MFG - Das Magazin / Ausgabe 74

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MFG Ausgabe 09/20


WIE DAMALS. WIE HEUTE. Seit 250 Jahren. 8


JOHANNES REICHL

IMPFGEGNER

A

ls ich meinen Kollegen Anfang April ersuchte, doch ein Foto vom Passauer Wolf mit Maske zu machen, war Corona noch relativ „frisch“ und die tatsächlichen Folgen nicht absehbar (was sie nebstbei bis heute nicht sind), wenngleich mulmig vorstellbar. Ich erinnere mich an fast entrische Momente zu jener Zeit. Meinen Freunden schickte ich etwa Fotos aus dem völlig verwaisten Traisenpark, Montag, 15 Uhr! Und die Straßen waren wie leergefegt. Alles wirkte surreal, als wäre man in einen Katastrophenfilm geraten, nur dass das Surreale die Wirklichkeit war und man selbst Hauptdarsteller. Für eine bislang privilegierte Generation (Jg. 1974) wie die meine, die in einem reichen Land wie Österreich groß werden durfte und bis dahin von großen Katastrophen bestenfalls gestreift worden war (Tschernobyl), das Weltgeschehen zumeist aber aus der „gemütlichen“ Position des obergscheiten Beobachters vom sicheren Zuschauerraum aus kommentierte, war dies eine verstörende Erfahrung. Der Begriff „Prüfung“ klingt für all dies vielleicht allzu pathetisch, zumal das Leben kein Lehrmeister ist, der uns testet, sondern einfach passiert, aber man erahnt, was Karl Popper meint: „Alles Leben ist Problemlösen.“ Der einzelne muss solche Herausforderungen immer wieder durchleben – Krankheit, Verlust, Liebesleid sind Teil des Lebens. Als „Weltgemeinschaft“ erlebten wir Derartiges im Sinne einer kollektiven gleichzeitigen Bedrohung aber seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr. Zum einen hat uns diese Erfahrung Demut gelehrt, weil wir vermeintliche Krönung der Schöpfung plötzlich von mikroskopisch kleinen (nicht einmal Lebe)Wesen aus dem Götterhimmel vertrieben werden, zum anderen macht uns die Pandemie angesichts der gesundheitlichen Gefahren, ebenso wie der Folgen auf Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Zusammenleben schlichtweg Angst. Es ist als würde man bei Nebel aufs offene Meer hinausfahren – ins Ungewisse. Wobei es müßig ist – mit dem Wissen von heute – rückwärtsgewandt zu philosophieren, ob etwa der rigorose

Lockdown im März richtig war, wie uns auch ein Planspiel, in dem wir einen alternativen Weg durchspielen könnten, verwehrt bleibt. Faktum ist, dass etwas angestoßen wurde, dem wir uns nicht entziehen können und das Antworten verlangt – von jedem einzelnen von uns. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich. Viele laufen nach wie vor orientierungs- bis ratlos herum, andere verfallen in fatalistisch-depressive Stimmung, dritte wiederum – so es die Lage zulässt – genießen das neue Biedermeier, während die Unterprivilegierten im brutalen Daseinskampf verstrickt nicht einmal den Luxus des Nachdenkens haben. Immer mehr Menschen treten aber auch, wie Süchtige, die Flucht ins Paralleluniversum an und verlieren sich in teils kruden Verschwörungstheorien. Diese geben einfache Antworten auf komplizierte Fragen, sie benennen vermeintlich Schuldige, sie lenken vor allem von der Auseinandersetzung mit der eigenen unmittelbaren, als bedrohlich empfundenen Wirklichkeit ab. Problemlösung, das ist die Krux, liefern sie freilich keine. Vielmehr treiben sie die Eskalation auf die Spitze, weil die Wut angesichts der empfundenen Ohnmacht wächst und das Urvertrauen, spätestens mit dem Beginn von Verteilungskämpfen als Folge der Pandemie, sukzessive verloren geht: in die Politik, die doch nur lügt; in die Institutionen und die Justiz, die alle korrupt sind; in die Wissenschaft, die gekauft ist; in die „Mainstream“-Medien, worunter man all jene versteht, die der eigenen Meinung widersprechen. Am Ende steht eine hochgeputschte Radikalisierung, die in der Zertrümmerung der bestehenden Verhältnisse die letzte, ja die einzige Antwort wähnt: Parlamentarische Quatschbuden, Lügenpresse, Kuscheljustiz – weg damit. Der starke Mann übernimmt jetzt das Zepter, unser Denken, unser Schicksal. Das wäre das Ende der Demokratie. Dann hätten wir den Kampf gegen Corona tatsächlich verloren, selbst wenn wir längst einen Schutz dagegen gefunden haben. Nur, weil wir uns nicht rechtzeitig mit Vernunft und Empathie dagegen haben „impfen“ lassen.

Offenlegung nach §25 Medien-Gesetz: Medieninhaber (Verleger): NXP Veranstaltungsbetriebs GmbH, MFG - Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten. Unternehmensgegenstand: Freizeitwirtschaft, Tourismus und Veranstaltungen. Herausgeber/Geschäftsführer: Bernard und René Voak. Grundlegende Blattlinie: Das fast unabhängige Magazin zur Förderung der Urbankultur in Niederösterreich. Redaktionsanschrift: MFG – Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten; Telefon: 02742/71400-330, Fax: 02742/71400-305; Internet: www.dasmfg.at, Email: office@dasmfg.at Chefredakteur: Johannes Reichl Chefredakteur-Stv.: Michael Müllner Chefin vom Dienst: Anne-Sophie Müllner Redaktionsteam: Thomas Fröhlich, Sascha Harold, Johannes Mayerhofer, Michael Müllner, Andreas Reichebner, Thomas Schöpf, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kolumnisten: Thomas Fröhlich, Michael Müllner, Tina Reichl, Roul Starka, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kritiker: Helmuth Fahrngruber, Thomas Fröhlich, David Meixner, Michael Müllner, Clemens Schumacher, Manuel Pernsteiner, Michael Reibnagel, Johannes Reichl, Christoph Schipp, Robert Stefan Karikatur: Andreas Reichebner Bildredaktion: Elias Kaltenberger, Matthias Köstler Cover: Matthias Köstler Art Director & Layout: a.Kito Korrektur: Anne-Sophie Müllner Hersteller: Walstead NP Druck GmbH Herstellungs- und Verlagsort: St. Pölten Verlagspostamt: 3100 St. Pölten, P.b.b. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2. Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr. Für den Inhalt bezahlter Beiträge ist der Medieninhaber nicht verantwortlich.


INHALT ANTON BURGER – Seite 14

KARL ZWIAUER – Seite 18

US-MADE & STP-SOLD – Seite 38

SIEGFRIED NASKO – Seite 54

SINIKKA MONTE – Seite 66

JOCHEN FALLMANN – Seite 72

3 Editorial 6 In was für einer Stadt leben wir

28 Sag mir, wo die Grünen sind ... 36 Klimahauptstadt 2024 38 US-made & STP-sold 42 Einfach so vom Sockel holen

URBAN

7 Shortcut Urban 8 „Wir sind gut aufgestellt“ – Bürgermeister Matthias Stadler 12 AMS NÖ-Chef Sven Hergovich 14 „Das Leid kann ja nicht das Letzte sein“ – Anton Burger 18 „Impfen schützt“ – Karl Zwiauer 22 Stolz und Vorurteil

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KULTUR

46 Shortcut Kultur 48 Der junge Hitler 52 Siegfried Nasko

SZENE

61 Shortcut Szene

62 In den Kellern der Nacht 66 Sinikka Monte 68 E-sports: Ready for Take-off

SPORT

71 Shortcut Sport 72 Jochen Fallmann 74 Kritiken 75 Veranstaltungen 76 Außensicht 78 Karikatur

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27. NOVEMBER 2020

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Ab 18.09.2020

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MOLIÈRES SCHULE DER FRAUEN

von Molière | Inszenierung Ruth Brauer-Kvam



IN WAS FÜR EINER STADT LEBEN WIR EIGENTLICH ...

… in der Politiker mit verdrehten Fakten gegen die unabhängige Jus­ tiz polemisieren. So verurteilte das Landesgericht St. Pölten einen 26-Jährigen (nicht rechtskräftig) wegen Nötigung und sexueller Belästigung zu acht Monaten Haft, zwei davon unbedingt (maximaler Strafrahmen: ein Jahr). Eine strenge Strafe, berücksichtigt man die Strafzumessungsgründe, wie auch die Richterin in ihrer Urteilsbegründung anmerkte. FPÖ und Kronenzeitung dichten im Doppelpack der „Kuscheljustiz“ dennoch ein „mildes Urteil für Attacke auf Frau“ an, wozu die St. Pöltner FPÖ die Fakten sogar soweit verdrehte und dem „Afghanen“ und „Asylwerber“ eine versuchte Vergewaltigung vorwarf. Die hätte einen Strafrahmen von zehn Jahren, war aber nicht angeklagt. Der Vergleich von Äpfeln und Birnen war erfolgreich: Die Bürger kotzten sich über unwürdige Richter aus und redeten der Selbstjustiz das Wort.

… in der sich der Rathausplatz heuer an lauen Sommerabenden in eine grandiose italienische Piazza zu verwandeln schien. Schuld daran war – um Corona einmal etwas Positives abzugewinnen – insbesondere die erlaubte Vergrößerung der Schanigärten, was die gesamte Innenstadt in ein einzig großes Wohnzimmer verwandelte. Angesichts des unvergleichlichen Flairs ist auch die Durchführung des heuer ausgefallenen Kulturfestivals in Diskussion geraten. Vielleicht ergeben sich für die ehemals despektierlich titulierte „Fressmeile“ ja alternative Standorte oder sie findet in abgeschlankter Form statt. Den ohne Fest gut, ja besser funktionierenden Rathausplatz sollte man jedenfalls in seiner Natürlichkeit belassen, weil er keine Künstlichkeit braucht. Im Umkehrschluss heißt dies auch die Schanigärten in der City nicht mehr zu redimensionieren: Es wäre ein großer Verlust!

L E T

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T H E

G A M E

B E G I N

Cybersports I bowlIng I bIllard I bar 3100 st. pölten I ratzersdorfer see

FOTOS MATTHIAS KÖSTLER, FOTOMEK - STOCK.ADOBE.COM, JOSEF VORLAUFER

… in der manch schwer getroffener Kulturbetrieb aus der Not quasi eine Tugend machte. So hoben etwa das VAZ St. Pölten und das Hollywood Megaplex Ende Mai das AutoKunstKino aus der Taufe. Dies bot nicht nur sicheren Kulturgenuss im eigenen Auto, sondern insbesondere den heimischen Künstlern endlich wieder Auftrittsmöglichkeiten. Unterstützt von Stadt und Land wurden an insgesamt 79 Spieltagen 165 Programmpunkte geboten, davon 115 Filme sowie auf der STP Stage 50 Kunst- und Kulturacts mit 128 Künstlern! Insgesamt lockte das AutoKunstKino rund 18.000 Besucher an. Das Echo war so durchschlagend, dass man an eine Fortsetzung denkt: „Gemeinsam haben wir etwas Einzigartiges und Neues geschaffen, das – zeitlich komprimiert – ein neues Veranstaltungsrufzeichen der Stadt werden könnte!“, ist VAZ Geschäftsführer René Voak überzeugt.


FOTOS: HÖFEFEST/ZVG, KATHRIN39 - STOCK.ADOBE.COM, ROLFFIMAGES - STOCK.ADOBE.COM

HÖFEFEST 5

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Herrengasse

Marktgasse Rathausplatz

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Domplatz

Herrenplatz Wiener Straße

Rathausgasse ße Prandtauerstra

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KOLUMNE MICHAEL MÜLLNER

Domgasse Kremser Gasse

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Wiener Straße

Riemerplatz

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HAMSTERRAD

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LOCATION

14.00

15.00

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1.

Siegel-Wöss-Hof

14.15: Jelena Popržan – Solo

15.30: Jelena Popržan – Solo

16.45: Albin Paulus pur

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Baumgartner-Hof

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SHORTCUT URBAN

a, es ist mühsam, mit 14.30: 15.45: jeder Menge QuinTTTonic Salamirecorder Aufwand verbunden und, wie 15.00: 3. Sparkasse-Haus Adele Neuhauser es Patrizia Liberti formulierte, fast & Edi Nulz 14.30: 15.45: 4. Rathaus-Hof schon ein bisschen am Rande des Sterzinger IV QuinTTTonic Wahnsinns, ABER: Es15.00: die Mühen 5. Cinema Paradiso Evaist & die Singsonnen allemal wert! Und so setzt die umtrie15.30: 6. Franziskanerkirche A Love Supreme bige Höfefest-Macherin 2020 14.00: 15.15: auch16.45: 7. Stadtmuseum-Hof Hotel Palindrone Hotel Palindrone Alex Miksch & Band das beliebte Festival-Kleinod um 16.00: Bühne im Hof Birgit Denk –8. Corona hin oder her. Mit viel En& Band 16.15: hat 14.45: gagement, Tüftelei und Schweiß Sainmus+ 9. Steingötter-Hof Stephie Hacker Liberti nicht Band nur die Finanzierung geFr., 18.09.2020 10. Löwenhof sichert, in Zeiten wie diesen alles anSa., 19.09.2020 WORKSHOP: Hippolyt und Töchter – Innenstadt dere denn eine leichte Übung, sondern Kunst im öffentlichen Raum, Frauenprojekt

17.00

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18.30: Albin Paulus pur

sie hat auch ein System 20.00: ausgeklügelt, Kagerer/Schaden das den Vorgaben Genüge leistet: So wird man heuer im „Einbahnsystem“ 17.00: 18.15: 19.30: beim ZuundIV Abgang aus den Höfen LENI Sterzinger LENI unterwegs sein, contact-tracing 21.00: wird Silent Gehsteigdisco versucht (die Leute tragen sich in den 17.30: A Love Supreme Höfen in ein), indoor muss 19.30: 18.00: Listen Rammelhof Alex Miksch & Bandvorab anmelden. In Wahrman sich 18.00: Denk heit allesBirgit nicht so tragisch – dafür be& Band 18.45: 17.30: kommt man am 19. September an elf Stephie Hacker Sainmus+ Band Locations wieder ein buntes, hochkaWORKSHOP: Vocal Sounds Tag 1 rätiges und damit Vocal Sounds Tag Kulturprogramm 2 jede Menge Balsam für die Seele.

17.00: 18.45: Kagerer/Schaden Salamirecorder

STA R TG E L D G E H T I N 2. R UNDE

I

st es jetzt eine nachhaltige Förderung, weil durch die 20 Euro pro Haushalt, die die Stadt im Zuge der Aktion „Stadtgeld“ jedem Haushalt gegen dementsprechenden Zahlungsbeleg zum Einkauf dazuzahlt, die heimische Wirtschaft angekurbelt wird, oder ist es, wie manche monieren, eher eine Alibi-, gar Propagandaaktion? Vielleicht muss man vor allem den symbolisch-psychologischen Kontext herausstreichen: „Wir lassen uns nicht hängen! Wir machen etwas! Unterstützt die heimischen Betriebe!“ Auf der Haben-Seite sind jedenfalls rund 9.000 Haushalte Faktum, die sich über den „geschenkten 20er“ gefreut und diesen dementsprechend bei der Stadt eingelöst haben, was – so rechnet der Magistrat vor – in der

Wirtschaft eine Investitionssumme von rund 180.000 Euro angeschoben hat. Im Herbst startet man daher eine zweite Runde der Aktion. Der Stadt sparen helfen möge man in diesem Fall nicht, wie der Bürgermeister appelliert. „Schädigen Sie uns! Holen Sie Ihren 20er ab und unterstützen Sie damit unsere Betriebe!“

Was hätten wir gelacht, wenn uns jemand im Februar vorausgesagt hätte, was wir im März erleben würden? Undenkbar. Im April waren wir dann hoffnungsvoll, im Mai dankbar, immerhin wurde dem Alltag etwas Normalität „ermöglicht“. Nun ist Herbst und wir finden fast schon normal, was eigentlich ein unmöglicher Sommer war. Wir Menschen passen uns an neue Umweltbedingungen eben geschickt an. Wir Österreicher sind darin sogar Meister. Dank „Eigentlich“ schauen wir schon, dann sehen wir eh. Und so wird auch die kalte Jahreszeit irgendwann wieder dem Frühling weichen. Doch wie wird das Land aussehen, nach einem Jahr Corona? Welche Betriebe werden sich vom Markt bereinigt, welche Arbeitsplätze „verlagert“ haben? Wie wir durch die Krise kommen werden, ist zwar entscheidend für die Einzelschicksale der Menschen. Doch es geht auch um das große Ganze. Wird das Innehalten im Lock-Down, das Besinnen auf Familie und Freundschaft, der Fokus auf das eigene, gesunde Leben die Richtung ändern, in die wir als Gesellschaft insgesamt streben? Werden wir nachhaltiger konsumieren? Anders Reisen? Die Verantwortung fürs Gemeinsame ernster nehmen? Oder haben wir alles vergessen, sobald wir uns wieder bis vier Uhr nachts billigen Wodka in den Schädel schütten und Städteflugreisen um 29 Euro verschenken können? Schaffen wir den Sprung aus dem Hamsterrad? Schärfen wir zumindest den Blick darauf, wie hastig wir mitlaufen wollen? Es scheint, selbst eine weltweite Pandemie kann das Rad nicht kippen. Dafür bräuchte es schon willensstarke Hamster.

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BÜRGERMEISTER MATTHIAS STADLER

„WIR SIND GUT AUFGESTELLT!“ Ein bisschen hat es symbolischen Charakter – dafür, dass es weitergeht, dass man selbst in der Krise Neues umsetzt. Denn ich treffe mich mit Bürgermeister Matthias Stadler im pitoresken Innenhof des „neuen“ Pepe Nero in der Fuhrmannsgasse.

E

s duftet nach frischgebackener Pizza, der Pinot Grigio ist eisgekühlt, der Abend lau – alles scheint perfekt, wenn wir nicht über die weniger perfekten, denn mehr herausfordernden letzten Wochen plaudern würden. Wenn Sie auf März zurückblicken – was war anfangs die größte Herausforderung für die Stadt? Seitens des Bundes wurde groß versprochen, dass der Ankauf von Masken, Handschuhen, Schutzanzügen etc. über einen zentralen Einkauf passiert – die Wahrheit ist, dass wir bis heute nichts bekommen haben. Ich habe deshalb gleich am Anfang im Krisenstab gesagt, „Kauft selbst ein, was zu kriegen ist!“ Dank des Geschicks unserer Mitarbeiter können wir sagen, dass wir gut ausgestattet sind, nicht nur für unsere Belange wie etwa Pflegeheime, Gesundheitsamt etc., sondern wir konnten auch den niedergelassenen Ärzten aushelfen. Die Realität damals war ja etwa, dass vom Bund den Zahnärzten für den zahnärztlichen Notdienst Masken zur Verfügung gestellt wurden – zwei Stück für drei Wochen! Die waren froh, dass die Stadt welche abtreten konnte. Der Magistrat hat auch schnell ein „Freiwilligen-Korps“ auf die Beine gestellt. 8

Es ging darum, Sorge zu tragen, dass die Bürger – vor allem die Älteren, die nicht mehr rauskönnen – versorgt werden. Wir haben Essen auf Rädern aufgestockt, haben einen Einkaufsservice mit Freiwilligen organsiert, haben auch auf gewisse Probleme hingewiesen – etwa die Banken, dass es eine Lösung geben muss für jene, die nicht persönlich in die Bank kommen können, um bar abzuheben. Da haben wir, denke ich, gut und rasch reagiert. Und ich war wirklich berührt, wie groß die Solidarität ist: Letztlich meldeten sich mehr Freiwillige, als wir dann tatsächlich brauchten, quer durch den Gemüsegarten, von Jung bis Alt bis hin zu ausländischen Studenten, die meinten, sie möchten auch einen Beitrag leisten. Wie wurde im Magistrat selbst – arbeitstechnisch – reagiert? Organisatorisch haben wir im Magistrat 2er,- teils sogar 3er-Radln in sensiblen Bereichen wie etwa der Pflege, Wasser, Müll, Seniorenwohnheim etc. installiert, damit – falls jemand in Quarantäne gehen hätte müssen – der Betrieb gewährleistet bleibt. Was mich auch hier wirklich fasziniert und gefreut hat,

war das Verantwortungsbewusstsein. Wir hatten in der Corona-Zeit sowenige Krankenstände wie nie zuvor, manche haben sich sogar früher aus dem Urlaub zurückgemeldet, es herrschte ein unglaublicher Zusammenhalt. Homeoffice war auch im Magistrat ein Thema. Könnte das ein langfristiges Arbeitszeitmodell für die Zukunft sein? Das ist sicher ein Ansatz, wobei man da sehr differenzieren muss. Nicht jeder Arbeitsplatz ist für Homeoffice geeignet, auch nicht jeder Mitarbeiter – da hängt viel vom Umfeld zuhause ab, also wie schaut es mit Kindern aus, habe ich überhaupt einen Arbeitsplatz, wie organisiert man die Betriebsmittel. Auch der soziale Aspekt darf nicht übersehen werden – für ein, zwei Wochen war das für manche „lustig“, aber ich habe schon auch Fälle, wo eine junge Mutter z.B. E-Learning hatte, den Haushalt schupfen musste, einkaufen ging und dann noch die Arbeit unterbringen musste, um Mitternacht noch E-Mails verschickte – das kann es auch nicht sein, da muss man schon auf den Arbeitnehmerschutz achten, dass die Leute

Ich habe im Krisenstab gesagt, „Kauft selbst ein, was zu kriegen ist!“ MATTHIAS STADLER


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: JOSEF VORLAUFER

Ihr macht das gut!“ So etwas erlebt man nicht jeden Tag, und keine Frage, aus der Krise und den damit zusammenhängenden Herausforderungen habe ich auch persönlich viel gelernt. Man rückt den Fokus wieder stärker auf die Dinge, die wirklich wichtig sind. Ich denke, das haben viele so wahrgenommen.

einer Entscheidung bedürfen. Da ist es gut, vorort zu sein.

Wenn wir auf den kommenden Herbst blicken – wie gut ist St. Pölten vorbereitet? Ich denke, falls es wieder zu einer Verschärfung der Situation kommen sollte, sind wir gut aufgestellt. Wie bereits erwähnt im Hinblick auf die Ausstattung mit gewissen Schutzgütern, von der Grundorganisation her, und wir haben jetzt natürlich aufgrund der gemachten Erfahrungen mehr Know-how als noch im März. St. Pölten war im Vergleich bislang aber zum Glück auch nicht so schlimm betroffen. Die ersten Corona-Fälle waren klassisch aus den Schiurlauben – Stichwort Nachtclubs & Aprés Ski – sowie von Kuraufenthalten eingeschleppt. Dazwischen waren wir dann eine Zeitlang komplett coronafrei, aktuell sind wir stabil auf einem niedrigen Niveau. Zur Zeit sind 16 Personen infiziert, seit März waren es insgesamt 142, es gab zwei Tote in Folge einer CoronaInfektion. (Stand 7.9. Anm.)

Wobei es auch, wenn ich mich etwa an Ihre facebook-Videos erinnere, zu einer Verschiebung mehr Richtung moralischer Unterstützung kam? Natürlich ging es auch darum, Zuspruch zu geben. Den Leuten, wo möglich und in unserem Bereich machbar, vielleicht ein wenig die Angst zu nehmen, zu signalisieren: Wir sind für euch da. Wir St. Pöltner halten zusammen! Ich erinnere mich an manch bemerkenswerte Erlebnisse: Einmal etwa ging ich durch die menschenleere Kremsergasse, was sehr eigenartig anmutete, als ein älterer Herr aus einem Haus trat und sagte: „Das ist ja schön, Sie zu sehen Herr Bürgermeister.

Bauchweh muss neben dem gesundheitlichen Aspekt vor allem die wirtschaftlich-finanzielle Seite bereiten – wie stellt sich die Situation dar, und wie wird sie sich weiterentwickeln? Konkrete Prognosen sind derzeit ein Ding der Unmöglichkeit – da müsste man Kaffeesud lesen. Aber ich befürchte, dass uns im Herbst und Frühjahr nächsten Jahres noch einiges ins Haus stehen wird. Die Einnahmen sind bei uns schon jetzt im zweistelligen Millionenbereich gesunken – allein der Bund spricht von elf Milliarden Euro Steuerentgang, Gelder, sie sonst auf Bund, Länder, Gemeinden aufgeteilt werden. Das heißt unsere Ertragsan-

PREKÄRE FINANZEN? Stadler fordert als NÖ Städtebund-Vorsitzender vom Bund neben Investitionsmilliarde auch Zuschüsse zum regulären Haushalt der Kommunen.

nicht unter die Räder kommen oder sozial vereinsamen. Und der Ansatz manch Arbeitgebers, wieviel Bürofläche erspare ich mir dank Homeoffice … das allein kann auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Es bedarf da also wirklich klarer, arbeitnehmerfreundlicher Regelungen, die auch Sinn fürs Unternehmen machen. Waren Sie selbst in der heißen Phase im Homeoffice? Die repräsentativen Termine sind ja komplett ausgefallen. Ich war zu Beginn weniger im Büro, aber es hat sich rasch herausgestellt, dass du trotzdem vorort sein musst – der Krisenstab hat anfangs mehrmals täglich beraten, zumeist über Audio- und Videokonferenzen, und es gibt ununterbrochen Fragen, die

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Im Vergleich zu dem, was sich jetzt abspielt, war die Finanzkrise in den Jahren 2007–2009 Kindergeburtstag! MATTHIAS STADLER

teile sinken drastisch, wir haben Ausfälle bei der Kommunalsteuer, dazu kommen noch Ausfälle durch Stundungen, wo wir nicht wissen, wie viel da jemals wieder zurückkommt, Mietausfälle sowie Außenstände, die zur Zeit nicht bedient werden können. Umgekehrt schnellen die Umlagen für Soziales, Krankenhaus, Berufsschulen etc. in die Höhe. Die Zahl jener etwa, die Sozialhilfe und Mindestsicherung beziehen, wird weiter steigen. Die Schere klafft also auseinander. Wie lange halten wir das durch? In St. Pölten sind wir aktuell – im Unterschied zu anderen Kommunen, die jetzt schon an der Kippe stehen – noch relativ gut aufgestellt, können auf Rücklagen zurückgreifen, uns über innere Darlehen weiterhelfen, sind liquid. Aber wie gesagt, die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht gefährlich auseinander – das wird sich auf Dauer nicht ausgehen. Aktuell

ist enorm viel Geld für die Wirtschaft und die Arbeitnehmer da, was absolut richtig und wichtig ist, zugleich muss man aber auch die Gemeinden liquid halten, denn die Kommunen sind es – nicht etwa der Bund oder die Länder – die die größten Investoren Österreichs darstellen und damit substanziell den Wirtschaftsstandort und Arbeitsmarkt sichern. Der Bund hat diesbezüglich bereits eine Gemeinde-Milliarde für die Kommunen zugesagt. Das ist gut, diese Gelder sind allerdings für Investitionen zweckgewidmet, dürfen also z. B. in neue Kindergärten, Schulen, öffentlichen Verkehr etc. gesteckt werden. Damit, das möchte ich als Vorsitzender des NÖ Städtebundes gleich dezidiert festhalten, werden wir aber nicht das Auslangen finden. Das Problem ist nämlich mittlerweile der laufende Betrieb der Kommunen – wie bezahle ich auf Sicht die

HOFFNUNG. Auch wenn die Situation schwierig ist, gibt es auch Lichtblicke. Pepe Nero etwa hat inmitten der Krise sein neues Lokal im ehemaligen EGON aufgesperrt. 10

Mitarbeiter, wie decke ich die anfallenden Betriebskosten, wie erfülle ich die laufenden Aufgaben. Da werden wir Nachtragsbudgets brauchen, was aber auch mit gesetzlichen Änderungen einhergehen muss – etwa der Möglichkeit einer Verschuldung über die MaastrichtKriterien hinaus. Denken Sie an Städte, die vielleicht nur von ein paar wenigen Betrieben abhängig sind. Wenn da die Kommunalsteuer wegbricht, ist das natürlich ein Desaster. Nehmen wir als Beispiel Schwechat mit dem Flughafen und der OMV. Da kann man sich schon ausmalen, was das bedeutet. Wie ist es um die heimische Wirtschaft bestellt? Da gibt es Unterschiede. Viele Branchen sind hart getroffen worden bis hin zu Totalausfällen, einige wenige profitieren auch von der Krise, und es sei ihnen wahrlich vergönnt! Wir hatten erst vor Kurzem ein konstruktives Treffen mit Wirtschaftstreibenden aus allen Branchen, um die Probleme aus erster Hand zu erfahren und Solidarität zu signalisieren. Als wichtigste Bitte kam, dass wir allen voran bei Genehmigungen unbürokratisch helfen mögen. Was positiv auffällt: Die Baukräne, von manchen ja schon als neues Wahrzeichen der Stadt bezeichnet, sind trotz Krise nicht weniger geworden. Stimmt – und weil zuletzt die ein oder andere Kritik im Hinblick auf die rege Bautätigkeit in der Stadt laut geworden ist: Ich bin wirklich froh, dass die Bauwirtschaft und die daran angeschlossenen Nebengewerbe in St. Pölten bislang noch keine gravierenden Probleme zu haben scheinen, weil das bedeutet Arbeitsplätze, Menschen, die in Beschäftigung bleiben, die wei-


„WIR SIND GUT AUFGESTELLT!“

ter konsumieren und die damit die Wirtschaft am Laufen halten. Tatsächlich werden bislang alle Projekte – egal ob im Gewerbe- oder im Wohnbereich – wie geplant umgesetzt. Die Bauträger bleiben uns treu, weil sie – wie etwa SIGNA im Hinblick auf die Revitalisierung des Leiner-Areals am Rathausplatz – an den Standort St. Pölten glauben. In der aktuellen Situation ist das wichtiger denn je! Was, wenn selbst diese Zweige wegbrechen würden, wohin steuerten wir dann? Als Historiker habe ich mich sehr eingehend mit den 20er/30er-Jahren des letzten Jahrhunderts beschäftigt, und da muss uns klar sein – das lehrt die Geschichte – dass wir mit allen Mitteln einen enormen, langfristigen Anstieg der Arbeitslosen unbedingt verhindern müssen, weil das in ein soziales Desaster münden könnte. Das gilt im Übrigen auch für die Kurzarbeit, die ein gutes

kehrt müssen Sparprogramme & Co. unbedingt verhindert werden, weil diese die Wirtschaft und den Konsum gleich wieder abwürgen würden.

GRÖSSTE GEFAHR. Arbeitslosigkeit muss langfristig verhindert werden! Konzept ist, die wir aber ebenfalls, so schnell es geht, wieder loswerden müssen. Dazu bedarf es aktiver Arbeitsmarktpolitik, gezielter Programme – da greift noch nicht alles vollends, wie mir scheint. Die Regierung muss zudem selbst – auch über die finanzielle Ausstattung der Kommunen – die Wirtschaft mit Aufträgen versorgen und ankurbeln, Sicherheit – insbesondere Planungssicherheit – geben. Umge-

Der vollelektrische

Klingt nach keiner leichten Aufgabe. Ist es auch nicht. Es muss aber irgendwie gelingen, wenn wir nicht in eine große Depression wie im vorigen Jahrhundert schlittern möchten. Uns muss bewusst sein – ohne negativ zu klingen – aber im Vergleich zu dem, was sich jetzt abspielt, war die Finanzkrise in den Jahren 2007-2009 Kindergeburtstag. An den Auswirkungen der aktuellen Pandemie werden wir ungleich länger zu kiefeln haben. Ich würde mich diesbezüglich gerne irren, aber dazu bin zu sehr Realist. Aber ich weiß auf der anderen Seite, wie stark die St. Pöltner sind, wenn es darauf ankommt, und deswegen bin ich überzeugt, dass wir diese Krise gemeinsam meistern werden.

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TEXT: SASCHA HAROLD | FOTO: AMS/PETRA SPIOLA

SVEN HERGOVICH

„ICH RECHNE MIT LANGFRISTIGEN AUSWIRKUNGEN.“ Die Corona-Krise hat auch zu einer veritablen globalen Wirtschaftskrise mit dementsprechenden negativen Effekten auf den Arbeitsmarkt geführt. Wir sprachen mit AMS NÖ-Chef Sven Hergovich über die aktuelle Situation.

Welche Folgen hat die Pandemie bislang auf den Arbeitsmarkt? Die Krise hat massive und dramatische Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, global, aber natürlich auch in Niederösterreich. Nur zum Vergleich: In der letzten großen Krise 2008/2009 hatten wir in Niederösterreich 140 Kurzarbeitsfälle, jetzt mehr als 18.000 – eine Vervielfachung der Anträge. Ich bin meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern extrem dankbar, dass sie diese harte Arbeit so gut geschafft haben.

Branchen gleich? Es ist leider tatsächlich so, dass wir in allen Branchen Auswirkungen spüren. Natürlich gibt es aber Branchen, die besonders betroffen sind, wie zum Beispiel der Tourismus. Deshalb waren etwa die Bundesländer Tirol und Salzburg besonders stark betroffen. In Niederösterreich hatten wir den höchsten Anstieg der Arbeitslosigkeit im Mostviertel, wobei man dazu sagen muss, dass wir dort davor die geringste Arbeitslosigkeit hatten. SCHLAGKRÄFTIG. Auch das AMS ist in der Krise gefordert wie nie zuvor.

Welche Auswirkungen sind in den kommenden Monaten zu erwarten? Die nächsten Monate sind arbeitsmarktpolitisch entscheidend, um das Entstehen und Verfestigen von Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern. Daher hat in Niederösterreich aktive Vermittlung von Jobsuchenden oberste Priorität. Wir befürchten nach derzeitigem Stand aber, dass die Arbeitslosigkeit in den kommenden Monaten wieder steigen wird. Unsicher bleibt die Entwicklung der Corona-Pandemie selbst und welche gesetzlichen Einschränkungen notwendig werden. Wie lange wird die Krise am Arbeitsmarkt spürbar bleiben? Ich rechne leider tatsächlich mit langfristigen Auswirkungen. Schon bei früheren Wirtschaftskrisen haben wir gesehen, dass sie das strukturelle Niveau der Arbeitslosigkeit erhöht haben. Darum ist es so 12

wichtig, aktive Konjunkturpolitik zu machen und ein Anwachsen der Arbeitslosigkeit unter allen Umständen im Keim zu ersticken. Welche Maßnahmen hat das AMS Niederösterreich angesichts der Krise ergriffen? Die erste und wichtigste Maßnahme war die Kurzarbeit. Ohne diese Maßnahme wäre in Nieder­ österreich jeder dritte Arbeitsplatz in Gefahr gewesen – das muss man sich vorstellen! Ein zweiter wichtiger Punkt war, auch wenn das jetzt vielleicht trivial klingt, dass das Arbeitslosengeld weiterhin pünktlich ausbezahlt worden ist. In anderen Ländern hat das nicht so problemlos funktioniert, weil die Systeme nicht darauf ausgerichtet waren, dass so viele Menschen gleichzeitig arbeitslos geworden sind. Betrifft die Krise eigentlich alle

Welche Gruppen sind aktuell besonders betroffen? Einen besonders starken Anstieg haben wir bei Jugendlichen bis 25 erlebt. Hier setzen wir einen absoluten Schwerpunkt, weil wir schon vor der Krise versprochen haben: Jeder Jugendliche bekommt einen guten Ausbildungsplatz. Dieses Versprechen wollen wir halten, auch wenn es jetzt zugegeben schwieriger geworden ist. Ich möchte aber auch darauf aufmerksam machen, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit in der Altersgruppe 50+ zwar verhältnismäßig geringer war, dort aber die Gefahr besonders groß ist, dass sich die Arbeitslosigkeit verfestigt. Es braucht daher gezielte Maßnahmen für die Altersgruppe 50+. Als Beispiel möchte ich das Programm Jobchance nennen, das wir gemeinsam mit dem Land ins Leben gerufen haben und mit dem wir 600 Arbeitsplätze bei niederösterreichischen Gemeinden mitfinanzieren.


Wissen, was morgen zählt. info.day 20. 11.2020

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UNIV.-PROF. DR. MULT. ANTON BURGER

„DAS LEID KANN JA NICHT DAS LETZTE SEIN!“ Gespräche mit dem dreifachen Doktor Anton Burger sind immer eine Wohltat, weil er einen – wenn man den Wald vor lauter (Corona-)Bäumen nicht mehr sieht – aus dem Dickicht herausführt und an seinem ganzheitlichen Blick auf die Welt teilhaben lässt.

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mmerhin hat der St. Pöltner mit Lehrstuhl an der Universität Eichstätt-Ingolstadt neben Betriebswirtschaft auch Jus und Theologie studiert und sich in seinem Ouevre immer über den rein wirtschaftlichen Tellerrand hinausgewagt. Wir sprachen mit ihm, was Corona mit uns macht, warum unser Wirtschaftssystem offensichlich einer kritischen Auseinandersetzung bedarf, welche Rolle Wissenschaft spielt und wie wir in all dem Chaos und der Angst vielleicht dennoch Sinn im Leben finden können. Wie ist es Ihnen mit Corona an der Universität ergangen? In den letzten Monaten hat sich die universitäre Lehre auf die digitale Ebene verschoben. Das ist einerseits eine Erleichterung gewesen, zum anderen aber auch eine schwierige Situation, weil dadurch der persönliche Kontakt mit den Studenten nicht im gewohnten Maß stattfinden konnte. Gerade die Wissenschaft lebt aber vom Gedanken-Austausch, vom kritischen Nachdenken. Wenn das auf Dauer zu kurz kommt, besteht die Gefahr, dass wir auf Sicht nur Konformisten „produzieren“ – was gesamtgesellschaftlich höchst problematisch wäre. Wobei die Wissenschaft im Zuge der Pandemie ja immens an Bedeutung, jedenfalls Öffentlichkeit gewonnen hat, wenn man bedenkt, dass heute Epidemiologen, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler etc. fast schon öfter zur Situation befragt werden als Politiker. Da sehe ich zwei Punkte, die man ganz klar auseinanderhalten muss: Was ist Aufgabe der Wissenschaft? Was ist Aufgabe der Politik? Die Wissenschaft muss forschen, muss sich mit Ursachen ebenso auseinandersetzen wie mit Wirkungen, muss Szenarien entwerfen und Prognosen stellen – all dies unter steter kritischer Selbstreflexion. Aufgabe der Politik hingegen ist es – im Idealfall auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie im Zuge eines 14

gesamtgesellschaftlichen Diskurses – konkrete Entscheidungen zu treffen. Ich warne jedenfalls davor, dass man das durcheinanderbringt. Die Wissenschaft schafft vorläufiges Wissen und sollte sich von sogenannter Tagespolitik fernhalten, sie darf sich nicht anmaßen, Gesellschaftspolitik betreiben zu wollen. Wissenschaft hat indirekt aber auch für Verunsicherung gesorgt, weil vielen Menschen, denen nach klaren und eindeutigen Antworten dürstet, im Zuge der Corona-Debatten bewusst wurde, dass selbst die Wissenschaft in vielen Fragen uneins ist, es unterschiedliche Sichtweisen und Erkenntnisse auf ein und dieselbe Sache geben kann.


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER

Krisen wie die aktuelle Pandemie bringen ohne Zweifel eine prinzipielle Erschütterung unseres Glaubens an den Fortschritt, an die Wissenschaft, an die Lösbarkeit aller Probleme mit sich. Solche Situationen gab es in der Menschheitsgeschichte immer wieder – ich denke da etwa an eines meiner Lieblingsbücher „Die Welt von gestern“ von Stefan Zweig aus dem Jahr 1942, in dem er sich ebenfalls mit dem Verlust und der Unwiederbringlichkeit des bisher vermeintlich Selbstverständlichen auseinandersetzt. Zweig schreibt etwa über Reisebeschränkungen damals, wie wir sie ja auch heute – freilich unter ganz anderen Voraussetzungen – teils wieder erleben.

Wissenschaft lebt aber vom Gedanken-Austausch, vom kritischen Nachdenken. Wenn das auf Dauer zu kurz kommt, besteht die Gefahr, dass wir auf Sicht nur Konformisten „produzieren“.

Er prägte auch das Bild vom Sonnenuntergang als Symbol einer untergehenden Zeit. Erleben wir das jetzt wieder oder ist das zu dick aufgetragen? Mit dem Bild vom Sonnenuntergang brachte er jedenfalls diese Erschütterung des Fortschrittsglaubens zum Ausdruck. Auch heute gibt es Ungleichgewicht, Verwerfungen in der Wirtschaft, Wohlstandsverluste – da stellt sich natürlich die Frage: Welche Auswirkungen zeitigt das auf das Soziale, auf das Zusammenleben, auf das Gesundheitswesen, auf die Bildung – bis hin zum Gesellschaftsvertrag, der vielleicht langfristig so nicht mehr haltbar ist, weil die Chancen der Jungen aufgrund schrumpfender Mittel in Zukunft deutlich kleiner werden im Vergleich zu heute. All das erschüttert unseren Fortschrittsglauben, auch unsere Vorstellung, für den Menschen sei alles machbar!

komplette Geschäftsgrundlage verloren – daher leiden wir am sinnlosen Leben, erfahren eine existenzielle Frustration. Die Frage ist: Gibt es Auswege, um wieder einen Sinn im Leben zu finden und aus der Frustration herauszukommen?

Und was macht diese Erfahrung mit uns? Werden die Echokammern endgültig zu Egokammern – alle denken nur an sich, nur ich denk an mich? Das ist nicht ausgemacht: Entsolidarisierung ist genauso möglich wie das Gegenszenario. Wir werden uns angesichts der Pandemie jedenfalls wieder stärker des Leids, des Schmerzes, der Hin- und Anfälligkeit des Lebens bewusst. Die Sozialphilosophie spricht diesbezüglich von der fundamentalen Ungeborgenheit des Menschen. Die Unmittelbarkeit des Todes – wenn wir an persönliche Schicksale denken aber etwa auch an Särge in Bergamo – trifft umgekehrt aber auch mitten ins Herz, löst Mitleid aus, was zum Wunsch führen könnte, dass wir eine bessere Welt schaffen wollen, die gesünder ist, in der wir länger leben, wo die Chancen gerechter verteilt sind etc. Die Erfahrung des Todes als Anstachelung zum „bewussteren“ Leben, weil wir wieder brutal daran erinnert werden, dass es endlich ist? Mir hat diesbezüglich ein Wort von André Heller gut gefallen, der – zum Sterben und zum Tod befragt – einmal meinte, er empfinde seit je ein Fremdsein in der Welt, und der Tod sei ein starkes Ankommen in der großen Geborgenheit. Dieses Fremdsein manifestiert sich aktuell vielfach: Wir verlieren den Arbeitsplatz, die Sozialsysteme werden ausgedünnt, Unternehmern geht ihre

ANTON BURGER

Die Wissenschaft macht diesbezüglich aber nicht gerade Mut – die Zukunftsszenarien reichen von der Klimakatastrophe über Flüchtlingswellen und Wirtschaftskrisen bis hin zu Verteilungskriegen und Terrorismus. Max Horkheimer hat das immer so formuliert: „Wir müssen theoretische Pessimisten, zugleich aber praktische Optimisten sein!“ Wir müssen in der Wissenschaft also quasi immer das Schlimme annehmen bzw. mitdenken, die Dinge beim Namen nennen, Szenarien entwerfen. Zugleich müssen wir aber praktische Optimisten sein, unser Bestes einbringen, also an die Veränderbarkeit glauben, auch mögliche Auswege, Antworten skizzieren. Wie kann das Leben lebenswerter sein und wieder lebenswerter werden. Da sind wir auch bei der Grundfrage, die schon Gott in der Bibel an Adam stellt: „Wo bist du Mensch?!“ Er meint damit: Versteck dich nicht, sondern übernimm Verantwortung – für dich, aber auch für die anderen, für die Umwelt, die belebte wie die unbelebte. Das ist die Handlungsethik des einzelnen. Zugleich gibt es die übergeordnete Ordnungsethik: Welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, welche Rechtsrahmen und Gesetze geben wir uns überhaupt, nach denen das Zusammenleben abläuft. Auch beim Leben im Schmerz dürfen wir jedenfalls nicht die Sehnsucht verlieren, Perspektiven wahrzunehmen – das Leid kann ja nicht das Letzte sein! Der Sinn des Lebens ist angesichts täglicher Horrormeldungen aber aktuell eher schwer zu finden. Einen Sinn DES Lebens oder gar einen Sinn des Weltganzen finden, das wäre sowieso schon so etwas wie eine Draufgabe im Leben. Wenn man dazu in der Lage ist – herzliche Gratulation! Entscheidender für die Lebensbewältigung ist, dass man in einzelnen Lebenssituationen Glücksmomente und subjektiven Sinn, also für sich entwickelt, quasi er-findet. Es geht dabei um Sinn MFG 09 20

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IM Leben, wie es Viktor Frankl formulierte, und zwar durch die Hinwendung auf ein Du, auf konkrete Aufgaben usw., gerade auch in schweren Situationen wie der aktuellen Pandemie. Sind wir mit dem Sinn bei der Religion und im Spirituellen angekommen, die in Krisenzeiten ja Hochkonjunktur haben? Eine Aufgabe der Religion war jedenfalls seit jeher, dem Menschen bewusst zu machen, dass er endlich ist und dass Schmerz, Leid, Krankheit, Unrecht und Tod nicht das letzte Wort haben, dass das Irdische nicht absolut, nicht das Letzte ist. Diese Sehnsucht nach dem positiven Absoluten empfinden aber auch Menschen, die im traditionellen Sinn nicht religiös sind. Es ist die Hoffnung, dass – wie es etwa Horkheimer formulierte – das Unrecht in der Welt nicht siegen möge, dass der Mörder nicht über das unschuldige Opfer triumphieren möge. Viele Menschen können aus dieser Sehnsucht Hoffnung und Vertrauen schöpfen. Das kann helfen, mit der Fragilität des Lebens fertig zu werden, die fundamentale Ungeborgenheit zu überwinden. Es kann aber auch zu Fanatismus führen. Heilslehrer – egal ob religiöse, politische, ideologische – die sich im Besitz des richtigen Weges, der„Wahrheit“ wähnen, feiern aktuell fröhliche Urständ. Viele folgen ihnen blind. Gefährlich wird es dort, wo diese Sehnsucht nach dem

Wichtig ist also ein evolutionärer Weg, eine sukzessive Weiterentwicklung, die vom Humanismus getragen ist. ANTON BURGER 16

ganz Anderen, dem Absoluten schon im Irdischen zu realisieren versucht wird und – egal mit welchen Mitteln und auf wessen Kosten – auch durchgesetzt werden soll. Denken wir etwa an die Idee der klassenlosen Gesellschaft, an Faschismus und Nationalsozialismus etc., die allesamt in der Tragödie endeten. Das heißt, ich richte mein Augenmerk auf die kritische Analyse, auf die Benennung dessen, was überwunden werden soll und kann, aber das in Bescheidenheit, also ohne große Spekulation über einen Endzustand, eine „Idealgesellschaft“ im Hier und Jetzt – die gibt es nämlich nicht. Da kann man sich an Karl Popper halten, der im Kontext des Fortschritts meinte „Lasst Hypothesen sterben, nicht Menschen!“ Wichtig ist also ein evolutionärer Weg, eine sukzessive Weiterentwicklung, die vom Humanismus getragen ist. Das Wissen des Menschen um Krankheit, Leid und Tod, um seine Endlichkeit und Verlassenheit verbindet alle Menschen, führt zu einem Interesse des Menschen am Schicksal der anderen und von daher haben alle Menschen ein originäres Interesse daran, das Leben in der Welt schöner, leidensfreier, gesünder usw., also humaner zu gestalten. Und was den Fanatismus verschiedenster Art betrifft: Sehr oft ist es der verdrängte Zweifel, der Menschen fanatisch werden lässt! Hier kann eine kritische, eine vernünftige Reflexion ansetzen, denn, wie es nach Goya heißt, „der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“. An einer großartigen Weiterentwicklung hegt man aber so seine Zweifel, wenn wir es etwa nicht einmal zustande bringen, für genügend Schutzbekleidung zu sorgen. Der angeblich heilbringende freie Markt, die Globalisierung werden plötzlich mit anderen Augen gesehen. Adam Smith wird ja gerne als Ahnherr des freien Marktes, auf dem die unsichtbare Hand ohne angeblich jegliche staatliche Einflussnahme regiert, zitiert. Nur, was gerne verschwiegen wird: Auch Smith sah Bereiche, die nicht dem freien Markt überantwortet werden dürfen. Das heißt, es braucht Einrichtungen, die eine Rechtsordnung bereitstellen und weiterentwickeln, die für Infrastruktur und öffentliche Güter wie Bildung und auch für jene Spielregeln sorgen, unter denen Märkte – national wie international – funktionieren. Es braucht also die sichtbare Hand der Regeln, damit die unsichtbare Hand des Marktes zum Wohl der Menschen wirken kann. Schwere gesellschaftliche Verwerfungen führen allerdings gnadenlos vor Augen, dass vielfach unzureichende oder gar keine Spielregeln für das Wirtschaften bestehen; hier hat kritische Reflexion anzusetzen! Viele Themen waren ja schon zuvor virulent – jetzt scheinen sie aber so scharf geworden zu sein, dass man nicht mehr so einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Wo würden Sie so eine Diskrepanz orten? Unter welchen Rahmenbedingungen wird der interna-


Schwere gesellschaftliche Verwerfungen führen gnadenlos vor Augen, dass vielfach unzureichende oder gar keine Spielregeln für das Wirtschaften bestehen; hier hat kritische Reflexion anzusetzen! ANTON BURGER

tionale Wettbewerb abgewickelt – ist er sozial, gerecht und ökologisch verträglich, oder ist er verzerrt und das glatte Gegenteil davon? Profitiert die Weltgemeinschaft davon oder nur bestimmte Volkswirtschaften auf Kosten anderer? Nehmen wir etwa die Frage internationaler Lieferketten: Nachhaltige Veränderungen könnte Kostenwahrheit beim Transport bringen, wenn also alle Kosten, etwa auch ökologische Folgekosten, miteingerechnet werden. Oder wie sieht es um die Sinnhaftigkeit und ökologische Bilanz von Kurzstreckenflügen aus? Auch da könnte man Kostenwahrheit – und damit wohl ein anderes Flugverhalten – etwa mittels Kerosinsteuern herbeiführen. Und da gibt es noch viele Themen, wenn wir etwa an Overtourism und ähnliches denken. Bin ich da als einzelner in der Pflicht? Reinhold Messner brachte zuletzt etwa den Gedanken des Verzichts ins Spiel, um die Welt sozusagen besser zu machen. Natürlich kann der einzelne, etwa in seiner Rolle als Konsument, auf der Handlungsebene einen Beitrag leisten. Noch entscheidender sind aber die Spielregeln, unter denen der Konsum an sich abläuft, ist also die Ordnungsebene. Sind die Rahmenbedingungen also für alle gleich und fair? Wie schaut es um einen gerechten und gleichen Zugang etwa zu Bildung, zum Arbeitsmarkt, zum Gesundheits- und Sozialsystem aus? Natürlich ist es positiv, wenn ich sagen kann, ich kaufe bewusst teure Biolebensmittel, fahre ein E-Auto, verzichte auf Billig T-Shirts und kaufe stattdessen Fair Trade-Produkte. Es ist aber auch ein Privileg! Dies zugleich von jemandem zu fordern, der gar nicht die ökonomischen Möglichkeiten dazu hat, ist hingegen zynisch! Das heißt, meine persönliche Verantwortung muss dahin gehen, beizutragen, dass sich die Ordnungsebene dahingehend ändert, dass ein solches Konsumverhalten jedermann möglich wird – was freilich mit Verzicht meinerseits einhergehen könnte. Viele legen dann aber lieber die Hände in den Schoß und meinen, ich als einzelner kann eh nichts ausrichten – das System lässt sich nicht verändern. Da muss ich ganz klar widersprechen: Natürlich hat es der Mensch in der Hand! Der Mensch schafft ja die

Spielregeln – die sind ja nicht gottgegeben. Grundsätzlich liegt es an der Politik, Rahmenbedingungen und Regeln zu schaffen. Ich kann mich als einzelner aber aktiv in einen gesellschaftlichen Diskurs einbringen, kann etwa an Diskussionen teilnehmen, kann demonstrieren gehen etc. und so die Politik beeinflussen und damit die Gesellschaft zu neuen Normen führen. In einer Demokratie ist das zum Glück möglich. Wobei das Paradox ja jenes ist, dass umgekehrt die Demokratie in Zeiten wie diesen mehr zu leiden scheint denn je, viele ihr Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik verlieren. Eines der Probleme einer repräsentativen Demokratie liegt in Spannungen zwischen unterschiedlichen Interessengruppen. Die Grundfrage – und zugleich Grunderwartung – ist: Wie kommt man zu einer sogenannten gerechten Gesellschaft. In der Theorie könnte man Regeln unter der Fiktion „Schleier des Nichtwissens“ entwickeln, d. h. man weiß bei der Formulierung aller Normen nicht, wo man später in der Gesellschaft steht. Ein solches Vorgehen würde zu einer fairen Gesellschaft führen. In der Realität ist es natürlich fatal, wenn der Eindruck entsteht, dass es sich manche Gruppen – zum Beispiel über Parteispenden – richten können, also ihre egoistischen Motive durchsetzen, während das Gemeinwohl hinten ansteht. Das geht mit massivem Vertrauensverlust einher und ist brandgefährlich. In der 1. Republik Österreich oder der Weimarer Republik wurde etwa das Vertrauen in die Institutionen und Grundstrukturen zerstört. Wie die Geschichte endete, wissen wir: in der Katastrophe! MFG 09 20

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UNIV.-PROF. DR. KARL ZWIAUER

„IMPFEN SCHÜTZT UNS UND DIE ANDEREN“ 2020 wartet die ganze Welt auf einen Impfstoff gegen COVID-19. Außer jenen, die behaupten, dass das Corona-Virus nicht existiert und jenen, die Impfungen grundsätzlich ablehnen. „Keine der in Österreich verwendeten Impfungen ist schädlich“, sagt dazu Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Mitglied des Impfgremiums im Gesundheitsministerium.

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TEXT: BEATE STEINER | FOTOS: RANGIZZZ - STOCK.ADOBE.COM, SDECORET - STOCK.ADOBE.COM, ROBERT HERBST, LUK

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er Arzt leitet die klinische Abteilung für Kinderund Jugendheilkunde am Universitätsklinikum in St. Pölten. Er bemüht sich seit langem verständlich und faktenbasiert zu erklären, warum wir uns gegen zahlreiche Krankheiten impfen lassen sollten. Was passiert eigentlich bei einer Impfung? Impfungen lösen eine immunologische Reaktion im Organismus aus, die sehr der Reaktion ähnelt, die auch eine Infektion mit dem Wilderreger auslöst, allerdings ohne die unter Umständen schweren und eventuell lebensbedrohlichen Nachteile der Wildinfektion. Es handelt sich also um eine normale Immunreaktion auf einen Erreger, der für den Menschen ansonsten (lebens) gefährlich, gesundheitlich nachteilig oder zumindest sehr unangenehm ist. Der Vorteil dieser ersten immunologischen Auseinandersetzung ist, dass bei einer neuerlichen Infektion mit dem Wilderreger das Immunsystem dann schon Erfahrung, also Antikörper, hat und mit der Infektion umgehen kann, ohne dass der Gesamtorganismus Schaden davon trägt. Eine Impfung ist daher nichts Unnatürliches, sondern die Vorbereitung auf eine neuerliche Konfrontation mit einem unangenehmen und für den Menschen schädlichen Bakterium oder Virus.

weltweit. Bei anderen wiederum sind wir ganz, ganz schlecht. Beispielsweise bei der Influenza Impfung, wo wir europaweit an hinterster Stelle rangieren. Die Auswirkungen sind direkt an den Erkrankungs- und Todesraten zu sehen: Während wir in Österreich sehr wenige Fälle von FSME haben, gibt es im Nachbarland Tschechien, wo die Durchimpfungsraten sehr niedrig sind, bei annähernd gleich vielen Einwohnern fast zehnmal mehr Erkrankungsfälle als in Österreich. Das sind ähnlich viele, wie es sie bei uns vor Einführung der FSME Impfung gegeben hat. An Influenza sterben jährlich mehr Personen als bisher an Covid-19. Wäre also eine Impfpflicht sinnvoll? Eine Impfpflicht ist das äußerste Mittel, um manche Personengruppen zu schützen. Das ist ähnlich wie mit jeder anderen Pflicht: Wenn das Allgemeinwohl gefährdet ist oder die persönliche Einsicht nicht ausreicht, dann werden Dinge verpflichtend vorgeschrieben. Gurtenpflicht z. B. oder die Pflicht, sich an die Straßenverkehrsordnung zu halten. Wobei es bei der Impfpflicht primär darum geht, nicht nur sich selbst, sondern vor allem Personen zu schützen, die sich selbst nicht schützen können, und davon gibt es jede Menge: Säuglinge, die noch nicht geimpft werden können, Menschen mit Immundefekten oder unter einer immunsuppressiven Therapie, ältere Menschen, die nicht mehr auf Impfungen ansprechen und ein hohes Erkrankungsrisiko haben.

20 Millionen Impfungen (in den letzten fünf Jahren, Anm.) stehen im selben Zeitraum drei anerkannte Impfschäden gegenüber.

Der einzelne ist also durch eine Impfung geschützt. Was aber bringt eine hohe Durchimpfungsrate der Gesellschaft? Bei einigen Viruserkrankungen gibt es den Vorteil, dass auch Personen, die sich nicht impfen lassen können, Auch wenn es keine gesetzliche KARL ZWIAUER geschützt sind, wenn viele Menschen Impfpflicht gibt: Welche Impgeimpft sind. Je mehr Personen gegen fungen sind „Pflichtimpfungen“ einen Virus-Erreger geschützt sind, aus Sicht eines Arztes? umso weniger Möglichkeiten gibt es, dass das Virus von In der überwiegenden Zahl der EU-Staaten gibt es einem Menschen auf den anderen übertragen wird. Geverpflichtende Impfungen – letztes Beispiel ist die Marade besonders empfindliche Personen, die zum Beispiel sernimpfpflicht. Der Hintergrund ist, dass es in Italien, eine Chemotherapie durchmachen, oder Ältere, deren in Frankreich und in Deutschland eine zunehmende Immunsystem schwach ist oder auch sehr junge Kinder, Zahl von tödlichen Masernfällen gegeben hat. Trotz alSäuglinge, die ein noch unerfahrenes Immunsystem haler Aufklärungsversuche ist es aber nicht gelungen, die ben, profitieren von hohen Durchimpfungsraten, weil Durchimpfungsraten so hoch zu bekommen, dass sich die Gefahr, dass sie infiziert werden, proportional daein ausreichender Herdenschutz aufgebaut hätte, vor mit abnimmt, wie viele Personen sich in der Umgebung allem „dank“ der militanten Impfgegner, die das verhinhaben impfen lassen. Letztendlich ist es möglich, dass dert haben. Die Konsequenz ist daher, dass diese Länder Erkrankungen, die nur von Mensch zu Mensch übertradie verpflichtende Impfung eingeführt haben. Nur um gen werden, ausgerottet werden, weil sie sich nicht mehr zu zeigen, wie resistent einerseits und erfinderisch anausbreiten können zum Beispiel die Pocken. dererseits manche Personen sind. Postwendend hat ein Handel mit Ausnahmebescheinigungen von der ImpDie Impfdisziplin der Österreicher soll ja nicht befung begonnen, im Zuge dessen von Ärzten, ohne jemals sonders gut sein – wie stehen wir da im internatiden Patienten gesehen zu haben, gegen entsprechendes onalen Vergleich? Was hat das für Auswirkungen? Honorar solche Bescheinigungen verkauft worden sind. Bei manchen Impfungen sind die Österreicher Weltmeister, etwa bei der FSME Impfung, wo wir so hohe Manche Menschen sorgen sich aber, dass ihnen Durchimpfungsraten haben wie kein anderes Land die Impfung schadet. MFG 09 20

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keines Beweises einer Kausalität zwischen Impfung und Gesundheitsschädigung, sondern das Gesetz verlangt lediglich die Wahrscheinlichkeit der Kausalität. Und: Die überwiegende Anzahl der anerkannten Impfschäden ist in den letzten 20 Jahren auf die derzeit nicht mehr verfügbare Tuberkulose-Impfung zurückzuführen gewesen.

COVID-19. Das Virus hält die Welt in Atem. Viele hoffen, mit einer Impfung die Pandemie in den Griff zu bekommen. Bei jeder in der EU und so auch in Österreich in Verwendung befindlichen und neu zugelassenen Impfung gibt es eine klare Nutzen-Risiko-Einschätzung von Gesundheitsbehörden, die einerseits auf Zulassungsstudien und andererseits auf permanenten Beobachtungen von Sicherheitsaspekten der Impfung basieren. Keine der in der EU und in Österreich in Verwendung stehenden Impfung ist schädlich – was nicht heißt, dass es unter Umständen individuell zum Auftreten von Nebenwirkungen kommen kann. In der Abwägung dieser Nebenwirkungen gegenüber dem Benefit ist aber jede der Impfungen, die in Österreich zugelassen ist, positiv und sicher. Wie viele „Impfopfer“ gibt es eigentlich pro Jahr in Österreich? Impfschäden sind rar, aber in der medialen Wirkung sehr effektiv. Impfschäden, auch vermeintliche Impfschäden, lösen emotionale Riesenwellen aus und verunsichern. In wenigen Fällen kommt es nach der Verabreichung einer Impfung zu einer über eine Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung, eben zu einem sogenannten Impfschaden. Solche Impfschäden sind durch das Österreichische Impfschadensgesetz abgedeckt. Nur um eine Idee von der Häufigkeit von Impfschäden zu bekommen: Derzeit werden in Österreich jährlich 3,5 bis 4 Millionen Impfungen im kostenfreien Impfkonzept durchgeführt. In den letzten fünf Jahren wurden etwa 17,5 bis 20 Millionen Impfungen in Österreich durchgeführt. Diesen rund 20 Millionen Impfungen stehen im selben Zeitraum drei anerkannte Impfschäden gegenüber. In den fünf Jahren davor, also von 2010 bis 2014, waren es sieben Anerkennungen. Dabei gibt es bei der Anerkennung eines Impfschadens eine juristische Besonderheit: Um als Impfschaden anerkannt zu werden, bedarf es – anders als bei zivilgerichtlichen Ansprüchen, wo ein kausaler Zusammenhange nachgewiesen werden muss – beim Impfschadensgesetz 20

Können sich Allergien durch Impfungen verstärken? Es gibt eine überwältigende Zahl von Studien der letzten zehn bis 20 Jahre, die zwischen Impfungen und dem Auftreten von Allergien definitiv keinen Zusammenhang sehen. Ganz im Gegenteil gibt es zunehmend Hinweise, dass geimpfte Kinder weniger oft an allergischen Erkrankungen leiden. Impfungen können im Allgemeinen trotz bestehender Allergien bedenkenlos durchgeführt werden können. Auch Personen mit einer Hühnereiweißallergie können die meisten Impfungen, die kleine Mengen an Hühnereiweiß enthalten, gegeben werden: Masern-Mumps-Röteln-, Influenza-, Tollwut- und FSME-Impfung. Lediglich bei der Gelbfieberimpfung ist die Menge des Eiweißgehalts von klinischer Bedeutung, daher sollte diese Impfung, wenn sie unbedingt notwendig ist, von Spezialisten durchgeführt werden. Impfungen können also zu Resilienz beitragen? Impfungen erhöhen, wie aus dem oben gesagten leicht zu entnehmen ist, die Resilienz gegenüber vielen Infektionserkrankungen. Sie sind ein wichtiger Beitrag zum Schutz vor Infektionserkrankungen. Bei manchen Impfungen wird auch ein Schutz gegenüber anderen Erkrankungen, nicht nur gegen die Infektionserkrankung angenommen: Allergien oder Herpes Zoster Infektionen. Das sind allerdings derzeit noch nicht gesicherte Fakten. Die Impfbereitschaft scheint einmal stärker, einmal schwächer ausgeprägt zu sein. Woran liegt das, und kann da ein elektronischer Impfpass helfen? Aus den Augen, aus dem Sinn: Mit dem Verschwinden von Infektionserkrankungen sinkt auch das Risikobewusstsein und damit auch die Motivation, sich gegen die Erkrankung zu schützen. Früher, als von vier Kindern eines an einer Infektionserkrankung gestorben ist, als jede Familie ein Kind mit Kinderlähmung aus der unmittelbaren Umgebung gekannt hat, war die Motivation hoch, sich gegen die Erkrankung impfen zu lassen. Mit dem Erfolg der Impfungen, dem Verschwinden oder dem Rückgang von Erkrankungen, gegen die geimpft wird, verschwindet auch die Motivation sich impfen zu lassen. Bei manchen ist es auch einfach das Vergessen auf die Impfung. Der elektronische Impfpass, der heuer noch in ganz Österreich eingeführt werden wird, kann dabei natürlich helfen, er erinnert an die notwendigen Impfungen und ist damit nicht mehr zu verlegen oder zu verlieren. Er ist damit ein Dokument, das wir immer – schlimmstenfalls nur im Internet – haben.


„IMPFEN SCHÜTZT UNS UND DIE ANDEREN“

Impfgegner und Verschwörungstheoretiker wird auch der elektronische Impfpass nicht zur Impfung bringen: Werden sie mehr oder erregen sie nur mehr Aufmerksamkeit? Sie erregen viel Aufmerksamkeit, sind laut und im Internet sehr präsent. In Krisenzeiten haben sie immer Hochkonjunktur, weil sie mit den Ängsten und Befürchtungen der Menschen rechnen und sie ausnutzen für ihre eigenen krusen Ideen, die teils von sehr praktischen finanziellen Hintergedanken geprägt und getrieben sind. Welche Ziele verfolgen Impfgegner Ihrer Meinung nach, vor allem wenn sie mit Verschwörungstheorien einhergehen? Z.B. Bill Gates will mit Chips-Implantaten die Menschheit willenlos machen und die Weltherrschaft an sich reißen. Oder: Bill Gates will eine globale Impfpflicht, um ein Vermögen zu verdienen. Impfgegner wie Verschwörungstheoretiker arbeiten mit drei wesentlichen Instrumenten: Ängste schüren, Menschen verunsichern und Falschmeldungen verbreiten. Die Bill and Melinda Gates Stiftung ist gemeinsam mit der WHO – wahrscheinlich auch eine Gesellschaft zur Weltherrschaft – einer der wichtigsten Finanziers der weltweiten Impfprogramme. Der Milliardär und seine Stiftung finanzieren auch die Entwicklung von Impfstoffen – und das stößt natürlich besonders Impfgegnern extrem sauer auf: Ein reicher Mann, der mit Software reich wurde und Impfungen finanziert? Das schreit doch geradezu nach einer Impfverschwörung, nach winzigen Chips in Impfungen, mit denen dann die Menschheit überwacht wird. Dass Impfgegner das nicht goutieren und sich mit Verschwörungstheoretikern zusammentun – was liegt näher?

passen, manche von ihnen betrügen und lügen. Immer öfter werden sie aber entlarvt und es werden ihre tatsächlichen Hintergründe offenkundig. Sie schaden bewusst oder aus Halbwissen, verunsichern Rat suchende Menschen und verdrehen oder verkehren Fakten. Sie leugnen naturwissenschaftliche Fakten, zum Beispiel, dass es überhaupt Viren gibt, und nutzen ahnungslose, gutgläubige Menschen schamlos aus. Natürlich war es früher normal, dass vor der Impfung gegen Masern fast alle Kinder Masern durchmachten – stimmt. Der zweite Teil der Geschichte wird geflissentlich weggelassen: An Masern starben immer zahllose Kinder. In Europa, dann in Amerika, als die Eroberer die Masern mitbrachten und überall auf der Welt. Im Jahr 2000 starben weltweit mehr als eine halbe Million nicht geimpfte Kinder an Masern, und 2010 noch immer fast 200.000 jährlich. Das sind Fakten, und nur wirklich reale Daten und Fakten können den Impfgegnern schaden und ihre Unglaubwürdigkeit aufdecken. So, wie auch ihre finanziellen Geschäftemachereien – etwa abstruse Laboruntersuchungen, fragwürdige Therapien gegen Vergiftungen durch Impfungen oder Bücher aus dem Selbstverlag – die sie den Impffirmen und Ärzten vorwerfen, immer öfter aufgedeckt werden.

Impfgegner wie Verschwörungstheoretiker arbeiten mit drei wesentlichen Instrumenten: Ängste schüren, Menschen verunsichern und Falschmeldungen verbreiten.

Möglicherweise Ende des Jahres soll bereits ein Impfstoff auf den Markt kommen. Kann dieser überhaupt sicher sein? Wenn in Österreich und der EU ein Impfstoff zugelassen wird, dann kann davon ausgegangen werden, dass es ausreichend wissenschaftliche Daten gibt, die zeigen, dass der Impfstoff wirksam und sicher ist. Es wäre fatal für die SARS-CoV-2 Impfung und das gesamte Impfwesen, sollte KARL ZWIAUER sie voreilig und ohne diese Sicherheitsdaten zugelassen werden. Der Impfstoff muss daher allen Sicherheitskriterien entspreAber viele Impfgegner berufen sich auch auf nachchen, bevor er zugelassen wird. Dies ist ja auch einer der weislich falschen „Fakten“: Sie argumentieren wesentlichen Kritikpunkte am russischen SARS-CoV-2 zum Beispiel, dass das Immunsystem verkümImpfstoff, für den es diese Daten der Sicherheitsprümert, wenn geimpft wird. Oder sie behaupten, fungen noch nicht gibt. Auch wenn sich in der Zukunft dass es früher normal war, dass Kinder an Masern herausstellen sollte, dass er sicher ist, legitimiert es denund Röteln erkrankt sind – und sehen die schon noch nicht, einen solchen Impfstoff vor dem Vorliegen vor Jahrzehnten übliche Impfung als Bestätigung, dieser Daten zuzulassen, zumindest nicht in der EU. dass Impfen Geschäftemacherei ist. Das ist eine Facette der Impfgegner, die besonders dreist Wenn es für Österreich und die EU einen überprüfaber sehr gängig ist: Sie verbreiten Falschmeldungen, ten und zugelassenen Impfstoff geben wird, dann, denke nehmen nur die Teile von Studien, die in ihre Sicht ich, gibt es keinen Grund, sich nicht impfen zu lassen. MFG 09 20

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MFG URBAN

STOLZ UND VORURTEIL Die Regenbogenfahne am Rathaus stärkt diskriminierten Menschen den Rücken, zugleich provoziert sie Polemik und stößt Diskussionen an. Die jungen Gemeindepolitiker Florian Krumböck und Michael Kögl erzählen ihre eigenen LGBTIQ-Geschichten. Und die Diözese weist einen polemischen Pfarrer zurecht.

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er Juni steht weltweit im Zeichen der LGBTIQ-Community, einer zunehmend breiten Bevölkerungsgruppe, der sich bi- und homosexuelle, ebenso wie intersexuelle und transsexuelle Menschen zugehörig fühlen. Das, was im Englischen mit dem Ausdruck als „queer“ einen Bogen spannt, würde sich ins Deutsche wohl am besten als positiv gemeintes „Anderssein“ übersetzen lassen. Und diese posi22

tive Grundhaltung steht im Mittelpunkt dieser Geschichte. Dass man sich nicht schämen muss, für sich selbst. Als im Juni 2020 das ganze Land versuchte die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, waren auch viele Veranstaltungen und Aktivitäten der LGBTIQ-Community abgesagt. So auch das jährliche Highlight dieser Szene, die Regenbogenparade im Rahmen der Vienna Pride. Dennoch sollte ein Lebens-

zeichen gesetzt werden. Der SPÖGemeinderat Michael Kögl schlug St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler vor, die Regenbogenfahne am Rathaus zu hissen. In dieselbe Kerbe schlug auch der ÖVP-Gemeinderat Florian Krumböck, der in der Kronenzeitung anregte, am Rathaus die bunte Fahne zu hissen. Mitte Juni war es dann soweit und die Fahne hing am Rathaus. Die NÖN berichteten darüber mit einem Foto von Bürgermeister Stadler, Gemeinderat Kögl und der Leiterin des St. Pöltner Büros für Diversität, Martina Eigelsreiter. Die Fahne sei als Zeichen gegen Diskriminierung und für Toleranz gedacht. Doch nicht alle hatten damit ihre Freude. Der St. Pöltner FPÖ-Stadtrat Klaus Otzelberger empfand „diesen Akt als deplatziert“, wie die Wochenzeitung berichtete. Vielmehr wünsche er sich eine Fahne für jene Menschen, die keinen Anspruch auf ihre Besonderheit stellen und in ihrer Normalität einfach ihren Alltag meistern. Auf Facebook legte er nach: Die wahren Helden seien jene, die nicht um jeden Preis beachtet werden müssten.


TEXT: MICHAEL MÜLLNER | FOTOS: 9NONG - STOCK.ADOBE.COM, JOHANNES ZINNER, FACEBOOK.COM/KLAUS.OTZELBERGER, VPSTP/LECHNER

ren wir, was noch nicht gut genug läuft.“ Umfragen zeigen, dass mehr Sichtbarkeit auch zur echten Verbesserung der Lebenssituation beiträgt.

LGBTIQ – BITTE, WAS? Das Akronym LGBT steht für homosexuelle (Lesbian, Gay) und bisexuelle Menschen sowie für Transgender. Verwendet wird es seit den 1990er-Jahren um auf gemeinsame Interessen dieser Bevölkerungsgruppe hinzuweisen. Mit der Zeit wurde häufig ein I für intersexuelle Menschen eingefügt. Das Q steht für „questioning“ im Sinne von auf der Suche sein oder für „queer“ im Sinne eines positiv gemeinten Andersseins.

Doch was will die Fahne wirklich erreichen und warum haben manche offenbar ein Problem mit diesem Stück Stoff? Für Florian Krumböck ist die gehisste Regenbogenfahne ein Zeichen der Sichtbarkeit. Gerade als alles andere abgesagt werden musste, war es sein Ziel im Kleinen vorzupreschen und mit diesem Stück Stoff einen Beitrag zu leisten, dass sich Menschen bestärkt und weniger allein fühlen: „Natürlich würde ich mir wünschen, dass Symbole wie die Regenbogen-Fahne am Rathaus nicht mehr nötig wären, wenn das Miteinander in der Gesellschaft wirklich funktionieren würde. Aber ein Viertel der queeren Menschen verschweigt sich selbst am Arbeitsplatz. Das sind Menschen, die sich nicht trauen ein Bild ihres geliebten Partners am Schreibtisch aufzustellen. Eben, weil es noch immer nicht egal ist, wen man liebt.“ Und deshalb überbringt die Fahne für Krumböck zwei ganz wichtige Botschaften. Zum ersten nach innen, an die LGBTIQ-Szene selbst: „Du bist nicht allein und in unserer Stadt ist es okay, dass du so bist, wie du bist.“ Die zweite Botschaft geht nach außen und sagt sinngemäß: „Debattie-

Role Model Früher war Homosexualität an sich noch ein großes Thema und deren Darstellung in der Populärkultur verkrampft und skandalbehaftet, etwa wenn man an den ersten Kuss zwischen zwei Männern im deutschen Vorabendfernsehen („Lindenstraße“, 1987) denkt. In Folge gab es sogar Morddrohungen gegen die Darsteller. Die heutige Netflix-Generation wächst mit Erfolgsformaten auf, in denen queere Liebesbeziehungen nicht abgefahrener sind als die ihrer Hetero-Freunde. Wesentlichen Beitrag zur Sichtbarkeit der LGBTIQ-Szene leisten naturgemäß jene Vertreter der Szene selbst, die sich öffentlich zu ihrem Liebesleben äußern. Doch nicht nur LeinwandHeldinnen und Musik-Stars taugen als „role model“. Auch dem St. Pöltner Gemeinderat, also der lokalen Volksvertretung gehören zwei Männer an, die Männer lieben. Florian Krumböck ist wohl der erste offen homosexuelle Gemeinderat St. Pöltens. Über seinen Weg als schwuler Mann in die Politik spricht er offen, auch wenn er das Thema eigentlich „nie an die große Glocke gehängt hat.“ Eher unabsichtlich denkt er irgendwann darüber nach, was passieren würde, wenn er mit seinem Partner zu einem offiziellen Termin gehen würde. Da steht für ihn fest: „Es geht um mein persönliches Glück. Ich bin gerne Politiker. Und ich bin gerne glücklich. Also war mir klar, dass ich das unter einen Hut bringen muss und dass es da nichts zu verstecken gibt. Zudem möchte ich meinen Partner auch in mein politisches Leben einbinden und ihn keinesfalls verstecken.“ Ein Outing mit großem Knall gab es

nicht. Nach den Freunden erfuhr es die Familie, später die Parteikollegen, an die große Glocke hängte er seine sexuelle Orientierung nicht. Sie ist einfach, wie sie ist – und eigentlich gar kein großes Thema. Krumböck: „Jeder muss selbst entscheiden, ob man als schwuler Politiker sichtbar sein will. Meiner Meinung nach ist es sehr gut, wenn man sichtbar ist, denn somit rücken Homosexuelle zunehmend in die Mitte der Gesellschaft und dadurch verschwinden Berührungsängste. Mein unverkrampfter Umgang kann hoffentlich ein bisschen helfen, andere auf ihrem Weg zum Glücklichsein zu bestärken.“ Sehr geholfen habe ihm dabei, dass seine Familie stets hinter ihm und seiner sexuellen Orientierung stand. „Es gab in meinem Umfeld immer schon homosexuelle Paare, also das war für uns jetzt auch nicht so unglaublich neu. Dennoch ist es ein Privileg, wenn du in der Familie Rückhalt genießt.“ Beruflich sei seine Homosexualität nie ein wirkliches Thema gewesen: „In meiner Partei gibt es viele Homosexuelle, wir sind in der Mitte der Gesellschaft. Auch Homophobie kommt in allen Parteien und Schichten vor. Es ist auch kein Widerspruch konservativ und gleichzeitig für die Ehe für alle zu sein. Familie als Keimzelle der Gesellschaft soll natürlich auch Männern offenstehen!“ Warum dann gerade aus dem rechten politischen Spektrum gerne gegen LGBTIQ-Themen aufgetreten wird? „Weil es der FPÖ immer

Es geht um mein persönliches Glück. Ich bin gerne Politiker. Und ich bin gerne glücklich. FLORIAN KRUMBÖCK MFG 09 20

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ums Gegeneinander geht. Sie macht Politik indem sie Gruppen ausspielt. Beim Pride Month geht es genau ums Gegenteil, ums Gleichsein. Darum verstehen die Freiheitlichen das Thema einfach nicht.“ Und auch wenn sich in weiten Teilen der Bevölkerung mittlerweile das Verständnis für LGBTIQ-Themen durchsetzt, so gebe es seiner Wahrnehmung nach Gesellschaftsschichten „wo wir mit dem Thema noch nicht durch sind.“ Sichtbar sein Zurück zur Regenbogenfahne am St. Pöltner Rathaus. Auch wenn Krumböck diese medial als Erster gefordert hat, gehisst wurde sie letztlich auf Initiative von Michael Kögl, der erst im Februar 2020 als Mandatar der SPÖ in den Gemeinderat nachgerückt ist. Während der Oppositionspolitiker Krumböck also medial forderte, ging Kögl zu „seinem“ Bürgermeister und konnte rasch Fakten schaffen: „Das Schwierigste war so rasch eine passende Fahne zu bekommen, damit sie noch an jenem Wochenende hängen konnte, an dem eigentlich die Regenbogenparade hätte stattfinden sollen.“ Die Idee hatte er schon länger, nun sei es aber einfach an der Zeit gewesen um „Sichtbarkeit zu schaffen und Unterstützung zu zeigen, gerade für junge Leute: Ihr könnt hier ohne Angst so leben, wie ihr wollt. Die Stadt steht an eurer Seite und zeigt das für alle

Bürgermeister Matthias Stadler, Initiator Michael Kögl und der Leiterin des städtischen Büros für Diversität Martina Eigelsreiter in die Kamera gehalten. Was wäre das für ein Hingucker gewesen, wenn das verbindende Thema auch den Oppositionspolitiker Florian Krumböck zum gemeinsamen Fotoshooting geladen hätte? Die Beteiligten betonen, das Foto entstand kurzfristig und Corona-bedingte Abstandsregeln verhinderten viel mehr Leute am Foto. Außerdem sei kein parteipolitisches Geplänkel gewollt. Kögl: „Ich hatte gar nicht am Schirm, dass Krumböck zu dem Thema aktiv war, er wurde sicher nicht geschnitten. Ich würde gerne in Zukunft gemeinsame Aktionen mit ihm planen, immerhin kenn ich ihn schon seit vielen Jahren aus unserer Zeit als Schülervertreter. Und außerdem: Die Fahne hängt ja nicht für uns Gemeinderäte!“

FAKTEN ZU LGBTIQ • 39% der homosexuellen Paare in Österreich vermeiden oft oder immer in der Öffentlichkeit Hände zu halten. • 19% vermeiden oft oder immer, aus Angst dort angegriffen zu werden, bestimmte Gebiete. • Nur 55% zeigen immer offen, dass sie Teil der LGBTIQ-Community sind. 20% fühlten sich deswegen im letzten Jahr am Arbeitsplatz diskriminiert. 40% empfanden sich in zumindest einem Bereich des öffentlichen Lebens deswegen diskriminiert. • 41% der jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahre haben in ihrer Schulzeit nicht über ihr LGBTIQ-Sein gesprochen. • 54% denken, dass Vorurteile und Intoleranz gegenüber LGBTIQ in den letzten fünf Jahren zurückgegangen sind. Quelle: EU LGBTI Survey II, Länderdaten für Österreich 2020, European Union Agency for Fundamental Rights.

sichtbar am wichtigsten Repräsentationsort, dem Rathaus.“ Doch selbst die gleichmachende Fahne musste scheinbar Partei­ grenzen respektieren. Am offiziellen Pressefoto der Stadt wird sie nur von

Thematisieren, normalisieren Auch Michael Kögl gibt ein spannendes „role model“, obwohl wohl viele gar nicht wissen, mit wem er zusammenlebt: „Ich bin sicher nicht als schwuler Politiker gelabelt, obwohl ich meine sexuelle Orientierung nie verborgen habe. Als Sozialdemokrat stehe ich sowieso für eine Gesellschaft ohne Diskriminierung, also dafür bräuchte es gar nicht meine persönliche Situation. Bei offiziellen Anlässen ist mein Umgang unverkrampft – wenn mein Freund möchte, nehme ich ihn gerne mit. So gesehen gibt es auch genug Fotos von uns als Paar. Ich äußere mich auch zu LGBTIQ-Themen, aber ich bin kein Feigenblatt, jedmand der sich nur zu diesem Thema äußert.“ Seine Homosexualität sieht er kaum als großes Thema in seiner PolitikerLaufbahn: „Ich erinnere mich aber an eine Schuldiskussion anlässlich der letzten Landtagswahl, in der ein freiheitlicher Kandidat meinte, nur

STOLZ AUF DIE FAHNE. Auch mit einem Symbol für Gleichheit und Gemeinschaft kann man gut Auseinanderdividieren.

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STOLZ UND VORURTEIL

Ich habe heute kein Problem damit zu sagen, dass ich schwul bin. Aber es ist nicht mein zweiter Satz. MICHAEL KÖGL

heterosexuelle Paare könnten eine Familie gründen. Da wird es dann schon persönlich und emotional und ich fragte ihn direkt, ob er wirklich der Meinung ist, dass es mir nicht zusteht eine Familie zu haben? Das ist dann wahre Politik, wenn man Leuten gegenübersitzt und über bloße Parolen hinweg die Folgen von Politik diskutieren kann.“ Womit wir wieder bei den Kritikern der Fahnen-Aktion wären. So wünscht sich Klaus Otzelberger „Fahnen für normale Menschen, etwa für alleinerziehende Mütter, die ihren Alltag meistern, ohne dass groß über sie geredet würde.“ Kann Kögl nachvollziehen, was Otzelberger stört? „Nein, das verstehe ich nicht. Ich habe selten so eine blöde Argumentation gehört. Wir haben ihm nichts weggenommen und wir wollten ihm keine Angst machen. Wenn man ein Zeichen für eine Gruppe setzt, schadet man damit ja nicht anderen. Wenn die Fahne nicht am Rathaus hängt, hilft das der Alleinerziehenden ja auch nicht. Tatsache ist, dass die ganze LGBTIQCommunity von Diskriminierung betroffen ist. Nach wie vor ist es schwierig für Betroffene, weil sie marginalisiert werden. Darum ist jeder Beitrag zur Sichtbarkeit wichtig um das Thema zu normalisieren.“ Wie schaffte er den Sprung vor den Vorhang, quasi das politische Coming-out? „Ich bin seit 16 Jahren politisch aktiv, vor ungefähr zehn Jahren begann ich mit Freunden und Familie, später dann in der Partei darüber zu reden. Ich habe heute kein Problem damit zu sagen, dass ich mit einem Mann zusammen bin. Aber es ist nicht mein zweiter Satz. In meiner politischen Laufbahn hatte ich damit nie Probleme, außer vielleicht bei Diskussionen mit Rechten.“

Wie lassen sich die Probleme dieser Community lösen? Ist Homophobie ein Generationenthema, ist die jüngere Generation aufgeschlossener? „Ich bin überzeugt, dass auch ältere Leute sehr lernfähig sind, also denke ich nicht, dass es mit Generationen zu tun hat. Homophobie ist eher ein Bildungsproblem, weil viel nicht thematisiert wird, was sehr in die Bildungspolitik reinspielt. Ich denke da an Entrüstungsstürme, wenn man im Bildungswesen Sexualität anspricht. Das ist das ursprünglichste Problem überhaupt: Was geschieht mit meinem Körper? Vor fünf Jahren war ich freiwillig beim Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen und habe mit geflohenen Menschen gearbeitet. Meine Erfahrung ist: Es gibt oft einen kulturellen Rucksack, den man mit sich trägt. Themen wie Homosexualität oder Frausein waren zwar nie ein Problem, aber oft ein großes Thema. Es ist wichtig, dass wir klar sagen, was hier bei uns normal und voll okay ist. Dann wird das auch akzeptiert. Oder dass man zum Nachdenken über Sprache anregt. Was das bedeutet, wenn man beispielsweise die Wörter ‚schwul‘ oder ‚behindert‘ abfällig einsetzt. Das lässt sich mit vernünftigen Gesprächen oft schnell auflösen.“ Des Teufels Meme Schnell gelöst war auch eine weitere Aufregung. Kurz nachdem die Regenbogenfahne am Rathaus gehisst war, hängte der Rektor der St. Pöltner Prandtauerkirche als Reaktion einen Zettel in seinen Schaukasten, der einen regenbogenfarbenen Wolf im Schafspelz zeigte. Die wenig subtile Botschaft: Die Gefahr für die Herde geht vom schwulen Wolf aus, der vorgibt nur lieb um Gleichberechtigung zu fragen, während er

aber in Wahrheit alle auffressen will. Der Wirbel war vorprogrammiert und vielleicht sogar gewollt. In einer ersten Reaktion wurde der Aushang um eine „Erklärung“ ergänzt, die aber alles noch zweifelhafter machte. Die Reaktion der Diözese fiel dafür umso klarer aus. Der Pfarrer musste Zettel samt Erklärung abnehmen, die offizielle Kirchenleitung stellt nach einer Entschuldigung klar: Der Blick von Seelsorgern auf die Lebensrealität von Menschen müsse verständnisvoll, breit und dialogisch sein. Und: „Gerade weil Sexualität zutiefst persönlich und ganzheitlich den Menschen betrifft, umfasst unser Verständnis von Diskurs und Dialog jedenfalls keine Aushangzetteln mit solch fragwürdigen Inhalten; in Bezug auf die Lebensführung der Menschen ist jede Polemik abzulehnen.“ Ein Statement, das auch Vertreter der LGBTIQ-Community als beachtlich klar und händereichend aufgefasst haben. Florian Krumböck etwa meint, „die Aussage der Diözese und ihre Positionierung gegen jede Polemik zählt wesentlich mehr als der ursprüngliche Aushang.“ Wo kommen wir nun also zum Stehen, am Ende des Regenbogens? Bei Menschen, die lieben, wen sie lieben. Bei zeitweise weithin sichtbaren Symbolen, die jenen Mut machen wollen, die im Alltag oft Angst erleben. Und bei vielfältigen Reaktionen darauf, wenn sich eine Minderheit zur Abwechslung ins Bewusstsein ruft. Ab hier liegt die Reaktion dann übrigens nur mehr an uns selbst. MFG 09 20

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VERISCHERUNGSAGENTUR MEDER

WEIL SICHERHEIT VERTRAUENSSACHE IST!

Auf die Materie gestoßen ist der damalige Jungspund in der Handelsschule „wo ich eine Arbeit über Versicherungswirtschaft zu schreiben hatte, was ich extrem spannend fand.“ So sehr, dass er sozusagen hängenblieb und in Folge bei der renommierten Kanzlei „Gally & Rothbauer“ sein versicherungstechnisches Rüstzeug erwarb. Als Person, die Unternehmertum quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat (Alex ist Sohn der Unternehmerlegende Helmut Meder) machte er sich nach der Ausbildung zum akademisch geprüften Versicherungskaufmann schließlich bereits im zarten Alter von nur 21 Jahren selbstständig. „Ich habe dann einen starken Partner gesucht und in UNIQA gefunden.“ Soll heißen, Meder vertreibt ausschließlich die Produkte des österreichischen Branchen-Primus „weil es aus meiner Sicht in Sachen Versicherung einfach besser für die Kunden ist, wenn sie sozusagen nicht in jedem Dorf einen Hund haben – also eine Versicherung hier, eine dort, die dritte vielleicht wieder bei einem anderen Anbieter – sondern alles aus einer Hand. Da tut man sich dann auch leichter im Hinblick auf Kulanz-Lösungen, vergünstigte Gesamtpakete und kann vieles auch unternehmensintern leichter lösen.“ Am wichtigsten sei angesichts der Tatsache, dass die Produkte am Versicherungsmarkt aber ohnedies sehr ähnlich sind, aber vor allem der persönliche Service, und da ist Meder – wenn man mit seinen Kunden spricht – unschlagbar. „Du musst dich einfach ehrlich um die Kunden kümmern, erreichbar sein, sich für sie einsetzen und für sie da sein.“ Allein nach dem letzten Unwetter trudelten bei ihm 15 Schadensmeldungen ein, die es rasch und kompetent abzuwickeln gilt. „Da führe ich dann eine eigene Liste, was schon wie weit erledigt ist, wo man noch etwas nachfordern muss etc.“, dies stets im Kontakt mit seinen Versicherten, wobei sich Meder 26

Alex Meder lässt seine Kunden nicht im Regen stehen.

diesbezüglich auch auf die profunde Unterstützung seiner Kollegin Kamenitka Veljanoski verlassen kann, die das Büro in der Hnilickastraße 8 in St. Pölten schupft. Dort können die Kunden dank fixer Öffnungszeiten jederzeit mit ihren Anliegen vorbeischauen „wobei viele auch einfach nur auf ein Plauscherl oder einen Café kommen“, schmunzelt Meder und bringt damit das persönliche Verhältnis zu seinen Kunden zum Ausdruck.

Private & Unternehmer Seine Agentur versichert dabei aber nicht nur Private mit Klassikern wie Haftpflicht,

KFZ-Versicherung, Rechtsschutz, Unfall- und Krankenversicherung etc., sondern auch zahlreiche renommierte Unternehmer wie etwa NXP, Transporte Speiser, Meidl Reisen u.a. vertrauen auf sein Know-how und Service. Dies nicht zuletzt deshalb, weil Meder als Unternehmer, der neben der Versicherung auch noch gemeinsam mit Manfred Hinterberger das ALFRED Hotel & Bar betreibt, eben weiß, wie der Hase läuft und wo mitunter der Unternehmer-Schuh drückt. „Ich bemühe mich vor allem um für das Unternehmen maßgeschneiderte Pakete – da geht es etwa um Versicherung gegen Betriebs- und Inventarschäden, um Betriebshaftpflicht, Fuhrpark etc.“ Das Credo, welchem er in seiner Arbeit folgt, sei aber letztlich bei Unternehmern wie bei Privatkunden dasselbe: „Du musst verlässlich sein, du musst zu deinem Wort stehen, du musst dich um die Sachen ehrlich kümmern und du darfst niemanden im Regen stehen lassen!“ Genau deshalb wird Meder geschätzt, weil er eine Grundempfindung in Sachen Versicherung begriffen hat, die er auch in einem seiner Slogans zum Ausdruck bringt „Weil Sicherheit Vertrauenssache ist!“

FOTOS VMATTHIAS KÖSTLER

Wo verbringt man am besten sein Frühstück an einem herrlichen Sommermorgen? Auf der Terrasse des ALFRED im Süden der Stadt gemeinsam mit Besitzer Alex Meder (der das AL zum Namen ALFRED beisteuert). Bekannt und vor allem geschätzt ist der Mittdreißiger aber auch für sein zweites berufliches Standbein: Seit gut 14 Jahren ist er akademisch geprüfter Versicherungskaufmann.


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Von der drittstärksten Kraft im Gemeinderat rutschten die St. Pöltner Grünen in die Bedeutungslosigkeit. Jetzt starten sie mit einem frischen Team neu durch und wollen nach der nächsten Wahl wieder aktiv mitgestalten.

SAG MIR, WO DIE GRÜNEN SIND … FABIAN SCHINDELEGGER • 21 Jahre, aufgewachsen in Neulengbach, wohnt seit zwei Jahren in St. Pölten: „Ich fühle mich sehr wohl hier.“ • Verwaltungsassistent • Mitarbeiter im Büro von Vizekanzler Werner Kogler • ehrenamtlicher Sanitäter beim Roten Kreuz

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I

n den St. Pöltner Gemeinderatssitzungen sitzt derzeit kein Grüner. Markus Hippmann wurde zwar mit grünen Stimmen ins Stadtparlament gewählt, ist aber seit dem Frühjahr 2020 freier Mandatar. Denn Hippmann hat nicht mehr für den Vorstand des neuen Teams kandidiert, das die St. Pöltner Grünen zur Gemeinderatswahl 2021 schicken. Dem Neustart der Stadtpartei sind blühende und weniger rosige Zeiten vorangegangen – analog und zeitverschoben zu Aufstieg, Abstieg

und Auferstehung der Grünen auf Bundesebene. In St. Pölten waren die Grünen seit Anfang der 1990er-Jahre starke und einflussreiche Opposition im absolut roten Stadtparlament und lange Zeit mit drei Mandatarinnen die drittstärkste Kraft. 2011 verabschiedeten sich die Chefinnen Silvia Buschenreiter und Sylvia Hehei aus der Politik, ihre Nachfolger verloren bei der Wahl ein Mandat. Als Schicksalsjahr erwies sich dann 2015. Die politischen Parteien der niederösterreichischen Landes-


TEXT: BEATE STEINER | FOTOS: ELIAS KALTENBERGER, PRIVAT

hauptstadt bereiteten sich auf die Gemeinderatswahlen vor. Besonders spannend sollte das für die Grünen werden, bei ihrem Stadtparteitag im September. Denn damals, vor fünf Jahren, waren sich die Akteure im Vorstand alles andere als grün. Und es kam zum Eklat: Vier grüne Urgesteine, die die Partei nach ihren Vorstellungen in die Zukunft leiten wollten, verloren die Abstimmung, traten aus der Partei aus und 2016 mit der Liste dieKühnen.jetzt bei der Gemeinderatswahl an. Das Ergebnis: DieKühnen.jetzt gewannen zwar kein Gemeinderatsleiberl, die Grünen verloren allerdings ein Mandat. Ein Gemeinderatssitz und 2,7 Prozent waren übrig, von 7,5 Prozent und drei Mandaten im Jahr 2001. Neues Team mit konkreten Ideen Die Neuen möchten stark in den Gemeinderat zurückkehren. „Wir wollen als Gruppe in den Gemeinderat und hoffen auf ein starkes Comeback“, sagt Sprecherin Christina Engel-Unterberger. Die 38-jährige Sozialarbeiterin kandidiert bei der Generalversammlung der Grünen im Herbst als Spitzenkandidatin. Als Vorstandskollegen stehen ihr der 21-jährige Fabian Schindelegger, Paul Purgina als Finanzreferent sowie Walter Heimerl-Lesnik (er kandidierte einst für dieKühnen.jetzt) zur Seite. Die Stadtpartei hat wie eh und je ein eigenes Statut. „Wir sind eine anerkannte Stadtorganisation, fühlen uns als Teil der grünen Bewegung und haben Support aus dem Bezirk und von der Landespartei“, betonen Engel-Unterberger und Schindelegger. Was einige Jahre nicht selbstverständlich war und was Landesgeschäftsführer Hikmet Arslan bestätigt: „Wir sind guter Hoffnung, dass es im nächsten St. Pöltner Gemeinderat wieder eine starke grüne Stimme geben wird.“ Hoffnung gibt dem Landespolitiker das junge Team rund um Frontfrau Christina EngelUnterberger.

Wie aber ist es dieser und ihren Mitstreitern gelungen, an grüner Politik Interessierte zu finden – nach jahrelanger vergeblicher Suche? „Uns eint das Bewusstsein für grünes Leben. Die handelnden Personen, die Themen und die Organisation sind in einem ausgewogenen Verhältnis. Daher fühlen sich neue Leute eingeladen“, erklärt die Neo-Politikerin. An der Lokalpolitik reizt Christina Engel-Unterberger, dass sie an der Stadtentwicklung mitwirken, konkrete Anliegen gestalten kann. „Ich interessiere mich für Lebensbedingungen. Und ich arbeite gern in Gruppen. Früher habe ich das nicht parteipolitisch gemacht.“ Auch Fabian Schindelegger lockt an der Lokalpolitik, dass Veränderungen unmittelbar und vor Ort sichtbar werden. „Und ich bin sehr gerne mit Leuten im Gespräch.“ Bei den Grünen haben die beiden ihren Platz gefunden, weil ihnen Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit wichtig sind und weil sie überzeugt sind, dass St. Pölten eine starke grüne Stimme braucht. Davon haben sich Christina Engel-

Unterberger und Fabian Schindelegger auch live vor Ort und mittels Live-Streaming in Gemeinderatssitzungen überzeugt. „Für viele Themen bräuchte es einen ergänzenden Blick“, analysiert der gebürtige Neulengbacher Fabian Schindelegger, der seit zwei Jahren in St. Pölten wohnt. Und er zählt grüne Schwerpunktthemen auf: „Transparenz, Klimaschutz, die Infrastruktur wächst nicht mit dem Bauboom mit.

CHRISTINA ENGEL-UNTERBERGER • 38 Jahre, geboren in Graz, seit zehn Jahren in St. Pölten: „Jetzt fühle ich mich zugehörig, um auch zu gestalten.“ • Als Sozialarbeiterin tätig gewesen im Strafvollzug, im Flüchtlingsbereich, in der Jugendarbeit, in der Bundesjugendvertretung: „Das hat mich sehr geprägt.“ • Dozentin an der FH St. Pölten

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GRÜNE BLÜ TEZEI T Drei Damen machten Anfang der 2000er-Jahre rhetorisch und inhaltlich starke Ansagen im absolut roten Gemeinderat. 2001 wurden die Grünen drittstärkste Partei, zogen in den Stadtsenat ein. Silvia Buschenreiter, Elke Kellner und Sylvia Hehei erinnern sich.

Silvia Buschenreiter war von 1991 bis 2011 im Gemein-

derat, kandidierte vier Mal als Spitzenkandidatin. Als ihre größten Erfolge verbucht sie den autofreien Rathausplatz, die Müllbehandlungsanlage, die Verhinderung einer Müllverbrennung in der Glanzstofffabrik, das Radfahren durch die Innenstadt und, dass sie in der Dauerdebatte ums Bussys­ tem nicht lockergelassen hat. Ein Erlebnis ist ihr besonders in Erinnerung: „Stadtrat Nasko war Vorsitzender des recht obskuren Nordkorea-Österreich-Freundschaftsvereins. In meiner ersten Gemeinderatsperiode durfte ich noch Anfragen stellen. Meine Anfrage, wie Nasko mit politischer Repression und unglaublicher Hungersnot im ‚befreundeten’ Land umgeht, endete mit einem Wutanfall des Stadtrats und einem hektischen Hammertrommeln des Bürgermeisters. Bald darauf wurden Anfragen ebenso aus der Stadtverfassung gestrichen wie Wortprotokolle. Letztere musste man übrigens von einem altertümlich-monströsen Wiedergabegerät selbst transkribieren.“

Kulturpolitik und Stadtentwicklung eingesetzt. Das kam beim damaligen Kulturstadtrat und vielen SPÖ Gemeinderatskollegen und -kolleginnen oft nicht so gut an – es kam zu teilweise recht untergriffigen Zwischenrufen während meiner Reden. Ich denke, das würde heute in dieser Form nicht mehr toleriert – auch ein Erfolg!“

Elke Kellner war von 2001 bis 2006 Gemeinderätin in St.

Sylvia Hehei saß von 2001 bis 2011 im Gemeinderat.

Pölten. Sie verbucht das Jugendzentrum, die Subvention fürs Cinema Paradiso und die Debatte über partizipative Kulturpolitik auf ihr Konto. „Sich in einer Demokratie zu engagieren und auch Verantwortung zu übernehmen, hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Gerade in der Kommunalpolitik kann man viel Sachpolitisches einbringen und Dinge zum Besseren verändern. In meiner Zeit als St. Pöltner Gemeinderätin habe ich viele engagierte Menschen kennengelernt und durfte bei einigen Projekten, wie dem Jugendzentrum oder Cinema Paradiso, zur Realisierung beitragen. Vor allem habe ich mich – als jüngste Gemeinderätin der Stadt – für eine modernere und stärker partizipative

‚Geht eh‘ ist für mich ein bisserl zu wenig und mutlos – das ist nicht mein Ansatz.“ Christina Engel-Unterberger dazu: „Es wird zwar immer wieder betont, dass St. Pölten eine grüne Stadt sei – aber darauf kann man sich nicht ausruhen, das alleine macht noch kein ambitioniertes Klimaschutzprogramm aus.“

ERFOLGREICH. Grünes Dreimäderlhaus im Stadtparlament 2001: Silvia Buschenreiter, Elke Kellner und Sylvia Hehei.

Sie leitete den Kontrollausschuss, brachte Transparenz ins Stadtbudget und forderte eine nachhaltige Finanzplanung. „Jenseitig war jede Sitzungsvorbereitung: Dank einer uralten Geschäftsordnung mussten Unterlagen im Vorraum der Magistratsdirektion eingesehen werden, wollte man genaue Zitate oder Daten, mussten diese abgeschrieben werden. Nach zehn Jahren gab’s den großen Reformschritt: Im Vorraum stand plötzlich ein Kopierer mit Einzelblatteinzug. Dafür waren Tisch und Stuhl weg ...“ Als grüne Kommunalpolitikerin wieder engagieren möchte sich keine der drei Frauen.

Die gebürtige Grazerin, die schon in Australien, Polen und Irland gelebt hat und seit zehn Jahren begeisterte St. Pöltnerin ist, findet aber auch positive Ansätze in der lokalen Politik: „Das Kulturkonzept 2030, das Bürger und Bürger­innen einbezieht, ist gelungen. Daran könnte man sich auch in anderen Bereichen orientieren.“

„Geht eh“ ist für mich ein bisserl zu wenig und mutlos — das ist nicht mein Ansatz. FABIAN SCHINDELEGGER, GESCHÄFTSFÜHRER DIE GRÜNEN ST. PÖLTEN 30

30 Jahre Grüne in STP Nächstes Jahr im Sommer feiern die St. Pöltner Grünen dann ihren 30. Geburtstag – in ihrem neuen Büro in der Wiener Straße 35. Und weil sich die Grünen als zugängliche und kommunikationsfreudige Gruppe verstehen, steht der innovative Treffpunkt der Partei schon jetzt allen offen, so die grüne Frontfrau Christina Engel-Unterberger: „Wir freuen uns, dort mit den Menschen unserer Stadt ins Gespräch zu kommen. Und wir freuen uns, wenn jemand andockt.“


TEXT: BEATE STEINER | FOTOS: FP, VP ST. PÖLTEN, WERNER JÄGER, GUSTAVOFRAZAO - STOCK.ADOBE.COM, PRIVAT

WAHLEN ANTE PORTAS ... Nächstes Jahr dürfen die St. Pöltner wieder Stimmzettel in die Wahlurnen werfen. Wann, ist nicht fix. Ebensowenig wie der Spitzenkandidat bei manch Partei. Warum sie gewählt werden wollen, das verraten die Politiker schon jetzt.

I

m Frühjahr sollte es soweit sein: St. Pölten wählt einen neuen Gemeinderat. Wann genau, das steht noch nicht fest. Auf jeden Fall wollen die derzeit im Stadtparlament vertretenen Parteien SPÖ, ÖVP und FPÖ bis knapp vor die Wahl für die Bürger arbeiten und setzen auf einen kurzen Wahlkampf. Die Grünen sind überzeugt, dass sie nach dem Urnengang wieder stark im Stadtparlament vertreten sind, NEOS sucht über eine Plattform Kandidaten und Ideen.

NEOS NEOS starten schon jetzt mit einer Online-Plattform, einer MiniPlakatwelle und Pop-Up-Ständen in der Stadt in den Wahlkampf. Unter dem Motto „Dein St. Pölten kann mehr“ wollen sie herausfinden, was sich die Bürger und Bürgerinnen für ein lebenswertes St. Pölten der Zukunft wünschen. Auf der Plattform sowie in persönlichen Gesprächen

KLAUS OTZELBERGER. Der 2016 als erster Freiheitlicher dank Vorzugsstimmen ein Direktmandat erreicht hat, führt die FPÖ in die Wahl. Ihm zur Seite steht Martin Antauer.

können Interessierte ihre Ideen, Anregungen, Wünsche und Anliegen kundtun. Darüber hinaus wollen die NEOS mit Menschen ins Gespräch kommen, die sich eine Kandidatur für den Gemeinderat vorstellen können. „Die Themenpalette ist groß: Viele Rückmeldungen drehen sich um die intensive Bautätigkeit der Stadt, die aber als planlos und unkoordiniert wahrgenommen wird. Die Menschen in St. Pölten wünschen sich zudem mehr Betreuungseinrichtungen, eine lebendigere Stadt und mehr Platz für die Jugend, sowie mehr Grünflächen“, so NEOS-Landessprecherin Indra Collini. Die Grünen Die Grünen sehen sich als einzige „glaubhafte und starke Stimme“ für den Klima- und Umweltschutz. „Ganz konkret bedeutet das etwa, einen Klimacheck für stadteigene Projekte einzuführen, den Ausbau hin zu einem lückenlosen Radwegenetz sowie einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Einführung eines Lastenradsystems“, sagt Sprecherin Christina Engel-Unterberger. Die Stadt der Zukunft müsse sich entlang klimaschonender Verkehrsformen entwickeln, Radverkehr und öffentlicher Verkehr sollten gefördert und ausgebaut werden. Ziel der Grünen: Im Jahr 2030 sollen in St. Pölten vom Einkauf bis zum Behördenweg alle Strecken ohne Auto zurückgelegt werden können. Neben Klimaschutz und Mobilität sind Transparenz, Bürgerbeteiligung und die soziale Gerechtigkeitsfrage weitere wichtige Anliegen der Grünen. Mit der herrschenden Baukultur und Stadtentwicklung sind sie nicht einverstanden. „Darüber hinaus

CHRISTINA ENGEL-UNTERBERGER. Bei der Mitgliederversammlung der Grünen werden die Kandidaten gewählt. Engel-Unterberger tritt für den 1. Listenplatz an.

sind die Grünen die Kontrollpartei, diese Funktion wollen wir in St. Pölten wahrnehmen. Eine absolute Mehrheit braucht eine starke Kontrolle“, so Engel-Unterberger. Die FPÖ FPÖ-Stadtrat und Spitzenkandidat Klaus Otzelberger ist der Ansicht, dass es mehr soziale Gerechtigkeit für Bedürftige und Fairness für Leistungsträger geben sollte. „Es darf nicht sein, dass Menschen aus der ganzen Welt nach St. Pölten strömen und bei den Mindestsicherungsbeziehern mehr als 70 Prozent bereits aus dem Ausland stammen“, sagt er. Auch die Sicherheit ist Otzelberger sehr wichtig, und er glaubt, dass „die SPÖ-Zuwanderungspolitik auch viele Konflikte unterschiedlicher Kulturen nach St. Pölten geholt hat.“ MFG 09 20

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WAHLEN ANTE PORTAS ...

KOLUMNE BEATE STEINER

KULTURSTADT20 Alle reden von Salzburg. Weil der Jedermann auf dem Domplatz auch am 100. Festspiele-Geburtstag Hofmannsthals Tod gestorben ist und nicht von Covid19 dahingerafft wurde. Weniger medienpräsent, 2020-konform, aber freudig begrüßt hat sich allerdings auch im St. Pöltner Pandemie-Sommer die Kultur gezeigt: Drei Monate lang erfreute das AutoKunstKino die Besucher mit Filmen, Kabarett, Konzerten und zauberhaften Abenden – auch für Nicht-Autositzer. Der Ratzersdorfer See war wie jedes Jahr Treffpunkt der Bluesfreunde. Internationale Musikergrößen sorgten im Barockgarten des Stadtmuseums für einen gepflegten Jazz-Rausch. Am Rathausplatz zeigte sich das gewohnte sommerliche Bild, freilich zeitgemäß gerahmt: Nicht zwischen gastronomischen Holzhütten, sondern zwischen locker gestellten Schanigärten ragte die Leinwand des Cinema Paradiso hervor. Darüber flimmerte zur traditionellen Open-Air-Eröffnung das „Weiße Rössl“. Auf der Bühne standen Publikumslieblinge wie Nicholas Ofczarek und Manuel Rubey. In der Innenstadt traten heimische Musiker als Straßenmusikanten auf, der Kulturverein Lames wandelte sein Parque del Sol zum coronagerechten Soundpicknick im Sonnenpark um. Und noch bevor Theater, Festspielhaus und Bühne im Hof im Herbst zum Kulturgenuss laden, bittet das Höfefest zu Musik, Literatur und mehr, natürlich mit eigenem virusresistenten Sicherheitskonzept. Lob, Anerkennung und viel Applaus gebührt allen kreativen und mutigen Veranstaltern, die die Landeshauptstadt trotz Covid19 zur Kulturstadt20 gemacht haben.

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MATTHIAS STADLER. Er ist Spitzenkandidat und wird auf ein vielfältiges Team setzen, das von den SP-Gremien nominiert wird.

Die SPÖ „Die SPÖ setzt auf die Themen, die St. Pölten zu dieser liebens- und lebenswerten Stadt gemacht haben“, sagt Bürgermeister und Spitzenkandidat Matthias Stadler. Er sieht sich als Garant für die positive Entwicklung der Stadt und nennt Arbeit, Umwelt, Wohnen bis hin zu Mobilität, Kinderbetreuung Kunst, Kultur und Wirtschaft als Themen, mit denen die SPÖ punkten will. Und: „Wir möchten die Projekte zur Landeskulturhauptstadt umsetzen und wollen unsere Stadt „European Green Leaf Award“ fit gestalten.“ Die ÖVP ÖVP-Vizebürgermeister Matthias Adl spricht sich gegen das Wohnprojekt auf den WWE-Gründen aus: „Wir sagen Ja zur Naherholung am Viehofner See und Nein zur exzessiven Verbauung.“ Außerdem kritisiert er die Corona-Hilfen der Stadt als „Showpolitik“ und betont, dass der Stadt 6,95 Millionen Euro an Projekt-Förderung zur Belebung der lokalen Wirtschaft zustünden. „Hier wird viel Potenzial liegengelassen.“ Von der Volkspartei eingebrachte Vorschläge, wie die vollständige Befreiung von Unternehmen von der

Luftsteuer oder der Einrichtung eines Härtefallfonds seien abgelehnt worden. Dann ist da noch die Sache mit dem Kinderärzte-Mangel. „Man suchte zwar das Gespräch mit der Opposition, aber das Tempo, mit dem Maßnahmen gesetzt werden, lässt sehr zu wünschen übrig. Zum Beispiel haben wir vorgeschlagen Ärzte zu fördern, die eine Ordination errichten wollen. Wir warten noch auf die Antwort“, meint Adl.

MATTHIAS ADL. Er ist derzeit Vizebürgermeister. Wer als Spitzenkandidat antritt, „entscheiden die Gremien zur richtigen Zeit“.


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Wachau aus einer neuen Perspektive zu erle-

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OBERBANK ST. PÖLTEN

Neuer innovativer Standort mit 1.285 m2 Bürofläche entsteht. Um zukünftig gemeinsame Synergien in einem sich überschneidenden Einzugsgebiet zu nutzen, präsentiert sich die Oberbank St. Pölten ab Ende 2021/Anfang 2022 an einem gemeinsamen Standort. Alle Abteilungen der Bank unter einem Dach Mit insgesamt 1.285 m² Bürofläche und 72 m² Terrassenfläche mietet sich die Oberbank St. Pölten am Linzertor 1 im Projekt LT1 ein und vereint damit die beiden Geschäftsstellen „Domplatz“ und „Europaplatz“. Lediglich 650 m Luftlinie liegen die beiden Geschäftsstellen voneinander entfernt. „Die Raumkapazitäten waren ausgeschöpft. Zudem ist die Erreichbarkeit und Parksituation am Domplatz verbesserungswürdig. Hier wollen wir sowohl für die Kundinnen und Kunden als auch die Belegschaft Abhilfe schaffen. Durch ausreichende Beratungsräumlichkeiten können wir an diesem Standort noch mehr Diskretion bieten. Helle und freundliche 34

Büroarbeitsplätze für unsere Kolleginnen und Kollegen entstehen. Die neu konzipierte Innenraumnutzung ermöglicht einen optimalen Arbeitsfluss. Für unsere Kundinnen und Kunden bedeutet das noch raschere Entscheidungswege und ein optimales Beratungsumfeld“, freut sich Franz Frosch, Leiter des Geschäftsbereichs Niederösterreich und Burgenland, auf die neuen Räumlichkeiten.

Zentrale Erreichbarkeit Besonders erwähnenswert ist die gute Erreichbarkeit vom wichtigsten Verkehrsknoten in St. Pölten, dem Europaplatz, und zusätzlich die zentrumsnahe Lage des Gebäudes. Mit rund 300 m Entfernung zum Rathaus, 800 m zum Bahnhof und 100 m

zum Europaplatz findet sich die Oberbank zukünftig in einem zentral erreichbaren Umfeld wieder.

Gute Partnerschaft Gemeinsam mit dem Liegenschaftseigentümer und Projektentwickler Baumeister Franz Kerndler von Sandler Bau GmbH wurde ein optimaler gemeinsamer Standort gefunden. „Es freut mich, dass wir der Oberbank die perfekten Räumlichkeiten anbieten können. Sie erhält damit ein modernes, zukunftsorientiertes Gesicht. Es handelt sich dabei um ein Neubauprojekt, welches im Erdgeschoß und in den beiden Obergeschoßen exakt jene Fläche bietet, die die Oberbank für einen neuen Standort benötigt. Es entstehen ebenerdig sieben überdachte Parkplätze für kurzfristige Banktermine sowie eine Tiefgarage mit ausreichend Stellflächen auf zwei Ebenen. Das Gebäude ist vom Zentrum kommend sehr gut sichtbar und liegt auf der südlichen Gebäudeseite direkt an der Bundesstraße B1. Für die Kundinnen und Kunden der Oberbank entsteht im Erdgeschoß eine großzügige, offene Bankstelle“, beschreibt Franz Kerndler die Vorzüge des neuen Standortes.

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EIN „BUNTER HAUFEN“ FÜR EINE „GRÜNE ZUKUNFT“ Im November 2019 formierte sich das Projekt „Klimahauptstadt 2024“ in St. Pölten. Unter seinem Dach tummeln sich eine Vielzahl an Umwelt- und Klimaschutzorganisationen. Welche gemeinsamen Ziele haben sie? Wo gibt es Differenzen? Wie sieht für sie eine „Klimahauptstadt“ aus?

I

n bin kein Aktivist, kein Fahnenschwenker“, möchte Dieter Schmidradler gleich zu Beginn klarstellen. „Ich bin in erster Linie freischaffender Wissenschaftler.“ Ab 2012 beschäftigte sich der studierte Elektrotechniker mit Doktortitel in Technischer Physik zunehmend mit Klima-, Umwelt- und Mobilitätsproblemen. Heute ist er Sprecher des von ihm und anderen Mitstreitern gegründeten St. Pöltner Projektes „Klimahauptstadt 2024“, unter dessen Dach sich ein bunter Strauß an Organisationen mit Umwelt- und Klimaschutzagenda tummelt. Kulturhauptstadt? Warum nicht auch Klimahauptstadt? Wer die St. Pöltner Stadtpolitik verfolgt, dem wird eine Parallele schon aufgefallen sein. Schmidradler erklärt: „Zur Namensgebung für das Projekt kam es bei einem Vernetzungstreffen mehrerer Organisationen, das zufällig am Tag der Vergabe des Titels ‚Kulturhauptstadt 2024‘, stattfand.“ St. Pölten machte an diesem 12. November 2019 bekanntlich nicht das Rennen. „Wir dachten uns: Warum nicht etwas viel Besseres, warum nicht ‚Klimahauptstadt 2024‘ werden?“ Der erste Grund-

SCHULTERSCHLUSS. H. Fahrnberger und D. Cabrilo (Landrettung St. Pölten) sind Mitstreiter Schmidradlers. 36

pfeiler des Projekts ist die gemeinsame Ablehnung der geplanten S34. „Diese Schnellstraße, die westlich St. Pöltens entstehen soll, ist in der heutigen Zeit nicht mehr vertretbar. Den dortigen Naturraum zu ruinieren können wir uns nicht leisten“, meint Schmidradler. Zweitens gehe es um die Förderung regionaler Kreisläufe. Drittens spielt bei allen ökologischen Überlegungen auch das „soziale Klima“ stets eine Rolle: Das Projekt soll einen nicht spalten. Landwirte und Anwohner kontra S34-Projekt Teil der „Klimahauptstadt“ ist etwa der 2009 gegründete Verein „Zukunft Umwelt Traisental“ (ZUUM). Gottfried Kern, früher Landwirt aus St. Georgen im südlichen St. Pölten, ist Initiator der etwa 60 Mitglieder zählenden Vereinigung. „Schmidradler und ich haben uns im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung der S34 kennengelernt“, erklärt er, dessen Hof nur wenige Kilometer vom künftigen S34-Verlauf entfernt ist. Aus seiner Sicht gibt es dafür keine Pro-, aber viel Kontraargumente: „Die S34 soll die B20 entlasten, aber selbst die Asfinag erklärt, dass das Autoaufkommen durch den Bau steigen wird.“ Man schneide dort hektarweise durch Wald und Naturgebiet, zeigt er sich erbost. „Wir haben jahrelang versucht, juristisch dagegen vorzugehen.“ Doch so wie bei der „Dritten Piste“ am Flughafen Wien-Schwechat oder der Marchfeld-Schnellstraße S8 würden politische Interessen auch hier einen Weg finden, das Straßenprojekt durchzudrücken. Der ehemalige St. Pöltner Umweltgemeinderat Kern klingt frustriert, ist aber nicht hoffnungslos. Immer wieder sei ihm gesagt worden: „In zwei Jahren fahren wir schon auf der S34.“ Kern dazu verschmitzt: „Nun, diese zwei Jahre sind nun etwa elf Jahre her.“ Ein Trauermarsch zum „Abschied vom Wald“ Im Zuge der „Fridays for Future“-Demonstrationen (F4F) startete auch die 2019 im UK gegründete Organisation „Extinction Rebellion“ (ER) ihren Aktivismus, galt vielen Beobachtern als „schärfere Variante“ der freitäglichen Massenaktionen. „Fridays for Future wendet keinen zivilen Ungehorsam an, wir schon. Aber natürlich friedlich“, differenziert Hannes Kößl von der niederösterreichischen Regionalgruppe der „Extinction


TEXT: JOHANNES MAYERHOFER | FOTOS: DANIELA CABRILO, STEFAN KUBACK/EXITGREEN.ORG

AKTION „AUFBÄUMEN“. Hans Kößl und die NÖ-Gruppe der „Extinction Rebellion“ gaben Bäumen eine Stimme. Rebellion“, die ebenfalls bei „Klimahauptstadt 2024“ dabei ist. Zwar umfasst die Niederösterreich-Gruppe nur 15 Personen, darunter Studenten, Handwerker etc. Allerdings lassen diese nichts an aktivistischem Engagement und Kreativität vermissen. Bei der Aktion „Aufbäumen“ wurde beispielsweise St. Pöltner Bäumen mittels Protestschildern eine „Stimme“ verliehen – quasi eine „BaumDemonstration“. „Im Waldviertel haben wir außerdem einen Trauermarsch zum Abschied vom Wald abgehalten.“ In St. Pölten liegt der Schwerpunkt von „ER“ bei den Themen Naturzerstörung durch Bodenverschleiß sowie bessere Einbindung der Bürger in Entscheidungsprozesse. Gemeinwohlökonomie gegen die Klimakrise? Der wesentliche Hebel zur Lösung der Klimakrise liege im Funktionieren der Wirtschaft, meint Renate Hagmann von der Initiative „Gemeinwohlökonomie“. Es solle demokratisch ein Paradigmenwechsel eingeleitet werden. Die „Gemeinwohl-Orientierung“ eines Unternehmens soll über Kategorien wie „Mitbestimmung“, „Solidarität“, „Transparenz“ und auch „Ökologie“ in einer Gemeinwohl-Bilanz bewertbar werden. Wirtschaftliche Anreize sollen umgedreht werden: Unternehmen sollen nicht mehr von Umweltzerstörung und Ausbeutung profitieren. Stattdessen könnten Unternehmen mit „guter“ Gemeinwohlbilanz durch Steuervorteile oder Vorteile bei öffentlichen Aufträgen belohnt werden. „Mit dem Kräuter-, Tee- und Gewürzunternehmen ‚Sonnentor‘ und der ‚Grünen Erde‘ ist die Gemeinwohlökonomie auch in St. Pölten vertreten“, freut sich Hagmann. Global hätten bisher 600 Unternehmen eine Gemeinwohlbilanz erstellt.

„Wollen Leute motivieren eigene Projekte zu starten“ Unter dem Dach der „Klimahauptstadt 2024“ ist auch die 2018 gegründete Gruppe „Exit Green“, wobei das Wort „Gruppe“ eine Übertreibung ist: Sie besteht derzeit aus zwei Personen. „Klein, fein und laut“, meinen dazu Georgina Weinhart und Stefan Kuback. „Bei uns stehen Empowerment, also Selbstermächtigung, Bewusstseinsschaffung und Aktivismus im Vordergrund.“ Leute sollen ermutigt werden, ihre eigenen Projekte auf die Beine zu stellen. Als „Kick-Off“-Event startete „Exit Green“ 2018 eine Müllsammelaktion entlang der Traisen. Unter einer „Klimahauptstadt 2024“ verstehen die beiden „eine Stadt, in der nicht Wirtschaft und Wachstum, sondern Umwelt- und Klimaschutz an erster Stelle stehen.“ Alle 15 Unterstützerorganisationen der „Klimahauptstadt 2024“ vorzustellen würde den Rahmen sprengen. Jedoch ist klar: Oft braucht es einen „bunten Haufen“, um etwas für eine „grüne Zukunft“ erreichen zu können. Vonseiten der St. Pöltner Stadtführung heißt es: „Grundsätzlich begrüßen wir einen Schulterschluss zwischen der Zivilgesellschaft, St. Pölten und NÖ.“ Aufgrund der unterschiedlichen Teilorganisationen der „Klimahauptstadt 2024“ könne die Stadtführung nicht immer alle deren Ziele teilen. Hinsichtlich des Vorwurfes der Bodenverbauung entgegnet das Bürgermeisterbüro: „70 Prozent St. Pöltens sind Grünfläche. Wälder, Parks, Grün-, Erholungs- und landwirtschaftliche Fläche.“ Nur 14 Prozent seien Baufläche. „St. Pölten ist damit die grünste aller Landeshauptstädte.“ Hinsichtlich der S34-Kritik wird nochmal eine Entlastungswirkung für St. Pölten Süd und die B20 betont.

S34. Ein klares „Nein“ zur S34 kommt vom „Klimahauptstadt 2024“-Sprecher Dieter Schmidradler. MFG 09 20

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Zwischen Harland und Stattersdorf liegt ein kleines Stück Amerika. Die Geschwister Anja, 28, und Hans-Peter Zwetti, 34, verkaufen hier seit zehn Jahren US-Autos – und haben gerade erst expandiert.

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otorsport-Flaggen als Gürtelschnalle, Stiefeletten im Westernlook und eine Corvette tätowiert am linken Oberarm. Hans-Peter Zwetti lebt ein gutes Stück weit vor, was er verkauft. Schnelle Autos aus den Vereinigten Staaten. Was als Jugendtraum begonnen hat, ist heute Realität. Zwei Autos, ein 1976er Cadillac und eine 1970er Corvette Stingray, stehen in der Garage. Er besitzt seine eigene Werkstatt und schraubt an amerikanischen Oldtimern – wobei das 38

Schrauben übernimmt bei 30 Mitarbeitern meistens schon jemand anders. Gemeinsam mit seiner Schwester Anja sind die beiden Geschäftsführer von Classics Reloaded, dem größten Händler für fahrtüchtige, amerikanische Oldtimer und Neuwagen in ganz Österreich. „Wir haben da ein eher außergewöhnliches Konzept, indem wir oft reparaturbedürftige Oldtimer ankaufen, herrichten und dann einen schlüsselfertigen, voll gewarteten Wagen mit Händlerge-

währleistung anbieten können“, sagt Anja Zwetti, „nicht nur das Bastlermodell.“ Letztere würden auch anderswo verkauft werden, die Qualität sei dann nur eine andere. Die Oldtimer zu bekommen alleine sei schon viel Arbeit. „Wir haben uns ein Netzwerk aufbauen müssen, um an verschiedene Wägen zu kommen, Leute in den Staaten zu kennen für Besichtigungen und so weiter“, sagt Hans-Peter Zwetti. Dazu kommt noch die Bike-Factory im Anbau, mit BMW-Motorrädern und Vespas. Am selben Grundstück verpachten sie an den Motorradersatzteilhändler Louis und OX, ein Restaurant für amerikanisches Essen, das erwartungsgemäß vorwiegend Fleisch am Teller serviert. Hit the Road Der Weg zu all dem beginnt schon vor guten 30 Jahren. „Der Hans-


TEXT: THOMAS WINKELMÜLLER | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER, FEFERONI - STOCK.ADOBE.COM

LITTLE AMERICA IN HARLAND. Das Classics Reloaded hat sich zu Österreichs größtem Händler für fahrtüchtige, amerikanische Oldtimer und Neuwagen entwickelt. Nebenan im OX verspeist man seit diesem Frühling saftige Steaks, Burger & Co.

Peter hat vom Papa schon schrauben gelernt, bevor er wirklich gehen konnte“, sagt Anja Zwetti. Der Vater, Hanspeter Zwetti – nein, kein Schreibfehler, nur selber Name ohne Bindestrich – ist zwar kein gelernter Mechaniker, hat aber seit jeher nur amerikanische Autos gefahren und seine Begeisterung an Hans-Peter weitergegeben. Nachdem der Sohn an der HTL in St. Pölten in Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Maschinenbau maturiert hat, arbeitet er in einem Ingenieurbüro. Dort plant und zeichnet er in erster Linie. „Trockene Arbeit“, erinnert er sich, „die KFZ-MeisterPrüfung und all diese Geschichten habe ich erst nachher gemacht.“ Nebenbei bastelt er an Autos herum. Hobbymäßig, so meint er, aber trotzdem konsequent. „Mein persönlicher Traum war es immer eine kleine Werkstatt mit zwei, drei Hebebühnen zu besitzen, wo ich alte amerikanische Autos re-

pariere und herrichte“, sagt HansPeter. 2010 konkretisieren er und sein Vater die Idee und planen das, was heute Classics Reloaded ist. Sie benennen eine bereits im Familienbesitz stehende GmbH um und schaffen eine rechtliche Grundlage für das Unternehmen. „Durch die Hilfe meines Vaters haben wir dann beschlossen, das anzugehen“, sagt Hans-Peter, „seine Erfahrung als Selbstständiger hat uns natürlich sehr geholfen.“ Der Immobilientreuhänder Zwetti Senior bürgt mit seinem Vermögen für den Sohn und der wiederum gründet 2010 das Autohaus. Damals pachten sie den Grund noch von der Stadt St. Pölten, ab 2013 gehört er ihnen. „Zu dem Zeitpunkt haben wir dann auch gleich erweitert und ab 2016 war dann Anja Teil von Classics Reloaded“ Seitdem teilen sich die Geschwister die Arbeit. Hans-Peter kümmert sich um den Verkauf und die Werkstätte, Anja in erster Linie um Organisatorisches. Die Grenzen würden dazwischen immer wieder verschwimmen und ineinander übergehen. Bevor sie in den Autohandel einsteigt, arbeitet Anja fünf Jahre lang als professionelle Balletttän-

zerin in New York, studiert dann Politikwissenschaften in Wien und jetzt Wirtschaftswissenschaften an der FH Krems – neben einer Vollzeitstelle im Autohaus. „Schon stressig“, sagt sie und schmunzelt. Expansion In den letzten eineinhalb Jahren hat sich für die Geschwister Zwetti wieder viel verändert. 2018 eröffnet die Bike Factory, 2019 Louis und 2020 das OX – allerdings mit Verspätung. Eigentlich wollten Anja und HansPeter den Kremser Gastronom und Wellenspiel-Mitbegründer Johann Reis für das geplante Restaurant visà-vis an Bord holen. Im November verschwand der allerdings. Zuerst griff ihn die Polizei am Flughafen Schwechat auf, kurz darauf tauchte er erneut ab. Seitdem sucht die Polizei wieder nach Reis. „Uns erschien er als gute Wahl, weil man ihn hier in der Gegend ja auch gut kennt“, sagt Hans-Peter Zwetti, „sein Verschwinden bleibt uns aber bis heute noch ein Rätsel.“ Hans-Peter und Anja standen vorerst ohne Ersatz da. „Wir haben einmal eine Zeit lang gewartet, weil wir ihm ein wenig Vertrauen vorge-

Mein persönlicher Traum war es immer eine kleine Werkstatt mit zwei, drei Hebebühnen zu besitzen, wo ich alte amerikanische Autos repariere und herrichte. HANS-PETER ZWETTI MFG 09 20

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YOLO

Um die Kommunikation mit meinem Nachwuchs zu gewährleisten, muss ich neuerdings den Google Translator bemühen. Das war bis jetzt noch einfach. Ein- und Zweiwortsätze beim Abholen von der Schule waren stets aussagekräftig und verständlich. Wie wars? „Alles gut!“ Habt ihr viel Aufgabe? „Nö!“ Was habt ihr so gelernt? „Hm.“ Jetzt aber unterhält sich der Sohn mit Freunden am Telefon nur mehr so: „Hey Digga! Was los? Ist ja nice! LOL! Ehrenbruder! Safe!“ Übersetzung für Nichteltern und solche, die es bleiben wollen: „Hallo mein Freund! Wie geht es dir! Das ist ja toll! Ich lach mich kaputt! Du bist wirklich ein guter Kumpel! Das ist sicher!“ Mit mir redet er natürlich nicht so, da sagt er nur Sachen wie „Chill mal!“, falls sich meine Stimme überschlägt, weil er wiedermal sein Zeug nicht wegräumt, oder „Ehrenfrau!“, wenn ich ihm sein Lieblingsmüsli ausnahmsweise ins Zimmer serviere. „YOLO!“, antworte ich dem verdutzten Kind. Ja, ich bilde mich auch weiter. Hab ich neulich in einer Zeitung gelesen. YOLO bedeutet „You only live once“ und meint in etwa das Gleiche wie Carpe diem. Nur dass es noch nicht hundert Wandtattoos und Türmatten davon gibt. Aber das kommt sicher noch und dann bin ich aber sowas von vorbereitet. Inzwischen ist der Mann heimgekehrt und ich frage ihn liebevoll: Willst du noch etwas essen? „Nö.“ Wie war dein Tag so? „Alles gut.“ Und wie geht’s in der Arbeit? „Hm!“ Wenigstens auf den ist Verlass!

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schossen haben“, sagt Anja, „nachdem er einige Wochen lang nicht erreichbar war, mussten wir uns dann eben jemand anderen suchen.“ Mittlerweile ist Thomas Altendorfer mit seiner Restaurantkette OX eingesprungen. Burger, Steak und Chicken Wings lautet die Agenda. „Der Herr Altendorfer ist in unseren Augen ein Vollprofi und – wie wir heute wissen – sicherlich weit professioneller als der ursprüngliche Kandidat.“ Und ein Restaurant neben dem Arbeitsplatz störe die beiden auch nicht. „Wir gehen sehr oft essen rüber“, sagt Anja und lacht, „das Mittagsmenü ist in der Pause natürlich recht praktisch.“ Oldtimer und Neuwägen Neben Auto-Liebhabern und ein paar schrägen Vögeln, die ihre 68er Stingray in den Farben ihres Lieblings Fußballvereins verlangen, falle noch eine dritte Kundenart immer stärker ins Gewicht. „Oldtimer haben in den letzten Jahren auch als Anlage eine Rolle gespielt“, sagt Anja, „auf den Banken bekommt man fast keine Zinsen mehr und viele Investments sind unsicher. Ein Oldtimer ist eine weit sicherere Wertanlage und Spaß kann man damit auch noch haben.“ Rund 50 Fahrzeuge verkaufen die Geschwister durchschnittlich im Jahr. Die Neuwägen würden schlechter gehen als Corvette und Co. – offizieller Vertragshändler für Dodge und RAM Trucks ist Classics Reloaded trotzdem. Das mag an dem Vorurteil gegenüber amerikanischen Autos liegen. Größe, Treibstoffverbrauch oder ein in die Jahre gekommenes Automatikgetriebe samt mäßiger Verarbeitung. Etwa dieses Bild hat der durchschnittliche Autoliebhaber im Land. Hans-Peter Zwetti wehrt sich dagegen. „Eingefleischte Porschefahrer erzählen mir oft wie super sie auf der Straße liegen und vergleichen das dann mit einer Corvette aus den 60er Jahren“, sagt er, „da muss ich ihn auch fairer Weise fragen, wie liegt denn der Porsche der 60er-Jahre auf der Straße? Meistens schlechter.“

Der Hans-Peter hat vom Papa schon schrauben gelernt, bevor er wirklich gehen konnte. ANJA ZWETTI

Damals seien die Fahrzeuge „auf jeden Fall konkurrenzfähig“ gewesen. Bei den Neuwagen heute sei das kaum anders. Das Preis-Leistungsverhältnis sei im Verhältnis anschaulich. „Ein guter Dodge ist genauso gut ausgestattet und kann genauso viel“, sagt Anja, „ich glaube ja, dass viele BMW- oder Audi-Fahrer überrascht wären, wenn sie einmal über den Tellerrand schauen würden. Ich fahre selber einen Camaro Oldtimer und bin glücklich.“ Weiter ausbauen wollen die beiden den Betrieb um Classics Reloaded aktuell nicht. „Wir hätten schon Pläne, aber uns sind die Grundstücke ausgegangen.“ Wo keine Häuser stehen, liegt rundherum Brunnenschutzgebiet, auf dem nicht gebaut werden darf. Anfragen von Firmen, die ins Konzept passen würden, bekomme man genug. Ein Fitnessstudio etwa wollte sich schon ansiedeln und auch E-Bikes oder Fahrräder würden das Angebot gut ergänzen – sei da nicht der Platzmangel. „Andere Standorte wären sicher möglich und auch die eine oder andere Motorradmarke“, sagt Hans-Peter, „aber man weiß ja nie, vielleicht ergibt sich da noch was.“


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EINFACH SO VOM SOCKEL HOLEN Landauf und landab werden Denkmäler gestürzt, zerstört, von der Historie stark belastete Persönlichkeiten von ihrem Sockel geholt und überall die Rufe lauter, Straßennamen, deren Namensträger unrühmliche, nicht selten abscheuliche Taten gesetzt haben, umzubenennen. Auch in St. Pölten gibt es fragwürdige Beispiele der Würdigung Unwürdiger, aber wie damit umgehen?

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elgien hat seinen König Leopold II., der die Menschen seines im Eigenbesitz befindlichen Freistaates Kongo auf das Schändlichste missbrauchte und ausbeutete. Wien muss sich nicht nur mit dem ehemaligen Bürgermeister Karl Lueger, der seinen Antisemitismus geradezu stolz vor sich hertrug, herumschlagen, auch St. Pölten hat einige Verdächtige, wenn nicht sogar historisch übelriechende Persönlichkeiten, die mit Straßennamen bedacht wurden. Während Personen wie Josef Weinheber, das NSDAPMitglied Heimito von Doderer oder Wilhelm Frass, ein St. Pöltner Bildhauer, der besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein umfangreiches Werk schuf, schon seit vielen Jahren auf der äußerst problematischen Seite zu finden waren, kamen scheinbar unbedenkliche Namensträger heimischer Straßen erst seit einiger Zeit auf die Sperrliste. Problematische Straßennamen Dem St. Pöltner Autor Manfred Wieninger, von dessen Feder das Stan42


TEXT: ANDREAS REICHEBNER | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER

dardwerk „St. Pöltner Straßennamen erzählen“ stammt, ist vor allem eine Person ein veritabler Dorn im Auge. „Problematisch finde ich, dass es noch eine Dr. Otto Tschadek-Straße in St. Pölten gibt“, so der Historiker, der schon manch vergessene und verdrängte geschichtliche Episode ausgegraben, recherchiert und in Erinnerung gerufen hat. „Denn Tschadek hat über sein ganzes Leben eine Art Camouflage gezogen“, erklärt Wieninger, der in der Neuauflage seines Buches auch einen längeren Passus über das schändliche Wirken des Dr. Tschadek einfügte. Wie erst vor zirca zehn Jahren bekannt – ausgehoben vom Historiker Thomas Geldmacher – war Tschadek ein Blutrichter des NS-Regimes, der als Marinerichter vier Todesurteile fällte, die auch vollstreckt wurden. Dass er nach dem Krieg 1946 in den österreichischen Nationalrat einzog, zugleich von 1949 bis 1952 und von 1956 bis 1960 Justizminister war, zeigt nur die Verlogenheit und das bewusste Vergessen der österreichischen Gesellschaft und Politik nach dem Krieg gegenüber der Gräuel während des nationalsozialistischen Regimes. Nebenbei war Tschadek übrigens auch LandeshauptmannStv. von Niederösterreich und Klub­ obmann der SPÖ im niederösterreichischen Landtag. Hier wäre also Erklärungsbedarf und schnelles Handeln seitens der Stadt gefragt. „Bei den meisten Fällen sehe ich das Anbringen einer Zusatztafel, wo eine historische Information angebracht ist, als zeitgemäße Lösung, in diesem Fall wäre es aber angebracht, eine Umbenennung durchzuführen“, gibt sich Wieninger mit einer einfachen Lösung nicht zufrieden. Obwohl er natürlich weiß, dass eine Veränderung von Straßennamen auch viele Dokumentenänderungen von Bewohnern mit sich bringt.

Umbenennungen schon erfolgt In der Stadt ist man sich des Themas bewusst. „Wie in fast allen Städten Österreichs gibt es auch in St. Pölten Straßenbenennungen nach Persönlichkeiten, die aufgrund ihrer Verdienste mit der Benennung einer Straße ausgezeichnet wurden, deren Biographie sich aber nach eingehenderen Untersuchungen, insbesondere in letzter Zeit, im Nachhinein als problematisch herausstellte oder wo es zumindest Diskussionsbedarf gibt“, weiß Kulturamtsleiters Thomas Karl, „in St. Pölten hat man in den letzten Jahren, wo es leicht möglich war, einige Fälle durch Umbenennungen geklärt.“ So hat man etwa die Wilhelm Frass Gasse in die

BEDENKLICHE STRASSENNAMEN

Liste der elf bedenklichen, von der Kulturabteilung erhobenen Straßennamen • Ferdinand Andri-Gasse • Christian Artl-Gasse • Heimito von Dodererstraße • Fahrngruberpromenade • Hötzendorfstraße • Ernst Klebel-Gasse • Porschestraße • Anton Scheiblin-Gasse • Dr. Schinnerl-Gasse • Dr. Otto Tschadek-Straße • Weinheberstraße

Jakob Schindele Gasse umbenannt. „Da derartige Lösungen jedoch nicht immer umsetzbar sind und Umbenennungen, vor allem längerer Straßenzüge aufgrund des damit verbundenen Aufwandes vielfach nicht machbar sind – etwa würde eine Umbenennung der Porschestraße mit einer Adressänderung für alle Firmen verbunden sein – sollen die bereits erhobenen belasteten Straßen in St. Pölten (insgesamt elf, Anm.) analog Wien noch im heurigen Jahr mit Zusatztafeln versehen werden“, so Karl. Er verweist hier auf das Beispiel der Wiener Porschestraße, wo folgender Text angebracht wurde: „Prof. Dr. Ferdinand Porsche (1875 – 1951) ‚Vater des Volkswagens‘ und des ‚Porsche‘. Er beeinflusste durch zahlreiche Erfindungen die Geschichte des Autos. Problematisch in seiner Biografie sind seine Mitgliedschaft bei NSDAP und SS, die Beschäftigung von Zwangsarbeitern sowie seine Tätigkeit in der NS-Rüstungsindustrie.“ Auch Denkmäler belastet Sieht man von den Adressänderungen einmal ab, verhält sich die Sachlage bei Änderungen von Straßennamen vielfach einfacher als bei Denkmälern, dort ergeben sich meist mehrere Aspekte. Ist es die Persönlichkeit, der man ein Denkmal errichtet hat oder der Künstler, der das Werk vollbrachte oder auch das zu berücksichtigende Zeitgefühl, in dem ein Kunstwerk entstand? Denkmalstürmer, die auf fragwürdige Personen am Sockel spähen, werden in St. Pölten wenig fündig. Und doch gibt es in der Landeshauptstadt einige Skulpturen mit Erklärungsbedarf. Vor allem das umfangreiche Oeuvre des St. Pöltner Bildhauers Wilhelm Frass gibt zu denken. Stadtmuseumsdirektor Thomas Pulle weiß davon ein Lied

Äußerst problematisch finde ich, dass es noch eine Dr. Otto Tschadek-Straße in St. Pölten gibt. AUTOR MANFRED WIENINGER MFG 09 20

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an die Herausgabe eines Denkmalführers, einer Broschüre, denn viele Denkmäler können vom Betrachter in ihrer ganzen Dimension nur selten verstanden werden. „Nach 1945 hat man bei Figuren an Hauswänden, wie in der Josefstraße 69/70 zum Beispiel den NS-Spruch heruntergeklopft und gedacht, das war es damit. Wir sollten uns unserer Vergangenheit stellen, wir leben ja nicht im luftleeren Raum, aber die Sicht auf die Geschichte muss immer wieder nachgeschärft und justiert werden, nicht einfach zerstört.“

GESCHICHTSBEWUSST? Manch Denkmal hat einen fragwürdigen Ursprung oder Inhalt. Die Umgangs-Debatte schwankt zwischen Kontextualisierung bis Abtragung. zu singen. „Auf der einen Seite war der extrembelastete Künstler Frass unheimlich begabt, aber politisch absolut fehlgeleitet“, erzählt Pulle von den Widersprüchen im Werk von Frass. Sieht man das Kriegerdenkmal in der Hofstatt, Nähe der Bezirkshauptmannschaft (1928 errichtet), das einen nackten Mann im Augenblick des Fallens zeigt, „erkennt man die unheroische Darstellung, die eher dem Zeitgefühl der Sozialdemokratie als dem typischer NS-Kunst entspricht.“ Pulle sieht sich nicht als Denkmalstürmer, „man muss ein Denk44

mal aus der Zeit heraus verstehen. Die Zerstörung eines Denkmales nimmt auch einen wichtigen Teil der Vergangenheit weg. Natürlich gibt es Dinge, die so unmenschlich sind, dass sie aus dem öffentlichen Raum entfernt werden sollten, aber dann ins Museum, versehen mit einem deutenden Kontext.“ Aber bei vielen Skulpturen sieht er die Möglichkeit „einer Kontextualisierung, etwa in Verbindung mit Werken zeitgenössischer Künstler. Tafeln mit erklärenden Texten, die den historischen Hintergrund aufbereiten, sind mir da dann zu wenig.“ Er denkt da auch

Ausstellung über NS-Zeit geplant Obwohl eine große Ausstellung über die NS-Zeit für 2024 geplant ist, in der minutiös dieses Thema aufgearbeitet werden soll und auch der öffentliche Raum miteinbezogen wird, sieht er die Kontextualisierung von belasteten Skulpturen im Zeithorizont von zwei Jahren. „Themen, die Zeitgeschichte betreffen, wo viel Hintergrundwissen gefordert ist, dürfen keine Schnellschüsse sein. Wir brauchen auch reale Zeugnisse, wie die Konzentrationslager, um das Ungeheuerliche vermitteln zu können.“ Damit spielt er auf die hysterischen und aufgeregten Aktionen in vielen Städten und Ländern an, wo Denkmäler und Straßenbezeichnungen aus dem Affekt und falsch interpretierter politischer Korrektheit zerstört und beschmiert werden und so einer wissenschaftlichen und historischen Aufarbeitung entzogen werden. Nicht nur aus NS-Zeit Zumal einige fragwürdige Skulpturen auch aus anderen antidemokratischen Zeiten stammen, wie etwa der Passauer Wolf von Ferdinand Andri am Neugebäudeplatz, der 1937/38 während des Austrofaschismus errichtet wurde. Kommen wir zur Person Wilhelm Frass, der im Denkmal des toten Soldaten in der Krypta am Wiener Heldenplatz ein Huldigungsschreiben an den Nationalsozialismus verbarg, zurück. Würde man alle seine Werke aus dem öffentlichen Raum entfernen, „hät-


EINFACH SO VOM SOCKEL HOLEN

ten wir keine Denkmäler aus dem 20. Jahrhundert mehr.“ Da sieht Pulle eher die Lösung in einem wissenschaftlich und geschichtlich fundiert aufbereitenden Stadtrundgang, einer umfassenden Publikation. „Frass ist ja kein neues Thema, darauf haben wir immer in vielen Artikeln hingewiesen“, so Pulle, der hier für ein Gesamtpaket eintritt. „Wir sind alle vermutlich keine Monarchisten mehr und trotzdem sprengen wir keine Bauten aus dieser Zeit.“ Auch bei anderen Werken wie den Malereien eines Sepp Zöchling oder den Steinreliefs von Kunibert Zimmer etwa am Haus in der Mariazeller Straße 45, die im Dienst des nationalsozialistischen Formenkanons und der NS-Propaganda standen, herrscht Auf- und Erklärungsbedarf. „Jedes Kunstwerk ist Ausdruck der Zeit. Aus heutiger Sicht kann man das nicht verstehen, wenn man sich nicht damit auseinandersetzt. Zeitgeschichtliche Zusammenhänge ge-

Wir haben eine Liste mit elf von uns erhobenen Straßen, wobei ich nicht garantieren kann, dass vielleicht künftig noch der eine oder andere Namen dazukommt. Analog zu Wien sollen diese noch im heurigen Jahr mit Zusatztafeln versehen werden. KULTURAMTSLEITER THOMAS KARL

hören erklärt“, so der leidenschaftliche Kunsthistoriker Pulle und verweist auch auf skurrile Details etwa bei den Glasfenstern der Pfarrkirche St. Pölten-Wagram, denn dort ist in einem Bau, der während des Austrofaschismus errichtet wurde, just auch der hl. Engelbert vertreten, der wohl auch ein wenig an den antidemokratisch regierenden Bundeskanzler Engelbert Dollfuß erinnern sollte. Und da wäre auch noch die „Bimbo“ Binder-Promenade, nach dem St. Pöltner Spitzenfußballer Franz „Bimbo“ Binder, dessen Spitzname wohl auch nicht mehr den Kriterien aktueller politischer Korrektheit entspricht. Stadtmuseumsdirektor Thomas Pulle: „Eine einfache Lösung wäre das Anbringen von Tafeln mit erklärenden Texten. Das ist mir in vielen Fällen zu wenig, hier sehe ich in der Neukontextualisierung von Denkmälern in Verbindung mit zeitgenössischer Kunst eine gute Methode.“

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FOTOS: CALLAHAN - STOCK.ADOBE.COM, CHRISTA STANGL, WEINFRANZ

DAISYWORLD

KOLUMNE THOMAS FRÖHLICH

FILM AUS? Film aus? Als Mitte August im Freilicht-Kinosaal des Cinema Paradiso die diesjährige Ausgabe des legendären Film-Quiz über die Bühne ging, war das Thema: Katastrophen-Filme. „Wie passend!“, dachte der Schreiber dieser Zeilen. Conferencier Hödi stellte ziemlich g’feanzte Fragen und sagte irgendwann sinngemäß Folgendes: „In den USA wollen viele Menschen auch nach Corona Filme in erster Linie nur noch online konsumieren.“ Ein Trend, der wohl auch vor Europa nicht haltmachen wird. Das Kino als Ort einer temporären, mitunter verschworenen Gemeinschaft, ist also in ernster Gefahr (ebenso wie Theater, Konzertsäle und Kleinkunstbühnen). Das gemeinsame Lachen, Weinen oder auch Nägelbeißen wäre dann ein Ding der Vergangenheit. Dem gemeinschaftlichen Rezipieren und dem Über-den-FilmReden danach (begleitet von einem Glas Bier oder Rebensaft) liegt aber eine andere Qualität zugrunde als das Streamen in den eigenen vier Wänden bei gleichzeitiger „Anwesenheit“ in den sattsam bekannten Echokammern der Social MediaWelt. Nichts gegen das Binge-Watchen von klassen Serien, aber Kino kann mehr, ob nun im klassischen Kinosaal, im Freien oder – großartige Idee – im wiederbelebten Autokino. Ansonsten drängt sich mir eine schreckliche Zukunftsvision auf: Wir hocken nur noch im Online-Modus zuhause, während öffentliche Räume ausschließlich denen gehören, denen eh alles wurscht ist und für die die ganze Welt ein einziger großer Ballermann ist. Dagegen wäre sogar James Bond machtlos.

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n der ehemaligen Steingutfabrik Wilhelmsburg tut sich Eigenwilliges: Basierend auf der wissenschaftlich-philosophischen Computersimulation Daisyworld, bei der es – salopp gesagt – um die Betrachtung der Erde als komplexes, ökologisch offenes und selbstregeneratives System mithilfe von Gänseblümchen (!) geht, wurde das Projekt Daisyworld ins Leben gerufen. Es umfasst u. a.

ein Kunstareal, das Geschirrmuseum wie auch eine Keramikmanufakur. Die Künstlergruppe Stachel organisiert die „transhumanistisch metamorphe Reise zu den Daisies“: eine sehr handfest begehbare künstlerische Installation „in progress“, die auch die ehemaligen Arbeitsstätten umfasst. Der erste Themenraum „Die Sphäre des Atems“ wird im Oktober eröffnet.

W EINF RANZ

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inen lang gehegten Traum hat sich der renommierte Fotograf Franz Weingartner, alias Weinfranz, mit der Eröffnung seiner eigenen Galerie in der Melker Fußgängerzone erfüllt „wobei noch relevanter der Wunsch war, einfach Bilder zu zeigen, die mir selbst wichtig sind. Das reinzuhängen, was mir taugt – egal ob´s jemandem gefällt oder nicht“, lacht er. Damit hat er sich selbst ein Stück „unglaublicher Freiheit geschenkt – ein schönes Gefühl“, zugleich aber der Region eine Foto-Galerie mit großartigen Arbeiten, die für sich selbst wirken sollen: „Ich bin nicht dort, möchte kein Bild erklären oder kommentieren. Man hört im Hintergrund ‚Die vier Jahreszeiten‘, sieht die Bilder, sonst nichts“, erläutert Weinfranz das Konzept,

das täglich von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends genossen werden kann, „manchmal auch länger“, schmunzelt der Neo-Galerist. www.weinfranz.at


FESTSPIELHAUS ST. PÖLTEN / BÜHNE IM HOF

FRAUENPOWER

MUSIK/THEATER/TANZ?!

ABER SICHER! Knallig bunter Dschungel-Spaß, verführerischer Spitzentanz & Austria‘s hottest live in concert! Robert Wilson . CocoRosie Jungle Book 26./27. September 2020

Igudesman & Joo. Tonkünstler

The Happy Concert 13. Oktober 2020

Jaja, eh schon wissen – Frauenpower ist ein abgedroschenes Wort, und es stimmt ja auch: Als müsste man extra betonen, dass es starke Frauen gibt. Da wollen wir den Chauvinismus überwinden und tappen erst recht wieder hinein. Also lassen wir den Geschlechtskontext weg und sagen einfach: Zwei großartige Künstlerinnen stehen im Oktober in der Bühne im Hof.

Clara Luzia / Voodoo Jürgens 09. Oktober 2020

Ankathie Koi / Mavi Phoenix

16. Oktober 2020 Zunächst bringt uns die Puppenspielerin Manuela Linshalm am 2. Oktober die Weisheit „Die Welt ist ein Würstelstand“ nahe. Dort nämlich, bei Resi Resch‘ urwienerischer Labestation, kommen sie alle zusammen – vom Hofrat bis zum Gastarbeiter. Selbstredend bei Linshalm alle als Puppen – und auf so einem Würstelstand knallen herrlich wienerischer Pragmatismus und Grantlertum aufeinander.

Johan Inger . Aterballetto Don Juan 24. Oktober 2020

Jungle Book/ Das Dschungelbuch © Lucie Jansch

Ein anderer großer Wiener bildet dann auch den Inhalt von Sandra Kreislers Abend am 3. Oktober. Unter dem Motto „Kreisler singt Kreisler“ kredenzt sie nämlich die tiefsinnig-witzigen Kompositionen ihres Vaters, die vor Wortwitz und zugleich Poesie strotzen. Kreisler, geniale Sängerin, bietet dabei begleitet von David Holleber am Klavier die weniger bekannten CabaretChansons dar. Kreisler hoch zwei sozusagen – quasi so etwas wie Champions League!

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DER JUNGE HITLER Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Adolf Hitler und die Nationalsozialisten haben diesen ebenso zu verantworten wie die systematische Ermordung von sechs Millionen Juden, von mehr als drei Millionen Kriegsgefangenen, hunderttausenden Zwangsarbeitern, Roma und Sinti, Widerstandskämpfern und vielen anderen. Schätzungsweise mehr als 60 Millionen Menschen wurden weltweit Opfer eines „totalen Krieges“, des Massenterrors und des systematischen Genozids.

D

as Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich fragt in der aktuellen Ausstellung nach den Anfängen: Woher kommen Nationalismus und Militarismus, Rassenhass und Antisemitismus? Wieweit sind sie in der Gesellschaft bereits verankert, ehe der Erste Weltkrieg ausbricht und die Nationalsozialisten aufsteigen. Die Ausstellung erzählt parallel zum einen die Biografie Hitlers, zum anderen gesellschaftliche Strömungen, die ihn und seine Zeitgenossen vor 1914 geprägt haben. Kausale Zusammenhänge zwischen rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Aussagen dieser Epoche und Hitlers Ideologie werden nicht erzwungen, aber sie liegen doch reichlich nahe. 1945 – und der Weg dorthin Am Beginn der Ausstellung steht das Jahr 1945, der Zerstörungshorizont als Konsequenz von Krieg und Völkermord. Dann schwenkt die Erzählung um auf das Jahr 1889 und zeigt wesentliche Ereignisse und Akteure dieses Wendejahres: Die Pariser Weltausstellung mit dem Eiffelturm, 48

den Machtwechsel in Deutschland, das Erfolgsjahr der österreichischen Arbeiterbewegung und Bertha von Suttner, die 1889 ihr Buch „Die Waffen nieder!“ veröffentlicht. Es geht aber auch um das fetischistische Verhältnis vieler Menschen zu „Volk“ und „Nation“: Frauen und Männer als „Germanen“ verkleidet, stramme – und meist antisemitische – Turner, die in Runenschrift korrespondieren; Kitschobjekte, mit denen man – auch in Österreich – dem „Blut- und Eisenkanzler“ Bismarck gedenkt; und schließlich Objekte aus dem Nachlass des radikalen deutschnationalen Parteigründers Georg von Schönerer, der den Hass auf die Slawen und

ELTERN. Mutter Klara galt als nachgiebig, Vater Alois als autoritär.

Antisemitismus zu den Pfeilern seiner Politik gemacht hat – und als politisches Leitbild Adolf Hitlers gilt. Militarismus, Rassismus und Antisemitismus Trotz gelegentlicher pazifistischer Losungen tendiert die Welt um 1900 zu kriegerischen Idealen. Der Sieg über die Franzosen 1870/71 und die Befreiungskriege gegen Napoleon bestimmen die nationale Erinnerungskultur. Kriegsverherrlichung und Heldenverehrung finden nicht zuletzt auf dem „Kampffeld Schule“ statt. Schulwandtafeln eines Klassenzimmers nehmen darauf Bezug. Ein Kraniometer, ein Gerät zur Vermessung von Schädeln, verkörpert die fragwürdigen Methoden der sogenannten Rassenkunde. Eugenik, Biologismus und Sozialdarwinismus erleben vor dem Ersten Weltkrieg eine erste Blüte. In seinem in Wien geschriebenen Bestseller „Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“ verarbeitet Houston Stewart Chamberlain rassistische Ideen zu einer kruden Weltgeschichte. Aber auch Friedrich Nietzsche und seine Ideen vom „Willen zur Macht“, von


TEXT: CHRISTIAN RAPP | FOTOS: SAMMLUNG RAUCH, ÖNB

heroischen Über- und Herrenmenschen, die Verachtung alles Schwachen und Kranken gehören unter Intellektuellen zum gesellschaftskritischen Diskurs. Bühnenmodelle zu „Rienzi“, „Tristan und Isolde“ und „Rheingold“ aus dem Wiener Theatermuseum dokumentieren die WagnerVerehrung der Jahrhundertwende. Die unter der Leitung von Gustav Mahler entstandenen Aufführungen hat Hitler in der Hofoper gesehen. Immer wieder gibt es Verschränkungen zwischen „moderner“ Form und „reaktionärem“ Inhalt, etwa in der schön gestalteten Jugendstilausgabe eines Werkes des völkischen Schriftstellers Guido List. Viel Platz ist dem Antisemitismus und seinen vielfältigen Ausformungen in Österreich-Ungarn, aber auch Deutschland und Frankreich gewidmet. Eine Aufstellung antisemitischer Äußerungen zeitgenössischer Politiker zeigt, wie früh Gewalt- und Vernichtungsfantasien bereits ausgesprochen worden sind. Von der Welteroberung zum Weltkrieg „Welt“ ist ein Schlüsselbegriff vor 1914. Die Welt wird aufgeteilt, Weltstädte kämpfen um Prestige, die Welt wird klein und eng. Die imperialistische Welteroberung der Zeit wird eine „Volksbewegung“. Wenn es innenpolitisch kriselt, werden außenpolitische Erfolge angestrebt – etwa durch neue Kolonien und auf Kosten der kolonisierten Völker, gegenüber denen sich auch der „kleine Mann“ stets „überlegen“ fühlen kann. Überlegenheitsgefühle und imperiale Machtansprüche sind eine der Ursachen, die im Sommer 1914 zum Ersten Weltkrieg führen. Es sind junge Männer bürgerlicher Herkunft, die den Kriegsbeginn begeistert begrüßen und freiwillig zu den Waffen greifen – unter ihnen Adolf Hitler. Im Weltkrieg kulminiert der verheerende Zeitgeist der Epoche. Keine heile Welt In die großen Strömungen der Zeit eingebettet, verfolgt man in der Aus-

WANDERJAHRE. Die Kinderjahre (hier in der 4. Volksschulklasse Leonding 1899/1900, Hitler obere Reihe mitte) sind von oftmaligen Wohnungswechseln geprägt. stellung die Biografie Adolf Hitlers von seiner Geburt bis zu seinem 25. Lebensjahr. Hier wurde besonders großer Wert daraufgelegt, die Berichte von Zeitzeugen kritisch zu hinterfragen und jeweils die Quellen offenzulegen. Der Beginn des biografischen Teils der Ausstellung beschäftigt sich mit der komplizierten Familiengeschichte Adolf Hitlers. Ein Taufbuch des Pfarrarchivs Döllersheim klärt etwa die Frage, wie aus seinem Vater Alois Schicklgruber Alois Hitler wurde. Das Kapitel erzählt von einer nachgiebigen Mutter und einem streng autoritären Vater. Dieser ist Zollbeamter, weshalb die Familie häufig ihren Wohnsitz wechselt. Maßgeblich sind für Hitler seine Jahre in Linz, wohin die Familie nach dem Tod des Vaters übersiedelt. In der dortigen Realschule ist Adolf Hitler wenig erfolgreich. Bleibenden Eindruck hinterlassen die deutschnational gesinnten Lehrer an der Linzer Realschule. Zeitzeugen berichten von ihrem ehemaligen Mitschüler Adolf Hitler. Der einzige Freund Mit 16 verlässt Adolf Hitler die Schule ohne Abschluss und beginnt eine Art Selbststudium. Eine geregelte Arbeit lehnt er ab und träumt

stattdessen von einem Leben als Kunstmaler. Zum wichtigsten Zeitzeugen für die Jahre 1905 bis 1908 wird sein Freund August Kubizek, aus dessen Nachlass Originalobjekte in der Ausstellung gezeigt werden. Kubizek und Hitler verbindet ihr Interesse für Musik und ihre Begeisterung für Richard Wagner. Der Traum vom Kunststudium in Wien platzt 1907, als Hitler die Aufnahmeprüfung an der Akademie der bildenden Künste nicht besteht. Im ausgestellten Prüfungsprotokoll ist die Beurteilung „ungenügend“ vermerkt. Nach dem Tod der Mutter bricht Hitler 1908 endgültig nach Wien auf. Seine Waisenrente und ein Darlehen seiner Tante ermöglichen ihm zunächst ein unbeschwertes Leben. Als August Kubizek von

TAGUNG Am 16. September 2020 gibt es eine vom Museum Niederösterreich und dem Niederösterreichischen Landesarchiv gemeinsam organisierte Tagung: „Hitler und das Fin de Siècle – ein Workshop zur Vorgeschichte des Nationalsozialismus“

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HITLER IN ST. PÖ LTEN – 1920 U N D 1938 Hitler besucht St. Pölten erstmals 1920 im Rahmen einer Wahlkampfreise für die damals noch unbedeutende nationalsozialistische Partei, die zur Nationalratswahl am 17. Oktober des Jahres angetreten ist. Einige Wochen zuvor hatten sich in Salzburg Nationalsozialisten aus Österreich, Deutschland und den deutschsprachigen Gebieten der Tschechoslowakei auf gemeinsame Aktivitäten geeinigt. Die österreichischen Nationalsozialisten dürften dabei Hitler, den „Trommler“ der besonders lautstarken bayrischen Partei gewonnen haben, sie im bevorstehenden Wahlkampf zu unterstützen. Hitler sagte zu und reiste zwei Wochen lang durch Österreich, am 6. Oktober war er in St. Pölten. Thema seiner Reden war v. a. die Lage im „Deutschen Reich“. Es ging um den vermeintlichen „Niedergang“ Deutschlands nach dem Friedensvertrag von Versailles, seine unfähigen politischen Führer und warum sich eine Partei wie die NSDAP bilden musste. Hitler versuchte diese als linke Partei zu positionieren und verstand sich selbst als „Arbeiterführer“. Ein wahrer Sozialist müsse eben auch Nationalist sein, international seien nur die Feinde der Arbeiterschaft, „das Kapital“ und „das Judentum“. Sozialdemokraten und Kommunisten wären daher Verräter der Arbeiter. Hitler wusste, dass im Publikum auch Sozialdemokraten oder Kommunisten sitzen, manche von ihnen hielten Gegenreden. Es kam immer wieder zu Wortgefechten und kleineren Zwischenfällen, aber er blieb Herr der Lage.

Saalschlacht mit den „Roten“

In St. Pölten liefen die Dinge etwas anders. Es war die einzige Arbeiterstadt, in der Hitler als Redner auftrat. Die hiesigen Sozialdemokraten besetzten einen Großteil der Sitzplätze in den Stadtsälen. Hitler begann auch hier seine Rede mit den „Schandverträgen“ von Versailles. Dann kam er zu jenem Abschnitt seiner Ansprache, in dem es um die Abgrenzung von den „internationalen“ Arbeiterparteien geht. Es rumorte im Saal und wurde immer lauter, sodass Hitler nicht mehr zu verstehen war. Heinrich Schneidmadl, sozialdemokratischer Stadtrat, stand auf und erwiderte, dass Österreich von den Nachkriegsverträgen kaum weniger betroffen wäre als Deutschland, aber dass am Krieg der deutsche Nationalismus mitschuldig sei. Danach eskalierte die Situation, sowohl Nationalsozialisten als auch Sozialdemokraten stürmten die Bühne und eine Rauferei begann. Schneidmadl nahm, nach eigener Aussage, Hitler

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zur Seite, um ihn vor der Wut der eigenen Parteigenossen zu schützen. Er wollte vermeiden, den Gegnern einen „willkommenen Beweis sozialdemokratischer Unduldsamkeit“ zu liefern. Hitler ergriff noch einmal das Wort und zog kurz daraufhin mit etwa 100 Parteigängern ab. Trotz solcher Vorfälle sind Hitlers Auftritte in Österreich durchaus auf fruchtbaren Boden gefallen. Vor allem in bürgerlichen Kreisen war man begeistert, schwärmte von seinen „glänzenden Ausführungen“, und „würdig verlaufenen“ Veranstaltungen. Im „St. Pöltener Tagblatt“ hieß es: „Wir gestehen offen, dass Herrn Hitlers Darlegungen einen strahlenden Licht- und Höhepunkt in dem sonstigen Wahlredengequatsche bedeuten.“

Persönlicher Erfolg 1938

Die Wahlen am 17. Oktober 1920 waren trotz Hitlers Unterstützung für die österreichischen Nationalsozialisten nicht gut ausgegangen. Aber die Stimmenzahl hat sich fast überall dort, wo er aufgetreten war, deutlich erhöht. In St. Pölten hat sie sich verdoppelt. Zurück in München wird Hitler seinen Parteigenossen erzählen, dass Österreich sich völlig in jüdischer Hand befände. Aber sich selbst und seiner Partei hat er bewiesen, dass er einen Wahlkampf führen und auch jenseits von Bayern beträchtliche Erfolge als aufpeitschender Redner erzielen kann. Viele Jahre später, am 14. März 1938 kam Hitler neuerlich nach St. Pölten, diesmal als umjubelter Triumphator, um den „Anschluss“ Österreichs an das Dritte Reich zu vollziehen. Auf dem Weg nach Wien fuhr er mit seinem Tross in die Stadt ein, speiste im Hotel Pittner zu Mittag und ließ sich, aus dem Fenster grüßend, von der Menge feiern. Hinter den Kulissen ging es weniger feierlich zu: Nazis hatten schon seit Tagen politische Gegner attackiert, jüdische Geschäfte beschmiert und verwüstet, deren Inhaber misshandelt, Jüdinnen und Juden auch in deren Wohnungen verprügelt und beraubt. Und doch stimmten dem „Anschluss“ viele Menschen zu, die einst Hitlers vehemente Gegner waren. So auch Heinrich Schneidmadl. Er, der 1920 überzeugt war, den „nationalsozialistischen Eroberungszug“ verhindert zu haben, er, dem niederösterreichische Nazis im Landtag 1932 drohten, dass sie „Leute wie ihn eines Tages hängen werden“, er empfiehlt, ebenso wie Karl Renner, bei der Volksabstimmung im April über den „Anschluss“ mit „Ja“ zu stimmen.


DER JUNGE HITLER

DIE AUSSTELLUNG. Das Kuratorenteam (v.l.n.r.: Hannes Leidinger, Christian Rapp, Andrea Thuile, Benedikt Vogl) setzt Hitlers Werdegang in den historischen Kontext seiner Zeit.

DER JUNGE HITLER.

Prägende Jahre eines Diktators. 1889 – 1914 Sonderausstellung im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich, noch bis 24. Jänner 2021

einem nie realisierten Opernprojekt Richard Wagners erzählt, will Hitler diesen Plan – trotz fehlender musikalischer Ausbildung – selbst umsetzen. Erstmals wird in der Ausstellung ein Notenblatt gezeigt, auf dem die beiden jungen Männer die germanische Sage von „Wieland dem Schmied“ zu vertonen versuchen. Politische Leitbilder Politisch ist Hitler v. a. von zwei Persönlichkeiten beeinflusst: dem erwähnten Georg von Schönerer und dem charismatischen christlichsozialen Wiener Bürgermeister Karl Lueger. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass Adolf Hitler in Wien einem antisemitischen Verein beitritt, der versucht, die Ziele dieser beiden Politiker in Einklang zu bringen. Als Hitler ein zweites Mal an der Akademie der bildenden Künste abgelehnt wird, taucht er unter: In der Ausstellung ist der letzte Brief zu sehen, den er seinem Freund August Kubizek schreibt, bevor Hitler ohne eine weitere Nachricht aus der gemeinsamen Wohnung auszieht. Mit dem Schwinden der finanziellen Rücklagen beginnt Hitlers Abstieg. Er muss immer billigere Quartiere beziehen und ist schließlich im Herbst 1909

gezwungen, im Meidlinger Obdachlosenasyl zu übernachten. Im Männerheim Ab 1910 stellt sich in Hitlers Leben eine gewisse Stabilisierung ein – wenn auch auf niedrigem Niveau: Er bezieht eine Schlafkabine im Männerheim in der Wiener Meldemannstraße und hält sich durch das Anfertigen von aquarellierten Stadtansichten über Wasser. Dass er seine Bilder auch an jüdische Geschäftsleute verkauft, steht nur scheinbar im Widerspruch zu seinen antisemitischen Ansichten. Mit seinem 24. Geburtstag erhält Hitler seinen Teil am väterlichen Erbe ausbezahlt. Er übersiedelt nach München. Der Umzug ins Deutsche Reich dürfte auch damit zusammenhängen, dass Hitler von den k.u.k. Behörden gesucht wird: Er hätte sich bereits 1910 zur Stellung melden sollen, hat das aber – wohl aufgrund seiner Ablehnung für die VielvölkerArmee der Habsburger – unterlassen. Bei der Nachmusterung in Salzburg wird er wegen körperlicher Schwäche vom Wehrdienst befreit. Den Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 nimmt Hitler, wie viele andere Menschen, mit

Begeisterung auf. Er meldet sich freiwillig zur Bayerischen Armee und dient als Meldegänger an der Westfront. An diesem Punkt verschmelzen die beiden Erzählstränge der Ausstellung und es wird gezeigt, was es dem einzelgängerischen Sonderling ermöglichte, zum „Führer und Reichskanzler“ aufzusteigen, der die Welt in den Zweiten Weltkrieg stürzen sollte.

ZUM AUTOR

Christian Rapp leitet das Haus der Geschichte im Museum Nieder­ österreich. Gemeinsam mit Hannes Leidinger hat er ein Buch zum frühen Hitler verfasst: „Hitler – prägende Jahre: Kindheit und Jugend 1889 – 1914“.

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AUF DER SUCHE NACH BABAJI

SIEGFRIED NASKO

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achvollziehbar ist das allemal, denn wie es halt so ist mit der „Wahrheit“ und der Wahrnehmung – auf ein und dieselbe Sache kann man bekanntlich unterschiedlich blicken, kann sie unterschiedlich erfahren haben und sich demnach auch unterschiedlich daran erinnern. Was dann letztlich als – idealtypisch – „Wahrheit“ herausdestilliert wird oder eher als Lüge empfunden wird, lässt sich nie vollends klären und so sind Lebenserinnerungen immer, wie es schon weiland der gute alte Goethe wusste, zwischen Dichtung und Wahrheit anzusiedeln. Vielleicht hat der Autor auch deshalb ein Nachwort unter dem Titel „Die Sonne, der Mond und die Wahrheit gehen nicht unter“ nachgereicht. Für das große Ganze des Buches spielt das aber in Wahrheit ohnedies keine allzu große Rolle, denn über die teils längst versunkenen Polit„Affären“ und darin verstrickten

SUCHE. Nasko trifft berühmte Meister wie etwa Karmapa in Dharamsala. 52

Wenn Siegfried Nasko sich anschickt, seine Memoiren zu Papier zu bringen, dann ist erhöhter Pulsschlag bei manch Zeitgenossen vorprogrammiert. Zwar nicht in dem Maße, wie Trump versuchte, Publikationen über seine Person zu unterbinden, aber recht wohl fühlte sich nicht jeder bei dem Gedanken, dass der ehemalige St. Pöltner Stadtrat möglicherweise aus dem Nähkästchen plaudert – dem Vernehmen nach soll der Autor auch manches gegenüber dem Erstentwurf gestrichen haben. Protagonisten wissen die meisten Leser von heute gar nicht mehr Bescheid. Das Interesse daran ist daher – mit Ausnahme für die Betroffenen selbst und einige Insider – mehr als endenwollend, und um die Kirche im Dorf zu lassen: Wir reden hier ja nicht vom US-Präsidenten oder dem Weißen Haus, sondern von den Niederungen der St. Pöltner Lokalpolitik im Jahre Schnee. Die wahre Stärke und Tiefe entfaltet Naskos Buch sowieso eher dort, wo der Autor über den lokalen Tellerrand hinausblickt und auf allgemein gültige Lebensthemen zu sprechen kommt. Das betrifft allen voran einmal das Ausrollen seines eigenen Werdegangs vom aus ärmsten und – nennen wir es euphemistisch – alles andere den herzerwärmenden, eher trostlosen Verhältnissen kommenden Nachkriegsbuben hin zum gestandenen Beamten, Politiker und Historiker. Eine klassische Aufsteigergeschichte, wie sie die SPÖ unter Kreisky gerne als role model einer neuen Gesellschaft propagierte, allein dass Naskos Geschichte bereits in den 60ern beginnt, als man sich noch nicht auf eine solidarische Gesellschaft verlassen konnte, die auch den Underdogs eine Chance gibt. Nasko ist in die-

sem Sinne mehr Selfmademan à la amerikanischer Traum, sein Werdegang Ausfluss eines eisernen Willens, der ihn unter persönlichen Entbehrungen die Erfolgsleiter step by step emporsteigen ließ – vom Bäckerlehrling über die nachgeholte Arbeitermittelschule, die Matura am Aufbaugymnasium in Horn bis hin zum Studium in Wien, wo er als Doktor der Philosophie promoviert, um danach eine honorige Beamtenkarriere einzuschlagen. All das ist ihm nicht zugeflogen, sondern hat er sich bzw. dem Leben beharrlich abgerungen – er jobbte am Bau, überstellte Autos, war Schaffner oder wirkte als Komparse im „Braven Soldat Schwejk“ mit, um das Studium, von dem die Eltern nicht einmal wussten, irgendwie zu finanzieren. Es sind wohl genau diese Herausforderungen und Nöte gewesen, die ihn für die Unterprivilegierten, für die Armen und deren eingeschränkte Aufstiegsmöglichkeiten sensibilisierten, so dass die SPÖ ab den 70ern seine logische politische Heimat wird, für die er jahrelang im St. Pöltner Gemeinderat und am Ende der Politkarriere im NÖ Landtag sitzen wird. Der Partei ist er bis heute treu, eine zunehmende Entfremdung wird im Buch aber offensichtlich. Nicht nur auf-


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: HELMUT LACKINGER, PRIVATARCHIV NASKO

MEMOIREN. In seinen Memoiren „Auf der Suche nach Babaji“ hält Nasko einen sehr persönlichen Rückblick auf sein Leben.

grund der als persönliche Kränkung empfundenen Demontage auf lokalpolitischer Ebene, sondern – und da schimmert wieder der größere Kontext durch – weil sich die Partei in seinen Augen spätestens seit sie einen Banker zu ihrem Parteichef machte immer mehr von ihrer Grund-DNA entfremdete und stattdessen vom Neoliberalismus wie ein aufgescheuchter Stier durch die Arena treiben ließ (solange man selbst an den Futtertrögen saß mitunter wohl auch gar nicht ungern). Naskos Ka-

pitalismuskritik ist dabei keine revolutionäre im Sinne einer Zerstörung der Verhältnisse, sondern eine integrierend-evolutionäre, wenn er wieder „mehr Sozialismus im Kapitalismus“ fordert. Kurzum – die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Marktes müssten im Sinne gesamtgesellschaftlichen Ausgleichs wieder enger gezogen werden, private Konzerne – insbesondere auch jene aus dem Digitalbereich – ihren steuerlichen Beitrag zum Gemeinwohl leisten wie es analoge tun. Angesichts

des sich abzeichnenden Zukunftsszenarios, dass Digitalisierung und Robotisierung viele Menschen aus dem bisher bekannten Arbeitsprozess drängen werden, plädiert Nasko zudem ganz im Sinne Richard David Prechts oder Thomas Pikettys für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, das u. a. über Kapital- und Finanztransaktionssteuern gegenfinanziert werden soll. Als Grundkontext hinter all diesen Überlegungen schimmert auch hier die Vision von Solidarität durch, deren Erfüllung Nasko auf europäischer Ebene noch nicht erfüllt sieht. Wohlwissend um die aktuellen Schwächen der EU, streicht er dennoch gerade ihre friedensstiftende Kraft als essentiell hervor, weshalb die Zukunft des Kontinents nicht in weniger, als vielmehr in mehr Europa liegen müsse! Freilich die EU nicht als reiner, privilegierter Wirtschaftsklub, sondern als solidarische Wertegemeinschaft an deren Endpunkt die Verwirklichung der Vereinigten Staaten von Europa stehe „föderal, vielfältig, rechtsstaatlich, demokratisch, tolerant, solidarisch und gebildet sowie vor allem die Würde der Person achtend und die Menschenrechte verwirklichend.“ Von Europa zur Welt ist es dann nur mehr ein kleiner Schritt, ja in Wahrheit ist es derselbe, weil Nasko als das sich durchziehende Grunddilemma ein auf Ungerechtigkeit basierendes globales Wirtschaftssystem ausmacht, das viele Teilnehmer systematisch benachteiligt – allen voran Afrika. Dieses Unrecht müsse überwunden werden, angesichts logischer Flüchtlingsströme allein schon aus Eigennutz: „Hugo Portischs Aufforderung, etwas für Afrika zu tun, richtete sich an alle Europäer. Ich nehme sie sehr persönlich, bin ich mir doch bewusst, dass wir selbst es sind, die bluten, wenn wir weiterhin Schwarze verletzen und durch Ausbeutung, Hunger, Krankheit oder Ertrinken sterben lassen.“ Nasko macht sich in seinem Buch noch so manche Gedanken über aktuell brisante Themen – so fordert er etwa einen Elternführerschein, weil MFG 09 20

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AUF DER SUCHE NACH BABAJI

DURCHKOMMEN. Mit verschiedenen Jobs hält sich Nasko über Wasser und finanziert sein Studium. Am Bau, als Schaffner, als Komparse etc. (2.v.r.)

SELFMADEMAN. Mit eisernem Willen schließt Nasko sein Studium mit dem Doktorat ab. Danach macht er Karriere als Politiker, Beamter und Historiker.

BÄCKERLEHRLING. Nach der Schule macht Nasko (1.v.r.) eine Lehre zum Bäcker.

Erziehung gelernt sein möge, stellt den in seinen Augen überbordenden österreichischen Föderalismus in Frage oder outet sich als Fürsprecher eines allgemeinen Ethikunterrichts, ganz im Sinne Luza Nimmervolls: „Der demokratische liberale Staat ist existentiell angewiesen auf mündige, aufgeklärte Bürger, die gegen blinden Gehorsam gegenüber Religionen, dubiosen Weltsimplifizierern und sonstigen Obrigkeiten gewappnet sind. In diesem Sinne wäre Ethikunterricht für alle ein Akt demokratiepolitischer Wahrhaftigkeit.“ Mit der Begrifflichkeit der „Wahrhaftigkeit“ kommt man schließlich zur dritten großen, sich durchziehenden Grundströmung des Buches. So lässt Nasko die Leser an seiner höchstpersönlichen Suche nach dem Sinn im Leben teilhaben, vielleicht auch nach innerem Frieden, den ihm die eigene Historie, die allgemeinen Umstände und auch die eigene intellektuell-komplexe Persönlichkeitsstruktur (möglicherweise schon wieder als Folge des Vorhergenannten) nicht immer so einfach zu gewähren scheinen. Der Autor war nie einer für den Streichelzoo, eher kratzbürstig, aufbrausend, angriffslustig, mit54

unter verletzend und einschüchternd – so wie er selbst manch Verletzung und Kränkung einstecken musste. Zugleich ein Macher, der sich mit Verve in Themen und Menschen hineinwarf, ein Weltverbesserer, der sich nicht im Theoretisieren als Gutmensch brüstete, sondern persönlich Armen unter Einsatz persönlicher finanzieller Mittel ganz konkret unterstützte. Jedenfalls immer ein Kämpfer, ein Emotionsbündel. Seine Versuche einer „Selbstdomestizierung“ der negativen Seiten führten ihn in den 80ern zunächst zum Yoga „um meine starken Emotionen zu zügeln“, und mündeten schließlich in einer lebenslangen Vertiefung fernöstlicher Religionen und Praktiken, die zum selbstgewählten (auch spirituellen) Lebenspfad wurden. Bis heute meditiert er täglich, auf zahlreichen Reisen nach Indien, Tibet, Nepal, Afrika etc. kam er in Kon-

takt mit berühmten Lehrmeistern, erfuhr manch persönliches Wunder, und selbst schwere Krankheiten und Nahtoderfahrungen brachten ihn vom Weg nicht ab, sondern begriff er als weitere Vertiefung. Nicht von ungefähr hieß Naskos Buch in der Rohfassung „Auf der Suche nach Babaji. Ein einsamer Wolf erinnert sich und beobachtet“. Das Cover zieren zwei Naskos, zwei Seiten exemplarisch für eine mehrdimensionale Person, die in ihrem Leben vielleicht bisweilen zerrissen wirkte, die aber – und vielleicht ist das Buch ein Schlüssel dazu – versucht anzukommen, eins zu werden mit sich und der Welt, ausgesöhnt, erkennend, um irgendwann – von allen Begierden und Anhaftungen des Lebens gelöst – im Licht „ausgelöscht“ zu werden, wie es Nasko im Gefolge des Christus-Yogi Babaji anstrebt. Der Pfad ist (noch) nicht zu Ende.


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: HELMUT LACKINGER, PRIVATARCHIV NASKO

Der junge Hitler museumnoe.at

Illustration: Larissa Cerny / Bezahlte Anzeige

bis 24.1.2021

Prägende Jahre eines

Diktators

1889 –1914

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FOTOS: PETER RAUCHECKER, BERNADETTE GUGERELL

WIEDERSEHEN!

PROGRAMM HERBST 2020 25. September

Die letzten Monate waren eine große Herausforderung für uns alle. Gerade auch die Kulturszene hatte – man kann es ob Zwangspause, Absagen, Kurzarbeit & Totalausfällen nicht anders formulieren – schwer zu leiden. Auch bei uns im Verein war sozusagen Schmalhans Küchenmeister, mussten wir doch zahlreiche Veranstaltungen absagen. Umgekehrt sind wir aber aktiv geblieben. Allen voran freut es mich, dass wir die Staffelübergabe in unserem Büro gut über die Bühne gebracht haben. Nachdem Claudia Wallner zur Assistenz der Geschäftsführung in der NÖ Kulturwirtschaft aufgestiegen ist, sah ich vorweg ein Vakuum. Es hat sich aber keineswegs als solches herausgestellt. DI Bernadette Gugerell hat ohne jegliches Problem die Leitung unseres Sekretariats übernommen. Danke Claudia für die so umsichtige Übergabe! Bernadette ist – was einen Riesenvorteil darstellt – bestens in der Kulturszene bekannt, arbeitet etwa auch für die Kulturlandeshauptstadt St. Pölten (Büro St. Pölten 2024). Sie ist trotz ihrer Jugend sehr gut vernetzt und stellt dank ihres Know-hows eine große Stütze dar. Großen Dank möchte ich ebenso unseren Kulturinstitutionen zollen. Diese bewiesen unglaublichen Innovationsgeist und lieferten uns trotz geschlossener Häuser Kulturprogramm vom Feinsten direkt ins Wohnzimmer

Exkursion: Spotlight-Führung Albertina Modern 15. Oktober

Molden, Resetarits, Soyka, Wirth Bühne im Hof 7. November

„Das kleine Gespenst“ von Otfried Preußler für Kinder

Vorstellungsbesuch, Landestheater Niederösterreich 4. November

„100 Jahre Trennung Wien – Niederösterreich“ Diskussion, Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich

Unsere neue Büroleiterin der Freunde der Kultur St. Pölten: DI Bernadette Gugerell.

geliefert: Die Bühne wurde kurzerhand ins Internet verlegt, ein digitaler Spielplan mit Aufführungen, Konzerten, Diskussionen etc. stillte unseren Durst nach Kunst und Kultur. Und sobald es die Rahmenbedingungen zuließen, kehrten wir wieder ins „reale“ Kulturleben zurück. Die Sommerexkursionen, die uns etwa auf die Schallaburg oder ins Leopold Museum führten, werden ohne Zweifel ebenfalls als ganz besondere Erlebnisse im

28. November

„Christoph Kolumbus“ von Miroslav Krleža

Probenbesuch, Landestheater Niederösterreich

Gedächtnis bleiben: Wann konnte man schon ganz ohne Gedränge eine Ausstellung genießen und sich in ein Kunstwerk vertiefen? Nun hoffen wir alle auf einen „stabilen“ Herbst. Die Programme sind fixiert, die Proben haben begonnen, alle strotzen vor Tatendrang – es ist sozusagen angerichtet für die Wiedereröffnung der Kulturhäuser. Und so können wir – wenn auch vielleicht unter der einen oder anderen Einschränkung – bald wieder gemeinsam großartige Kultur genießen. Wir tun dies übrigens in „Höchstbesetzung“, durften wir doch kürzlich das 550. Vereinsmitglied bei den Freunden der Kultur willkommen heißen! In diesem Sinne freue ich mich auf ein baldiges persönliches Wiedersehen, bleiben Sie gesund Ihr

Lothar Fiedler Sobald möglich wechselten wir sozusagen wieder in die reale Welt, wie etwa beim Besuch im Belvedere.

MITGLIED WERDEN und die zahlreichen Vereinsvorteile (Exklusivveranstaltungen, Previews, Künstlertreffen, Exkursionen, Ermäßigungen uvm.) genießen. Anmeldung und Infos unter T +43 2742 90 80 90-941, F +43 2742 90 80 94, freunde@kultur-stp.at

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(Präsident Freunde der Kultur St. Pölten)

INFORMATIONEN

www.freundederkultur-stp.at, Tel.: 0 2742 90 80 90-941


WACHAU IN ECHTZEIT GEHT AUF REISEN

In diesem Jahr nimmt das Herbstfestival sein Publikum mit auf spannende Reisen – mit der Bahn, in die Wildnis, kulinarisch und durch die Zeit. Zum Auftakt geben Ursula Strauss und Ernst Molden im Barockkeller des Stiftes Melk Lieder ihres gemeinsamen Albums „Wüdnis“ zum Besten. Neben dem Konzert erwartet die Besucher im Rahmen einer neu ins Leben gerufenen Kooperation von Wachau in Echtzeit und Vinea Wachau eine Verkostung ausgewählter Weine aus der Region. In Anlehnung an die beliebte britische Tradition des Pubquiz organisiert Wachau in Echtzeit unter dem Motto „Wein & Spiele“ außerdem das erste Heurigen-Quiz in der Wachau. Gerald Huber-Weiderbauer, David Six & Michael Strauss verleihen im Kino im Kes-

selhaus dem Stummfilmklassiker „Modern Times“ mit Charlie Chaplin mit Live-Vertonungen und Improvisationen eine zeitgenössische Stimme, und Tatort-Kommissarin Dagmar Manzel gibt bei einem stimmgewaltigen Liederabend im Klangraum Krems Minoritenkirche Chansons von Friedrich Hollaender zum Besten. Außerdem im Programm: eine naturkundliche Zug- und Erzählfahrt mit der Wachaubahn, eine unterhaltsame Kirchenführung in Unterloiben, „Happy Art & Attitude“ auf der Burgruine Aggstein, heitere Geschichten rund um das Weinhnachstsfest im Lorenz Wachau mit Nicole Beutler, ein literarischmusikalischer Abend mit Fritz Karl in der Römerhalle Mautern sowie eine Hommage an Marlen Haushofer „Jenseits der Wand“.

FOTO DANIELA MATEJSCHEK

Mit Wachau in Echtzeit lädt die beliebte Schauspielerin Ursula Strauss von 22. Oktober bis 28. November 2020 zum nunmehr 9. Mal zu ihrem ganz persönlichen Kulturprogramm. Ein Muss!

INFOS & KARTEN Wachau Kultur Melk GmbH Jakob Prandtauer-Straße 11 3390 Melk T +43 2752 54060 office@wachaukulturmelk.at www.wachauinechtzeit.at Öffnungszeiten Kartenbüro: MO – FR, 9:00 bis 15:00 Uhr

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45 JAHRE NÖ KULTURFORUM EIN BEITRAG VON PROF. EWALD SACHER DER AUFBRUCH Seit dem Jahr 1975 besteht das NÖ Kulturforum als Verein im Land NÖ. Gegründet wurde es von einem engagierten Personenkreis – LR Leopold Grünzweig, Dr. Franz Slawik, Prof. Karl Gutkas, Kurt Fuss, Dr. Kurt Preiß, Prof. Gotthard Fellerer – mit der Absicht, im doppelten Sinne „aufzubrechen“: Verkrustete Strukturen aufzubrechen und aufzubrechen in Richtung einer Neuorientierung der Kulturpolitik in NÖ, die Mitte der 1970er-Jahre wahrlich einen Neuanfang brauchte. Ihnen ist es gelungen, eine basis-demokratische, linksorientierte Kulturbewegung in Niederösterreich zu schaffen und ihre gemeinsame Vision von einem kulturellen Aufbruch in NÖ umzusetzen. DIE GRÜNDER Als Mitglied der NÖ Landesregierung war es Kulturlandesrat Leopold Grünzweig, der den Anstoß gab, mit der Gründung einer in den Regionen verankerten, landesweit wirkenden Kulturplattform Bewegung in das bis dahin mehr als nur am Rand der Landespolitik liegende Kulturwesen zu bringen. Er war der Initiator der ersten großen Landesausstellungen, die heute im Zweijahresrhythmus an verschiedenen Orten des Landes abgehalten werden, eine Selbstver-

Obmann Ewald Sacher gemeinsam mit Gründungsmitglied Gotthard Fellerer. 58

ständlichkeit geworden sind und zur Belebung der Regionen im weitesten Sinne beitragen. Nach dem plötzlichen Herztod des legendären Hans Czettel musste Leopold Grünzweig die Funktion des Landeshauptmann-Stellvertreters übernehmen, was zugleich aber auch seinen Wechsel von der Kulturpolitik in die Niederungen der politischen Auseinandersetzungen im Land bedeutete. Dass es seit 40 Jahren das NÖ Kulturforum gibt, ist zu einem guten Teil Leopold Grünzweig zu verdanken. Eine der herausragenden Gestalten der niederösterreichischen Kulturszene und eine wesentliche Persönlichkeit der Gründungsrunde war Universitätsprofessor Dr. Karl Gutkas aus St. Pölten. Geboren 1926, studierte er Geschichte und Germanistik an der Universität Wien, wo er sich 1965 für Österreichische Geschichte habilitierte. Seit 1950 war er Leiter der Schul- und Kulturverwaltung der Stadt St. Pölten. Mit seinen zahlreichen Veröffentlichungen – u. a. „Geschichte des Landes Niederösterreich“ oder „St. Pölten – Werden und Wesen einer österreichischen Stadt“ – hat sich Karl Gutkas höchste Anerkennung erworben. Für das Land NÖ gestaltete er die ersten Großausstellungen, wie „1.000 Jahre Babenberger in Österreich“ (Stift Lilienfeld, 1976), „Österreich zur Zeit Kaiser Josephs II.“ (Stift Melk, 1980) und „Prinz Eugen und das barocke Österreich“. Darüber hinaus veröffentlichte er zahlreiche Aufsätze zu Themen der Geschichte Niederösterreichs. Für das NÖ Kulturforum war er ein unverzichtbarer Fachmann. Die bis heute enge Verbundenheit zwischen dem NÖ Kulturforum und der Kulturabteilung der Landeshauptstadt St. Pölten geht auf das Wirken und die Persönlichkeit von Univ. Prof. Dr. Karl Gutkas zurück. Ein weiterer Mann der ersten Stunde war Dr. Franz Slawik. Am Anfang seiner Karriere als Pädagoge, Bildungs- und Kulturpolitiker lebte er, Lehrer am Bundesgymnasium Pia-

ristengasse, bis 1972 in Krems. Weitere Stationen seines Berufsweges waren jene des Direktors am Gymnasium Schwechat und des Direktors des Renner-Institutes, der Bildungsakademie der SPÖ, im Schloss Altmannsdorf in Wien. Franz Slawik stieg dann auch als Landtagsabgeordneter in die Landespolitik ein, wo das Kulturresort, das damals Leopold Grünzweig als Landesrat führte, sein großes Ziel war – allein durch den Wahlausgang fiel dieses an die ÖVP, von der es bis heute geführt wird. Dass Franz Slawik damals ausgerechnet das „Kanalresort“ in der Landesregierung übertragen erhielt, muss für ihn eine gewisse Demütigung gewesen sein. Als Direktor des Renner-Institutes gehörte er zu den führenden Denkern und Kukltur- und Bildungsexperten der Sozialdemokratie in der Ära Kreisky. Leider ist Dr. Franz Slawik viel zu früh an einem Krebsleiden verstorben. Einer der engen Freunde Franz Slawiks aus der gemeinsamen Kremser Zeit war Dr. Kurt Preiß, ebenfalls Lehrer am Bundesgymnasium Piaristengasse und später Direktor des BRG Krems-Ringstraße, 1972 bis 1982 Vizebürgermeister der Stadt, dann Nationalratsabgeordneter bis 1993. Seine Arbeit im Rahmen des Vereins zur Geschichte der Arbeiterbewegung und sein Engagement in der ACUS, der Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialdemokratie brachte ihm breite Anerkennung.


KULTUR VOR DER HAUSTÜR – NÖ KULTURFORUM

Seit der Gründung des NÖ Kulturforums bestehen dank Gründungsmitglied Karl Gutkas beste Beziehungen zur Stadt St. Pölten. Im Bild v.l.n.r.: Thomas Pulle, Ewald Sacher, Gotthard Fellerer, BGM Matthias Stadler, Siegfrid Nasko

Als ausgebildeter Altphilologe, Philosophielehrer und auch geachteter Autor lokalhistorischer zeitgeschichtlicher Arbeiten über die Arbeiterbewegung sowie über die Stadt Krems und deren Geschichte im 20. Jahrhundert hat sich Kurt Preiß einen Namen gemacht. Durch und durch Humanist war er Mitbegründer der Kremser Humanistischen Gesellschaft, Herausgeber der Kremser Humanistischen Blätter und bei der Volkshilfe NÖ auch sozialpolitisch sehr engagiert. Er hat als Kommunalpolitiker auch Meilensteine in der Stadtentwicklung von Krems gesetzt. So etwa hat er sich sich besonders für die Erhaltung historischer Bauten in Krems – z. B. für die Renovierung der Gozzoburg – und für die Gründung der heutigen Donauuniversität Krems tatkräftig eingesetzt. Unbedingt muss die Erinnerung an eine der Gründerpersönlichkeiten des NÖ Kulturforums, den unermüdlichen Kurt Fuss aus Ternitz, wachgerufen werden. Kurt Fuss, Bildungsfunktionär der SPÖ NÖ, war ein guter Organisator, er zeichnete für Veranstaltungen verantwortlich, er entwickelte Konzepte, er organisierte Bildungs- und Kulturkonferenzen, er plante Ausstellungen, und vor allem legte er eine Samm-

lung von Werken niederösterreichischer Künstlerinnen und Künstler an, die heute immer wieder als „Sammlung Kurt Fuss“ in verschiedenen Orten des Landes gezeigt werden können. Er hat mit dem NÖ Kulturforum wesentlich dazu beigetragen, den aus dem Banat geflüchteten Robert Hammerstiel, der in Pottschach seine zweite Heimat fand, mit ersten Ausstellungen eine Basis für seine großartige Künstlerlaufbahn zu schaffen. Der Einzige, der von den Gründern noch lebt, und das mit voller Kraft und ungebrochener Kreativität, ist Prof. Gotthard Fellerer. Ich bezeichne ihn immer als den „künstlerischen Motor“ im NÖ Kulturforum. Der Wiener Neustädter Gotthard Fellerer ist ein ungemein vielseitiger Künstler. Musiker, Maler, Literat, Philosoph, Herausgeber, Organisator und Kurator von Ausstellungen über NÖ hinaus – vieles mehr kann man ihm, dem unermüdlich gegen die Angepasstheit Kämpfenden, zuordnen. Begründer von Initiativen ist er – z. B. des Kunstvereins Süd Ost, Herausgeber des satirischen Kunstblattls (wie er selbst es nennt) „BravDa“, Gründer des Phantastenmuseums im Palais Palffy in Wien, ideensprudelnder Kulturvermittler - „Guckkastenmuseum“, „NÖ Kunstproviant“ sind nur einige Stichwörter zu Projekten, die er mit dem Kulturforum umsetzte und nach wie vor vorantreibt. Zuletzt ist es ihm zu verdanken, dass im Rahmen der Landesausstellung 2019 „Welt in Bewegung“ im Zentrum Wr. Neustadts die „Stadtgalerie“ als Ort der Präsentation zeitgenössischer Kunst eingerichtet werden konnte. Gotthard Fellerer hat die Idee des Kulturforums mit geschaffen, und er lebt sie bis heute.

UNBEIRRT WEITER Den Zielen der Gründer fühlt sich das NÖ Kulturforum nach wie vor unbeirrt verpflichtet: Wir wollen idealistische Ideenbringer sein. Ein ganz großer Höhepunkt war 2018/19 der Jugend-Kreativwettbewerb „Aufbrechen“, an dem 100 junge Leute aus NÖ mit ihren Einsendungen in den Bereichen Literatur, Musik und Bildende Kunst teilnahmen. In Folgeveranstaltungen wie „Gegen den Wind“ 2020 bietet das NÖ Kulturforum diesen Talenten weitere Plattformen. Die ungemein bemühte Organisatorin dieses Wettbewerbs ist Mag. Ma-

rianne Plaimer, Kunstpädagogin am BORG St. Pölten, die sich schon mit integrativen Jugendkulturprojekten in Traisen („Kunstraum“) einen Namen gemacht hat. Für 2020/21 ist eine Fortsetzung dieses Kreativprojektes für junge Menschen in Aussicht genommen. Wenn offizielle Kulturpolitik naturgemäß das Ergebnis eines politischen Auftrags ist, so ist unsere Arbeit geprägt von individuellem, persönlichem Einsatz. Deshalb verzichten wir auch auf einen aufwendigen Apparat – den wir uns nicht leisten könnten – und agieren deshalb prompt, spontan und unmittelbar. Unser Erfolg liegt in der dezentralen Kulturarbeit, in der Förderung lokaler Initiativen, in der Unterstützung regionaler Künstlerinnen und Künstler, in der Vermittlung kultureller und künstlerischer Werte an die Basis und von der Basis nach oben. Wir haben Visionen, wie eine gute Zukunft aussehen sollte.

PROF. EWALD SACHER

Obmann des NÖ Kulturforums, geb. 1949 in Krems, nach der Matura kurze Zeit kaufmännischer Angestellter bei der VOEST, studierte an der PÄDAK Lehramt, war HL-Lehrer für Deutsch und Geographie-Wirtschaftskunde, ab 1993 Direktor der VS Krems-Lerchenfeld. Wirkte 20 Jahre als Kommunalpolitiker in Krems, von 1983 bis 2000 als Vizebürgermeister; ab 1993 Landtagsabgeordneter, von 2003 bis 2008 2. Landtagspräsident, von 2008 bis 2013 Abgeordneter zum NR, dort u.a. Mitglied des Unterrichtsund des Kulturausschusses. Er ist als Präsident der Volkshilfe Niederösterreich und seit 2019 Präsident der Volkshilfe Österreich auch überaus sozial engagiert und als Hobbymusiker aktiv.

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KULTUR VOR DER HAUSTÜR – NÖ KULTURFORUM

Seit 45 Jahren ist das NÖ Kulturforum eine basis-demokratische, linksorientierte Kulturbewegung, die durch ihr umfangreiches Engagement nachhaltig Kunst und Kultur fördert sowie das Kulturleben bereichert. Im Bild z. B. die Ausstellungseröffnung „Frauenalltag“ im Stadtmuseum St. Pölten.

Wir haben Phantasie, setzen innovatorische Impulse und wollen mit unserem Tun junge Menschen und Junggebliebene erreichen. Aus diesem Grund fördern wir kulturelle Initiativen unterschiedlichster Altersgruppen (z. B. Jugendmusikevents, Schulprojekte), dokumentieren kulturelle Besonderheiten – Stichwort Katalog „Weinviertler Künstler“, CD-Produktion „Weinviertler Elegien“, die Serie von CD-Produktionen zum Thema alte und neue Arbeiterlieder („Morgenrot“, „Weil auch du ein Arbeiter bist“, „Freiheit, die WIR meinen“, „Wörksongs“ usw.). Wir wollen auch jene gewinnen, die bislang abseits gestanden sind, wir wecken das Kulturinteresse bei jenen im Land, die noch keinen Zugang zu Kunst und Kultur gefunden haben. Wir nehmen uns kritischer aktueller Themen der Zeit an – hier nenne ich die großartigen Fotoausstellungen, die wir als Wanderausstellungen konzipiert und mit Katalogen ergänzt haben: „Denkmal statt Arbeit – ehemalige Industriebauten in NÖ“, „Roma in Mitteleuropa – Integration oder Ausgrenzung“, und jüngst „Bahnnostalgie – eingestellte Nebenbahnen in NÖ“ (Autor: 60

Prof. Ulrich Gansert) oder „Frauenalltag“ (Autor: Nikolaus Neureiter). In diese Kerbe schlägt auch Dr. Siegfried Nasko – der einige Jahre Obmann des NÖ Kultuforums war – mit seinen von uns geförderten zeitgeschichtlichen Büchern, z. B. seine vielbeachteten Werke über Dr. Karl Renner.

DAS JETZT-TEAM Seit 15 Jahren darf ich als Obmann nun schon an der Spitze des NÖ Kulturforums stehen. Mich unterstützen im Vorstand des NÖ Kulturforums dabei engagierte Persönlichkeiten aus den Regionen Niederösterreichs: Prof. Gotthard Fellerer (Wr. Neustadt), Mag. Thomas Pulle und Mag. Thomas Lösch (St. Pölten), LR Ulrike Königsberger-Ludwig (Amstetten), Mag. Karin Renner (Gänserndorf), Mag. Klaus Bergmaier (Krems). Einen schmerzlichen Verlust erlitt das NÖ Kulturforum durch den plötzlichen Tod von Hofrat Dr. Hans Angerer aus Krems im August dieses Jahres, einem engagierten Historiker, Pädagogen und Erwachsenenbildner.

KOOPERATION MIT DEM LAND NÖ Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Arbeit des NÖ Kulturforums nur möglich ist, weil dieses einerseits von der Kulturabteilung der NÖ Landesregierung Jahr für Jahr zuverlässig dotiert und gefördert wird. Die Kooperation mit den Landesstellen ist eine gute und ungestörte, ohne dass eine kurze Leine oder gar ein Gängelband zu spüren wäre – unser stets kritischer Geist würde dies auch nicht zulassen. Andererseits ist die Arbeit nur möglich, weil sie von einigen wenigen Unermüdlichen und vor allem Unbeirrten in ungezählten und unbezahlten Stunden ihrer Freizeit geleistet und die Idee vom Aufbruch ins Land weitergetragen wird. Dafür möchte ich als Obmann meinen Dank sagen. Ebenso danke ich all jenen Nieder­ österreicherinnen und Niederösterreichern, die sich für unsere Arbeit interessieren, unsere Projekte verfolgen und unsere Ausstellungen und Veranstaltungen besuchen, die mit ihrem Interesse und ihrer Teilnahme dazu beitragen, Kultur zu vermitteln – „Kultur vor der Haustür“, wie unser Motto so treffend sagt.


FOTOS: LEO IHRYBAUER, DEAGREEZ - STOCK.ADOBE.COM, IRINYA - STOCK.ADOBE.COM

THE FREEDOM WARRIORS

KOLUMNE THOMAS WINKELMÜLLER

SAG‘ LEISE BABA

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he Freedom Warriors, eine österreichische Funk/Soul/Dance Formation, die man getrost als Supergroup bezeichnen kann, ist aktuell mit ihrem dritten Longplayer „Return of the old school“ am Start. Darauf zu hören ist neben Kim Cooper (Beat4Feet, Rounder Girls), Betty Semper (Supermax, Kurt Ostbahn) und Hubert Tubbs (Tower Of Power, Quincy Jones) auch eine absolute Spitzenband rund um Christian Eigner, den man normalerweise von Depeche Mode kennt, sowie Helmut

Schneider, dem Mastermind hinter der Band. An der Gitarre werkt local hero Johannes Maria Knoll, am Bass Mike Zottl. Nicht uninteressant ist auch die weitere St. Pöltner Beteiligung: Christoph Richter, Parvez Syed (House Of Riddim), Gerald Huber und Sebastian Haas. Gemeinsam kredenzen die Musiker ein Album der Marke „Old School Funk trifft Daft Punk Sound der Gegenwart, Disco im Stil der 80er auf Club Sound der Jetzt-Zeit, Lenny Kravits auf Depeche Mode.

H A L B TA G S FE I E R N

V

on den armen „Wirtschaftsschweinen“ die ärmsten in Sachen Corona-Folgen sind bislang eindeutig die Nachtlokale. Sie dürfen nach wie vor nicht aufsperren. Nicht nur die maximale Sperrstunde bis 1 Uhr – wo die Nachtschwärmer für gewöhnlich gerade erst im AufwärmModus sind – ist ein Killer, sondern auch die Abstandsregelung scheinen Indoor-Dancefloor-Spaß bislang zu verunmöglichen. Die Paradebetriebe Warehouse und LaBoom siechen vor sich hin. Doch Andreas Brandstetter vom LaBoom reicht es jetzt. Er hat ein neues Konzept unter dem augenzwinkernden, aber ernstgemeinten Motto „halbtags feiern“ ausgeklügelt

und lädt am 26. September zum „LaBoom light“, das nur bis 1 Uhr angesagt ist, dafür schon um 19.30 Uhr mit DJ James Illusion an den Turntables startet. Reservierung unter www.laboom.at/reservierung

Und wo feiern Sie diesen Sommer? Also ich war bisher auf vier Homepartys, in ein, zwei vollgesteckten Bars und oft genug bei Freunden über Nacht – keine Sorge, alles gesetzeskonform und mit Händewaschen. Aber Moment, da fehlt ja etwas. Genau, die nach wie vor geschlossenen Clubs. Mir kann das eigentlich egal sein. Zum Feiern finden wir Menschen sogar in den aussichtslosesten Lagen eine Möglichkeit – Bahnhof St. Pölten lässt grüßen. Tanzen wir eben bei einem Open Air oder in Bratislava, trinken in Bars oder konsumieren Drogen in den eigenen vier Wänden. Sozialarbeiter hassen diesen Trick. Wer es dafür heute noch spürt, sind die Clubbetreiber, Veranstalter, Kellner, Ton- und Lichttechniker, Getränkelieferanten. Die Liste ist noch länger, die Kolumne leider nicht. In St. Pölten haben wir zwei Diskotheken. Beide hält aktuell eine Verordnung geschlossen. Fixkostenzuschüsse funktionieren irgendwie nicht so glatt, bis 1 Uhr aufsperren rentiert sich wirtschaftlich nicht. Geschlossene Türen sollen es also sein. Das bisschen St. Pöltner Jugendtanzkultur muss sich gerade selbst aus dem eigenen Club schmeißen. Ich sage nicht, dass Diskotheken aufsperren sollen. Um das zu verordnen, fehlt mir neben der Kompetenz auf Bundesebene schlichtweg das epidemiologische Grundwissen. Auf gut Glück die Nachtgastronomie auszuhungern, um dann nach der Pandemie Clubs wie den Phoenix aus der Asche steigen zu sehen, wird aber auch nicht klappen. Weniger feiern und mehr protestieren lautet die Devise.

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IN DEN KELLERN DER NACHT Seit 20 Jahren ist es Anlaufstelle für Nachtschwärmer, Metal-Fans, Jazz-Freaks und Blues-Afficionados: das Underground. Es legendär zu nennen, kommt einer Untertreibung gleich. Was auch auf seinen Betreiber, Walter Göbel, zutrifft. Begeben wir uns also auf eine Magical Mystery Tour in unterirdische Gefilde, dorthin, wo man Tageslicht eher vom Hörensagen kennt. „Die Blumenkinder sind schon tot / Rockstars kennen keine Not / Die Hitparaden spiel´n nur Schund / Wir kommen aus dem Untergrund / [...] / Aus den Kellern der Nacht / Aus den Kellern der Nacht / [...]“ (Ronnie Urini und die letzten Poeten)

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as Österreichs einziger wirklicher Rockstar, Ronnie Urini alias Ronnie Rocket, in den 1980ern sang, klingt heute beinahe prophetisch. Im St. Pöltner Untergrund, dem Underground, ticken die Uhren nämlich anders. Dunkler. Lauter. Geheimnisvoller. Ein pittoreskes Gewölbe, das auch ein gutes Setting für einen Vincent Price- oder Christopher Lee-Film abgeben würde, mit Totenköpfen etwa und Lampen in Form gehörnter Köpfe, die das Halbdunkel nur unzureichend erhellen. Dazu ein wild überwucherter Gastgarten, der Romantiker jeglicher Couleur (von verliebt bis düster-melancholisch gesinnt) anzusprechen vermag. Den konservierten Soundtrack dazu liefern Stromgitarren schwingende Schwarzkünstler und – gelegentlich – einsame Bluesmen und -women sowie existenzialistisch anmutende Jazzer, die einem Pariser Club aus den 1950ern entsprungen sein könnten. Und nicht selten hallen Live-Klänge durch die Katakomben unter der Adresse Josefstraße 1.

Diesen Keller der Nacht gibt es nun seit genau 20 Jahren. „Und vom ersten Tag an war’s voll! Es sind noch die Sägespäne gelegen, da sind die Massen schon vor der Tür gestanden“, erinnert sich Betreiber und Mastermind Walter Göbel, dessen Stimme man durchaus auch als 62

Metalfans san die gmiadlichsten Leit‘! WALTER GÖBEL


TEXT: THOMAS FRÖHLICH | FOTOS: ELIAS KALTENBERGER, PIOTR KRZESLAK - STOCK.ADOBE.COM

dröhnend bezeichnen darf, vor allem, wenn er von etwas begeistert ist. Und das ist er oft, vor allem von seinem Kind, das heuer seine Teenagerjahre endgültig hinter sich gebracht hat: das Underground, in dem wir für dieses Interview einander gegenüber sitzen. Von Anfang an war es mehr als ein Lokal: ein Biotop für die „schwarze Szene“, aber auch für Menschen, die einfach nach einer inspirierenden Atmosphäre abseits des Mainstream suchten. Und so standen neben Metal-Fans unterschiedlichster Ausrichtung auch der Bauarbeiter und die Universitätsprofessorin nebeneinander am Tresen und unterhielten sich lautstark über die krachigen Klänge und ein Bier (oder Walters berühmt-berüchtigten Chilli Wodka) hinweg über den Teufel und die Welt, unter den liebevollgestrengen Blicken von Mephisto Göbel, der darauf achtete, dass sich sein Publikum auch gut benahm. Denn es gab damals wie heute schon zu viele Orte, vor allem nächtens, in denen die Grindschlapfen das Sagen zu haben glauben und dies auch fallweise nonverbal zu kommunizieren trachten. Nicht so bei Walter: „Wer deppat is‘, fliagt ausse! Und braucht a nimma einekumman!“ Gleich zu Beginn wollte sich eine Partie politisch irregeleiteter Kampfhundbesitzer bei ihm häuslich niederlassen. „Nur weu i a Glotzn hob, homs glaubt, ich bin a so ana!“ Walter ergänzt: „Oba ned laung!“ Dass sich der Hausherr durchsetzen kann, glaubt man ihm sofort. Von Anfang an kamen Musiker ins Underground, die in Walter einen väterlichen Freund („den Papa!“) fanden, der ihnen Räume zum Üben, Jammen und für zum Teil erste LiveAuftritte zur Verfügung stellte. Dass sich da eine mitunter sogar international erfolgreiche Metal-Szene in St. Pölten entwickelte, ist wohl rückblickend neben dem von der Stadt subventionierten Freiraum in erster Linie der Privatinitiative Walters zu verdanken. „Und das waren und sind die friedlichsten Menschen überhaupt“, weiß Horrorfilm- und -literaturfan Walter.

SPIELPLATZ. Auch sportliche Betätigungen wie Darts oder Wuzeln sind im Underground gern gesehen.

Dabei war dem umtriebigen Herrn Göbel derlei nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Diese stand vor genau 59 Jahren im schönen Melk. „Die Donau war mein Hausbachl. Schwarzfischen waren wir – herrlich!“ Die Erinnerung daran lässt Walter verträumt schmunzeln. Zur Schule ging er dann ins Stiftsgymnasium: „Da ham’s mi oba aussegschmissen.“ Der Grund? Walter grinst: „Wir woan a bissl schlimm.“ Danach wandte er sich dem Arbeitsleben zu und wurde … Metaller. Was sonst, mag man da anmerken. „Während ich noch bei der Voith g’hackelt hab‘, durfte ich das erste Mal auflegen – im Jim Beam Club.“ Die Saat war gesät: „Ab da wollt‘ ich immer ein eigenes Lokal haben. Hobbykoch war ich zu der Zeit ja schon.“ 1983 hatte er eine Freundin, die im Gastgewebe tätig war. „Da hab‘ ich in Leogang erst einmal als Koch ausgeholfen.“ Und danach ging’s gastronomisch für fünfzehn Jahre nach Zell am See, „hauptsächlich am Abend und in der Nacht.“ Walter war immer schon ein Nachtvogel. Nach seiner Rückkehr nach Melk eröffnete er dann sein erstes eigenes Lokal. Der Name: Underground. „Musikalisch komm‘ ich ja eigentlich aus der Jazzrichtung. Ich hab‘ sogar Disco aufgelegt – ich hab‘ da überhaupt keine

Berührungsängste.“ Das Melker Underground war zu Beginn auch eher als Jazzbeisl angelegt, „dann kam die Alternative-Szene und danach die Metal beziehungsweise die ‚schwarze Szene‘ dazu. Und in die bin i einfach reingekippt. Weil’s die gmiadlichsten Leit san!“ Drei Jahre später zog es ihn dann nach St. Pölten, wo er weitermachte. Ein neues Underground war schnell gefunden. „Einige Stammgäste hab‘ ich seit 20 Jahren. Das sind treue Besucher“, hebt er hervor. Alle paar Jahre gebe es einen Generationswechsel: „A poa heiraten hoid und kumman nimma – dafür gibt’s wieder neiche Gsichta!“ Für mindestens zwei Generationen an Musikern war und ist das Underground sowas wie ein Zweitwohnsitz. Hier wurde geprobt, gejammt, gefeiert und aufgetreten. Legendäre St. Pöltner Bands, die auch übernational reüssierten, wie etwa Trashcanned, Aeons of Ashes oder Epsilon gaben (und geben) sich die Klinke in die Hand. Sogar der erste und bisher einzige Gothic Poetry Slam Österreichs fand hier vor etwa zehn Jahren im Garten statt: Die dargebotenen Texte stellten wieder einmal unter Beweis, dass Genie und Wahnsinn tatsächlich nahe beieinanderliegen. Die Blütezeit des (nicht nur) österreichischen Metal ist MFG 09 20

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IN DEN KELLERN DER NACHT

KOLUMNE ROUL STARKA

CORO NA NED NANA Amerikanische Wissenschaftler haben festgestellt, dass amerikanische Wissenschaftler sehr viel feststellen. Studien wiederum belegen, dass Studien sehr viel belegen. Dies alles aus sicherer Quelle, willkommen in der Coronawelt. Und ich weiß endlich, wie Corona im Nachnamen heißt: Waunnstmifrogst. Ich höre es täglich: Corona Waunnstmifrogst. Herzig rustikales Originalzitat (!) einer älteren Dame am Ebersdorfersee, im Kreise ihrer Freunde: „Oiso mit dera Koarauna do jetzt, eh scho so vü Auslända und daunn des aa no!“ Diese Menschen dürfen auch wählen gehen, und ich weiß nicht mehr, ob das so gut ist. Sie probieren sich auch in der Prozentrechnung, gelesen auf Facebook: „99 Prozent bekommen es nicht, es betrifft also nur ein Prozent, lächerlich wenig, Grippe bekommen mehr!“ Mein Entzückender, 99 + 1 ist tatsächlich 100, nur sind ein Prozent von acht Milliarden Menschen aber schon achtzig Millionen Hustende und/oder Sterbende. Das wäre die Einwohnerzahl ganz Deutschlands, die dir relativ wurscht ist. Ein anderer meint, dass es eh nur eine „Krippe“ (!) ist. Bitte die Prozent beim BILLA bestaunen, die Krippen zu Weihnachten in der Kirche, und seid versichert: Ich hab euch beide ganz viel lieb. Genau diesen vorigen Satz will ich als Lösung anbieten: Liebe und Respekt für all unsere Meinungen. Corona zeigt uns vor allem unsere Sehnsucht nach Umarmung. Die Mama Erde will wieder atmen, will uns zum kompletten Umdenken in all unserem Tun bewegen, ja, sogar zwingen. Schafft sie es mit dieser Krankheit, ist sie eine kluge Mama.

EINFACH ZUM NACHSCHENKEN. Durstig hat wohl noch niemand das Underground verlassen.

nun zwar schon seit einigen einigen Jahren vorbei, doch Walter ist ja bekanntlich offen für verschiedene Musikstile. So wie Paulus und Johannes Unterweger, St. Pöltner Rock’n’RollInkarnationen und zudem noch Brüder, gerne mit ihren Blues/Country/ Reggae/Mundart-Formationen ins Underground reinschauen, so gibt’s jeden Donnerstag Blues & Jazz und demnächst auch Drum’n’Bass mit Andi Fränzl. Und dass der St. Pöltner Vorzeige-Blueser Tom Hornek vor einigen Tagen im Gastgarten seinen 50. Geburtstag feierte, liegt irgendwie auf der Hand. Auch sonst sieht Walter die Dinge nicht so eng: „Waunn ana daherkommt und nach zwa Minuten scho sagt, ‚habt’s nicht was von AC/DC?‘, oda irgendwelche Prolls glauben, sie miassn se jetzt wichtig mochn, gibt’s Jazz!“ – und zwar wurscht, an welchem Tag. „Hört zu!“ ist sein Credo. Ohne Vorbehalte und ohne Engstirnigkeit. Was übrigens nicht nur für die Musik gelten mag. Das 20-Jahr-Jubiläum hatte sich Walter natürlich anders vorgestellt: Eine Riesenfeier über mehrere Tage hätte es im April werden sollen.

Wie wir alle wissen, machte eine Pandemie, die nach einer wässrigen Biermarke benannt ist, all dem einen Strich durch die Rechnung. Und die Nichtraucherverordnung aus 2019, die schon so manches Beisl umbrachte, stößt ihm ebenso übel auf: „Eine Frechheit! Muaß ja kana einekumman, der ned rauchn wü!“ Seine Klientel sei halt doch eher rauchaffin. Aber wenigstens im Garten ist es noch gestattet, Rauchwolken zu erzeugen. Was die Zukunft fürs Underground bringt, steht in den Sternen. Walter ist vorsichtig optimistisch: „So lange ich gesund bin, geht es weiter. Das ist mein Wohnzimmer!“ Dass dieses Nachtleben dauerhaften Beziehungen nicht sehr förderlich ist, muss er zugeben. Eine „Mrs. Underground“ gibt es derzeit keine. „Is hoit so!“ Doch kein Grund zur Melancholie – Walter freut sich auch schon auf nächstes Jahr, in dem es seinen 60er zu feiern gilt. Und dass der nicht in aller Stille begangen wird, darf man wohl annehmen. Bis dahin trösten wir uns mit einem von Walters Destillaten. Man gönnt sich ja sonst nichts – im Untergrund!

Wer deppat is, fliagt ausse! WALTER GÖBEL

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NXP LASERTRON

SEIT ZEHN JAHREN EINZIGARTIG Seit 2010 steht Europas erste Lasertron-Arena ausgerechnet in St. Pölten. Das familienfreundliche Gruppen-Eldorado hat in den vergangenen zehn Jahren seinen Platz im heimischen Sport- und Freizeitangebot gefunden, samt Ablegern über die Grenzen hinaus. Mastermind René Voak im Gespräch. abwechslungsreiche Stunden mit Freunden und Familie ist das der perfekte Rahmen für kleine und große Gruppen.

FOTOS VMATTHIAS KÖSTLER

Lasertron hat sich in Europa etabliert? In den letzten Jahren sind in anderen Ländern Projekte entstanden, mit denen wir in Kontakt stehen. Wir selbst haben in Linz und Graz Projekte betrieben, diese aber nach der Gründungsphase an lokale Betreiber verkauft. Mittlerweile hat sich Lasertag in Österreich etabliert, dabei wird auch zunehmend deutlich, dass wir mit der Marke Lasertron wirklich das beste Spielerlebnis bieten, weil es auch für sportlich-ambitionierte Spieler immer wieder spannend bleibt. Der treueste Spieler in St. Pölten hat über tausend Spiele absolviert, ein unglaublicher Wert. Damit beweist er, dass keine Session der anderen gleicht. Die Interaktion mit den Mitspielern macht den Unterschied. Es ist wie bei jeder Mannschaftssportart. Ein Fußballspiel wird auch nicht langweilig, weil keines dem anderen gleicht. Aber man muss kein Profi sein, um Spaß zu haben. Wir sehen, dass auch beim ersten Besuch die Augen leuchten und alle Spieler zwar erschöpft, aber mit einem breiten Grinsen aus der Arena kommen.

Wieso realisiert man ausgerechnet in St. Pölten ein europaweit einzigartiges Entertainment-Projekt? Wir hatten jahrelang erfolgreiche LasertagStandorte in Amerika besucht und einen passenden Platz in Österreich gesucht, vorrangig in Wien. Es lag an Bürgermeister Matthias Stadler und Martin Sadler, der mit der städtischen Immobiliengesellschaft das ehemalige Mega Fun attraktivieren wollte und dafür mit uns eine erfolgreiche Partnerschaft einging. Wir haben als privates, familiengeführtes Unternehmen 1,6 Millionen

Euro in den Standort investiert und etwas geschaffen, das sich internationale Investoren regelmäßig anschauen kommen.

Was ist besonders an NXP Lasertron? Wir haben erstmals eine Lasertron-Sport­ arena nach Europa gebracht. Bis heute ist unsere Arena die großzügigste geblieben, sie verfügt auch über zwei Stockwerke, wodurch der Spielspaß nochmals erhöht wird. Dieses Angebot kombinieren wir mit Bowling, Billard und einem zeitgemäßen Bar-Angebot unter einem Dach. Für ein paar

NXP LASERTRON Bimbo Binder Promenade 15, 3100 St. Pölten, direkt am Ratzersdorfer Badesee. Geöffnet Freitag bis Sonntag ab 13:00 Uhr. Lasertag, Bowling, Billard. www.lasertron.at MFG 09 20

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AM WEG „WAS ZU WERDEN“ SINIKKA MONTE

Sinikka Monte träumt vom Leben als Popstar. Ob ihr das gelingt, steht noch in den Sternen – versuchen möchte sie ihr Glück auf jeden Fall.

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inikka Monte ist keine gewöhnliche 18-Jährige. Wenn die St. Pöltnerin morgens aus dem Bett steigt, dann nicht um in die Schule zu gehen. Entweder sie macht sich auf den Weg zu ihrem Job im Fitnessstudio, lernt von zuhause aus für die Prüfungsschule – ihre Mitschüler hätten sie gemobbt oder „zumindest gehänselt“, weswegen sie ihre alte Schule verlassen habe, um in der neuen vor Ort nur noch Schularbeiten und Tests schreiben zu müssen – oder sie fährt wie heute ins Studio nach Wien und nimmt ihre eigene Musik auf. Monte hat Ende letzten Jahres die Debut-Single „It Ain’t You“ veröffentlicht und ist mit geschickten Marketing-Methoden so für St. Pöltner Verhältnisse zu einer echten Newcomerin im Pop-Underground aufgestiegen. Im Juli 2020 folgte während der Corona-bedingten Auftrittspause die nächste Single „Play Pretend“. Gemeinsam mit zwei Produzenten und ihrer Mutter als Managerin, die sie auch Momager nennt, arbeitet Monte aktuell an

IM STUDIO. Sinikka Monte und Produzent Roman feilen an ihrer neuen EP. 66

ihrer ersten EP. Sechs bis sieben Lieder sollen rauf, das Ganze mit Radioanspruch oder der mehr zeitgemäßen Bemühung damit auf so viele Streaming-Plattformen-Playlists wie möglich zu kommen. Montes Musik Um Montes Hals hängen ein Kreuz und eine Wolke. Wer dahinter eine spirituelle Message vermutet, der irrt. Wolken würden fluffig aussehen und das Kreuz finde sie trendy. „Ich habe eigentlich noch nie wirklich darüber nachgedacht, woran ich glaube“, sagt Monte und lacht. An Liebe und Menschen zumindest, darauf kann sie sich spontan festlegen. Tiefgang in existenzielle Fragen bietet Monte auch mit ihrer Musik nicht, aber eingängigen Pop mit nachvollziehbaren Texten über Liebe und Hass. Sie verarbeitet mal eine toxische Beziehung, dann imaginäre Romanzen. Musik, die eine Teenagerin, inspiriert von Justin Bieber, Selena Gomez oder Ariane Grande, naturgemäß machen würde. Ihr erstes Lied „Paper Hearts“ hat sie mit zwölf Jahren geschrieben und den Text dabei mit verschiedenen Sprüchen aus dem Internet gebastelt. „Darum waren die Lyrics auch ziemlich depressiv für mein Alter“, sagt Monte, „alle haben sich gefragt, warum eine mit zwölf, die nix in ihrem Leben kennt, so etwas schreiben würde.“ Heute noch leiht sie immer wieder Textzeilen von Songs, die sie hört, und ändert die Reime oder tauscht Wörter aus. Ihre Mutter hilft ihr dann beim fehlerfreien Englisch, wobei ihr das alleinige Schreiben mittlerweile schon leichter fallen würde. Gegen Samples, also die Wie-

derverwendung von Instrumentals aus anderen Musikstücken in ihren Liedern, wehrt sich Monte allerdings. Das bestätigt sie mit dem Hashtag „nosample“ in ihrer Twitter-Bio. Die eigenen musikalischen Arrangements entstehen deutlich langsamer als ihre Texte. Zuerst schreibt Monte die Akkorde für das Klavier und sucht die passenden Textzeilen heraus. Dann nimmt sie alles nochmal im Studio mit ihren Produzenten Robert und Flo auf. Die beiden kümmern sich mit Montes Anregungen und Vorschlägen weiter um die zeitgemäße, musikalische Untermalung. Kurz gesagt machen sie aus Montes Idee mit dem gemeinsam technischen Know-how das Lied, wie es später auf YouTube oder Spotify landet. „Ich bin Perfektionistin und deswegen brauchen die beiden mit mir da starke Nerven“, sagt Monte. Sie möchte viele Harmonien und Adlibs, also alles, was mit der Stimme gemacht wird, aber nicht direkt zum Text gehört. Beim Mastering und Mixing achtet sie bei den einzelnen Musikspuren penibel auf ihre klanglichen Vorlieben. Karriere-Stopps Bevor sie zu ihren heutigen Produzenten wechselte, hat sie die erste


TEXT: THOMAS WINKELMÜLLER | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER

Single mit Ex-Alice-Cooper-Schlagzeuger David Piribauer produziert. Er habe Monte entdeckt, nachdem sie bei der zweiten Runde von der österreichischen Talentshow „The Voice“ ausgeschieden war. Weil sie mit 16 für die Jury damals zu jung gewesen sei, sagt Monte. Piribauer habe in ihr aber mehr gesehen und sie zu sich in sein Studio nach Pinkafeld eingeladen, um „It Ain’t You“ aufzunehmen. „Musikalisch hat es nach der Single aber einfach nicht mehr so gut gepasst“, sagt Monte, „und mein Budget war auf Dauer deutlich zu klein für ihn.“ Außerdem hat Monte den „Joe Zawinul Award“ – benannt nach dem verstorbenen Jazz-Musiker Joe Zawinul – gewonnen. Ein Preis, den die „Joe Zawinul Foundation for Achievement“, die Musikschule in Gumpoldskirchen und das Musikschulmanagement Niederösterreich jährlich an Musikschülerinnen und Musikschüler im Land gemeinsam

vergeben. Monte konnte so für zwei Wochen nach Los Angeles reisen, die Hälfte der Zeit im Los Angeles College of Music (LACM) verbringen und die andere bei einer Gesangslehrerin und Tony Zawinul, dem ältesten Sohn von Joe Zawinul. „Ich

habe dort zum Beispiel meine Songs dem Manager von Katy Perry und einer Songwriterin vorgespielt und sie haben die dann bewertet“, sagt Monte. Man höre, dass ihre Muttersprache nicht Englisch sei, aber ihr würde eine erfolgreiche Zukunft bevorstehen. „Aus dir wird mal was, haben sie gesagt, aber das sagen viele, ganz so einfach ist es dann irgendwie doch nicht.“ Kommenden Herbst geht Sinikka den nächsten Schritt auf dem langen Weg „was zu werden“. „Deadlocked“ soll ihre dritte Single heißen und gemeinsam mit einem außergewöhnlichen Video kommen. Mehr verraten möchte sie einstweilen aber noch nicht. Das Lied ist eines von einem halben Dutzend auf ihrer Debut-EP, die sie voraussichtlich im Oktober veröffentlichen möchte. Ob sie mit ihrem neuen Projekt über sich hinauswachsen wird, bleibt noch offen – die nächsten Monate werden es zeigen!

Basislogo-Anwendungen (Abfallend+Sat 4c, 2c, 1c Positiv:

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Ich habe dort zum Beispiel meine Songs dem Manager von Katy Perry vorgespielt. SINIKKA MONTE

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READY FOR TAKE-OFF Computerspiele begeistern weltweit Millionen von Menschen. In den letzten Jahren gewann auch das Thema eSports rasant an Bedeutung. Spieler bereiten sich professionell auf Turniere vor, werden von Trainern und Managern betreut und zocken um Preisgelder in Millionenhöhe – was macht die Faszination aus?

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er Spieler rast auf einen überdimensionierten Ball zu, bugsiert ihn gezielt über die Bande nach oben und passt ihn seinem Mitspieler zu. Der lässt sein Auto hoch in die Luft steigen und lenkt das Spielgerät gezielt am Verteidiger vorbei – Tor! Die Szene stammt aus dem Computerspiel „Rocket League“, das 2015 veröffentlicht wurde und inzwischen Millionen Menschen weltweit anzieht. Das Spielprinzip ist einfach: Gemeinsam in Teams – oder allein – steuern Spieler mit ihren Autos auf einen Ball zu und versuchen ihn ins gegnerische Tor zu befördern. Seit Beginn des Spiels fester Bestandteil ist ein Ligasystem, in dem die Spieler kompetitiv gegeneinander antreten. Während es in der ersten Saison 2016 noch um insgesamt „nur“ 55.000 Dollar Preisgeld ging, geht es in der gerade

CASTER. Andreas Brandl kommentiert die A1eSports League. 68

laufenden zehnten Saison um gesamt etwa 1.000.000 Million Dollar. Mit Maurice Weihs, oder „Yukeo“, wie er im Spiel heißt, ist auch ein Niederösterreicher vorne dabei. Seit Anfang 2019 spielt er in einem der besten Teams des Spiels und konnte bisher etwa 120.000 Dollar Preisgeld gewinnen. Stundenlange Trainings, Interaktion mit den Fans und das Managen von Sponsorendeals und Presseanfragen prägen den Alltag und gleichen das Leben von eSportlern inzwischen dem klassischer Sportler an. League of Legends Rocket League ist dabei nur ein kleiner Teil des eSports-Universums. Sowohl was die Zuseher als auch die Preisgelder angeht rangiert das Spiel hinter Titeln wie „Counter Strike“, „Dota“ oder „League of Legends (LoL)“. Mit letzterem hat Andreas „Elijah“ Brandl Erfahrung. Der 24-Jährige kommt aus St. Pölten Umgebung, ist mit Sport aufgewachsen und hat bereits früh auch mit dem Computerspielen begonnen. Mit 17 hat er dann angefangen LoL auf kompetitiverem Niveau zu spielen. „Irgendwann habe ich statt Fußball und Tennis eSports spannender gefunden, ich habe bei Turnieren zugesehen und dann auch selbst gespielt.“ Nachdem er sich in der Online-Rangliste nach oben gespielt hatte, schloss er

sich mit Freunden zum Team zusammen. Zweimal konnten sie die österreichische Staatsmeisterschaft gewinnen. Die Rahmenbedingungen haben sich seitdem rasant weiterentwickelt, auch wenn die Szene in Österreich international gesehen überschaubar ist. „Internationale Wettkämpfe kann man mit jenen in Österreich nicht wirklich vergleichen. Erstens machen die Spieler dort teilweise Millionen, zweitens ist das Niveau noch mal ein ganz anderes“, führt Brandl aus. Professionell spielt er heute nicht mehr, dafür ist der Lehramtsstudent nebenberuflich als „Caster“ für die A1 eSports League im Einsatz und kommentiert dort die heimische LoL-Liga. Professionalisierung Mit der Gründung der Liga 2017 hat sich A1 zu einer treibenden Kraft in der heimischen eSports Landschaft entwickelt. In verschiedenen Spielen messen sich dort Spieler das ganze Jahr über online. Die Finali


TEXT: SASCHA HAROLD | FOTOS: ESVOE, ANDREAS TISCHLER, MATTHIAS HESCHL

MILLIONEN BUSINESS. eSports boomen. International wird teils um Preisgeld in Millionenhöhe gespielt

plan-B übernommen und jetzt ist das Ziel zunächst: Back to former Glory!“, erzählt Daniel Neumann, Head of Content bei plan-B. Organisiert ist plan-B derzeit als Verein, die Mitglieder engagieren sich allesamt ehrenamtlich. Familiärer Umgang wird großgeschrieben, einerseits im Management untereinander, andererseits im Umgang mit den Spielern, die unter Vertrag genommen werden. eSports selbst, so Neumann, sei in Österreich schon einmal größer gewesen als heute, auch wenn in den letzten Jahren eine neue Professionalisierungswelle eingesetzt hat. Für plan-B selbst ist mittel- bis langfristig auch die Firmengründung ein Ziel: „Weg vom Vereinswesen hin zu einer Firma ist auf jeden Fall ein Ziel, das uns wichtig ist. Noch ist eSports in Österreich aber ein Hobbyprojekt, nur eine Handvoll Leute können derzeit davon leben.“ werden dann üblicherweise offline ausgetragen – 2019 beispielsweise an zwei Tagen vor über 1.000 Besuchern im Wiener Gasometer. Anders als beim klassischen Sport ist man als Organisator einer Liga allerdings stark von den jeweiligen Publishern, also den Vertreibern der Spiele, abhängig. „Publisher haben im eSport sehr hohen Einfluss. Sie können etwa Regeln ändern oder auch Übertragungsrechte limitieren“, so Brandl. Bei LoL hat die Änderung bei den Übertragungsrechten dazu geführt, dass die ehemalige Liga zu einem Cup adaptiert wurde. Der Professionalisierung hat dies keinen Abbruch getan, wie Brandl konstatiert. „In Österreich hat sich einiges getan, viele Organisationen sind entstanden. Als ich begonnen habe, war ich

gleichzeitig Spieler und Manager unseres Teams. Heute gibt es Sponsoren, es steigen immer mehr große Unternehmen ein und die Ligen und Teams professionalisieren sich.“ Back to Glory Eines dieser österreichischen eSports-Teams ist plan-B. Die Wiener eSports-Organisation wurde bereits 1996 ins Leben gerufen. Anfang der 2000er-Jahre, als das Thema eSports bereits einen ersten Höhenflug in Österreich hatte, war die Organisation besonders im Spiel „Counter Strike“ im europäischen Spitzenfeld vertreten. Nachdem plan-B dann ab Mitte der 2000er in eher kleinerem Rahmen aktiv war, will der Verein jetzt zurück an die Spitze. „2017 hat unser Obmann Josef Pfemeter

Irgendwann habe ich statt Fußball und Tennis eSports spannender gefunden. ANDREAS „ELIJAH“ BRANDL

Interessen vertreten Teil der Professionalisierung ist der Zusammenschluss in Interessensvertretungen. Wenn es um eSports geht ist der eSport Verband Österreich (ESVÖ) erster Ansprechpartner. 2007 hat sich die Organisation gegründet, was für die Szene ein stolzes Alter ist: „Wir sind als österreichischer Verband einer der ältesten der Welt. Im Jahr 2008 haben wir dann auch den internationalen eSports Verband mitbegründet und jetzt 2020 auch den europäischen“, führt Manuel Haselberger, Pressesprecher beim ESVÖ, aus. Das Aufgabenfeld hat sich seit der Gründung geändert. Damals lag der Fokus noch vor allem auf organisatorischen Aspekten, wie der Ausrichtung von LAN-Partys und anderen Events. Heute geht der ESVÖ von etwa 50.000 registrierten eSportlern in Österreich aus. Darunter fallen Personen, die bei Turnieren oder Ligen mitgemacht haben und sich kompetitiv im Bereich eSports gemessen haben. „Wir gehen derzeit MFG 09 20

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READY FOR TAKE-OFF

PUBLIKUMSMAGNET. Zur Game City (l) strömten 5.000 Besucher. Zu den A1 eSports League Finals (u.) rund 1.000.

Sportlerinnen und Sportler gut genug sind, um auf internationale Bewerbe zu fahren. Ähnlich ist es bei eSports. Es braucht die grundsätzliche strukturelle Arbeit in Österreich.“ Künftig will der Verband weiterhin Schwerpunkte wie Schiedsrichterausbildungen, Vereinsgründungen oder das Thema Jugendschutz setzen. Ein Fixtermin ist außerdem jedes Jahr die Wiener „GameCity“, an deren Gründung der Verband beteiligt war.

Wir sind als österreichischer Verband einer der ältesten der Welt. Grundsätzlich. MANUEL HASELBERGER

davon aus, dass sich etwa 300.000 Menschen in Österreich für das Thema eSports interessieren. Das heißt Übertragungen konsumieren oder selbst aktiv spielen“, fasst Haselberger zusammen. Mitglieder sind im ESVÖ nicht die Spieler selbst, sondern Vereine und Teams – derzeit etwa 25 in ganz Österreich. Neben der Interessensvertretung seiner Mitglieder ist der Verband auch erste Anlaufstelle für Politik, Medien und Wirtschaft. „Unsere primäre Aufgabe ist es nicht, Events und Ligen zu veranstalten – das machen die Mitglieder selbst – sondern einen fruchtbaren Nährboden in Österreich zu schaffen“, so Haselberger. Steil bergauf In den letzten drei bis vier Jahren erlebt die eSports-Szene in Österreich neuen Aufwind. Von einem „zweiten Frühling“ spricht Haselberger: „Vor fast vier Jahren sind die ersten größeren Turniere wieder auf heimischen Boden gekommen. Das war 70

einerseits der Start der eBundesliga, andererseits auch der A1 eSports League sowie des medialen Interesses, das damit einhergegangen ist. Das war sicher ein großer Treiber für die heimische eSports Landschaft.“ Während nationale Grenzen gerade bei Online-Spielen weitgehend ihre Bedeutung verlieren, will der ESVÖ dem mit guter Verbandsarbeit begegnen. Dass es weiterhin lokale Aufbauarbeit braucht, davon ist Haselberger überzeugt: „Ich vergleiche eSports ganz gerne mit Sport. Auch dort gibt es genauso nationale wie internationale Bewerbe. Zuerst brauche ich nationale Bewerbe bis die

Spiele-Mekka Die Gamecity hat zum ersten Mal 2007 stattgefunden. Zu einem Zeitpunkt, als in den Medien gerade viel von „Killerspielen“ die Rede war, wollte die Stadt Wien auf Aufklärung setzen und initiierte die Veranstaltung. Die Eventagentur Mice and Men ist seitdem für die Umsetzung verantwortlich. „Die Branche ist stetig am Wachsen. Nimmt man die ganze Gaming Industrie her, ist das größer als Hollywood, da ist unglaublich viel dahinter und jetzt seit mittlerweile zwei, drei Jahren merkt man, dass eSports gerade in der Gesellschaft ankommt“, erläutert Tarek Sharif, Agenturleiter bei Mice and Men. Welche Dimensionen das Thema mittlerweile angenommen hat, konnte man bei der letzten GameCity 2018 beobachten, als auf dem Wiener Rathausplatz das größte Offline-Turnier im gesamten DACHRaum mit 5.000 Teilnehmern stattgefunden hat. Heuer wird das Event aufgrund von COVID-19 erstmals seit 14 Jahren ausfallen – auch viele eSports Turniere verlagern Finalspiele in den virtuellen Raum. Generell hat die Gaming Branche aber bisher von der Krise profitiert. Gerade während des Lockdowns im März verzeichneten Vertriebs-Plattformen wie Steam Rekordzugriffe. Das Thema eSports gewinnt jedenfalls auch in Zeiten wie diesen weiter an Bedeutung.


FOTOS: DANIEL WAGNER, MATTHIAS KÖSTLER

U F G -T E A M 2021 I N D E R PA D E L- B U N D E S L I G A

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ank generöser Hilfe durch den benachbarten Tennisklub UETV (gemeinsamer Standort, Parkplätze, Homepage, Online-Reservierungsystem uvm.) hat sich der Padeltennisklub UFG St. Pölten schnell etabliert. Mit Stefan Roman Sturzeis, Jürgen Mayer, Korntheuer haben Kapitän Markus Wagner, Michael sie ein und denselben Weinberger und hockend Roland Benkö und Michael Hubmayr. Präsidenten, dessen Gattin Aline sitzt ebenso in beiden Vorständen. Angeführt von den Ranglistenspielern Markus „el mago“ Wagner und Michael „el latigo“ Hubmayr, die früher Tennis-Kreisliga für den UETV spielten, schafften die UFG-Padler bei ihrem ersten Turnier in der 2. Bundesliga im Wiener Prater den 3. Platz und den Aufstieg. „Das war für uns alle schon sehr überraschend“, freut sich Wagner.

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DIE DIS C GOLF -W ELT IS T EINE S C HEIBE

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enn es Roman fuchst, dass sein „Blizzard Champion Destroyer“ nicht abgeht, Lisa gekonnt puttet und Stanislaus mit seiner „Innova Mamba“ von Abschlag 3 Loch 4 attackiert, dann sind sie auf der St. Pöltner Discgolfanlage. Die Spielgemeinde wächst, die sich mit Frisbee-ähnlichen Scheiben auf der 18-Loch-Anlage mit Start und Ziel beim Lions-Steg vergnügt. Wie beim Golf sind die Bahnen theoretisch mit drei (Par 3) bis fünf (Par 5) Würfen zu bewältigen. Die Discs gibt es ab 10 Euro. Zentraleuropameister Stanislaus Amann (aus Auern bei Pyhra) ist stets mit einem Rucksack voller Scheiben unterwegs. Montags bietet der „STP Discgolf“-Verein bei Schönwetter ab 17 Uhr Schnupperstunden an.

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JOCHEN FALLMAN

„MANCHMAL MUSS MAN EINEN UMWEG GEHEN, UM WEITER ZU KOMMEN!“ Er gilt als eines der größten Trainer-Talente Österreichs. Obwohl er sich als Chefcoach sieht, hat er beim Angebot Co-Trainer beim Traditionsklub Austria Wien zu sein, nicht lange gezögert. Auch, weil Peter Stöger angerufen hat.

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ie „Fallmänner“ aus Radlberg bei St. Pölten sind seit jeher fußballverrückt. Opa Leopold (72) war jahrzehntelang als Funktionär für den ASV Radlberg tätig und ist nun Schiedsrichterbetreuer beim SKN St. Pölten. Papa Jochen (41) kickte den Großteil seiner SpielerKarriere für die „Wölfe“ und meisterte beim SKN auch verschiedene Betreuer-Jobs. Tobias (21) steht beim USV Langenlois im Tor. Pascal (16) ist bei Rapid unter Vertrag, kickt aktuell bei den Amateuren in der zweiten Liga und im österreichischen U17-Nationalteam. Jochen Fallmann gilt hierzulande als eines der größten Trainertalente. Er bewahrte den SKN im Frühjahr 2015 als Chefcoach mit 21 Punkten aus elf Spielen vor dem Abstieg in die Regionalliga Ost. 2017 schaffte er mit den Wölfen den Klassenerhalt in der Bundesliga, verließ dann den Klub, weil die Zusammenarbeit mit Sportdirektor Markus Schupp nicht passte. Vergangene Saison feierte er mit Zweitligist SKU Amstetten mit Platz fünf und dem Einzug ins ÖFB-Cup-Viertelfinale die erfolgreichste Saison der Klubgeschichte. Obendrein schafften mehrere seiner Spieler den Sprung vom „Ausbildungsverein“ zu Profiklubs in die Bundesliga. Just als sich Fallmann mit seiner Gattin nach der (dank Corona ewig langen) Rekordsaison ein paar Tage in Kärnten entspannen wollte, rief Peter Stöger an. 72

PENDLER. Fallmann pendelt täglich nach Wien-Favoriten zu den Trainings der AustriaProfis. Gemeinsam mit Gerhard Fellner plant er die Einheiten.

Sie waren bei Amstetten Chefcoach mit weitreichenden Kompetenzen, einem tollen Lauf und hatten noch ein Jahr Vertrag. Warum sind Sie jetzt wieder „nur“ Assistent? Weil ich wissen möchte, wie bei einem großen Klub in Österreich das Innenleben ausschaut. Außerdem ist Peter Stöger, den ich schon sehr lange kenne und weiß, wie er arbeitet, einer der renommiertesten Trainer in Österreich. Für mich ist er an einer Stelle zu nennen mit Persönlichkeiten wie Oliver Glasner oder Adi Hütter. (Anm.: Trainer von VfL Wolfsburg bzw. Eintracht Frankfurt) Er hat sich sehr um mich

bemüht. Ich denke, dass die Arbeit für mich sehr befruchtend sein kann. Es ist auch eine persönliche Sache. Ich möchte mich weiterentwickeln und brauche einerseits eine gewisse Bestätigung für meine Arbeit und andererseits auch den einen oder anderen neuen Input. Wie haben Sie Ihre Entscheidung Austrianer zu werden Ihrem jüngeren Sohn beigebracht? (lacht) Zuerst habe ich alles mit meiner Frau besprochen. Für mich war sofort klar, dass ich das gerne machen möchte. Dann ist alles ruck zuck gegangen. Als die Entscheidung festgestanden ist, habe ich es beiden


TEXT: THOMAS SCHÖPF | FOTOS: FK AUSTRIA WIEN

Jungs erklärt. Der eine hat sich sehr gefreut und ja, der andere (schwenkt den Kopf) hat halt gemeint: „Papa, wenn das deine Entscheidung ist, dann stehe ich auch dahinter. Aber i bleib’ a Rapidler!“ Co-Trainer waren Sie beim SKN ja schon einmal unter Karl Daxbacher und auch Jugend-Trainer. Ja. Ich würde jedem Trainer, der anfängt, empfehlen, erst einmal im Nachwuchs zu arbeiten. Das ist eine sehr ehrliche Arbeit, vor allem das Feedback der Kinder. Und man kann sich selbst ein wenig ausprobieren, bevor man in den Erwachsenen-Fußball einsteigt. Beim Karl habe ich es genossen assistieren zu dürfen. Karl ist natürlich ein ganz anderer Typ als Peter und auch das Aufgabengebiet ist jetzt anders. Peter ist ja auch der Generalmanager Sport bei der Austria und wir sind, wenn ich unseren Fitnesstrainer (Gerald Linshalm, Anm.) und Tormanntrainer (Alexander Bade, auch Sport-Koordinator, Anm.) dazu zähle, vier Assistenten. Und Peter sagt uns immer, dass wir uns „austoben“ dürfen. Wie sieht das konkret aus? Gerhard Fellner und ich planen und leiten das Training, coachen, und Peter steigt punktuell ein. Es gibt Trainings, wo er relativ wenig sagt, und es gibt Einheiten, wo er alle zusammenholt und sagt, was ihm wichtig ist, oder was ihm aufgefallen ist. Er führt viele Einzelgespräche mit Spielern und kann sich so selbst auch ein besseres Gesamtbild machen. Auch die Gegnerbesprechung machen wir gemeinsam und die Aufarbeitung des eigenen Spiels. Gerhard Fellner kennen Sie ja auch schon länger. Ja, bei der Admira und beim LASK haben wir gemeinsam gespielt.

Später war er unter Alfred Tatar Assistenztrainer bei der Vienna und ich Spieler. Als ich Cheftrainer bei den SKN-Profis war, habe ich Sportdirektor Frenkie Schinkels den Tipp gegeben, er möge vielleicht den Gerhard Fellner für die Juniors holen. Da haben wir dann auch gut zusammengearbeitet. Sportlich und menschlich weiß jeder, wie der andere tickt. Das ist ein großer Vorteil, Neid gibt es bei uns nicht, keiner ist höhergestellt, jeder hat seinen Stellenwert. Das ist auch vom Peter gleich ganz klar so vermittelt worden. Überhaupt haben wir eine sehr flache Hierarchie bei der Austria. Die ersten Wochen waren richtig stimmig. Die letzte Saison der Austria war durchwachsen. Spürt man das im Klub? Wir haben uns vorgenommen, nicht zurück zu schauen. Die Unzufriedenheit im Klub ist natürlich schon zu spüren. Die Ergebnisse haben ja schon länger nicht gepasst. Mit den Fans habe ich leider aufgrund der Covid-Situation noch keinen Kontakt gehabt. Das geht uns allen sehr ab. Vom Peter weiß ich aber, dass sie sehr unzufrieden sind. Inwiefern behindert die CovidSituation die tägliche Arbeit? Die Einschränkungen sind schon immens. Jeden Tag kann eine andere Situation entstehen. Wir sind ja alle in der sogenannten „roten Gruppe“, werden also ständig getestet. Wir versuchen halt zu vermeiden, dass wir uns nach tollen Aktionen umarmen, oder gar küssen (lacht), geben uns auch nicht die Hände. Wir Trainer sind im Büro dann immer extrem vorsichtig und halten noch extra Abstand. Wenn wir am Spielfeld sind, geht es aber voll zur Sache – bei den Jungs und bei uns Trainern.

„Neid gibt es bei uns nicht. Wir haben eine sehr flache Hierarchie bei der Austria.“ JOCHEN FALLMANN

IM ELEMENT. Fallman bei einer der ersten Trainingseinheiten. Wissen Sie, was am 23. November ansteht? Wahrscheinlich das erste Wiener Derby. Oder? Nein, das Duell mit dem SKN. (lacht) Asso. Da sehen Sie, wie weit ich schon weg bin vom SKN. Dass der SKN für mich ein besonderer Verein ist, ist kein Geheimnis. Ein SKN-Sympathisant werde ich immer bleiben, egal was für Personen dort arbeiten und wie lange ich weg bin. Da geht es um den Verein, der wird immer einen besonderen Stellenwert für mich haben. Ein spezielles Duell ist das für mich aber nicht. Dahingehend habe ich keine Motivation. Wo sehen Sie sich in 5 Jahren? (denkt länger nach) Da habe ich wahrscheinlich schon wieder drei Stationen hinter mir (lacht). Ein Karriereplan macht natürlich selbst im Fußball Sinn. Aber es ist schon oft so, dass man vielleicht einen Schritt zurück machen muss oder einen Umweg geht, um letztlich wieder weiter zu kommen. Spezielles Ziel habe ich nicht. Neben meiner Familie ist der Fußball meine große Passion, da möchte ich einfach glücklich bleiben. Irgendwann will ich im Ausland arbeiten. Aber gerade da kann man überhaupt nicht sagen, wann das passiert. In fünf Jahren? Vielleicht ja schon in zwei. Wer weiß? MFG 09 20

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ZUM HÖREN Manshee | mikeSnare | Thomas Fröhlich | Dr. Schramek | Rob.STP | Dr. Ray B. (von links nach rechts)

BIFFY CLYROV

Auf dem neuen Longplayer vermischen die Schotten eingängige Melodien, einschmeichelnde Harmonien, nicht zu aufdringliche Prog-Elemente und immer wieder fette Orchesterbegleitungen zu einem kraftvoll produzierten Mainstream-Rock-Cocktail, der von zwei tiefgehenden Balladen ausgebremst wird. Mit „A Celebration Of Endings“ hat das Trio ein facettenreiches Bubblegum-FeelGood-Album auf die Welt gebracht.

ONE WORLD BILLY OCEAN

CHICAGO WAVES

CARLOS NIÑO, MIGUEL ATWOOD-FERGUSON

Ende der 1970er erschuf Brian Eno ein Genre, das bloßes Hintergrundgedudel auf ein neues Niveau anheben und als anspruchsvolle funktionelle Musik neu definieren würde – „Ambient Music“. Aus diesem, so schwer zu besiedelnden Terrain zwischen Gefälligkeit und Anspruch, lassen zwei US-Multiinstrumentalisten ihre „Chicago Waves“ losrollen. Was dabei herauskommt, ist phENOmenal; pure Magie.

LOSE CONTROL LP FOURWARD

Billy Ocean war in den 80ern eine große Nummer. Nach Millionenverkäufen zog er sich aber bereits 1989 aus dem Showbusiness zurück „weil das eigentliche Leben an mir vorbeizog.“ Erst als die Kinder rausgewurschtelt waren, zog es ihn Ende der 2000er zurück zur Musik, und nun hat er mit „One World“ sein erstes Album seit zehn Jahren vorgelegt: Viel R&B, Soul, Calypso, Pop – die 80er lassen grüßen.

Straight outta Lower Austria sind Fourward wieder im internationalen Rampenlicht mit einem neuen Album. Nach einigen Wanderjahren zwischen Shogun Audio und Eatbrain Records sind die Jungs nun bei Elevate gesigned; und auch, so klingt es, soundmäßig angekommen. Es werden wie gewohnt knarzige Drums serviert, witzig verspielt und durcharrangiert, mit einer Prise mehr UK Rave Sound als in den letzten Jahren.

WHOOSH!

DEEP PURPLE

Die nach Eigendefinition „lauteste Jazzband der Welt“ meldet sich zurück. Und wie! Klassischer schnörkelloser Hardrock trifft auf unbändige Experimentier- und Spielfreude, die bei Psychedelic, Prog und – ja – Country & Western anklopft. Plus ein Remake ihrer allerersten Songs „And the Address“ aus 1969! Abwechslungsreich, mit tollen Lyrics und sanftem Pop-Appeal versehen: ein ausgesprochen junges Alterswerk.

HAZELMOUSE PATRICK RAUCH

Lange hat es gedauert, doch jetzt ist sie da, die „Hazelmouse“. Etwa zwei Jahre nach dem Erscheinen einer grandiosen EP folgt nun das langerwartete Debütalbum von Patrick Rauch. Mit den Musikern Gerald Schaffhauser und Johannes Forstreiter, mit denen er seit seiner Jugend immer wieder gemeinsam auf der Bühne steht, kredenzt er elf Songs von ruhig bis krachend, die alle möglichen Facetten der Rockmusik abdecken.

ZUM SCHAUEN

ZUM SPIELEN

ZUM LESEN

Manshee | C. Schuhmacher

Christoph Schipp

H. Fahrngruber | M. Müllner

TENET

FALL GUYS: ULTIMATE KNOCKOUT MEDIATONIC

PHILIPPE LANCON

Ein CIA-Agent wird nach einem Einsatz bei einem Terroranschlag enttarnt. Selbst unter Folter weigert er sich, seine Kollegen zu verraten und nimmt sich selbst das Leben – oder glaubt das zumindest. In Wahrheit hat er einen Test bestanden und dadurch Zugang zu einer geheimen Organisation gewonnen, die versucht, den Dritten Weltkrieg zu verhindern.

Bei „Fall Guys: Ultimate Knockout“ trifft Battle-Royaler-Wahnsinn auf witzige Minispiele und ist zweifellos der Überraschungs-Hit des Jahres. Die derzeit verfügbaren Level bieten angenehm gewaltfreie, dafür humorvolle Action. Bei dem bunten Treiben auf der Spielfläche mit 60 hüpfenden „Blobs“ bleibt nur selten ein Auge trocken.

Lancon hat das Attentat auf Charlie Hebdo überlebt. Sein Überlebenskampf beginnt, als er zwischen den Leichen seiner Kollegen wieder zu Bewusstsein kommt. Zur Rekonstruktion seines Gesichts – ein Fetzen wird transplantiert – verbringt er lange Zeit in Krankenhäusern. Literarisch eindrucksvoll schildert er sein „neues“ Leben zwischen Ohnmacht und Hoffnung.

CHRISTOPHER NOLAN

DER FETZEN

JOSH BOONE

SLIGHTLY MAD STUDIOS

PROJECT CARS 3

CORONA. CHRONOLOGIE EINER ...

Und es gibt ihn doch! Mehr als drei Jahre hat es vom ersten Trailer zum Kinostart gebraucht, jetzt kommt der neue X-Men-Film „New Mutants“ endlich in die Kinos. Eine Gruppe junger Teenager findet sich dabei in einer Klinik wieder und dem Personal dort liegt die Gesundheit der Jugendlichen weniger am Herzen als deren Superkräfte.

„Project CARS 3“ ist definitiv ein Fortschritt gegenüber dem teils doch recht biederem und mitunter sogar etwas frustrierendem Vorgänger. Wo der zweite Teil scheiterte, setzt nun der Nachfolger an: packende Duelle um die Spitze, coole Autos, fordernde dynamische Wettereffekte und spannende Positionskämpfe. All das bietet „Project CARS 3“.

... Entgleisung. Es ist das Thema unserer Zeit und wird wohl noch etwas unser Leben prägen: Wie gehen wir mit Corona um? Wer sich kritische Aufarbeitung wünscht, dabei aber nicht bei verblödenden Verschwörungskasperln anstreifen will, der wird bei dieser Aufarbeitung durch das Addendum-Autorenteam fündig: Wegschauen, Panik-Modus, Lockerungs-Chaos.

THE NEW MUTANTS

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MICHAEL FLEISCHHACKER (HG.)

FOTOS ZVG

A CELEBRATION OF ENDINGS


HIGHLIGHT VAZ St. Pölten

THE ELVIS PRESLEY STORY

5. SEPT – 3. OKT Michele Roccotellis Malerei spiegelt sowohl die landschaftliche Atmosphäre des italienischen Südens wider als auch die optische Impression als Seelenlandschaft. Dabei bezieht er die natürlichen Vorgänge, die sich in der Landschaft und auch im erotischen Bereich abspielen, in seine Malerei mit ein. Aktuell zu bewundern in der Galerie Maringer.

19. SEPTEMBER Andy Lee Lang & Band & Singers präsentieren eine brandneue musikalische Revue zu Ehren des King of Rock‘n‘Roll, der heuer 85 Jahre alt geworden wäre. Hits aus drei Jahrzehnten wie „That´s alright Mama“, „Heartbreak Hotel“, „Are You Lonesome Tonight“ oder „Suspicious Minds“ erinnern an die große Musiklegende.

GALERIE MARINGER | AUSSTELLUNG

VAZ ST. PÖLTEN

| KONZERT

LADY SUNSHINE & MR. MOON

CHRISTOF SPÖRK

4. OKTOBER Lady Sunshine und Mister Moon kommen mit ihrem neuen Programm „Sing, Baby, Sing“ zurück auf die Bühnen. Gemeinsam mit dem Publikum gehen sie auf die Suche nach Marlene(s) Dietrich um im alten Haus von Rocky Docky herauszufinden, ob Peter und Alexander die zwei kleinen Italiener sind, oder doch nur ein schöner und ein armer Gigolo.

17. OKTOBER Oh, wie schön ist KUBA. Christof Spörk spielt und singt sich in seinem Programm gewohnt hinterfotzig ins karibische Paradies. Hier wird bissige Satire mit lateinamerikanischen Rhythmen, Klassik, Klezmer-Musik, Volksliedern und Schlagern kombiniert. Und während Spörk groovt, rockt und swingt, behandelt er nebenbei die Themen unserer Zeit.

VAZ ST. PÖLTEN

| KONZERT

BÜHNE IM HOF

| KABARETT

JUGENDKLUB 2020

HIPPOLYT & TÖCHTER

29. OKT – 1. NOV Vier Tage lang öffnet das Festspielhaus St. Pölten gemeinsam mit anderen Institutionen der Stadt seine Türen für Young Artists aus der Region. Ob Tanzwütige, Musikbesessene oder Ideenverliebte: Am Jugendklub können alle von 15 bis 25 Jahren teilnehmen, die Lust auf künstlerischen Austausch, neue Begegnungen und aufregende Erlebnisse haben.

LAUFEND Beim Höfefest im vergangenen September fielen die Künstlerinnen rund um Initiatorin Edith Haiderer das erste Mal auf: Sie bespielten als Kollektiv „Hippolyt & Töchter“ ein leeres Geschäftslokal in der Linzer Straße. Seither präsentieren Haiderer und zahlreiche Künstlerinnen ihre Werke in unterschiedlicher Zusammensetzung im öffentlichen Raum.

| WORKSHOP

LINZERSTRASSE U.A. | AUSSTELLUNG

FESTSPIELHAUS

25. – 27. Sept. 9 – 18 Uhr . VAZ Messegelände

www.wisa-messe.at KARL RITTER‘S KOMBOJANER CHRISTOPH KOLUMBUS 23. SEPTEMBER Geburtsstunde dieser unglaublichen Kombo war ein Konzert im Porgy&Bess Ende letzten Jahres. Karl Ritter, Roland Guggenbichler, Erich Buchebner und Depeche Mode Schlagzeuger Christian Eigner waren lange Zeit „Chefpartie“ vom Ostbahnkurti. Außerdem Teil der formidablen neuen Besetzung: Saxophonist Andrej Prozorov. CINEMA PARADISO

| KONZERT

3. OKTOBER Der kroatische Dramatiker Miroslav Krleža erzählt in seinem 1917 entstandenen Stück über die abenteuerliche Entdeckungsreise von Christoph Kolumbus. Rene Medvešek wird das KolumbusProjekt als beeindruckendes Oratorium und großes, formstarkes Musiktheater mit einem mehrsprachigen Ensemble auf die Bühne bringen. LANDESTHEATER

| THEATER

VAZ ST. PÖLTEN

KONZERTE | EVENTS | MESSEN | KONGRESSE

DO 08.10.20 // 20:00

THORSTEN HAVENER – DER GEDANKENLESER FR 09.10.20 // 19:30

INSIEME – DIE ITALIENISCHE NACHT FR 16.10.20 // 20:00

PRINCE TRIBUTE SHOW STARRING MARK ANTHONY Fotocredit: Sammy Hart

MICHELE ROCCOTELLI

Foto: zVg/Orion Messen

WISA MESSE – BAUEN UND WOHNEN IN NÖ 25. –  27. SEPTEMBER Bereits zum 38. Mal öffnet die WISA Messe ihre Pforten – diesmal allerdings erstmals im Herbst! Und – Corona-bedingt – in etwas kleinerer, kompakter Form. Was selbstverständlich gleich ist, sind die traditionellen Hauptthemen „Bauen und Wohnen“ – mit all ihren Facetten. Natürlich gibt’s auch andere Schwerpunkte wie E-Mobilität. Dabei präsentieren St. Pöltens Autohändler ihre brandneuen E-Modelle. Und bei der „Wunderwelt Direktvertrieb“ spiegelt der Auftritt der einzelnen Direktberater die Vielfalt an Markenprodukten und das Beratungs-Know-how im Direktvertrieb wider.

SO 01.11.20 // 14:00

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FOTOS: LUIZA PUIU, SEBASTIAN REICH

AUSSENSICHT

IST DIE ST. PÖLTNER „STADTHILFE“ GUT ANGELEGT? GEORG RENNER

Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Redakteur beim „profil“.

„St. Pölten wäre mit CoronaFörderaktion ein dankbares Studienfeld für Wirtschaftsforscher.“

„Das Problem mit dieser Geldverteilung nach dem Gießkannenprinzip.“

Ich muss mit einem kleinen Geständnis anfangen, lieber Leser – nur zwischen uns beiden, sozusagen: So sehr ich mich gegenüber Wienern angelegentlich als prototypischer Landeshauptstädter in die Bresche haue: Ich bin gar kein St. Pöltner. Ich lebe knapp hinter der Stadtgrenze im schönen Wilhelmsburg, auch wenn ich meine Schullaufbahn über in StP sozialisiert worden bin. Das könnte Ihnen natürlich egal sein, aber es erlaubt mir die Überleitung, Ihnen zu sagen, dass ich zuletzt ein wenig neidisch auf euch Hauptstädter war. Denn die Idee, die städtische Wirtschaft nach dem Lockdown anzukurbeln, indem quasi Geld flächendeckend abgeworfen wird, schien mir durchaus gut – aus Sicht der Wirtschaft aber auch aus Sicht der Bürger. Die 20-Euro-„Stadthilfe“ (lassen wir einmal die eher ins Peinliche driftende Werbung mit den Starterkabeln – immerhin habe ich sie mir gemerkt) konnte jeder St. Pöltner Haushalt (dass das mein Haus 150 Meter jenseits der Stadtgrenze nicht mehr betrifft, erklärt meinen Neid) in Anspruch nehmen, indem er der Stadt recht unkompliziert eine Rechnung von Mitte Juni bis Mitte August zukommen ließ. Die überwies dann 20 Euro zurück – ein Angebot, das rund 9.000 Mal in Anspruch genommen wurde. Das scheint mir erstens ein effizienteres Förderdesign gewesen zu sein als der Wiener GastroGutschein, der physisch fast eine Million Mal versandt worden ist. Die Missbrauchsmöglichkeiten waren geringer, der Adressatenkreis (alle Geschäfte in St. Pölten) weiter, der bürokratische Aufwand weit beherrschbarer. Ob es geholfen hat, ob es effektiver Einsatz von Steuergeld war, werden wir freilich nie wissen: Dazu müsste man messen, wie viele Einkäufe ohne diese 20 Euro gar nicht erst stattgefunden hätten – und ob nicht besonders jene Geschäfte profitiert haben, die sowieso schnell wieder auf die Beine gekommen wären (ein häufiger Makel von Förderungen). Falls ein Makroökonom gerade ein spannendes Studienfeld sucht: St. Pölten wäre ein dankbares Forschungsfeld, besonders jetzt, wo die Stadt mit einer Neuauflage der „Stadthilfe“ liebäugelt. 76

JAKOB WINTER

Der Wilhelmsburger arbeitet als Journalist bei der „Kleinen Zeitung“.

Journalisten sind üblicherweise ziemliche Deadline-Junkies. Ich selbst bin das beste Beispiel: Meinen Wiener Gastro-Gutschein habe ich noch immer nicht eingelöst. Langsam sollte ich mich aber beeilen, denn die Aktion läuft nur noch bis Ende September. Doch das schreibt sich leichter als es ist. Die Wahl des Wirts will schließlich gut überlegt sein – nicht nur aus kulinarischen Gründen. Denn ich will nicht bloß fein dinieren. Ich will, dass mein Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird, und mithelfen, dass eine Wirtin oder ein Wirt nicht zusperren muss. Genau das war die Idee des Gastro-Gutscheins: Lokale zu unterstützen, die vom Corona-Shutdown besonders hart getroffen wurden. Bloß fehlen mir für meine Entscheidung ein paar wesentliche Informationen: Wie finde ich heraus, welcher Betrieb meinen Gutschein besonders dringend braucht? Die Antwort ist unbefriedigend: nirgends. Und das ist mein Problem mit dieser Geldverteilung nach dem Gießkannenprinzip. Gemeinderäte, Landtage und der Nationalrat sind gewählt, um das Geld, das wir alle in die Gemeinschaftskasse einzahlen, vernünftig zu verteilen. Sie haben dafür auch alle Entscheidungsgrundlagen. Sie können Unternehmenshilfen, Steuerstundungen und Kredithaftungen davon abhängig machen, wie stark ein Betrieb von der Wirtschaftskrise getroffen wurde. Ich kann mich bei meiner Restaurantwahl letztlich nur von meinem Gusto leiten lassen. Für die St. Pöltner Stadthilfe (20 Euro) und den Tourismus-Gutschein der burgenländischen Landesregierung (75 Euro) gilt dasselbe wie für den Wiener Gastro-Gutschein: Erstens ist offen, ob das Geld bei den richtigen Unternehmern ankommt – und zweitens kamen viele Bürger in den Genuss eines Wertscheins, obwohl sie nicht darauf angewiesen waren. Dabei fielen mir gerade jetzt viele Empfänger ein, die solche Zuwendungen mehr verdient hätten als ich: Arbeitslose zum Beispiel. Und alle, die während der Corona-Pandemie unter erhöhtem Risiko im Supermarkt, in der Paketzustellung oder im Gesundheitssystem weitergearbeitet haben. Vielleicht verschenke ich den Gutschein ja noch im letzten Moment.


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