SV Genderreport 2019/20

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SV GENDERREPORT Eine Erhebung zum Geschlechterverhältnis in der österreichischen Schüler_innenvertretung 2019/20


MHV: Aktion kritischer Schüler_innen Bundesorganisation Chefinnen*redaktion: Nina Mathies I Layout: Nina Mathies, Benno Kossatz I Redaktion: AKS Bundesorganisation I Quellen: SV-Genderreport der AKS, Bildungsdirektionen aller Bundesländer, Österreichisches Parlament Aktion kritischer Schüler_innen, Amtshausgasse 4, 1050 Wien, Österreich ZVR: 270200209 I DVR: 0763586 Wien, Juni 2020


Nur knapp 8% der Führungspositionen in Österreichs Unternehmen sind von Frauen* besetzt. Der Gender Pay Gap liegt noch immer bei circa 21% und etwa drei Viertel der Frauen* sind irgendwann in ihrem Leben von sexualisierter Gewalt oder Belästigung betroffen. Frauen* leisten weltweit zwar etwa zwei Drittel der Arbeit, sind aber in Führungspositionen, der Politik und in Vertretungsebenen immens unterrepräsentiert. Diese Fakten beweisen, dass wir noch immer in einer patriarchalen Gesellschaft leben, in der Frauen* strukturell benachteiligt und diskriminiert werden. Das beginnt nicht erst im Berufsleben, sondern ist schon viel früher spürbar. Denn auch in den Schulen lässt sich eine eindeutige Ungleichheit erkennen. Obwohl in Österreich mehr Frauen* die Sekundarstufe II besuchen, sitzen in den Vertretungspositionen - der SV, LSV und BSV – wesentlich mehr Männer* als Frauen*. Und das jedes Jahr aufs Neue. Auch hier ist klar zu erkennen: Umso höher die Position, desto weniger wahrscheinlich wird ein Amt von einer Frau* übernommen. Um diese Ungleichheiten aufzuzeichnen, Lösungsansätze zu bieten und aus einem rückschrittigen Denken herausbrechen zu können, werden mit dem SVGenderreport jährlich die Geschlechterverhältnisse auf Schul- Landes- und Bundesebene aufgezeigt. Dieser Bericht soll Frauen* nicht in eine Opferrolle drängen, sondern soll sie motivieren, selber Teil dieser Vertretungsebenen zu werden und ein Umdenken und Umlenken in den Vertretungsebenen zu starten. Wir brauchen gleichberechtigte Schulen, in denen allen die gleichen Chancen geboten werden können. Das momentan herrschende Ungleichgewicht in unseren Schulen, unserer Politik und unserer Gesellschaft muss offengelegt, hinterfragt und aufgebrochen werden.



Die größte Berufsgruppe Österreichs wird bei den meisten Statistiken, in denen Geschlechterverhältnisse analysiert oder erhoben werden, nicht genannt. In Österreich gibt es insgesamt 1,1 Millionen Schüler_innen.1 Die Schüler_innenvertretung (SV) stellt auf Schul-, Landes- und Bundesebene ein wichtiges Sprachrohr für Schüler_innen dar. Dass Schule kein abgetrennter Raum der Gesellschaft ist und sich dort ebenso gesellschaftliche Ungleichheiten manifestieren und Stereotype genauso wie Vorurteile und Rollenbilder vorherrschen, zeigen die Parallelen zwischen der SV und anderen politischen Vertretungsgremien. Diese Strukturen werden im SV-Genderreport aufgezeigt. Dieser spiegelt die ungleichen Geschlechterverhältnisse in den Schüler_innenvertretungen wider. Ziel des SV-Genderreports ist es einerseits, die unausgeglichenen Geschlechterverhältnisse als Missstände anzuerkennen und außerdem, die Ursachen für diese Verhältnisse zu beleuchten, Gründe für deren Struktur zu benennen und Lösungsansätze zu finden. Vorliegender Bericht zeigt die Anzahl der Kandidat_innen zur Schulsprecher_innenwahl, sowie das Verhältnis von Männern* und Frauen* in der gewählten Schüler_innenvertretung. Bei Berufsschulen wird zusätzlich die Anzahl der Tagessprecher_innen erhoben. Diese Zahlen stehen in Relation zur Gesamtanzahl der weiblichen* und männlichen* Schüler_innen der befragten Schulen. Der SV-Genderreport bezieht sich lediglich auf die von den Schulen, der Bildungsdirektionen oder der Landes- und Bundesschüler_innenvertretungen gemeldeten Daten. Es wurde explizit nach dem Verhältnis von Männern* und Frauen* gefragt, jedoch nicht nach der Anzahl nicht-binärer Schüler_innen, da diese Zahlen in den allermeisten Schulen nicht erhoben werden.

Die Reproduktion von Rollenbildern durch beispielsweise Medien und Erziehung hat Auswirkungen auf alle Menschen und deren Wahrnehmung auf Geschlechter. Unterschiedliche Eigenschaften und Rollen werden einander zugeschrieben – und damit einhergehend auch die Vorstellung, wer in welchen Bereichen als kompetent wahrgenommen wird. Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Stärke, Ernsthaftigkeit und auch sogenannte Führungskompetenzen werden eher Männern* zugeschrieben. Diese Rollenbilder haben starke Auswirkungen auf das Wahlverhalten bei der Schüler_innenvertretungswahl.

Die Verwendung einer bewussten und sensiblen Sprache bedeutet nicht nur die Sichtbarmachung von Frauen* in der Sprache, sondern auch von allen Menschen, die sich nicht in das binäre Geschlechtersystem (von Mann* und Frau*) einordnen können oder wollen. In der AKS wird daher vom sogenannten „Gender Gap“, also dem Unterstrich, Gebrauch gemacht. Anstatt von „Schülern“ zu sprechen, verwenden wir das Wort „Schüler_innen“. Dieser Unterstrich soll aufzeigen, dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt. Er soll Raum schaffen für alle Identitäten außerhalb, zwischen oder neben dem konventionellen Verständnis von „männlich“ und „weiblich“. Um auch bei personenbezogenen Wörtern, die das Geschlecht ausdrücken, (z.B. bei Schülerinnen*, Vätern* oder Frauen*) dieses binäre Geschlechtersystem zu hinterfragen, wird hier ein Sternchen ans Ende des Wortes gesetzt. Dieser „Gender Star“ soll durch eine kleine Irritation beim Lesen daran erinnern, dass die Normvorstellung eines weißen, körperlich befähigten, cisgender Mädchens nicht auf alle Mädchen* zutrifft. 2 z.B.: intergeschlechtliche oder trans*gender Schüler_innen 1


Es ist wichtig, Schüler_innen dazu anzuregen, gängige Stereotype und Rollenbilder zu hinterfragen und ein Bewusstsein für ungerechtfertigte und einschränkende Rollenzuschreibungen zu entwickeln. Dahingehende Sensibilisierungsarbeit kann als Maßnahme zur Änderung der momentanen Strukturen gesehen werden – und damit ungleichberechtigenden Tendenzen sowohl in der Schule als auch in der Gesellschaft entgegenwirken.

Zum ersten Mal werden in dieser Erhebung auch die Berufsschulen (BS) miteinbezogen. Dies war in den Jahren davor aufgrund von mangelnder Rückmeldung nicht möglich. Noch immer ist klar zu erkennen, dass allgemeinbildende höhere Schulen (AHS) und berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS) im größeren Umfang an der Erhebung teilnehmen, jedoch sind die Zahlen in diesem Jahr aussagekräftig genug, um sie in den Bericht aufzunehmen. Die Anzahl der Frauen* in Vertretungsebenen des Berufsschulbereich sind, zumindest dieses Jahr, um einiges geringer als die des AHS oder BMHS Bereichs, was im Gesamten auch Auswirkungen auf den Unterpunkt „Überblick“ hat. Da heuer auch die Berufsschulen miteinberechnet sind, wirkt der Unterschied zum Vorjahr im allgemeinen Überblick etwas größer als dieser tatsächlich ist.


Für Schüler_innen stellt die Schule einen Lebensraum dar, in dem sie den Großteil ihrer Zeit verbringen. Es ist also unvermeidbar, Verbesserungen im Schulalltag zu ermöglichen, sodass die Schule zu einem Ort wird, an dem die vielen Stunden gerne und in angenehmer Atmosphäre verbracht werden können. Doch die Interessen der Schüler_innen unterscheiden sich oftmals von denen der Lehrpersonen, der Verwaltung und der Eltern. Für schulspezifische Forderungen ist die SV der jeweiligen Schule gefragt, die die Interessen der gesamten Schüler_innenschaft vor den Eltern und den Lehrpersonen vertritt. Im Schulgemeinschaftsausschuss (SGA) haben der_die Schulsprecher_in und die beiden aktiven Stellvertreter_innen die Möglichkeit, dies zu tun. Hier werden schulbezogene Anliegen zwischen Lehrpersonal, Eltern und Schüler_innen diskutiert und abgestimmt. Die Wahl der SV-Mitglieder, die die Schüler_innen im SGA vertreten, läuft von Schule zu Schule unterschiedlich ab. Es gibt Schulen, an denen sich die Kandidat_innen mit einem Hearing präsentieren, an anderen Schulen wird wiederum nur die Möglichkeit gegeben, sich kurz vorzustellen. Zum Teil sind noch nicht einmal alle Schüler_innen einer Oberstufe wahlberechtigt, sondern nur die Klassensprecher_innen, obwohl dieser Umstand gegen die aktuelle Gesetzeslage verstößt. In diversen Schulen werden die SV-Wahlen auch komplett umgangen und stattdessen der_die älteste Schüler_in zum_r Schulsprecher_in gekürt, was der Gesetzlage besonders verstößt. Doch egal, ob die SV-Wahl nach Gesetz abläuft oder nicht, die Vertretung wird in die landesweite Wähler_innenevidenz eingetragen und hat dadurch das Recht, für die Landesschüler_innenvertretung zu kandidieren. Wählen darf diese jedoch nur der_die Schulsprecher_in oder im Falle einer Verhinderung ein_e Vertreter_in der aktiven Schüler_innenvertretung.

Jedes Bundesland hat eine Landesschüler_innenvertretung (LSV). Diese besteht aus drei Bereichen: allgemeinbildende höhere Schulen (AHS), berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS) und Berufsschulen (BS), wobei jeder Bereich – je nach Bundesland – vier bis zehn aktive Mitglieder hat. Die Aufgabe der LSV ist es zum einen, die Interessen der Schüler_innen vor dem Landesschulrat zu vertreten und zum anderen, die einzelnen Schüler_innenvertretungen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Die Wahl der Landesschüler_innenvertretung erfolgt am Ende des Schuljahres. Kandidieren können alle Schüler_innen, die in jenem Schuljahr aktive Mitglieder der SV waren. Wählen können jedoch nur die amtierenden Schulsprecher_innen bzw. ein_e Vertreter_in.


Die Bundesschüler_innenvertretung (BSV) setzt sich aus den drei Landesschulsprecher_innen jedes Bundeslandes und aus zwei Vertreter_innen der Zentrallehranstalten, die rechtlich keiner Bildungsdirektion, sondern direkt dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung unterstellt sind, zusammen. Die BSV wird also nicht mehr eigens gewählt. Dadurch, dass es für die BSV keine direkten Wahlen gibt, wird das Geschlechterverhältnis der Bundesschüler_innenvertretung erst nach den jeweiligen Wahlen zur Landesschüler_innenvertretung sichtbar. Die insgesamt 29 Mitglieder der BSV wählen am Anfang des Jahres aus ihrem Kreis den_die Bundesschulsprecher_in und drei Bereichssprecher_innen (AHS-, BMHS- und BS-Bereich), die auch gleichzeitig die Stellvertreter_innen des_der Bundesschulsprechers_in darstellen. Die BSV hat vom Gesetz her vor allem die Aufgabe, die Interessen der Schüler_innen vor dem Bildungsministerium und der Öffentlichkeit zu vertreten. Mit engagierten Vertreter_innen ist es auch hier möglich, innovative Projekte zu verwirklichen.

Grafik: AKS


Insgesamt wurden über 1000 Schulen der Sekundarstufe II angefragt, über 150 Schulen haben an der Erhebung teilgenommen, von einigen davon waren die Daten jedoch unvollständig. Für unsere Erhebung sind die vollständigen Daten von 276 AHS, BMHS und BS relevant. Diese umfassen 129.306 Schüler_innen. Durch die Erhebung der Kandidaturen, Geschlechterverhältnisse in der Schüler_innenvertretung und dem Geschlecht2 der Schulsprecher_innen, wurde ein Durchschnitt erfasst.

Hier beziehen wir uns lediglich auf die von der Schule oder der Bildungsdirektion übermittelte Daten. Wir wissen nicht, ob es sich hierbei um das bei der Geburt zugeordnete Geschlecht handelt – gehen aber zu einem Großteil davon aus. 2







Die drei Landesschulsprecher_innen jedes Bundeslandes bilden mit den Vertreter_innen der Zentrallehranstalten (ZLA) die Bundessch체ler_innenvertretung (BSV).

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Bundesschulsprecher_in: weiblich (BMHS)

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AHS-Bereichssprecher_in: m채nnlich

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BMHS-Bereichssprecher_in: m채nnlich

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BS-Bereichssprecher_in: m채nnlich

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ZLA-Sprecher_in: weiblich


Oft heißt es, dass Frauen* einfach kein Interesse haben, wenn gefragt wird, warum der weibliche* Anteil in Spitzenpositionen so gering ist. Auch in der schulischen Vertretung scheint diese Aussage auf den ersten Blick zu stimmen. Lediglich 38,77% der Schulsprecher_innen sind weiblich*. Fasst man jedoch z.B. die Anzahl an Schülerinnen* und Kandidatinnen* zu den SV-Wahlen ins Auge, so erkennt man, dass sich dieses Geschlechterverhältnis nicht auf einen Mangel an Interesse zurückführen lässt, sondern das Phänomen der gläsernen Decke zeigt. Die gläserne Decke bezeichnet in unserer Gesellschaft eine Struktur, die Frauen* daran hindert, Spitzenpositionen einzunehmen. Je höher die Position ist, desto weniger Frauen* nehmen sie ein. So gibt es auch in der SV insgesamt 44,83% Frauen*, jedoch nur 38,77% der Schulsprecher_innen sind weiblich. Dieses Faktum kann als direkte Auswirkung fehlender Vorbilder für Frauen* gesehen werden. Der Umstand, dass wenige Schülerinnen* in die SV und noch weniger zur Schulsprecherin* gewählt werden, kann als demotivierend und einschüchternd für andere Schülerinnen* gesehen werden, weshalb sich diese die nötigen Kompetenzen nicht zutrauen, um eine Aufgabe als Vertreterin* der Schüler_innen einzunehmen. Diagonal dazu gibt es einen Überhang an männlichen* Vorbildern, die Schülern* Mut machen und sie in ihrer ohnehin schon anerzogenen Rolle der Selbstbewussten noch mehr bestätigen. Vorbilder zu haben, die einer_einem Mut machen, sind auf jeden Fall gutzuheißen und auch wichtig – allerdings muss es diese ausgeglichen für Schüler* und Schülerinnen* geben. Nur so kann ungerechten Strukturen entgegengearbeitet werden. Hinzu kommt, dass Buben* aufgrund gesellschaftlicher Strukturen und Rollenbilder von vornherein mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen sowie Durchsetzungsvermögen anerzogen bekommen. Mädchen* lernen hingehen, still und brav zu sein, anstatt sich für ihre Meinungen stark zu machen. Daraus folgt, dass es für Frauen* nicht nur tendenziell eine größere Hemmschwelle gibt, sich zur Wahl als Schulsprecherin* aufstellen zu lassen, sondern Männern* auch eher Führungskompetenzen zugesprochen werden. Oft wird es Frauen* immer noch nicht zugetraut, eine leitende Funktion einzunehmen, und stattdessen wird der männliche Gegenkandidat* Wahlsieger. Diese Unsicherheit seitens der Schülerinnen* stellt einerseits einen hemmenden Faktor und gleichzeitig eine diskriminierende Struktur dar. Wie die Ergebnisse zeigen, gibt es die sogenannte gläserne Decke also bereits in der Schule. Betrachtet man die Zahlen der allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) differenzierter, wird dieses Phänomen noch stärker sichtbar. Obwohl Frauen* im AHS Bereich mit einem Anteil von 54,3% mehr als die Hälfte der Schüler_innen aufweisen, beträgt die Prozentzahl der Schulsprecherinnen* lediglich 33,3%. Im BMHS Bereich gibt es ebenfalls mehr Schülerinnen* als Schüler*. Doch sobald es zu Funktionen auf der Vertretungsebene kommt, wird der Anteil an Frauen* immer geringer. So beträgt die Anzahl weiblicher Schulsprecherinnen* in berufsbildenden mittleren und höheren Schulen nur noch 44,06%. Betrachtet man die Ebene der Landesschüler_innenvertretung, so findet man einen Frauen*anteil von 41,51%, in der Bundesschüler_innenvertretung jedoch nur 34,48%.


Bei den Wahlen zur Landesschüler_innenvertretung ist es üblich, dass sich Teams zur Kandidatur zusammenfinden. Ob dabei auf eine ausgewogene Geschlechterverteilung geachtet wird, ist vom jeweiligen Team abhängig. Hier entscheiden sich die wahlberechtigten Schüler_innen jedoch oft nicht mehr zwischen mehreren Kandidat_innen, sondern wählen in den meisten Fällen einen Teamvorschlag. Dadurch, dass die Bundesschüler_innenvertretung (BSV) nicht eigens gewählt wird, sondern sich aus den Landesschulsprecher_innen zusammensetzt, ist es hier umso wichtiger, junge Frauen* schon auf der untersten Ebene bewusst zu fördern und zu stärken, um gleichzeitig das Geschlechterverhältnis in der BSV repräsentativer zu gestalten.

Der SV-Genderreport soll nicht nur eine Erhebung sein, die aufzeigt, dass es bereits im Bildungssektor zum Phänomen der gläsernen Decke kommt. Er soll zudem dazu dienen, dass Ableitungen getroffen werden und Maßnahmen zur Frauen*- und Mädchen*förderung ergriffen und/oder verstärkt werden. Anstatt gesellschaftliche Missstände zu reproduzieren, eignet sich der schulische Rahmen, um diese kritisch zu hinterfragen. Daher ist die Bewusstseinsbildung direkt in der Schule ein wichtiger Prozess. Ein Ansatzpunkt sind die Schulbücher. Schüler_innen werden von Schulbüchern geprägt, die wiederum derzeitig gesellschaftliche Normen widerspiegeln. Hier werden oft Stereotypen reproduziert und gefestigt. Eine Auseinandersetzung mit Stereotypen in Schulbüchern reicht jedoch nicht aus. Es braucht ebenfalls eine weitere Sensibilisierung von Schulbuch Autor_innen, Lehrpersonen und Schüler_innen. Ein nächster Schritt wäre, die reflexive Koedukation verstärkt anzuwenden. Geschlechtergetrennter Unterricht stellt ein Element dieser dar. Mit dem Modell der reflexiven Koedukation soll die koedukative Praxis weiterentwickelt und neu gestaltet werden. Ziel ist es, ein gleichberechtigtes Zusammenleben und –lernen beider Geschlechter zu erreichen, sowie geschlechtsstereotype Rollenzuweisungen aufzulösen und alle notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten sowohl bei Mädchen* als auch bei Jungen* zu fördern. An vielen Schulen wird Genderbeauftragten kein Platz eingeräumt - die meisten Schüler_innen wissen nicht, dass es so eine Person an ihrer Schule gibt - oder es gibt sie de facto gar nicht. In Folge dessen kommt auch die diesbezügliche Sensibilisierungsarbeit zu kurz. Der Handlungsspielraum von Genderbeauftragten muss ausgebaut werden, denn nur so kann bewusst Aufklärungsarbeit an Schulen geleistet werden. Eine weitere Methode, um mehr Frauen* in die Vertretungsgremien zu bringen, ist die Einführung einer Frauen*quote auf allen Ebenen der Schüler_innenvertretung. Diese würde garantieren, dass mehr Schülerinnen* in der SV/LSV/BSV vertreten sind, und so ihre Kompetenz beweisen können, sowie auch Schülerinnen* repräsentiert werden. Dadurch würde einerseits der Idee, Frauen* hätten weniger Führungskraft und andererseits dem Fehlen weiblicher* Vorbilder effektiv entgegengewirkt werden. Eine Quotierung soll nicht das Ziel darstellen, sondern dient vielmehr als Mittel, um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis sicherzustellen. Eine zusätzliche Regelung, dass auf einen männlichen* Schulsprecher nicht erneut ein Mann* folgen kann, würde das Problem der überwiegenden Mehrheit männlicher* (Landes-)Schulsprecher lösen.


Es ist uns wichtig, mit dem SV-Genderreport aufzuzeigen, dass die Schule kein von gesellschaftlichen Mechanismen abgetrennter Raum ist und sich gesellschaftliche Benachteiligungen, Missstände und Diskriminierungen auch in der Schule abzeichnen. Politischer Bildung wird in unserem System immer noch nicht die Relevanz entgegengebracht, die ihr zusteht. In der Sekundarstufe II der allgemeinbildenden höheren Schulen gibt es noch nicht einmal ein eigenes Fach für Politische Bildung. Dabei ist es wichtig, dass die Schule auch ihrem politischen Bildungsauftrag nachkommt und Jugendliche zu kritischen und sensiblen Menschen macht, die bestehenden Ungleichheiten und Machtverhältnissen entgegenwirken. Und nicht nur das: Gleichberechtigung muss von der Schule ernstgenommen und im Alltag gelebt werden. Sexismus und männer*dominierte Strukturen dürfen keinen Platz haben. Die Reproduktion gesamtgesellschaftlicher Verhältnisse in der Schule führt dazu, dass junge Menschen schon früh ein männer*dominiertes Vertretungs- und Politikverständnis vermittelt bekommen – nicht nur in der politischen Sphäre, sondern auch in ihrem eigenen Umfeld. Diesen Umstand gilt es zu verändern! Daher ist es wichtig, direkt an den Schulen anzusetzen und sich verstärkt für die Aufhebung von Geschlechterungleichheiten einzusetzen. Denn nur eine progressive Schule kann eine Gesellschaft schaffen, in der allen die gleichen Chancen zustehen!


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