Stephen Tharp präsentiert Petr Eben's "Faust"

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Cappenberger Orgelsommer 2016

21. August 2016, 17:00 Uhr

Stephen Tharp, New York City, USA präsentiert an der Cappenberger Vorenwegorgel

FAUST – eine Komposition in neun Szenen von Petr Eben nach Motiven aus der Tragödie des Johann Wolfgang von Goethe

mit Erläuterungen des Komponisten und Versen des Dichters, vorgetragen von Pater Altfried Kutsch OPraem, Stiftskirche Cappenberg


2 Faust:

Goethe?

Eben!

FAUST – Eine Komposition von Petr Eben in neun Szenen, nach der gleichnamigen Tragödie des Johann Wolfgang von Goethe

Petr Eben

* 22. Jan 1929 in Žamberk, Tschechoslowakei † 24. Okt 2007 in Prag,Tschechien

Anmerkungen von Petr Eben zu seiner Komposition des Faust: Während der letzten zwei Jahre des Zweiten Weltkriegs war ich im Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar interniert. So schon in früher Kindheit schonungslos mit dem Bösen konfrontiert, bin ich immer wieder im Laufe meines Lebens auf die Frage von Gut und Böse zurückgekommen. Dieses Thema hat mein künstlerisches Schaffen immer beeinflusst. Mein Orgelzyklus Faust stammt aus dem Jahr 1980. Für diese Arbeit hatte ich mir selbst die Aufgabe gestellt, der Polarität von Gut und Böse in dieser einen Person Ausdruck zu verleihen, den Kampf dieser widerstreitenden Elemente innerhalb von Faust’s Charakter zu demonstrieren. Das ist der Grund, warum ich suchte, diese beiden Einflüsse in dem einen Instrument auch musikalisch zu realisieren. Folglich gab ich der Orgel eine zweifache Rolle, indem ich ihrem ehrwürdigen, traditionellen Stil den trivialen, gemeinen Klang eines Leierkastens hinzufügte. Dadurch gewährt uns der Faust-Zyklus einen Einblick in den ewigen Kampf im Wesen eines jeden Menschen.


3 Anmerkungen von Petr Eben zu den jeweiligen Sätzen der Suite und ausgewählte Verse aus den entsprechenden Passagen des “Faust” PROLOG Der Prolog bereitet die Szene für das ganze Stück: Vom Himmel her blicken die Erzengel auf die Erde herab, auf der Licht und Dunkel, Tag und Nacht, Ruhe und Sturm in rascher Folge wechseln. Unter Verwendung der Extreme im gesamten Umfang der Orgel werden diese Kontraste in Klang umgesetzt. Tiefe Cluster lautmalen den Weg, auf dem Mephistopheles aus den Tiefen der Hölle hervorkriecht, um zu Gott zu sprechen. Umspielt wird dies mit der Antiphon “Gloria laus” der Palmsonntagsprozession, die in unterschiedlichen Gestaltungen erklingt. Raphael:

Die Sonne tönt, nach alter Weise, In Brudersphären Wettgesang, Und ihre vorgeschriebne Reise Vollendet sie mit Donnergang. Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke, Wenn keiner sie ergründen mag; die unbegreiflich hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag. Gabriel:

Und schnell und unbegreiflich schnelle Dreht sich umher der Erde Pracht; Es wechselt Paradieseshelle Mit tiefer, schauervoller Nacht. Es schäumt das Meer in breiten Flüssen Am tiefen Grund der Felsen auf, Und Fels und Meer wird fortgerissen Im ewig schnellem Sphärenlauf.


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Michael:

Und Stürme brausen um die Wette Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer, und bilden wütend eine Kette Der tiefsten Wirkung rings umher. Da flammt ein blitzendes Verheeren Dem Pfade vor des Donnerschlags. Doch deine Boten, Herr, verehren Das sanfte Wandeln deines Tags. Zu drei:

Der Anblick gibt den Engeln Stärke, Da keiner dich ergründen mag, Und alle deine hohen Werke Sind herrlich wie am ersten Tag.

(Bildquelle: Liebig’s Sammelbilder)


MYSTERIUM

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Allein in seinem Arbeitszimmer, sucht Faust, müde und durch die Unfruchtbarkeit seiner wissenschaftlichen Bestrebungen desillusioniert, mit Hilfe eines Buchs voller magischer Sprüche die Geister der Erde herbei zu zaubern. Seltsame, tiefe Töne zu Beginn des Satzes umschreiben seine magischen Experimente, nach und nach belebt durch das mysteriöse Erscheinen der Geister. Es erscheint der Geist der Erde, der dem Faust enthüllt, dass er als Mensch den Geistern nie gleichen, nie mehr als seinen eigenen Geist erfassen kann. Frustriert, wendet sich Faust erneut den Büchern zu und glaubt schließlich, im Selbstmord den einzigen Ausweg aus der Ziellosigkeit seiner Existenz zu erkennen. Faust:

Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor; Heiße Magister, heiße Doktor gar Und ziehe schon an die zehen Jahr Herauf, herab und quer und krumm Meine Schüler an der Nase herum – Und sehe, daß wir nichts wissen können! Das will mir schier das Herz verbrennen. Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel – Dafür ist mir auch alle Freud entrissen, Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,


6 Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, Die Menschen zu bessern und zu bekehren. Auch hab ich weder Gut noch Geld, Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt; Es möchte kein Hund so länger leben! Drum hab ich mich der Magie ergeben, Ob mir durch Geistes Kraft und Mund Nicht manch Geheimnis würde kund; Daß ich nicht mehr mit saurem Schweiß Zu sagen brauche, was ich nicht weiß; Daß ich erkenne, was die Welt Im Innersten zusammenhält, O sähst du, voller Mondenschein, Zum letzenmal auf meine Pein, Den ich so manche Mitternacht An diesem Pult herangewacht: Dann über Büchern und Papier, Trübsel'ger Freund, erschienst du mir! Ach! könnt ich doch auf Bergeshöhn In deinem lieben Lichte gehn, Um Bergeshöhle mit Geistern schweben, Auf Wiesen in deinem Dämmer weben, Von allem Wissensqualm entladen, In deinem Tau gesund mich baden! Es wölkt sich über mir – Der Mond verbirgt sein Licht – Die Lampe schwindet! Es dampft! Es zucken rote Strahlen Mir um das Haupt – Es weht


7 Ein Schauer vom Gewölb herab Und faßt mich an! Ich fühl's, du schwebst um mich, erflehter Geist Enthülle dich! Ha! wie's in meinem Herzen reißt! Zu neuen Gefühlen All meine Sinnen sich erwühlen! Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben! Du mußt! du mußt! und kostet es mein Leben!

(Eugène Delacroix, Faust in seinem Arbeitszimmer)


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LIED DES BETTLERS Diese bezaubernde kleine Genremalerei löst die Spannung des vorhergehenden Satzes fröhlich auf. Städter, gekleidet in ihren besten Sonntagsstaat, flanieren im Anschluss an die österliche Frühmesse in Richtung der Tore der Stadt. Ein Bettler mit seiner Drehorgel erheischt mit Komplimenten ihre Aufmerksamkeit - und womöglich die eine oder andere milde Gabe. Musikalisch drängt sich der Klang seines Leierkastens in den Vordergrund, verklingt aber so abrupt, wie der Bettler die Szene verlässt. Bettler:

Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen, So wohlgeputzt und backenrot, Belieb es euch, mich anzuschauen, Und seht und mildert meine Not! Laßt hier mich nicht vergebens leiern! Nur der ist froh, der geben mag. Ein Tag, den alle Menschen feiern, Er sei für mich ein Erntetag.

(Heinrich Zille, Berliner Leierkastenmann [gespiegelt])


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OSTERCHORÄLE: TE DEUM und ALLELUJA

In Goethes Schauspiel wird Faust vom Selbstmord abgehalten, als er den Klang von Chören vernimmt, die in der Frühmesse des Osterfestes singen und die in der Eröffnung dieses Satzes symbolisiert werden durch festliche Trompetenfanfaren, die ihn vom Abgrund des Todes zurückreißen. Zwei gregorianischen Melodien klingen auf: zunächst das “Te Deum” in weichen Pedaltönen und dann das österliche “Alleluja”, gespielt im Manual. Zum Ende hin kehrt noch einmal die Fanfare als Improvisation auf der Solo-Trompete zurück, gesetzt über einen voluminösen Oster-Choral, wie von der ganzen großen Festversamlung gesungen. Chor der Engel:

Christ ist erstanden! Freude dem Sterblichen, Den die verderblichen, Schleichenden, erblichen Mängel unwanden.

Christ ist erstanden! Selig der Liebende, Der die betrübende, Heilsam und übende Prüfung bestanden.

Faust:

Was sucht ihr, mächtig und gelind, Ihr Himmelstöne, mich am Staube? Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind. Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind. Zu jenen Sphären wag ich nicht zu streben, Woher die holde Nachricht tönt; Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt, Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben. Sonst stürzte sich der Himmelsliebe Kuß Auf mich herab in ernster Sabbatstille; Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fülle, Und ein Gebet war brünstiger Genuß;


10 Ein unbegreiflich holdes Sehnen Trieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn, Und unter tausend heißen Tränen Fühlt ich mir eine Welt entstehn. Dies Lied verkündete der Jugend muntre Spiele, Der Frühlingsfeier freies Glück; Erinnrung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle, Vom letzten, ernsten Schritt zurück. O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder! Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder! Chor der Engel:

Christ ist erstanden, Aus der Verwesung Schoß. Reißet von Banden Freudig euch los! Tätig ihn preisenden, Liebe beweisenden, Brüderlich speisenden, Predigend reisenden, Wonne verheißenden: Euch ist der Meister nah, Euch ist er da!


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STUDENTENLIEDER

Zu Beginn ihrer Abenteuer besuchen Faust und Mephistopheles Auerbachs Keller in Leipzig. Der Kontrast zwischen den heiligen Oster-Hymnen und den rohen Trinklieder der Studenten ist beabsichtigt und wird verstärkt durch die frivole Begleitung des Leierkastens. Ein "scholastisches" Element erzeugen die kurzen, Bach-artigen Phrasen, die in die Lieder der Studenten eingewoben sind, die, je betrunkener sie werden, mehr und mehr aus Takt und Melodie geraten – hier dargestellt durch ständige Modulationen in den Harmonien und den Tonlagen. Frosch:

Will keiner trinken? keiner lachen? Ich will euch lehren Gesichter machen! Ihr seid ja heut wie nasses Stroh, Und brennt sonst immer lichterloh. Brandner (auf den Tisch schlagend):

Paßt auf! paßt auf! Gehorchet mir! Ihr Herrn, gesteht, ich weiß zu leben Verliebte Leute sitzen hier, Und diesen muß, nach Standsgebühr, Zur guten Nacht ich was zum besten geben. Gebt acht! Ein Lied vom neusten Schnitt! Und singt den Rundreim kräftig mit! Es war eine Ratt im Kellernest, Lebte nur von Fett und Butter, Hatte sich ein Ränzlein angemäst't, Als wie der Doktor Luther. Die Köchin hatt ihr Gift gestellt; Da ward's so eng ihr in der Welt, Als hätt’ sie Lieb im Leibe. Chorus (jauchzend):

Als hätt’ sie Lieb im Leibe.


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Brandner:

Sie fuhr herum, sie fuhr heraus, Und soff aus allen Pfützen, Zernagt', zerkratzt, das ganze Haus, Wollte nichts ihr Wüten nützen; Sie tät gar manchen Ängstesprung, Bald hatte das arme Tier genung, Als hätt’ es Lieb im Leibe. Chorus:

Als hätt’ es Lieb im Leibe. Brandner:

Sie kam vor Angst am hellen Tag Der Küche zugelaufen, Fiel an den Herd und zuckt, und lag, Und tät erbärmlich schnaufen. Da lachte die Vergifterin noch: Ha! sie pfeift auf dem letzten Loch, Als hätt’ sie Lieb im Leibe. Chorus:

Als hätt’ sie Lieb im Leibe. Mephistopheles:

Wenn ich nicht irrte, hörten wir Geübte Stimmen Chorus singen? Gewiß, Gesang muß trefflich hier Von dieser Wölbung widerklingen! Frosch:

Seid Ihr wohl gar ein Virtuos? Mephistopheles:

O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß.


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GRETCHEN

Einsam in ihrem Zimmer, drehen sich Gretchens Gedanken nur noch um Faust, der so plötzlich ihr Leben verändert hat, und in den sie sich all ihrer Bedenken zum Trotz unsterblich verliebt hat. Die schwingende Dynamik in den wiederkehrenden Noten, verteilt über die Manuale, erzeugt das Bild des in seinen Gedanken stockenden, schluchzenden Mädchens, begleitet vom monotonen Surren des Spinnrads. In diesem ihrem zweiten Monolog sieht sich Gretchen davonfliegen wie einen Vogel. Dieses Stück ist das einzig wirklich lyrische in der gesamten Suite. Es zeichnet ein leidenschaftliches Bild von Gretchens Einsamkeit und Verletzlichkeit. Gretchen am Spinnrade allein:

Meine Ruh ist hin, Mein Herz ist schwer; Ich finde sie nimmer und nimmermehr.

Wo ich ihn nicht hab, Ist mir das Grab, Die ganze Welt Ist mir vergällt.

Mein armer Kopf Ist mir verrückt, Meiner armer Sinn Ist mir zerstückt.

Meine Ruh ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer und nimmermehr.

Nach ihm nur schau ich Zum Fenster hinaus, Nach ihm nur geh ich Aus dem Haus.

Sein hoher Gang, Sein edle Gestalt, Seines Mundes Lächeln, Seiner Augen Gewalt,

Und seiner Rede Zauberfluß, Sein Händedruck, Und ach! sein Kuß!

Meine Ruh ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer und nimmermehr.


14 Mein Busen dr채ngt Sich nach ihm hin, Ach d체rft ich fassen Und halten ihn,

Und k체ssen ihn, So wie ich wollt, An seinen K체ssen Vergehen sollt!

(J. H. Ramberg, Gretchen am Spinnrad; in Kupfer gestochen von C. A. Schwerdgeburth; Quelle: www.goethezeitportal.de)


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REQUIEM

Gretchen wird beim Requiem für ihre Mutter und ihren Bruder, für deren beider Tod sie unwissentlich verantwortlich ist, durch Vorwürfe des bösen Geistes gequält. Das Requiem lautmalt mit der läutenden Glocke und den fallenden, chromatischen Klängen des “Dies irae” das Wehklagen und die Trauer einerseits, und zugleich in der Unerbittlichkeit der nackten und miteinander kollidierende Oktaven die brennende Reue eines Gewissens, das die Last des Verbrechens trägt, voller Bitterkeit und ohne Hoffnung und Trost. Dom: Amt, Orgel und Gesang. Gretchen unter vielem Volke. Böser Geist hinter Gretchen. Böser Geist:

Wie anders, Gretchen, war dir's, Als du noch voll Unschuld Hier zum Altar tratst Aus dem vergriffnen Büchelchen Gebete lalltest, Halb Kinderspiele, Halb Gott im Herzen! Gretchen! Wo steht dein Kopf? In deinem Herzen Welche Missetat? Betst du für deiner Mutter Seele, die Durch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief? Auf deiner Schwelle wessen Blut? – Und unter deinem Herzen Regt sich's nicht quillend schon Und ängstet dich und sich Mit ahnungsvoller Gegenwart?


16 Grimm faßt dich! Die Posaune tönt! Die Gräber beben! Und dein Herz, Aus Aschenruh Zu Flammenqualen Wieder aufgeschaffen, Bebt auf! Verbirg dich! Sünd und Schande Bleibt nicht verborgen. Luft? Licht? Weh dir! Ihr Antlitz wenden Verklärte von dir ab. Die Hände dir zu reichen, Schauert's den Reinen. Weh!

(J. H. Ramberg, Gretchen vor der Mater Dolorosa [Detail]; in Kupfer gestochen von F. X. Eißner; Quelle: www.goethezeitportal.de)


WALPURGISNACHT

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Der Hexensabbat – ein vollkommener und schockierender Kontrast zwischen Gretchens bitterer Reue und Fausts unachtsamer Sorglosigkeit. Zu den Klängen des “Dies irae” einerseits und denen der Polkas und Walzer tanzt der Mob auf dem Brocken. Eben gestaltet die Szene sehr lebhaft: der Leierkasten erklingt mit voller Kraft, dazu das infernalische Treiben der Hexen – zusammengesetzt zu einer Travestie von Luthers Choral “Aus tiefer Not.” Faust und Mephistopheles, geführt vom Irrlicht, nehmen sogleich Teil an diesem Tanz. Das aufbrausende Motiv des Chorals “Aus tiefer Not” im Fortissimo des Pedals kündigt das Jüngste Gericht an, dessen unmittelbar bevorstehenden Anbruch sich die Nachtschwärmer nicht vorstellen können. So bleibt es zunächst ungehört, ehe es mit seiner erschreckenden Botschaft die Walzerseligkeit zerschlägt. Beide Chöre:

Es schweigt der Wind, es flieht der Stern, Der trübe Mond verbirgt sich gern. Im Sausen sprüht das Zauberchor Viel tausend Feuerfunken hervor. Es trägt der Besen, trägt der Stock Die Gabel trägt, es trägt der Bock Wer heute sich nicht heben kann Ist ewig ein verlorner Mann. Die Salbe gibt den Hexen Mut, Ein Lumpen ist zum Segel gut Ein gutes Schiff ist jeder Trog Der flieget nie, der heut nicht flog.


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Mephistopheles, der auf einmal sehr alt erscheint:

Zum Jüngsten Tag fühl ich das Volk gereift, Da ich zum letztenmal den Hexenberg ersteige, Und weil mein Fäßchen trübe läuft, So ist die Welt auch auf der Neige. Faust:

Mephisto, siehst du dort Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen? Sie schiebt sich langsam nur vom Ort, Sie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen. Ich muß bekennen, daß mir deucht, Daß sie dem guten Gretchen gleicht. Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missetäterin im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt, das holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin! – Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit!

(L. Richter, Hexentanz; Quelle: www.goethezeitportal.de)


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EPILOG

Nach dem hemmungslosen Treiben der Walpurgisnacht ist der Epilog ruhig und still, wie ausgespannt zwischen Himmel und Erde. Die Kontraste von Höhe und Tiefe erinnern zwar an den Prolog, erscheinen hier aber in eine Atmosphäre des Friedens und der Versöhnung getaucht. Der Choral “Aus tiefer Not” zeigt, nun nicht mehr ernst und bedrohlich im Pedal, sondern pianissimo mit Flötenstimmen hoch über die tiefen Akkorde der linken Hand gesetzt, versinnbildet die befreite Seele, die wie eine Taube über dem Abgrund der Unterwelt hinwegfliegt - wohl noch zitternd vom Erleben des Todes und bangend um ihre Aufnahme in den Himmel; eine Aufnahme allerdings, die ihr die Ruhe des letzten C-Dur-Akkords doch zu gewährleisten scheint. Pater profundus

Wie Felsenabgrund mir zu Füßen Auf tiefem Abgrund lastend ruht, Wie tausend Bäche strahlend fließen Zum grausen Sturz des Schaums der Flut, Wie strack mit eignem kräftigen Triebe Der Stamm sich in die Lüfte trägt: So ist es die allmächtige Liebe, Die alles bildet, alles hegt. Pater seraphicus

Steigt hinan zu höherm Kreise, Wachset immer unvermerkt, Wie, nach ewig reiner Weise, Gottes Gegenwart verstärkt. Denn das ist der Geister Nahrung, Die im freisten äther waltet: Ewigen Liebens Offenbarung, Die zur Seligkeit entfaltet.


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Engel, schwebend in der höheren Atmosphäre, Faustens Unsterbliches tragend:

Gerettet ist das edle Glied Der Geisterwelt vom Bösen,

Wer immer strebend sich bemüht, Den können wir erlösen. Und hat an ihm die Liebe gar Von oben teilgenommen, Begegnet ihm die selige Schar Mit herzlichem Willkommen.

(J. H. W. Tischbein, Goethe in der Campagna [Ausschnitt]; Quelle: www.wikipedia.de)

© des Programmheftes: Kath. Pfarramt St. Johannes Evangelist, 59379 Selm-Cappenberg


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