundbild im Dresdner Panometer zeigt das barocke Dresden im Augusteischen Zeitalter. Einerseits als seine künstlerische Sicht auf diese Ära der sächsischen Geschichte. Andererseits aber auch als identitätsstiftende Matrix für die Dresdner, denen die historische Stadt 1945 verloren gegangen war. Einen interessanten Hintergrundbericht über den Barock als Folge der jesuitischen Gegenreformation offenbart der Beitrag „Die Extase des Blicks“. Der Gastbeitrag des wichtigsten Kulturphilosophen unserer Zeit, Bazon Brock, erklärt die Herkunft des Begriffs Barock. Diese ist im Ursprung ganz und gar unschmeichelhaft, obwohl die Epoche ja weithin mit Pracht und Herrlichkeit assoziiert wird. Brock setzt in seinem Essay die Genüsse dieser Zeit mit einem grandiosen Rausch gleich. Auch wir finden, Barock führt zu immersiven Zuständen. Ganz ohne bewusstseinserweiternde Substanzen. In diesem Sinne… Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Juliane Voigt
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Der Barock ist weit entfernt und doch gefühlt so nah. Die Sehnsucht nach dem Opulenten begleitet uns jeden Tag. Yadegar Asisi
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Der Dresdner Barock … im Panorama vom barocken Dresden
Autorin: Juliane Voigt
Im Dresdner Panometer wird aktuell ein Panoramabild
jemand auf den ersten Blick von einer künstlerischen
dem ehemaligen Gasometer der Dresdner Stadtwerke
Und doch ist sie da. Die Schere zwischen Arm und
vom barocken Dresden gezeigt. Seit 2006 wechselt in das Rundbild vom barocken Dresden mit einer Rund-
umsicht auf das zerstörte Dresden im Frühjahr 1945. So werden im Wechsel die beiden wichtigsten Phasen Dresdner Stadtgeschichte künstlerisch visualisiert.
Das Panorama des barocken Dresdens zeigt die
Stadt während ihrer prunkvollen Blüte zur Zeit der
Auseinandersetzung mit dem Barock erwarten würde. Reich, die immergleichen Charakterzüge und Verhaltensweisen der Menschen über alle Epochen hinweg.
Durch das Panorama lernen wir, was die Geschichte kann. Sie lehrt uns, aus unseren Fehlern genau wie
aus unseren Tugenden die richtigen Schlüsse zu ziehen. Nur dann ist sie auch relevant für die Gegenwart.
sächsischen Kurfürsten im Augusteischen Zeitalter.
Da ist der sächsische Barock das beste Beispiel: Ein
europäisch bedeutungsvollen Barockstadt mit einigen
hauptung fährt unweit der goldverzierten Kutsche des
Zwischen 1695 und 1760 wurde Dresden zu einer
herrschaftlichen Prunkbauten. Unter August dem Starken und seinen Nachfolgern entfaltete sich in Dresden
eine nie dagewesene Baukultur, eine außergewöhnliche Förderung der Künste und ein Lebensgefühl, das
mit den größten europäischen Metropolen miteiferte. August und seine Erben waren zugleich polnische
Könige und unterstrichen ihre Bedeutung, indem sie
mithilfe der besten Architekten, Baumeister und Handwerker ihrer Zeit den kursächsischen Regierungssitz an der Elbe stetig erweiterten und verschönerten.
Der Künstler Yadegar Asisi hat mit dem Panorama
vom barocken Dresden eine verdichtete Momentaufnahme dieser Zeit geschaffen. Als Betrachter im
Werk geht man auf eine bildgewaltige Reise in die Ver-
gangenheit, erlebt eine barocke Immersion, die einen die monumentale Stadtanlage der Elbmetropole aber
Wagen mit Verbrechern auf dem Weg zu ihrer Ent-
Königs über die Augustusbrücke, in den Gassen zum Markt tummeln sich abgerissene Bettler und Diebe
neben gepuderten Lebemännern und wohlhabenden Händlern. Es ist eine Welt voller Gegensätze.
Neben den gesellschaftlichen Themen kommen aber
auch historische Szenen des höfischen Lebens nicht
zu kurz. So lernen wir solch illustre Charaktere des 18. Jahrhunderts wie Johann Sebastian Bach, Zar Peter I. oder auch Casanova kennen. Vom Turm der
katholischen Hofkirche schweift der Blick über Plätze
und Gassen, über die Elbe, über Kirchen und Paläste bis zur Neustadt. Eingehüllt in einen Klangteppich aus
Stadtgeräuschen und höfischer Musik und einen stetig wechselnden Tag- und Nachtrhythmus verbringen wir
mehrere „Tage“ in einer längst vergangenen barocken Welt.
auch die Gegensätze des Menschseins fühlen lässt.
Yadegar Asisi wurde 1955 als Kind iranischer Eltern
Glück, Macht und Armut. Asisi führt uns die Komplexi-
frühen 1970er Jahren absolvierte er an der Techni-
Wir sehen gleichermaßen Leid und Prunk, Elend und
tät des menschlichen Lebens in all seinen Facetten in
den Straßen des barocken Dresdens vor Augen – und
schafft damit eine Relevanz zur Gegenwart, die kaum
in Wien geboren und wuchs in der DDR auf. In den schen Universität Dresden ein Architekturstudium
und macht später an der Universität der Künste in
Westberlin einen zusätzlichen Abschluss in Malerei.
6 Der Dresdner Barock … im Panorama vom barocken Dresden
Die Kombination aus den beiden Darstellungsformen
bestimmt bis heute sein Oeuvre und prädestiniert ihn für anspruchsvolle Raumillusionen. Seine Panoramabilder verblüffen mit ihrer Genauigkeit im Detail und
einem erstaunlichen Realismus, aber auch mit künstlerisch ausgefallenen Darstellungen. So gibt es neben
den historischen Panoramen und der Darstellung von Momenten der Zeitgeschichte sowie Naturräumen
auch ein impressionistisches Werk, sowie perspektivische Experimente, zum Beispiel in Form eines Pano-
ramas, das einen Garten in tausendfacher Vergrößerung aus der Sicht eines Insekts zeigt.
Viele Jahre unterrichtete Asisi als Professor perspektivisches Zeichnen für Architekturstudenten an ver-
schiedenen Hochschulen und spezialisierte sich auf realistische Architekturdarstellungen, bevor er seine
Arbeit schließlich vollständig den Panoramen widmete und eine Kunstform wiederbelebte, die man längst
verloren wähnte. Dabei sind seine Bilder längst nicht nur für Besucher ein Seherlebnis. Einige der Werke haben sich fest in der kulturellen Identität des jeweiligen Standorts verankert. So würde ohne das Asisi-Panorama DRESDEN IM BAROCK wohl keine derart
realistische, umfängliche und emotionale Abbildung des barocken Dresdens existieren. Die Stadt verdankt
ihrem ehemaligen Studenten eine ihrer wohl einzigartigsten Sehenswürdigkeiten.
Neben der künstlerischen und perspektivischen Leistung weist das Barock-Panorama auch einen hohen – durchaus wissenschaftlich fundierten – Grad an
Realismus auf. Unter Anleitung von Wissenschaftlern wurde die Stadtanlage Dresdens in ihren damaligen
Strukturen minutiös rekonstruiert. So entstand ein nach neuestem Forschungsstand authentisches Stadtbild
aus Barock- und Renaissance-Architektur. Grundlage waren die Dresdner Veduten von Bernardo Bel-
lotto (Canaletto) aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die dieser mithilfe einer Camera Obscura gemalt hatte. Die Dresden-Veduten Canalettos sind durch die exakte Arbeitsweise des Malers geradezu ideal, um
als Grundlage für eine moderne Nachbildung der alten Stadtanlage zu dienen.
Die Panoramen von Yadegar Asisi ermöglichen durch ihre für den Besucher unerwartete Größe mit den
jeweils auf die Bilder abgestimmten Sound- und Licht-
installationen ein emotionales Eintauchen, ein immersives und tief beeindruckendes Kunsterlebnis. So
war auch im Panorama des barocken Dresdens das Ansinnen des Künstlers, der Stadt und den Dresdnern
für einen kurzen Moment den früheren Glanz und ihr durch die Kriegszerstörung verschüttetes Selbstver-
ständnis einer glanzvollen europäischen Metropole zurückzugeben. Jetzt muss der Besucher nur noch selbst entscheiden, ob ihm dies gelungen ist.
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Weit, hoch, herrlich der Blick, rings ins Leben hinein.
360°-Panorama DRESDEN IM BAROCK; Foto: Tom Schulze © asisi
Johann Wolfgang von Goethe (aus dem Gedicht „An Schwager Kronos“)
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Extase des Blicks Barock als jesuitische Gegenreformation
Mit dem Bau der Kirche Il Gesu im Rom der 1540er
Die Jesuiten boten ein raffiniertes Konzept der Ver-
gung zur lutherischen Reformation. Der protestan-
Stellung des einzelnen Mitglieds zum Orden. Der
Jahre formieren sich die Jesuiten als Gegenbewe-
tischen Opferpathetik, abgeleitet vom Kreuzestod
Jesu, stellen sie die Siegerpathetik der erneut triumphierenden Kirche gegenüber. Die Dramatik dieser Konfrontation zeigt sich am deutlichsten in der
Entgegensetzung von Individualität und Kollektivität oder von Individuen als Autoren, Künstlern und
Wissenschaftlern gegen die Repräsentanten der
kulturellen Institutionen, in deren Zentrum die katholische Kirche mit dem Konzept der Einheit der Welt im christlichen Glauben stand.
Kaum hatten sich die Künstler aus der Bevormundung der Kirche zur Autonomie aus Selbstbehauptung emanzipiert, sollten sie nach Meinung der
Gegenreformation einsehen, dass sie im Dienste der Kultur und ihrer unvergleichlich größeren Macht mehr wirken könnten als in ihren kleinen Bodegen
oder selbst fürstlich ausgestatteten Ateliers. Denn
die Fürsten wollten nur ihrem eigenen Ruhme als
große Männern der Geschichte Geltung verschaffen, die Kirche aber ziele auf das Heil der Mensch-
heit ab. Daran als Künstler und Wissenschaftler,
mittlung von Individualität und Kollektivität in der einzelne Jesuit war weitgehend autonom in der Ent-
scheidung über Strategien und Mittel zum Erreichen der Ziele der Gemeinschaft, die allerdings durch
den Gründer Ignatius ein für alle Mal festgelegt
worden waren. Daraus leitete sich schon bald der Verdacht gegen die Jesuiten ab, als Geheimagenten der Kirchenherrschaft zu agieren. Entsprechend
entwickelte sich eine Gegnerschaft gegen die Jesuiten, die über Jahrhunderte anhielt.
Gestählt durch die ausdauernde Einübung in die Selbstbeherrschung nach den Regeln des Ignatius entwickelten die Gotteskrieger in Verhalten und schöpferischer Kraft jenen Ausdruck von Sieges-
gewissheit, der den Barock prägte. Nach naivem
Verständnis scheinen sich Askese und Sinnlichkeit, Einübung in Pflichtprogramme und Überschwang
des Gefühls auszuschließen. Wegen dieser vermeintlichen Unvereinbarkeit wurde der Begriff „barock“ als Schimpfwort eingeführt, im Sinne von schwülstig, übertrieben, unkontrolliert.
also als höchst befähigte Individuen mitzuwirken,
Die Opferpathetik der Lutheraner war umso über-
Wettbewerb unter Meistern.
um das Ziel „weniger ist mehr“, Gottgefälligkeit durch
versprach eine größere Belohnung als der bloße
zeugender, als sich einige katholische Orden auch
Prisma by Dukas Presseagentur GmbH / Alamy Stock Photo
Autor: Bazon Brock
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Anspruchslosigkeit, Demut und Gehorsam bemüh-
ten. Heutzutage wird dieser Anspruch auf weltlicher Ebene durch die Formstrenge des Bauhaus repräsentiert: Einfachheit und Klarheit = Wahrheit.
Nach den religiösen Auseinandersetzungen und ihren unübersehbaren, katastrophalen, weil Stadt
und Land zerstörenden Folgen (erster Höhepunkt die Bauernkriege 1522ff., 2. Höhepunkt die Abschlachtung der Protestanten in Paris 1571ff.,
3. Höhepunkt die totale Verheerung des 30-jährigen Krieges 1618ff.) sehnten sich die Zeitgenossen
nach der Fülle des Lebens, wie sie paradiesische Natur oder menschliche Hinwendung in Freude
und Lebensgenuss bieten. Die Energien für solche
Befreiung aus dem Elend der Kriege und sozialen
Verwüstungen lieferten die biblischen und theologi-
schen Erzählungen. Aber der Hoffnungsglanz und die erwartbare Erfüllung der Lebensanstrengungen musste als irdischer Vorschein des Paradieses realisiert werden. Die protestantische Verweltlichung
des versprochenen Heils hat insofern auch die Psychodynamik der Katholiken tangiert.
In jedem Augenblick des Genusses erfüllten sich
Programme kirchlicher und weltlicher Baukunst, bürgerlicher oder adeliger Verhaltensweisen, priva-
ter oder öffentlicher Vorträge, literarischer Visionen
und musikalischer Kompositionen. Sie blieben aber weiterhin gleichzeitig Verweise auf den Glanz himm-
lischer Sphären, die naturgemäß erst nach dem Tode erfahrbar sein würden.
Erfolgreichstes Medium des Genusses wurde das Sehen, das in der „schönen Aussicht“ oder im „Belvedere“, in der malerischen Vedute bis hin zum Panorama der ausgemalten Barocksäle oder in musi-
kalischen Illustrationen die Betrachter und Hörer bezauberte.
Schlussendlich kennzeichnet der Stilbegriff „Barock“ die alles umfassende Dynamisierung der Lebenskraft bis zur Extase. Es ist zwar übertrieben wie die barocke Gestik selbst, aber immerhin gerecht-
fertigt, diesen Zustand mit der Wirkung von Rauschmitteln zu vergleichen. Wie alle zunächst stimulierenden Gewohnheiten sich langsam abschwächen,
reduzierten sich auch die großen barocken Ges-
ten des Einverständnisses mit Welt und Walten zu überfeinerten und damenhaft zarten Andeutungen
im Rokoko. Man kann nicht ständig im Hochgefühl der Offenbarungssehnsucht und der Wunscherfül-
lung leistungsfähig bleiben und begrüßt erleichtert wieder Klarheit, Formenstrenge und Stille nach dem Sturm im Klassizismus.
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Baroque Immersions in der Kölner Philharmonie Ende August 2020 veranstalteten die Kölner Philharmonie und das PODIUM Festival Esslingen ein besonderes Kammermusikkonzert, das das Publikum zu einer noch nie dagewesenen Klangimmersion einlud.
Fotos: © Simon Heinze
Autorin: Fanny Thiel
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Klangraum der Philharmonie mit Hilfe moderner Beschallungstechnik an die Bedürfnisse der Musik angepasst werden. Auf der eigens mit einem 360-Grad-Lautsprechersystem ausgestatteten Bühne der Philharmonie spielten acht junge Musiker auf Barockinstrumenten. Kompositionen von Georg Muffat und Johann Christoph Bach, aber auch zeitgenössische Werke. Die Aufgabe bestand darin, den gesamten Klang mittels objektbezogener Verstärkung und Nachhallmodifikation elektroakustisch zu transportieren. Zu diesem Zweck wurde der Klang in Echtzeit auf sensible und effiziente Weise verräumlicht, verdichtet und verfremdet. Um diese musikalische Immersion zu erreichen, wurden insgesamt 26 Lautsprecher, die die große Entfernung zwischen der Bühne und dem hinteren Teil des Publikums überbrücken können, auf der Bühne und im Saal verteilt und digital konfiguriert. Um eine natürliche Überlappung zwischen dem direkten Klang der Instrumente und ihrer elektroakustischen Verstärkung zu erreichen, wurde die Position der Lautsprecher so gewählt, dass die beteiligten Schallquellen möglichst nahe beieinander liegen und so ein natürlicher Klang gewährleistet ist. Das Sounddesign wurde von Simon Heinze (freiberuflicher Tontechniker und technischer Leiter des PODIUM Festivals) und Julian Ebert (freiberuflicher Tontechniker und Akustikentwickler) geplant. Gemeinsam gelang es ihnen, den dichten polyphonen Klang der Barockmusik in ihr System zu übertragen, so dass die Akustik verändert und an den Veranstaltungsort angepasst werden konnte. Da die Produktion nicht nur in der Kölner Philharmonie aufgeführt werden sollte, musste bei der Planung des Systems auch eine mögliche europäische Tourneeoption berücksichtigt werden, was die Verfügbarkeit des Equipments, aber auch die Portabilität und Reproduzierbarkeit des SoundWie können die Intimität und die Akustik der barocken Kam-
designs einschloss. So wurde für die Kölner Philharmonie
mermusik einem breiteren Publikum zugänglich gemacht
die Show vorprogrammiert, um den kurzen Probenzeiten
werden? Diese Frage hat sich Steven Walter, Musiker und
vor den Konzerten Rechnung zu tragen.
künstlerischer Leiter des PODIUM Festivals Esslingen, gestellt, als er das Konzert BAROQUE IMMERSIONS
BAROQUE IMMERSIONS ist ein immersives Konzertformat,
entwickelte.
das in dieser Form einmalig ist und das in naher Zukunft weiterentwickelt werden soll, um traditionelle klassische
Live gespielte Barockmusik eignet sich naturgemäß für eine
Konzerte aufzuwerten. Wir alle kennen (ganz unbewusst)
intime Umgebung, die oft im Herzen von Kirchen stattfin-
den spezifischen Klang von Orten oder Räumen, ohne wei-
det, wo die Distanz zwischen Künstlern und dem Publikum
ter darüber nachzudenken. Wenn der Ort aber elementar
gering ist. Musik und Raum bilden eine Einheit – der für Kir-
wichtiger Bestandteil einer Inszenierung, eines Klangerleb-
chenräume typische Klang mit langer Nachhallzeit ist Teil
nisses ist, sind Künstler und Raum untrennbar. Das Spiel
des Erlebnisses. Steven Walter sah dies daher als Heraus-
verzahnt sich mit dem Raum und es entsteht etwas Einzig-
forderung, als er ein Kammermusikkonzert im 2.000-Plät-
artiges. Das was in das Ohr des Zuhörers dringt, ist nicht
ze-Saal der Kölner Philharmonie entwickeln wollte. Wie
mehr nur der Klang der Instrumente oder des Raumes, es
können die Merkmale der Barockmusik, die aufgrund ihres
besitzt Aspekte von beidem. Das Herauslösen eines die-
Kontextes und ihres Ortes so spezifisch sind, in einem Saal
ser Elemente, in diesem Fall des Raumes, birgt eine große
wiedergegeben werden, der dafür nicht unbedingt geeignet
Gefahr und Herausforderung, die in diesem Fall meister-
ist?
lich umgesetzt wurde; auf jedem der 2.000 Sitzplätze der Kölner Philharmonie nehmen die Zuhörer*innen ein akus-
Um diese besondere Atmosphäre, die der Musik des 17. und
tisches Raumgefühl wahr, das dem Raum, in dem sie sich
18. Jahrhunderts eigen ist, zu reproduzieren, musste der
befinden, widerspricht. Chapeau!
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Baroque Baroque Autorin: Juliane Voigt
Wäre Prinz Eugen von Savoyen 300 Jahre später gebo-
Er soll, obwohl er Mitglied des französischen Hoch-
Olafur Eliasson in sein Winterpalais nach Wien ein-
geflohen sein, nachdem der Sonnenkönig Ludwig XIV.
ren, so wäre er vielleicht selbst darauf gekommen, sich
zuladen. Vielleicht hätte er die Ausstellung „Baroque Baroque“ gern auch komplett angekauft und das wäre
auch aus heutiger Sicht eine klare Empfehlung, denn so spektakulär diese Schau auch gewesen sein mag – es ist alles wieder weg. Das Palais steht da wie schon vor 300 Jahren, alles strahlt in glänzendem Weiß. Was
fehlt sind irgendwie diese Kunstinstallationen von Olafur Eliasson. Dem Prinzen hätte es gefallen.
Olafur Eliasson fällt ja durchaus auch durch die opulenten Dimensionen seiner Kunstwerke auf. Und obwohl
sein künstlerisches Werk sowohl ästhetisch als auch
technisch Welten von der Epoche des Barock entfernt zu sein scheinen, gibt es konzeptionelle Gemeinsamkeiten. Auch in der Art und Weise, wie der dänische
adels war, als Mädchen verkleidet aus Frankreich seine militärischen Dienste abgelehnt hatte. Bei den
Habsburgern legte er dann durch seine tapferen und außerordentlich klug organisierten Feldzüge, einen
sagenhaften Aufstieg hin und wurde bald Oberbefehlshaber der Habsburgischen Armeen. Und damit
ziemlich reich. Was ihn als Bauherr und Kunstsammler einer der bedeutendsten Mäzene seiner Zeit werden ließ. Ohne den Prinzen, der eigentlich als Spross der
Savoyer zum italienischen Königshaus gehörte, wäre
die Stellung der Habsburger als Großmacht und ihr Territorium nur halb so groß gewesen. Und Wien heute
um einige Baudenkmale und Kunstwerke ärmer. Prinz
Eugen ließ die Häuser an der Himmelpfortgasse 8 zu seiner Stadtresidenz ausbauen. Und was für einer.
Künstler isländischer Herkunft in Berlin sein Atelier mit
In diesen prunkvollen barocken Innenräumen waren
ist dort Forschungsort und kreativer Raum. Alles wirkt
Künstlers Olafur Eliasson zu sehen. Zusammenge-
knapp 100 Leuten am Laufen hält. Selbst die Küche zusammen. Das wussten die barocken Universal-
gelehrten ebenso wie ein Olafur Eliasson, der sich
zumindest in den Spezialgebieten von Licht und Raum wie kein Zweiter auskennt. Ähnlich wie der frühere Hausherr des Wiener Winterpalais: Eugen von Savoyen in seinem Metier.
Der Prinz war im Hauptberuf Feldherr und zwar einer der besten, ruhmreichsten, edelsten und glanzvolls-
ten, den das Habsburgerreich, also Österreich, hatte.
vor einigen Jahren nun bedeutende Hauptwerke des stellt aus den Sammlungen Thyssen-Bornemisza Art
Contemporary (TBA21) in Wien und der Juan und Patricia Vergez-Collection, Buenos Aires. Das Aufeinandertreffen von zwei Kunst-Epochen wurde von der
Kunstkritik und dem Publikum gleichermaßen gefeiert. Olafur Eliasson beschäftigt sich mit den kognitiven und
kulturellen Aspekten des Sehens im Zusammenhang
mit Naturelementen, Lichtphänomenen und Wahrnehmungsveränderungen der Natur, die er ebenso poetisch wie spektakulär präsentiert, indem er auch mal
Olafur Eliasson; Installation view, OLAFUR ELIASSON: BAROQUE BAROQUE, 2015; The Winter Palace of Prince Eugene of Savoy, Vienna 2015; Photo: Anders Sune Berg
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14 BAROQUE, BAROQUE
Ólafur Elíasson
Olafur Eliasson
bei der Pressekonferenz
Installation view,
der Internationalen Jury bei
OLAFUR ELIASSON:
der Berlinale 2017;
BAROQUE BAROQUE, 2015
Foto: Maximilian Bühn
The Winter Palace of Prince Eugene of Savoy, Vienna 2015 Photo: Anders Sune Berg
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Museen unter Wasser setzt – wie jüngst die Beyeler-Foundation in Basel – oder in künstliche Wetterzonen verwandelt – wie die Londoner Tate-Gallery. Seine
Art und Weise, mit Natur-Phänomenen zu experimentieren und durch seine Kunst auch Erkenntnisse zu ver-
mitteln, ist durchaus vergleichbar mit einem barocken Universalgelehrten. Es war auch das Zeitalter des Barock, in dem Galileo Galilei durch ein langes Rohr
zum ersten Mal ins Universum blickte und feststellen
musste, dass die Erde sich leider doch um die Sonne dreht und nicht andersherum. Und in Holland wurde unter einem just erfundenen Mikroskop zum ersten
Mal im menschlichen Speichel etwas gesehen, das sich bewegte, was später die Bezeichnung Bakterium
erhielt. Barock, das war eine Epoche voller menschli-
cher Glanzleistungen in Architektur und Wissenschaft,
in Kleidung, in den Frisuren (siehe Prinz Eugen, der die gerade in Mode gekommenen Allongeperücke schätzte, die 1663 schlagartig modern wurden, weil
viele Haare für Würde und Ansehen standen), in Feierlichkeiten, in Musik und Malerei, Erfindungen und Verrücktheiten, und überbordend im Sinne von Informationsflut und jeder Menge nützlichem und unnützem Wissen.
Das Wiener Winterpalais ist ein einzigartiger Barockbau
mit illusionistischen Decken- und Wandfresken, Goldkabinetten, Parkettsälen, opulenten Treppenhäusern
und stuckbeladener Ornamentik. Olafur Eliasson hatte
selbst die Idee, die Kunstwerke, die bisher für sich allein wirkten, in diesem herausfordernden Kontext zu präsen-
Diese überzeitliche Allianz mit den Künstlern des Barock zieht sich durch alle Räume, sei es mittels raumgreifender Installationen oder indem einzelne Werke so platziert sind, als seien es Stücke aus der Wunderkammer – jener Errungenschaft der Spätrenaissance und des Barock, die aus den früheren Raritäten- und Kuriositätenkabinetten hervorgingen. Renate Quehenberger in Art Magazine Januar 2016
tieren.
Die Welleneffektmaschine (Die organische und kristal-
Es sind knapp 20 wissenschaftlich und physikalisch
bombastische Vestibül in ein Geflirr aus oszillierendem
Besucher durch Projektionen, Schatten und Reflexio-
line Beschreibung, 1996) tauchte denn auch schon das
Blau und Gelb, entmaterialisierte den Raum und überlagert damit optisch die barocke Gestaltung, die sowieso
darauf angelegt war, den Raum illusionistisch in die Unendlichkeit aufzulösen. Auch der yellow corridor (1997) im Treppenaufgang verfolgte diesen raumauflösenden Effekt durch ein monochromes Gelb, das durch
eine Schattenwirkung nicht nur die Besucher in plastisches Schwarz-Weiß verwandelte, sondern auch das
berühmte Interior des Palastes, die Atlanten und solche Skulpturen wie „Der ruhende Herkules“ des Bildhauers Giovanni Guiliani (1664 – 1744). Der Mensch, der sich in
so einem Farbfeld bewegt, nimmt keine anderen Farben
wahr. Und so werden die Statuen und Reliefs, denen er dort begegnet, räumlich, lebendig. Farbe sei von der Existenz anderer Farben abhängig, um verständlich zu sein, erklärt Eliasson das Phänomen.
ausgetüftelte Lichtspiele und Spiegeleffekte, die den nen zu Interaktionen einladen. Willkommen also in der fantastischen Welt des Olafur Eliasson. „Kaleidoscope“ (2001) zum Beispiel ist eine sieben Meter lange Kiste,
die beim Durchgucken wie bei dem bekannten Kin-
derspielzeug den Raum völlig durcheinanderwirbelt.
Neben Licht und Farben sind es Spiegel, mit denen der Künstler die Menschen zu gymnastischen Verrenkungen, Lachanfällen und Ausrufen höchster Ver-
wunderung bringt. Im Barock war der Spiegelsaal der Schauplatz einer ganzen Epoche. Denn der Barockmensch liebte die optische Täuschung: Eine Kerze,
eine Pretiose, ein paar Spiegel und schon verliert sich das Auge des Betrachters in der Unendlichkeit. Was gibt es Schöneres… Wir haben uns nicht verändert.
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© Vidar Skaar Borgersen
Autorin: Fanny Thiel
Gloger Festspiele in Kongsberg
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Anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums des Gloger Kammermusikfestivals haben wir die künstlerische Leiterin und deutsch-norwegische Opernsopranistin Isa Katharina Gericke getroffen.
Im Englisch der Moderne wird das ursprünglich lateinische
Die jährliche Veranstaltung, die ursprünglich ausschließlich
Wort Immersion als „deep mental involvement in something“
rund um die Orgel organisiert wurde, hat sich im Laufe der
definiert. Man kann also die Frage stellen, welche darstellende
Jahre auf die ganze Stadt ausgeweitet, sie eingenommen.
oder bildende Kunst nicht immersiv ist. Und wenn ein Musik-
Jedes Jahr versammeln sich Ende Januar mehrere Tage
ereignis, das a priori nach mentaler, also geistiger Auseinan-
lang etwa 8.000 Norweger und Einwohner von Kongsberg an
dersetzung verlangt, sich räumlich auf eine ganze Stadt aus-
Orten wie Kneipen, Supermärkten, alten Bergwerken, der Kir-
breitet, ja sogar Orte wie Supermärkte zum Kunstraum erklärt,
che usw., um ein heterogenes und stadtraumübergreifendes
schauen wir gern genauer hin. Die älteste Barockkirche Nor-
Konzertprogramm zu erleben.
wegens und die größte und prächtigste Orgel des deutschen Orgelbauers Gottfried Heinrich Gloger waren Ursprung und
Seit 20 Jahren hat sich um die Gloger Festspiele eine echte
Nährboden für eine 20-jährige Entwicklung in den Stadtraum
Gemeinschaft gebildet, und mehr und mehr engagierte
hinein. Im Laufe der Jahre sind die Musik und insbesondere
Menschen sind aktiv am reibungslosen Ablauf beteiligt. Isa
die Gloger Festspiele zu kulturellen Markern der Identität von
Katharina Gericke, künstlerische Leiterin des Festivals seit
Kongsberg geworden.
dessen Gründung, ist erfahrene Programmgestalterin und Moderatorin der Festspiele. Sie ist Opernsängerin und pen-
Die Gloger Festspiele führen uns nach Südnorwegen, 80 km
delt zwischen Norwegen und Deutschland, wo sie auch stu-
von Oslo entfernt, in die Bergbaustadt Kongsberg. Die norwe-
diert hat. Als Solistin hat sie zahlreiche Preise gewonnen, mit
gische Stadt zeichnet sich durch ihr reiches kulturelles Leben
großen europäischen Institutionen zusammengearbeitet und
und eine recht traditionelle Verbundenheit aus, wobei die
an zahlreichen Kammermusikfestivals in Norwegen und im
Musik von jeher ein zentrales Element des täglichen Lebens
Ausland teilgenommen. Neben ihr ist Frank Havrøy, einer der
war.
Hauptakteure der künstlerischen Szene des Festivals, Komponist, Performer und Mitglied der Musikgruppe Nordic Voices.
Im Jahr 2001 wurden hier vom Kantor der Kongsberg-Kirche,
Außerdem ist er Solist in vielen norwegischen Orchestern und
Reidar Hauge, die „Glogerfestspillene“ gegründet, nachdem
Opernproduktionen. Seit 2012 werden die beiden von Margit
die Orgel in Norwegens größter Barockkirche restauriert wor-
Åsarmoen unterstützt, die eine wichtige Rolle als General-
den war. Das Innere der Kirche ist das Gegenteil ihres Äuße-
direktorin des Festivals spielt. Gemeinsam mit rund 150 Frei-
ren: ein reich verzierter Rokokostil, in dem Holz und Marmor
willigen und renommierten Künstlern lassen sie die Stadt zum
die majestätische Gloger-Barockorgel zur Geltung bringen.
Konzertsaal werden.
Aufgrund ihrer einzigartigen Akustik wird hier insbesondere Kammermusik aufgeführt, der Altarraum mit seinen drei Emporen bietet aber auch insbesondere Opernaufführungen eine perfekte Bühne.
© Vidar Skaar Borgersen
18 GLOGER FESTSPIELE
… selbst ein Supermarkt, kann jederzeit zum perfekten Raum für ein musikalisches Erlebnis […] werden – glauben Sie mir. Isa Gericke
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© Romulo Correa
Interview mit Isa Katharina Gericke
Würden Sie sagen, dass das Festival
Raum für ein musikalisches Erlebnis, einen freien und ver-
die kulturelle Identität der Stadt geprägt hat und sie weiter in
bindenden Fluss von Eindrücken und Ausdrücken werden –
diese Richtung treibt? Wird man noch in 20 Jahren Kongs-
glauben Sie mir.
Fanny Thiel
berg mit Musik verbinden? Fanny Thiel Isa Gericke
Als Opernsängerin ist mein Leben selbst
natürlich stark kulturell geprägt und umgibt mich praktisch
Wo wir vom Raum reden, hatten Sie je
daran gedacht, dass dieses Festival ein immersives Erlebnis ist, wir empfinden das nämlich so.
überall. Man breitet sich unbewusst darin aus, der FreundesIch muss gestehen, ich habe mich vor
und Bekanntenkreis kommt aus dem Kulturbereich, man ent-
Isa Gericke
wickelt sich gemeinsam weiter, hat gemeinsame Projekte,
Ihrer Anfrage nie mit diesem Begriff beschäftigt, vielleicht
das Netzwerk wird größer und natürlich wird das was man
mal darüber gelesen aber keinesfalls auf das was wir hier in
tut, tut man es mit Leidenschaft, zur eigenen Identität. Und
Kongsberg tun übertragen. Ich glaube, ich beginne auch erst
so haben wir unseren Enthusiasmus fast schon unmerklich
langsam diesen Ansatz zu verstehen.
auf die Stadt übertragen und wenn das auf breites Interesse stößt, hören wir natürlich nicht auf. Ich hoffe und gehe davon
Fanny Thiel
Das geht uns genauso …
tival immer weiter zu einem musikalischen Gesamtkunstwerk
Isa Gericke
Es geht ja darum in etwas einzutauchen,
machen. Weiterhin binden wir schon seit längerem mehr und
von einer künstlerischen Darbietung voll und ganz einge-
mehr Nachwuchs ein, also neue Generationen von heran-
nommen zu werden, eine Geschichte zu erzählen, die viel-
wachsenden Künstlern, die den Gedanken fortführen und im
leicht Erkenntnis bringt oder Neugier auf etwas Unbekann-
eigenen Sinne weiterentwickeln können. Die YAGA – Young
tes macht. (Sie wissen schon, dass Sie mit einer Sängerin
Artist Gloger Academy und Musikstudenten aus dem ganzen
sprechen.) Wenn ich in einem Kostüm auf einer Bühne stehe,
Land und auch Europa nehmen bereites am Festival teil und
hinter mir Kulisse, vor mir der Orchestergraben, dahinter fast
treffen auf die performenden Künstler.
nicht sichtbar das Publikum, jedes Augenpaar des Raumes
aus, dass wir Kongsberg mit unserem anfänglich kleinen Fes-
auf mich gerichtet, dann, glaube ich, ist das wohl eine sehr Fanny Thiel
Halten Sie den Ausbruch aus dem für
intensive, immersive Erfahrung.
Musik doch so wichtigen (Klang-)raum, also dem Kirchenraum, für einen konsequenten, d.h. notwendigen Schritt?
Fanny Thiel
Jedes „Augenpaar“ im Raum wird Teil
dieser Erfahrung. Isa Gericke
Der norwegische Künstler Terje Isungset Ja, richtig, darauf will ich hinaus und es
macht Musik beispielsweise auf Spitzbergen, also im nördli-
Isa Gericke
chen Polarkreis, inmitten einer Eislandschaft, und das sogar
schließt an meine vorherige Aussage an: In dem Moment,
mit Instrumenten aus Eis. Der Raum (nicht Innenraum) war
in dem sie, wo auch immer, ein Instrument spielen oder sin-
Glogerfestpillene 2022
für Musik schon immer essenziell, ich würde jedoch nie
gen oder einfach nur rhythmisch mit den Händen klatschen,
26 – 30. Januar 2022
ausschließlich auf akustisch optimierte Innenräume setzen.
hat Musik die zauberhafte Gabe, den Raum und alle Perso-
in Kongsberg (Norwegen)
Wenn ich mit meinen Kindern im heimischen Wohnzimmer
nen zu verbinden, dabei spielt es keine Rolle, ich wiederhole
Klavier spiele und dazu singe, ist eben dies genau der per-
mich, welcher Ort das ist und welche Person Teil davon wird.
fekte Ort für das was wir tun. Wir dürfen uns heutzutage nicht
Tickets und weitere Informationen
vom Perfektionismus verführen lassen, jeder Ort auf dieser
Fanny
Welt, selbst ein Supermarkt, kann jederzeit zum perfekten
vielen Dank für das Gespräch.
Thiel
Ein
wunderbarer
Schlusssatz,
finden Sie unter: glogerfestspillene.no
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