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Kein Entkommen mehr: EU-Verordnungen gegen Menschenrechtsverletzungen

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Kein Entkommen mehr: EU-Verordnungen gegen Menschenrechtsverletzungen

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Mit der Ende vergangenen Jahres geschaffenen Sanktionsverordnung kann die EU Menschenrechtsverletzungen gezielt bestrafen. Erste Maßnahmen gegen Personen etwa aus China wurden bereits verhängt. Wie sieht der rechtliche Rahmen aus? Und was müssen Unternehmen beachten?

Seit 7. Dezember 2020 verfügt die EU über ein neues Mittel im Kampf gegen Menschenrechtsverstöße. An diesem Tag haben die EU-Außenminister die Sanktionsverordnung (EU) 2020/1998 verabschiedet. Diese ermöglicht es, schnell und länderunabhängig auf Menschenrechtsverletzungen unterschiedlicher Art zu reagieren – etwa Folter, Misshandlungen, Hinrichtungen oder staatliche Willkür. Die verantwortlichen Personen oder Organisationen können unabhängig von ihrer Herkunft bestraft werden. Diese Möglichkeit bestand bislang nicht.

Verantwortliche gezielt bestrafen

Warum diese Verordnung so wichtig ist, verdeutlicht der Falls des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi. Die Verantwortung für dessen brutale Tötung wurde recht schnell im saudischen Königshaus vermutet und auch bestätigt. Eine Sanktionierung der verantwortlichen Personen seitens der EU war zum damaligen Zeitpunkt allerdings nicht möglich. Sanktionsmaßnahmen hätte die EU nur mittels eines Länderembargos gegen Saudi-Arabien erlassen können. Eine Rechtsgrundlage zur gezielten Bestrafung der Personen, die für die schwere Menschenrechtsverletzung verantwortlich waren, hatte die EU nicht.

EU-Verordnungen im Rückblick

Zwar hat die EU seit 2001 Verordnungen erlassen, die Sanktionen gegen einzelne Personen oder Organisationen ermöglichen. Diese zielten aber auf die Bereiche Terrorbekämpfung, chemische Waffen und Cyberangriffe. So hat die EU bereits seit dem Jahr 2001 ein Instrument zur gezielten länderunabhängigen Sanktionierung einzelner Personen oder Organisationen aus dem Terrorismusumfeld. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center im Jahr 2001 hatte die EU mit den sog. Anti-Terrorverordnungen 2580/2001 und 881/2002 die Rechtsgrundlagen für gezielte Sanktionsmaßnahmen in Form von Bereitstellungsverboten, Konteneinfrierungen und Einreisebeschränkungen gegen terroristische Vereinigungen und die Personen aus diesem Umfeld geschaffen.

Cyberangriffe und ChemiewaffenVerbreitung sanktionieren

Im Jahr 2018 hat die EU eine weitere Verordnung zur Sanktionierung der verantwortlichen Personen und Organisationen im Zusammenhang mit dem Fall Skripal erlassen (auf den britisch-russischen Doppelagenten und seine Tochter war ein Giftgasanschlag verübt worden). Durch die Sanktionsverordnung (EU) 2018/1542 kann die EU die Personen und Organisationen bestrafen, die für die Verbreitung chemischer Waffen verantwortlich gemacht werden. Mit der Sanktionsverordnung (EU) 2019/796 folgte dann im Jahr 2019 eine Rechtsgrundlage zur Sanktionierung von Personen und Organisationen, die für die Cyberangriffe gegen kritische Infrastrukturen innerhalb der EU verantwortlich gemacht werden.

Unterschiedliche Ziele, ähnliche Mittel

Betrachtet man die Sanktionsverordnungen der EU, stellt man zwar unterschiedliche Zielrichtungen fest, die inhaltliche Ausgestaltung der Sanktionsmöglichkeiten ist jedoch nahezu identisch. Die gelisteten Personen und Organisationen sollen finanziell ausgetrocknet werden. Außerdem bestehen gegen natürliche Personen Einreisebeschränkungen in die EU. Die für Wirtschaftsunternehmen in erster Linie relevanten unmittelbaren und mittelbaren Bereitstellungsverbote beziehen sich auf Vermögenswerte aller Art und sind folglich sehr weit gefasst. Welche Personen und Organisationen unter die Sanktionsmaßnahmen der EU fallen, ergibt sich in allen EU-Sanktionsverordnungen aus einer Namensliste, die sich im Anhang der jeweiligen Verordnung findet.

Die gelisteten Personen und Organisationen sollen finanziell ausgetrocknet werden. Außerdem bestehen gegen natürliche Personen Einreisebeschränkungen in die EU.

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Erste Anwendung im Fall Nawalny

Zurück zur Sanktionierung von schweren Menschenrechtsverletzungen: Mit der Sanktionsverordnung (EU) 2020/1998 vom 7. Dezember 2020 hat die EU wieder das oben beschriebene Muster weitergeführt. Mit der Verordnung kann sie jetzt Bereitstellungsverbote, Einreisebeschränkungen und Konteneinfrierungen gegen die Personen und Organisationen verhängen, die für schwere Menschrechtsverstöße verantwortlich gemacht werden.

Von der Möglichkeit der Sanktionierung von Menschenrechtsverletzungen hat die EU bereits zweimal Gebrauch gemacht (Stand April 2021): Im Fall Alexej Nawalny wurden die russischen Staatsfunktionäre sanktioniert, die für dessen Inhaftierung verantwortlich gemacht werden. Darunter finden sich derzeit unter anderem der Direktor des russischen Föderalen Strafvollzugsdienstes (FSIN) und der Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation.

Maßnahmen wegen Unterdrückung der Uiguren

Zudem bestehen seit dem 22. März 2021 Strafmaßnahmen seitens der EU gegen chinesische Partei- und Regionalvertreter sowie eine Organisation aus der Provinz Xinjiang. Diese werden für die Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in China verantwortlich gemacht. Sämtliche Vermögenswerte der betroffenen Personen und der Organisation werden eingefroren. Es dürfen weder Gelder noch wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Außerdem bestehen Einreiseverbote in die EU.

Finanzsanktionen und Einreiseverbote

In der tatsächlichen Umsetzung bedeutet dies, dass die von den Sanktionen betroffenen Personen und Organisationen in die Namensliste im Anhang der Sanktionsverordnung (EU) 2020/1998 aufgenommen werden. Gegen die Gelisteten gelten die im Verordnungstext beschriebenen Finanzsanktionen und Einreiseverbote. Personen und Organisationen, die unter Bereitstellungsverboten stehen, werden in der CFSP-Liste, einer Datenbank der EU, konsolidiert. Der European External Service (EEAS) übernimmt sämtliche Namenseinträge, die von Finanzsanktionen betroffen sind, aus allen Sanktions- und Länderembargo-Verordnungen der EU laufend in die CFSP-Liste und stellt diese in einem maschinenlesbaren Format bereit.

Die EU hat bereits weitere Sanktionen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen gegen elf Personen aus Myanmar angekündigt. Diese Personen werden für den Militärputsch und die Gewalt gegen Demonstranten verantwortlich gemacht. Mit Inkrafttreten dieser Sanktionsmaßnahmen werden dann die Namen der elf Personen in den Anhang der Sanktionsverordnung (EU) 2020/1998 aufgenommen.

Prüfungen mit Software automatisieren: Unternehmen, die die Software AEB Compliance Screening nutzen, prüfen ihre Geschäftskontakte gegen die aktuelle CFSP-Liste der EU. Das bedeutet, dass mit Hilfe der AEB-Lösung tagesaktuell untersucht werden kann, ob gegen den überprüften Geschäftspartner Sanktionsmaßnahmen – auch wegen Menschenrechtsverletzungen – seitens der EU bestehen. Mehr Informationen unter www.aeb.com/compliance

Die EU hat bereits weitere Sanktionen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen gegen elf Personen aus Myanmar angekündigt.

Menschenrechtsverletzungen: Ein Blick in die USA …

Wie in der EU gibt es auch in den USA eine Vielzahl verschiedener Sanktionsprogramme mit unterschiedlicher Zielrichtung. Mit dem Global Magnitsky Act aus dem Jahr 2017 haben die USA eine Rechtsgrundlage zur Sanktionierung von schweren Menschenrechtsverletzungen geschaffen. Die meisten der amerikanischen Sanktionsprogramme werden vom Office of Foreign Assets Control (OFAC) verwaltet und in der Specially Designated Nationals List (SDN) konsolidiert. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die USA und die EU in Bezug auf Sanktionsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Fall Nawalny und der Unterdrückung der Uiguren derzeit einen einheitlichen Weg bezüglich der Sanktionierung der verantwortlichen Personen und Organisationen einschlagen.

… und nach Großbritannien

Zum Abschluss werfen wir noch einen Blick nach Großbritannien. Seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU werden UK-Sanktionsmaßnahmen nach nationaler britischer Rechtsvorschrift abgebildet. UK-Finanzsanktionen gegen Personen, Unternehmen und Organisationen werden in der UK Sanctions List konsolidiert. Diese Sanktionsliste enthält alle Listungen, die unter dem UK Sanctions Act (Sanctions and Anti-Money Laundering Act 2018) vorgenommen wurden.

Im Bereich Menschrechtsverletzungen wurden in UK am 6. Juli 2020 die Global Human Rights Sanctions Regulations 2020 erlassen. Im Rahmen dieser Verordnung hat Großbritannien am 22. März 2021 zum ersten Mal Finanzsanktionen und Reiseverbote verhängen lassen. Diese Maßnahmen richten sich gegen vier chinesische Regierungsbeamte sowie ein Sicherheitsorgan in Xinjiang. Die Sanktionen wurden zeitgleich mit denen der EU, Kanada und der USA erlassen. Die Strafmaßnahmen sind ein international koordinierter Schritt gegen die Unterdrückung der Uiguren und anderer Minderheiten in Xinjiang.

Die Autorin: Dr. Ulrike Jasper ist Juristin und betreut mehr als seit 10 Jahren den Bereich des Außenwirtschaftsrechts bei der AEB SE. Sie verfasst Fachbeiträge zum europäischen Exportkontrollrecht, dem US-Re-Exportkontrollrecht sowie dem Sanktionslistenscreening.