MFG - das Magazin / Ausgabe 65

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W E I L DA S L E B E N E I N E B Ü H N E I S T . . .


MFG EDITORIAL

JOHANNES REICHL

VON DER ZUKUNFT

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eine „kleine“ Schwester, knapp über 30, schickt mir Grüße aus Chile, wo sie gerade als Company Managerin einer Tanzgruppe auf Tournee ist und „tröstet“ mich im Endredaktions-Wahnsinn, dass sie auch gerade an ihrem „Wir leben nachhaltig“-Blog schreibt. Desirée, 27, erfolgreiche Start-up Gründerin von gatherer, meldet sich nach 30 Sekunden auf mein Mail aus Thailand zurück, und wir wickeln unser Gespräch 8.500 Kilometern voneinander entfernt ab – alles kein Problem. Lukas, 22, Mitgründer des Kultgetränks „Bärnstein“, beeindruckt mich beim Besuch in der „Bärenhöhle“ mit seinen hochphilosophischen Ansätzen zu Marken- und Produktentwicklung. Christina, 24, hackelt u. a. als Chefin vom Dienst des MFG, studiert im fernen Salzburg und ist zum Drüberstreuen Schilehrerin in Annaberg. Mein Neffe, 25, und seine Freundin Conny, 24, machen gerade ihren Master, sind zugleich aber schon voll im Berufsleben, wobei Conny „so nebenbei“ noch erfolgreich ihren Blog „Conny’s Küchlein“ betreibt, wo sie ihre Backkünste teilt. Und ich könnte noch zig weitere Beispiele aufzählen. Um es kurz zu machen: Die TwentySomethings und die Früh-30er haben allesamt etwas auf dem Kasten und versetzen mich mit ihrer Neugierde, ihrem Fleiß, ihrer Zielstrebigkeit und ihrer Begabung zur Selbstverwirkli-

chung immer wieder in Staunen. Das sind keine Hättiwari, das sind vielfach Macher & Checker. Sie sind selbstbewusste Kinder ihrer Zeit, Summe ihrer Talente und ihrer Persönlichkeit, zugleich aber – wie es auch schon Privileg meiner Generation war – „Nutznießer“ einer gesellschaftlichen Geisteshaltung, die in der Förderung der Jugend ihre Zukunft begreift. Unser Schul- und Bildungssystem ist beileibe nicht so schlecht, wie es gern gezeichnet wird – da ist schon auch ein Schuss dekadente Wahrnehmungsstörung mit im Spiel. Nichts ist selbstverständlich! Vieles aber logisch. Der Staat, also wir, sieht diese Förderung ja – weniger romantisch als vielmehr pragmatisch gesprochen – als eine Investition ins Humankapital, die in Form erhoffter Wertschöfpung, Arbeitsplätze, Innovationskraft eine Rendite für die Gesellschaft bringen soll. Auch die neue Start-up Initiative der Stadt ist ein solcher positiver Baustein. „Man ist damit direkt an den jungen Talenten und ihren Ideen dran, mit ihnen aber auch an den Zukunftsthemen. Man gestaltet die Zukunft aktiv mit“, so Mastermind Hannes Raffaseder. Zukunft … Über dem Schreiben dieser Zeilen erfahre ich, das Hans Kohn verstorben ist. Kohn war einer der ganz wenigen Juden, die nach 1945 nach St. Pölten zurückgekehrt sind. Wie anders, wie pervers war sein Staat,

in dem er aufwuchs. Ein Staat, der nicht in die Zukunft, die Förderung all seiner Bürger investierte, der nicht ihr aller Wohl und Lebensglück im Sinn hatte, sondern ihre Vertreibung und sechs millionenfache Vernichtung. Ein Wahnsinnsstaat. Ein Mörderstaat. Der Staat unserer Großeltern und Urgroßeltern – das ist nicht so weit weg von uns. Zeitlich gerade einmal 80 Jahre. Kohn und sein Cousin Hans Morgenstern, der nun der allerletzte St. Pöltner Jude ist, von einer Gemeinde, die dereinst rund 400 Mitglieder in der Stadt zählte, sind der „siebten Million“, wie es in einem Liederbuch heißt, gerade noch entronnen. Und ich frage mich, wie in einem Land wie Österreich noch 1997 ein solches Liederbuch aufgelegt werden konnte, und warum es 2018 noch in irgendwelchen Burschenschaftsbuden herumliegt? Was wäre aus mir, was wäre aus all diesen jungen, talentierten Menschen geworden. Welch perverse Vernichtung von Leben, Talent, Zukunft. Welch abartige staatliche Selbstverstümmelung. Philosoph Bernard-Henri Lévy hat im KURIER treffend formuliert: „Man wird das Böse nicht los. Man kann es eindämmen. Aber man kann es nicht – niemals – beenden.“ Aber man kann es bekämpfen, man kann es thematisieren, man kann es nicht tolerieren und man darf es nicht relativieren. Es geht hier nicht „nur“ um ein Liederbuch ...

Offenlegung nach §25 Medien-Gesetz: Medieninhaber (Verleger): NXP Veranstaltungsbetriebs GmbH, MFG - Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten. Unternehmensgegenstand: Freizeitwirtschaft, Tourismus, und Veranstaltungen. Herausgeber/Geschäftsführer: Bernard und René Voak. Grundlegende Blattlinie: Das fast unabhängige Magazin zur Förderung der Urbankultur in Niederösterreich. Redaktionsanschrift: MFG – Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten; Telefon: 02742/71400-330, Fax: 02742/71400-305; Internet: www.dasmfg.at, Email: office@dasmfg.at Chefredakteur: Johannes Reichl Chefredakteur-Stv.: Michael Müllner Chef vom Dienst: Christina Bauer Redaktionsteam: Christina Bauer, Thomas Fröhlich, Gotthard Gansch, Sascha Harold, Dominik Leitner, Michael Müllner, Michael Reibnagel, Andreas Reichebner, Thomas Schöpf, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kolumnisten: Thomas Fröhlich, Dominik Leitner, Michael Müllner, Tina Reichl, Roul Starka, Beate Steiner Kritiker: Helmuth Fahrngruber, Thomas Fröhlich, Wolfgang Hintermeier, David Meixner, Clemens Schumacher, Manuel Pernsteiner, Michael Reibnagel, Johannes Reichl, Christoph Schipp, Robert Stefan Karikatur: Andreas Reichebner Bildredaktion: Elias Kaltenberger, Matthias Köstler Cover: Lassedesignen-Fotolia.com Art Director & Layout: Mr. Shitakii Korrektur: Anne-Sophie Müllner Hersteller: NÖ Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft mbH Herstellungs- und Verlagsort: St. Pölten Verlagspostamt: 3100 St. Pölten, P.b.b. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2. Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr. Für den Inhalt bezahlter Beiträge ist der Medieninhaber nicht verantwortlich.


INHALT FÜR ODER GEGEN DIE SAU – Seite 8

START ME UP – Seite 14

VON STIFT ZU STIFT – Seite 32

SPANNENDSTER KULTURJOB – Seite 56

AN EINEM BESSEREN ORT – Seite 66

CHANCE AUF NEUANFANG – Seite 72

3 Editorial 6 In was für einer Stadt leben wir

URBAN

7 Shortcuts Urban 8 Für die Sau oder gegen sie? 14 Start me up! 18 Vom Brutkasten ins big business 20 Bärnsteinbrüder 24 Die universale Netzwerkerin 28 Alter Wein in neuen Schläuchen

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32 Von Stift zu Stift 40 Ganz vorne sein 42 Wer will mich? 46 Parkraumbewirtschaftung 48 Veni, Vidi, Vici! 52 You‘ve got a match

KULTUR

54 Shortcuts Kultur 56 Der spannendste Kulturjob 60 Eine anarchische Freude

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SPORT

72 SKN - Chance auf Neuanfang 74 Kritiken 75 Veranstaltungen 76 Außensicht 78 Karikatur

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… in der ein Lehrer trotz unzähliger rassistischer Facebook-Postings weiter unterrichten darf. Der HTLProfessor hatte 2016 sein Weltbild online präsentiert: „Volk erhebe dich“ war da auf einem brennenden Bundesadler zu lesen oder „Heute leben wir von Eurem Geld, morgen nehmen wir uns Euer Land“ als Meldung zweier verschleierter Frauen. Der studierte Historiker und FP-Gemeinderat in Neidling war dann plötzlich aus der Politik und aus den Klassenzimmern verschwunden – abgesetzt und suspendiert. Letzteres allerdings nicht wegen seiner Postings, sondern wegen vermuteter Fehler rund um die Matura. Das Verfahren gegen den Professor läuft noch – und er ist seit Beginn des Schuljahres wieder da. Wie das? Ein Lehrer darf in bestimmten Fällen wieder unterrichten, auch wenn ein Verfahren läuft, wie Fritz Lengauer, Pressesprecher des Landesschulrats bestätigt.

… in der der Amtsschimmel bisweilen noch gehörig zu wiehern versteht, wie zuletzt ein Autofahrer in der Bürgerservicestelle der Polizei in der Linzerstraße feststellen musste. Für die Auffrischung seines LKWFührerscheins brauchte er ein ärztliches Attest. Dieses darf aber nur, wie er in Erfahrung brachte, von ausgewählten Partnerärzten ausgestellt werden. So weit so gut. Wo er die Ärzteliste denn auf der Homepage finden könne? Gar nicht, da müsse er persönlich vorbeikommen. Ja, aber er brauche ja eigentlich nur einen Namen. Nein, da müsse er persönlich vorbei kommen. Aber es wird ja einen Zettel geben, den könnte man ihm ja per Mail zukommen lassen. Nein, da müsse er schon persönlich vorbeikommen. Was er sodenn auch während des Parteienverkehrs, 8-13 Uhr, tat, wo ihm in einem großen Staatsakt in ca. 2 Sekunden der ominöse Zettel ausgehändigt wurde. Bürgerservice 2018?

… in der auch Bambi & Co. ihre Schönheit vor Ort auffrischen können, weil St. Pölten schon bald zum Beauty-Hotspot wird. Denn dort, wo lange Zeit Backfisch und Fischsemmerl schöne Körper formten, formt demnächst der ästhetische Chirurg Otto Riedl schöne Menschen. Der Arzt zieht im März in das Haus Kremser Gasse 7, also in die ehemalige Fischhandlung, ein. Er bietet in den adaptierten Räumlichkeiten chirurgische Versorgung mit ästhetischen Ergebnissen an, etwa bei Krebsoperationen. Aber auch „Schönheit to go“ kann dann in STP City konsumiert werden: Der Beauty-Doc führt seine Praxis als Filiale des Wiener „Instituts für Schönheitschirurgie Dr. Aigner“. Unter dem Motto „Natürlich ist das neue Schön“ können die St. Pöltnerinnen dort zwischen Kaffeehaus und Nachmittagssprudel zum Lifting oder Sculpting oder auf ein Hyaluron-Spritzerl vorbeischauen.

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SHORTCUT URBAN KOLUMNE MICHAEL MÜLLNER

GEHT ZU TRUMP WEINEN

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ST. PÖLTEN ZÜNDET TURBO

as neue Jahr hat gleich zwei neue bemerkenswerte Wirtschaftsinitiativen der Landeshauptstadt hervorgebracht. Zum einen wurde vom Gemeinderat bereits im Jänner eine mit 100.000 Euro dotierte Start-up Förderung beschlossen (siehe ab Seite 14), weil „St. Pölten bietet beste Voraussetzungen für einen Innovations- und Start-up Standort“, wie Bürgermeister Matthias Stadler überzeugt ist. Zum anderen legt man nun mit einer Förderung für vornehmlich große Industriebetriebe nach. Hierfür werden 600.000 Euro zur Verfügung gestellt,

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die Höhe der Förderung beträgt 6.000 Euro pro zusätzlich geschaffenem Arbeitsplatz und ist mit insgesamt 200.000 Euro pro Förderungsansuchen limitiert. Voraussetzung für eine Förderzuteilung ist unter anderem, wie der Leiter der städtischen WirtschaftsserviceStelle ecopoint Christoph Schwarz erläutert, „dass durch das Vorhaben zumindest zwanzig neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Der geförderte Beschäftigtenstand muss außerdem vier Jahre beibehalten werden!“ St. Pölten zündet den Turbo.

ABSCHIED VON ANGELO

ngelo war allseits beliebt und eine gute Seele“, sagt Christoph Wagner über den überraschend verstorbenen Ihsan Asghar und spricht damit vielen aus der Seele. Als „Angelo“ verkaufte er im gleichnamigen Gassenlokal neben dem Rathaus Pizza, Falafel und Kebap, „und war für viele Jugendliche eine echt arge Rettung in der Nacht, wenn der Hunger quälte“, erinnert sich Student Thomas. Vor allem hatte Angelo immer ein Lächeln für die vorbeieilenden Passanten auf den Lippen. Blumen vorm Lokal und PostIts an den Scheiben zeugen von seiner Beliebtheit. „Er lebte von der Hand in den Mund“, weiß Wagner. Deshalb hat

der Projektleiter des Cinema Paradiso für Angelos Frau und seine drei kleinen Töchter eine Benefizveranstaltung am 24. Februar im Paradiso auf die Beine gestellt sowie ein Spendenkonto unter seinem Namen unter IBAN AT76 2025 6000 0172 2537 eingerichtet.

Seit Tagen feile ich an zwei Gedanken, kann mich aber nicht für einen entscheiden. Also serviere ich beide, nur eben ohne Zuckerwatte rundherum, dafür ist kein Platz. Wenn ich recherchiere, tauche ich tief in die Welt der Protagonisten ein, verliere mich in Details und freue mich, wenn jemand mein ehrliches Interesse an seinem Kram würdigt und mir mit Antworten weiterhilft. Ärgerlich sind die Schisser, die nur das Nötigste sagen, wenn überhaupt. Euch kann man nicht helfen. Schon klar, wir Medien sind schuld. Wir recherchieren schlampig, reißen Halbsätze aus dem Zusammenhang, gießen Öl ins Feuer und verdrehen Tatsachen. Ja, eh. Die gibt’s, die ärgern mich auch. Jetzt geht zu Trump weinen. Wenn ihr fertig seid, kommt zurück und macht euren Job. Kommuniziert offen und selbstbewusst. Fordert ein, dass „die Medien“ seriös berichten und gebt ihnen dazu auch eine Chance, anstatt euch hinter PR-Sprüchen und nichtbeantwortenden Beantwortungen zu verstecken. Es wird euer Schaden nicht sein. Diese Menschen, die gutes Geld ausgeben und wertvolle Lebenszeit absitzen, sich dann aber nicht zu blöd sind ein Konzert am Höhepunkt der Show zu verlassen! Diese Unbeschreiblichen, die während der Schlussnummer aufstehen und den Saal verlassen, sich dabei in das Blickfeld der anständigen Besucher wuchten, während diese das „Grande Finale“ genießen wollen! Ihr glaubt, ihr seid clever, weil ihr die ersten an der Garderobe oder die Schnellsten beim Verlassen des Parkplatzes seid? Ihr seid eine peinliche Respektlosigkeit. Jetzt geht zu Trump weinen.

MFG 02.18

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MFG URBAN

FÜR DIE SAU ODER GEGEN SIE? In der Nähe von St. Pölten steht ein Schweinestall. Von außen schaut er nicht anders aus, als die unzähligen Zuchten, die übers ganze Mostviertel von Dorf zu Dorf verteilt liegen. Was in den letzten Monaten oder vielleicht Jahren darin passiert sein soll, spaltet die Geister.

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erbrechen haben wir keines gemacht“, verteidigt sich Frau Hofstätter*, die gemeinsam mit ihrem Mann die Schweinezucht betreibt. „Seit 40 Jahren gehe ich zweimal täglich zu meinen Tieren, schaue nach den Ferkeln und tue nur das Beste für sie“, ist sie überzeugt. Rund 700 Schweine hält sie in ihrem Stall, auf doch eher engem Raum. Wie sie und ihr Ehemann dort mit den Tieren

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umgehen, empfindet sie als ethisch vertretbar. Trotzdem hat sie der Verein gegen Tierfabriken (VGT) mit einer Anzeige wegen Tierquälerei konfrontiert: Haltung der Schweine in 24 Stunden Dunkelheit, gesetzeswidrige Methoden bei der Kastration etc. Die Liste der Vorwürfe liest sich lang. Die Anschuldigungen des VGT stützen sich auf Aufzeichnungen, die ihm zugespielt worden seien, erklärt

Obmann David Richter: „Wir haben Video- und Bildmaterial bekommen und auf Verstöße untersucht, was gedauert hat, weil es unzählige Stunden an Aufnahmen waren.“ Mit den erhobenen Daten, für die Verwertung aufbereitet, formulierte der Verein eine Anzeige und informierte die Bezirkshauptmannschaft. Der Kontakt mit den Behörden sei laut Richter selten von beidseitiger Zusammenarbeit


TEXT: THOMAS WINKELMÜLLER | FOTOS: COUNTRYPIXEL, BIRGIT-FOTOLIA.COM

gezeichnet: „Entweder wir bekommen gefühlte Ablehnung oder einfach gar keine Rückmeldung.“ In St. Pölten sei ihnen jedenfalls nicht gerade signalisiert worden, dass man über die Anzeige glücklich ist. Als der VGT die Bezirkshauptmannschaft in Kenntnis setzte, handelte diese noch am selben Tag. „Nachdem wir die Information bekommen haben, sind wir gleich hin und haben mit Amts- und Betreuungstierarzt die Missstände behoben und alle Tiere versorgt“, erinnert sich Christian Steger, Stellvertreter von Bezirkshauptmann Josef Kronister. Mittlerweile läuft ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der Tierquälerei, bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe sieht das Gesetz vor. Ein Sachverständigengutachten wurde eingeholt, dazu können

die Betreiber nun eine Stellungnahme abgeben. Ob Anklage erhoben wird, kann die Staatsanwaltschaft noch nicht sagen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. I sogs‘ glei, i waß‘ ned Nun stellen sich einige Fragen, zum Beispiel: Wie kann es passieren, dass eine Schweinezucht vor der Nase der Bezirkshauptmannschaft so arbeitet? Dieser Thematik geht gerade auch die Volksanwaltschaft auf offizieller Ebene nach. Details dazu darf sie noch keine nennen. David Richter vom VGT sieht das Problem jedenfalls in fehlender Kontrolle, was auch strukturell bedingt scheint. Die zuständige Behörde muss, je nach Größe eines Betriebes und Ergebnissen der Vorkontrollen, auf Grundlage des mittelfristigen integrierten Kon-

trollplans des Bundes (MIK), Schweinezuchten regelmäßig kontrollieren. Dazu kommen noch Anlasskontrollen, wie zum Beispiel im aktuellen Fall im Bezirk St. Pölten Land. Laut Tiergesundheitsgesetz (TGG) ist der Amtstierarzt verpflichtet die Prüfungen stichprobenartig und ohne Ankündigung durchzuführen, geplant sind allerdings nur zwei Prozent der Zuchten im Jahr. Eine verschwindend kleine Zahl für so viele schweinehaltende Betriebe. Allein auf dem Gebiet der Landeshauptstadt St. Pölten sind es schon an die 70! Auf Nachfrage, wann besagter Stall denn das letzte Mal kontrolliert wurde, werden wir von Steger auf Amtstierarzt Peter Pusker verwiesen. Allein, Pusker darf laut eigener Aussage leider keine Auskunft geben. Eineinhalb Wochen später erklärt

Geu Schweinderl – Werbung gaukelt in Sachen Fleisch oft die heile Welt vor. Die meisten Tiere wachsen aber in Massentierhaltung auf. 2016 wurden in Österreich 5,2 Millionen Schweine geschlachtet. Europaweit waren es 257 Millionen. Pro Kopf wurden in Österreich 54,2 Kilogramm allein an Schweinefleisch verzehrt.

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MFG URBAN Bezirkshauptmann Josef Kronister: „Da gibt’s mehrere Kontrollstellen, ich kann Ihnen diese Kontrolltermine auch nicht sagen.“ Man solle sich ans Land wenden. Dort bekommen wir freilich die Information, die Kontrollen dieses Hofes müssen von der Bezirkshauptmannschaft durchgeführt werden und dementsprechend befänden sich alle notwendigen Akten dort. Kurzum – die Frage wird wie die berühmte heiße Kartoffel von einem zum anderen gereicht, obwohl die Antwort ja eigentlich nicht allzuschwer sein sollte. Den Termin der letzten Kontrolle erfahren wir trotz mehrmaliger Nachfrage nicht, jedoch merkt Bezirkshauptmann Kronister an, dass „der Amtstierarzt im Jahr 2017 zu sechs Kontrollen im Rahmen von Tierexporten vor Ort“ war. Gut betreut? Neben dem Amtstierarzt gibt es noch eine Person, die regelmäßig den Schweinestall besuchen muss: Der Betreuungstierarzt. Jeder Hof oder Betrieb ist verpflichtet bei einem Veterinärmediziner zur Betreuung gemeldet zu sein. Für die Schweinezucht der Familie Hofstätter ist Tierarzt Ferdinand Entenfellner zuständig. Er wurde mehrfach von Tierschutzorganisationen wegen Tierquälerei angezeigt, aber nie angeklagt oder verurteilt. Gleichzeitig ist er laut eigener Aussage „Experte für artgerechte Schweinehaltung“. Zeugen erzählten, in den Monaten vor dem Strafverfahren sei etwa im Zweiwochentakt ein Veterinärwagen vor dem Schweinestall gestanden. Laut Entenfellner sei er das gewesen – nichts Ungewöhnliches, eben für „Impfungen und Regeluntersuchungen“. Auch die Bezirkshauptmannschaft spricht von nahezu wöchentlichen Besuchen des Betreuungstierarztes. Das wirft einen vermeintlichen Wi-

DUNKELHAFT? Im aktuellen Fall wird den Züchtern von rund 700 Mastschweinen vom Verein gegen Tierfabriken das gesetzeswidrige Halten der Tiere in 24 Stunden Dunkelheit, gesetzeswidrige Methoden bei der Kastration etc. vorgeworfen.

derspruch auf: Nehmen wir an, die Anschuldigungen des VGT stimmen, immerhin sind sie auf Video und Bild dokumentiert, zum Teil bereits bestätigt. Müsste ein Betreuungsarzt, der zumindest im Zweiwochentakt im Betrieb anwesend ist, verbarrikadierte Fenster, zu kurz abgeschnittene oder wegen psychischen Störungen abgebissene Schwänze, Verletzungen durch gesetzeswidrige Methoden bei der Kastration, faustgroße Beulen am ganzen Körper der Tiere, tote Ferkel und so weiter nicht bemerken beziehungsweise manche Wunden der Schweine sogar selbst behandeln? „Wir waren regelmäßig in diesem Bestand drinnen und bei unseren Besuchen haben wir sicher nichts bemerkt, das nicht gepasst hätte“, verneint Entenfellner. Jetzt ist der Betreuungsarzt vom Gesetz her zwar nicht verpflichtet Anzeige zu erstatten, wenn er Verstöße vorfindet, allerdings: Es ist ihm auch nicht verboten. Bei vermeintlichen Verstößen gegen das Tiergesundheitsgesetz geht es

Verbrechen haben wir keines gemacht. Seit 40 Jahren gehe ich zweimal täglich zu meinen Tieren, schaue nach den Ferkeln und tue nur das Beste für sie. FRAU HOFSTÄTTER*

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aber nicht nur um das wer, sondern auch um das warum. Wussten es die beiden Landwirte einfach nicht besser? Frau Hofstätter ist Pensionistin, seit Jahrzehnten arbeiten sie und ihr Ehemann als Bauern. In demselben Zeitraum haben sich auch Tierschutzgesetze geändert, und neben dem Recht wurden genauso die Menschen Nutztieren gegenüber liberaler. Aber: Selbst wenn sie ohne Intention gesetzeswidrig handelten und über die Jahre möglicherweise „verrohten“ – Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Was erwartet die Angeklagten im Falle einer Verurteilung? Auf der einen Seite kann eben eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verhängt werden. Was den Betrieb der Familie Hofstätter angeht: Im Tierschutzgesetz gibt es die Bestimmung, wenn jemand vom Gericht einmal wegen Tierquälerei verurteilt wurde oder von der Verwaltungsbehörde zweimal, dann darf die Behörde ein Tierhalteverbot verhängen, sie muss aber nicht. Tierschutzombudsfrau für Niederösterreich Lucia Giefing verweist diesbezüglich auf einen Haken an der Regelung: „Das Problem, das wir immer wieder haben ist, dass sich das Verbot an eine Person richtet und nicht an einen Betrieb. Dann wird halt die Tierhaltung von jemand anderem im Haus über-


FÜR DIE SAU ODER GEGEN SIE?

nommen. Ob die Person dann noch mitarbeiten darf oder nicht, ist von Fall zu Fall verschieden, passieren wird es wohl oft.“ Die andere Frage ist, ob der Schweinemarkt und das aktuelle globale landwirtschaftliche System Bauern möglicherweise nicht geradezu zwingen, billig zu produzieren, damit aber quasi auch auf Kosten der Tiere und der Tierhaltung. Ist Bio etwa nur ein Spartenprogramm? Das glaubt Giefing so nicht, jeder Hof könne theoretisch auf einen Biobetrieb umsteigen, nur seien damit auch Änderungen verbunden, etwa in der Haltung oder im Umgang mit Futtermitteln und so weiter. Wobei die Motive, Biobauer zu werden, unterschiedliche seien: „Es wird auch Biobauern geben, die das rein des Geldes wegen machen und nicht aus Einstellungsgründen.“ Andere Wege Aus besagten ethischen Motiven heraus wirtschaftet ein Bauernhof nicht allzu weit von der in die Schlagzeilen geratenen Zucht im Bezirk St. Pölten Land. Die Bauern dort betreiben eine Abhofvermarktung, wo sie ein paar Kühe mitsamt Kälbern in Mutterkuhhaltung und einige Säue inklusive Ferkeln halten. Daneben geht ein Teil der Familie arbeiten. Um nur von der Landwirtschaft leben zu können, müssten sie den Stall

Das Problem ist, dass sich das Verbot an eine Person richtet und nicht an einen Betrieb. Dann wird halt die Tierhaltung von jemand anderem im Haus übernommen. LUCIA GIEFING, TIERSCHUTZOMBUDSFRAU FÜR NIEDERÖSTERREICH

erweitern, um mehr Tiere halten zu können, zudem Ackerbau betreiben, um die hohen Futterkosten abzudecken, so die Bäuerin: „Gehen würde es schon, viel Arbeit wäre es nur.“ Ganz gleich wie viele Tiere, für sie zählt die artgerechte Haltung: „Bevor wir selber gezüchtet haben, holten wir unsere Ferkel aus Pyhra von einem Bauern, und der ist mit den Schweinderln umgegangen, als ob sie nichts wert wären. Der hat sie uns einfach in den Wagen gefetzt. Ich glaube viele Landwirte sehen ihre Tiere nur als Objekte, so als ob bei uns ein Teil kaputt werden würde. Ganz ehrlich, für mich sind sie meine Freunde.“ Schweinebauern hätten es die letzten Jahre aber auch nicht leicht gehabt, erzählt sie. Der Ferkelpreis sei zwar jetzt wieder stabil, vor eineinhalb Jahren sei er allerdings auf einen Tiefpreis von etwa 50 Euro pro Ferkel gefallen. Nichtsdestotrotz glaubt sie, dass mittlerweile ein Wandel im Gange ist: „Immer mehr Bauern begreifen, dass sie mit Bio-Betrieben

und durch bessere Haltung der Tiere genauso gut, wenn nicht sogar besser wirtschaften können.“ Die letzte Frage stellt Frau Hofstätter mit ihren Aussagen im Interview in den Raum: Rechtfertigen Unwissen, Gier oder Gleichgültigkeit am Ende sogar einen Einbruch? „Es ist circa zehn Mal in den Stall eingestiegen worden, das scheint ja nirgends auf und das find ich nicht in Ordnung“, erklärt die Landwirtin. Sie finde es grotesk, dass „tägliches Einbrechen und das Installieren von Kameras“ legitimiert wird. Woher die Aufnahmen stammen, wisse allerdings auch der VGT nicht, zumindest behauptet er das. Wer dafür Schuld trägt, ist in diesem Fall wohl auch nicht der springende Punkt, denn die Frage sollte ganz anders gestellt werden: Ist es notwendig, dass Tierschützer zweifelhaftes oder sogar illegales Material benutzen müssen, damit Missstände in der Tierhaltung überhaupt erst aufgedeckt werden können? *Name geändert.

T I E R H A LT U N G S V E R O R D N U N G Ö S T E R R E I C H Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen 2.5 Licht – Steht den Tieren kein ständiger Zugang ins Freie zur Verfügung, müssen die Ställe, Fenster oder sonstige offene oder transparente Flächen, durch die Tageslicht einfallen kann, im Ausmaß von mindestens 3% der Stallbodenfläche aufweisen. Im Tierbereich des Stalles ist über mindestens acht Stunden pro Tag ein Lichtverstärker von mindestens 40 Lux zu erreichen. 2.10 Eingriffe – Zulässige Eingriffe sind: 3. das Kupieren des Schwanzes, wenn der Eingriff mit einem Gerät durchgeführt wird, welches scharf schneidet und gleichzeitig verödet und • der Eingriff bei Schweinen, die nicht älter als sieben Tage sind, durch eine sachkundige Person mit wirksamer Schmerzbehandlung, welche auch postoperativ wirkt, durchgeführt wird oder • der Eingriff durch einen Tierarzt nach wirksamer Betäubung

und anschließender Verwendung schmerzstillender Mittel durchgeführt wird, • höchstens die Hälfte des Schwanzes entfernt wird und • der Eingriff zur Vermeidung von weiteren Verletzungen der Tiere notwendig ist, 4. das Kastrieren männlicher Schweine, wenn der Eingriff mit einer anderen Methode als mit dem Herausreißen von Gewebe erfolgt und a) der Eingriff bei Schweinen, die nicht älter als sieben Tage sind, durch eine sachkundige Person mit wirksamer Schmerzbehandlung, welche auch postoperativ wirkt, durchgeführt wird oder b) der Eingriff durch einen Tierarzt oder einen Viehschneider, der dieses Gewerbe nach gewerberechtlichen Vorschriften ausübt nach wirksamer Betäubung und postoperativ wirksamer Schmerzbehandlung durchgeführt wird.

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ST. PÖLTNER WOHNSTRASSE AUF DER WISA Die St. Pöltner Wohnbauoffensive läuft auf Hochtouren. Um die Vielzahl der aktuellen Projekte und die Wohnbauten der Zukunft entsprechend zu bewerben, organisiert die Stadt St. Pölten im Zuge der WISA (13. bis 15. April) die St. Pöltner Wohnstraße. In den kommenden 10 Jahren werden in der niederösterreichischen Landeshauptstadt rund 6.000 neue Wohnungen im gesamten Stadtgebiet entstehen. Davon befinden sich aktuell 1.800 Wohneinheiten in Bau. Damit sich die St. PöltnerInnen und potentielle ZuzüglerInnen ausführlich über das neu entstehende Wohnungsangebot informieren können und um einen guten Einblick in die Entwicklung des St. Pöltner Immobilienmarktes zu gewinnen, veranstaltet die Stadt St. Pölten gemeinsam mit Genossenschaften, Bauträgern und Immobilienvermarktern im Zuge der WISA Messe im VAZ St. Pölten die St. Pöltner Wohnstraße. Ob junges oder betreutes Wohnen, Miet- oder Eigentumswohnungen – das Angebot ist äußerst vielfältig.

rInnen erhalten einen detaillierten Überblick über die unterschiedlichen Wohnformen. Immobilienexperten erklären vor Ort die Planungsdetails, technische Daten zu den Wohneinheiten und stellen unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten vor. Interessenten können sich vor Ort direkt für die neuen Wohnungen anmelden.

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Nicht einmal im Urlaub hat man seine Ruhe. Während es in St. Pölten dicke Flocken schneit, erreichen wir Hannes Raffaseder telefonisch an seinem Zweitwohnsitz im Kamptal, wohin sich der Medienkünstler eigentlich zum Komponieren zurückgezogen hat. Doch wir stören kurz die Muse und plauderten mit ihm in seiner Hauptfunktion als Prokurist des Hochschulmanagements an der FH St. Pölten über eine neue Initiative zur Förderung von Start-ups.

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nter diesem Claim beschloss der Gemeinderat nämlich in seiner Jännersitzung die Förderung eines unter FH-Ägide segelnden Projektes zur „Förderung von Innovation, Unternehmertum und Start-ups am Standort St. Pölten“. 100.000 Euro pro Jahr macht die Stadt dafür – zunächst auf fünf Jahre ausgelegt – locker. Wobei man das Rad sozusagen nicht komplett neu erfinden muss, sondern sich teils bestehende Strukturen an der FH zu Nutze macht. „Wir bemühen uns im Grunde genommen seit 2011 um eine Strategie des Wissenstransfers, haben diesbezüglich – vielfach auch im Zusammenspiel mit bestehenden Unternehmen – step by step Strukturen aufgebaut“, so Raffaseder. Die Relevanteste auf diesem Weg war bislang die Installierung des „Creative Pre Incubator“ gemeinsam mit dem accent Gründerservice des Landes Niederösterreich ab 2014, „der für Studierende gedacht ist, die schon konkrete Ideen und eine klare Gründungsabsicht haben.“ Rund 100 14

Studierende, oft in Dreier- und Viererteams, haben sich seit Bestehen des Incubator beworben und pitchten – ähnlich wie bei den aktuell beliebten Start-up TV-Formaten – vor einer Jury. „Drei bis vier Teams werden dann pro Jahr ausgewählt“, verrät Raffaseder, und dürfen sich dann über Support der Marke „allumfassend“ freuen. Das reicht vom Gratisbüro in der FH über Basisinfos zur Unternehmensgründung, Vernetzung mit Förderstellen und etwaigen Investoren bis hin zu gemeinsamer Ideenfindung und Weiterentwicklung des Projekts – stets unter Anleitung bzw. Support absoluter Profis. „Im Idealfall mündet das Ganze am Ende des Tages in einer konkreten Start-up-Gründung.“ Und derer hat man schon einige erfolgreich mit auf den Weg gebracht. Am bekanntesten, weil auch in der TV Show „2 Minuten 2 Millionen“ erfolgreich, war etwa die Terminfindungsapp „Gatherer“, die von den Entwicklern mittlerweile schon wieder erfolgreich weiterverkauft worden ist.


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: ALPHASPIRIT-FOTOLIA.COM, MARIO INGERLE/ZVG, MARTIN LIFKA PHOTOGRAPHY

Eine Reihe von Preisen heimste die Reise-App „citybirds“ ein, und auch „MotEx“, eine Software für einen Fahrschulsimulator, macht (Fahr)Schule.

Hier sollen alle relevanten Fäden von Gründern, Wirtschaft, Behörden, Bildungseinrichtungen, Förderstellen etc. zusammenlaufen. „Wir vergeben ja keine direkten Förderungen, aber wir wissen sozusagen, wo es welche wofür gibt. Und Next level allein der Experten-Pool an der FH oder auch der NDU Vielleicht sind es gerade diese Aushängeschilder, mögli- ist ein riesiges Know-how Biotop, von dem man profitiecherweise auch der Umstand, dass der Creative Pre Incu- ren kann – wenn ich einen kompetenten Ansprechpartner bator als best practice Modell mittlerweile auch in ande- für eine bestimmte Materie suche, stehen die Chancen nicht ren Städten wie Krems oder Wiener Neustadt vom Land schlecht, dass ich auch einen finde.“ Dann baut man nahochgezogen wird, welche die Stadt auf den Plan gerufen türlich auf bereits bestehende Kooperationen mit diversen haben. „Bürgermeister Stadler ist mit dem Wunsch an uns Bundes- und Landeseinrichtungen, wie etwa accent, tecnet, herangetreten, auf Basis unserer Erfahrungen ein Konzept RIZ etc. „im Zuge dessen wir bestehende Synergien nutzen zu entwickeln, das Innovation, Unternehmertum und Start- möchten.“ Ebenso möchte man andere Kreativschmieden ups auf möglichst breiter Basis unterstützt.“ Soll heißen, in anzapfen „etwa die höheren und mittleren Schulen, wo ja Hinkunft wird die FH nicht nur die eienorm viel passiert, oder auch die in genen Studierenden in diesem Segment den letzten Jahren entstandenen Cofördern, sondern alle kreativen und Working Spaces der Stadt.“ Diese sollen unternehmerfreudigen Köpfe der Stadt über einen Beirat eingebunden werden, mit Unternehmer- und Pioniergeist solwo es zu einem regelmäßigen Informalen das Know-how von St. Pöltens Biltions- und Erfahrungsaustausch der dungsflaggschiff fruchtbringend anzapProtagonisten kommt. Das gilt selbstHANNES RAFFASEDER fen können. „Die Förderung ist daher verständlich auch für die ansässigen Beauch keine für die Fachhochschule, sondern eine, welche die triebe – sowohl Leitbetriebe als auch Klein- und MittelbeKommune in eine neue Struktur der Unternehmensförde- triebe – die man ebenso aktiv unterstützen und „beackern“ rung investiert“, so Raffaseder. Und diese schlägt sich auf möchte. „Denn wir haben nicht nur die klassischen Start-up verschiedenen Ebenen nieder. Während das Büro in der FH Gründer im Visier, sondern wollen ebenso ein Partner für angesiedelt bleibt, „um Kräfte zu bündeln und weil es kei- bereits etablierte Betriebe sein, wo oft unglaublich viele Tanen Sinn macht, künstlich teure Doppelstrukturen zu schaf- lente und Potenziale schlummern. Diese wollen wir heben fen“, ist die Implementierung einer eigenen Start-up Koor- und erkennen helfen!“ dinatorin als organisatorischer Mastermind neu. Gefunden hat man für den Posten Melanie Ruff, „eine Kollegin, die Über den Tellerrand schon seit über einem Jahr für uns in diesem Bereich tätig Um näher an all diese potenziellen Zielgruppen heranzuist. Sie hat selbst ehemals ein erfolgreiches Start-up, ‚Ruff kommen, wird man – ebenfalls ein Novum – verschiedene Boards‘, auf die Beine gestellt, kennt also die positiven, aber öffentlichkeitswirksame Schienen hochziehen. So sind mit auch die negativen Seiten dieses Weges und bringt doch un- größeren Unternehmen sogenannte Hackertones geplant, glaublich viel Know-how und Expertise mit ein.“ Dies trifft kreative junge Menschen ab 15 Jahren will man zu einer nicht minder auf die zwei neu bestellten sogenannten Start- Innovationswoche bzw. Summerschool einladen, und eine up Botschafter zu, die bereits an der Konzeptionierung des coole Start-up Night ist ebenso geplant wie die Vergabe Projektes mitgearbeitet haben und es v. a. nach außen – und damit meint man im Fall der Fälle auch ganz außen, also international – vernetzen sollen. „Beide haben St. PöltenBande. Hannes Baumgartner hat sein Start-up aber ehemals in Wien hochgezogen, weil er damals in St. Pölten keine passenden Möglichkeiten vorfand – genau da wollen wir ansetzen, um in Hinkunft ein Start-up freundliches Umfeld bereitstellen zu können und damit auch kreative Köpfe in der Stadt zu halten.“ Baumgartner ist bestens vernetzt und u. a. im Netztwerk Austrianstart-ups vertreten. Den internationalen Touch wiederum bringt Daniel Ratziger ein, der jahrelang in England studierte und sich dort sein Studium u. a. mit seinen Start-ups finanzierte. „Auch er weiß genau, was es bedarf, um ein gutes Ökosys­tem für das Gedeihen von Start-ups zu schaffen.“ Insbesondere bedarf es dafür zuerst einmal einer guten Vernetzung, die schnelle Wege des Wissenstransfers ermöglicht. Deshalb versteht sich die Initiative auch als eine Art WIR HOM DEN BLICK IN DA ZUKUNFT. MotEx, eines von vielen erDrehscheibe, die nach einem one stop shop-Prinzip verfährt: folgreichen Start-ups aus dem Creative Pre Incubator der FH.

Die Kommune investiert damit in eine neue Struktur der Unternehmensförderung!

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START ME UP!

Start-ups gewährleisten, dass man direkt an den jungen Talenten und ihren Ideen dran ist, damit aber auch an den Zukunftsthemen. Das heißt, man gestaltet die Zukunft aktiv mit! HANNES RAFFASEDER

eines Start-up Preises bzw. eines Start-up Stipendiums für die spannendsten Ideen. Inhaltliche Einschränkungen wird es dabei nicht geben, „wenngleich sich gewisse Themenkreise zum einen aus dem Masterplan 2020 der Stadt ergeben, zum anderen durch das Bildungsangebot der vorort ansässigen Hochschulen.“ Als Beispiele nennt Raffaseder etwa bereits erfolgreich am Weg befindliche Bereiche wie Cybersecurity, Digital Healthcare oder „gerade auch im Hinblick auf die Bewerbung St. Pöltens als Europäische Kulturhauptstadt 2024 relevant, Creative & Cultural Industries. Das sind Themen, die auch national noch nicht so stark verankert sind“, was im Hinblick auf das Finden einer Nische Sinn macht, wolle man doch in Sachen Start-ups nicht mit großen Städten wie Wien, Linz oder Graz in Konkurrenz treten. „Sehr wohl wollen wir uns aber mit einem spezifischen Angebot als zusätzlicher Knoten auf der Achse Wien-Linz etablieren.“ Die Chancen dafür stünden jedenfalls gut, wie Raffaseder überzeugt ist, „nicht nur, weil ich ein ewiger Optimist bin, sondern weil St. Pölten durch seine Verkehrslage, seine positiven Standortfaktoren und das hier vorhandene Know-how gute Voraussetzungen einbringt!“ Zwar musste manch Traditionsbetrieb schließen, 16

„dafür ist in den Segmenten Bildung, Forschung, Innovation, Gesundheit, Kultur etc. viel Neues entstanden!“ Die jetzt hochgezogene Start-up Schiene sei jedenfalls das ideale Vehikel, um die möglichen Potenziale zu heben und einen raschen Wissenstransfer, eine Art coditio sine qua non, überhaupt erst zu gewährleisten. „Klassische Forschungsstätten und Universitäten können das nämlich über ihre konventionellen Strukturen heute oft nur bedingt erfüllen. Da dauert die Förderzusage für ein Forschungsprojekt vielleicht ein Jahr – da ist das Start-up aber schon wieder längst Geschichte“ … oder anderswo realisiert. Das Potenzial ist verloren, gar vernichtet, damit aber auch die Zukunfts­ chancen für den ursprünglichen Standort und der daraus resultierende Benefit. Gerade deshalb sei es in Raffaseders Augen absolut richtig, dass sich die Stadt in diesem Sektor aktiv miteinbringt. „Nicht weil es in Mode ist, ein paar klingende Start-ups – die ja oft auch aufgeblasen sind – plakativ präsentieren zu können, sondern weil Start-ups schlichtweg gewährleisten, dass man direkt an den jungen Talenten und ihren Ideen dran ist, damit aber auch an den Zukunftsthemen. Das heißt, man gestaltet die Zukunft aktiv mit – und genau das machen Start-ups!“


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VOM BRUTKASTEN INS BIG BUSINESS

Was zeichnet Start-up Gründer aus? In der Regel Innovationsgeist, Mut, Flexibilität und das Selbstverständnis von „global kids“. So wundert es wenig, dass ich nach nur zirka 30 Sekunden schon eine Antwort auf meine Mailanfrage an Desirée Zottl bekomme, was insofern bemerkenswert ist, weil sie gerade ca. 8.500 Kilometer entfernt von mir in Thailand weilt.

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esirée ist eine von drei ehemaligen FH-Studenten, die die erfolgreiche App „gatherer“ hoch zogen haben. An deren Anfang stand, wie nicht selten bei Start-ups, ein „Problem“, das es zu lösen galt: „Ich wollte damals mit sechs Freunden einen Termin für eine Fahrt zum Oktoberfest nach München finden“, erzählt Desirée, was sich aber als gar nicht so einfach herausstellte. Der eine kommunizierte über iMessage, der nächste über SMS, wieder andere vertrauten aus Sicherheitsgründen nur Telegram oder Threema und dann war da noch Whats App, damals noch in den Kinderschuhen, wo nicht jeder vertreten war. „Da kam mir der 18

Gedanke, dass das doch irgendwie einfacher gehen muss“, kurzum, dass man ein Tool erfinden müsste, das die Kommunikation zwischen den verschiedenen Kanälen vereinfacht bzw. Terminfindung abseits des „Kommunikationskanal-Chaos“, wie es Desirée nennt, ermöglicht: Die Idee zu gatherer war geboren. Anfangs v. a. für den Privatbereich gedacht, entwickelte sich die Terminfindungs-App schließlich in eine „Software as a Service“, die auch von Unternehmern nachgefragt wird. Desirée erläutert den Ansatz anhand eines Beispiels: „Ein Kinoanbieter etwa profitiert ja davon, wenn die Leute einen Termin zum Kinogehen finden.

Daher gingen wir in Richtung B2B sowie Richtung Integration eines Terminfindungsservices in bereits bestehende Apps und Websiten der Sport-, Freizeit- und Unterhaltungsindustrie.“ Davor ging es freilich noch in einen Brutkasten namens Creative Pre Incubator an der FH St. Pölten, der einen entscheidenden Schub darstellen sollte – zum einen praktisch, zum anderen aber v. a. auch emotional. „Davor war es ja eigentlich nur ein Studentenprojekt wie jedes andere auch, das eventuell in der Schublade verschwunden wäre“, erinnert sich Desirée, „aber die Workshops – von IP über Marketing bis Business Modelling – die wir im Zuge des CPI-Programms hatten, waren in der Anfangsphase sehr hilfreich.“ Nicht zuletzt spielte auch der Glaube an die jungen Erfinder eine nicht unwesentliche Rolle „weil es einfach sehr motivierend war zu sehen, dass auch andere an uns glaubten und uns unterstützten!“


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: GATHERER, ZVG

Den Sprung geschafft Der Erfolg gab jedenfalls allen recht, denn gatherer machte den Sprung zum richtigen Start-up, aus den Studenten wurden Unternehmer „wobei wir immer gesagt haben, wir gründen erst, wenn es nötig ist, und nötig haben wir so definiert: Wenn wir ein Produkt haben und Kunden dafür zahlen – oder wenn ein Investor investieren möchte.“ Dies wurde dann auch vor den Augen ganz Österreichs unter Beweis gestellt, konnte gatherer doch in der Puls4-Sendung „2 Minuten 2 Millionen“ erfolgreich pitchen, wobei Desirée den größten Benefit der Sendung v. a. im Marketingeffekt sieht. „Wann hat man schon die Möglichkeit, so viele tausende Zuseher auf einmal zu erreichen – und zwar ganz ohne Marketingbudget! Das hat auch definitiv geklappt!“ Nach Ausstrahlung der Sendung pushten weitere Medienauftritte den Bekanntheitsgrad von gatherer, bis schließlich eines Tages Eversports anklopfte, „was doch sehr überraschend für uns kam.“ Eversports ist eine Plattform für Sportanbieter, die Software sowohl für Sportstätten anbietet, als auch einen Marktplatz für Kunden, wenn diese z. B. online einen Tennisplatz reservieren möchten. „Da viele Leute Sport in der Gruppe treiben, war für Eversports ein geeignetes Terminfindungstool ein großes Thema!“ In gatherer bzw. deren Masterminds fand man die geeigneten Partner – eine klassische win-win-Situation. „Wir waren

als Techniker stark, Eversports wiederum in Wirtschaft und Vertrieb. So haben wir uns entschlossen, die Vision der einfachen Terminfindung im Sportbereich gemeinsam voran zu treiben.“ Zum Preis von gatherer, wenn man so möchte, denn die drei ehemaligen FHStudenten verkauften ihr Unternehmen an den neuen Partner. Wieviel sie dafür bekommen haben, will Desirée nicht verraten, gelohnt habe es sich aber in jedem Fall „alleine schon wegen der Erfahrung sowie der persönlichen Entwicklung, die wir durchgemacht haben.“ Und es bedeutete auch nicht das Ende von gatherer, eher das Aufgehen in der nächsten Stufe, die zwei der drei mitgingen. „Michael Kräftner und ich sind mit zu Eversports gewandert und leiten dort das Mobile Development Team. Somit ist es für uns nicht das Ende der Reise, sondern ein ganz neues spannendes Kapitel! Aleksandar Palic, unser dritter Gründer und ganz Entrepreneur, unterstützt derzeit andere Unternehmen bei neuen Ideen.“ Tipps & Fallen So machen alle ihren Weg, wie es scheint. Welche Tipps würde Desirée jenen geben, die heute erst am Anfang stehen? „Ich würde jedem raten, der an so einem Projekt arbeitet, Abkommen untereinander einfach schriftlich festzuhalten und zu unterschreiben. Auch wenn alle Freunde sind und alles super ist und jeder denkt, wir werden uns eh immer einig sein, treten fast bei jedem Start-up irgendwann Streit, Unklarheiten oder Uneinigkeiten innerhalb des Teams auf. Schlimm genug, wenn es passiert, noch schlimmer aber, wenn die Dinge dann nicht geregelt sind und das Unternehmen am Spiel steht.“ Späterhin, meist bei einer GmbH-Gründung, würde dann ohnedies alles in Gesellschaftsverträgen geregelt „aber die Zeit davor würde ich zu eigenen Schriftstücken raten.“ Zudem warnt Desirée „vor schwarzen Schafen in der Start-up Szene. Die

ERFOLG. So sehen erfolgreiche Start-up Gründer aus - das Team von gatherer! meisten sind wirklich tolle Leute, man hilft einander, tauscht sich aus. Aber es gibt auch unseriöse Angebote.“ Da helfe vor allem, sich wirklich gründlich über Programme und Investoren zu informieren, im Fall von bereits bekannten sich auch mit anderen Gründern über deren Erfahrungen auszutauschen. „Das hat uns sehr geholfen.“ Schließlich sei wichtig, so schnell wie möglich die Erfolgschancen auszuloten, um nicht leere Kilometer zu spulen. „Man sollte also so rasch wie möglich die Idee unter die Leute bringen und abtesten. Das ist wirklich sooo wichtig!“ Denn dass man eine Idee selbst großartig findet, heißt noch lange nicht, dass dies auch die potenziellen Kunden tun. Desirée empfiehlt daher „mit einer Meinungsumfrage zu starten, aber nicht nur Freunde und Familie fragen, danach Prototypen testen zu lassen etc.“ Und wie merkt man, dass das eigene Baby tatsächlich das Zeug zum potenziellen Erfolg hat? „Man hat die ersten zahlenden Kunden!“, lacht Desirée. Oder wird überhaupt gleich gekauft – gatherer hat‘s vorexerziert!

Man sollte so rasch wie möglich die Idee unter Leute bringen und abtesten. Das ist soooo wichtig! DESIRÉE ZOTTL

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BÄRNSTEINBRÜDER

Es war einmal … So beginnen alle Märchen. Und auch die Geschichte des Kultgetränks „Bärnstein“, St. Pöltens bekanntestes Aushängeschild in Sachen Start-ups, mutet wie ein solches an. Geschrieben wird es freilich nicht von den Gebrüdern Grimm, sondern von Lukas Renz und Martin Paul, den Bärnsteinbrüdern.

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as nenn‘ ich mal ein schlüssiges Hauptquartier für ein Start-up, das Lukas und Martin schlicht als „die Bärenhöhle“ bezeichnen. Die ist, wie es sich gehört, in wahrlich wildem Terrain versteckt. Es geht über holprige Straßen, über die an diesem FebruarMittag der eisige Wind gnadenlos hinwegfegt, vorbei an einem verfallenen Hindernisparcours, vermeintlich willkürlich in der Gegend herumstehenden Baggern sowie Geisterhallen. Willkommen am Areal der ehemaligen Kopalkaserne, Mariazellerstraße 180, Objekt 38. Hier haben die Bärnsteinbrüder in direkter Nachbarschaft zu den al20

ten Panzerhallen in einem verlassenen Trakt ihr Büro bezogen, während sich in der ehemaligen Lackiererei, wo dereinst die schrottreifen Panzer ein oberflächliches Facelifting erfuhren, Bärnstein-Kartons stapeln. Wobei die Kaserne in einem noch anderen Kontext aktuell ganz gut passt: Martin leistet gerade seinen Pflichtpräsenzdienst beim Österreichischen Bundesheer ab, was nicht nur die Jugend der beiden vor Augen führt, sondern einen angesichts des riesigen brachliegenden Areals hier schon von einem St. Pöltner Silicon Valley im Kleinformat träumen lässt, für das die beiden Jungunterneh-

mer die Vorhut bilden. Und was für eine … Arabic Coffee „Kempinski?“, fragt mich am Anfang des Gesprächs Lukas unvermittelt und zeigt mit Kennerblick auf meinen Kugelschreiber, der tatsächlich ein „Souvenir“ der Hotelkette ist. Womit wir auch schon unversehens in der Geschichte von Bärnstein sind. Mit sweet 17 arbeitet Lukas nämlich im Zuge seiner Ausbildung im Kempinski Hotel Bahrein. Als er eines Tages im streng islamischen Königreich einen Arabic Coffe bestellt, erlebt er, wenn man es im Nachhinein pathetisch ausdrücken möchte, eine Art geschmackliches Erweckungserlebnis. Was ihm da nämlich als Kaffee serviert wird, hat nichts mit der erwarteten schwarzen Brühe aus der österreichischen Heimat zu tun, „sondern erwies sich als eine Art grü-


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: ELIAS KALTENBERGER, THOMAS LERCH

ner Gewürztee. Wie sich herausstellte, handelte es sich um aufgegossenen grünen Rohkaffee!“ Der eigentümliche Geschmack brennt sich nachhaltig irgendwo auf Lukas Großhirnrinde ein, was etwa zwei Jahre später noch eine wichtige Rolle spielen sollte. Damals brütet nämlich gerade sein Freund aus gemeinsamen Tourismusschultagen Martin Paul, zu jener Zeit Wirt des „Vagötz‘God“ in St. Georgen, über neuen Getränkeangeboten, weil ihm aufgefallen ist, dass den Gästen im wahrsten Sinne des Wortes nach neuen Geschmackserlebnissen dürstet. Die Frage ist nur – wonach? Tja, und da poppt Lukas Erinnerung an den Arabic Coffee wieder auf und den beiden fällt es wie Schuppen von den Augen: Die Antwort heißt grüner Rohkaffee, „der hierzulande ja kaum bekannt ist und damit auch diese exotische Note mit einbringt. In Folge experimentierten wir im Lokal von Martin weiter“, und zwar solange, bis sie den „richtigen“ Geschmack gefunden haben, der auch den Gästen – die sozusagen das Privileg der Erstverkostung haben – mundet: Bärnstein ist geboren! It’s the brand, stupid Zunächst freilich noch ohne diesen Namen und Brand „wobei das BrandDevelopment ja eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt ist.“ Lukas weiß um die Macht der Marke sowie der es-

Das Brand-Development ist ja eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt! LUKAS RENZ

sentiellen Frage, wie sie aufgeladen ist. Dies entscheidet zumeist über Erfolg oder Misserfolg, Wahrnehmung oder Ignoranz, Sein oder Nichtsein. „Ich kenne zum Beispiel kaum eine Person, die Energydrinks ausschließlich wegen des Geschmackes trinkt, aber dennoch trinken es alle, weil sie damit Stärke und Punch verbinden – so als könnte man selbst, wie in der Werbung, aus einem Flugzeug stürzen, von hohen Türmen springen oder die spektakulärsten Dinge vollbringen.“ Red Bull verleiht eben Flügel, wie wir alle wissen. Im Falle von Bärnstein zäumte man das Pferd ähnlich, und doch zugleich komplett anders auf als im Fall der in Mode stehenden Energydrinks, was auch mit der Grundsubstanz des Produkts zu tun hat: Bärnstein ist nämlich nicht synthetisch, sondern da steckt nur Natur drin – vom Biokaffee aus Peru über, je nach Geschmacksrichtung, Quitten aus der Steiermark oder Dirndln aus dem Pielachtal, bis hin zum natürlichen Pasteurisierungsprozess anstelle von Chemiebomben zur

DER BÄR AUS DER FLASCHE. Bärnstein ist gerade dabei, ein völlig neues Marktsegment zu öffnen: „Wir sind eine Mischung aus Kaffee, Energydrink, Eistee und Erfrischungsgetränk!“

Haltbarmachung. Durch den natürlichen Koffeingehalt ist das Getränk aber sehr wohl ein Energieturbo, der Power unterm Schraubverschluss versteckt „aber nachhaltige und nicht kurzfristige wie beim synthetischen Koffein, das dich von 0 auf 180 pusht, genauso rasch aber wieder verpufft.“ Auch das Thema Lifestyle wird, als eine Art Getränke-Hybrid, anders bespielt: Nicht im Sinne von höher, schneller, weiter, sondern im Fokus stehen geradezu umgekehrt Genuss, Kraft und auch Gesundheit. Irgendwann kam man im Zuge des Markenentwicklungsprozess jedenfalls auf den Bären „der als Tier diese Stärke, Standhaftigkeit und Ehrlichkeit vermittelt“, umhüllt quasi vom Bernstein, „das fossile Harz, das diese Qualitäten sozusagen in der Flasche konserviert.“ Hochgezogen mit einem coolen Logo – Meister Petz Konterfei, was sonst – und einer Werbelinie, die bislang zwischen frech-witzig und klassisch die richtige Balance findet, setzte man zu einem bemerkenswerten Siegeszug an. Behind the scene Dabei war dieser hinter den Kulissen viel schwerer und holpriger als es in diversen Hochglanz-Magazinen und Berichten gern gezeichnet wird, im Übrigen nicht nur im Fall von Bärnstein, sondern von erfolgreichen Start-ups im Allgemeinen. Was dahinter nämlich v. a. steckt sind harte Arbeit, BeharrMFG 02.18

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MFG URBAN lichkeit, Risikobereitschaft sowie die Gabe, Rückschläge einzustecken und sich dennoch nicht vom Weg abbringen zu lassen. „Die erste Charge im August 2015 haben wir zum Beispiel voll auf Pump produziert“, erinnert sich Lukas an die risikoreiche Anfangszeit zurück, die wohl mit manch mulmigem Gefühl in der Magengrube einherging. Potente Start-up-Förderungen wie heute gab es vor drei Jahren noch nicht wirklich, „wir bekamen anfangs ja nicht einmal einen Überziehungsrahmen fürs Konto bei einer Bank, weil wir nicht liquid waren und somit uninteressant für das System.“ Die erste Charge verkauft sich aber rasch, was das große Potenzial von Bärnstein unterstreicht, so dass man den eingeschlagenen Weg fortsetzt und in Folge die nächsten Schritte setzen kann – einen nach dem anderen, wie es der Philosophie der beiden nach einem „nachhaltigen und organischen Wachstum“ entspricht (wenngleich das mit dem „langsam“ im Angesicht des

BÄRNSTEIN Gäbe es ein Reinheitgebot für antialkoholische Getränke, Bärnstein würde die Kriterien mit Leichtigkeit erfüllen. Tatsächlich besteht das Kultgetränk nur aus natürlichen Stoffen: Wasser, grüner Kaffee, Apfel-Quitten- oder Holunder-Dirndlsirup, Verjus. Vertrieben wird Bärnstein bislang vornehmlich in ausgewählten Gastronomiebetrieben, in St. Pölten etwa im Wellenstein, NXP Bowling, Schau.Spiel, Bäckerei Hager, Schubert, Emmi, Vinzenz Pauli; in Krems z. B. im 2Stein und Wellenspiel; in Linz im Biertempel Paul’s und in Wien etwa im Steirer Eck oder Ströck Feierabend. In Kürze ist es zudem in 50 SPAR Gourmet-Filialen gelistet. Den Sprung in die Region hat Bärnstein geschafft, nun möchte man Österreich weiter erobern, und sogar einen norwegischen und schweizerischen Ableger namens „Bärnstein nordics“ bzw. „Bärnstein Swiss“ gibt es bereits. Das Unternehmen erhielt zahlreiche Preise bis hin zur Nominierung für den Staatspreis Patent in der Kategorie „Beste Marke“. Zuletzt wurde man vom GEWINN unter die Top 100 Jungunternehmer 2017 gewählt, und im Falstaff wurde das Getränk mit 93 Punkten bewertet! Kurzum, lassen Sie es sich gut schmecken! www.baernstein.com

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BÄRENHÖHLE. Am Areal der ehemaligen Kopalkaserne haben die Jungs von Bärnstein ihr Hauptquartier aufgeschlagen. In der ehemaligen Lackiererei stapeln sich Bärnsteinkartons.

Hypes dann doch auch sehr relativ ist). Was die Jungs von Anfang an auf ihrem Weg begleitet, sind zahlreiche Auszeichnungen, wovon eine Wall of Fame im Büro eindrucksvoll Beweis ablegt. Und wenn die meisten Preise auch nur Ruhm und Ehre bedeuten, also nicht finanziell dotiert sind, so stellen sie doch im Hinblick auf die Bekanntheit und das Image der Marke einen wichtigen Turbo dar. „Allein wenn ich daran denke, dass wir in einer Falstaff-Verkostung berücksichtigt wurden, und dann auch noch 93 Punkte erhielten! Plötzlich kauften auch die sogenannten ‚Etiketten-Trinker‘ Bärnstein, einfach weil es der Falstaff empfohlen hatte“, lacht Lukas über die positive Beeinflussung. Den Jungs konnte es nur recht sein. Bärnstein, das zuvor schon cool gewesen war, wurde nun auch noch hipp. Qualität statt Masse Zugleich „kämpfte“ man aber mit den Niederungen des Alltags, nicht nur in finanzieller Hinsicht, weil man ja stets in Vorleistung gehen musste, sondern auch im Hinblick auf die Produktion an sich. „Das Know-how der Getränkeindustrie gibt es ja nirgends öffentlich abzurufen, sondern das behalten die großen, erfahrenen Konzerne klarerweise für sich“, erläutert Lukas. Kurzum, man musste die Ochsentour gehen, sprich sich „durch Try & Failure weiterentwickeln“, wobei

Lukas und Martin als Verfechter einer seriösen Fehlerkultur ohnedies davon überzeugt sind, „dass man sich nur so verbessern kann.“ Wie schafft man ein konstantes Grundprodukt mit derselben Farbgebung? Wie wird man der Trübung Herr? Welche Kaffeesorte ist die beste? Mit welchem Druck müssen die Flaschen verschlossen werden, um bestmögliche Haltbarkeit zu gewährleisten. Diese und zahlreiche weitere Fragen beschäftigten die Jungs, wobei die anfänglichen Einzelkämpfer mittlerweile auf das Know-how von drei Lebensmitteltechnologen bauen können, was ebenso ein Beleg für die Entwicklung des Unternehmens darstellt wie der Umstand, dass Bärnstein mittlerweile an zwei Standorten in Niederösterreich abgefüllt wird. Dies war im Hinblick auf die stetig steigende Nachfrage auch notwendig. Irgendwann klopfen auch die großen Einzelhandelskonzerne an. „Zu dem Zeitpunkt waren wir aber schon in der Lage, abzulehnen. Der Massenmarkt entsprach nämlich zu Beginn unserer Markenaufbau-Strategie nicht unserer Philosophie, zudem hatten wir Angst, dass die Qualität leiden könnte, und – um ehrlich zu sein – wir hätten es wohl auch nicht gestemmt.“ Heute ist man auf einen zum Unternehmen passenden Mittelweg eingeschwenkt. So steht Bärnstein Dirndl in etwa zwei Monaten bei Gourmet Spar


BÄRNSTEINBRÜDER

Das Besondere von Bärnstein ist schon auch, dass man es nicht überall bekommt. LUKAS RENZ

in den Regalen, ist also in gut 50 Filialen in Niederösterreich, Wien und Burgenland erhältlich. Dem Massenmarkt verwehrt man sich aber nach wie vor ganz bewusst und setzt dahingegen die Strategie der Präsenz in ausgewählten Gastronomiebetrieben konsequent fort. „Das macht ja schon auch das Besondere von Bärnstein aus, dass man es eben nicht überall bekommt, dass es eine gewisse Exklusivität verkörpert. Damit befriedigen wir zudem einen gewissen Jäger- & Sammlertrieb unserer Kunden“, schmunzelt Lukas, der in diesem Sinne in nächster Zeit v. a. auch vermehrt Wiener auf Jagd nach Bärnstein schicken möchte, soll heißen,

dass die Bundeshauptstadt eines der Expansionszielgebiete darstellt. Revolution am Getränkemarkt? Wo der Weg von Bärnstein – auch im übertragenen Sinne – generell noch hinführt, ja ob er bislang überhaupt als ein erfolgreicher bezeichnet werden kann, traut sich Lukas noch nicht zu sagen. „Wir haben es bei weitem noch nicht geschafft! Es kann so viel passieren. Vielleicht klagt ein Getränkeriese, was gern gewählte Verdrängungsstrategie der Großen ist, es können Fehler bei der Abfüllung passieren, so dass du eine Charge wegschmeißen musst – was dann? Oder der Geschmack der Leute könnte sich ändern – was heute in ist, kann morgen schon wieder out sein“, bemüht er sich den Ball flach zu halten. Und natürlich stimmt das alles, nur – und danach sieht es aktuell eher aus und ist den beiden absolut zu wünschen – das Pendel könnte auch weiter in die andere, die erfolgreiche

Richtung ausschlagen, zumal da gerade – wie auch Lukas intuitiv zu erahnen scheint – etwas Neues im Entstehen sein könnte. „Red Bull wusste in seinen Anfängen auch nicht, wohin die Reise geht, was man sozusagen ist, und hat dann mit dem Energydrink einen neuen Markt im Getränkesektor geschaffen. Vielleicht ist Bärnstein ja auch gerade dabei, ein neues Segment zu öffnen, das es so noch nicht gibt, denn wir sind eine Mischung aus Kaffee, Energydrink, stillem Softdrink und Erfrischungsgetränk“, sinniert Lukas, fügt dann aber bodenständig hinzu: „Jetzt müssen wir einmal das Pferd auf die Straße bringen.“ Oder genauer den Bären. Der verleiht zwar nicht Flügel, dafür zieht er seine Kraft aus seiner Erdung. Gute Voraussetzungen für einen weiten, erfolgreichen Weg der Bärnsteinbrüder sowie ein klassisches Märchen-Happyend: „Und so produzierten sie glücklich und zufrieden Bärnstein bis ans Ende ihrer Tage …“

BÄRNSTEINBRÜDER. Martin Paul (links) und Lukas Renz (rechts) haben innerhalb von nicht einmal drei Jahren „Bärnstein“ zu einer der aufstrebendsten, mit Preisen überhäuften Marken Österreichs gemacht.

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DIE UNIVERSALE

NETZWERKERIN Kompetenz, breitgefächertes Wissen, Charme und Neugier haben die Juristin Martina Amler an die Spitze der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse gebracht – und zu vielen weiteren Top-Funktionen.

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ie geb’ ich nimmer her“, bestimmte Fritz Schöggl in den 1990er-Jahren. Der damalige Leiter der Versicherungsabteilung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse erkannte schon damals, wie wertvoll Martina Amler für das Sozialversicherungsunternehmen war – und noch immer ist. Denn mittlerweile ist die 58-jährige Juristin Direktorin der NÖGKK und mittendrin im Geschehen und federführend bei Verhandlungen über die Zukunft des niederösterreichischen Krankenversicherungswesens. Begonnen hat die Krankenkassenkarriere der Martina Amler vor genau 33 Jahren, am 1. März 1985. Nach ihrem Jusstudium und dem Gerichtsjahr suchte sie eine Anstellung: „Anwältin wollte ich nicht werden, Richterinnen gab es damals genug, also schrieb ich Bewerbungen an Banken, Versicherungen, öffentliche Institutionen.“ Sie landete als Verwaltungsangestellte bei der NÖGKK, drückte zunächst Eingangsstempel auf Ansuchen, durchlief sämtlich Bereiche im Betrieb bis zu Fritz Schöggls Versicherungsabteilung. Der musste seine Mitarbeiterin dann doch hergeben, sie wurde Abteilungsleiterin der Rechtsabteilung, schließlich Direktorin. Vor einiger Zeit war Martina Amler als Generaldirektor-Stellvertreterin des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger im Gespräch. „Ich bin froh, dass daraus nichts geworden ist“, stellt die NÖGKK-Direktorin fest, denn „wie die Kasse tickt, das kenn ich wirklich.“ Und weil Martina Amler nicht nur weiß, was die Krankenkasse will, 24

sondern auch eine begabte Verhandlerin ist, die schnell das Wesentliche erkennt und die Dinge charmant auf den Punkt bringt, ist sie in vorderster Front zu finden, wenn es darum geht, das Gesundheitswesen zukunftsfit zu machen. Zum Beispiel mit dem neuen Primärversorgungskonzept als Ergänzung und Weiterentwicklung der haus­ ärztlichen Versorgung. In den Primärversorgungseinrichtungen (PVE) werden mindestens drei Allgemeinmediziner mit Physiotherapeuten, Psychotherapeuten, Diätologen, Sozialarbeitern, Hebammen und anderen nicht-medizinischen Spezialisten

„In St. Pölten haben wir noch immer Ärzte gefunden.“ MARTINA AMLER

zusammenarbeiten. Das erweiterte Leistungsangebot und die längeren Öffnungszeiten in den PVEs bringen Vorteile für die Patienten, etwa kürzere Wartezeiten und mehr Zeit für das Gespräch mit dem Arzt. Außerdem ermöglichen Team- und Fallbesprechungen bestmögliche Hilfe. Die Mediziner werden von administrativen Aufgaben entlastet und auch von Tätigkeiten, die Nicht-Mediziner erledigen: Wundversorgung, Ernährungsberatung, Prävention. „Das wird die Zukunft sein“, betont Martina Amler, denn „viele Ärzte wollen nicht mehr Einzelkämpfer sein. Zusammenarbeit ist gefragt.“ Dafür sind noch weitere Modelle angedacht, etwa Job-Sharing, oder als Nachfolger-Regelung eine Übergabe-

Praxis: Der Arzt kann einen Kollegen schon einige Zeit mitordinieren lassen, bevor er in Pension geht. Die Zusammenarbeit soll nicht nur in Ballungsräumen angeboten werden, es wird auch ein Netzwerk von Medizinern geben, die nicht an einem Ort ordinieren. „Es geht dabei um die zeitliche Versorgung“, so Amler, die ein Grundsatzpapier mit der Ärztekammer ausgehandelt hat. Das Land Niederösterreich finanziert mit, die Leistung der Ärzte wird anders als bisher honoriert. „Wir wollen weg von der Handgriffhonorierung, hin zu einer Grund- beziehungsweise Fallpauschale.“ Visiten sollen allerdings weiterhin als Einzelleistung abgegolten werden. Kein Ärztemangel, keine Zweiklassenmedizin Alle geplanten Maßnahmen sind nur realisierbar, wenn es genug Ärzte gibt, sorgt sich Martina Amler um den Nachwuchs an Allgemeinmedizinern. Welches Rezept es gegen Ärztemangel gibt? „Der Aufnahmetest beim Medizinstudium ist zunächst einmal ein Flaschenhals. Dann braucht es ein Maßnahmenbündel auf Bundes- und Landesebene. Darunter ein klinischpraktisches Jahr, das Famulieren beim praktischen Arzt, eine Lehrpraxis.“ Apropos Praxis: Die St. Pöltner Sorge, dass die Altstadt schon bald Ärzte-leer dastehen könnte, weil nach der Pensionierung von Medizinern ihre nicht behindertengerechten und nicht zeitgemäßen Praxen nicht mehr besetzt werden könnten, teilt Martina Amler nicht: „In St. Pölten haben wir noch immer Ärzte gefunden. Nachfolger müssen nicht in die selben Räumlichkeiten einziehen. Diese können außerdem behindertengerecht adaptiert werden.“ Wenn eine Planstelle frei wird, dann geht ein Schreiben


TEXT: BEATE STEINER | FOTOS: ELIAS KALTENBERGER

an den Bürgermeister mit der Bitte, einem Nachfolger bei der Suche nach neuen adäquaten Ordinationsräumlichkeiten zu helfen. Das heikle Thema Zweiklassenmedizin, klarerweise verbunden mit dem Thema Ärztemangel, ist der Krankenkassendirektorin durchaus bewusst: „Ein früherer OP- oder Untersuchungstermin für den, der zahlt, ist abzulehnen. Wir versuchen Maßnahmen zu setzen, dass das ausgeschlossen wird.“ Erst im vergangenen Jahr einigten sich Krankenkassen und Radiologen auf einen neuen Vertrag, der die Wartezeiten bei CT- und MRT-Untersuchungen verkürzen und transparenter machen wird. Der St. Pöltner Radiologe Franz Frühwald, der auch Obmann-Stellvertreter der Fachgruppe Gesundheitsbetriebe in der Wirtschaftskammer ist, lobte nach Abschluss der Verhandlungen ausdrücklich die NÖGKK mit Direktorin Martina Amler, „ohne deren Bemühung es kaum möglich gewesen wäre, eine Aufhebung der bisherigen Deckelung zu erreichen.“ Aber nicht nur schnellstmögliche Unterstützung im Krankheitsfall zählt. Besonders wichtig in einer modernen Gesundheitsversorgung sind Gesundheitsförderung und Prävention, betont die Direktorin: „Wir sind die Kasse, die dafür die meisten Mittel aufwendet, um das Gesundheitsbewusstsein zu stärken, nahe beim Menschen, mit Servicecentern, mit Veranstaltungen, die gut besucht sind.“ Und mit der MedBusterApp, in der medizinische Fragen leicht verständlich beantwortet werden und das medizinische Wissen seriös erweitert wird, mit Zusatznutzen: „Menschen mit gestärkter Gesundheitskompetenz glauben nicht alles, was sie irgendwo lesen.“

„Viele Ärzte wollen nicht mehr Einzelkämpfer sein. Zusammenarbeit ist gefragt.“ MARTINA AMLER

Wissenschaft und Netzwerke Die Kompetenz der Kassen funktioniere am besten regional, ist Martina Amler überzeugt. Daher hält sie wenig von der geplanten Zusammenlegung der Krankenkassen. „Diese wird die Herausforderungen im Gesundheitswesen nicht lösen. Dass die Primärversorgung nahe beim Menschen ist, dass Angebote regional vernetzt sind, dass MFG 02.18

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MFG URBAN der Nachwuchs bei den Gesundheitsberufen gesichert ist, dass Maßnahmen gegen psychische Belastungen, gegen Adipositas, gegen Rauchen bei Jugendlichen gefunden werden – das alles kann man regional besser lösen.“ Außerdem seien alle Gesundheitspartner, mit denen die NÖGKK kooperiere, auch länderweise organisiert, etwa die Ärztekammer und der Landesfonds: „In einer österreichischen Gebietskrankenkasse kämen wir den Gesprächspartnern abhanden.“ Im Übrigen seien Fusionen Kostentreiber: „Unsere Verwaltungskosten liegen bei rund zwei Prozent. Privatversicherungen haben bis zu zehn Prozent!“ Martina Amler beschäftigt sich nicht nur praktisch mit dem Sozialversicherungswesen, sondern auch theoretisch, etwa beim SV Wissenschaft. Das ist ein Verein, der sich wissenschaftlich mit Themen beschäftigt, die für Sozialversicherungen wichtig sind. Der Verein kooperiert dabei etwa mit der Medizin-Uni Graz und der juridischen Fakultät der Uni Salzburg, unterstützt auch Diplomanden und Dissertanten bei der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten. Außerdem organisiert der SV Wissenschaft Tagungen, Symposien und Konferenzen zu sozialen Themen. Martina Amler ist auch dabei top: Sie ist Vorsitzende des Vereins SV Wissenschaft. Auch im lokalen akademischen Bereich ist sie tätig – als Schriftführerin im Verein

KULTUR-LADY. Hautnah am Geschehen als Vize-Obfrau der Freunde der Kultur. 26

DIE UNIVERSALE NETZWERKERIN

NETZWERKERIN. Martina Amler werkt nicht nur in ihrem Büro in der NÖGKK, sie netzwerkt in vielen Bereichen des Gesundheitswesens und informiert darüber kompetent. zur Förderung der Fachhochschule St. Pölten. Mit der FH organisiert die Frau Direktor dann zusätzlich noch ein Projekt, nämlich ein Interventionskonzept für adipöse Kinder: „Das ist etwas, das nachhaltig was bringt.“ Und noch einige andere Funktionen schafft die immer bestens gelaunte und liebenswürdig-charmante St. Pöltnerin neben ihrem Direktorenjob: Sie ist Obmann-Stellvertreterin der „Freunde der Kultur St. Pölten“ und im Vorstand der Plattform St. Pölten 2020: „Als Ur-St. Pöltnerin ist mir das ein Anliegen, die Stadt voranzutreiben, etwas weiterzubringen.“ Am schnellsten und effizientesten geht es weiter, wenn Menschen und Dinge vernetzt sind. Das weiß das umtriebige und umgängliche MultiTalent, und das ist Martina Amler besonders wichtig. Sie ist nebenbei langjähriges Mitglied der „Soroptimisten“, legte während ihrer Präsidentschaft den Fokus besonders auf Frauen und Frauenrechte, wie ihr auch in ihrem Hauptjob die Förderung von Frauen besonders wichtig ist. Bei diesen vielfältigen Interessen und Aufgaben fehlt eigentlich nur mehr eine politische Karriere. Die strebt die Vielbeschäftigte derzeit aber nicht an: „Ich bin politisch interessiert, Gesundheitspolitik ist mir vom Inhaltlichen her sehr wichtig. Das Arbeiten mit Menschen bedeutet mir viel, netzwerken kann ich auch

ganz gut. Das alles hat aber nichts mit einem parteipolitischen Mandat zu tun“, bekräftigt sie. Die Mutter einer erwachsenen Tochter freut sich, dass sie ihr Interesse an Kultur jetzt verstärkt ausleben kann und nutzt das „sensationelle Angebot in der Stadt – Musik, Tanz, Schauspiel, Bildende Kunst, Kino. Alles da. Da muss ich nicht wegfahren.“ Kultur bereichert ihr Leben seit ihrer Kindheit. „Meine Eltern haben das gefördert, mein Vater war Kulturstadtrat. Als berufstätige Ehefrau und Mutter hatte ich dafür nicht so viel Zeit.“ Zeit nimmt sich Martina Amler auch für ihre Hobbys Lesen und Reisen. „Ich war immer eine Leseratte, hab mir nach der Klavierstunde in der Bibliothek Bücher ausgeborgt.“ Derzeit liegt Paulus Hochgatterers „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ auf ihrem Nachtkastl. Und fremde Länder und Kulturen und der Besuch ihrer Freunde auf anderen Erdteilen stehen auch in den nächsten Jahren auf dem Plan der Vielgereisten. Ganz nach ihrem Lebensmotto: „Nie aufhören zu lernen, neugierig bleiben“ – im kleinen St. Pölten und in der großen weiten Welt.

„Ich will nie aufhören zu lernen, will neugierig bleiben.“ MARTINA AMLER


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ALTER WEIN IN NEUEN SCHLÄUCHEN? „Und da waren sie wieder, meine drei Probleme …“, heißt es als Running Gag in „OTTO – Der Film“, die erst ganz am Ende des Streifens in einem desaströsen Happy End gelöst werden. Die St. Pöltner Version davon heißt „Und da war sie wieder, die Domplatz-Diskussion“, poppte der „Wahlkampfschlager“ von 2011 und 2016 doch in der Jännersitzung des Gemeinderates wieder gehörig auf. In alten Rollen, aber doch irgendwie unter neuen Perspektiven.

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arkus Hippman von den Grünen kann sich einen Schuss Ironie nicht verkneifen, wenn man ihn auf das Thema anspricht. „Mittlerweile höre ich immer die Melodie von der unendlichen Geschichte im Kopf, wenn ich einen Antrag zum Domplatz auf der Tagesordnung sehe. Und wenn wir dann bei diesem Punkt sind, komme ich mir vor wie in ‚Täglich grüßt das Murmeltier‘.“ Soll heißen, es dreht sich, frei nach Shakespeare, alles nach wie vor um die immer selbe Kernmaterie: „Parken oder nicht parken, das ist die Frage?“ „Das Amüsante im letzten Gemeinderat war aber, dass die SPÖ die Parkplatzthematik immer wieder heraufbeschworen hat, nicht die Opposition“, so Hippmann, der damit die bisherigen „Lager“ andeutet. SPÖ für, formulieren wir es einmal vorsichtig, so wenig Parkplätze wie möglich. ÖVP und FPÖ für so viele Parkplätze wie möglich. Die Grünen selbst dezidiert für gar keine Parkplätze, was aber auch der SPÖ als eigentliches, weil ursprünglich formuliertes Ziel nachgesagt wird. Wobei man sich da bislang geschickt hinter der vagen Begrifflichkeit „nicht autofrei“ versteckt, die großen Interpretationsspielraum zulässt, was – da seit zehn (!) Jahren keine konkreten Pläne vorgelegt werden – selbstredend zu unterschiedlichsten Spekulationen einlädt. Denn „nicht autofrei“ kann heißen, dass etwa Rettung, Taxi & Co. natürlich zufahren und „parken“ können, es heißt aber noch lange nicht, dass der Platz als klassischer „Parkplatz“ bestehen bleibt. Der Grundsatzbeschluss – der von „Multifunktionalität“ spricht – sei je-

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TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: ZOOMVP, JOSEF VORLAUFER

denfalls nach wie vor aufrecht, wie es aus dem Magistrat verlautet, nur habe sich durch St. Pöltens Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2024 nunmehr das Anforderungsprofil verschoben. Baudirektor Kurt Rameis formuliert es so: „Die bisherige Gestaltungsplanung bleibt Grundlage der weiteren Überlegungen. Auch die ‚Nutzungsfälle‘ bleiben die gleichen. Der Nutzungsfall ‚Veranstaltungen‘ bekommt aber entsprechend mehr Gewicht – und voraussichtlich mehr Investitionsvolumen.“ Rathaus-Sprecher Martin Koutny präzisiert. „Es gibt einen gültigen Gemeinderatsbeschluss, der nach wie vor gültig ist und in dem es heißt, dass möglichst viele Parkplätze erhalten bleiben sollen. An wie vielen Tagen im Jahr die Parkplätze zur Verfügung stehen, ist darin nicht geregelt. Man kann dort nicht eine Großveranstaltung durchführen und gleichzeitig darauf parken.“ Autofrei – ja, aber ... Soweit nicht neu. Neu ist freilich, dass die bisher fundamentale Ablehnung eines autofreien Domplatzes durch die ÖVP und FPÖ unter dem neuen Aspekt Kulturhauptstadt – von der freilich nicht einmal ausgemacht ist, dass St. Pölten den Zuschlag bekommt – erstmals zu bröckeln scheint. So meint etwa VP-Gemeinderat Florian Krumböck: „Der Domplatz hat für uns nach wie vor eine zentrale Bedeutung als Stellplatz für die Innenstadt. Wenn die Planungen für den Platz neu starten und von Plänen zu hören ist, den Platz ein Jahr lang gänzlich für Autos zu sperren, dann braucht es hier größere Planungen, die über die reine Platzgestaltung hinausgehen. Die neuen Planungen sind auf jeden Fall eine Möglichkeit, um miteinander über die Zukunft des Platzes, des innerstädtischen Verkehrs und des Standorts Innenstadt zu diskutieren.“ Auch Klaus Otzelberger von der FPÖ stellt nunmehr ein Junktim, sozusagen autofrei unter gewissen Bedingungen, in den Raum. „Ein autofreier Domplatz gefährdet Innenstadt-Arbeitsplätze und wird Innenstadtkunden, die derzeit am Domplatz parken, vertreiben. Ein autofreier Domplatz

ist für die FPÖ daher nur dann vorstellbar, wenn vorher eine alternative große zentrale Parkmöglichkeit geschaffen wird.“ Die aktuell am Karmeliterhof geplante neue Tiefgarage gleich neben dem Rathausplatz würde dafür allein aber nicht ausreichen. Otzelberger fordert deshalb ebenso eine Garagenlösung vom Osten her kommend. „Im Bereich Bischofsteich oder Klostergasse sind entsprechende alternative Flächen vorhanden, um die Parkplätze am Domplatz mit einer Garage zu ersetzen.“ Was Otzelberger zudem gleich in einem Aufwischen fordert, sind weitere wirtschaftsbelebende Maßnahmen für die Innenstadt, „die oft ausgestorben ist und einer Geisterstadt gleicht. Die FPÖ St. Pölten fordert im Interesse der Innenstadt daher weiters eine GratisParkmünze für zwei Stunden, dies hat sich auch in Linz bewährt, und einen kostenlosen Parknachmittag an einem frequenzschwachen Nachmittag in der Innenstadt.“ Einen solchen Gesamtansatz, das heißt eine Verschiebung der reinen Domplatz-Diskussion hin zu einer allgemeinen Debatte über Parkraumbewirtschaftung, Innenstadt-Belebung und Verkehrsströme wünscht sich auch Krumböck. „Wenn man von neuen Rahmenbedingungen spricht, dann bedeutet das aber nicht nur das Fehlen der Parkplätze am Domplatz

D O M P L AT Z I N Z A H L E N Grundsatzbeschluss: 2008 Kosten Ausgrabungen bisher: ca. 7 Millionen Euro Grabungsende: voraussichtlich 2019 Gesamtkosten Neugestaltung: „Die Endkosten werden jedenfalls ein zweistelliger Millionenbetrag sein. Wie viel genau, daran wird gearbeitet.“ (Baudirektor Kurt Rameis) Angestrebte Projektpräsentation: 2. Hälfte 2018 Innenstadtparkplätze aktuell: ca. 16.000 Fertigstellung: ?

zu kompensieren, sondern sich auch auf den gewünschten und möglichen Schwung an Besuchern und Touristen in der Landeshauptstadt einzustellen. Das aktuelle Generalverkehrskonzept sieht diesen zusätzlichen Verkehr nicht vor, weshalb wir Planungen für einen ‚Busbahnhof‘ genauso brauchen wie die Möglichkeit, Besucher am Stadtrand ‚abzufangen‘ und öffentlich in die Stadt transportieren zu können. Gleichzeitig ist natürlich auch für die St. Pöltnerinnen und St. Pöltner selbst sicherzustellen, dass gewohnte Wege, Innenstadtbesuche & Co. reibungslos durchgeführt werden können.“ MFG 02.18

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MFG URBAN

ALTER WEIN IN NEUEN SCHLÄUCHEN?

Dimmi quando, sag mir wann? Bleibt die für die angesprochenen Bürger brennendste Frage bestehen, nämlich wann der Domplatz endlich seiner neuen Bestimmung übergeben wird, und wann die diesbezüglichen Pläne endlich präsentiert werden? Martin Koutny sieht dafür nach wie vor keine Eile. „Aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen und daher zwingend erforderlichen Ausgrabungen drängt noch nicht die Zeit, die Pläne jetzt schon vorzulegen. Besser ist es, die Neugestaltung während der Grabungsarbeiten gut zu überlegen und neue Aspekte, wie die Bewerbung als Kulturhauptstadt oder den Kulturentwicklungsplan, einfließen zu lassen.“ Der Nachsatz „Ein Schnellschuss und eine frühzeitige Festlegung sind daher kontraproduktiv und würden eine optimale Lösung blockieren“, klingt fast ein bisschen – unfreiwillig – ironisch, immerhin wurde der Grundsatzbeschluss zur Neugestaltung des Domplatzes vor zehn Jahren gefällt, was eher das Bild vom Spätstart als vom Schnellschuss nahelegt und die Frage aufwirft, was wurde bislang geplant? Im Hinblick auf eine optimale Lösung unter den neuen Bedingungen hat Koutny aber natürlich absolut recht, denn für den Domplatz werden nunmehr bedeutend mehr Mittel zur Verfügung stehen als zuvor, und der Ehrgeiz der Stadt kann nur sein, eine architektonische, nachhaltige Trademark von europäischem Format zu schaffen. Kurzum: Der Domplatz könnte in einer höheren Liga mitspielen als ursprünglich finanziell möglich, was aber Markus Hippman dennoch nicht von einem Seitenhieb auf die jahrelange Mauerpolitik der SPÖ, die sich nun nolens volens als positiv entpuppen könnte, abhält. „Das Schöne für die SPÖ ist, dass sich die Unentschlossenheit und das jahrelange Nichtinformieren der anderen Parteien, Wirtschaftstreibenden und der Bevölkerung über die Pläne am

WORK IN PROGRESS. So wird der Domplatz mit Sicherheit nicht aussehen. Dieser erste Entwurf stammt aus dem Jahr 2011. Seither ist viel Wasser die Traisen hinuntergelaufen.

Domplatz hier nun bezahlt machen. Das Zauberwort heißt jetzt also Kulturhauptstadt 2024.“ Der Baudirektor hat hierfür ein passendes Bild parat. „Das Domplatzprojekt segelt jetzt unter der Flagge EU-Kulturhauptstadt-Bewerbung!“ Mit diesem Bekenntnis kommt die Politik freilich um die geforderte breite öffentliche Diskussion in Hinkunft nicht mehr umhin, denn die Kulturhauptstadt fährt nicht zuletzt auch unter der Flagge der Partizipation und Transparenz, die auch Florian Krumböck einmal mehr für die DomplatzDiskussion einfordert. „Miteinander bedeutet für uns, dass alle politischen Parteien, Vertreter der Wirtschaft und im Hinblick auf die Kulturhauptstadt auch Vertreter der Kulturwirtschaft an einem Tisch sitzen und diskutieren sollten. Unser wichtigstes Ziel ist, dass die Innenstadt ein starker Wirtschaftsstandort bleiben kann.“ Ebenso urgiert er einen konkreten Fahrplan, den man auch im letzten Gemeinderatsbeschluss nach wie vor schuldig geblieben ist. „Ein Zeitplan liegt weder im Antrag vor, noch wurde dieser im Gemeinderat auf Nachfrage der VP bekanntgegeben. Auch hier braucht es Klarheit.“ Erste Präsentationen auf Basis der Vorschläge des renommierten, mit der

Das Domplatzprojekt segelt jetzt unter EU-Kulturhauptstadt-Bewerbung! BAUDIREKTOR KURT RAMEIS

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Planung beauftragten Architekturbüros „Jabornegg & Palffy“ könnten allerdings schneller erfolgen, als man angesichts der bisherigen Zähflüssigkeit des Prozesses vermuten möchte. So liefert Baudirektor Rameis zwar kein konkretes Datum, lässt aber erstmals mit einem überraschenden Rahmen aufhorchen. „Da es heißt ‚Huhn soll nicht gackern bevor Ei hat Geburtstag‘ wird es bis zur Präsentationen noch dauern. Es geht ja auch nicht nur um Projekte, sondern auch um Finanzierung. Angestrebt wird die zweite Hälfte 2018!“ Erste bauliche Maßnahmen könnten – wider der Befürchtung, dass der Platz gar erst 2024 seiner neuen Bestimmung übergeben wird – bereits im kommenden Jahr beginnen. „Es sollen permanent verbleibende und auf Dauer wirkende Veränderungen erreicht werden. Dem entsprechend sind auch die Infrastrukturmaßnahmen nicht so zu verstehen, dass alles, was da kommen soll und kommen kann, am 1. 1. 2024 eröffnet wird. Im Gegenteil: Je früher sich etwas realisieren lässt, umso besser. Beim Domplatz hoffen wir die öffentlich sichtbaren, baulichen Schritte ab 2019 beginnen zu können.“ Das ist einmal eine Ansage und lässt die Hoffnung auf ein Happy End – kein desaströses wie bei OTTO, sondern ein repräsentativ-glamouröses – aufkeimen, auf dass der seit einem Jahrzehnt von der Diskussion geplagte Bürger ob eines wahren Schmuckkästchens anerkennend feststellt: Das lange Warten hat sich gelohnt!


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MIT VIEL VERGNÜGEN VON STIFT ZU STIFT Schuldet das Stift Melk der Stadtgemeinde Steuern? Oder versucht sich die Gemeinde auf Kosten des Weltkulturerbes zu sanieren? Das weltliche Ärgernis Lustbarkeitsabgabe macht auch vor überirdischen Mauern nicht halt.

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er seine Steuern nicht zahlt, der bekommt wohl über kurz oder lang ein Problem. Im Fall des Stifts Melk hat es zwar etwas länger gedauert, dafür war das Problem dann umso größer. Im November 2017 wurde nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins profil bekannt, dass das Stift der Stadt Melk aus den Jahren 2014 bis 2016 Lustbarkeitsabgabe in der Höhe von 1,7 Millionen Euro schuldet. Aufgeregt wird seither diskutiert: Weigern sich die mächtigen Padres einfach ihrer Steuerpflicht nachzukommen? Oder wurde ihnen zugesagt, die Abgabe nicht zahlen zu müssen? Mit 500.000 Besuchern jährlich zählt das Benediktinerstift Melk zu Österreichs bedeutendsten Touristenattraktionen. Wer das barocke Stift besuchen möchte, der zahlt rund zehn Euro Eintritt. Um diese Erlöse geht es, davon hätte die Stadtge-

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meinde gerne einen nicht unbeträchtlichen Anteil. Doch das war nicht immer so. Als sich Niederösterreichs Landespolitiker 2010 für die Abschaffung der Lustbarkeitsabgabe feiern ließen, entstand für die Gemeinden ein Problem. Sie waren nun ermächtigt im Rahmen einer Verordnung des Gemeinderates Steuern auf Vergnügungen einzuheben. Vordergründig liegt es seither im Ermessen der Gemeinde, was sie besteuert und wie hoch. Die Verordnungen stützen sich auf das Finanzausgleichsgesetz des Bundes, welches lediglich einen Rahmen vorsieht, in dem sich die Gemeinden bewegen müssen. So darf die Abgabe etwa maximal 25 Prozent des Eintrittspreises betragen. Zwei Millionen strittig Melk hob von 2011 bis 2013 keine Lustbarkeitsabgabe ein. Erst mit einer Novelle der Verordnung wurde

festgelegt, dass ab 2014 stolze 17,5 Prozent der Eintrittserlöse fällig werden. Zwischen 500.000 und 600.000 Euro sollten so jährlich in die klamme Stadtkasse gespült werden. Einzig, die Rechnung wurde offenbar ohne den Wirt gemacht, die Padres wehrten sich. Was für den normalsterblichen Gemeindebürger schwer nachvollziehbar scheint, gelang über mehrere Jahre: Die Gemeinde stimmt „Gesprächen“ zu und erließ einen Stundungsbescheid. Die Zahlung der Abgabenlast wurde vorerst aufgeschoben, die anfallenden Stundungszinsen wurden als „Förderung“ dem Stift erlassen. Doch bekanntlich: Aufgeschoben, ist nicht aufgehoben. Nach drei Jahren soll das entstandene Loch in der Stadtkasse bedrohliche Ausmaße angenommen haben. Gerüchten zufolge stand Melk um den Jahreswechsel 2017/18 sogar vor der Zahlungsunfähigkeit.


TEXT: MICHAEL MÜLLNER | FOTOS: MICHAEL LIEBERT FÜR NÖ-WERBUNG, RITA NEWMAN FÜR WEINSTRASSE KREMSTAL

STIFT MELK

MFG 02.18

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MFG URBAN STIFT GÖTTWEIG

War es nun ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk christlicher Nächstenliebe oder doch eher die nüchterne Einschätzung der Rechtslage, die Abt Georg Wilfinger im Dezember 2017 veranlasst hatte, die geforderten 1,7 Millionen „binnen 14 Tagen“ zu überweisen? In einem Schreiben an den Melker Gemeinderat legte er seine Sicht auf die Causa offen. Gezahlt wird – aber nur, um die für ihn „nicht nachvollziehbaren Aussagen und Pressemeldungen“ zu beenden. Obwohl ihm immer wieder, auch schriftlich, bestätigt worden sei, dass die Abgaben der Jahre 2014 bis 2016 nicht zu zahlen wären bzw. dass die Belastung aus der Abgabe durch „die öffentliche Hand“ ersetzt werden würde. Doch wer sollte denn dieser edle Spender sein? Immerhin waren Ende 2017 bereits über zwei Millionen Euro strittig. Gerüchten zufolge sollte die Lücke im Melker Budget durch Bedarfszuweisungen des Landes NÖ geschlossen werden. Die Stadt hat in den letzten Jahren zahlreiche kostspielige Infrastruktur- und Stadtentwicklungspro34

jekte umgesetzt, etwa beim Hochwasserschutz, dem Bau des Sportstadions oder der Hauptplatzsanierung. Das Budget war immer ein Problem. Der Dritte als Zukunftshoffnung Wenn eine Kommune mehr ausgibt, als sie einnimmt, kann sie Bedarfszuweisungen vom Land beantragen – auf den Abgang, also um das Minus am Ende des Jahres auszugleichen. Geprüft wird dabei, ob die Gemeinde auch alle eigenen Möglichkeiten nutzt, um ausgeglichen zu bilanzieren. Zum Höhepunkt des niederösterreichischen Landtagswahlkampfes wurde der „Steuerskandal in Melk“ auch zum parteipolitischen Spielball. Hat ein VPBürgermeister die vom Gemeinderat beschlossenen Abgaben einfach nicht eingetrieben und sich das fehlende Geld vom Land versprechen lassen?

Laut einer Anfragebeantwortung von VP-Landesrat Ludwig Schleritzko war dies nicht der Fall. Die Bedarfszuweisungen seien widmungsgemäß verwendet worden. Zudem hakt dieser Gedanke ohnehin. Denn die Stadt hatte die 600.000 Euro vom Stift ja im Budget vorgesehen – nur die zugehörige Zahlung ging nicht ein. Die Einnahme aus der Stiftsabgabe war also fix geplant, dennoch gab es den Abgang im Budget, der mit Bedarfszuweisungen widmungskonform abgedeckt wurde. Für die Liquidität der Stadt wurde das Finanzloch immer dramatischer. Bürgermeister Widrich und Landesrat Schleritzko versichern beide, dass das Land NÖ in keine Überlegungen involviert war, die Stift oder Stadt den Ersatz des strittigen Betrages in Aussicht gestellt hätten. Dennoch tauchte ein schriftlicher „Zukunftsplan“ auf,

„Wir müssen leider die Abgabe einheben, sonst schimpft das Land!“ JEDER X-BELIEBIGE BÜRGERMEISTER, DER LUSTBARKEITSABGABEN EINHEBT


MIT VIEL VERGNÜGEN VON STIFT ZU STIFT

den Abt und Bürgermeister im Juni 2017 unterschrieben hatten: Ab 2017 solle die Stadt vom Land derart unterstützt werden, dass die Stadt die Lustbarkeitsabgabe nicht mehr oder nur stark ermäßigt einheben müsse. Ein Vertrag zu Lasten Dritter, also der Landesbürger? Oder haben die heutigen Protagonisten auf Landesebene schlicht den Vorteil, sich nicht an die (inoffiziellen) Gespräche ihrer Vorgänger erinnern zu müssen? Die Lustbarkeitsabgabe ist jedenfalls ein großes Ärgernis für den Abt. Man habe im Glauben daran, diese nicht zahlen zu müssen, alle verfügbaren Mittel in die Erhaltung des Stiftes investiert. So ein Weltkulturerbe erhält sich eben nicht von selbst. Die 1,7 Millionen mussten mittels Kredit finanziert werden, geplante Renovierungsarbeiten für 2018 wurden als Konsequenz nun gestoppt. Barocker Reichtum? Hier wird es spannend, man hört höchst unterschiedliche Sichtweisen. Für die einen ist es ein Skandal, dass sich das Stift so ziert. Vermeintliche Steuerprivilegien „der Kirche“ rufen schnell Kritiker auf den Plan. Man brauche sich um das Stift schon keine Sorgen machen, heißt es immer wieder, die werden sich die Abgabe schon noch leisten können. Zudem ist der Machtfaktor des Stiftes offensichtlich. Grund und Boden sind das Kapital, das über Jahrhunderte vom Stift angesammelt wurde. In Melk geht nichts ohne deren Sanktus, heißt es. Das liegt einerseits am Grundbesitz, andererseits ist das Stift eben auch der wesentliche Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber der Gemeinde. Keiner kann sich vorstellen, wie sich Melk weiterentwickeln soll, wenn Stadt und Stift nicht wieder zu einem Miteinander finden. Schon sind wir in den weltlichen Niederungen des Wirtschaftens. „500.000 Besucher pro Jahr, rund zehn Euro Eintritt. Das sind fünf Millionen Euro. Da haben die Touristen aber noch nichts gegessen und nichts gekauft“, geht eine schnelle Rechnung. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich ein differenzierteres Bild. Der durchschnittliche Eintrittserlös je Besucher sei deutlich niedriger. Machen wir es uns einfach und

rechnen dennoch mit zehn Euro. Davon gehen 13 Prozent als Umsatzsteuer ans Finanzamt. Erst mit 1. Jänner 2016 wurde im Rahmen der letzten Steuerreform dieser ermäßigte Umsatzsteuersatz übrigens um 30 Prozent erhöht. Zieht man von diesem Nettobetrag die 17,5 Prozent Lustbarkeitsabgabe ab, so landen wir bei rund 7,50 Euro. Aus dem Stift hört man, der Schlüssel zum touristischen Erfolg sei die hohe Qualität der Besucherbetreuung – man sei sehr personalintensiv unterwegs. Rund 60 Prozent der Netto-Ticketerlöse gehen für den Personalaufwand drauf, für Löhne, Gehälter, Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge. Somit bleiben nur mehr drei Euro pro Ticket für die Erhaltung des Stiftes. In dieselbe Richtung stößt auch Abt Wilfinger in seinem Schreiben an den Gemeinderat: „Wir ersuchen alle, die nur Einnahmen, nicht aber die enormen Kosten sehen, welche für die Erhaltung eines derartigen Bauwerkes aufgewendet werden müssen, dies zu bedenken.“ Die Erhaltung des Stiftes sei kein Selbstzweck oder diene bloß dem Eigennutz, sondern in sichtbarer Weise „auch der Stadt und dem Land“. Und er merkt an: „Der durch die eigene Anstrengung des Stiftes aufgebaute Kulturtourismus in Melk hat bis jetzt die Sanierung und Instandhaltung unseres Weltkulturerbes über Jahrzehnte finanziert und soll nun zum Ausgleich des negativen Gemeindehaushaltes dienen.“ Der Abt wird auch bei den Konsequenzen konkret: Die

Renovierung der Stiftsbibliothek wird zehn Millionen Euro kosten, zwei Millionen sind nötig um weitere dringend notwendige Sanierungen an der Bausubstanz vorzunehmen, etwa an der Altane, die jährlich von 500.000 Menschen passiert wird. All diese Vorhaben sind nun auf Jahre zurückgestellt. Dem Stift fehle Geld. Das Geld fehlt Fest steht: Das barocke Schmuckstück ist der Grund, warum die Gemeinde am Anfang der Wachau touristische Bedeutung hat. Hunderttausende Touristen bedeuten Wertschöpfung und sichern hunderte Arbeitsplätze. Das Stiftsgymnasium besuchen zudem rund tausend Schüler, die öffentliche Hand erspart sich eine beträchtliche Anzahl an öffentlich finanzierten Schulplätzen. Desto mehr Argumente man hört, desto differenzierter wird das Bild des vermeintlich reichen Stifts. Es soll sogar Padres geben, die im Scherz schon mal meinten: „Warum bauen wir uns nicht was Neues und schenken das Stift der Republik?“ Die Gemeinschaft zählt rund 30 Padres, die eine Hälfte ist im Stift tätig, die andere in den zugehörigen Pfarren. „Wir haben kein Headquarter in Übersee, das sich um die steuerschonende Gewinnausschüttungen kümmert“, schmunzelt ein Gesprächspartner und merkt an, dass von unseren Erlösen auch nichts „an den Vatikan“ gehe. Alles werde verwendet, um das Kulturgut selbst zu erhalten, nichts liege auf der hohen Kante.

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MFG URBAN STIFT HEILIGENKREUZ

Womit sich die Katze in den Schwanz beißt. Denn viele Kultur-Einrichtungen tragen sich eben nicht von selbst, sondern brauchen Zuschüsse der öffentlichen Hand für ihren Betrieb oder die Erhaltung. Soll die eine Hand nehmen, was die andere gerade gegeben hat? Im Fall von Melk hatten die Gemeindevertreter im Jahr 2013 offenbar die Idee ihren Stadthaushalt mit Mitteln der Lustbarkeitsabgabe zu sanieren. Warum auch nicht, sie sind ja schließlich dem Wohl ihrer Gemeinde verpflichtet? Und dass das Stift letztlich widerwillig gezahlt hat, liegt wohl daran, dass die Vorgehensweise rechtens ist. Berufungen gegen die Abgabenbescheide wurden nicht eingebracht, der Rechtsweg somit nicht beschritten. Auch wenn das Stift ankündigte „grundsätzliche Fragen zur Lustbarkeitsabgabe einer rechtlichen Klärung zuführen“ zu wollen, bräuchte es für eine Lösung letztlich keinen Richter, sondern politischen Willen. Das Gesetz überlässt es nun mal dem Gemeinderat zu entscheiden, was besteuert wird. Auch die Höhe der Abgabe ist sehr flexibel, zwischen null und 25 Prozent darf vorgeschrieben werden. Ausnahmen sind zulässig und gelebte Praxis, die Handhabung der Lustbarkeitsabgabe somit von Ort zu Ort sehr verschieden. Oft richtet sich die Abgabenlast de facto nach dem Verhandlungsgeschick des potentiellen Abgabenschuldners. Seit Jahren klagen Betreiber und Veranstalter über die Willkür, die damit verbunden ist. Und 36

Gemeindevertreter sind unglücklich, weil sie es mit der Lustbarkeitsabgabe niemanden recht machen können. Um den Fall Melk besser verstehen zu können, hilft ein Rundblick bei Nieder­ österreichs Stiften. Noch mehr Benediktiner Am anderen Ende der Wachau treffen wir wieder auf Benediktiner, das Stift Göttweig liegt südlich der Donau auf einem Hügel im Dunkelsteinerwald bei Furth, nahe der Stadt Krems. Im Stift ist man froh, dass die Gemeinde schon vor Jahren einen Antrag auf Abgabenbefreiung akzeptiert hat. Grundsätzlich hebt Furth auf Veranstaltungen fünf Prozent Lustbarkeitsabgabe ein, jedoch können Veranstaltungen befreit werden, deren Ertrag z. B. einem ausschließlich kirchlichen Zweck zugeführt wird. So der Fall bei den Eintrittserlösen des Stiftsmuseums in Göttweig. Sehr wohl abgabepflichtig sind jedoch Eigen- und Fremdveranstaltungen am Stiftsgelände, beispielsweise regelmäßig stattfindende Schülerbälle oder DJLines mit Blick auf die Donau. Viele Besucher bringt auch das jährliche Klassikkonzert von Elina Garanca im Sommer. Hier habe die Gemeinde eine bewusste Entscheidung getroffen: Besser eine erträgliche Ab-

gabe von „nur“ fünf Prozent, als gar keine Veranstaltungen im Ort. Damit sei man gut gefahren, heißt es aus dem Rathaus. Auch im Stift betont man, dass man die Mieteinnahmen von Fremdveranstaltern gut gebrauchen kann um das Stift zu erhalten. Dabei befinde man sich als Location in harter Konkurrenz, beispielsweise mit Krems. Grundsätzlich sieht man im Stift das Thema der Lustbarkeitsabgabe aber als Nebenschauplatz. Stift und Gemeinde leben seit 900 Jahren Seite an Seite, heißt es, da gibt es historisch gewachsen eine Vielzahl an Fragen und gemeinsamen Zukunftsthemen. Es geht um Grundstücke, Stadtentwicklung, Wildwasserverbauung – aber auch um eine prestigeträchtige Idee, die Bewerbung der „Region Dunkelsteinerwald“ als Austragungsort für eine zukünftige Landesausstellung, bei der das Stift Göttweig zur großen Bühne werden soll. Spätestens dann wird das Thema der Lustbarkeitsabgabe wohl mehr Aufmerksamkeit bekommen – denn dann geht es um mehr Besucher als derzeit, zumal heute das Stift Göttweig von den meisten Gästen besucht wird, ohne dass diese überhaupt einen Eintritt zahlen müssen. Wo die Musi spielt Die Zisterzienser im Stift Heiligenkreuz halten seit 1133 in Heiligenkreuz bei Baden die Stellung. Weltberühmt sind die rund 100 Mönche für ihre gregorianischen Choräle in lateinischer Sprache, die vor zehn Jahren die Musik-Charts stürmten. Für sie ist die Lustbarkeitsabgabe wohl noch weniger Thema als für ihre Kollegen in Göttweig – es gibt nämlich keine. Die Gemeinde Heiligenkreuz beschloss keine Lustbarkeitsabgabeverordnung – und erspart sich daher die Diskussion um eine angemessen Höhe für Eintritte in Klöster. Der Abgabengott scheint es generell gut zu meinen mit den Zisterziensern. Denn auch deren Gemeinschaft im Stift Lilienfeld braucht

„Wir haben kein Headquarter in Übersee, das sich um steuerschonende Gewinnausschüttungen kümmert!“ EIN KENNER DER STIFTSZENE


MIT VIEL VERGNÜGEN VON STIFT ZU STIFT

sich keine Gedanken zu machen, denn Lustbarkeitsabgaben gibt es in Lilienfeld seit 1. Jänner 2011 nicht mehr. Große Auswirkung auf das Gemeindebudget hatte der Wegfall der Abgabe nicht. Im Jahr 2010 betrugen die Einnahmen daraus gerade mal 225 Euro. In Klosterneuburg wurde mit 1. Jänner 2018 eine Novelle der Lustbarkeitsabgabe beschlossen. In den Jahren 2016 und 2017 lag die Besteuerung bei fünf Prozent, seit heuer sind Eintrittsgelder von Museen grundsätzlich ausgenommen. Davon profitiert neben dem Stadtmuseum und dem Museum Gugging auch das Stift Klosterneuburg mit jährlich zwischen 70.000 und 100.000 Besuchern. Zwölf Prozent Lustbarkeitsabgabe hebt die Landeshauptstadt St. Pölten für Museumseintritte ein. Das Diözesanmuseum ist jedoch befreit, da seine Erträge ausschließlich kirchlichen Zwecken zufließen und es nicht kostendeckend betrieben werden kann. Das Chorherren-Stift Herzogenburg möchte mit Hinweis auf sein Steuer-

geheimnis nicht Stellung nehmen, das Stift komme aber „selbstverständlich allen seinen steuerlichen Verpflichtungen nach.“ Laut Gemeindeverordnung sind für Veranstaltungen 25 Prozent fällig, eine Ausnahme oder Ermäßigung für Museumsbesuch bzw. für kirchliche Zwecke ist nicht normiert. Mit rund 15.000 Euro im Jahresbudget scheint die Lustbarkeitsabgabe aber auch in Herzogenburg nicht das große Thema zu sein. Gleiches gleich behandeln Es ist wohl anzunehmen, dass der Ärger der Melker Padres über ihre vergleichsweise hohe Lustbarkeitsabgabe befeuert wird, wenn sie sich mit ihren Kollegen in anderen Stiften austauschen, von null bis 25 Prozent reicht der Bogen und damit die Erkenntnis, dass die Lustbarkeitsabgabe höchst unterschiedlich, oft geradezu willkürlich umgesetzt wird. Wer sowieso froh ist über jede Aktivität in seiner Gemeinde, der wird Veranstalter nicht noch weiter belasten und sich lang-

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wierige Diskussionen einhandeln. Wo aber eine fette Kuh darauf wartet gemolken zu werden, dort ist die Steuerversuchung groß. Zudem haben Bürgermeister mit Euro-Zeichen in den Augen eine einfache Antwort parat: „Wir müssen leider die Abgabe einheben, sonst schimpft das Land!“ Und tatsächlich sind Gemeinden aufgefordert, alle Möglichkeiten zu ergreifen, um Einnahmen zu lukrieren. Glücklicherweise, denn Gott bewahre uns vor Bürgermeistern in Spendierhosen, die großzügig auf Einnahmen verzichten, wohlwissentlich, dass am Ende ohnehin Land oder Bund einspringen, um den Abgang zu bezahlen – sozusagen mit dem Geld der Allgemeinheit. Eine Lösung läge wie so oft in einer echten Neuordnung der Staatsfinanzen, im Monstrum „Finanzausgleich“, bei dem man Lustbarkeitsabgaben als aus der Zeit gefallenen, unpraktikablen Schwachsinn abschaffen und den Gemeinden im Gegenzug eine anständige Finanzierung ihrer Leistungen sicherstellen könnte. Wer hat da gelacht?


MFG URBAN

GROSSER BUSBAHNHOF, LAUTER PROTEST Neben einem Siedlungsgebiet mit Einfamilienhäusern soll ein Busbetriebshof für über vierzig Diesel-Busse entstehen – samt Tankstelle und Waschanlage. Die Anrainer in Waitzendorf-Siedlung sind in Aufruhr, das Unternehmen beruhigt. Kann der Bürgermeister helfen?

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n der Goldeggerstraße soll ein Busbetriebshof des Dr. Richard Konzerns entstehen. Am unbebauten Grundstück zwischen Waitzendorf-Siedlung und der Post-Zustellbasis sieht das eingereichte Projekt eine Werkstättenhalle, eine Waschhalle, eine Dieseltankstelle für den Eigenbedarf der Busse sowie Stellplätze für 43 Busse sowie 35 PKWs vor. Neben den städtischen LUP-Bussen sollen auch Reisebusse für den Gelegenheitsverkehr stationiert werden. Die Bagger stehen bereit, der Baustart soll rasch erfolgen, sobald die Gemeinde als Gewerbebehörde die nötigen Genehmigungsbescheide erstellt. 38

Doch gegen das Projekt regt sich heftiger Widerstand der betroffenen Anrainer, die Nachbarschaft in Waitzendorf-Siedlung ist in Aufregung. Nachdem das Projekt bekannt wurde, gab es Bürgerversammlungen. „Bewohner aus fünfzig Wohnhäusern der betroffenen Siedlung haben unterschrieben und sich gegen das Projekt ausgesprochen. Dem Bürgermeister haben wir diese Unterschriften übergeben und ihn um Hilfe gebeten, leider ist diese bisher ausgeblieben“, erklärt Anrainersprecher Kurt Jagsch. Die Stadt steht auf dem Standpunkt, dass sie als Verwaltungsbehörde nur die Ge-

setze vollzieht. Ist das Projekt im Rahmen der Gesetze zu genehmigen, so hat der Projektwerber auch ein Recht auf einen gültigen Bescheid. Dem Bürgermeister seien da so oder so die Hände gebunden. Zudem betont man im Rathaus, man habe bei der konkreten Betriebsansiedelung keine Rolle gespielt. Das Grundstück sei schon die längste Zeit als Gewerbegebiet gewidmet. Gegen fünfzig Häuser Viele Anrainer sind dennoch erbost, in der bisherigen Medienberichterstattung wurde Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) scharf angegriffen. Die Kronen Zeitung zitierte etwa eine Jungfamilie bezüglich des befürchteten nächtlichen Lärms: „Der Bürgermeister hat hoffentlich genug Betten für unsere Kinder daheim stehen. Wir werden die Kleinen gerne zu ihm bringen, wenn sie von einer Lärmspitze


TEXT: MICHAEL MÜLLNER | FOTOS: ANRAINER WAITZENDORF-SIEDLUNG

aufgeweckt werden.“ Es geht einerseits um den befürchteten Lärm, der von den über 40 dort stationierten Bussen ausgeht – Betriebszeiten von 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche will wohl niemand wenige Schritte von seiner Haustür entfernt haben. Andererseits befürchten die Anrainer auch erhöhte Gesundheitsbelastungen durch Feinstaub und zusätzliche Lichtverschmutzung durch hohe Leuchtmasten am Betriebsgrundstück. Dabei lesen sich die gewerbebehördlichen Auflagen und Vorgaben im Genehmigungsakt schon jetzt recht umfangreich. Gutachten von Amtssachverständigen sollen Aufschluss geben, wie sich das Projekt auf den Umgebungslärm, die Feinstaubbelastung und generell auf die Gesundheit der Anrainer auswirken wird. Mit dieser Arbeit sind die Anrainer aber nicht zufrieden, im Detail führen sie aus, weshalb die Gutachten wesentliche Aspekte auslassen bzw. in sich nicht schlüssig sind. So gehe der lärmtechnische Befund etwa nicht auf die Lärmbelastung in Abend- und Nachtzeiten an Sonn- und Feiertagen ein – die Behörde sei bei ihrem Gutachten einfach nur vom Lärm an einem Werktag ausgegangen, der natürlich ein vielfacher sei, im Vergleich zum ruhigen Sonntag. Auch im humanmedizinischen Gutachten werden eindeutige Überschreitungen der zulässigen Grenzwerte erkannt, die aus Sicht der Anrainer eine Genehmigung ausschließen.

Wege seien ökologisch wünschenswert und das wichtigste Argument für den Kauf des Grundstücks sei der „Katzensprung“ zum Hauptbahnhof gewesen – von dem die städtischen Buslinien starten. Man habe das Grundstück vor ein paar Jahren auch um einen „gefühlt überdurchschnittlichen“ Kaufpreis der Post abgekauft, weil man für eben dieses Szenario gerüstet sein wollte. Zugleich betont Richard, dass er die Sorgen der Anrainer nachvollziehen kann. „Es muss ja niemand eine Freude haben, wenn ein Lärmerreger in die Nachbarschaft kommt. Wir bemühen uns deshalb sehr um eine gute Nachbarschaft und sind auch mit den Betroffenen in Kontakt“, versichert er. Man wäre auch bereit Maßnahmen zu ergreifen, die über die gesetzlichen Auflagen hinausgehen. Zudem ist Richard überzeugt, dass der Betrieb, sobald er läuft, keine wesentliche Störung für die Anrainer darstellen wird: „Es ist ja kein großer Betrieb, auch wenn ich das unspezifische Unwohlsein schon verstehen kann.“ Da das Grundstück relativ groß ist, das eigene Projekt aber nicht die ganze Fläche belegen wird, ist auch geplant den unverbauten Teil des Grundstücks zu vermieten. „Da werden wir sicher einen Mieter suchen, der auch keinen Lärm macht“, beruhigt der Busunternehmer vorsorglich. Seit 1983 Gewerbewidmung Die Waitzendorfer Anrainer haben den Bürgermeister unterdessen mit einer Bitte konfrontiert: Wenn der politische

Wille vorhanden ist, könne der Bürgermeister ja das Gespräch mit dem Eigentümer suchen und ihm eine andere geeignete Fläche für seinen Busbetriebshof anbieten. Die Stadt könnte das so gewonnene Gebiet dann in hochwertiges Wohnland umwidmen. Ob sich Richard vorstellen kann, dass dieser Wunsch der Anrainer in Erfüllung geht? Ludwig Richard: „Wir hoffen, dass die Behörde rasch entscheidet und wir mit der Umsetzung unseres Busbetriebshofes beginnen können. Wir haben derzeit keinen Anlass über andere Standorte für unser Projekt nachzudenken. Wie jeder vernünftige Unternehmer würden aber auch wir eine ernstgemeinte Alternative nicht grundsätzlich ignorieren.“ Bürgermeister Matthias Stadler beantwortet unsere dahingehend gestellten Fragen nicht. Das Stadtoberhaupt weist nur darauf hin, dass das Genehmigungsverfahren nach den gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt wird. Zur Widmung merkt der Bürgermeister an, dass das Gebiet schon im Flächenwidmungsplan 1983 als Gewerbegebiet ausgewiesen ist. Das Grundstück liegt zudem in privaten Händen, laut Rathaus habe man kauf­ interessierte Betriebe mit dem damaligen Eigentümer vernetzt. Die Anrainer sind unterdessen wild entschlossen, einen Genehmigungsbescheid vor Gericht zu bringen. Für gute Nachbarschaft scheinen die Vorzeichen also schlecht. Auch für Grundstücke gilt: Man kann nicht alles haben.

Unspezifisches Unwohlsein Dr. Ludwig Richard, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens, hofft dennoch auf eine rasche Genehmigung. Die Zeitfrage sei auch deshalb bedeutend, weil ein Großteil der Busse für den städtischen LUP-Verkehr vorgesehen ist, den sein Unternehmen gemeinsam mit einem Partner seit September 2017 betreibt. Kurze

„Den Bürgermeister haben wir um Hilfe gebeten, leider ist diese ausgeblieben.“ ANRAINERSPRECHER KURT JAGSCH

MFG 02.18

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MFG URBAN

GANZ VORNE SEIN

Er spielt liebend gern Karambol, hört Dixieland-Jazz und läuft mal einfach so zu seinem 50er einen Marathon auf Mauritius. Seine Kernkompetenz ist die Fertigungstechnik und er ist seit Herbst vergangenen Jahres der Neue an der Spitze der HTL St. Pölten, Niederösterreichs zweitgrößter Schule: Martin Pfeffel. Als Direktor will er gehörig dazu beitragen, dass sich seine Schule weiterhin als Speerspitze technischer Bildung präsentiert.

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„Die Kooperationen mit der Wirtschaft intensivieren und die HTL St. Pölten weiter ganz vorne positionieren.“ MARTIN PFEFFEL

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omm doch zu uns, ich brauche gute Leute.“ Diese Aufforderung hörte Martin Pfeffel im Gasthaus Graf beim monatlichen Jazz-Abend von seinem ehemaligen Klassenvorstand Johann Wiedlack öfters. Sein Vorgänger als Direktor wollte seinen einstigen Schüler unbedingt als Unterrichtenden an der HTL sehen. „In mir war schon immer der Wunsch, zu unterrichten“, erinnert sich Pfeffel, aber die Verlockungen des Geldes in der Wirtschaft waren einfach stärker. Als Vater von Barbara und Magdalena und frisch mit dem Hausbau beschäftigt, war Monetäres ein wichtiger Faktor. Doch 2001 war es soweit, nach fünf Jahren beim Aluminiumwerk Neuman und zwei Jahren bei der Firma SMC, jeweils als technischer Leiter, kam er in seine Schule zurück. Ob er es jemals bereut hat? „Nein“, die knappe Antwort. Pfeffel durchlief so ziemlich alles, was die HTL zu bieten hat, war Laborkustode, Bildungsberater und Eventmanager. „Den Ball zu organisieren ist ein Musskriterium für den zukünftigen Direktor“, erzählt er schmunzelnd, denn auch sein Vorgänger war für dieses Event mit durchschnittlich 5.000 Gästen verantwortlich. Pfeffel dürfte nicht nur das Ballorganisieren gut gemacht haben. So ist er seit dem 1. November HTLDirektor, wie er betont, „einer der ganz wenigen österreichischen Direktoren, die sofort bestellt wurden und nicht nur betraut.“ Auch ein Verdienst seines Mentors Wiedlack, der „eine nahtlose saubere Übergabe, so wie man es sich

in der Industrie vorstellt“, gemeinsam mit dem Landesschulinspektor ermöglichte – eine Seltenheit in Niederösterreichs Schullandschaft. Viele Herausforderungen Seitdem sieht er sich an der Spitze der größten Schule St. Pöltens mit knapp 1.800 Auszubildenden anderen Herausforderungen gegenüber. Wie etwa der Industrie 4.0 und der Neuen Oberstufe (NOST), in der negative Kompetenzen geparkt werden können. „Bei Betrachtung des ersten offiziellen Semesterzeugnisses kann man sagen, dass fast um die Hälfte weniger schlechtere Noten zu verzeichnen sind.“ Das kann viele Gründe haben, etwa, dass Lehrer nicht geeignete Schüler „am Schulschluss der ersten Klasse mehr motiviert haben auszusteigen, oder es war der klassische Schuss vor den Bug.“ Dass sich die Lehrenden nun die Lehrpläne viel intensiver anschauen, ist ein weiteres Argument. Fakt ist „ein doppelter Aufwand bei den Dokumentationen für uns.“ Im Zeitalter der Digitalisierung ist Sokrates, die Software des Ministeriums, programmiertechnisch nicht am Puls der Technik. Hier herrscht Nachholbedarf. Deshalb wirkt auch einer seiner Lehrer bei der Arbeitsgruppe im Ministerium mit, das Programm Sokrates NG, „das heißt aber nicht Nicht Genügend, sondern Next Generation“, zu entwickeln. Pfeffel wünscht sich mehr Schülerinnen, zurzeit sind 111 Mädchen an der HTL, „speziell Industriedesign wird aber gut angenommen.“ De-


TEXT: ANDREAS REICHEBNER | FOTO: ELIAS KALTENBERGER

Leute zu motivieren, doch etwas anderes zu machen.“ In der Anfangszeit fühlte sich der Teamplayer, wie Pfeffel von sich sagt, „etwas vereinsamt als Direktor“, doch jetzt bekommt er viele positive Rückmeldungen von seinen ehemaligen Kollegen. Das Team playen hat er übrigens in seiner Zeit als aktiver Volleyballspieler, bei der katholischen Jungschar und neu gelernt bei der LeadershipAcademy Ausbildung in Alpbach und den Schulmanagement-Kursen. Den Spagat zwischen absolutem Technikstellenwert und Allgemeinbildung schafft man an der HTL „mit einer eigenen Musikkapelle“ und dem Abhalten vieler Projekte. „Bei 36-38 Wochenstunden sind wir da schon auf Anschlag.“

ren Zahl steigt leicht, da sind Initiativen wie „Girls Scout“ und „HTL for girls“ mitverantwortlich, aber „man müsste sich wünschen, dass in den Kindergärten, Volksschulen und NMS mehr männliche Lehrer agieren“, dann würde sich das Rollenbild vielleicht verändern. Mittlerweile beschäftigt man auch zwei Werkstättenlehrerinnen und stellt fest, dass in den Werkstätten, wo es heiß, anstrengend und schmutzig ist, Mädchen ihren Mann stehen. Dass Mädchen gleichwertig sind, ist in der HTL kein Thema mehr. Bei den Schülerzahlen ortet man eine kontinuierliche, leichte Steigerung, das hat „mit dem WOW-Effekt des neuen Schulgebäudes zu tun, aber auch damit, dass auf unsere Schüler, wenn sie fertig sind, Jobs warten. Mit einem guten Zeugnis hat man ein Luxusproblem, kann sich die Jobs aussuchen.“ Von 2012 bis 2017 dauerte die Ge-

neralsanierung und der Neubau des Schulgebäudes, jetzt ist so viel Platz, wie man benötigt. „Über die Funktionalität kann man streiten“, so Pfeffel, der etwa nachträglich einen Trinkwasserbrunnen einbauen ließ. Ob er das Unterrichten vermisst? „Ich unterrichte in meiner Kernkompetenz der Fertigungstechnik 6-10 Stunden, da kann ich meinen Akku wieder aufladen, da stören keine Termine und die Schüler sind die einzigen, die sofort ein ehrliches Feedback geben.“ Da hört er allerdings auch, dass manche Vortragenden nicht mehr so geeignet sind, und da ist die neue Schulautonomie, die diesen September in Kraft tritt und Direktoren mehr Handlungsfreiheit geben wird, handzahm. „Bei Neuverpflichtungen von Lehrpersonal hatte man früher schon Mitspracherecht, anders als beim bestehenden. Da sollte man Möglichkeiten bekommen,

Abseits der Schule Sein Büro ist noch, wie es von seinem Vorgänger Wiedlack eingerichtet wurde. Bilder von New York, einem Palmenstrand und einer toskanischen Landschaft zeugen von der Verbundenheit zu seinem ehemaligen Lehrer. „Vor Kurzem waren wir in New York, heuer wollen wir in der Toskana urlauben und vor zwei Jahren bin ich mit 50 den Marathon auf Mauritius gelaufen.“ Das war ein Entgegenkommen an seine Familie, insbesondere an seine Frau Hannelore, die es gar nicht mag, wenn sie nur als „Gattin“ tituliert wird, „da bekomm ich die schwarze Karte.“ Was sonst noch über den neuen HTL-Direktor zu schreiben ist: Er liebt das Karambolspiel, guten Wein und rauchige Single Malt Scotch Whiskys, tanzt leidenschaftlich gerne und ist beseelt vom Gedanken, seine Schule „ganz vorne zu sehen.“ Technologisch an der Spitze ist man etwa mit dem Metall-3D-Drucker, den man als einzige HTL in Österreich besitzt. Ja, und wenn er einmal nicht unzählige Stunden an seiner Schule verbringt, dann geht er laufen und träumt von einem Oldtimer à la Alfa Romeo Spider Duetto oder einem Mustang Convertible aus seinem Geburtsjahr, dem 66er-Jahr. Übrigens, nächstes Jahr wird der sozial engagierte Pfeffel auch Lions-Präsident – und das, obwohl der Tag auch nur 24 Stunden hat. MFG 02.18

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MFG URBAN

WER WILL MICH? In einer globalisierten Welt und speziell in einem enger zusammenrückenden Europa hat sie vermeintlich an Bedeutung verloren. Dass ihr Fehlen zum Problem werden kann, spüren vor allem jene 1,3 Millionen Menschen, die ohne sie auskommen. Die Rede ist von der österreichischen Staatsbürgerschaft.

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ass der Weg zur Staatsbürgerschaft sich von Bundesland zu Bundesland unterscheidet, ist ein zutiefst österreichisches Phänomen. Neben einem Wertetest werden bei der Einbürgerung auch Fragen zum jeweiligen Bundesland gestellt, in dem der künftige Staatsbürger seinen Antrag stellt. Abgesehen davon variieren auch die Kosten für die Erlangung des dauerhaften Aufenthaltstitels teilweise stark. Während man in Wien mit einer Landesabgabe von 76 Euro vergleichsweise günstig davonkommt, muss ein alleinstehender Staatsbürgeranwärter in Niederösterreich bis zu 1.056 Euro bezahlen. Dazu kommen noch Verwaltungsgebühren und eine Bundesabgabe, die bis zu 759 Euro betragen kann. Um die 2.000 Euro und mehr kann das Verfahren für eine Person kosten. Wer auf dem Papier Österreicher werden will, muss also nicht nur gut Deutsch sprechen und über das Heimat(bundes)land Bescheid wissen, er muss auch tief in die Tasche greifen. Zwar sind die Abga42

ben teilweise nach Einkommen gestaffelt und es gibt vergünstigte Tarife für Ehepartner, ein billiges Unterfangen ist der Erwerb des österreichischen Passes aber nicht. Zudem gibt es in Österreich keine Automatismen – wie etwa ein Geburtsrecht auf die Staatsbürgerschaft. Stumm aufgewachsen Diese Umstände führen dazu, dass derzeit mehr als eine Million Menschen in Österreich mit einer anderen Staatsbürgerschaft leben. Viele von ihnen hätten grundsätzlich die notwendigen Voraussetzungen, entscheiden sich aber gegen den Erwerb der österreichischen. Sie sind damit unter anderem vom Wahlrecht ausgeschlossen. So auch die 26-jährige Sandra. Sie lebt seit etwa fünf Jahren in St. Pölten und ist rumänische Staatsbürgerin. Mehr als ein Urlaubsland ist Rumänien für sie aber nicht. Sandra wurde in einem Flüchtlingslager in Bruck an der Mur geboren, nachdem ihre Eltern vor der rumänischen Diktatur Ceaușescus ge-

flohen waren. Ursprünglich wollten sie weiter in die USA, wo bereits eine Tante lebte, wegen der Geburt ihrer Tochter blieben sie aber in Österreich. Ein österreichischer Pass würde vor allem Mitspracherecht bringen: „Ich überlege schon sie zu beantragen, weil ich gern das Wahlrecht hätte. Ich bin hier aufgewachsen und ich fände es wichtig mitzubestimmen.“ Für die Eltern sprachen die damals hohen Kosten gegen den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, die damals vor dem EU-Beitritt Rumäniens vieles erleichtert hätte. Als das Land dann Teil der EU wurde, fiel durch die weitgehende rechtliche Gleichstellung der Anreiz großteils weg. „Ab 2007 war die Staatsbürgerschaft für meine Familie egal, weil sie sich jetzt als EUBürger gesehen haben.“ Sollte sich Sandra zur Beantragung der Staatsbürgerschaft entschließen, müsste sie, wie alle anderen auch, einen Antrag beim Land Nieder­ österreich stellen. Deutschprüfung und Wertekurs müsste sie bei einer Beantragung der Staatsbürgerschaft nicht machen, weil sie hier bereits zur Schule gegangen ist – die finanziellen Hürden bleiben jedoch bestehen. Ein weiterer Grund, um neben dem Wahl-


TEXT: SASCHA HAROLD | FOTOS: ROMOLO TAVANI-FOTOLIA.COM, ZVG

recht über einen österreichischen Pass nachzudenken ist die rechtliche Absicherung: „Mein ganzes Leben hat hier stattgefunden und ich habe vor auch in Österreich zu bleiben. Mit der Staatsbürgerschaft hätte ich mehr Sicherheit – man weiß nie, wie sich die Situation in Europa entwickelt“, so die junge St. Pöltnerin. Die Vergessenen Anders gelagert ist der Fall bei Selahattin Aslan, der 1953 in der Türkei geboren wurde und den es in den 80ern wegen besserer Arbeitschancen nach Herzogenburg verschlug. Aslan stammt aus einem alevitischen Dorf in der Osttürkei, in dem er auch Bürgermeister war. Nach Österreich war zehn Jahre vor ihm bereits sein Vater gekommen, der bei Georg Fischer als Hausmeister arbeitete. Auch Aslan junior kam in dem Unternehmen unter und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung. Seine Kinder leben inzwischen ebenfalls in Österreich, haben derzeit allerdings noch den türkischen Pass. Für Aslan selbst wird sich das auch künftig nicht ändern: „Es war damals nicht einfach die Staatsbürgerschaft zu bekommen, die passende Zeit hat sich nicht ergeben.“ Auch seine Deutschkenntnisse würden im Moment nicht für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft reichen. Kurs möchte er heute keinen mehr besuchen, als er angekommen

NICHT ERGEBEN. Selahattin Aslan lebt schon seit den 80er-Jahren als Türke in Österreich. Er bereut, nicht mehr Deutsch gelernt zu haben, und hätte sich zu Beginn mehr Kursmöglichkeiten gewünscht.

ist, hätte er sich aber mehr Angebot gewünscht. Seinen Kindern hat er private Deutschkurse bezahlt, weil er ihnen gute Chancen im Land ermöglichen wollte. Da die Türkei nicht Teil der EU ist, gelten für türkische Staatsbürger andere Einschränkungen als beispielsweise für Deutsche oder Rumänen. Am eigenen Leib erfahren hat Aslan das, als sein Wohnhaus saniert wurde. Die angestiegenen Mieten wurden vom Land Niederösterreich teilweise durch Subventionen kompensiert, die aber auf Österreicher beschränkt waren. Auch von vielen andere Förderungen und Unterstützungen sind ausländische Staatsbürger ausgenommen. Erschwert wird die Situation bei Drittstaatsangehörigen, Menschen also, die nicht aus EU-Staaten stammen. Seine Kinder überlegen nicht zuletzt auch deshalb, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Alles bleibt, wie es ist Sentimentalität und Zugehörigkeitsgefühl spielen zwar eine Rolle, sind allerdings, so scheint es, nicht so wichtig wie die rechtliche Gleichstellung und das Wahlrecht. Generell stellt sich angesichts stärkerer europäischer Vernetzung die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer europäischen Staatsbürgerschaft. Ob diese Überlegungen jedoch je konkrete Gestalt annehmen wird, darf angesichts nationaler Gegenbewegungen stark bezweifelt werden. Auch für die Politik ist die nationale Staatsbürgerschaft nach wie vor ein Ankerpunkt – was angesichts des (fast) fehlenden Wahlrechts für Ausländer verständlich scheint. Der Landesparteichef der SPÖ, Franz Schnabl, sieht in der Staatsbürgerschaft „ein unschätzbar großes Privileg.“ Auch die FPÖ Niederösterreich sieht in ihr „das höchste Gut“, weshalb auch mit ihrer Verleihung sorgfältig umgegangen werden müsse. Anreize gäbe es für die Freiheitlichen seitens des Landes jedenfalls genug. Änderungsbedarf sehen die beiden Parteien keinen. Ins selbe Horn stößt die Volkspartei, für die vor allem „ein hohes Maß an Eigeninitiative und Lernbereitschaft“ einzufordern ist. Für Schnabl ist die

A U S G E WÄ H LT E W E G E Z U R S T A AT S BÜRGERSCHAFT • Dreißigjähriger durchgehender Aufenthalt in Österreich • Fünfzehnjähriger Aufenthalt bei Nachweis nachhaltiger Integration • Sechsjähriger Aufenthalt und mindestens fünfjährige Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger in gemeinsamem Haushalt • Sechsjähriger Aufenthalt in Österreich und Status als Asylberechtigter • Sechsjähriger Aufenthalt bei Geburt in Österreich • Besondere Verdienste um die Republik Österreich

derzeitige Praxis klar geregelt und bewährt. Teilweise anders sieht das Helga Krismer, Klubobfrau der niederösterreichischen Grünen: „Menschen, die hier geboren sind und deren Eltern rechtmäßig in Österreich niedergelassen sind, sollen nach dem Bodenprinzip automatisch die Staatsbürgerschaft erhalten.“ Sie warnt zudem vor möglichem Missbrauch bei der Verleihung von Staatsbürgerschaften wegen besonderer Verdienste um die Republik. Hier brauche es klare Regeln und keinen Ermessensspielraum. Auch Indra Collini, Landesparteichefin der NEOS, tritt für Änderungen und eine schrittweise Liberalisierung ein. „Es gibt Änderungen, die das Leben der Menschen vereinfachen würden. Wir wünschen uns die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft. Auch eine einheitliche europäische Staatsbürgerschaft wäre eine Erleichterung.“ Unterschiede in den Ländern Verantwortlich für die Zuerkennung der Staatsbürgerschaft sind die Bundesländer. Doris Schulz, Leiterin des Fachbereichs Staatsbürgerschaft der NÖ Landesregierung, erklärt den Ablauf: „Das Verleihungsverfahren wird in Niederösterreich dezentralisiert abgewickelt. Die Parteien können nämlich ihre Anträge auf der BeMFG 02.18

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MFG URBAN KOLUMNE BEATE STEINER

WER WILL MICH?

NIEDERÖSTERREICH-FRAGEN FÜR DEN EINBÜRGERUNGSTEST (jeweils eine richtige Antwort ankreuzen)

Welche Armee befreite Niederösterreich 1945 vom Nationalsozialismus? Sowjets Franzosen Briten

HAUSVERSTAND

FOTO: ROMOLO TAVAN-FOTOLIA.COM

Er ist verschwunden – übermalt von bunten Facebook-Bildern, übertönt von schrillen MarketingSchreien, verdrängt von verheißungsvollen Polit-Versprechen. Er ist weg – der Hausverstand nämlich, dieses einfache, natürliche Urteilsvermögen, das sich auf die Vernunft bezieht und auf die Erfahrungen des homo sapiens. Letzteres hat dem Hausverstand vermutlich die Existenz entzogen, beziehen sich doch die zum Denken genutzten Erfahrungen vieler Menschen nicht mehr aufs reale, sondern aufs virtuelle Leben. Die Frau Staatssekretärin ist ja diesbezüglich als Role Model im Fernsehen aufgetreten, als sie Facebook als Bestätigung ihrer Theorien bemüht hat. Beweise für fehlenden Hausverstand gibt’s natürlich auch in sozialen Netzwerken im heimischen Umfeld: die unzähligen Warnungen vor weißen Vans, die Kinder vor Schulen verschlucken; oder die vielen, vielen vergifteten Katzen, von deren Meuchelmord die Polizei noch nie gehört hat; oder die Hasenläufe unterm Schnee, die einfühlsame FB-Nutzer als über die Regenbogenbrücke entschwundene Hundeseele beweint haben. Ein besonders beeindruckendes Beispiel ist das Bild von der toten Kuh, die ein Wolf ins Jenseits gebissen haben soll. Der muss allerdings mit Skalpell gejagt haben, denn das riesige Rind liegt in der Wiese, unversehrt vom Schwanz bis zur Schnauze. Nur über den Rippen sind Fell und Muskeln fein säuberlich entfernt – von Fotoshop oder Co., sagt der Hausverstand. Fake News heißen all diese Aufreger im Neu-Sprech. Und die sollte ganz leicht erkennen, wer „common sense“ mitlesen lässt.

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Wie hieß Niederösterreich von 1938 bis 1945? Reichsgau Wien Reichsgau Niederösterreich Reichsgau Niederdonau Wieviele Bezirkshauptmannschaften hat Niederösterreich? 20 21 22

zirksverwaltungsbehörde einbringen, in deren Sprengel ihr Hauptwohnsitz gelegen ist.“ Auch ein ausführliches Beratungsgespräch werde vonseiten des Landes angeboten. Auf Bundesebene ist vor allem der Integrationsfonds für die Beratung und Durchführung von Kursen zuständig. Klickt man sich durch die Homepage, nimmt das Thema Staatsbürgerschaft aber nur einen sehr untergeordneten Platz ein. Man liest zwar von Werte- und Deutschkursen, Integrationsvereinbarungen und Weiterbildungen, ob die Integrationswilligen aber letztlich auch österreichische Staatsbürger werden, scheint nebensächlich. Auch eine offizielle Seite des Innenministeriums zur Staatsbürgerschaft, die Infor-

STAATSBÜRGERSCHAFT? Sandra hat vor lange in Österreich zu bleiben. Die Staatsbürgerschaft wäre für sie vor allem wegen des Wahlrechts wichtig.

mationen über den Ablauf des Verfahrens und die Prüfungen liefert, wird augenscheinlich nicht mehr gewartet – Wolfgang Sobotka und Sebastian Kurz scheinen dort noch als Innenbzw. Außenminister auf. Blickt man auf die Statistik, dann ist Handlungsbedarf durchaus gegeben. Die Zahl der Einbürgerungen ist in den letzten Jahren bei weiterhin starkem Zuzug merklich zurückgegangen. Nachdem in den Jahren 2003-2005 im Schnitt etwa 5.000 Niederösterreicher eingebürgert wurden, waren es in den letzten Jahren nur noch knapp über 1.000 Personen. Das entspricht einer Einbürgerungsquote von etwa 0,7 Prozent, was auch im europäischen Vergleich niedrig ist. Politisch ist der Wille nach einer Erhöhung dieser Zahlen bzw. nach dem Setzen von Anreizen nicht wahrnehmbar. Für Erleichterungen treten von den im Landtag vertretenen Parteien nur die NEOS und die Grünen ein. Die Staatsbürgerschaft wird vorwiegend als Privileg gesehen, weniger als notwendige Voraussetzung für die gesellschaftliche Teilhabe. Vor allem für Bürger aus anderen EU-Staaten gibt es außer dem Wahlrecht wenige Gründe, sich um den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu bemühen. Demokratiepolitisch bleibt zu fragen, ob es auf Dauer sinnvoll ist, einen signifikanten Teil der Bevölkerung auf diesem Weg von der demokratischen Mitbestimmung auszuschließen.


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MFG URBAN

PARKRAUMBEWIRTSCHAFTUNG Die Zukunft des Sonnenparks im St. Pöltner Süden scheint gesichert. Nachdem das Rathaus schon im Sommer 2016 mitteilte, dass der Park erhalten bleiben soll, wurden nun Pachtverträge ausgearbeitet. Doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail.

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ahrelang wurde betont, dass die Lage am Sonnenpark ganz verzwickt ist. Das Grundstück gehört der Stadt, ist großteils als Reservefläche für Wohnbau gewidmet. Doch mit liebevoller Pflege und viel Arbeit wurde es seit dem Jahrtausendwechsel aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst. Plötzlich war das vergessene Areal ein Aushängeschild der alternativen Kunst- und Kulturszene, der nachhaltig-ökologischen Vordenkerschaft, eine Spielwiese für Partizipation. Rund um die Gemeinderatswahl 2016 entstand eine immer breitere Bewegung, die ihr Ziel im Namen trug: „Sonnenpark bleibt“. Sie sollte recht behalten. 46

Seit der Ankündigung, dass der Park erhalten bleibt, sind eineinhalb Jahre ins Land gezogen. Die Verträge zwischen der Stadt und den Vereinen befänden sich gerade in Ausarbeitung, hieß es immer wieder. Der Teufel stecke im Detail. Wer ist denn in Zukunft schuld, wenn ein Baum umfällt und jemanden erschlägt? Die Stadt als Grundstückseigentümerin? Ein Verein als Nutzungsberechtigter – oder als Pächter? Wer kümmert sich um die Einhaltung von Auflagen? Und wie wird sichergestellt, dass der Park der Öffentlichkeit zugänglich bleibt, zugleich aber weiterhin den nötigen Freiraum für die Protagonisten bietet?

Wo ein Wille, da ein Weg. Und so verkündete das Rathaus im Dezember 2017, dass nun Pachtverträge mit den Vereinen „Sonnenpark“ und „LAMES“ abgeschlossen werden „um für Rechtssicherheit und damit eine klare Abgrenzung von Rechten und Pflichten sowohl der Vereine als auch der Stadt als Grundeigentümerin zu sorgen“. Wie diese Verträge nun konkret aussehen – und wie die bisher immer wieder beschworenen Probleme nunmehr gelöst wurden – bleibt aber Verschlusssache. Es sei nicht üblich, dass Verträge offengelegt werden, heißt es aus dem Rathaus. Die zugehörigen Beschlüsse wurden praktischerweise


TEXT: MICHAEL MÜLLNER | FOTO: ELIAS KALTENBERGER

Pächter können wir nun aber auch externe Gutachter beauftragen, uns gegen Restrisiko versichern.“ Zudem hofft man auf Unterstützung der Stadt und anderer Stellen. Vieles sei besprochen und in Aussicht, nicht alles könne man aber mit Verträgen regeln, es brauche Vertrauen und Kooperation.

auch im geheimen Stadtsenat beschlossen, nicht im öffentlichen Gemeinderat. Auch die Vereine Sonnenpark und LAMES wollen die Verträge nicht veröffentlichen – eine verkürzte Berichterstattung über Vertragsinhalte könnte womöglich Sand ins Getriebe der zukünftigen Zusammenarbeit bringen. Der Kulturverein LAMES jedenfalls pachtet die Häuser und die unmittelbar angrenzende Wiese. Den Rest des vier Hektar großen Areals mit der weitläufigen Parklandschaft pachtet der Verein Sonnenpark, dessen Obmann Markus Weidmann-Krieger berichtet: „Ein Pachtvertrag ist ein komplexes Thema, beide Seiten gehen Verpflichtungen ein, haben aber auch Rechte. Wir zahlen Pachtzins und übernehmen Verantwortung für Verkehrssicherheit der Wege oder im Hinblick auf Bäume. Darauf haben wir schon bisher geachtet, da ist viel Know-how vorhanden und die Ausgangslage nicht wirklich neu. Als

Bürgern vertrauen Viel Arbeit lag darin „Überzeugungsarbeit zu leisten, dass Vereine sowas überhaupt können. Dass man Bürgerinnen und Bürgern vertraut, dass sie das anders als üblich aber gut lösen.“ Der Zehnjahresvertrag ermöglicht langfristiges Planen und Zugang zu Fördertöpfen, auch EU-Projekte will man auf den Sonnenpark aufmerksam machen und so die nötigen Subventionen für den Fortbestand und die Weiterentwicklung des Areals lukrieren. Wie bei jedem Verein ist Partizipation auch am Spratzerner Kirchenweg ein großes Thema. „Ein Fest läuft einen Tag, das finden alle super und machen mit. Aber laufende Partizipation ist schon schwieriger. Wir arbeiten daran diesen Auftrag das ganze Jahr zu erfüllen, wollen Erholungsraum bieten, mit Schulen gemeinsam arbeiten, ein Wegweiser in Richtung Nachhaltigkeit sein“, so Weidmann-Krieger. Dass die Verträge nicht regeln, dass die Vereine das Areal öffentlich zugänglich machen müssen, ist für den Sonnenpark-Obmann kein Problem. „Unsere Statuten legen die niederschwellige Ausrichtung unserer Vereinsarbeit fest. Der Sonnenpark wird wie bisher für jeden offen stehen.“ Viele Konzepte liegen in der Schublade bereit und warten nun auf Umsetzung. Gerade im Bildungs- und Forschungsbereich kann man nun in Fünf- und Zehnjahresabständen weiterdenken. Was nach den zehn Jahren ist? „Dann waren wir hoffentlich schon erfolgreich Kulturhauptstadt und setzen die bewährte Zusammenarbeit fort!“ Im „worst case“ hat sich die Stadt den ursprünglichen Plan A jedenfalls nicht verbaut. Die bestehende Widmung als Wohnbauland ist weiterhin aufrecht und sollte die Stadt das Areal in Zukunft veräußern, kommt die Genossenschaft zum Zug.

WA S I S T D E R S O N N E N PA R K ? Der Sonnenpark am Spratzerner Kirchenweg blickt auf eine abwechslungsreiche Vergangenheit zurück. Vor dem Ersten Weltkrieg war eine Werkzeugfabrik angesiedelt. Ab den 1930er-Jahren wurde das Areal als Privat- und Betriebsgelände genutzt – als Parkanlage, zur Pferdezucht und als Gutshof, dank der Wasserkraft des Mühlbaches auch als Hammerwerk und Sensenschmiede. In den 80er-Jahren wurde es ruhig, das Areal befand sich als Reservefläche im städtischen Eigentum, diente während der Balkankriege als Unterkunft für bosnische Flüchtlinge. Im Jahr 1999 stellte die Stadt die Fläche dem Kulturverein LAMES (La Musique Et Sun) zur Verfügung, es blieb bei einem losen, jederzeit widerrufbaren Nutzungsrecht. Jedoch wuchs auf dem „vergessenen“ Areal eine bunte Szene, die über die Stadtgrenzen hinaus beachtet wird. Der Ort selbst wurde zum maßgeblichen Faktor – von der schlichten Bühne des „SKW83“ hin zum markanten Aushängeschild als urbaner Naturraum. Ein drei Kilometer langes Wegenetz entsteht, die naturnahe Bewirtschaftung der Grünfläche führt zum Entstehen eines zweiten Vereines, der sich für den Erhalt des Sonnenpark genannten Areals einsetzt. Eigentlich sieht ein Gemeinderatsbeschluss vor, das Areal an eine Baugenossenschaft zu verkaufen, diese will dort Wohnungen errichten. Nach jahrelangen Diskussionen und einer zunehmend breiten Bewegung zum Erhalt des Areals („Sonnenpark bleibt“) bekennt sich St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ) nach der Gemeinderatswahl im Juni 2016 zum Erhalt. Zwischen der Stadt als Grundeigentümerin und den beiden dort aktiven Vereinen soll eine Vertragsbeziehung offene Fragen klären und Rechtssicherheit schaffen, wie der Stadtsenat im Dezember 2017 auch formal beschließt. Im Laufe der Jahre heimsten die Vereine laufend Auszeichnungen und Preise ein – nicht nur für künstlerische Programmierung, auch für nachhaltige Erschließung der ökologischen Aspekte des Areals. Mit dem bereits achten Sonnenparkfest am 9. Juni 2018 wollen die Organisatoren heuer ein Fest für tausend Besucher planen – und dabei auch feiern, dass es erstmals eine langfristige Perspektive für zahlreiche Projekte am Areal gibt.

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VENI, VIDI, VICI!

Eine Regierung bekommt – zumindest der Mär nach, denn die Realität sieht ohnedies anders aus – die berühmten ersten 100 Tage „Schonfrist“, bevor sie sich der öffentlichen Kritik stellen muss. Diese erste Hundertschaft an Tagen hat mittlerweile auch Otto Raimitz mit seinem Schau.Spiel am Rathauslatz hinter sich, wobei ihm vor einer Bilanz nicht bange sein muss: Die fällt nämlich sensationell aus und fällt in die Kategorie. „Ich kam, sah und siegte.“

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aschingsdienstag – 8 Uhr in der Früh! Während mit Puderzucker bestreute Gesichter den schon frühmorgendlichen Krapfenkonsum einiger Passanten verraten, steht Otto Raimitz im Hippie-Kostüm hinterm Tresen seines Lokals „Schau.Spiel“. Den Tag hat er unter das Generalthema „Mamma Mia – ABBA-Party“ gestellt, aus dem Lautsprecher begrüßt mich konsequenterweise „Dancing Queen“, und man darf mutmaßen, ob 48

Raimitz nun eher Benny oder Björn verkörpert. Wobei die Hippie-Wäsch ganz gut seine jugendliche, offene, mutige Geisteshaltung zum Ausdruck bringt, die den Gastronomen ausmacht. Und wenn es vielleicht nicht gleich nach Revolution riecht, was er gastronomisch so auf die Beine stellt, so ist da jedenfalls ein gehöriger Schuss Individualität und Nonkonformismus im Spiel, die seinen Lokalen letztlich ihren Esprit verleihen und

damit entscheidend zum Erfolg beitragen. Der hat sich auch in St. Pölten unmittelbar eingestellt und selbst Raimitz in dieser Dimension überrascht. „Das Schau.Spiel hat im Dezember mehr Besucher gehabt als das Kremser Wellen.Spiel im August!“, verrät er und zeigt mir den bisherigen Umsatz: „Ich hab ja keine Geheimnisse, und der Herr Finanzminister liest heute sowieso im Computersystem mit“, lacht er. Die Zahlen sind tatsächlich beeindruckend, noch beachtlicher ist aber die Tatsache, dass der Anfangshype, oftmals genährt von Schaulustigen und Ersttätern, mittlerweile nahtlos in eine ungebrochen hohe Nachfrage und Auslastung von Wiederholungstätern übergegangen ist. Schon jetzt in der Früh sind zahlreiche Tische im Lokal besetzt, und es gibt praktisch keinen einzigen, den nicht eine „Reserviert“-


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER

Es ist schon bemerkenswert, wenn sich 9 von 10 Kunden persönlich bei mir bedanken. OTTO RAIMITZ

Karte ziert. „Morgen (Valentinstag, Anm. d. Redaktion) sind wir den ganzen Tag über komplett ausgebucht, in der Früh, mittags und am Abend“, freut sich Raimitz. Auf den Tischen werden dann Gasluftballons in Herzform schweben, jede Dame wird eine Rose bekommen, romantische Musik und gedämpftes Licht werden für „Love is in the air“ sorgen. 0815 ist definitiv Raimitz gastronomische Sache nicht, und genau „das taugt den Besuchern, die offen sind für unsere internationalen Konzepte. Bei uns soll man gut essen können, frisch, mit Zutaten von den regionalen Bauern, wobei wir regelmäßig die Karte ändern. Genauso soll sich aber jemand, der nur einen Espresso will, bei uns wohlfühlen – und das von 7.30 Uhr in der Früh bis 1 Uhr nachts.“ Dass „manch Spezialist“, wie Raimitz im Hinblick auf ein negatives FB-Posting meint, bisweilen falsche Erwartungen miteinbringt – „wir wollen ja kein Haubenlokal sein, wie mancher zu glauben scheint, das interessiert mich gar nicht“ – ärgert ihn offensichtlich, zumal wenn in seinen Augen unhaltbare Vorwürfe aus der Deckung abgefeuert werden. „Früher hat man es halt dem Kellner gesagt, wenn einem etwas nicht passt, dann konnte man das vor Ort diskutieren. Aber heute behauptet man einfach etwas und teilt es gleich mit 3.400 anderen – da kann man sich nur schwer wehren.“

Wobei dies ohnedies nicht notwendig ist. Auf Facebook hat das Schau.Spiel eine durchschnittliche Bewertung von 4,9 von fünf Sternen – ein absoluter Traumwert – und die St. Pöltner haben Raimitz ohnedies sofort ins Herz geschlossen. „Es ist schon bemerkenswert, wenn 9 von 10 Kunden zu mir herkommen und sich persönlich bedanken. Das hab ich so noch nirgends erlebt“, freut er sich über die Anerkennung. Den bei manch Mitbewerber aufkeimenden Neid nimmt er nicht weiter tragisch und versichert, „dass ich sicher nicht gekommen bin, um irgendjemandem etwas wegzunehmen oder weh zu tun.“ Ganz im Gegenteil gehört er zur Fraktion jener, die „ein gemeinsames Zusammenrücken, auch in der Gastronomie“ für zielführend hält, um den Standort insgesamt weiter zu pushen – und damit allen zum Vorteil zu gereichen. St. Pöltner Riesenschritte und Potenziale Den Schritt nach St. Pölten hat er jedenfalls bislang „keine einzige Sekunde bereut. Die Stadt taugt mir einfach. Man spürt regelrecht diese Dynamik, wie St. Pölten Richtung wirklicher Landeshauptstadt driftet. Für mich als Kremser ist unübersehbar, dass St. Pölten gerade einen Riesenschritt nach vorne macht.“ Diese Wertschätzung der Hauptstadt gegenüber tritt auch in kleinen

netten Details zutage. So hat Raimitz seine La Marzocco-Espressomaschine von einem befreundeten Airbrusher auch mit St. Pölten Motiven verzieren lassen. Stellt sich umgekehrt die Frage – wenn wir schon die Chance dazu haben – was der unvoreingenommene neutrale Kremser Blick an weniger prickelnden Dingen in der Landeshauptstadt wahrnimmt, für die der eingeborene St. Pöltner möglicherweise schon betriebsblind ist. „Was ich ehrlich furchtbar finde, ist das grausliche Häusl in der Rathausplatz Tiefgarage – das ist immerhin der Eingang zur Stadt, für viele Besucher, die mit dem Auto kommen, der erste Eindruck von St. Pölten überhaupt!“ Ebenso stört es Raimitz, dass bisweilen Gerümpel am Rathausplatz länger liegen bleibt oder Mistkübel übergehen „und dass am Domplatz beim Genuss einer guten Leberkässemmel daneben Leichen freigelegt werden, das ist auch ein bisserl makaber!“, kann er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Irritiert zeigt sich der St. Pölten Rookie auch von der Parkplatzdiskussion rund um den Domplatz. „Ich kann ja von autofrei nur reden, wenn ich schon dementsprechend Alternativparkplätze habe. Wenn es die aber noch gar nicht gibt, dann kann ich nur warnen: In Krems gab es eine vergleichbare Situation, das hat sich furchtbar auf die Innenstadt ausgewirkt – da haben wir MFG 02.18

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MFG URBAN G A S T R O N O M I S C H E R W E L L E N - , G E N U S S - , K U N S T- U N D S C H A U S P I E L E R

Otto Raimitz wurde die Gastronomie praktisch in die Wiege gelegt. „Schon im Alter von vier Jahren gibt’s ein Foto von mir, wo ich mit Kochlöffel in der Hand und Kochmütze auf dem Kopf abgebildet bin“, verweist er lächelnd auf eine dementsprechende Konditionierung. Tatsächlich gründete schon der Ururgroßvater

1820 eine Bäckerei samt Café in Krems, mittlerweile ist die 5. Raimitz Generation am Werken. Die Schwestern führen die gleichnamige Konditorei samt Kaffeehäusern in Krems, und während wir mit Raimitz plaudern, ruft auch die über 70-jährige Frau Mama in Sachen Business an. Junior Otto selbst, der Bäcker/Konditormeister lernt, geht in jungen Jahren freilich seiner eigenen Wege, „auch weil ich bald merkte, dass es mich zum Management hinzieht.“ In Folge arbeitet er rund um den Globus, von New York bis Neuseeland, zu Land und zu Wasser. Zurück in Österreich wird er Bankettleiter im Wiener Rathauskeller, „wo wir Caterings für coole Veranstaltungen wie den Lifeball etc. gemacht haben“, schließlich Direktor des Hilton-Hotels am Handelskai. „Ich stand dann schon auf der Transferliste nach Dubai, sollte das dortige Hilton übernehmen, als ich meine Frau kennenlernte.“ Aus Dubai wird Langenlois, aus dem Hoteldirektor Unternehmer, „denn vor 15 Jahren habe ich das Café Piano an der Donaulände übernommen.“ Heute

firmiert das Stammhaus unter dem Namen „Café Konditorei Otto.Raimitz“, und war der Gastronom zuvor eben noch Vorgesetzter von 1.200 Mitarbeitern, versuchte er nun mit drei Mitarbeitern „als Unternehmer Fuß zu fassen.“ Was nachhaltig gelang, es folgten das Wellen. Spiel, das Genuss.Spiel sowie das Kunst. Spiel. Zudem hat sich Raimitz die Option auf die Gastronomie in der neuen Landesgalerie Niederösterreich gesichert. Schließlich setzte er zum Sprung über die Donau nach St. Pölten an und eröffnete das Schau.Spiel, dem auch hierzulande weitere Geschwister folgen könnten. Klingt nach viel Arbeit und Stress – ist es auch! Ruhe findet Raimitz v. a. daheim in Langenlois, wo er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt. Und zum Ausgleich betreibt er Sport, u. a. geht er zweimal die Woche Kickboxen. „Das brauch ich einfach, weil sonst kannst du dich in dem Job nach kürzester Zeit ‚kübelieren‘!“, lacht er und huscht, nach einem festen Händedruck, zum nächsten Termin. www.schauspiel.at

heut 50 Leerstände!“ Gerade Innenstädte „als das pulsierende Herz einer Stadt“ müsse man hegen und pflegen. „Ich würde ja zum Beispiel auch am Markttag gar keine Parkgebühren verlangen, weil das bringt die Leute in die Stadt – und davon lebt die Innenstadt letztlich.“ Wobei Raimitz explizit festgehalten wissen will „dass ich sicher niemanden belehren möchte. Ich bin ja nicht der Gastrohäuptling oder irgendwas“, lacht er. Sehr wohl ist er aber ein

Mensch mit einem Blick aufs Ganze und, aus Erfahrung zahlreicher Auslandsreisen rund um die Welt, mit dem Wissen um die Wichtigkeit von Design und Auftritt. „Die Plätze in St. Pölten sind ja wunderschön. Warum haben wir etwa beim Schau.Spiel 15m zum Platz aufgemacht und eine Glaswand installiert, die man öffnen kann? Ganz einfach, damit man den geilen Platz sieht!“ Und derer gebe es mit Domplatz, Herrenplatz, Riemerplatz und eben Rathausplatz gleich vier, die mit

den Straßenzügen dazwischen „eine richtige Genuss- und Flaniermeile bilden könnten. Das gehört aber auch schön designed, da müssen alle an einem Strang ziehen, und zwar nach klaren Vorgaben. Warum sind etwa die Innenstädte von Bozen, Meran oder anderen italienischen Städten so beliebt? Ganz einfach weil die Bürger sie wie ihre verlängerten Wohnzimmer wahrnehmen und herrichten. Diese Liebe spürt man. Und deshalb haben die Plätze dort auch einen so hohen

Das wird sicher nicht das letzte Lokal sein, das ich in St. Pölten aufmache! OTTO RAIMITZ

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Stellenwert und Wohlfühlfaktor.“ Eine solche Aufwertung – nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Bewerbung St. Pöltens zur Kulturhauptstadt – kann sich Raimitz absolut vorstellen, wobei er nicht zur Sorte Dampfplauderer gehört, sondern selbst, wenn man so will, mit gutem Beispiel vorangeht. Mit seinem Gastgarten möchte er etwa, um in obiger Diktion zu bleiben, dazu beitragen, dass der Rathausplatz noch geiler wird. In Grie-

chenland werden gerade die OutdoorMöbel dafür gefertigt „in weiß und grau“, Oliven- und Zitronenbäume sollen zum mediterranen Flair ebenso beitragen wie sein neuer Eiswagen, eine klassische Ape, die auch an anderen Orten der Stadt auftauchen wird. Und geht es nach Raimitz, so es die Behörde erlaubt, würde er auch gerne den Brunnen am Rathausplatz integrieren. Lässige Musik, ein Smoker, chillige Atmosphäre, coole Drinks

sollen das Wohnzimmer-Erlebnis abrunden. „Wir werden jedenfalls Vollgas geben!“, verspricht er – und man glaubt ihm! Ebenso jener Ansage, die er am Ende des Interviews tätigt und seine Begeisterung für St. Pölten unterstreicht. „Das wird sicher nicht das letzte Lokal sein, das ich in St. Pölten aufmache!“ Nach einer geeigneten Location hält er schon Ausschau. Der Stadt kann es nur guttun!

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YOU’VE GOT A MATCH Kinder und Jugendliche suchen oft jemanden zum Zuhören, zum Reden oder zum Aufschauen. Der Verein „Big Brothers Big Sisters“ sucht deshalb Mentorinnen und Mentoren, die diese Aufgabe übernehmen – seit kurzem auch in St. Pölten.

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ie Idee ist nicht ganz neu: Bereits vor 113 Jahren wurde der Verein in den USA gegründet. Schon damals war es das Ziel, in dem direkten Mentoringprogramm die individuellen Potentiale der Kinder zu fördern. So auch beim Ableger in Österreich: Seit 2011 gibt es das Programm – seit Oktober 2016 auch außerhalb von Wien, nämlich in St. Pölten. Von Beginn an war der Psychologe Oliver Wenninger in Österreich zuständig. Im Gespräch erzählt er, dass auch sein eigener Weg nicht der geradlinigste war: Mit 15 hat er die Schule abgebrochen, danach eine Lehre absolviert und viele Jahre als Maskenbildner für Theater und Film gearbeitet. Schließlich entschied er sich, im zweiten Bildungsweg Psychologie zu studieren. Seit über fünf Jahren steht er nun dem Verein vor und erzählt mit Begeisterung von der bisher erfolgten Arbeit sowie den Zukunftsplänen. 52

Obwohl Big Brothers Big Sisters kaum Geld in Werbung investiert, erfährt der Verein ständig Zulauf: So kennen bereits viele Lehrer das Programm und empfehlen es weiter, außerdem meldet sich in Wien die MA 11, das „Amt für Jugend und Familie“, mit potentiellen Kindern und Jugendlichen. Viele Familien kommen auf Empfehlung anderer Eltern und Jugendlicher, die bereits im Programm sind. Prinzipiell kann sich jedes Kind anmelden – tatsächlich kommen viele aber aus schwierigen Verhältnissen, machen vielleicht gerade eine schwierige Phase in ihrem Umfeld durch und brauchen deshalb Unterstützung sowie eine helfende Hand von außen.

Das ist nicht nur ein Gewinn für das Kind, sondern für beide. OLIVER WENNINGER

Bunt gemischt – bei Jung und Alt Oliver Wenninger und seine Kollegen sind es dann, die mit jedem einzelnen Kind (den sogenannten Mentees) und jedem potentiellen Mentor zahlreiche Gespräche führen. Doch wer sind diese Kinder und Jugendlichen genau, wer die Erwachsenen? Im Jahresbericht 2016 bietet der Verein Einblick in die soziodemografischen Werte: So sind 80 Prozent aller Mentees zwischen 10 und 18 Jahren alt. Fast zwei Drittel der Kinder wachsen in Ein-Eltern-Familien auf, ein Viertel mit beiden Eltern. Die Hälfte der Kinder und Jugendlichen besitzt Migrationshintergrund, fünfzehn Prozent der Mentees haben Fluchthintergrund. Speziell für sie hat Big Brothers Big Sisters mit „You & Me – Junge Flüchtlinge im Leben begleiten“ ein spezielles Programm entwickelt. Von den ehrenamtlichen Mentoren sind fast 70 Prozent zwischen 20 und 39 Jahren alt. Fast drei Viertel sind berufstätig, der Rest sind Studierende, Menschen in Ausbildung oder Pensionisten. Zudem weisen auch bei den Erwachsenen 30 Prozent einen Migrationshintergrund auf. Wobei es letztlich sozusagen auf den Mix ankommt: Denn abseits aller Zahlen und Fakten gibt es natürlich ganz unterschiedliche Charaktere, und hier setzt eine Aufgabe des Psychologenteams an: Das passende Tandem zusammenzuschließen. Daher unterhalten sie sich mit den Kindern und deren Eltern bzw. Erziehungsberechtigten ebenso wie mit den fertig ausgebildeten Mentoren und versuchen ähnliche Interessen, ähnlichen Humor etc. herauszufiltern. V. a. orientiert man sich an den Bedürfnissen der Kinder. Dieser Prozess des sogenannten „Matchings“ wird sehr ernst genommen: „Die gute ‚Passung‘ wird nicht hintangestellt, selbst wenn ein Kind zum Beispiel schon lange auf der Warteliste ist. Es geht uns echt darum, dass das Tandem wirklich gut zusammenpasst“, erklärt Wenninger. Bestätigte Wirkung Die Grundidee hinter der Initiative ging anno dazumal vom New Yorker Gerichtsschreiber Ernest Coulter aus,


TEXT: DOMINIK LEITNER | FOTOS: BIG BROTHERS BIG SISTERS/ZVG

ROSA VON SUESS

der die steigende Anzahl jugendlicher Straftäter senken wollte. Heute bestätigen wissenschaftliche Studien den Erfolg von Mentoring: So haben Teilnehmer des Programms eine um ein Drittel geringere Wahrscheinlichkeit für Alkohol- und Drogenmissbrauch als in Vergleichsgruppen, ein besseres Verhältnis zu Eltern und Gleichaltrigen. Das US-amerikanische Marktforschungsinstitut Harris International hat 2009 zudem festgestellt, dass 77% der Teilnehmer einen besseren schulischen Erfolg aufweisen. Aktuell führt auch die Sigmund Freud Privatuniversität Wien eine Langzeitstude über die Wirksamkeit des Programms in Österreich durch. An dieser Studie nimmt auch die FHProfessorin Rosa von Suess, eine der Mentorinnen in St. Pölten, teil: Sie ist seit Juni 2017 Mentorin bei Big Brothers Big Sisters, weil ihr „soziales Engagement für junge Menschen wichtig ist.“ Gemeinsam mit ihrem Mentee Janaa, einem neunjährigen Mädchen, bildet sie das 200. Tandem in Österreich. Von Suess ist überzeugt, dass man positiv auf den Mentee einwirken

kann. So erzählt sie, „dass die Lehrerin von Janaa etwa Fortschritte in Mathematik festgestellt hat. In unserer wohlwollenden Beziehung lässt sich in Bezug auf das Lernen sehr schnell viel erreichen.“ Mit Janaa würde sie „ein perfektes Team bilden. Wir beide recherchieren sehr gerne und suchen gerne Antworten auf Fragen, die sich uns im Alltag stellen“, erzählt von Suess und spricht auch über den Austausch der Mentoren untereinander: „Ich kenne mittlerweile alle Mentoren aus St. Pölten und einige aus Wien. Wir alle sind immer wieder erstaunt, wie es das Big Brothers Big Sisters-Team schafft, dass das Matching so gut funktioniert.“ Immer auf der Suche Aktuell gibt es über 220 Tandems, der Bedarf ist aber höher – weitere Jugendliche stehen auf der Warteliste. Deshalb ist Big Brothers Big Sisters nach wie vor auf Suche nach Mentoren, insbesondere auch Männern. Die nächste Möglichkeit, sich über das Projekt zu informieren, das von der ERSTE Stiftung und der Privatstiftung der Sparkasse NÖ Mitte West AG unterstützt wird, gibt es am 21. März in der Sparkasse Domgasse 5 beim sogenannten „Big Talk – ein Gespräch unter Mentor/innen und allen die es werden wollen!“ Voranmeldung unter mentoring@BigBrothers-BigSisters.at! www.bigbrothers-bigsisters.at

MATCHMAKER. Im Gespräch erläutert Oliver Wenninger den Ablauf des Aufnahmeverfahrens und warum er glaubt, dass das Mentoringprogramm noch weiter wachsen wird.

KOLUMNE TINA REICHL

SCHLOF GUAD Es gibt Katzenmenschen und es gibt Hundemenschen. Dazwischen gibt es nichts. Das ist wie mit Red Bull, entweder man liebt es oder man kann nicht einmal den Atem riechen von jemandem, der gerade einen Schluck getrunken hat. Ich bin ein Red Bull- und ein Katzenmensch. Ich habe nie verstanden, wie man so blöd sein kann, sich einen Hund anzuschaffen. Bis auf diesen Moment letzte Woche, als ich vom Tod der geliebten Hündin meiner Freundin Uschi erfahren habe, und sie mir den Abschiedsbrief ihrer Teenager-Tochter an den treuen Vierbeiner geschickt hat. Jetzt verstehe ich! Danke Hannah! „I was, dass du mi hean kausd, es is so leise und leer, owa i was, dass du auf uns owe schaust. Jedn Tog, a waun a nu so Scheiße woa, woa perfekt, soboid i di gseng hob. Woun du mi augschaut hosd und great hosd vor Freid, is jedesmoi de Sun in meim Herz aufgaunga. Jedes moi, waunst ohne reden ois erste gmerkt hosd, das wos ned stimmt mit mir, jede Nocht, dest bei mir gschlofn hosd und ma in gaunzn Plotz weggnumma host, weusd afoch so a Prinzessin bist, jedes moi, waun ma gsogt hod: ´Kumm, Georgia! Gemma spaziern!´, hosd dreigschaut, wia waunst im Lotto gwunna häsd. I kunnt nu tausend Sochn aufzöhn und warad imma nu ned fertig. Es gibt kane Wörter fia des, wos du fia mi bist und immer fia mi sei wirst. Und i was, dass du grod neben mir sitzt und immer weida zu mir ruckst. Danke, dass du mi 8 Joah laung begleitet hosd. Mei Puppi, mei Weiwi, mei Mentschi, mei Schatzi, mei Baby, mei Georgia. I lieb di unendlich. I vermiss di unendlich. Schlof guad mei klane, perfekte Wöd.“

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FOTO: ADOGSLIFEPHOTO-FOTOLIA.COM

Wir alle sind immer wieder erstaunt, wie gut das Matching funktioniert.

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SHORTCUT KULTUR

FOTOS: KONSTANTIN MIKULITSCH, MARKUS FREISTÄTTER, OTTO MÜLLER VERLAG/ZVG

KOLUMNE THOMAS FRÖHLICH

HANNA, GEGANGEN Sie war einfach ... da. Nicht wegzudenken aus dieser Stadt. Ob man mit ihr geschäftlich oder privat zu tun hatte: Wenn sie etwas zusagte, dann war das unumstößlich. Punkt. Und da war ihre herzliche Freundlichkeit, die nie zu versiegen schien – auch als sich vor mehr als einem Jahrzehnt ihre Krankheit zu rühren begann. Manchmal schien Johanna Partaj diese richtiggehend zu verlachen. Weil sie auch immer voller Pläne und Träume war, ob als DJane Jeanne Dark oder als Fotografin. Vorerst als Autodidaktin lichtete sie gern Menschen in mitunter kräftigen und zugleich zerbrechlichen Posen ab, aber auch abgelegene Plätze, Orte oder Objekte, die im Verschwinden begriffen zu sein schienen. Vergänglichkeit war ein roter Faden. 2014 erhielt sie ihr Diplom für den Lehrgang für angewandte Fotografie an der FH, im selben Jahr folgte eine Ausstellung in der Rathausgalerie. Trotz wiederholter Chemotherapien ließ sich die Krankheit nicht bannen. Was Hanna nicht daran hinderte, regelmäßig mit dem Fahrrad umher zu kurven, Fotos zu schießen und sich im Kaffeehaus mit Freunden zu treffen. Sie machte nie ein Hehl aus ihrem Zustand. Aber auch in ihren tristesten Momenten versprühte sie zuweilen eine Lebensfreude, die ihresgleichen suchte. Und manchem Gesunden das Gewohnheits-Sudern zumindest vorübergehend austrieb. Und plötzlich ist sie nimmer da. Im 56. Lebensjahr friedlich entschlafen, wie es heißt. Ein essenzieller Teil dieser Stadt ist weg. Wir leben und atmen weiter, aber etwas Schales ist dabei. „Just passing through, ‚till we reach the next stage...“ (Joy Division). Wir vermissen Hanna.

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GESCHICHTENERZÄHLER

m Theater in der Josefstadt stand er schon auf der Bühne, in Soko Donau erschien er auf dem Bildschirm, und in St. Pöltens Kreativ-Akademie unterrichtet Markus Freistätter erfolgreich junge Schauspiel-„Kollegen“. Nun präsentierte er mit berühmten Kollegen wie Cornelius Obonya, Marianne Sägebrecht und Regisseur Reinhold Bilgeri im Cinema Paradiso mit Erik & Erika jenen Film, in dem er seine erste Hauptrolle in einem Kinofilm

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spielt. Er stellt Erik Schinegger dar, jenen Mann, der als Erika umjubelte Schiweltmeister­in war und dann vom Schiverband verstoßen wurde. „Das ist ein großes Geschenk, eine wahre Geschichte zu erzählen, in die Menschen hineintauchen können“, schildert der 28-Jährige die Dreharbeiten, bei denen er lange mit Erik Schinegger über dessen Leben geredet hat: „Ich habe viel mitgenommen aus dieser Rolle, Neues erfahren, meinen Horizont erweitert.“

ZEITGESCHICHTE

urch das Haus der Geschichte hat St. Pölten einen zusätzlichen substanziellen Schub in der Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte erfahren, was sich auch in Formaten wie dem Zeitzeugenforum „Erzählte Geschichte“ niederschlägt. So ist im Zuge dessen am 7. März der älteste noch lebende Holocaust-Überlebende Österreichs, der 104 Jahre alte Marko Feingold, im Gespräch mit Reinhard Linke zu Gast, und am 10. April kommt Erika Rosenberg, die Biografin von Emilie und Oskar Schindler, ins Museum Niederösterreich. Die kritische Auseinandersetzung mit Gegenwart und Geschichte durch-

dringt aber aktuell alle Kulturbetriebe. So wurde im Landestheater Niederösterreich zuletzt über die Frage „Wie gefährlich ist die Kunst?“ diskutiert, und im Stadtmuseum präsentierte Charlotte Rombach ihr Buch „Schutzbundkinder“.


MFG ADVERTORIAL

FESTSPIELHAUS ST. PÖLTEN / BÜHNE IM HOF

BRING IN ‘DA NOISE BRING IN ‘DA FUNK!

Steppt am 26. April im Festspielhaus mal nicht der Bär, sorgt ein Oscar-Preisträger für eine heiße Sohle am Parkett: Tap-Dance Legende Savion Glover präsentiert, gemeinsam mit den Tonkünstlern eine musikalisch-tänzerische Jamsession auf höchstem Niveau.

Unter dem Titel „Vier gewinnt“ könnte man den Abend am 22. März stellen, wobei die Gewinner ja eigentlich die Besucher sind. Immerhin warten im Zuge der „Nacht der Inspiration“ geballt an einem Abend gleich vier Vorträge von vier wahrlich genialen Persönlichkeiten: Whatchado-Gründer und EU-Jugendbotschafter Ali Mahlodji begeistert nicht nur Jugendliche mit seiner ungewöhnlichen Erfolgsgeschichte. Verhaltensforscher und Evolutionsbiologe Gregor Fauma erklärt unter anderem, warum das Büro ein Dschungel ist. Triathlet und Speaker Slam Gewinner Florian Wildgruber gibt Nachhilfe in Sachen Erfüllung seiner Träume, und Damian Izdebski wird ein Plädoyer für die Kultur des Scheiterns halten.

Lisa Simone ist vielmehr als nur Tochter der großen Nina Simone. Am 15. April schreit sich die begnadete Singer & Songwriterin den Blues von der Seele und haucht feinsten Soul ins Mikro. Am 19. April machen Jazzsängerin Alana Alexander und Entertainer Elliott St. Pölten eine Nacht lang zur legendären Motown. Gemeinsam mit den Tonkünstlern werden neben R‘n‘B, Blues, Rock auch Pop und symphonischer Jazz serviert.

FOTO: SAVION GLOVER © SAVION GLOVER PRODUCTIONS

Infos und Tickets unter www.festspielhaus.at |

GENIE & WAHNSINN

/festspielhaus |

/festspielhaus_st_poelten

Die Sache mit dem Scheitern ist auch eine Facette in Ernst Moldens bizarrwahnsinnigem Zaubermärchen „Mayerling. Ein Singspiel von Wilderern und Habsburgern“ am 7. April, eine Ko-Produktion mit dem Rabenhof Theater Wien. Immerhin tritt darin der untote Kronprinz Rudolf auf – dargestellt von Manuel Rubey – der den Wilderer Horstl Tiefgruber überreden will, den weißen Hubertus-Hirschen zu schießen, um endlich Ruhe zu finden. Nur, mit der Ruhe und Erlösung will das in dem grenzgenialen Singspiel von Ernst Molden, das Rabenhofchef Thomas Gratzer witzig in Szene gesetzt hat und in dem weitere Publikumslieblinge wie Eva Maria Marold oder Gerald Votava glänzen, nicht so recht hinhauen. Vergessen Sie klassische Singspiele – Musikdrama schaut heut so aus ... skurril, gruselig, cool und sehr wienerisch.

www.buehneimhof.at

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MFG KULTUR

„DAS IST DER SPANNENDSTE KULTURJOB ÜBERHAUPT!“ Die Kulturhauptstadtbewerbung St. Pöltens hat auch auf den Kulturbetrieb in Krems bereits mittelbar Einfluss genommen. Nachdem Michael Duscher nämlich zum neuen Geschäftsführer der Landeskulturhauptstadt GmbH nach St. Pölten berufen wurde, ist ihm nunmehr Klaus Moser als Leiter der NÖ Festival und Kino GmbH in Krems nachgefolgt und hat damit „den spannendsten Kulturjob übernommen, den es überhaupt gibt!“

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en Superlativ erklärt der Kulturmanager mit der unglaublichen Bandbreite seiner Tätigkeit. „Die Formate gehen von international und zeitgenössisch bis hin zu regional und traditionell.“ Außerdem genremäßig querbeet: Musik, Kunst, Film, Performance. Ab sofort verantwortet Moser von operativer Seite her das Donaufestival, das Osterfestival Imago Dei, das Festival Glatt&Verkehrt, die Europäischen Literaturtage, das Kino im Kesselhaus sowie den Klangraum Krems Minoritenkirche – alles verortet in Krems und in der Wachau. Dass Moser aufgrund seiner bisherigen Meriten um die Festivals der logische next man war, liegt nicht nur an seiner langjährigen Tätigkeit für den Betrieb, den er sozusagen in- und auswändig kennt, sondern auch an seiner ganz persönlichen wirtschaftlich-künstlerischen Konditionierung. From The West Die hat ihren Ausgang freilich nicht in den Niederungen Niederösterreichs genommen, sondern in den Bergen Tirols, und zwar out of Alpbach – genau, das ist dort, wo auch das gleichnamige Forum alljährlich die politische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Elite des Landes versammelt. Der Jungspund interessiert sich freilich damals eher für gute und laute Mucke „da hab ich die klassische Konditionierung meiner Zeit durchgemacht“, lacht er, und zählt Nirvana, Guns n’ Roses, Sepultura, dann Hendrix, The Doors oder Pink Floyd bis hin zu Sonic Youth, Pixies & Co. auf. Bei Moser endete die Liebe zur Musik freilich nicht im passiven 56

Konsum „sondern ich spielte in verschiedensten Bands! Wir hatten schon so eine Art Punkrockszene in dörflichen Strukturen!“, schmunzelt er, und selbstredend ging es da bisweilen ordentlich zur Sache: „Legendär waren die Proberaum-Partys, da hingen Posters von Neil Young an den Wänden und wir spielten halbstündige Versionen seines Songs ‚Cortez the Killer“. Insbesondere engagiert sich Moser, der die HAK in Wörgl besucht und späterhin Betriebswirtschaft und Wirtschaftspädagogik in Innsbruck studiert, auch alsbald als Veranstalter. „In der vermeintlichen Provinz gab es ja wirklich coole Festivals bei

Die Besucher kommen zum Donaufestival, weil sie ein Gesamterlebnis erfahren möchten. KLAUS MOSER

uns in Tirol, getragen von einer – bis heute – spannenden und produktiven Szene!“ Als Beispiele nennt er etwa das Innrock Festival oder den Kulturverein Kontraste. Prägend wird für Moser in dieser Zeit v. a. die P.M.K., die „Plattform mobile Kulturinitiativen“, ein Bogenlokal in Innsbruck, wo die underground-Szene zuhause ist. Das Team der P.M.K. organisiert auch das „Heart Of Noise Festival“. Moser produziert in jener Zeit etwa eigene Radiosendungen mit Karin Pernegger, der jetzigen Leiterin des Kunstraum Innsbruck, v. a. öffnet er aber seinen vormals eher musiklastigen Fokus mehr Richtung zeitgenössischer Kunst. Und daher wundert es wenig,

dass sein Radar – obwohl er nach absolviertem Studium bereits als Organisator von Masterlehrgängen an der Volkshochschule seine Brötchen verdient – trotzdem auf Kunst und Kultur ausgerichtet bleibt und schließlich bei einer Anzeige im „Standard“ 2007 anschlägt: Das niederösterreichische Donaufestival sucht Verstärkung fürs Marketingteam … Into The East Und diese Verstärkung ist Moser. Der Tiroler bricht seine Zelte in Innsbruck ab und verlegt seinen Wohnsitz nach Krems an der Donau, wo er alsbald zum Marketingleiter der NÖ Festival GmbH aufsteigt. Unter der Intendanz von Tomas Zierhofer-Kin avanciert er schließlich zum musikalischen Konsulenten des Donaufestivals, für das er v. a. auch die Bereiche Booking und Festivalkooperation zu verantworten hat. „Wir arbeiten beim Donaufestival ja mit zahlreichen Festivals wie etwa dem Berliner CTM oder dem unsound Festival Krakau zusammen. Ebenso mit österreichischen Partnern wie dem Steirischen Herbst, dem Heart Of Noise oder den Wiener Festwochen.“ Der Background ist zum einen gegenseitiger künstlerischer Austausch, zum anderen aber – v. a. aus Sicht des nunmehrigen Geschäftsführers, zu dem Moser mit 1. Jänner dieses Jahres aufsteigt – auch eine Portion schnöder Pragmatismus, um sich etwa bei Bookings nicht in die Quere zu kommen. Wobei das Donaufestival gar nicht so sehr die fetten Namen ausmachen, sondern deren Alleinstellung bei gleichzeitiger Einbindung in ein Ganzes: „Tatsächlich kennen viele


TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: FLORIAN SCHULTE, SASCHA OSAKA, ZVG

pro Tag all over Krems, auf die man sich als Besucher einlassen darf.

Besucher oft gar nicht die Künstler, die wir bringen. Aber sie kommen, weil sie ein Gesamterlebnis erfahren möchten.“ Die Bandbreite reicht dabei von Musik über Performances und Video­ installationen bis hin zu „kleinen Interventionen“, wie es Moser nennt. „Im Vorjahr wurden etwa unter dem Titel ‚Stockholm-Syndrom‘ Überraschungsformate geboten. Ein Act sang von der Bar herunter, ein anderer aus dem Auto in der Tiefgarage, wo alles in schwerem Nebel verhangen war und im Kofferraum der Subwoover hämmerte.“ Musikalisch hat man sich unter dem künstlerischen Leiter Thomas Edlinger im Übrigen vom elektronischen Fokus der letzten Jahre weg

hin zu mehr Breite entwickelt, überall spürt man einem gesamtheitlichen Ansatz nach, der – Stichwort Profilschärfung – einem Leitmotiv folgt. Das diesjährige darf Moser zwar noch nicht verraten, aber – soviel hört man heraus – es wird um Zeit und den Umgang damit gehen, gerade auch unter dem Aspekt des Umgangs mit neuen Medien. Wie verändert das unsere Gesellschaft? Was macht das mit dem einzelnen? Einer jener Stars des diesjährigen Festivals, der sich genau mit diesen Fragen beschäftigt, ist Ryan Trecartin, immerhin schon einmal „artist of the year” im Guggenheim Museum. Nur ein Highlight von insgesamt rund 20 Veranstaltungen

Bandbreite Diese Maxime gilt auch für die weiteren, von Moser als Geschäftsführer verantworteten Festivals und Institutionen, die alle für sich unterschiedliche Ansätze verfolgen. Das Osterfes­ tival „Imago Dei“ etwa „hat einen viel stärkeren regionalen Bezug als das Donaufestival“, wobei es alte Musik, Chormusik und zeitgenössische Musik vereint, aber auch hier wieder über das rein Musikalische hinausgeht. „Dazu gehören Lesungen und Gespräche mit Philosophen und Schriftstellern bzw. Klangkunst im Klangraum Krems Minoritenkirche.“ Im „Kino im Kesselhaus“ steht unter der Ägide von Kerstin Parth Programmkino am kulturellen Speiseplan samt umfassendem Rahmenprogramm, das auch die diversen Festivals cineastisch begleitet. Bleibt noch das Festival Glatt&Verkehrt, das eine Brücke zwischen traditioneller und zeitgenössischer Weltmusik schlägt und örtlich von Krems aus auch in die Wachau oder über die Donau nach Göttweig mäandert. Stolze 20 Jahre hat das Festival mittlerweile am Buckel und erfährt heuer einen Relaunch. Am augenfälligsten treten die „sanften Veränderungen“, wie es Moser formuliert, einerseits im neuen Design zutage, zum anderen in einer verdichteten Spielzeit. So wird das Sommerfestival auf rund zwei Wochen eingedampft. Die Handschrift des neuen künstlerischen Leiters Albert Hosp wird sich zudem in neuen Modulen wie etwa „Tafelmusik“ samt Einführungsgesprächen im „Salzstadl“ niederschlagen oder auch in einer noch stärkeren Einbeziehung junger, insbesondere auch österreichischer Künstler. Homebase Krems Einigende Klammer aller Einrichtungen der NÖ Festival GmbH ist letztlich Krems als DIE Homebase. Kulturell hat die Donaustadt, wie Moser überzeugt ist, durch die diversen Formate enorm profitiert, wobei ihm MFG 02.18

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MFG KULTUR

„DAS IST DER SPANNENDSTE KULTURJOB ÜBERHAUPT!“

9.3. – 2.4. Imago Dei www.klangraum.at 27.4. – 6.5. Donaufestival www.donaufestival.at 13. – 29.7. Glatt&Verkehrt www.glattundverkehrt.at 22. – 25.11. Europäische Literaturtage www.literaturhauseuropa.eu Kino im Kesselhaus www.kinoimkesselhaus.at Klangraum Krems Minoritenkirche www.klangraum.at

IMAGO DEI

GLATT&VERKEHRT - MARTIN SPENGLER UND DIE FOISCHN WIENER

die Vernetzung mit den Institutionen der Stadt, und zwar auch mit jenen außerhalb des NÖKU-Reiches, ja teils auch jenen abseits expliziter kultureller Ausrichtung ein großes Anliegen ist. „Die Kultur, die schöne Stadt, die Wachau, der Wein, die Kulinarik – all das soll zum Verweilen einladen und damit natürlich auch den Tourismus fördern.“ Die NÖ Festival und Kino GmbH sei da nur ein Baustein von vielen, wobei ein neuer gewichtiger – nämlich die 2019 eröffnende Landesgalerie Niederösterreich – schon ante portas steht. „Die Landesgalerie Niederösterreich wird schon alleine aufgrund ihrer Architektur eine neue 58

Landmark für Krems darstellen! “ Eine kulturell rosige Zukunft ortet der Kulturmanager freilich auch für die knapp 25 Autominuten entfernte Landeshauptstadt St. Pölten, wohin er neuerdings des Öfteren ins NÖKUHauptquartier im Kulturbezirk pilgert. „Die Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2024 ist eine Riesenchance für St. Pölten – aber auch für die gesamte Region!“ So könne auch Krems davon profitieren, „weshalb es natürlich unser Ziel und Wunsch ist, uns als möglicher Kooperationspartner anzubieten. Aber das obliegt natürlich den Verantwortlichen für die Kulturhauptstadt, die jetzt die

Konzepte erarbeiten.“ Sinnvoll, ja geradezu notwendig wird diese Involvierung und damit zusätzliche Attraktivierung in jedem Fall sein, vor allem weil die Kulturhauptstadt genau jenes Vehikel sein könnte, einen lang gehegten Traum, der doch bislang nicht und nicht in Erfüllung gehen mag, endlich zu verwirklichen: Die Verschmelzung der beiden Städte im Herzen Niederösterreichs hin zu einem gemeinsamen (Kultur-)Raum mit regem wechselseitigen Austausch über die Donau hinweg, und zwar nicht nur kulturell, sondern auf allen Ebenen – bis hin zu einer öffentlichen Verkehrsverbindung, die die vermeintliche Distanz nicht nur zeitlich, sondern auch emotional verkürzt. Kulturell hat es einen solchen Brückenschlag übrigens schon einmal gegeben – anno dazumal, als das Donaufestival auch noch an der Traisen, in St. Pölten eine Spielstätte hatte. St. Pölten/Donau – Krems/ Traisen, Angelpunkt des „berühmten“ 5. Viertels, das in diversen Planungseinheiten bereits besteht, aber noch immer einer emotionalen Verankerung in den Köpfen der Bürger harrt? Kulturmanager wie Klaus Moser können mit Architekten der Verwirklichung dieser Vision werden, durch spannende Arbeit in der jeweiligen Homebase, vor allem aber auch durch ihren Blick über den Tellerrand hinaus.


Wir sind e t h c e e di Abwechslung arabella.at


MFG KULTUR

EINE ANARCHISCHE FREUDE Kinder wuseln durch das Haus, erobern die Bühne, schlagen Räder, stolpern vergnügt. Danach erscheinen Erwachsene und erfüllen sich Träume, wie den, einfach ein bisserl übermütig zu sein. Es ist Mittwoch und in der Bühne im Hof herrscht wieder kreative Anarchie – die Werkstatt für Kinder und Erwachsene.

W

as machst du da?“ Ein kleiner Junge steht neugierig im Büro der künstlerischen Leiterin der Bühne im Hof, Daniela Wandl. „Ich überlege mir das Programm …“, und ehe die Antwort fertig gesprochen wird, ist der Knirps schon mit einem „Aha“ auf dem Weg zur großen Bühne, denn zum Schluss jeder Workshop-Einheit wird ganz frei von der Leber weg Show gemacht. Da purzeln die jungen Kreativen über die Bretter, die nicht nur den Profis die Welt bedeuten, erzählen spontan Witze, fallen clownesk über in den Weg gestellte Beine und üben sich in anarchistischem Humor. Zwei Jungs wünschen sich eine verdunkelte Bühne und zwei kleine Mädchen entwickeln aus dem gegenseitigen Mikrofon-Hinhalten mit der saloppen Kurzaufforderung zum Hineinreden, „Du“, „Nein, du!“, „Du“, „Nein, du!“ gleich mal eine Slapstick-Nummer, die das KomikerDuo Stan Laurel und Oliver Hardy kaum besser hingebracht hätte. „Der dramaturgische Überblick, zum Schluss zu kommen, fehlt halt noch“, plaudert Workshop-Leiter Stefan

Grassl alias Benny Barfuß von der schrägen und aberwitzigen Theatergruppe Irrwisch, aus der Schule. Er ist es, der jene dadaistische und unverfälschte Lust am Spielen und Präsentieren in eine geordnete Bahn führt. Ein bestimmtes, „So, jetzt sagts eure Namen ins Mikrofon!“ verfehlt nicht die Wirkung, die beiden stellen sich vor und verbeugen sich. Es wird geklatscht, denn mittlerweile sind auch die Eltern anwesend und erfreuen sich sichtlich stolz und teils überrascht, ob des Agierens ihrer Lieblinge, an der improvisierten Vorstellung. „Ihr müsst euch den Applaus abholen“, sagt Grassl. Witzige und verrückte Art der Kunstvermittlung 2016 verwirklichte die damals frisch gebackene Bühne-Chefin Daniela Wandl ihre Vision dieser besonderen Art der Kulturvermittlung. „Die Idee war, etwas auszuprobieren, dass die Kinder im Haus sind, ohne großen Plan, Spaß haben“, so Daniela Wandl über die offene Intention der „Akrobatik-Clown-Geschichten-ImproSpaß-Werkstatt“, bei der auch Tochter Emma von Beginn an dabei war. „Witzige Sachen machen, jonglieren, auf Stelzen gehen … Ich habe von Anfang an gesagt, es muss nicht zwangsläufig ein Resultat geben, die Kinder müssen nichts vorweisen können oder am Schluss unbedingt eine Show machen.“ Diesen chaotisch anmutenden Humor mag Wandl auch bei den eigenwillig originellen Irrwischen: „Mir hat dieser Schmäh, der auf nichts

Rücksicht nimmt, Chaos gepaart mit Kreativität, immer schon gefallen“, erzählt Wandl weiter, und so fand sie in Irrwisch Grassl den kongenialen Partner für dieses Projekt. Der hatte sich zwar nach Jahren seiner spiel- und theatralisch-pädagogischen Projekte im Schul- und Lehrerfortbildungs-Segment eine Auszeit gegönnt, aber auf ihre Anfrage sofort zugesagt. „Hier haben wir tolle Bedingungen, ein wunderbares Theater mit ganzer Technik, eine Probebühne und zum Schluss eine Aufführung, das macht Spaß“, ist Grassl begeistert, „das ist eine Supergeschichte von der Daniela und dem Haus.“ Schließlich wird dadurch auf spielerische Art und Weise die Hemmschwelle zum Erobern des für viele unbekannten Theater- und Kunstraumes überschritten und viel zur Lebensschulung beigetragen. „Ich beobachte mit Freude die Selbstverständlichkeit, mit der sich die Kinder im Haus bewegen, wie sie zuerst wahnsinnig schüchtern, immer selbstbewusster werden und ganz coole Sachen machen, und viele haben dann die Bühne fest in Griff“, ist Wandl enthusiasmiert, genauso wie ihr Team, wenn sich Kinder und Eltern euphorisch bedanken. Sie liebt die Mittwoche, wenn es überall von Kindern nur so wuselt. Eines der schönsten Komplimente hat sie von einer Mutter in einem Brief bekommen. „Danke, dass ihr meine Kinder ein Stück wachsen habt lassen“ stand da. Ein anderer künstlerischer Anspruch „Wir haben natürlich auch einen gewissen Anspruch, wir sind ein Theater, es geht darum was Künstlerisches hinzukriegen, aber auf eine andere Art und Weise, über das Spielerische und

„Die Kinder lernen stolpern und wieder aufstehen, und das auf der großen Bühne.“ STEFAN GRASSL

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TEXT: ANDREAS REICHEBNER | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER

MOTTO. Weg vom Müssen und Leisten, hin zum Wollen und Genießen!“ (Daniela Wandl)

INFO Für eine Kids-Werkstatt für junge Menschen und Neuanfänger (ab 6 Jahren) am Mittwoch von 14-15 Uhr gibt es noch ein paar Plätze; auch über Erwachsene, die spielerisch Grenzen überschreiten wollen, freut man sich. kulturvermittlung@buehneimhof.at

über verschiedenste Denkansätze, alles was Kunst und Kultur bedeuten kann. Stefan fordert die Kinder auch heraus, entwickelt tolle Sachen mit ihnen.“ Das Credo der Werkstatt-Idee lautet immer, „Weg vom Müssen und Leisten, hin zum Wollen und Genießen“ und „ein bisserl planlos sein.“ Dabei erlebt Grassl auch allerhand Lustiges und Anarchisches, „aber ich habe gelernt mit speziellen Situationen umzugehen. Wenn jemand zu viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, dann muss ich das kanalisieren, denn die anderen sind auch da.“ Und so entdeckt da plötzlich das ernsthafte Mädchen ihr Talent für clowneske Akrobatik, der siebenjährige Julius seine Liebe zu Riesensprüngen von der Bühne oder der junge Janek sein bislang in ihm schlum-

merndes Selbstbewusstsein. Isabella ist nach dem Schnuppern beim Kurs dabei, denn sie hat Spaß und das zeigt sie, indem sie Stefan bei ihren Süßigkeiten mitnaschen lässt. Denn der wartet gerade nach der Session mit den Kindern auf das Eintreffen der Erwachsenen, denn nicht nur Kinder dürfen ihre Freude am anarchischen Spiel in der Bühne im Hof ausleben. So findet die 78-jährige St. Pöltnerin Gisela einen Freiraum vor, in dem sie „ein bisserl übermütig“ sein kann und

die 52-jährige Waltraud aus Purgstall eine Zeit, in der sie sich besser kennen lernt. Und vielleicht sehen sich alle diese freien, kreativen Geister am Schluss bei der gemeinsamen, von Stefan dramaturgisch begleiteten SchlussShow, gemeinsam auf der Bühne. In einer dieser Shows, die den 47-jährigen Uwe, der diese einmal „mit einem Riesengrinser“ verlassen hat, dazu veranlasste, ebenfalls in das chaotische und schöpferische Werkstatt-Geschehen in der Bühne im Hof einzutauchen. MFG 02.18

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MFG ADVERTORIAL

FREUNDE DER KULTUR ST. PÖLTEN

FREUNDE IM REISEFIEBER 3. MÄRZ

DIE SCHWEIGENDE MEHRHEIT TRAISKIRCHEN. DAS MUSICAL Bühne im Hof

15. MÄRZ

PREVIEW DER AUSSTELLUNG „GARTEN – LUST. LAST. LEIDENSCHAFT.“ Museum Niederösterreich

15. APRIL

LISA SIMONE: MY WORLD Festspielhaus St. Pölten

9. MAI

„DER REVISOR“ VON NIKOLAJ GOGOL Landestheater Niederösterreich

18. MAI

Die Reisen der Freunde der Kultur St. Pölten gehen immer wieder in eine andere Kulturregion Europas. Im heurigen Jahr besucht man im Juni die flämischen Kulturstädte, im Herbst das französische Perigord.

„ARCHÄOLOGIE-LIVE AM DOMPLATZ“ Domplatz St. Pölten

9. JUNI

Reisen erweitert bekanntlich den Horizont. Deshalb bieten wir seitens der Freunde der Kultur St. Pölten in gewisser Weise mit unserem Programm nicht nur laufend Reisen in die Gedanken- und Fantasiewelt an, wenn wir uns bei den tollen Aufführungen in unseren Häusern dem Präsentiertem hingeben, sondern immer wieder brechen wir auch im wahrsten Sinne des Wortes in die weite oder nahe Welt auf. So auch heuer wieder gleich zweimal: Von 23. bis 30. Juni werden wir die flämischen

Reiseleiterin Mag. Bronka Tereza Zappe besticht durch Kompetenz und Eloquenz.

Kulturstädte besuchen, u. a . Mechelen, Antwerpen, Brügge, Gent oder Ypern. Und im Herbst steht eine Reise nach Frankreich ins Perigord an. Das Besondere, was ich immer wieder als positives, ja fast hymnisches Feedback bekomme, ist die großartige Reiseleitung auf unseren Reisen durch Mag. Bronka Tereza Zappe. Die studierte Germanistin und Kulturhistoriker­ in besticht durch Eloquenz, Kompetenz und großartige Umsicht und macht jede Reise zu einem wahrlich unvergesslichen und informativen Erlebnis. Eine Reise – nicht ins Ungewisse, aber mit einem offenen Ausgang – ist jene der Stadt St. Pölten auf ihrem Weg zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024, wofür wir uns beworben haben. Auch seitens der Freunde der Kultur St. Pölten wollen wir unserer Grundaufgabe, die Menschen für die großartigen kulturellen Institutionen der Stadt zu begeistern, noch intensiver nachkommen. So werden wir nicht nur verstärkt auf die Schätze in St. Pölten eingehen und versuchen, neue Mitglieder zu gewinnen und zu begeistern, sondern wir möchten auch

MITGLIED WERDEN und die zahlreichen Vereinsvorteile (Exklusivveranstaltungen, Previews, Künstlertreffen, Exkursionen, Ermäßigungen uvm.) genießen. Anmeldung und Infos unter T +43 2742 90 80 90-941, F +43 2742 90 80 94, freunde@kultur-stp.at

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„DIE STUNDE DA WIR NICHTS VONEINANDER WUSSTEN“ VON PETER HANDKE Landestheater Niederösterreich Bürgertheater

aktiv Workshops veranstalten, wo sich unsere Mitglieder mit ihren Ideen für das „Jahrhundertprojekt“ aktiv mit einbringen können, auf dass wir unser Ziel – die Erhebung zur Kulturhauptstadt 2024 – tatsächlich erreichen. Zugleich soll aber schon der Weg dorthin sozusagen ein Ziel sein, also sich nachhaltig und fruchtbringend für Stadt und Land gestalten. Ich freue mich auf die spannenden Reisen, die vor uns liegen, und lade Sie ein, uns auf diesen zu begleiten! Ihr

Lothar Fiedler

(Präsident Freunde der Kultur St. Pölten)

INFORMATIONEN

www.freundederkultur-stp.at, Tel.: 0 2742 90 80 90-941


Lesungen 2018 3. Mai, Heinz Janisch „Eine kleine Nachtmusik“ - für Kinder 15. Mai, Andreas Gruber „Die Engelsmühle“ 13. September, Alex Beer „Der zweite Reiter“ & „Die rote Frau“ 13. November, Dr. Herbert Lackner „Flucht der Dichter und Denker“

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SHORTCUT SZENE

FOTOS: MARKUS FANNINGER, RANJIZZ-FOTOLIA.COM, PUBLIC DOMAIN

KOLUMNE DOMINIK LEITNER

BLAUE WISSENSKLÜFTE Warum fehlt offenbar ausschließlich FPÖ-Funktionären dieses Gefühl, Nazi(bild)sprache und Antisemitismus zu erkennen? In einem Liederbuch der Burschenschaft Germania findet sich eine Zeile, die (sehr vereinfacht gesagt) den Holocaust verharmlost. Mitglied dieser Burschenschaft war der FP-Spitzenkandidat Udo Landbauer, der sich nach den Vorwürfen natürlich nicht gleich zurückzog, sondern sich zuerst mit „Jetzt erst recht!“ als Opfer darstellte. Der damalige Tullner Bezirksobmann Andreas Bors nahm im November 2017 sein Bundesratsmandat nicht an, nachdem er wegen Bildern mit Hitlergruß unter Druck geraten war. Eine andere Funktionärin lernte erst kürzlich, dass der Begriff „Untermenschen“ als Bezeichnung für männliche Flüchtlinge nicht nur absolut beleidigend ist, sondern auch aus dem Sprachgebrauch der Nazis stammt. Dem Pressesprecher des Vizekanzlers musste man erstmal erklären, dass es einen Unterschied zwischen der Online-Enzyklopädie Wikipedia und einer anderen, rechtsextremen Version gibt, nachdem er einen Link von ebendieser gepostet hatte. Und dem FP-Innenminister Kickl „rutschte“ bereits Anfang des Jahres der „Konzentrieren“-Sager raus. Die Sache ist die: Man nimmt ihnen diese Unwissenheit einfach nicht ab – das hat alles System. Doch jetzt – wo sie in Regierungsverantwortung sind – schaut man wieder genauer hin. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir die Medien schützen und fördern – vor all den „Fake News“-Plattitüden, Medienkampagnen-Vorwürfen und Unter-Druck-Setzens von Seiten der ewigen Opfer-Partei.

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Ö

LET’S GO SCURFING

sterreich grenzt schon lange nicht mehr ans Meer und St. Pölten war dieser Luxus sowieso nie vergönnt. Nichtsdestotrotz kommt surfiger Punksound aus der Landeshauptstadt, genau genommen aus den Räumen des Sonnenparks. Seit einigen Monaten probt dort die Band Scurf ihre Demos auf und ab. Gitarre, Bass und Schlagzeug funktioniert auch in St. Pölten. Am 17. März tragen die drei ihre selbsterklärten „etwas trashigen“ Songs erstmals im Warehouse vor.

F

Surfen gehen sie dabei in St. Pölten nicht, dafür haben sie sich beim Skaten kennengelernt. Gitarrist und Sänger Felix hat am Lakesidepark herumerzählt, er wolle eine Band gründen und binnen kurzer Zeit war die Besetzung fix: Constantin am Bass und Markus aka Gnomi am Schlagzeug. Ob sie sich vorstellen können die nächste erfolgreiche Band in der St. Pöltens Musikszene zu werden, beantwortet Felix so provokant wie die Musik klingt: „Welche Szene?“

GESTAT TEN, ALFRED

rischblut für die St. Pöltner Lokalszene! Am 7. April wird im Süden der Stadt in der Rödlgasse, gleich neben VAZ und Polizei,DAS ALFRED seine Pforten öffnen – und mit einem absoluten Novum aufwarten: St. Pöltens erster Dachterrassenbar! Eine durchgehende Glasfront erlaubt einen herrlichen Ausblick in die Voralpen, und in der warmen Jahresauszeit chillt man gemütlich auf der fast 200 Quadratmeter großen Terrasse, „Ötscherblick inklusive“, wie sich die ALFREDTwins Manfred Hinterberger und Alex Meder freuen. Vormittags kredenzt man gediegenes Frühstücksbuffet, nachmittags lädt

man zum After Work und abends mutiert das Lokal zur Chill Out Lounge samt Snacks, Cocktails & Co. Auf der Terrasse planen die beiden im Sommer übrigens Specials „vom Barbecue bis hin zur Cocktail-Time!“ Passend zum Motto: Let’s spend a night together.



MFG SZENE

„WIR SIND JETZT AN EINEM BESSEREN ORT!“ Eine Plattensammlung von Jazz bis Bee Gees und ein Jesusbild auf der Toilette: So kann die erste Wohnung ausschauen, muss sie aber nicht. Ein How-to-Wien von Exil-St. Pöltnern für alle, die es werden wollen.

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rbeit, Ausbildung oder Abwechslung. Es gibt verschiedene Gründe für St. Pöltner ins doch recht nahe Wien zu ziehen. Da ein Haus für die meisten Berufstätigen, und für Studenten sowieso, wegfällt, wird der Umzug wohl in einer Wohnung enden. Wie gelingt die Neuansiedelung nun am besten? Auf diversen Internetseiten, bei den zuständigen Behörden oder der Mietervereinigung kann man nachfragen und sich informieren, es gibt aber noch einen anderen, direkteren Weg: Leute fragen, die einen solchen Umzug eben erst hinter sich haben. Andreas, Otto, Vadim, Patrick und Elias leben zu fünft in einer Währinger Altbau-WG und studieren, der eine mit mehr Engagement, der andere mit etwas weniger. Alle fünf kommen aus St. Pölten-Umgebung und waren schon vor ihrem Zusammenzug befreundet, weshalb sie sich dementsprechend gut in ihrem neuen Zuhause verstehen. „Damit hatten wir rückblickend betrachtet Glück“, meinen sie, „man kann mit seinen Mitbewohnern auch ganz schön danebenhauen.“ Warum sie nach Wien ziehen wollen, das wissen die meisten, ob allerdings alleine oder mit anderen, das ist eine Entscheidung, die wohl überlegt sein sollte. Den fünf wurde St. Pölten schlichtweg zu langweilig, gleich zusammenzuziehen sei dann die naheliegende Lösung gewesen. Money, get away Wenn das “warum“ und das “mit wem“ einmal geklärt ist, kann die Suche nach der Wohnung losgehen. Leistbar sollte sie sein und zwar nicht nur für die ersten drei Monate. Gerade die Finanzierung spielt eine der größten Rollen, vor allem in einer WG. Die fünf St. Pöltner haben ein gemeinsames Konto eröffnet, auf das sie monatlich ihre Miete einzahlen. Das funktioniert soweit gut, auch wenn sie nicht immer die Pünktlichsten sind. Die schwierigere Frage: Wie finanziere ich mein neues Zuhause? Wenn Familie und Beihilfen nicht reichen, wird niemand an einem Nebenjob während des Studiums vorbeikommen. Patrick gibt Gitarrenunterricht, Elias ist IT-Entwickler und Vadim arbeitet in einem Getränkelager, jeder hat sich eine Einnahmequelle gefunden. Stichwort „finden“ – zurück zur Wohnungssuche. Drei Monate haben sie im Internet recherchiert und Zeitungsannoncen studiert, bis sie ihre heutige Wohnung entdeckt haben. Zu fünft war das gar nicht so einfach, leistbare Wohnungen mit fünf Schlafzimmern sind nicht leicht zu finden. Um für jeden einen eigenen Raum zu haben, mussten sie 66


TEXT UND FOTOS: THOMAS WINKELMÜLLER

sogar eine neue Wand einziehen, um eines der Zimmer zu teilen – mit dem Ergebnis, dass im einen der Lichtschalter ist und im anderen die Lampe. Patrick kontrolliert jetzt, ob Andreas Licht hat oder nicht. Wenn die Wohnung mit richtiger Lage und leistbarem Preis gefunden ist, heißt es in den meisten Fällen ab zur Besichtigung mit dem Makler. Dabei gilt es freundlich, aber bestimmt zu sein. Ein weiterer Tipp ist es nicht alleine zu erscheinen, vier Augen sehen mehr als zwei. Wenn die Ausstattung der Wohnung passt, geht es daran einen befristeten oder unbefristeten Mietvertrag abzuschließen. Die fünf ExilSt. Pöltner haben einen befristeten Kontrakt auf fünf Jahre abgeschlossen, bei der Unterzeichnung zahlten sie dann noch zwei Bruttomieten Maklerprovision und zwei Kaution, danach gehörte ihnen die WG.

Woche zumindest, und was Livemusik angeht, schaue es in St. Pölten doch etwas mager aus: „Was gibt’s denn für ein Abendangebot für Jugendliche? Du kannst dich am Abend in der Stadt ansaufen, ins Warehouse, aber nach fünf Jahren hängt einem das auch beim Hals raus, und ins LaBoom sollte man sowieso aus Prinzip nicht gehen!“ Die Grundaussage kann auf fast jede Aktivität ausgelegt werden: In Wien ist das Angebot einfach größer. In dieser Hinsicht sind sich die fünf einig: „Im Moment vermissen wir STP nicht so, wir sind jetzt an einem besseren Ort.“

Kaffeemaschine, Kopfhörer und Staubsauger Eine Wohnung zu haben ist schön und gut, ohne Einrichtung wird es nur etwas ungemütlich. „Wir haben uns einen Umzugswagen gemietet und sind zusätzlich mit den Autos gefahren,“ erzählen die fünf. Das Sofa, auf dem sie gerade sitzen, haben sie bei den Emmaus Altwaren um zehn Euro bekommen, die meisten anderen Möbel gemeinsam am Dachboden eines Freundes ein Monat lang renoviert. Mittlerweile dekorieren eigene Fotos und Zeichnungen, alte Emmaus Bilder und 40 Jahre alte Karten aus dem Gymnasium Josefstraße die Wände. Was sie wirklich für jede Wohnung empfehlen können? „Eine ordentliche Kaffeemaschine, schalldichte Kopfhörer und ein Staubsauger, der auch wirklich saugt“, meinen die fünf und sprechen dabei aus Erfahrung. Eine Kasse für gemeinsame Ausgaben sei genauso sinnvoll. Selber kommen sie jeweils mit rund 100 Euro für Essen im Monat einigermaßen aus: „Wenn du einmal in der Woche zum Hofer gehst und im Abverkauf Großpackungen einkaufst und nicht wie ein König speist, wird’s dir essenstechnisch an nichts fehlen.“ Ab dann heißt es Miete zahlen und lernen in einer Großstadt zu leben, vor allem es zu genießen. Alle fünf sind Musikliebhaber und gehen gerne auf Konzerte, einmal in der

nung finanzieren willst!

CHECKPOINTS FÜR DIE ERSTE EIGENE WOHNUNG

1. Überleg dir gut, wonach du suchst und wie du deine Woh2. Geh nicht alleine zur Wohnungsbesichtigung, sondern nimm dir eine Vertrauensperson mit! 3. Überprüfe bei der Gewerbebehörde, ob dein Makler auch eine Konzession besitzt! 4. Besichtige die Wohnung öfter und erkundige dich gut über sie! 5. Bevor du den Mietvertrag unterschreibst, überleg gut, ob du die Wohnung wirklich willst, denn ein Rücktritt von dem Vertrag kann mit Kosten verbunden sein! 6. Verlange zur Vorsicht Kopien vom Mietertrag und anderen Übereinkünften schriftlich vom Vermieter! 7. Wenn du für deinen Mietvertrag weitere Bedingungen hast, füge die im Vertrag hinzu!

8. Ein Makler darf seine Provision erst bekommen, wenn der Vertrag abgeschlossen ist. Makler, die Vorschüsse verlangen, solltest du meiden. 9. Rechne die Höhe der Provision nach, sie darf nicht mehr als zwei Bruttomonatsmieten betragen.

10. Such dir Hilfe, wenn es zu kompliziert wird! Die Mietvereinigung Österreich kann hilfreich sein

SELBST IST DER MANN. Um als Student in Wien zu wohnen, muss man sparen lernen. Alte Möbel restaurieren kann da nützlich sein. Und Kaffee ist ein Grundnahrungsmittel: „Ganz ehrlich, ich bin mir sicher, dass wir an einem guten Tag drei Liter Kaffee zu fünft schaffen.“

MFG 02.18

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MFG STUDIENGUIDE 2018

WIR HABEN DEN BLICK IN DER ZUKUNFT! Im Studienjahr 2016/2017 studierten in Österreich über 380.000 Menschen an einer Fachhochschule, Privatuniversität oder öffentlichen Universität. Und auch im kommenden Herbst werden sich wieder Tausende junge Menschen anschicken, ein Studium in Angriff zu nehmen. Dabei hat man die Qual der Wahl: Alleine die österreichischen Fachhochschulen bieten mittlerweile fast 650 verschiedene Studiengänge an, das Studienangebot der Universitäten ist vielfältigst. Wohin sich also wenden, welches Studium passt zu mir und welche Berufsperspektive bietet es? MFG stellt kurz und prägnant einige der Top-Ausbildungsstätten unseres Landes vor. Bertha von Suttner Privatuniversität St. Pölten*

ENTWICKLUNG FÜR GESELLSCHAFT Die Bertha von Suttner Privatuni stellt in den Fachbereichen Psychotherapie und Humanwissenschaften den Menschen in den Mittelpunkt. Im Herbst 2018 startet das berufsbegleitende Studienangebot mit den Bachelorstudien Psychosoziale Interventionen*, Angewandte Humanwissenschaften*, dem Masterstudium Multimediale Kunsttherapie* und dem Universitätslehrgang in Psychotherapiewissenschaften*. *vorbehaltlich der Genehmigung durch die AQ Austria

www.suttneruni.at

FH Campus Wien Mit mehr als 6.000 Studierenden ist die FH Campus Wien die größte Fachhochschule Österreichs. Das Bachelor- und Masterangebot im Department Technik reicht von Elektronik und Informatik über Maschinenbau bis hin zu Krankenhaus-/Medizintechnik und erneuerbaren Energien. Erfahren Sie mehr über unsere Studiengänge in berufsbegleitender und Vollzeit-Form auf der BeSt-Messe in Wien (1.-4. März) oder beim Open House am 9. März! info@fh-campuswien.ac.at | www.fh-campuswien.ac.at

FH St. Pölten

MY BEST PLACE TO STUDY Die FH St. Pölten bildet mehr als 3.000 Studierende in den Bereichen Medien & Wirtschaft, Medien & Digitale Technologien, Informatik & Security, Bahntechnologie & Mobilität, Gesundheit und Soziales aus. Ab 2018 starten das Bachelorstudium Data Science and Business Analytics* und die Masterstudien Wirtschafts- und Finanzkommunikation*, Digital Design*, Digital Media Production*, Interactive Technologies*. *vorbehaltlich der Genehmigung durch die AQ Austria

www.fhstp.ac.at 68

Fotos: Ludwig Schedl, Kraus Andreas,Privatiuniversität Schloss Seeburg, Montanuniversität Leoben, zVg

KARRIERE MIT TECHNIK!


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New Design University St. Pölten (NDU)

QUERDENKER GESUCHT! Die St. Pöltener Privatuni bietet innovative Bachelor- und Master-Studiengänge im Bereich Gestaltung an: z. B. Informationsdesign, Innenarchitektur, Produktdesign und vieles mehr. Sie zeichnet sich durch persönliche Betreuung aus und legt viel Wert auf die Verbindung von Theorie und Praxis. Die NDU sucht kreative Köpfe, die bereit sind, über den Tellerrand zu blicken – und schon heute die Gestaltungsprozesse der Zukunft erlernen wollen. info@ndu.ac.at | www.ndu.ac.at

Privatuniversität Schloss Seeburg

Montanuniversität Leoben

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Mitten im aufstrebenden Innovationsviertel, Technologiezentrum Seestadt, bietet die Privatuniversität Schloss Seeburg ihr einzigartiges semi-virtuelles Studienkonzept mit den Bachelor- und Masterstudiengängen BWL, Sport- und Eventmanagement und Wirtschaftspsychologie auch in Wien an.

Die Montanuniversität Leoben ist eine Technische Universität und Österreichs einzige Hochschule für Berg- und Hüttenwesen. An der Mu Leoben werden u. a. Studienrichtungen in Geowissenschaften, Rohstoffingenieurwesen, Energietechnik, Werkstoffwissenschaft, Kunststofftechnik uvm. angeboten.

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www.unileoben.ac.at

St. Pölten University of Applied Sciences

09.03.2018 FH St. Pölten 13:00 –18:00 Uhr Detailprogramm unter: fhstp.ac.at/openday

Kommt vorbei!


MFG SZENE

TEXT: MICHAEL REIBNAGEL | FOTOS: HELMUT NIESSL, ZVG

KOLUMNE ROUL STARKA

HUBER & CO. ZELEBRIEREN DIE GANZ GROSSEN

G

DIALOG Ich: „Hallo Facebook, was machst du gerade?“ Fb: „Ich verdiene mich deppert.“ Ich: „Aber für mich bist du doch gratis!“ Fb: „Das glaubst du nur.“ Ich: „Hm. Warum bist du so erfolgreich?“ Fb: „Weil du so eitel bist.“ Ich: „Ich will mich ja nur mitteilen.“ Fb: „Das könntest in einem Kaffeehaus auch.“ Ich: „Ich liebe Kaffeehäuser!“ Fb: „Ja, aber noch mehr liebst du deine Faulheit. Bei mir kann man sich auch ohne duschen und Zähne putzen wichtig machen. Ich: „Du bist … ja, was bist du eigentlich?“ Fb: „Eine Maschine, funktioniere so ähnlich wie Nikotin. Emotschi, Emotschi, such dir eins aus. Haha.“ Ich: „Man schreibt ‚Emoji‘.“ Fb: „Hahaha. Du süßer Lehrer du. Genau so funktioniere ich auch. Genial.“ Ich: „Durch dich hab ich viele Menschen kennen gelernt!“ Fb: „Durch mich hast du viele Menschen in den Kaffeehäusern nicht kennen gelernt.“ Ich: „Ja, aber … das kann man doch kombinieren!“ Fb: „Mut und Liebe – oder Eitelkeit und Faulheit, da muss man sich entscheiden.“ Ich: „Du bist ganz schön unangenehm und unsympathisch!“ Fb: „Aber die bislang erfolgreichste Religion. Ihr plärrt den ganzen Tag wie kleine Kinder, zeigt mit dem Finger auf andere – und ich verdiene Milliarden damit.“ Ich: „Wie auch immer, die wenige Zeit, die ich mit dir verbringe…“ Fb: „Du verbringst sehr viel Zeit mit mir ... Ich: „Du nervst.“ Fb: „Nagozzeidank.“

erald Huber-Weiderbauer sprüht immer vor neuen Ideen und Projekten. Seit gut einem Jahr sorgt der musikalische Tausendsassa als Mastermind des im Vinzenz Pauli stattfindenden „Musiksalon“ für spannende Musik-Ausflüge. Und die sind irgendwo zwischen Live Konzert, DJ-Line und Lesung angesiedelt. Jeder Abend ist einer anderen Größe der vorrangig „alternativen“ Musikszene gewidmet – bislang wurden die Herren David Bowie, Peter Gabriel und Tom Waits derart vor den Vorhang gebeten. Neben einem Streifzug durch das musikalische Schaffen werden auch Schmankerln aus der Biografie der Künstler erzählt. „In eineinhalb bis zwei Stunden wollen wir die künstlerischen und für den Musiker typischen Aspekte seines Lebens rauspicken“, so Huber-Weiderbauer, „wir wollen damit aber auch einen gewissen Bildungsauftrag erfüllen. Die Leute sollen sich wieder mehr mit Musik befassen und diese nicht nur zur Berieselung verkommen lassen“. Als Partner hat sich Huber-Weiderbauer den grandiosen Pianisten Christoph Richter mit an Bord geholt und

– sofern es für die Interpretation der Stücke notwendig ist – stehen auch weitere Mitmusiker auf der Bühne. Huber, Richter und Co. spielen dabei im Übrigen die Songs nicht nur brav nach, sondern liefern durchaus ihre ganz eigenen Interpretationen davon. Als Besucher merkt man, dass es den Akteuren sichtlich Spaß macht, und die Location ist auch stimmig. „Ich war schon immer ein großer Fan des Lokals! Der hintere Raum im Vinzenz ist beim Musiksalon immer voll. Außerdem werden die Gäste kulinarisch bestens versorgt“, so Huber. Für die kommenden Ausgaben gibt es schon einige Wunschkandidaten. Lou Reed steht etwa ganz oben auf der Liste, aber auch Sängerinnen wie Patty Smith oder PJ Harvey wären interessant, v. a. wenn man die Stimme von Huber-Weiderbauer kennt. Über manche Künstler hingegen traut man sich nicht drüber. Einen Musiksalon zum Thema Prince oder The Beatles, wie von manch Besucher angeregt, wird es wohl eher nicht geben. Dafür steht schon der Künstler für den nächsten Musiksalon am 26. Mai im Vinzenz Pauli fest: Nick Cave!

MUSIKSALON. Im Vinzenz Pauli kredenzen Gerald Huber-Weiderbauer und Christoph Richter eine Mischung aus Konzert, DJ-Line und Lesung. Am 26. Mai „wartet“ Nick Cave!

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MFG SPORT

CHANCE AUF BLAU-GELBEN NEUANFANG Nach der „Hire-and-Fire“-Politik von Präsident Gottfried Tröstl fungiert nun ein Dreigestirn interimistisch an der SKN-Spitze. Egal, ob der Klub im Juni erst- oder zweitklassig sein wird, die Chance für einen Neuanfang wird es allemal geben.

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ir dürfen uns von den Geschehnissen im Verein nicht beeinflussen lassen und müssen versuchen in Ruhe weiter zu arbeiten“, stellte SKN-Trainer Oliver Lederer nach der 0:4-Packung bei Meister Red Bull Salzburg (bei nur 39 Prozent gewonnenen Zweikämpfen, 32 Prozent Ballbesitz und einer Fehlpass-Quote von 31 Prozent) fest. Dann strich er in seinem „wöchentlich grüßen die geprügelten Wölfe“-Bulletin einmal mehr das Positive heraus, das er gesehen habe. 33 Spieler haben Lederer und sein Vorgänger Jochen Fallmann in der laufenden Saison bis dahin eingesetzt gehabt. Genau so viele wie Salzburg in seiner gesamten letzten Meistersaison. 38 Spielertransfers hatte Sportdirektor Markus Schupp vorgenommen gehabt, bzw. Präsident Gottfried Tröstl („Diese Saison geht noch mehr!“) und Generalmanager Andreas Blumauer abgesegnet, ehe bei einem

mehrtägigen „Erdbeben“ vor dem Salzburg-Spiel Tröstl „aus privaten Gründen“ ging und Schupp laut Aussendung wegen „unterschiedlichen Auffassungen“ mit Lederer den Verein verließ. Zwei Monate davor schlich sich Gründungsmitglied Christian Walter davon. Danach wurde Teammanager Tom Haiderer gekündigt und knapp vor Tröstl gab auch noch Jugendleiter Willi Schmircher auf, mit der Feststellung: „Mir fehlt das Bekenntnis zur Nachwuchsarbeit.“ Damit nach der „Hire-and-Fire“-Politik von Tröstl und Schupp der aktuelle Kampfmannschaftskader „nur mehr“ 32 Spieler ausmacht (18 dürfen Woche für Woche auf das Spieltableu), wurden im Winter von der zweiten Mannschaft bereits aufgestufte Spieler wieder zu den Juniors zurück kommandiert. Ein Fingerzeig der Sonderklasse für alle hungrigen Jungwölfe!

LETZTE CHANCE. Der SKN versucht nach einer bisherigen Seuchen-Saison noch die Kurve Richtung Erstklassigkeit zu kratzen, auch mit teils neuen Männern am Ruder: Gunter Spitzhuetl, Andreas Blumauer, Oliver Lederer, Martin Platzer und Helmut Schwarz (v.l.n.r.)

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TEXT: THOMAS SCHÖPF | FOTO: MATTHIAS KÖSTLER

Triumvirat entscheidet Richtig schlank ist dafür der Vorstand geworden, der derzeit aus dem stellvertretenden Vorsitzenden, Helmut Schwarzl (Geberit), Bauingenieur Gunter Spitzhuetl und der Tiroler Neuerwerbung Martin Platzer (MAPL Beschaffungsberatung und Management GmbH) besteht, aber nach wie vor mehr oder weniger auf die 15-köpfige Delegiertenversammlung („strategisch Partner“) hören muss, der sie als Vertreter ihrer Firmen auch selbst angehören. Sollte es zur Relegation des SKN gegen den Dritten der Ersten Liga kommen – wofür zumindest drei der vier derzeit in Frage kommenden Gegner (SV Ried, SC Wr. Neustadt, Wacker Innsbruck und TSV Hartberg) die Lizenzbedingungen für die Bundesliga erfüllen müssen – ist die Ausgangslage aus Sicht der Wölfe nicht gerade ideal. Während die Verträge der meisten SKN-Spieler auslaufen und Leihspieler wie zum Beispiel der von Salzburg geliehene David Atanga oder Philipp Malicsek von Rapid sich ein paar Wochen danach wohl unversehrt bei ihren Stammvereinen wieder beweisen wollen, wollen es sich bei den potenziellen Gegnern sicher viele Akteure sportlich wie finanziell verbessern. Lederers Job auch unsicher Ob Lederer bei der Relegation überhaupt noch SKNTrainer sein wird, ist auch nicht sicher. Seine Arbeit wurde bei der vom Ex-Admiraner Wolfgang Gramann (bis 2017 Mediendirektor des ÖFB) geleiteten Pressekonferenz zum Abgang von Schupp von Schwarzl ebenso in Frage gestellt: „Wir müssen uns bundesligatauglich präsentieren.“ Zu Schupp meinte der interimistische Tröstl-Nachfolger dann doch noch: „Er hat seine Zeit bekommen, seine Vorstellungen umzusetzen. Wir konnten nun aber nicht mehr zusehen.“ Blumauer übernimmt derzeit die Agenden des Sportdirektors und wird dabei unter anderem von SKN-Urgestein und Sportbeirat Thomas Nentwich unterstützt. Gut möglich, dass ein neuer Präsident und ein neuer Sportdirektor erst im Juni gefunden werden können. Egal ob der SKN dann erst- oder zweitklassig sein wird, ein Neustart steht aufgrund der massenhaft auslaufenden Spielerverträge ohnehin an. Dass sich der Sportklub Niederösterreich dann wieder auf seine blau-gelben Wurzeln besinnen wird, ist sehr wahrscheinlich. Schwarzl stellte nämlich auch fest: „Junge Spieler müssen wieder unbedingt zum SKN wollen. Wir können sie hier nach der Akademie weiter ausbilden und sie danach immer noch, gereifter, den Sprung ins Ausland wagen.“ Und auch Platzer stellte die „SKN-Familie“ bewusst in den Vordergrund: „So einen Zusammenhalt wie hier beim SKN habe ich bei anderen Vereinen noch nicht gesehen.“ Sowohl Schwarzl als auch Platzer machten jedoch auch klar, dass sie in ihren „Brotberufen“ mindestens ebenso gebraucht werden und nur eine geringe Anzahl an Stunden pro Woche für den SKN tätig sein können. Professionell ist das dauerhaft auch wieder nicht. www.skn-stpoelten.at

STADTSAAL IM CITIYHOTEL D&C KÜNSTLERISCHE LEITUNG: ROBERT LEHRBAUMER

DIE LETZTEN VIER MEISTERKONZERTE 2017•2018 ZUM PREIS VON 55 EURO ALS

KLEINES-ABO Sa., 3. März 2018 • 19.30 Uhr SWING… JAZZ… »Three Wise Men« Höhepunkte des traditionellen Jazz

So., 18. März 2018 • 19.30 Uhr VIOLINE & KLAVIER Wolfgang David - Violine Takeshi Kakehashi - Klavier Beethoven, Schubert und Brahms

So., 8. April 2018 • 19.30 Uhr KLASSIK & TANGO & OPER »Aighetta Gitarrenquartett« (Monte Carlo) Rossini, Bizets, Mackie Messer, Chanson, int. Volksmusik

So., 10. Juni 2018 • 19.30 Uhr VIRTUOSE KAMMERMUSIK »Smetana-Klaviertrio« (Prag) Beethoven, Shostakovich, Smetana

2017•2018 Info, Abo- und Kartenverkauf: Magistrat der LH St. Pölten / Fachbereich Kultur und Bildung Prandtauerstr. 2, 3100 St. Pölten Tel.: 02742 333-2601 mail: meisterkonzerte@st-poelten.gv.at Einzelkarten: Vorverkauf: 20 Euro / Abendkassa: 24 Euro Weihnachts-Abo: 55 Euro (umfasst die letzten vier Konzerte)


MFG KRITIKEN ZUM HÖREN Manshee | mikeSnare | Thomas Fröhlich | Dr. Schramek | Rob.STP | Dr. Ray B. (von links nach rechts)

COUNTRIES

Mit „Countries“ startet der kalifornische SingerSongwriter seine Solokarriere und ließ sich dafür offenbar vom Thema Liebe/Liebeskummer inspirieren. Zwischen überschwänglichen und hübschen Pop-Tracks mit LehrbuchHooks und zurückhaltenden Balladen, die Romantiker erfreuen und Zyniker zur Weißglut bringen werden, bewegen sich Van William‘s Lieder, bevor sie im SanftWehmütigen enden.

A HUMDRUM STAR GOGO PENGUIN

CON TODO EL MUNDO KHRUANGBIN

Sonnengeblendet blicken wir auf die Wolkenberge unter uns: Das texanische Khruangbin (Thai für Flugzeug) hat sich in die Lüfte geschwungen; Die entspannte, unaufdringliche aber stets mit den Füßen wippende Crew kredenzt uns eine Mixtur aus Funk & Soul, die zeitlos wie schön klingt. Zentral auf Bass, Schlagzeug und Mark Speers ausdrucksvolles Gitarrenspiel ausgerichtet brauchen die Songs auch keine einzige Zeile Text.

MOSAIK REMIXED CAMO & KROOKED

Ein Release auf Blue Note - das kann nur Jazz sein. Und ja, ist es ja auch irgendwie, GoGo Penguin ist aber auch Electronic, Techno, Klassik, Triphop, Minimal Music. Und irgendwie wähnt man sich in Dr. Freuds Strukturmodell der Psyche. Das klare Klavierspiel des Ich, der leitende Bass des Über-Ich und die oft treibenden, ja gehetzten Drums des triebhaften Es. Musik, die alles ist, nur nicht humdrum (engl. eintönig)!

Das österreichische Flaggschiff Duo hat im Herbst bei den prestigeträchtigen Drum&Bass Awards alles abgeräumt, was irgendwie an Preisen von Bedeutung ist. Es gab beim internationalen who is who lange Gesichter. Im März kommt das Remix Album und hier kann man nur mit Superlativen um sich werfen. Es ist wirklich erstaunlich, wie die Jungs nunmehr seit Jahren absolut konstant nur top-notch Sachen raushauen.

ON AIR

ROLLING STONES

Als sie noch richtige Rotzbuben waren, spielten die Stones ein paar hinreißend rumpelige Versionen ihres damals vorhandenen Liedgutes für good old BBC ein – ohne den Pomp und die (Über-)Arrangements späterer Tage. Denn obgleich Oberlippe Mick Jagger auch schon in den frühen 1960ies Leadsänger war, oblag das Konzept der Band dem Blues- und Drogenfan Brian Jones: knackiger Garagensound ohne Rücksicht auf Verluste.

WHY GOATS WHY WHY GOATS WHY

Das Duo aus Amstetten liefert mit ihrem selbstbetitelten Debüt ein ordentlich rockendes Album ab. Gekonnt wird hier eine Mischung aus Stoner Rock, Progressive Rock und Alternative Rock geboten. Das Schlagzeug bietet dabei eine druckvolle Basis für das effektvolle Gitarrenspiel. Darüber legt sich noch der Gesang, der stellenweise an Größen der oben genannten Genres erinnert. Alles in allem sehr stimmig und hörenswert.

ZUM SCHAUEN

ZUM SPIELEN

ZUM LESEN

Manshee | C. Schuhmacher

Christoph Schipp

H. Fahrngruber | W. Hintermeier

ARTHUR UND CLAIRE

MONSTER HUNTER: WORLD

DER DREISSIGJÄHRIGE KRIEG

Unterfüttert mit schwarzem Humor und einer Portion Lakonie, handelt die Tragikomödie von der Begegnung zweier völlig verschiedener, lebensmüder Menschen, die sich selbst im Zuge einer Nacht in Amsterdam völlig neu kennenlernen. In klug-witzigen Dialogen kreisen sie um Dinge, die das Leben wirklich ausmachen.

Für Abenteurer führt derzeit kein Weg an „Monster Hunter: World“ vorbei. Herausfordernde Kämpfe mit einem facettenreichen Waffensystem in einer quicklebendigen, großflächig erkundbaren Welt geben ein intensives Spielgefühl. Egal ob als Singleplayer oder im Koop-Modus, Capcom hat ein wahres Monstrum von einem Videospiel erschaffen.

Aus Berichten zweier realer historischer Figuren - des Söldners Hagendorf und des Mönchs Friesenegger - ergibt sich ein anschauliches Alltagsbild einer Epoche, nach deren Ende weite Teile Deutschlands in Schutt und Asche lagen. Dessen ungeachtet zeugen die Aufzeichnungen der Männer von einem unbändigen Lebenswillen inmitten düsterer Zeiten.

GAME NIGHT

SHADOW OF THE COLOSSUS

ALTE FREUNDE

Brettspielabende werden auf Dauer langweilig. Wieso also nicht mal ein ganz besonderes Spiel um einen Mord, falsche Gangster und FBI-Agenten. Und dann auch noch eine Entführung! Scheint alles zum Programm zu gehören, oder? Doch bald geht es nicht mehr um den Sieg, sondern ums nackte Überleben. Na, immer noch langweilig?

„Shadow of the Colossus“ für die PS4 ist ein gelungenes Remake des gleichnamigen PS2-Titels. Als junger Krieger erlebt man epische Kämpfe in einem mysteriösen, aber menschenleeren Land gegen gigantische Bossgegner. Neben komplett neuer Grafik bietet die Neuauflage auch eine neue Steuerung und kleinere Gameplay-Verbesserungen.

Was passiert, wenn sich nach gut 20 Jahren zwei alte Freunde aus einer schottischen Sozialsiedlung in London zufällig auf der Straße begegnen? Einer stieg zu einem gefeierten Rockstar auf und lebt jetzt auf der Straße. Der andere, einst geduldeter Mitläufer, ist bestens situiert und lebt mit seiner Familie in einem riesigen Haus mit Personal ...

MIGUEL ALEXANDRE

JOHN FRANCIS DALEY

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CAPCOM

BLUEPOINT GAMES

CHRISTIAN PANTLE

JOHN NIVEN

Fotos: zVg

VAN WILLIAM


MFG VERANSTALTUNGEN HIGHLIGHT VAZ St. Pölten

SHAOLIN MÖNCHE

Foto: Markus Spitzauer

2. MÄRZ Die geheimnisvolle Mönchstadt Shaolin am Fuße des heiligen Berges Song Shan ist seit Jahrhunderten körperliches, geistiges und spirituelles Zentrum Chinas. Vor mehr als 1.500 Jahren begründete der indische Mönch Damo hier den Zen Buddhismus und lehrte die Mönche Körperübungen, die er Kung-Fu nannte. Bis heute gilt der Shaolin Tempel als eines der größten Heiligtümer und Sehenswürdigkeiten Chinas. ShowProduzent Herbert Fechter hat eine neue Show mit dem Titel „A mi to fo“ zusammengestellt. Darin präsentieren 19 der besten Meister und Shamis (Schüler) ihre unglaublichen Fähigkeiten, jenseits der Grenzen der Physik.

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3. MÄRZ Im Sommer 2015 treffen sich im völlig überfüllten Lager Traiskirchen dem Krieg Entronnene und vom Frieden Verwöhnte, Seherinnen und politisch Kurzsichtige, Hetzer und Gehetzte. Was dabei herauskommt? Ein komisch verwegenes Spektakel, das auf realen Begebenheiten und Erfahrungen beruht. Schrecklich, packend und dabei doch zum Lachen ...

3. MÄRZ Im Oktober 2017 feierten die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) ihr 60jähriges Bestehen in St. Pölten. Die Geschichte dieser Gemeinde, der Kirche in Österreich und weltweit ist in einer Sonderausstellung bis 18. März zu sehen. Am 3. März ist eine kostenfreie Einführung in die Familienforschung/Genealogie.

3. MÄRZ Wir freuen uns auf eine Nacht mit Musik von Alternative Rock und Cult Classics. Musikalisch wird der Abend von DJs wie Manshee, Schmodar, Dr Grisu, Paul le Buche, Ketti und Musikantenstadler bespielt. Alle MärzGeburtstagskinder bekommen an diesen Abend Gratiseintritt! Als weiteres Special gibt es eine Happy Hour um Mitternacht.

BADEARENA KREMS

| FITNESS

| MUSICAL

BÜHNE IM HOF

JUMPERS RELOADED

EVA WANNERER

6. MÄRZ Ob die Improvisationskünstler jumpers [re]loaded aus Ihrer Whatsapp-Nachricht ein Drehbuch machen oder Ihren persönlichen Aschermittwoch-Krimi spielen sollen, hängt einzig und alleine von Ihnen ab. Werden Sie Zeuge, wie sich eine Szene entwickelt, eine Geschichte entspinnt, und der Wahnsinn der Improvisateure seinen Lauf nimmt.

7. APRIL Eva und ihre kleine Assistentin laden euch zum gemeinsamen Singen, Tanzen und Musizieren ins Vinzenz Pauli ein! Es erwarten euch viele tolle Instrumente, neue bzw. altbekannte Kinderlieder, lustige Sing- und Bewegungsspiele, Klanggeschichten und jede Menge Spaß. Zum Abschluss stärken wir uns mit einer Obstjause.

CINEMA PARADISO

| FILM

VINZENZ PAULI

GLÜCK

10. APRIL ... mit Erika Rosenberg. Im Rahmen einer EuropaReise erzählt Rosenberg über Emilie und Oskar Schindler, die mit ihrer Emailwarenfabrik in Warschau 1.300 Jüdinnen und Juden vor der Ermordung durch das nationalsozialistische Regime retteten. Rosenberg lernte Emilie Schindler 1990 in Buenos Aires kennen und wurde zu ihrer Vertrauten.

27. APRIL „Glück“ beginnt mit einem Unglück. In Südfrankreich starben 2005 während heftiger Unwetter mehrere Menschen bei dem Versuch, ihr Auto aus der Tiefgarage zu fahren. Ausgehend von diesem realen Ereignis entwickelte die tschechisch-österreichische Autorin Kateřina Černá in soghafter, sprachlich rhytmisierter Form ihr absurd-existentielles Stück.

| GESCHICHTE

LANDESTHEATER

| AUSTELLUNG

WAREHOUSE

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| MITMACHSHOW

„ERZÄHLTE GESCHICHTE“

MUSEUM NÖ

STADTMUSEUM

| THEATER

MFG 02.18

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MFG

AUSSENSICHT

STÄDTE BOOMEN, ABER: WIEVIEL WACHSTUM BRAUCHT ST. PÖLTEN? GEORG RENNER

Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Redakteur beim „profil“.

St. Pölten sieht vielleicht aus wie Berlin – aber das war es auch schon.

Stadtplanung funktioniert so langfristig, selbst politische Feinspitze bekommen kaum etwas mit.

Als ich letztens vom obersten Stockwerk der neuen (und jetzt schon hoffnungslos überfüllten) Park- and Ride-Anlage über die Stadt geschaut habe, musste ich plötzlich an Berlin denken. Nein, ich bin nicht verrückt geworden. Und ja, natürlich sind das ganz andere Maßstäbe. Aber die Kranlandschaft, die sich momentan nördlich des Bahnhofs ausdehnt, vom Krankenhaus über zig Wohnprojekte, spricht Bände davon, dass St. Pölten boomt. Aber stimmt das auch? Wir müssen jetzt sehr stark sein: Der Eindruck täuscht ein wenig. Ja, St. Pölten wächst, St. Pölten ist durchaus eine attraktive Stadt geworden – aber eine Explosion wie in anderen Regionen Niederösterreichs erlebt es nicht. Wenn man sich die aktuellste Bevölkerungsprognose der Raumordnungskonferenz anschaut, wird die Stadt bis 2060 um rund zehn Prozent ihrer aktuellen Einwohnerzahl wachsen – bis sie an die 60.000er-Grenze stößt, dürfte es in einem realistischen Wachstumsszenario bis 2075 und länger dauern. Das ist nicht nichts, aber im Vergleich zu dem Drittel, um das Wien, Wiener Neustadt, Gänserndorf oder Schwechat in den nächsten 40 Jahren wachsen dürften, relativ moderat. Im Landes- und Bundesvergleich wächst St. Pölten (übrigens genauso wie der Bezirk St. Pölten Land) allen Prognosen nach ziemlich durchschnittlich. Das ist allerdings nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Die genannten Boomgegenden haben jetzt – und werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten – alle Hände voll zu tun haben, mit dem Stress umzugehen, den ihr enormes Wachstum mit sich bringt – teureres Wohnen, Verkehr, Integration und so weiter. St. Pölten kann sich leisten, das alles ein wenig entspannter anzugehen, kann seine Entwicklung langfristig planen und umsetzen, weil nicht von einem Jahr auf das nächste zehntausende Bürger dazukommen. Das würde sogar Platz für eine breite, öffentliche Debatte mit Bürgerbeteiligung lassen: Wo sollen künftig dichte Wohngebiete entstehen? Wie sollen die Einwohner von dort in die Schulen und an ihre Arbeitsplätze kommen? Alles Fragen, die man nicht der Politik alleine überlassen muss. 76

JAKOB WINTER

Der Wilhelmsburger arbeitet als Journalist bei „Addendum“.

Jeder kennt diese Bilder: Politiker, die mit einer Schaufel in den lockeren Boden stechen und dann kleine Erdhaufen in Richtung der Fotografen schupfen. Spatenstiche haben in Zeiten boomender Städte Hochkonjunktur. Abseits der zeremoniellen Inszenierung ist Stadtentwicklung eine hochkomplexe Sache. Immer mehr Menschen zieht es in die Ballungszentren, denn dort gibt es Jobs, Bildung, Kultur und kurze Wege. Die Neo-Stadtbürger brauchen aber nicht nur Wohnraum – ihre Autos drängen ins Straßennetz und ihre Kinder in die Schulen. Die Schwierigkeit liegt darin, solche Bevölkerungsbewegungen im Vorhinein zu erahnen. Ist der Wohnungsmarkt erst einmal überhitzt, sind die Straßen verstopft und die Müllentsorgung überlastet, ist es viel zu spät. Es gibt keine allgemeingültige Formel, wie viel Wachstum eine Stadt verträgt, es gibt nur eine goldene Regel: Vorausdenken. Stadtplanung funktioniert so langfristig, dass selbst politische Feinspitze kaum etwas davon mitbekommen – außer, es wurden die falschen Entscheidungen getroffen, dann müssen alle mit den Folgen leben. Wer klug ist, baut vor: Die Stadt Wien verfügt aktuell über 2,8 Millionen Quadratmeter unbebauter Grundfläche. Je nach Bedarf an Wohnraum kann die Stadt die Flächen an Wohnbauträger verkaufen. Mit strategischer Planung lassen sich sogar ganze Stadtteile beleben. Das verrufene „Glasscherbenviertel“ in St. Pölten profitierte von der Ansiedelung der Fachhochschule und der Studentenwohnheime. Der Landhaus-Boulevard ist dagegen eine unbelebte Betonwüste geblieben. Dem Wachstum sind jedenfalls natürliche Grenzen gesetzt. So hat etwa die Mariazellerstraße ihre Maximalbreite erreicht. Wer hier weniger Verkehr will, wird mehr Öffis brauchen. Obwohl langfristige Stadtentwicklung über die Zukunft jeder Kommune entscheidet, spielt sie in der tagespolitischen Debatte keine große Rolle. Der Grund ist wohl, dass sich mit dieser trockenen Materie kaum Wahlen gewinnen lassen – mit Spatenstichen schon eher.


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MÄRZ 2019: Nach dem durschlagenden Erfolg des „Don’t smoke“ Volksbegehrens haderten manche polternd über ihren Ruf nach direkter Demokratie oder schweigend über ihre Pakttreue. 78


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