Bodenständig und kreativ: Stubentischler Friedl Trocker hat die Hände voll zu tun.
Friedls alte Stuben Der gelernte Tischler Friedl Trocker hat sich darauf spezialisiert, alte Stuben wieder in Schuss zu bringen. Kaum einer weiß mehr über Stuben zu erzählen als er.
I
n der Scheune oberhalb seiner Werkstatt hat Friedl gut hundert alte Holztüren gestapelt, viele verwittert, mit abgeblätterter Farbe und geschiefertem Schnitzdekor. Die früheren Eigentümer wollten die unansehnlichen Dinger loswerden, als sie ihr Haus umbauten. Friedl hat sie ihnen gerne abgenommen. Denn er hat die Fähigkeit, ihnen wieder die alte Würde und Schönheit zu verleihen. Das Rüstzeug für dieses Können erwarb er sich in jungen Jahren bei einem Tischlermeister des Ortes. Seine Liebe für altes, naturbelassenes Holz, für traditionelle Bauweisen, für authentische Originalität entwickelte sich nach und nach im Laufe der Jahre. Und irgendwann entschloss er sich, in seinem Elternhaus, dem Färberhof oberhalb von Seis, eine Werkstatt einzurichten und ab nun sein eigener Meister zu sein, mit Schwerpunkt Sanierung alter Holzeinrichtungen und Stuben. „Bis zu vierzehn Stuben pro Jahr habe ich in Stand gesetzt“, erzählt er. Heute muss er – nach einem schweren Arbeitsunfall – etwas kürzer treten. Doch seine Leidenschaft für Stuben ist geblieben. Sie blitzt aus seinen Erzählungen hervor, er kennt alle ihre lokalen Eigenheiten, ihre Entwicklungsgeschichte im Laufe der Jahrhunderte, ihre Entstehungsarten.
Text: Rosa Maria Erlacher Fotos: Helmuth Rier
20 ALPE | Winter
Warmer Wohnraum. „Auch in ganz alten Bauernhöfen war die Stube der gemütlichste Raum im Haus, der Versammlungsort für die meist zahl-
reiche Familie samt Gesinde, wo gemeinsam gegessen und gebetet wurde, sich Großeltern, Eltern und Kinder abwechselnd beim warmen Ofen ausruhten, die Frauen spannen und nähten, die Männer im Winter Körbe flochten oder bäuerliche Gebrauchsgegenstände flickten“, erzählt er. Die Stube war der einzige Raum, der im Winter beheizt war, durch einen gekalkten abgerundeten Ofen aus Schamotte oder Naturstein, dessen Befeuerung vom Flur aus erfolgt und der eine gleichmäßige Wärme ausstrahlt. „Deshalb führt auch immer eine Tür direkt von der Stube ins elterliche Schlafzimmer“, vertieft Friedl das Gespräch. Die wurde im Winter offengelassen, damit es für die Säuglinge und Kleinkinder nachts nicht zu kalt wurde. Ja, und zu jedem Bauernofen gehören unbedingt eine Ofenbrücke und eine Rundbank. Brücke nennt sich der hölzerne vierfüßige Aufbau über beziehungsweise rund um den Ofen, bestehend aus einer quadratischen Liegefläche – „zwecks Liegekomfort aus möglichst dünnen Holzbrettern gefertigt“ - mit Kopfablage und einem Gestänge rund um den Ofen, das zum Aufsteigen dient, aber auch zur behelfsmäßigen Wäschetrocknung. Um diesen Wohnraum noch besser gegen die Außenkälte zu schützen, wurde er innen komplett mit Holzbrettern vertäfelt, an allen vier Wänden sowieso und auch an der Oberdecke. „Andererseits gibt es ein Hochgebirgstal in Südtirol, wo den Stuben durchwegs die Deckentäfelung fehlt. Holz gibt es dort aber genug, daran kann es nicht gelegen ha- »