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Gemeinsam mutig vorangehen – Brauen
Gemeinsam mutig Wie die Pandemie das Brauen in der Klosterbrauerei verändert hat vorangehen
Wenn mehrere Mitarbeiter zusammenarbeiten, sind Sicherheitsabstände unerlässlich.
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Seit dem Beginn der Corona-Pandemie hat sich das Arbeiten in der Klosterbrauerei stark verändert. Im Interview blickt Betriebsleiter Alexander Reiss auf stürmische Monate zurück und erklärt, warum er die Brauerei trotzdem auf einem guten Weg sieht.
Andechser Bergecho: Was bedeutet Corona für die Brauerei?
Alexander Reiss: Das ist nur ganz schwer in Worte zu fassen. Ich arbeite seit 15 Jahren in Andechs, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Wir sind als Brauer ja sonst gewohnt, die Prozesse im Griff zu haben. Aber Corona hat mit uns etwas ganz anderes gemacht. Quasi über Nacht ist uns im Frühjahr das gesamte Auslandsgeschäft weggebrochen: keine Exporte mehr nach Europa, nicht nach Russland und schon gar nicht nach Übersee, in die USA oder anderswohin. Und dann haben wir fast vom einen auf den anderen Tag kein Fassbier mehr verkaufen können; kein einziges Fass mehr abfüllen können. Da schaut man sich dann im Brauerteam in die Augen und sieht mehr als nur Besorgnis.
Wie sind Sie mit den Sorgen und Nöten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgegangen?
Jeder hat ja so seine eigene Art, mit Ängsten und Sorgen umzugehen. Der eine wird stiller als sonst, der andere nicht. Da braucht es schon viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen, wie man dann mit den einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern redet. Das sind auch ganz unterschiedliche Situationen und Beziehungen, die da mit reinspielen, Partner, Kinder, Eltern… Wenn ich zurückschaue: Wir haben viel miteinander geredet und haben das bis heute eigentlich beibehalten; offen miteinander umzugehen und wieder und wieder zu erklären, warum welche Maßnahmen gerade jetzt notwendig sind, bis hin zu Kurzarbeit, die für keinen angenehm war. Zudem passiert es in Krisenzeiten immer wieder einmal, dass man den einen oder anderen vergisst zu informieren. Da ärgere ich mich dann besonders. Aber ich habe gute Erfahrungen mit meinem Team machen dürfen, wenn ich hingegangen bin, mich erklärt habe und wir uns dann wieder neu unterhaken konnten.
Am wichtigsten war, die gemeinsame Perspektive nicht zu verlieren: Uns einander zu vergewissern, mit diesem „Wir sind die Klosterbrauerei Andechs-Gefühl“ mutig voranzugehen, gerade jetzt mit dem neuen Weizenbock und dem neuen Radler naturtrüb auf den Markt zu gehen und zu zeigen: Wir sind da. Wir trauen uns. Im Grunde sind diese beiden neuen Produkte schon ein wichtiger Teil der Antwort auf die Frage, an der wir seit Monaten arbeiten: Wo wollen wir nach der Krise sein?
Was hat sich im Betrieb in der Brauerei konkret technisch verändert?
Wir haben den Betrieb der Klosterbrauerei im Blick auf die Corona-Pandemie so ausgerichtet, dass alle möglichen Infektionsrisiken für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie auch für die abholenden Partner im Getränkefachgroßhandel so weit als irgend möglich minimiert sind. Schon früh haben wir eine interne CoronaTask Force gebildet, bestehend aus Abteilungsleitern und dem Personalrat. Gemeinsam haben wir ein umfassendes Konzept entwickelt, das die gesamte Produktion mit einem Minimum an direkten Kontakten unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie zwischen den Mitarbeitern und unseren Kunden sicherstellt. Dieses Konzept umfasst auch eine flexible Kurzarbeit-Regelung, die sich – falls nötig – an der jeweiligen Auftragslage orientiert.
Welche Hygienevorkehrungen haben Sie getroffen?
Auf Basis der jeweils geltenden behördlichen Vorgaben haben wir in einem Team aus allen betroffenen Abteilungen eine ganze Reihe von Schutz- bzw. Hygienemaßnahmen umgesetzt. Diese umfassen insbesondere das Tragen von Schutzmasken. In allen Bereichen der Klosterbrauerei haben wir Stationen zur Handdesinfektion aufgestellt. In der Expedition haben wir Plexiglasscheiben angebracht, um Mitarbeiter und Kunden beim direkten Dialog zu schützen. Grundsätzlich finden interne und externe Besprechungen möglichst nur noch per Telefon- bzw. per Videokonferenz statt. Wir haben – schon vor Corona – ein engmaschiges Kontroll-Netz mit einem konstant hohen Hygienestandard implementiert, das sich an den aktuellen gesetzlichen Vorgaben und den behördlichen Verfügungen orientiert. Das Kontroll-Netz erfasst systematisch alle Faktoren, die ein potentielles Gesundheitsrisiko darstellen, und bündelt Maßnahmen, um gesundheitliche Risiken zu vermeiden oder soweit als möglich zu reduzieren. Für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eine Reihe von Betriebs- und Arbeitsanweisungen in Kraft, finden regelmäßige Hygieneschulungen zu


Das Herz der Klosterbrauerei – das Sudhaus. Alexander Reiss, seit über 15 Jahren Betriebsleiter der Klosterbrauerei.

Abstand und größtmögliche Hygiene – der Gär- und Lagerkeller der Klosterbrauerei. Ein hygienisch besonders sensibler Bereich: die Hefetanks mit den eigenen Reinzuchthefen.


Körperhygiene, Handhygiene, Handschuhhygiene, Arbeitskleidung und Verhalten bei Krankheit statt. Alle Konzepte nutzen aber nur, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitziehen. Durch Mails und Aushänge haben wir selbst immer wieder an die nun vertraute AHA+L-Formel des Robert Koch Institutes erinnert.
Welche Auswirkungen zeigen sich mit Blick auf den Absatz?
Grundsätzlich sind wir deutschlandweit für alle zehn Sorten unserer Klosterbiere lieferfähig. Wir bauen ständig neue Lieferwege auf, um die Andechser Klosterbiere an die gewohnten Verkaufsstellen zu bringen. Das heißt auch, dass wir mit Hilfe unseres eigenen Fuhrparks Kunden im Getränkefachgroßhandel und im Getränkefachhandel verstärkt selbst beliefern. Wir haben uns alle miteinander mächtig ins Zeug gelegt, sodass wir mit Blick auf den Absatz per Ende Oktober noch deutlich besser dastehen als der Durchschnitt der bayerischen Braubranche. Sicherlich liegen wir mit dem Fassbier- bzw. Gastronomiegeschäft und dem Export-Geschäft aufgrund der aktuellen Lage zurück, aber diese Rückgänge konnten wir durch ein stabiles Flaschen-Geschäft recht gut ausgleichen.
Ist es ein Vorteil, beim Kloster angestellt zu sein?
Es ist definitiv ein Vorteil, ein Kloster als Eigentümer der Brauerei zu haben – besonders jetzt. Was ich aber immer wieder erlebt habe in diesen 15 Jahren ist, dass die Mönche uns Mitarbeitern vertrauen, dass sie uns Zeit geben und dass wir Gelegenheiten haben, intensiv über verschiedene Szenarien ganz offen und ohne Denkverbote zu diskutieren. So ist es mit einem Kloster als Arbeitgeber und Eigentümer im Rücken einfacher, einen langen Atem zu bewahren. Das merkt man besonders daran, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilweise schon seit Jahrzehnten hier arbeiten. Man rückt einfach näher zusammen.
Verstärkt Corona das Bedürfnis nach regionalen Produkten?
Viele Gespräche mit unseren Partnern und auch mit Besuchern hier in Andechs kreisen immer wieder um die gleichen Themen: Wir leben in unsicheren Zeiten. Viele Gewissheiten brechen weg. Heimat, Freunde, Familie und Gesundheit werden vielen wieder wichtig. Da hinein pflegen wir mit unseren Bieren und der Gastlichkeit am Heiligen Berg ein Stück Heimat, das man beim Genuss unserer Biere schmecken kann. Deshalb werden wir auch weiterhin keine Kooperationen eingehen oder Lizenzen vergeben, sondern konsequent unsere „reale Markenwelt“ in Andechs stärken und damit auch unsere einzige Braustätte, in die die klösterliche Gemeinschaft in den letzten 15 Jahren insgesamt 30 Millionen Euro investiert hat. Wir sind überzeugt, dass Regionalität bei der Kaufentscheidung in Zukunft eine noch größere Rolle spielen wird.
Was vermissen Sie? Was lernen Sie aus der Coronakrise?
Diese Zeit führt mir vor Augen, was wirklich wichtig ist: dass wir gesund sind, dass wir eine Arbeit haben, die Sinn macht, dass wir zusammen stehen und dass wir das, was uns eint, über das stellen, was uns trennt. Besonders vermisst habe ich in dieser Zeit den direkten Kontakt mit den Gästen, das Beisammensein mit den Kunden, die uns besuchen, die Begegnung mit den Menschen, die den Heiligen Berg Bayerns aufsuchen wegen dieser ganz besonderen Atmosphäre. Die ist es, die Menschen unabhängig von Herkunft, Religion, Kultur oder Sprache hier seit Jahrhunderten zusammenbringt und ein Stück Gemeinschaft erleben lässt.