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FranziskaKlein
Frausein

F rNoemi. F rTina.

F rmeineEltern SaraundGeorg.

EureLiebegabmirHalt, umloszufliegen.

FRANZISKAKLEIN

FRAU SEIN

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HervorhebungeninBibelzitatenstammenvonderAutorin.

Umschlaggestaltung:CaroGraphics,CarolinHorbank,Dresden

Autorenfoto: sarahbergfeld_photography

Lektorat:KonstanzevonderPahlen

Satz:JustinMessmer,InnoSetAG,Basel

Druck:Finidr

GedrucktinderTschechischenRepublik

ISBN978-3-03848-302-1

INHALT

PROLOG

WIRM SSENREDEN

«Waswillstduwerden,wenndugroßbist?»,frageichsie, w hrendwirunsdieFingern gelmitschillerndenNagellackenbuntlackieren.«Ich berlege,Lehrerinzuwerden odervielleichtPastorin»,antwortetmeinezehnj hrigeFreundinunbek mmertundmaltdabeiweiterbunteTupfenauf ihreN gel.

Ichhalteinne.IhreAntworttrifftmichunerwartet.Ich sp re,wiemeineAugensichmitTr nenf llen,undhoffe, dassderKloßinmeinemHalsmeineAntwortnichterstickt: «Wiecool,daskannichmirbeidesgutbeidirvorstellen.»

MeineReaktionistsoemotional,weilichdiePastorin diesesM dchensbinundvermutlichauchdieeinzige,die eskennt.Mitseinerunbek mmertenAntwortstehtesin vçlligemKontrastzueinemanderenzehnj hrigenM dchen,dasdieseAntwortnichth ttegebenkçnnen: IchselbstinseinemAlter.

AlsichzehnJahrealtwar,wollteichKrankenschwesterin werden–undja,ichdachtedamals,dassdasrichtiggegendertsei.DenBerufswunschPastorinkannteichnicht,er hatteinmeinemUmfeldkeinetheologischeDaseinsberechtigung.Bundeskanzlerinwardanochwahrscheinlicher, dennalsichTeenagerwar,wurdeAngelaMerkeldieerste RegierungschefinDeutschlands.IchwolltenichtBundeskanzlerinwerden,aberimmerhinkannteicheine.

MitdreißigJahrenwurdeichPastorin.F rmichein WunderamEndeeinesschmerzvollenWeges,dermichin

dieFreiheitf hrte.IchbinineinerSubkulturgroßgeworden,dief rmeineGenerationinDeutschlandnichtreprsentativistundsichbesondersimHinblickaufsFrausein vonmeinerUmgebungunterschied.DiesbrachteeinGef hldesFremdseinsmitsich,dassichdurchmeineganze Lebensgeschichtezieht:fremdinderWelt.FremdinderKirche.Fremdinmir.DennochgabesbisherkeinenAnlass,die GeschichtemeinesFrauseinszuerz hlen,f hltesiesich dochstetsanwieeinHinterherhinkenundAufholenvon Selbstverst ndlichkeitendes21.Jahrhunderts.

«KçnnenwirdasThema‹M nnervs.Frauen›nichtendlich hinterunslassen?»,fragtemicheinjungerMann,nachdem icheinenbiblisch-theologischenVortrag berHerausforderungendesFrauseinsgehaltenhatte.Ichf hlteSchaminmir aufkommen.ArbeiteichmichanThemenab,diekaumjemandeninteressieren?,fragteichmich.MacheichausMckenMammuts,dieeigentlichl ngstausgestorbensind?

DochHandaufsHerz:KçnnenwirdasThema«M nner undFrauen»wirklichhinterunslassen?Wennichinmein Lebenblicke,stelleichfest:Ichkannnicht.Allesanmeinem FrauseinhatmitallemindieserWeltzutun–Geschichte, Politik,TheologieundmeinemSelbstbild.DasFrauseinist einroterFadeninmeinerLebensgeschichte,dersichnicht wieeinalterMantelablegenl sst.Ichhabegarnichtdie Mçglichkeit,dasThemahintermirzulassen,weilesmich nichtnurexistenziellbetrifft,sondernst ndigaktuellbleibt. WennichindieseWeltblicke,binich berzeugt: Wir kçnnendiesesThemanichthinterunslassen–unddassollten wirauchnicht.

IchschreibediesesBuchauseinermittlerweilesehrprivilegiertenPosition.Daswarnichtimmersoundeshatsich auchnichtimmersoangef hlt.Heutestelleichfest:Ichbin frei.DochFrauseinundFreiseinwarwederinmeinemLebeneineselbstverst ndlicheVerkn pfungnochinderGesellschaftoderKirchef rdengrçßtenTeilderGeschichte–

undf rvieleFrauenaufderWeltistesdasauchheutenicht. «Frausein»kommtmiteinerGeschichtedaher,einemsogenannten topos, einemSchemaundeinemBild,dassich durchdieZeitengezogenunddasinmeinemLebenWellen geschlagenhat.

ErstvorwenigenJahrenhattensichdieWogenetwasgegl ttetundichw hntemichselbstundunsereGesellschaft imHinblickaufdasMiteinanderderGeschlechteraufhoffnungsvollemKurs.Dasgaltauchf rdieKirche,wenngleich ichdortinSachenGleichberechtigungeinengrçßerenNachholbedarfsahalsinderGesellschaft.DochdieserUmstand motiviertemichumsomehr,michdaf reinzusetzen,als ich2019Pastorinwurde.

DannkamCovidundwirerlebtenalsWeltgemeinschaft eineKrise,dieunsver nderte.SeithersindneueUnsicherheiten,Spannungen,Polarisierungenaufgetreten,weshalb wirunslautdemZukunftsforscherMatthiasHorxineiner «Omnikrise»befinden–einerKrise,inderallesmiteinanderzusammenh ngtunddiezuunseremneuenLebensgef hlgewordenist.Seitichdenkenkann,wardasThema Frausein meine persçnlicheOmnikrise,undgeradealssich dieWelleninmiretwasberuhigthatten,kamensieinden letztenJahrenneuinBewegung.

Esbegannzun chstmitvielenkleinenBeobachtungen undGespr chen.Geschlechterthementauchtenwiederverst rktindenMedienauf–nachdenWahlenwurdef rdie USAeineneueGeschlechterdebatteprognostiziert,AfghanistanverbannteFrauenausder ffentlichkeit,dasdeutscheBundeskriminalamtverzeichneteeinenAnstiegvon GewaltgegenFrauenundneuerdingsgeistertedas TradwifePh nomendurchInstagram&Co.AlsdanndasWort Backswing indenMedienauftauchte,fragteichmich,obpatriarchaleStrukturentats chlichwiedererstarktenoderob essichnurumletzteAufb umungsversuchel ngstbesiegter Monsterhandelte.

«T uscheichmichoderwirddieKluftzwischenM nnernundFrauengeradeeherwiedergrçßer?»,fragtemich imvergangenenJahreinKollege,nachdemerunterwegsgewesenwarundmichanseinenErfahrungenundBeobachtungeninnerhalbderchristlichenSzenehatteteilhabenlassen.AlsmeinKollegeseinenEindruckinWortefasste, wurdemirplçtzlichbewusst,dasssichseiteinigenWochen eineneueEntt uschunginmirangestauthatte:DasRingen umdieGleichberechtigungvonMannundFrauhingnicht wieeinalterMantelvergangenerGrabenk mpfeimKeller, sondernwarmiteinerneuenVehemenzerwacht–gesellschaftlich,aberauchimkirchlichenRaum.

DieseErkenntnisschwapptewieeineErschçpfungswelle inmeinenAlltag:DieZukunftsahnichtsorosig,nichtso weiblichaus,wieichesmirvorwenigenJahrenerhoffthatte.Wow rdenwirineinpaarJahrenstehen?Wohingingen wirgerade?AlsGesellschaft,alsKircheundalsMiteinander derGeschlechter?

IndiesenTagentrafichdieEntscheidung:Ichwerde michnichtzur ckziehen.Ichwerdenichtwegschauen.Ich mçchtereden–amliebstenmitdir.Stelldirvor,wirw rdenzusammenamTischsitzen.EsgibtleckeresEssen,gutenWeinundwirreden bersFrausein.Icherz hledirmeineGeschichte,teilemeinePerspektiveaufdieBibel,dieZeit hinterunsunddieGegenwart.IchteilepersçnlicheSehns chte, ngsteundFragen.

Dabeigiltbeides:Ichkannnicht berdasFrauseinsprechen,weilichnureinevonMilliardenbin.Gleichzeitig muss ichaberdar bersprechen–ebenweilicheinebin. IchmçchtemichderVerantwortungnichtentziehen,auch wennmeineAntwortensovielAngriffsfl chebieten.Ich mçchtemirdieM hemachen,umSpracheundAntworten zuringen.IchmçchtemichpositioniereninmittendesriesigenThemasFrausein,dasvonPauschalisierungenund Minenfelderndurchzogenist,mçchtemichverletzlichma-

chenunddamitGottdieEhregeben.Ichmçchtenichtausweichenundichwillauchdavonwegkommen,nurdie StimmederAbgrenzungzugebrauchenundzusagen,wie furchtbarzuengeRollensind.Ichmçchtenicht gegen etwas sein,sondern f r etwas.

MeinWunschist,dasswirinsGespr chkommen–vielleichthastdu hnlicheserlebt,vielleichtunterscheidetsich deinePerspektiveunddeineMeinungvonmeiner.Dochob hnlichoderganzanders:Wirsolltenreden,dennwiewir berdasFrauseindenken,betrifftunsalle.FrauseinistdahernichtnureinpersçnlichesThema,sonderneingesellschaftliches, berdaswir–M nnerundFrauen–unbedingtinAustauschkommensollten.Wirm ssendar ber sprechen,wiewirdieGegenwartgestaltenwollen,vonwelcherZukunftwirtr umenundwiewirihrgemeinsamentgegengehenkçnnen.

AlsichmichintensivermitderLiteraturzumThema besch ftigte,stellteichfest:ChristlicheFrauenb cherkommenoftohneGeschichteundGesellschaftaus,feministischeB cherkommenvielfachohneGottausundgesellschaftlicheBeobachtungenvielfachohneFrau.Unddann dachteichandieFraueninmeinerUmgebung,diejungen M delsinmeinerKircheunddieBandbreitederFragen, diealleBereicheber hrten.

Auch mein Frauseinhatmitallemzutun:Esistpersçnlichundpolitisch,esisttheologischundhistorisch.Esist partikularunduniversell.DieeigeneGeschichtezuerz hlen,istherausfordernd,undichmachemichdamitverletzlich.Alsichdarumrang,wieesgelingenkann,dieeigene Geschichtezuteilen,gabmireineFreundindenRat:«Tell yourstorywithhonestyandhonor.»–Erz hldeineGeschichtemitderEhrlichkeit,diesiebraucht,undmitdem Respekt,densieverdient.

IchfanddaseinehilfreicheSpur.Wennichehrlichschreibe,istesnichtmeinAnliegen,jemandenanzuklagen;ich

willehrlichsein,weilichandieFrauendenke,f rdieich diesesBuchinersterLinieverfasse.Geschichtensindnicht absolut,sier hrenvoneigenenErfahrungen,Sichtweisen undReflexionenherundesbleibtdir berlassen,alleszu pr fenunddasGutezubehalten.IchsehemichselbsteinemGottunterstellt,demalleindieHoheitderWahrheit zugeordnetwerdenkann,undhabedieWeisheitnichtmit Lçffelngefuttert.

IchbinangetriebenvonHoffnung.Hoffnung,weilichan einenGottglaube,derdieGeschichtemitdenMenschen nichtnurgutbegonnenhat,sondernauchgutzuEndef hrenwird.

Ichtr umevonFreiheit,weilichder berzeugungbin,dass Gottsichf rjedenMenschenseineFreiheitw nscht.Ichtr umevonGerechtigkeit,weilichaneinenGottglaube,derUngerechtigkeithasstundsichandieSeitederVulnerablenstellt. Ichtr umevonVersçhnung.Ichtr umedavon,dassM nner undFrauenmiteinander,aberauchFrauenuntereinander sichversçhnteraufdenWegmachenundgemeinsamden Traumtr umen,denGottf runsgemeinsamhat.

Umtr umenzukçnnen,brauchteseineVorstellungdessen,wasnochnichtist.EineWelt,f rdieessichzuk mpfenlohnt.

WaskeinAugejemalssah,waskeinOhrjemalshçrte undwassichkeinMenschvorstellenkonnte,dash ltGott f rdiebereit,dieihnlieben.

1.Korinther2,9(Hfa)

InLiebe deineFranzi

FrankfurtimJuli2025

Kapitel1

AUFWACHSENUNDAUFWACHEN

Wisse,werdubist, oderjemandandereswirdesdirsagen.

Anonym

Wersagteinem,wermanistundwermanseindarf?Als Mensch,alsFrau?WirkommenaneinemOrtindieseWelt undzueinerZeit,diewirnichtmitbestimmthaben.InunserenerstenLebensmonatensindwirvçlligabh ngigdavon, dasssichandereumunsk mmern,dennwirkçnnenuns wederselbstversorgennochsindwirunsunseresSelbstbewusst.WirtretenindieseWeltalsWesen,dieaufgrundder VerschmelzungeinerEi-undeinerSamenzellescheinbar zuf lligentstehenunddennochvonGotteinzigartiggewollt undgemachtsind.IchbinnureinevonMilliardenundf ge michindiegrçßereGeschichteein,indemichmeineeigene Geschichteschreibe.DiesebeginntnichtmiteinemunbeschriebenenBlatt,dennamAnfangmeinesLebensweißich nicht,werichbin,undlerneausdem,wasandere ber mich,GottunddieWeltsagen.

«ATMENSIEMALVOLLST

NDIGAUS»

«DeinerStimmegehtesnichtgut»,sagtesiezumir,nachdemsiesichf rdieVortr gebedankthatte,dieichandie-

semWochenendegehaltenhatte.Dannkonfrontiertesie michfreundlich,aberbestimmtmitihrerBeobachtungzu meinerStimme.So,alsh ttedieseeinEigenleben.

DiejungeFrauwarvomFach,dochihreR ckmeldung berraschtemichundpiksteauchleicht,dennbisdahin hatteichstetsKomplimentef rmeineStimmebekommen. GleichzeitigglimmteeinHoffnungsschimmerinmirauf, dennwennichehrlichwar,hatteichdasWochenendenur mithilfeeinerTaschevollHalsbonbonsundliterweiseIngwertee berstanden.IchempfandRedenzunehmendalsanstrengend,hangeltemichseitJahrenvonHalsentz ndung zuMandel-undKehlkopfentz ndungundHalsschmerzen gehçrtenzumeinemAlltag.AlsonahmichdieR ckmeldungernstundgingkurzdaraufzumArzt,dereineStimmstçrungdiagnostizierteundmichindieStimmtherapie schickte.

IneinerdererstenStundensagtemeineTherapeutin: «AtmenSiemalvollst ndigaus.»Mirwarzun chstnicht klar,wassiemeinte,undversuchtederAufgabebestmçglich nachzukommen.«Sieatmennichtvollst ndigaus.SieziehendenBaucheinundhaltenIhreLuftan.»

ErstnacheinigenMonatenverstandichdenUnterschied, sp rtediepermanenteAnspannung,diemeinenOberkçrperunddamitauchmeineStimmb ndersoversteiften, dassdiesemitzuvielDruckaufeinanderpralltenundsich entz ndethatten.Dannlernteichneuzuatmen.

«SielebenmitangehaltenemAtem.»DieseAussagebetraf meineStimme,abersietrafaucheinenNerv,dermirinmittenderStimm-undLockerungs bungenTr nenindieAugentrieb.Emotionen,dieichnichtmitmeinerStimmein Verbindunggesehenhatte,schwemmtenandieOberfl che: Ichsprachzulautundsch mtemich.IchwarunterDruck undempfandmichalsangestrengt.IchlebtemitangehaltenemAtemundwarnervçs.

Wasbuchst blichaufmeineStimmeschlug,lasteteauch

aufmeinerSeele.IchlebteineinerHabachtstellung.Ich sp rtedenKrampfinmeinengeballtenF ustenundmeinenangestrengtenBlick,derpermanentjedeRegunginder UmgebungunterdieLupenahm.MeineStimmewarSymptomeinesLebens,dasunterDruckstand.MeinesLebensals Frau.Ichwarzuvielundgleichzeitigzuwenig.Ichpasste michan,verbogunderkl rtemichundwusstedabeinicht, werichwarundseindurfte.Wasw rdepassieren,wennich vollst ndigausatme?Wasw rdepassieren,wennichden Druckloslasse,zurRuhekomme,einfach sein darf?

Ichf hlteeinKribbelninmir.Wasw re,wennicheinfachbin?Wennichtiefein-undausatmenw rde,ohne Druckzusp renodermirGedankenzumachen,wiemein Bauchaussieht?Wennichsprechenw rde,ohnemirSorgenzumachen,wiesichmeineStimmeanhçrt?Seinzud rfen,ohnedassichjemandendaf rumErlaubnisbitten muss?

Wannhattees berhauptdamitangefangen?Wannwar derMomentgekommen,dassichmichsounterDruck,so unfreif hlte,sowenigzuHauseinmirselbstunddieser Welt?Undwersagtemir,wasichdarfundwerichbin?EntsprachdiesesGef hldemMenschsein?WaresmeinFrausein?

Seitichmicherinnernkann,empfandichmeinFrausein indieserWeltnichtalsetwas,waseinfachseindarf.Frauseinheißt,denAtemanzuhalten,heißt,sichstillzuverhalten,heißt,sichsagenzulassen,wasdereigenePlatzist. Frauseinheißt,dassichetwasschaffen,bew ltigen,durchk mpfenmuss.DieRolleistwieeinenichtlçsbareAufgabe. SieisteinSeinsollen ohneeinSeind rfen. Einst ndigesRingenumPlatzundErlaubnis.DerpermanenteVersuch,alles richtigzumachen,allenErwartungenundAnforderungen gerechtzuwerden,ohnedassmanesjeschaffenkann.

Dennirgendwasstimmtnicht.EsistwiedieRegelbeim Achterbahnfahren,dassman1,40mseinmuss,ummitfah-

renzud rfen,abernur1,37mmisst.Esistwie,wennman zumKampfeineFeuerwaffebekommt,aberdieArenaeine Unterwasserweltist.WiepermanentGastzusein–Schuhe anlassenoderausziehen?

WiesollteichineinersolchenWelteinfachsein?Wiesoll ichineinerWeltausatmen,diesichnichtsicheranf hlt?Was hatesmitmeinemFrauseinaufsich,dassessichindieser Weltanf hltwieeinAufenthaltmitSondergenehmigung?

MeineStimmtherapeutinerz hltemir,dasseskeineSeltenheitist,dassFraueninihrerPraxisweinen.Frauenleidenh ufigerunterStimmstçrungenalsM nner,wasauf anatomische,aberauchpsychologischeFaktorenzur ckzuf hrenist.VieleFrauensprechenzuhochoderzuleise, m ssenmehrKraftaufwandbringen,umdasselbeGehçrzu finden.IhreStimmeunterscheidetsichvonderStimmeeinesMannesindieserWelt.

EinejungeFrausagtemirneulich,dassallessobeliebig gewordensei;keinerwissemehr,waserodersieistoder seinwill.Ichfragtesie,obsiewisse,wersieseinwill.«Ich bineineFrauundweißgleichzeitignichtmehr,wases bedeutensoll»,antwortetesie.«Ichverstehemichweniger alsFrau,sonderneinfachalsMensch»,meinteeineandere Frau.

AufdiefranzçsischePhilosophinSimonedeBeauvoir gehtdasber hmteZitatzur ck:«AlsFrauwirdmannicht geboren,manwirdes.»DerDudenwiederumdefiniert: «EineFrauisteineerwachsenePersonweiblichenGeschlechts.»Zurn herenBestimmungdes«weiblichenGeschlechts»heißtes:«demGeschlechtangehçrend,dasEizellenbildet,ausdenensichnachBefruchtungNachwuchs entwickelnkann».Genetischließesichsagen,dassFrauen typischerweisedasChromosomenpaarXXaufweisenund dasssiebiologischdieVoraussetzungenhaben,umvonder Pubert tbiszurMenopauseschwangerzuwerdenundKinderzugeb ren.

W hrendwiralleimBiologieunterrichtgelernthaben, dasssichdieweiblicheAnatomievonderm nnlichendeutlichunterscheidet,zeigenj ngsteForschungen,dassdurch daskomplexeZusammenspielvonChromosomen,HormonenundGeschlechtsorganenGehirneeinGeschlechtskontinuumaufweisen,wobeidieUnterschiedezwischenFrauen bzw.M nnernuntereinanderzumTeilgrçßersindalsdie zwischenFrauenundM nnern.1

W hrendderDudenaufdiePolarit tderGeschlechter verweist,zeigtdasZitatvondeBeauvoir,dassderenBedeutungdamitabernochnichtgekl rtist.KlarheitundKomplexit tkommenbeiderFragedesFrauseinszusammen–wederistallesbeliebignochallesklar.Diepolemisierende AussagederjungenFrau,dassheute«niemandmehrweiß, waserodersieseinwill»,scheintmir berzogen;aberdass wirdar bersprechenm ssen,wasFrauseinbedeutet,sehe ichalseinegesellschaftlicheundtheologischeAufgabe.

Miristeswichtig,andieserStellezusagen,dassdieFrage, waseineFrauist,f rmichhiernichtausschließendgemeint ist.Unabh ngigdavon,wiedeineGeschichteimHinblick aufdeinGeschlechtist:DubistalsEbenbildGottesgeschaffen.IchkannmeineGeschichtenuralsFrauerz hlen–meinweiblicherKçrper,meinMigrationshintergrundund meinetheologischePr gungspieleninmeinSelbstverst ndnisalsFraugenausomithineinwiedasFrauseininderGeschichte;dasauszublenden,w rdeetwasverwischen,was ichsichtbarmachenwill.

WelcheErfahrungenFrauenmiteinanderteilen,hatmit verschiedenenFaktorenzutunundsomanchegehenmit Diskriminierungserfahrungeneinher.Wenndualsschwarze PersonodermitasiatischenWurzelninDeutschlandaufw chst,kommtdieEbenedesstrukturellenRassismushinzu.WenndueineBehinderunghast,istDiskriminierung aufgrundkçrperlicherundpsychischerBeeintr chtigungen einThema.Dar berhinausbestimmenHerkunft,Sexuali-

t t,Erziehung,Bildung,Kultur,Gesundheit,Familienstand, Traumata,FamiliengeschichteundvielesWeitere,wiewir Frauseinempfindenunddar bersprechen.Manchedieser Themenbetreffenunskollektiv,andereindividuell.

WasmachtFrauseinf rdichaus?Wasassoziierstdudamit?

DieHauptfrage,diemichdengrçßtenTeilmeinesbisherigenFrauseinsbegleitethat,ist:Darfichdas?DieWeltf hltesichf rmichnichtwieeinOrtan,andemicheinfach seindurfte,einfacheineStimmehatte.MeinegesundeStimmezuentdecken,warTeilmeinerReise,meinenPlatzzu finden–einenPlatzineinemLeben,indemunswiderspr chlicheAussagenzugerufenwerden.IndemOrientierungundIdentifikationfehlenunddieeigenePr gung gleichzeitigeinemachtvolleRichtungvorgibt.

«DUHASTESVERSPROCHEN»

«WannkaufstdumirendlichmeinFahrrad?»,fragteichals Vierj hrigemeinenVater,alservonderArbeitheimkam.Es warFr hjahr1993undmeinGeburtstagswunschließseit einpaarMonatenaufsichwarten.MeinVatererz hlt,dass ichanjenemTagresolut,mitdenH ndenindieSeitengestemmt,einforderte,wasmirversprochenwordenwar.Also nahmerdiekleineFranzianderHandundmarschierteauf direktemWegzumn chstenFahrradladen,ausdemsiekurzeZeitsp teralsstolzesteBesitzerineinespinkenPukyFahrradswiederheraustrat.

IchmussbeiderErinnerungl cheln,diemeinVater durchwiederholteslebhaftesErz hlenwachh lt.Meinvierj hrigesSelbsthattekeineSchwierigkeitenzusagen,wases will,undtratf rsichsein.EinSelbstbewusstsein,dasichin denn chstenJahrenverlierenundf rdiedarauffolgenden Jahrzehntevermissensollte.

«Frauen,dienichtsfordern,werdenbeimWortgenommen–siebekommennichts»,sagteSimonedeBeauvoir.Ist dasso?M ssenFrauenfordern,damitsiebekommen,was siemçchten?Undwennja,vonwem?Gehensietats chlich leeraus,wennsienichtsfordern?

DieseFrageninteressierendievierj hrigeFranzinicht,als sieweitgehendsorglosmitihrempinkenFahrradumdie H userzieht.Dochesentsprichtihrerfr hstenErfahrung: Sieforderte,siebekam.Nurwenigsp terwirdsielernen, dasseinM dchenbravundnichtforderndauftretensoll. Siewirdverinnerlichen,dasseseinerFraubessersteht,still zuempfangen,alslautstarkeinzufordern.

MeinKindheitsgef hlistdavongepr gt,dasswiresbesser habenalsmeineElternunddaf rdankbarseinkçnnen.Vor demSchlafengehenhatmeinVaterunsabendsimmerGeschichtenausseinerKindheitweitergegeben,dieaneinem verwunderlichen,unsunbekanntenOrtstattgefundenhaben.«Erz hlunsvonda,alsdukleinwarst»,sagtenwirund liebtenes,wennerdanneineAnekdotezumBestengab.

MeinVaterkonnteguterz hlenunddieWelt,inderer aufgewachsenwar,warsoandersalsunsere,siewargef hrlicherundaufregender.ErberichtetevomAufwachsenim l ndlichenSiebenb rgen,woerdasWasserausdemBrunnenimHofschçpfte,mitderKutschefuhrundsichmitseinerHasenzuchtGelddazuverdiente.Ererz hlte,dassOma undOpasichimArbeitslagerinderUkrainekennengelernt hatten,vonseinen lterenGeschwisternundderSchulzeit imKommunismus.ErschilderteseineZeitbeimMilit rim kommunistischenRum nien,wodieMarmeladesoaltund hartgewordenwar,dassmansieinScheibenschneiden konnte,unddieMadenerstausdenKeksenkamen,wenn mansieinheißenTeetauchte.Ererz hltevondenEinschr nkungenbeiderStudienwahl,weilernichtinderParteiwar,undvonungerechtenGerichtsverhandlungen,weil erchristlicheFreizeitenorganisierte.

AndersalsmeineElternkonntenwiralles,waswirbrauchten,imSupermarktkaufen,wirhattenkeineAngstvorGeheimdienstenundfuhrenimSommersogaransMeer.Wir hattenFreiheitenundMçglichkeiten,diemeineElternnicht gehabthatten.IchschlossinmeinHerz,dassGerechtigkeit undFreiheitnichtselbstverst ndlichsindundzugleichzutiefsterstrebenswert.UnddassPrivilegiendazudasind,sie f randereeinzusetzen,dennnichtalleKinderhattenesso gutwiewir.

Wennichfr heKinderbildervonmiranschaue,l chelt mireinkleinesblondesM dchenmitpinkenKlamotten undihrempinkenFahrradentgegen.AnseinerSeiteoftmalsdienurwenigeJahre ltereSchwester.IchliebtePuppenundPink,backteundbasteltegern,galtalsverschmust undsensibel.Meine ltereSchwesterliebteTiere,warviel draußenundwarsportlicher,schlauerundfurchtloserals ich.Alswirunsbeieinemsamst glichenFamiliengroßeinkaufetwasKleinesaussuchendurften,w hltesiedieZeitschrift«Tierfreund»,icheinsdieserbilligenPlastiksetsf r Kinder:pinkesT schchen,pinkerSpiegel,pinkerKamm. IchspieltegernfeineDameundhatteeineFaszinationf r allesSchçneundGlitzrige.

MeineSchwesterwardieStarkevonunsbeiden.Ineiner SilvesternachthieltsiemirimSchlafdieOhrenzu,weilich michvorBçllernundRaketenf rchtete.Einmalhautesie einenJungen,dermichge rgerthatte.Abendsklettertesie zumirinsBett,wennichAngstvorderDunkelheithatte. SieschauteFilmevormir,ummichvordenSzenenzuwarnen,dieichnichtgutertragenkonnte.

WirwarenalsM dchensehrunterschiedlich,obwohlwir dieselbePr gung,eine hnlicheErziehungundnureinen geringenAltersunterschiedhatten.ObichjemalseinJunge hatteseinwollen,fragtesiemichsp ter.Ichverneinte.Ich erinneremichaneineSituation,alsichnachdemKindergottesdiensteinemJungenhinterhergeranntwarundvon

derBetreuerinmitdenWortenermahntwurde:«Esgehçrt sichf reinM dchennicht,dasssiewieeinJunge berden Hofrennt.»Ichhieltan,sch mtemichundstrichmein Kleidchenwiederglatt.IchwareinM dchenunddieranntenanscheinendnichtwiedieJungs berdenHof.Meine Schwesterhingegenw regerneinJungegewesen,weildas, wassieseinwollte,inunseremKontextmitJungenassoziiertwurde:wild,stark,sportlich,frei.

Alswir lterwurden,stelltenwirfest,dass«wieeinM dchen»keinKomplimentist.VoreinigenJahrenwurdevon derMarke«Always»eineKampagneherausgebracht,inder manjungeErwachsene–M nnerundFrauen–fragte,wie esaussehenw rde,wennman«wieeinM dchen»rannte, k mpfteundeinenBallwarf.DiejungenErwachsenentaten mitAbsichtwenigersportlichundmachteneineaffektierte Bewegung.AlskleineM dchenhingegengefragtwurden, wasesbedeutet,«wieeinM dchenzurennen»,antwortete eine:«Esbedeutet,dassmansoschnellrennt,wiemannur kann.Zusein,wiemanist,undseinBesteszugeben.»

AmEndedesVideoswurdeeineFrageeingeblendet,die mirnichtmehrausdemKopfging:«WannwurdeeszueinerBeleidigung,zujemandemzusagen:‹Durennstwieein M dchen›?»Ja,wann?IchkannmichnichtaneinenbestimmtenZeitpunkterinnern,aber«rennenwieeinJunge» klanginmeinenKinderohrenschonsehrfr hbesserals «rennenwieeinM dchen».

M DCHENZWISCHENWELTEN

AlsmeineSchwesterundichnachderGrundschuleaufs Gymnasiumwechselten,warenwirinunsererchristlichen GemeinschaftdieAusnahme.MeineFreundinnenausder GemeindegingenalleaufdieRealschuleundmeineCousinesagte,dassdievielpraktischerausgerichtetsei.Manche

ElterninunseremchristlichenUmfeldwinktendieGymnasialempfehlungf rihreTçchtermitderBegr ndungab, dasssiekeinAbiturbr uchten,weileineAusbildungf r M dchenvçlligausreiche.

Ichf hltemichetwaszerrissen,denneinerseitswollteich jaKrankenschwesterwerden,wof rdieRealschuleebenfalls reichenw rde;andererseitsgingmeineSchwesterschonaufs Gymnasium.Dassichihrdorthinfolgte,warschlussendlich einepragmatischeEntscheidung:MeineElternkauftenim selbenJahreinHaus,dasnurzweiStraßenvomst dtischen Gymnasiumentferntlag,undsosiegtendieBequemlichkeit, dasVorbildmeinerSchwesterunddieGrundschulempfehlung.

ImGemeindeumfelderntetenwirdaraufhinKommentarewie«Jungsmçgenesnicht,wennM dchenschlauersind alssie»,«Ihrhalteteuchwohlf rwasBesseres»oder«Esist f rFrauennichtsowichtig,welchenBerufsielernen».SeitherbegleitetemichdasklammeGef hl,dassichmichf r das,wasichlernteundwusste,stetsentschuldigenmusste.

AlswirindersiebtenKlasseimErdkundeunterrichtdas LandIndiendurchnahmen,entschiedichmichf rdasReferatsthema«FrauenrechteinIndien».EinpaarWochenlang lasichmichindasindischeKastensystem,BildungundFemizideein–Berichte,diemichschockiertenundsehrbesch ftigten.Dabeistolperteich bereineGeschichte,inder einkleinesM dchenausgesetztwurde,weilsiediezweite TochterwarunddieFamiliediefinanzielleBelastung,die einM dchenbedeutete,nichtstemmenkonnte.

EswardasersteMal,dassichdar berlas,dassFrausein einbenachteiligenderFaktorwar,undamEndemeinerVorbereitungenwarichvçlligdavon berzeugt,dassicheinmal nachIndiengehenw rde,ummichf rdieRechtevon M dchenundFraueneinzusetzen.SovielUngerechtigkeit gegen berFrauen–unddasim21.Jahrhundert!«Wartihr entt uscht,dassihrnachmeinerSchwesterwiedereinM d-

chenbekommenhabt?»,fragteichmeineElterndaraufhin undeswarnicht berraschend,aberwohltuend,alssiemir versicherten,dasssiesichsehr bermichgefreuth ttenund meinGeschlechtdabeiegalgewesensei.

InmeinerKlassespielteeswenigereineRolle,dassichein M dchenwar,alsdassicheinM dchenmitMigrationshintergrundwar.Kamichzusp tindenKunstunterricht,mussteichvorderganzenKlasseeinVersleinaufsagen:«Roller, Roller,ratt-ratt-ratt,wennPetereinenRollerhat,dannrollt erdurchdieganzeStadt,Roller,Roller,ratt-ratt-ratt.»Meine Kunstlehrerinwolltemichdamitnichtschikanieren;sie mochtenurmeinrollendesR–einErkennungszeichen,das sofortverriet,dassichurspr nglichwoandershergekommenwar.W hrendderSchulzeitnervteesmich,dassichimmerdaraufangesprochenwurde,undichfandesganz furchtbar,wennichirgendwoeineTonaufnahmevonmir hçrte;aberdar berhinausspielteeskeinebedeutendeRolle. DankmeinerhohenAnpassungsf higkeitundderGabe, Halbwissen berzeugendzuverkn pfen,konnteichdasGef hldesFremdseinsgutkompensieren.

Ichwolltedazugehçrenundnichtandersseinundmeine Mitsch lerinnenundMitsch lermachtenesmirdiesbez glichauchnichtschwer.Ichverstandmichmitallengut,wurdeschonfr hKlassensprecherin,sp terStufensprecherin, warinverschiedenenAGsaktivundmoderiertedenAbiball meinesJahrgangs.

Inder9.KlassemeldeteichmichimFachGemeinschaftskundef rdasReferat«Frauenrechte»undarbeitetemich diesesMalindieGeschichterundumdenKampff rsFrauenwahlrechtinDeutschlandein.InderOberstufeschrieb ichmeineersteHausarbeit ber«FrauenrechteindenUSA», imEnglisch-StaatsexamenJahresp ter ber«DieB rgerrechtsbewegungschwarzerFraueninden1960er-Jahren». DasThema«Frauenrechte»zogmichanwiedasLichtdie Motten.DieUngerechtigkeitgegen berdemweiblichen

Geschlechtw hltemichauf,dieSehnsuchtnachundder KampfumFreiheitfasziniertenmichunddieGeschichte derFrauenweltweitzogmichinihrenBann.

Gleichzeitigfielmirauf,dassmeineLeidenschaftf rdas Thema,meineEntdeckungenzurBenachteiligungderFrau, meineFragenundmeineflammendenPl doyersnachVernderungmeineMitsch lerinnenundMitsch lernicht vomHockerrissen.Damalsverstandich,dassM dchen, dienichtineinerkonservativ-christlichenSubkulturaufwuchsenundkeinen hnlichenMigrationshintergrundhatten,nichtdieselbenFragenundNçteversp rtenwieich, auchwennichdasdamalsnochnichtsoklarbenennen konnte.DieFragenausdemeinenKontexthattenindem anderenjeweilskaumeineEntsprechungundinmeinen fr henTeeniejahrenwurdemirbewusst,dassichmichzwischenWeltenbewegte,diesehrweitauseinanderlagen.

MeinAufwachsenwirdvondiesemGef hlbegleitet,dass ichst ndigherausfindenmuss,welcheFrageinwelchemKontextpassendist.MeinSchulkontextundmeinElternhaushattendie berschneidung,dassmeinenElternBildungwichtig war,undgleichzeitigwardadieHerausforderung,dassmeine ElternineinemganzanderenBildungssystemaufgewachsen warenundunsmitdenAufgabenoftmalsnichthelfenkonnten.Icherinneremich,dassmeineMuttererz hlte,dassesin ihrerSchulzeitAufgabenwie«BeschreibedeineMeinungzu xyz»schlichtwegnichtgegebenhatte.

MeinElternhausundderGemeindekontextteiltensich HerkunftskulturundGlaubensvorstellungen,auchwenn meineElternmirstellenweiseetwasfreierundoffenererschienenalsdieGemeinde.

SchuleundGemeindewarenallerdingsziemlichkontr r, standenmanchmalauchinKonkurrenzzueinander.Aus derPerspektivederGemeinderepr sentiertemeineSchule «dieWelt»,ausderPerspektivederSchulegaltmeineFreikirchealsSekte. berdieJahref hrtedasinmirzueiner

ArtDoppelleben–diebeidenWeltenpasstennichtzusammenundsoversuchteich,inbeidehineinzupassen.

DIEMACHTDERPR GUNG

AlsjungesM dchenkonnteichnichtunterscheiden,wasan derSpiritualit tmeinesAufwachsens«theologische»und was«soziokulturellbedingte»Faktorenwaren,dennsiewaren untrennbarmiteinanderverkn pftundbildeteneineeinzigartigeMischung.MeinKontextwarnichteinfach«christlich», sonderneinKonglomeratverschiedenerEinfl sse.Dazuz hlt dasErbeeinerErweckungsbewegunginSiebenb rgeninden 1970ernundderfreienGemeindendort,aberauchdeutsche Br dergemeinden,darbyistische berzeugungenundder amerikanischeFundamentalismus–alldashatmeineGroßelternundElterngepr gt.DieAbgrenzungzumkommunistischenStaatundzuinstitutionalisierterKirchespielteeinezentraleRolleundm ndeteineinerAbgrenzunggegen ber«der Welt».

AlsEnkelindesGemeindegr nderswuchsichinderMitteeinesgemeinschaftlich-gesichertenNestsaufundatmete vonkleinaufdieLufteines«gottgewollten»Systemsein. DasbedeuteteimHinblickaufsFrausein,dassesinderGemeindeundinderEheklareRollenundAufgabengab. Letztg ltigeVerantwortungtrugderMann.«DerMannist dasHauptderFrauunddieFrauschweigeinderGemeinde»,dassindzweizentralePfeilerdesFrauenbilds,dasmich gepr gthat.MitderIdee,dassGottbeiderErschaffungder WeltMannundFraugeschlechterspezifischeRollenzugewiesenhat,wurdedieseAussagezumUniversalprinzip «SchçpfungsordnungGottes»erhoben,unddasgalteszu befolgen.

MitsechzehnlasichineinerGruppemitanderenjungen FrauendasBuch«L gen,diewirFrauenglauben»derame-

rikanischenBibellehrerinNancyLeighDeMoss.Ichfandes immeraufregend,wennwirunsenglischeB chervornahmen,dennzumeinenhatteichzuderZeiteinen crush aufeinenAmerikanerundlerntesogarfreiwilligenglische Vokabeln,zumanderenklanginmeinenTeenieohrenauf Englischallesbesser–auchdieRollederFrau.Durchdie amerikanischeLiteratur,dienachwievorgedrucktwird,bekamendasGeschlechterverh ltnisunddieRollederFraueinenklarenRahmen.DieB cherinmeinemRegalzu«gottgewolltemFrausein»trugenTitelwie«FraumitProfil», «DietugendhafteEhefrau»,«Erstattich»,«Befreitdurch Unterordnung»oder«Set-ApartFemininity».

WahreFreiheitzufinden,istdaszentraleThemadieser B cher.NichtdieaugenscheinlicheFreiheitderWelt,sonderndiewahre,innereFreiheit,wiesieGottesWillenund Wunschf rdieFrauentspricht.DiesesVersprechenbrachte etwasinmirzumKlingen,dennseitichdenkenkann,sehnteichmichnachechter,tieferFreiheit.DerWunschdanach wurdemirindieWiegegelegt,alsmeineElternmichFranziskanannten,denndasbedeutetsovielwie«dieFreie» oder«dieK hne».

NebenderwahrenFreiheithieltdiegottgewollteOrdnung eineRollebereit:«F rdiegl ubigeEhefraubedeutetdas, dassihrwichtigsterDienstihremEhemanngilt.Abgesehen vonihrereigenenpersçnlichenBeziehungzuJesusChristus solltenichtsanderesVorranghaben.GottschufdieFrau, damitsiedemManneineHilfesei,dieihmentspricht(1Mo 2,18).DarinliegtdieBerufungdergottesf rchtigen,tugendhaftenEhefrau.»2

IchverinnerlichtedurchmeinePr gung,dassmanim ZweifelsfalleinenManndieDiskussiongewinnenlassen sollte,weilesihninseinerM nnlichkeitst rkerbesch mt, Unrechtzuhaben,alsmichalsFrau.Frauenkçnntenihren Stolzbesserherunterschlucken.DemeigenenMannsolle mannichtfinalwidersprechen,dennermçchtedasBeste

f reinen.EineFrau,dieVerantwortung bernimmt,liefe Gefahr,Macht berdenMannaus benzuwollen.Eine Frau,dieaufihremRechtbeharrte,galtalsdominant.Das AutonomiebestrebenderFrauseieineFolgedesS ndenfalls;siehabedieAufgabeerhalten,sichunterzuordnen,da ihrdasschwererfalle.EineFraukçnnenichtambestenwissen,wassiewill,undEntscheidungenzutreffen,fieleihr schwerer.

EineFrauachtemehraufihr ußeres,weilGottsiemit demWunschausgestattethabe,ihremMannzugefallen. SieseiaberauchmitReizenausgestattet,diesieineinegroßeVerantwortungstellten.EinMannsolleleiten,eineFrau wolleangeleitetwerden.EinenpassendenBerufzufinden, seif rdieFraukeinesowichtigeAufgabe,dennihrewahre Berufungseies,Mutterzuwerden.SeinenMannzustehen, sorgef rKlarheit,seineFrauzustehen,f rChaos.Eine Frausolleklugsein,damitsieihrenManngutberatenkann, abernichtsoklug,dassersichihrunterlegenf hlenkçnnte.

M nnerbr uchtenRespekt,FrauenLiebe.M nnerbegehrten,Frauenwolltenbegehrtwerden.

Esl genichtanuns,Frauseinzudefinieren,daGott M nnerundFrauenmitklarerBestimmunggeschaffenhabe,sodieGrundthesevonDeMoss.3 GottesPlanf rdie Geschlechtersei,dasssiedurchdieAnnahmeihrerspezifischenRollezuFreiheitundErf llungkommen,w hrend derGeschlechterkampfdadurchentstandensei,dassFrauen undM nnerihrengottgewolltenPlatznichteingenommen haben.DasUnheilbeganndemnachmitdemFeminismus, derdiegutealteOrdnung,diesich berJahrtausendebew hrthatte,infragestellteundf rChaossorgte.

IchmussbeidiesemNarrativandieErschaffungderPandoraindergriechischenMythologiedenken,zuderbereits seitdemfr henChristentumParallelenzuEvagezogen wurden.DieStoryistdie,dassZeusPandoraausRachedaf rerschafft,dassderTitanPrometheusdenGçtterndas

Die Seiten 29 bis 281 sind nicht in dieser Leseprobe enthalten.

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