KW Steuerrecht – Lohnabgaben/Sozialversicherung/Arbeitsrecht
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Schadenersatz im Dienstverhältnis StExp 2012/43. Der Arbeitgeber (AG) hat im Rahmen der Fürsorgepflicht auch die vermögensrechtlichen Interessen des Arbeitnehmers (AN) zu wahren. Liegen keine die Fürsorgepflicht überwiegenden Interessen des AG vor, ist dieser angehalten, durch Inanspruchnahme einer Versicherungsleistung einen vom AN verursachten Schaden zu mindern.
Christian Wesener
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erursacht ein AN bei Erbringung seiner Arbeitsleistungen seinem AG einen Schaden, so unterliegt der Rückgriffsanspruch des AG den Bestimmungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes (DHG).
de, müsse dies umso mehr gelten, wenn eine bestehende Versicherung nicht in Anspruch genommen wird. Der AG sei auf Grund der Schadensminderungspflicht und seiner Fürsorgepflicht angehalten eine bestehende Versicherung zur Schadensminderung in Anspruch zu nehmen. Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtete sich der Rekurs des Bekl.
Sachverhalt Die beim beklagten AG im Zeitraum von 1. 9. 2006 bis 31. 5. 2008 als Immobilienmaklerin angestellte Kl machte in ihrer Klage die Zahlung von noch ausständigen Provisionen geltend. Der Bekl, welcher die Provisionen der Höhe nach außer Streit stellte, beantragte die Abweisung der Klage und brachte dazu vor, dass er von der Provision vereinbarungsgemäß Büro-, Werbeund Lohnkosten abgezogen habe. Zusätzlich wurde aufrechnungsweise eine Gegenforderung unter dem Titel des Schadenersatzes geltend gemacht. Die Kl habe unter Verletzung des § 3 Abs 4 MaklerG ein Haus vermittelt, wodurch der Bekl in einem anderen Verfahren zu einer Schadenersatzzahlung verpflichtet wurde (Vorverfahren). Trotz Streitverkündung sei die Kl diesem Vorverfahren nicht als Nebenintervenientin beigetreten, sodass der Regressforderung die bindende Wirkung des Vorverfahrens zugrunde zu legen ist. Die Berechtigung der Gegenforderung wurde von der Kl bestritten, wobei ua eingewandt wurde, dass der Bekl für Schäden wie jene des Vorverfahrens über eine Haftpflicht- und Rechtschutzversicherung verfüge. Abschließend bezog sich die Kl auch auf das richterliche Mäßigungsrecht.
Entscheidungen der Vorinstanzen Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung zu Recht bestehe. Die Gegenforderung wurde teilweise als berechtigt anerkannt, wobei nach Ansicht des Erstgerichts der Umstand, ob allenfalls ein Rückersatzanspruch gegen eine Haftpflichtund Rechtsschutzversicherung bestehe, unbedeutend sei. Unter Berücksichtigung der zur Pflichtverletzung führenden Umstände und der finanziellen Situation sei die Gegenforderung um ein Viertel zu kürzen. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung auf. Das Gericht führte aus, dass hinsichtlich der Frage der Minderung der Ersatzpflicht auch ein eventuelles Mitverschulden des AG zu prüfen sei. Nachdem schon der Nichtabschluss einer gebotenen, dem AG zumutbaren Versicherung ein Mitverschulden begrün-
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Entscheidung des OGH Der OGH führt aus, dass in der Rsp festgehalten wurde, dass das Bestehen einer Versicherung nicht dafür maßgebend sein kann, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Schadenersatzanspruch gegen einen AN besteht. Weiters entspricht es der Rsp, dass der Geschädigte keine Verletzung der Schadensminderungspflicht zu verantworten hat, wenn er sich anstatt eine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, direkt an den Schädiger wendet. Diese allgemeinen Grundsätze werden aber in Bezug auf Arbeitsverhältnisse relativiert, da zwischen AG und AN ein besonderes Rechtsverhältnis besteht. Die Einordnung des AN in den Einflussbereich des AG ziehe eine Fürsorgepflicht nach sich, welche auch die Wahrung der vermögensrechtlichen Interessen des AN umfasst. Werden vom AG eigene schutzwerte Interessen geltend gemacht, können diese im Rahmen einer Interessenabwägung die Fürsorgepflicht überwiegen (OGH 8. 8. 2007, 9 Ob A 90/07m). Die Interessen des AN werden durch die Inanspruchnahme einer Versicherung aber nur dann gewahrt, wenn dieser in der Folge keinem Regressanspruch der Versicherung ausgesetzt ist (§ 67 Abs 1 VersVG). Im weiteren Verfahren wird somit insbesondere zu klären sein, welche Ansprüche der Bekl gegen die Versicherung hat, durch die sich die finanzielle Belastung des AN auch unter Berücksichtigung eines allfälligen Regresses der Versicherung geringer darstellt.
Zusammenfassung Verursacht ein AN einen Schaden, welcher von seinem AG dem Geschädigten ersetzt werden muss, kommt neben dem DHG auch der Fürsorgepflicht eine besondere Bedeutung zu. Stehen der Inanspruchnahme einer bestehenden Versicherung keine besonderen Eigeninteressen des AG (Selbstbehalt, Prämienerhöhung usw) gegenüber, bewirkt dies eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des AG.
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• Arbeitshilfe Übersichtsdarstellung zum Schadenersatz im Arbeitsverhältnis
• OGH 25.10.2011, 9 Ob A 69/11d
• § 2 DHG; § 67 VersVG
• Fürsorgepflicht; Dienstnehmerhaftpflichtgesetz; Schadenersatz; Schadensminderungspflicht