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Alpine Spielwiese im Winter
from Bergauf #5.2024
Auf der ruhigen Seite der Zillertaler Alpen.
von Barbara Jenewein & Thomas Senfter
Ausblick auf die idyllische Winterlandschaft am Talschluss Vals.
Der kleine Ort St. Jodok liegt auf einer Höhe von 1.129 m ca. 30 km südlich von Innsbruck. Von hier aus zweigen die beiden Bergtäler, das Schmirn- und das Valsertal, ab. St. Jodok selbst ist eigentlich keine eigene Gemeinde. Der Bach bildet hier die Grenze zwischen den beiden Gemeinden Vals und Schmirn. Alles südlich des Baches gehört zur Gemeinde Vals, nördlich zur Gemeinde Schmirn.
Aber hier soll es nicht um Grenzen gehen, denn eigentlich ist alles „eins“, nämlich ein Bergsteigerdorf. Seit 2012 ist „St. Jodok, Schmirn- und Valsertal“ im Kreis der Bergsteigerdörfer vertreten. Die Initiative hat die Region dabei unterstützt, die richtige Positionierung zu finden, und somit wesentlich dazu beigetragen, die in den 2000er-Jahren rückläufigen Nächtigungszahlen wieder deutlich zu steigern. Auch die Wirtin des Alpengasthofs Steckholzer am Hochplateau Padaun, Martina Wolf, meint:
Durch den Beitritt zu den Bergsteigerdörfern kommen endlich genau diejenigen Gäste, die zu uns und zur Region passen. Sie finden genau das vor, was sie sich erwarten: Ruhe, Natur und Einfachheit.
Diese Eigenschaften findet man in beiden Tälern zur Genüge vor. Das Valsertal wurde bereits 1942 als Naturschutzgebiet ausgewiesen, ist somit eines der ältesten Schutzgebiete Tirols und hat sich dadurch seine Ursprünglichkeit in einer Art und Weise bewahrt, wie man sie heutzutage nur mehr selten vorfindet. Im Winter ist die Region vor allem als schneesicheres Schneeschuh-, Winterwander- und Skitourengebiet bekannt und hält für jede Könnensstufe Touren bereit. Zudem ist der Talschluss des Valsertales für die großen Nordwände wie Fußstein, Schrammacher, Sagzahn, Sagwand, Hohe Warte und Hohe Kirche berühmt. Wir wollen hier aber die weniger bekannten Seiten vorstellen.
Eisklettern im Valsertal
Im Winter wird hier an gefrorenen Wasserfällen geklettert. Der legendäre Andreas Orgler sowie lokale Eiskletterer pilgerten mit ihren Eispickeln und Steigeisen bereits in den 1980er-Jahren jeden Winter nach Vals, um dort an den Eisfällen abenteuerliche Stunden zu verbringen.
Insbesondere in den letzten Jahren hat sich das Valsertal zum Tiroler Hotspot in der frühen Eisklettersaison (November–Dezember) entwickelt. Während es in anderen Gebieten oft noch zu warm ist, findet man zu Beginn der Saison oft schon sehr gute Verhältnisse vor. Die Höhenlage von ca. 1.800 m und die schattige Lage (Nord) sind hierbei die zwei eisbringenden Faktoren.

Man findet im Gebiet sowohl viele ältere Linien als auch aktuelle Erstbegehungen der letzten Jahre. Der Eiskletterführer Tirol (Alpinverlag) listet einige der Eisklettermöglichkeiten im Valsertal (Aufzählung nicht vollständig):
Flittner Eisfall (230 m, WI3)
Sunblocker (3 Linien mit je ca. 200 m, bis WI6-, M4)
Oxytocin (20 m, WI5, M7+, Bohrhaken)
Rechter Flittner Eisfall (330 m, WI3+)
Gully Arena (mehr als 10 Linien mit bis zu 200 m, WI3–5)
Mach 2 (145 m, M5)
Schwarze Witwe (800 m, WI6, M5)
Moonwalk (1.000 m, WI6, M7)
Vordere Zeischfälle (7 Linien mit bis zu 300 m, bis WI5, M4)
Hintere Zeischfälle (4 Linien mit bis zu 180 m, bis WI4+)
Drytooling in St. Jodok
Um sich bestmöglich auf die – meist recht kurze – Eisklettersaison vorzubereiten, empfiehlt sich ein Training durch Drytooling (Klettern mit Steigeisen und Eisgeräten am Fels). In St. Jodok gibt es dafür das perfekte Trainingsgelände – eine Drytooling Area mit vielen Routen zum Trainieren, Seiltechnik-Üben und auch für Kurse.
Eine Auswahl:
Drytooling-Klettergarten Toolpark (22 Linien zwischen D4 und D8+)
Drytooling-Klettergarten Oktoberrevolution (5 Linien zwischen D4 und D8)
Drytooling-Mehrseillängentouren Höhenfieber (11 Seillängen, D4) und Pfeilerweg (6 Seillängen, D6+)
Insbesondere von Oktober bis Dezember ist dieses Angebot sehr beliebt, da man bei (fast) jedem Wetter mit Eisgeräten und Steigeisen im Fels klettern kann. Die Routen sind gut abgesichert und es gibt kein Lawineneinzugsgebiet. Die Stafflacher Wand liegt ca. 15 Gehminuten oberhalb des Bahnhofs von St. Jodok und ist daher mit öffentlichen Verkehrsmitteln perfekt erreichbar.
Übrigens: In der Stafflacher Wand befinden sich neben dem Drytooling-Gebiet auch noch der beliebte Peter Kofler Klettersteig (Schwierigkeitsgrad C), mehr als 10 (Plaisir-)Mehrseillängen-Kletterrouten (Schwierigkeitsgrade von 4 bis 7) und zwei Klettergärten mit über 60 Routen.
Skitouren und Schneeschuhwandern im Schmirntal
Vor jedem Schneeschuh- oder Skitourenausflug stellen sich vorab die Fragen: „Wie sind die Verhältnisse vor Ort?“ und „Welche Touren lohnen sich gerade?“. Zur Beantwortung dieser Frage kann man vorab unzählige Quellen im Internet durchforsten – hier bietet sich das Alpenvereins Tourenportal alpenvereinaktiv.com an –oder man plant einfach den ersten Tag als Erkundungstag vor Ort ein.
Dafür ideal geeignet ist die Tour auf die Ottenspitze/Ultenspitze (800 hm) am Taleingang von Schmirn. Mit einem Fernglas hat man von hier die besten Ein- und Ausblicke über die gesamte Region und kann so recht schnell feststellen, wie die Schneesituation auf den umliegenden Tourenbergen (Sumpfkopf, Gammerspitze …) ist. Möglichkeiten gibt es im Schmirntal nämlich genug.
Die Besonderheit am Schneeschuh- und Skitourengebiet ist die große Bandbreite an Touren, die eine Tourenauswahl für jede Gruppensituation und Wetterlage erlaubt. Diese reicht von leichten, kurzen Waldtouren bei angespannter Lawinensituation über fast unendliche Pulverhänge bei stabiler Schneelage bis hin zur 2.000 hmHochtour auf den Olperer (3.476 m), wo abgesehen von der Schneeschuh-/Skitourenausrüstung auch die Hochtourenausrüstung mit dabei sein sollte.
Bei einer Einkehr im Gasthaus Olpererblick in Schmirn oder im Alpengasthof Steckholzer in Padaun werden zudem gerne weitere Auskünfte und Insidertipps geteilt, denn dort trifft sich die Skitouren- und Schneeschuhszene nach der Tour.

Über die Autor*innen: Barbara Jenewein ist im Tourismusverband Wipptal tätig, wo sie unter anderem die Bergsteigerdörfer vor Ort betreut.
Thomas Senfter ist neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit in der Umweltund Verfahrenstechnik als staatlich geprüfter Berg- und Skiführer v. a. im Wipptal unterwegs.
Beide Autoren stammen aus St. Jodok.
Info Pilotprojekt: Bergsteigerdorfschulen
Im Bergsteigerdorf gibt es seit zwei Jahren auch die ersten Bergsteigerdorfschulen. Die Initiative wurde von Helga Beermeister, Geschäftsführerin des TVB Wipptal, ins Leben gerufen. „Es ist uns wichtig, dass das gesamte Projekt und die damit verbundenen Werte auch von den Einheimischen von klein auf an mitgetragen werden.“ Dazu gibt es einmal pro Jahr im Rahmen des Sachunterrichts bei den Volksschülern einen Vortrag über die Bergsteigerdörfer und eine kleine Exkursion wie z. B. Schneeschuhwandern und Spurenlesen im Wald.