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Ein traditioneller schwäbischer Weihnachtstag –

oder die fiktive Geschichte ohne Weihnachtsmann ter den Baum, um dann zu behaupten, man habe gerade das Christkind aus dem Augenwinkel im Gabenzimmer gesehen und wisse auch nicht, wo die Geschenke plötzlich herkämen.

Nun folgte die Tradition, auf die sich vor allem unsere Männer besonders freuten – das Christbaum loben. Oder um es phonetisch korrekt zu schreiben, des Chrischdbaum loba Diese Tradition besteht im Wesentlichen darin, in der Nachbarschaft umherzulaufen und die Christbäume der andern mit Lob zu überhäufen, bis man mit einem Glas Schnaps, Likör oder ähnlichem belohnt wird. Je größer die Nachbarschaft, umso mehr Christbäume muss man natürlich auch anschauen und je länger man un- terwegs ist, umso einfallsreicher werden die Komplimente für die reichlich behangenen Bäumchen: „Dieser Baum ist die Marilyn Monroe unter allen Christbäumen!“, „Dieser Baum ist fast so schön wie seine Besitzerin!“, „Dieser Christbaum ist der Ferrari unter den Tannen!“ Hier mussten wir jedoch etwas tricksen, da diese Tradition normalerweise erst in den kommenden Weihnachtsfeiertagen begangen wurde, wir jedoch zeitlich etwas eingeschränkt waren. Doch auch hier zeigte sich, trotz sehr frühem Auftauchens fürs Christbaum loben, in der Nachbarschaft floss der Alkohol reichlich und die Laune stieg konstant.

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Das Licht des Tages neigte sich und es wurde langsam Zeit, sich fein zu ma- chen für das gemeinsame Weihnachtsessen. Wieder eine der Traditionen, die von den Männern sehr befürwortet wurde. Als alle geschniegelt und gestriegelt um den festlich gedeckten Tisch saßen, wurde vom Hausherrn die Weihnachtsgans angeschnitten und das Festmahl begann. Es wurde reichlich gegessen, getrunken, gelacht und geredet, bis alle Teller leer und alle Bäuche prall gefüllt waren.

Nach all der Schlemmerei begab man sich ins Wohnzimmer und hier begann endlich die Tradition, auf die ich mich am meisten gefreut hatte. Das gemeinsame Weihnachtslieder singen und das Lesen der Weihnachtsgeschichte aus der Bibel. Von „Stille Nacht, heilige Nacht“ bis „Es ist ein Ros entsprungen“ sangen Alt und Jung gemeinsam Melodien, die einfach nicht an Gefühl und Bedeutung verlieren. Und als alle Lieder verklungen waren, begann das Vorlesen – wo alle gemeinsam um den Christbaum sitzen, die Kerzen des Adventskranzes ihre flackernden Schatten an die Wände werfen und die wohlbekannten Worte der hoffnungsvollsten Geschichte der Christenheit das warme Zimmer durchdringen und alte Erinnerungen an vergangene Weihnachten auf Großvaters Schoß wecken.

Nach der Weihnachtsgeschichte ging es über zu dem Teil, auf den die Kinder der Familie schon voller Vorfreude tagelang gewartet hatten. Sie wurden in ihre vorher aufgeräumten Zimmer geschickt, die Tür zum Gabenzimmer verschlossen und die Zeit des Christkindes war angebrochen. Und wenn es alle Geschenke niedergelegt hatte, läutete es ein feines silbernes Glöckchen, damit alle Kinder wissen – endlich ist Bescherung! Mit strahlenden Augen rannten sie dann in das Gabenzimmer und packten ihre Geschenke aus. Manche voll wilden Eifers, andere langsam und bedacht. Und in den Gesichtern der

Erwachsenen konnte man sehen, dass ihnen das Beschenken der Kinder mindestens genauso viel Freude machte, wie das selbst beschenkt werden. Und ja, in dem Fall zählen auch erwachsene Studenten durchaus noch zu Kindern.

A ls alle Geschenke ausgepackt, gebührend bewundert und vielleicht auch schon ausprobiert worden waren, war es Zeit, sich für die letzte Tradition, die besinnlichste von allen, bereit zu machen. Die Christmette. Allein schon der nächtliche Spaziergang durch den sanft fallenden Schnee zur Dorfkirche hatte etwas fast schon heiliges, da al- ler Stress, alle Sorgen von einem abzufallen schienen und sich die Stille dieser besonderen Nacht im Kreise seiner Liebsten langsam und warm im eigenen kleinen Herz breitmachte. In der Kirche angekommen, wurde man von sanftem Kerzenschein und dem Rest der Dorfgemeinschaft begrüßt und verteilte sich gemeinsam in den alten Holzbänken. Warm eingepackt wurde dann auch schon das erste Lied angestimmt: „Macht hoch die Tür“ und nach einem schleppenden Start erschallte dann das ganze Gotteshaus von dem freudigen Gesang zur Geburt Jesu, des Retters, des Sohn Gottes, unseres Heilands. Und so sangen wir und brachten Dank und bemerkten nicht den Engel, der lächelnd auf dem Kirchturm sitzend saß und sprach: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“

Spätestens am Ende dieser Geschichte haben Sie wohl gemerkt, dass diese Weihnachtserzählung alleine meiner Fantasie und langwierigen Recherche entsprungen ist. Doch wenn ich mir einen perfekten Weihnachtstag wünschen könnte, dann würde er diesem hier sehr ähnlich sein.

Felicitas Steckler

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