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KI in der Kommune

Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) wird im Juli einen Denkanstoß mit dem Titel „Künstliche Intelligenz in der Kommunalverwaltung. Definition, Rahmenbedingungen und prozessorientierte Anwendungsfelder“ veröffentlichen.

Über die Ergebnisse haben wir mit Anika Krellmann und Matthias Hörmeyer gesprochen.

Sie haben einen Denkanstoß zum Thema „KI in der Kommunalverwaltung“ verfasst. Inwieweit ist der Einsatz von KI im Verwaltungskontext bereits etabliert?

Hörmeyer: Wir würden hier nicht von „etabliert“ sprechen. Vielmehr erleben wir derzeit in vielen Verwaltungen, gerade auch im kommunalen Bereich, dass zunehmend KI-Systeme erprobt werden. Dabei handelt es sich in der Regel um Systeme, die mit „schwacher KI“ im Bereich der Bild-, Text- oder Spracherkennung arbeiten. Anwendungsbeispiele finden sich zum einen im Kontext von „Smart City“ oder „Smart Region“. Hier geht es beispielsweise um intelligente Verkehrssteuerung oder die bildbasierte Erkennung von Schlaglöchern in Straßen. Zum anderen sehen wir gerade in den Kernverwaltungen der Kommunen, dass eine KI-gestützte Verbesserung von Verwaltungsprozessen vorangetrieben wird. Spannende Beispiele hierfür sind intelligente Antragsassistenten für Bürger:innen oder KI-basierte Antragsvorprüfungen zur Entlastung der Sachbearbeitung. Wir sehen: KI schafft Mehrwerte sowohl für die Verwaltung ansichalsauchfürihreKund:innen.

Wie grenzen Sie in diesem Zusammenhang eine KI von einer reinen Automation ab?

Krellmann: Wenn ein Prozess automatisiert wird, wird oft angenommen, dass eine KI die Automatisierung übernimmt. Für eine Automatisierung braucht es aber nicht zwingend eine KI. Oft steckt bereits in einer „einfachen“ Automation viel Potenzial, um Prozesse effizienter zu gestalten. Automation setzt immer dort an, wo einfache Wenn-Dann-Beziehungen greifen. Dann genügen regelbasierte Algorithmen, die diese einfachen „Entscheidungsbäume“ durchlaufen und am Ende ein Ergebnis produzieren. Bei vollautomatischen Prozessen ist kein „menschliches Handeln“ mehr erforderlich. Automatisierung ist klassische Rechenleistung. Wenn zum Beispiel ein:e Bürger:in alle Nachweise eingereicht hat, dann wird die Leistung genehmigt. DieseEntscheidungkönnteeinMensch nach Prüfung aller Voraussetzungen nur genauso treffen. Solange die Entscheidungen in einem Prozess auf einfachen Ja/Nein-Antworten beruhen, ermöglicht die Technik heute auch die Automati- sierung komplizierter Prozesse. KI hingegen ist für uns der Versuch, menschliches Denken auf den Computer zu übertragen. Technologien wie Machine Learning, Deep Learning oder Natural Language Processing werden eingesetzt, um menschliche Fähigkeiten wie Hören, Sehen, Analysieren oder Entscheiden nachzuahmen oder (weiter) zu entwickeln. KI geht über einfache Wenn-Dann-Beziehungen hinaus. Sie wird auch dort eingesetzt, wo es keine eindeutigen Ja/Nein-Entscheidungen gibt.

Wie können auch kleinere Kommunalverwaltungen von KI profitieren?

Hörmeyer: KI wird oft als ein Thema „für große Kommunen und Verwaltungen“ angesehen. Größere Kommunen verfügen naturgemäß über eine IT-Ausstattung, die es ihnen ermöglicht, KI-Anwendungen eigenständig zu testen und zu implementieren. Kleinere Kommunen hingegen haben oft nicht die Ressourcen für eine Eigenentwicklung. Sie sind daher auf die Zusammenarbeit mit Dritten angewiesen. Dies können z. B. ITDienstleister, Beratungsunternehmen oder interkommunale Kooperationen mit anderen Kommunen sein. Wichtig ist in diesen Fällen, dass kleinere Kommunen ihre Steuerungsfunktion nicht aus der Hand geben, sondern diese gezielt nutzen, indem sie z. B. strategische Entscheidungen herbeiführen, welche Prozesse einer kleinen Kommune ein erhebliches Optimierungspotenzial aufweisen und unter dem Gesichtspunkt der KI können vieles radikal verändern und Prozesse regelrecht auf den Kopf stellen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist ChatGPT. Aber auch dann bleibt der Prozess der Dreh- und Angelpunkt. Auf keinen Fall sollte ein KI-Tool eingesetzt werden, nur weil es gerade „en vogue“ ist. Lediglich die klassischen Optimierungsansätze des Prozessmanage- vielen Jahren diskutiert und teilweise vorangetrieben wird. Die EU verfolgt einen risikobasierten Ansatz zur Klassifizierung von KI-Anwendungen (KI-Risikoklassen). Dieser Ansatz ist auch für Kommunen interessant. Zum einen, weil der Rechtsrahmen auch für Kommunen als Anwender oder Anbieter gelten wird, zum anderen,

Die Digitalisierung ist eine von vielen Herausforderungen für die Stadtwerke.

Der Antrags- und Auszahlungsprozess der Einmalzahlung für Studierende.

„Für eine Automatisierung braucht es nicht zwingend eine KI“ analysiert werden sollten. Darüber hinaus könnten kleinere Kommunen zukünftig von Open-SourceAnsätzen im Kontext von KI-Anwendungen profitieren. Denn diese ermöglichen eine niedrigschwelligere Nachnutzung. Open Data spielt im Kontext von KI eine wichtige Rolle.

Sollten die internen Verwaltungsprozesse und -strukturen auf den Prüfstand, bevor KITools eingesetzt werden? Hörmeyer: Es geht nicht darum, KI in einem Verwaltungsprozess einzusetzen, sondern einen Verwaltungsprozess z. B. durch den Einsatz von KI zu verbessern. Im Vordergrund müssen immer die Fragen stehen: Was sind die Schwachstellen im Prozess (z. B. Fachkräfteengpässe, unnötige Arbeitsschritte oder unverständliche Verwaltungssprache)? Erst danach stellen sich zum Beispiel folgende Fragen: Wie können die identifizierten Schwachstellen behoben werden? Kann ein KI-System oder eine andere Technologie dabei helfen? KI ist hier übrigens kein Allheilmittel. Oftmals reichen auch einfache Algorithmen aus, z. B. bei einfachen Wenn-Dann-Beziehungen in der Antragsbearbeitung. Im Zusammenhang mit KI gibt es aber auch Anwendungen, die eine Automatisierung in einem Ausmaß ermöglichen, das wir uns früher nicht vorstellen konnten. Diese ments greifen dann nicht mehr: Beispielsweise wird nicht beim „Antragseingang“ nach Verbesserungspotenzial gesucht, sondern auf Basis einer KI-gestützten Datenanalyse proaktiv gehandelt, so dass ein Antrag im klassischen Sinne gar nicht mehr notwendig ist.

Gerade die Aspekte Ethik, Akzeptanz und Datenschutz werden häufig als Barrieren genannt. Wie lassen sich diese überwinden?

„Open Data spielt im Kontext von KI eine wichtige Rolle“

Krellmann: Neben Ethik, Akzeptanz und Datenschutz sind noch zwei sehr zentrale Hemmnisse zu ergänzen: Zum einen gibt es zu viele rechtliche Restriktionen auf Bundes- und EU-Ebene (z. B. § 35a im Verwaltungsverfahrensgesetz), die es Kommunalverwaltungen erschweren, mit KI-Anwendungen zu experimentieren und die Mehrwerte von KI überhaupt real zu erfahren. Zudem stellen wir fest, dass es in vielen Verwaltungen noch an einem stringenten Prozessmanagement mangelt. Dabei sind gerade Verwaltungsprozesse die Ausgangsbasis für KI-Projekte. Bei all den genannten Hürden braucht es vor allem einen offeneren Dialog auf allen föderalen Ebenen, der die Möglichkeiten bzw. Mehrwerte von KI für Verwaltungen in den Vordergrund stellt und gerade (datenschutz-) rechtliche Hürden aus dem Weg räumt. Nur so kann KI Schritt für Schritt greifbarer werden und damit Ängsten und Vorurteilen entgegengewirkt werden.

Wie bedeutsam ist in diesem Zusammenhang der Blick Richtung EU und KI-Risikoklassen?

Krellmann: Der Blick in Richtung EU ist aus unserer Sicht besonders wichtig. Positiv ist, dass das Thema KI auf EU-Ebene bereits seit weil die Risikoklassen mit praktischen Beispielen für unterschiedlich risikobehaftete Anwendungen unterlegt werden können, die bereits bei der Priorisierung einzelner Prozesse für den Einsatz von KI herangezogen werden können. Halten Sie – neben den EU-Vorgaben – rechtliche Vorgaben auf Bundesebene für sinnvoller als länderspezifische Regelungen? Hörmeyer: Grundsätzlich bedarf es einer bundeseinheitlichen Regelung zur verstärkten Zulassung des Einsatzes von KI-Lösungen in Verwaltungsverfahren. Derzeit verhindert dies noch § 35a des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Dieser sieht vor, dass Verwaltungsverfahren nur dann vollständig durch automatisierte Einrichtungen erledigt werden dürfen, wenn dies durch besondere Rechtsvorschrift zugelassen ist und kein Ermessensoder Beurteilungsspielraum besteht. Diese Regelung bezieht sich allgemein auf die Automatisierung von Prozessen mit Außenwirkung, schließt damit aber auch den Einsatz von KI ein. Für die Prozessbetrachtung bedeutet diese Rahmenbedingung, dass eine Automatisierung mit Hilfe von KI – zumindest in Bezug auf den Verwaltungsakt – ausscheidet, soweit eine fachgesetzliche Ermächtigung fehlt und/ oder Ermessens- und Beurteilungsspielräume für die Verwaltung gesetzlich vorgesehen sind.

Einige Länder schaffen Regelungen wie Experimentierklauseln. Dies ist hilfreich. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass keine länderspezifischen „Flickenteppiche“ entstehen. Länderübergreifend einheitliche Regelungen fördern den zielgerichteten und effizienten Einsatz von KI-Lösungen in Verwaltungsprozessen.

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