MFG - Das Magazin / Ausgabe 63

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MFG EDITORIAL

JOHANNES REICHL

geschichte schreiben

E

s „passieren“ mitunter Ausgaben, die durchzieht so etwas wie ein roter Faden, der – ich gebe es offen zu – gar nicht immer so geplant ist. Ich frage mich dann stets, ob das Kreisen um bestimmte Themen, die sich in verschiedenen Artikeln herausschälen, bloßem Zufall, einer unterbewussten Manipulation jener Gedanken, die mich gerade beschäftigen, oder doch eher so etwas wie einer gesamtgesellschaftlichen Stimmung geschuldet sind, die in der Luft liegt. Diesmal waren es Demokratie, Freiheit, Toleranz, Verantwortung – das ganze Arsenal also, das wir so gerne (und völlig zurecht!) als unseren Wertekanon bezeichnen. Augenscheinlich wurde mir das beim Betrachten des Faksimiles des österreichischen Staatsvertrages im neuen „Haus der Geschichte“, wobei mich noch mehr der Stift daneben in Bann zog: Jene Füllfeder, mit der Leopold Figl das Konvolut unterzeichnete. Nur ein kleines Schreibwerkzeug, elf hingekrakelte Buchstaben, mit denen der damalige Außenminister aber im wahrsten Sinne des Wortes „Geschichte schrieb“, was er auch verbal mit den berühmten drei Worten „Österreich ist frei“ auf den Punkt brachte. Nur zehn Jahre zuvor hatte er zu Weihnachten 1945 noch fast flehentlich an sein Volk appelliert „Glaubt an dieses Österreich!“, und weitere

zehn Jahre vorher war Österreich nach bürgerkriegsähnlichem Dauerzustand endgültig in ein autoritäres Regime geschlittert. Das wird an anderer Stelle des Musuems, in der Ausstellung „Die umkämpfte Republik. Österreich von 1918-1938“, mit ziemlicher Wucht vor Augen geführt – sie endet mit dem Ende „Österreichs“, seiner Eingliederung ins Deutsche Reich. Auf einer Videowall zum Ausgang hin sieht man die brennende St. Pöltner Synagoge, die einen mit einem beklemmenden Gefühl entlässt, aber auch mit einer einfachen Einsicht: Freiheit, Souveränität, Nächstenliebe – also Humanität – sind nichts Selbstverständliches. Sie müssen, wie es Universitätsprofessor Anton Burger im Interview (S. 42) formuliert, „immer wieder aufs Neue erkämpft werden. Es genügt nicht allein, dass sie irgendwo – etwa in der Verfassung, den allgemeinen Menschenrechten etc. – aufgeschrieben stehen, sondern wir müssen sie leben! Andernfalls mutiert die Rede von der Würde des Menschen zum zahnlosen Papiertiger.“ Was freilich gar nicht immer so einfach ist, weil die Demokratie als Lebensmodell, das unseren Wertekanon sozusagen in ein politisches Vollzugsmodell gießt, immer wieder von Phänomenen herausgefordert wird, die an ihren Grundfesten selbst kratzen. Wie weit etwa darf Toleranz gegenüber Intoleranz gehen

(Islamismusdebatte/Religionsfreiheit), wie weit dürfen wir die Freiheit um der Freiheit selbst willen beschränken (Terrorismusbekämpfung/Sicherheit) – und ab wann übersehen wir es vielleicht, so dass die Situation kippt und das, was uns bislang unantastbar erschien, plötzlich in Scherben vor uns liegt oder zumindest massiv bedroht ist. Wer sich wieder, wie jüngst eine Umfrage zutage förderte, nach „dem starken Mann“ sehnt (immerhin 43% der Befragten in Österreich), mag einen Blick in die Geschichtsbücher werfen oder auch nur in die nähere Umgebung – nach Ungarn, Polen, die Türkei – wo gemeinhin Selbstverständliches wie Rede- und Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, die Unabhängigkeit der Justiz, ja Gewaltentrennung als solche suzkzessive ausgehöhlt werden. Wenn wir das nicht wollen, dann müssen wir unsere demokratischen Möglichkeiten festigen, ja leben. Kurzum, setzen wir unser Kreuz auf den Wahlzettel. Denn nur so mutiert obig erwähnter Papiertiger ganz im Gegenteil zu einem mächtigen Instrument der Souveränität, der Freiheit und des Bekenntnisses zu unseren Werten. Anton Burger spricht diesbezüglich von „Mitverantwortung“, die jeder einzelne von uns trägt. Und einer Sache sollten wir uns auch bewusst sein: Wir alle schreiben Geschichte.

Offenlegung nach §25 Medien-Gesetz: Medieninhaber (Verleger): NXP Veranstaltungsbetriebs GmbH, MFG - Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten. Unternehmensgegenstand: Freizeitwirtschaft, Tourismus, und Veranstaltungen. Herausgeber/Geschäftsführer: Bernard und René Voak. Grundlegende Blattlinie: Das fast unabhängige Magazin zur Förderung der Urbankultur in Niederösterreich. Redaktionsanschrift: MFG – Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten; Telefon: 02742/71400-330, Fax: 02742/71400-305; Internet: www.dasmfg.at, Email: office@dasmfg.at Chefredakteur: Johannes Reichl Chefredakteur-Stv.: Michael Müllner Chef vom Dienst: Christina Bauer Redaktionsteam: Christina Bauer, Thomas Fröhlich, Gotthard Gansch, Sascha Harold, Dominik Leitner, Michael Müllner, Michael Reibnagel, Andreas Reichebner, Thomas Schöpf, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kolumnisten: Herbert Binder, Thomas Fröhlich, Dominik Leitner, Michael Müllner, Tina Reichl, Roul Starka, Beate Steiner Kritiker: Helmuth Fahrngruber, Thomas Fröhlich, Wolfgang Hintermeier, David Meixner, Clemens Schumacher, Manuel Pernsteiner, Michael Reibnagel, Johannes Reichl, Robert Stefan, Markus Waldbauer Karikatur: Andreas Reichebner Bildredaktion: Elias Kaltenberger, Matthias Köstler, Hermann Rauschmayr Coverfoto: Collage Andreas Reichebner, Fotos: Martin Röll-Wikipedia, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org, Ralf Roletschek / fahrradmonteur.de; AleXXw/ commons.wikimedia.org; pixabay.com, pgottschalk-fotolia.com Art Director & Layout: Mr. Shitakii Korrektur: Anne-Sophie Müllner Hersteller: NÖ Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft mbH Herstellungs- und Verlagsort: St. Pölten Verlagspostamt: 3100 St. Pölten, P.b.b. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2. Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr. Für den Inhalt bezahlter Beiträge ist der Medieninhaber nicht verantwortlich.


INHALT Wohn-bau-boom – Seite 8

hohes haus – Seite 18

Staatsverweigerer – Seite 32

Haus der geschichte – Seite 60

youtube – Seite 66

frauenfuSSball – Seite 72

3 Editorial 6 In was für einer Stadt leben wir

URBAN

7 Shortcuts Urban 8 Wohn-Bau-Boom 14 Weiter mit weißer Weste 18 Mission Hohes Haus 32 Staatsverweigerer 42 Herr Burger sucht das Glück 46 Wer schuldhaft handelt

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KULTUR

SPORT

SZENE

74 Kritiken 75 Veranstaltungen 76 Außensicht 78 Karikatur

52 Shortcuts Kultur 54 Schnappsidee 58 Pimp up my home 60 Haus der Geschichte 64 Shortcuts Szene 66 Youtube – train & gain 70 Über Kreuzungen ins Natterstal

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In was für einer Stadt leben wir eigentlich...

… in der das Fußballmärchen der ÖFB-Damen auch einen gar nicht so kleinen, aber feinen St. Pölten Anstrich hat. Immerhin gingen eine Reihe der erfolgreichen ÖFB-Spielerinnen durch die „Hände“ des „Nationalen Zentrums Frauenfußball“, das in der nö. Hauptstadt situiert ist. Hier bekommen talentierte Mädchen im Alter zwischen 14-19 Jahren nicht nur eine ordentliche Schulausbildung, sondern eben auch den Feinschliff für eine Fußballkarriere . Dass St. Pölten zudem auf Mannschaftsebene mit dem SKN St. Pölten seit einigen Jahren DIE Topadresse im österreichischen Frauenfußball ist, komplettiert das Bild. Die EMEuphorie lässt jedenfalls hoffen, dass damit endgültig das altbackene Klischee vom Fußball als reiner Männersport passé ist. Also Mädls, ran an den Ball! Und liebe Fußball-Fans – lasst euch gefälligst auch bei den Damenspielen blicken: Spieltermine findet ihr hier: www.skn-frauen.at!

THEATERFEST FÜR ALLE Samstag 16. September 2017 im Landestheater Niederösterreich

… in der dem Präsidenten des Landesgerichts St. Pölten, Franz Cutka, das sprichwörtliche Häferl übergeht, wenn er an zwei „neue“ Bezirksgerichte seines Sprengels denkt. Schon 2012 wollte die Politik kleine Bezirksgerichte mit größeren Gerichten zusammenlegen, denn: Kleinstgerichte seien wenig effizient. Haag und Waidhofen an der Ybbs wurden zu „Nebenstellen“ des Bezirksgerichts Amstetten. Seither fuhren Akten täglich mit dem Taxi hin und her, teure Umbaupläne wurden beauftragt, dann wieder verworfen – bis Ende 2016 „quasi als Geschenk“ vor einer Gemeinderatswahl die Bezirksgerichte doch wieder „vollständig“ zum Leben erweckt wurden. In Folge: neue Personalbesetzungen und Pläne, die veralteten Gebäude aufwändig zu renovieren. Gewonnen sind zwei Kleinstgerichte mit 1,5 bzw. 2 Richterkapazitäten. Cutka fragt: „Moderne, sparsame Verwaltung?“ Wir denken, wohl eher nicht.

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Fotos: fotomek-fotolia.com, ZVG

… in der St. Pölten am Weg zur „Tesla-Town“ ist, zumindest was das Ladeangebot des kalifornischen Elektromobilitätspioniers betrifft. So wurden vor kurzem beim City Hotel acht sogenannte TESLA-Supercharger installiert, womit man etwa die Bundeshauptstadt Wien im Vergleich alt aussehen lässt. Damit können TESLA-Fahrer ihr Gefährt innerhalb einer halben Stunde um bis zu 270 km Reichweite aufladen. Die Zeit verbringt man derweil gemütlich bei einer guten Tasse Kaffee, bei einem guten Essen oder man bleibt – so man St. Pölten auf einer längeren Reise als Zwischenstopp eingeplant hat, überhaupt gleich über Nacht. Insgesamt kurven auf Niederösterreichs Straßen aktuell etwa 3.500 E-Autos herum, Tendenz steigends. Das Land fördert den Umstieg auf E-Autos mit einer „blau-gelben Pionierprämie“ mit bis zu 5.000 Euro. Manche Städte, wie z. B. Krems, bieten zudem Gratisparken an!


SHORTCUT URBAN

Fotos: blende11.photo–fotolia.COM, ZVG

Kolumne MICHAEL MÜLLNER

NACH DER LETZTEN CHANCE

N

G ut gebr ü llt W o l f

un ist er also da, der neue LUPBus-Fahrplan, der das Öffi-Fah­ ren in St. Pölten weiter attraktiviert. So wurden zwei neue Linien komplett eingerichtet, womit „93% der St. Pöltner Wohnbevölkerung eine LUP-Haltestelle in 5-Minuten-Gehdistanz haben“, wie man seitens des Magistrates betont. Neu sind zudem der Anschluss von Weitern und Ragelsdorf an das LUP-Netz – wobei hier die Bevölkerung bereits den Wunsch nach einem dichteren Takt zu den Stoßzeiten am Morgen deponiert hat – sowie der Sonntagsbetrieb auf den Linien 1,

K

5 und 6. W-LAN in allen Bussen und ein 10-Minuten-Takt in der Nord-SüdAchse komplettieren das Angebot und sollen die Nachfrage weiter nach oben kurbeln. Die Fahnenstange sei aber noch nicht erreicht, wie der Bürgermeister konstatiert: „Uns ist bewusst, dass mit der Stadt auch der LUP mitwachsen muss. Denn eine Stadt ohne funktionierendes Bussystem ist eine Stadt ohne Lebensqualität!“ Die ÖVP hält diesbezüglich an ihrer Forderung nach einer Senkung des Jahreskarten-Tarifs fest. Umsteigen lohnt sich aber jedenfalls schon jetzt!

„ P re s s e “ m ann f ü r N Ö N

arl Ettinger ist neuer NÖN-Chefredakteur. Sein bisheriger Vorgesetzter, „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak, streute dem scheidenden Kollegen Rosen. „Seit mehr als 30 Jahren begleitet der Oberösterreicher als leitender ‚Presse‘-InnenpolitikRedakteur kompetent, seriös und mit nicht nachlassendem Elan die Auf und Abs der heimischen Innenpolitik.“ Nun wird er sich vermehrt jenen der Landespolitik widmen. Sein Stellvertreter wird Daniel Lohninger. Er war der klare Favorit der Kollegenschaft auf den Chefposten – die Redaktion hat ein Vorschlagsrecht – die Herausgeberseite wollte aber eine externe Lö-

sung, was ein alter Pressehaus-Insider nüchtern kommentierte: „Dr. Gudula Walterskirchen vermittelt der NÖNRedaktion nach drei Jahrzehnten das völlig ungewohnte Gefühl einer Herausgeberin mit Richtlinienkompetenz.“

Es sei die Regierung der letzten Chance, waren sich Politiker und Kommentatoren nach der letzten Nationalratswahl einig. Kleinlaut wurde versprochen, SPÖVP würde nun wirklich arbeiten und die großen Probleme des Landes lösen. Wir halten fest: Das war sie also, die letzte Chance. Heute ist die Zusammenarbeit aufgekündigt, das verbliebene Porzellan zerschlagen. Streit und Blockaden überlagern den Fortschritt, der sich vereinzelt eingestellt hat – fast wie zum Trotz, als wolle er damit die zerstrittene Regierung ärgern. Doch wer macht weiter, wenn Rot und Schwarz aufhören? Die Alternativen machen selbst leidensfähige Österreicher wehmütig. Kommt es am Ende zwar anders, aber dafür noch schlechter? Bisher lief der Wahlkampf unter dem Sendungstitel „Der SuperPopulist“. Strache hat es immer schon gesagt. Kurz hat es immer schon besser gewusst. Kern hätte es immer schon besser mit uns gemeint. Nun muss sich nur mehr die Regie noch etwas mehr bemühen, damit der von allen gewollte „Dreikampf um die Kanzlerschaft“ doch noch gelingt. Denn nichts mobilisiert bekanntlich mehr wie ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wobei am Ende womöglich sogar die Kleinen den Wahlabend spannend machen: Wie viele Wähler werfen ihre Stimme in den Müll (und geben sie einer Partei, die unter der 4-Prozent-Hürde bleibt)? Wie viele Fraktionen muss die neue Regierung überzeugen, um eine Mehrheit für Verfassungsgesetze zustande zu bringen? Und wer ist so verwegen und wettet, dass am Ende Rot und Schwarz doch noch zusammenfinden? Für eine letzte Chance?

MFG 09.17

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MFG URBAN

Wohn-Bau-Boom noch ohne Wohn-Bau-Blase K St. Pölten ist Lieblingsstadt der Wohnungsbauer. Es ist günstig, gut gelegen und hat Wohnqualität. Daher ist es auch Lieblingsstadt vieler Wohnungssuchender.

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räne dominieren die Silhouette der Stadt, vermitteln, dass ganz St. Pölten eine einzige große Baustelle ist. Und der Eindruck täuscht nicht – vor allem der Wohnbau boomt in der wachsenden niederösterreichischen Metropole. 1.726 Wohneinheiten werden derzeit errichtet, 4.333 weitere sind in Planung. Zu viele? Nein, sagt Georg Edlauer, Fachverbandsobmann der Wirtschafts- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer, „eine Überhitzung kann ich nicht feststellen.“ Aber eine harmonische Steigerung. „Das Angebot ist ein bisserl vor der Nachfrage. Das ist gut so. Denn wer nachfragt und nichts bekommt, kommt nicht wieder.“ Im Übrigen sehe man daran auch, wie Markt funktioniert: „Die Wohnbauleistung steigt, die Mieten

bleiben gleich, weil das Angebot passt. Es gibt allerdings noch zu wenig Eigentum, wie es von einer bestimmten Klientel gesucht wird, daher steigen die Preise.“ Auch Norbert Steiner, Obmann der Wohnungsgenossenschaft Alpenland, sieht den Bau-Boom nicht in einer Bau-Blase enden: „Es wird zwar Vollgas gebaut und wir merken, dass die Wiener Bauträger einfallen. Aber St. Pölten ist halt attraktiv für Investoren.“ Derzeit läuft alles noch in einem vernünftigen Maß, „ein Problem für die Stadtentwicklung ist nur die lange Zeit, die der Magistrat für Baugesuche braucht“, so Steiner. Bis zum Jahr 2025 will die Stadt auf 65.000 Einwohner wachsen, bestätigt Stefan Haiderer von der Wohnservicestelle des Magistrats. Das sei ein ver-


TEXT: Beate Steiner | Fotos: Immo St. Pölten, Elias Kaltenberger

trägliches Ausmaß und bedeute, dass die nötige Infrastruktur dem Tempo der Wohnraumschaffung voraus sein muss. „Unser Ziel ist es, dass wir jedes Jahr den Bedarf an neuen Wohnungen decken können, um massiven Preissteigerungen entgegenzuwirken.“ Das ist bis jetzt gelungen – St. Pölten rittert sich im Immobilienpreisspiegel Jahr für Jahr mit Eisenstadt um den letzten Platz bei den Hauptstädten. Eine ideale Voraussetzung für Investoren und Hausbauer. Beteiligt an St. Pöltens rasanter Entwicklung als Wohnstadt sind Genossenschaften genauso wie Versicherungen. Und auch private Investoren haben die Vorzüge von Österreichs jüngster Hauptstadt entdeckt: Günstige Grundstückspreise, zu wenige Eigentumswohnungen, hervorragende Infrastruktur, eine geniale Lage mit bester Verkehrsanbindung (in 33 Minuten ist man mit der Bahn mitten in Wien) und noch günstigere Miet- und Kaufpreise als die Städte im Speckgürtel der Bundeshauptstadt sind für viele Ansiedlungswillige überzeugende Argumente.

Und daher auch für Immobilienentwickler. Platzhirschen und Player Heimische Wohnungsgenossenschaften sorgen seit Jahrzehnten dafür, dass die St. Pöltner ein Dach über dem Kopf haben, allen voran die Allgemeine Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft. 218 Wohnungen und 26 Reihenhäuser der St. Pöltner Genossenschaft entstehen aktuell, darunter „Junges Wohnen“ in der Karl PfefferGasse. „Dafür kann man sich schon bewerben“, berichtet Direktor Willi Gelb. 740 weitere Wohneinheiten sind verteilt über das Stadtgebiet geplant, fast alles geförderter Wohnbau, aber erstmals sind auch Eigentumswohnungen dabei, und zwar in der Hötzendorfstraße in der Innenstadt. „Uns ist Qualität wichtig“, betont der Genossenschafts-Direktor, und: „Wir

bauen halt auf St. Pöltner Art – und ein bisserl Willi Gelb ist auch immer dabei.“ Der erste Genossenschafts-Chef, der sich an Eigentumswohnungen gewagt hat, war Wilhelm Haberzettl mit seiner BWS-Gruppe. Er ließ die alte Gebietskrankenkasse in der Dr. Karl-Renner-Promenade abreißen. Ende 2018 sollen die dort in die Höhe wachsenden 112 frei finanzierten Wohnungen bezogen werden. „Die sind ein Verkaufshit, es war ein echtes G’riss um die Wohnungen – es sind praktisch alle verkauft“, strahlt Haberzettl, der aus diesen Erfahrungen gelernt und einen Teil der 185 entstehenden BWSG-Wohnungen in der Maximilianstraße nicht vermietet, sondern ebenfalls als Eigentumswohnungen verkauft: „Jetzt läuft’s!“ Mit 14 frei finanzierten Maisonetthäusern am Kupferbrunnberg ist die

Die Wohnbauleistung steigt, die Mieten bleiben gleich, weil das Angebot passt. Georg Edlauer | WKO-Fachverbandsobmann

MFG 09.17

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MFG URBAN Entwicklung der Immobilienpreise 1987 zahlte man in St. Pölten für eine Wohnung in sehr guter Lage bis 70 Schilling pro Quadratmeter, das sind rund 5 Euro. 2017 kostet ein Quadratmeter Wohnen in sehr guter Lage durchschnittlich 8,57 Euro. 1989 zahlte man für eine Eigentumswohnung in Bestlage 12.000 Schilling pro Quadratmeter, das sind 872 Euro. 2017 kann man St. Pöltens Wohn-Quadratmeter um 1.875 Euro kaufen. Wichtig: Die Inflationsrate seit 1987 beträgt fast 90 Prozent.

in Umsetzung in Planung BAURECHT

BOOMTOWN. Allerorts in der Stadt wird neuer Wohnraum geschaffen. Aktuell befinden sich 1.726 Wohnungen im Bau, 4.333 weitere sind in Planung.

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Wohn-Bau-Boom noch ohne Wohn-Bau-Blase

Wir bauen halt auf St. Pöltner Art – und ein bisserl Willi Gelb ist auch immer dabei. Willi Gelb | Direktor Allg. Wohnungsgenossenschaft

Wohnungsgenossenschaft Alpenland am Wohnungseigentumsmarkt dabei, nur mehr drei davon sind frei. Am gleichen Standort errichtet Alpenland 26 Eigentumswohnungen und 28 geförderte Mietwohnungen. Weiters im Angebot der Wohnungsgenossenschaft: Junges Wohnen in der Hermann Gmeiner Gasse und das Wohnquartier „Am Mühlbach Ost“. In die 350 Wohneinheiten in einem Mix aus Miet- und Eigentumswohnungen mit einem vielfältigen Freiraumangebot soll ein gemischtes Klientel aus Jung und Alt einziehen. Planend und bauend aktiv sind auch die Hypo NÖ mit 720, die WET mit 320 und die Niederösterreichische Versicherung mit 50 Einheiten. Die NV war einer der ersten Immobilienentwickler, die das Potential der Traisenstadt erkannte, „weil St. Pölten Zuzugsstadt ist“, so Generaldirektor Hubert Schultes voll Überzeugung. „Unser erstes markantes Projekt war wohl das NV Center.“ Die Versicherung engagiert sich dabei nur in der Innenstadt, Projekte in der Wiener Straße, der Fuhrmannsgasse und am Hammerweg werden in Kürze eingereicht: „Mit der Vermarktung haben wir kein Problem.“ Etwas außerhalb der Altstadt und trotzdem in bester Lage ist ein neues Wohnquartier mit 500 Wohnungen geplant, und zwar auf dem WWE-

Areal südlich der Viehofner Seen. Baustart dafür soll 2019 sein. Mit der „Glanzstadt“, dem Großprojekt auf dem ehemaligen Fabriksgelände der Glanzstoff, gestaltet die Domus Liegenschaftsverwaltungs-Gesellschaft als Eigentümerin die Zukunft des Nordens der Stadt mit: In den nächsten 15 bis 20 Jahren sollen hier 1.300 Wohnungen und Raum für rund 1.000 Arbeitsplätze entstehen. Noch vorher setzt Domus allerdings vis-a-vis an der Herzogenburger Straße ein Projekt mit 200 Wohnungen um. Die ersten 90 Wohnungen sollen im kommenden Jahr fertig sein. Das nächste neue Grätzl entsteht zwischen Bahnhof und Universitätsklinikum: Der Wiener Immobilien-

Entwickler CORAG Real Estate errichtet auf dem ehemaligen Jägerbau-Areal zwischen Bahnhof und Universitätsklinikum das Quartier Zentral mit insgesamt 200 Wohnungen. Auch Jägerbau befasst sich neben Projektgestaltung und Firmenansiedlungen mit Wohnen, und zwar „mit einer ausgewogenen Mischung aus Miete und Eigentum“, so Jäger Immo-Geschäftsführer Richard Pasteiner. Vorzeigeprojekt ist derzeit eine der originellsten Planungen der Stadt: In die ehemalige Tanzfabrik in Unterradl­berg werden Singlewohnungen gebaut, daneben sollen Eigentumshäuser entstehen. Immer mehr Private Nicht nur Wohnungsgenossenschaften und Immobilienentwickler, auch private Investoren setzen auf den Wohnbauboom in St. Pölten: Direkt am Linzer Tor weichen das Erd-Haus sowie das ehemalige Nachtlokal in der

I m m o b i l i e n P REI S sp i e g e l 2 0 1 7 Landeshauptstädte – Wohnimmobilien Landeshauptstädte

PS 2016

PS 2017

%

Salzburg

4.105,50

4.131,50

+ 0,7

Wien

3.771,70

3.817,90

+ 1,2

Innsbruck

3.651,90

3,718,90

+ 1,8

Bregenz

3.348,50

3.474,20

+ 3,8

Graz

2.793,20

2.846,70

+ 1,9

Linz

2.601,90

2.654,70

+ 2,0

Klagenfurt

2.226,00

2.276,40

+ 2,3

Eisenstadt

1.838,80

1.904,30

+ 3,9

St. Pölten

1.812,80

1.865,00

+ 2,9

MFG 09.17

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MFG URBAN Kolumne BEATE STEINER

URBANER LÄRMPEGEL

Foto: Adriano–Fotolia.com

Unsere Welt wird immer lauter. Auch unsere kleine Welt, hier in STP. Schmerzhaft ans Ohr dringen durchs leicht geöffnete Fenster piepsende Lastwägen um 6, Presslufthämmer um 7, quietschende Kinder um 8, lautstarke Männer um 9, kreischende Sägen um 10, den laufenden Motor übertönende Autoradiomusik um 11, zurückkehrende brüllende Kids um 12 – und so weiter und so fort. Die Beschallung erreicht ihren Höhepunkt zwischen 2 und 4, wenn lustige Menschen johlend, grölend und in rekordverdächtigen Stimmlagen kierend durch die Straßen klappern und dazwischen wildgewordene aufgemotzte Zweiradler röhren – auch durch die Fußgängerzone. Manchmal geben die sich’s auch so richtig. Nicht die Zweiradler, die Menschen. Da hab ich meinen Dark-Reality-Wortschatz schon ordentlich aufrüsten können, wenn nächtens auf der Straße die (Wort-) Fetzen geflogen sind. Oder in einer gegenüberliegenden Wohnung mit deutlich hörbarer Versöhnung. Bis zum Morgengrauen, bis die dröhnenden Laster, die kreischenden Baumaschinen und die heulenden Kids wieder an der Reihe sind und für einen urbanen Lärmpegel sorgen. Dieser ist in letzter Zeit ordentlich in die Höhe geschnalzt. Nein, nicht weil die Stadt wächst und an allen Ecken und Enden Baumaschinen auffahren – das hat ein Ablaufdatum. Nicht, weil die Innenstadt zur Partyzone wird – das bringt Lebensfreude in die City und ist theoretisch zur Schlafenszeit vorbei. Quälend ist der Krach, wenn er kein Ende nimmt und sich an keine Regeln hält. Weil sich die Krachmacher an das Motto „Hauptsache, mir geht’s gut!“ halten. Schön wär ein anderes: „Leben und leben lassen“.

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Wohn-Bau-Boom noch ohne Wohn-Bau-Blase

Karl-Renner-Promenade einem neuen Wohnbau. Eine St. Pöltner Gruppe rund um Rechtsanwalt Markus Mayer, Autohaus-Besitzer Franz Mayer, Manager Hans Langenbach und Projektentwickler Andreas Muschik investiert hier vier Millionen Euro in 30 Eigentumswohnungen, ein Geschäftslokal sowie eine Tiefgarage. Mit den Bauarbeiten wird im Herbst begonnen. Das als „Kleiderbauer-Haus“ bekannte alte NÖ Pressehaus am Beginn der Linzer Straße hat der Wiener Rechtsanwalt Helmut Rieger gekauft. Er will das ursprünglich von der Immofinanz geplante Projekt mit 30 Wohneinheiten umsetzen. Umgesetzt wird in der Innenstadt auch ein schon lange geplantes Wohnprojekt: Die Verbauung des Karmeliterhofareals. 2020, zehn Jahre nach den ersten Planungen, sollen dort, im Zentrum der Stadt, 160 Wohnungen fertiggestellt sein. Gewandelt hat sich das Projekt in all den Jahren mehrmals, Eigentümer ist jetzt die Bank Austria Real Invest, Projektentwickler Peter Lengersdorff. Zum Projekt gehört auch eine Tiefgarage mit ursprünglich einmal angedachten drei Parkebenen. Dass die Garage nicht nur für die Bewohner reserviert ist, sieht Plattform-STP-2020-Obmann Josef Wildburger als absolute Notwendigkeit: „Eine öffentliche Tiefgarage mit ausreichend Stellplätzen für Kurzparker mit Ausgang Richtung Rathausplatz ist ein Schlüsselprojekt aus dem Masterplan und würde alle noch offenen Innenstadtparkanforderungen befriedigen.“ 
 Quantität und Qualität Die Dimension der Garage unter dem Karmeliterhof wird also nicht diskutiert. Wenig zu diskutieren gibt es über das äußere Erscheinungsbild eines städtischen Wohnprojekts. Wenn sich ein Bauherr an den Bebauungsplan hält, kann er seine persönlichen Vor-

lieben ausleben. Denn § 56 der NÖ Bauordnung besagt ziemlich nebulös, dass Bauwerke so zu gestalten sind, dass sie in einem ausgewogenen Verhältnis mit bestehenden Bauwerken im Bezugsbereich stehen. „Bei uns sind zum Beispiel stehende Fenster üblich und nicht liegende“, verdeutlicht St. Pöltens Stadtplaner Jens de Buck, oder: „Die Fassaden am Rathausplatz sind alle pastellfarben.“ Allerdings: Geschmackspolizei gibt es keine. „Geschmäcker sind nun mal verschieden, das macht die Sache schwierig. Wir sind beratend aktiv, versuchen, ein akzeptables Maß zu entwickeln.“ Beste Maßnahme gegen eine allzu hässliche Stadterweiterung sind für de Buck Architektenwettbewerbe. „Da gibt es dann eine Vielzahl an Lösungsvorschlägen. Und eine qualifizierte Mehrheit entscheidet darüber, was realisiert wird, nämlich das am besten geeignete Projekt.“ Diese Wettbewerbe brächten einen reinen Mehrwehrt, sowohl für das Stadtbild als auch für Bauträger. Diese würden Wettbewerbe zu unrecht oft als Kos­ tentreiber sehen, „dieser Meinung schließt sich die Politik leider gerne an. Der Mehrwert wird nicht beachtet“, so der Stadtplaner. Als Positivbeispiel nennt es Bauten der Wohnungsgenossenschaft Alpenland. „Sie haben spektakuläre Projekte verwirklicht.“ Bei geförderten Objekten ist ein Bauträger dem Gestaltungsbeirat des Landes verpflichtet, ergänzt Alpenland-Obmann Norbert Steiner. Auch der ehemalige Hauptstadtplaner findet einen Wettbewerb der Ideen gut: „Ich bin der Überzeugung, dass man auf Qualität schauen sollte.“ Steiner kritisiert, dass St. Pölten die einzige Hauptstadt Österreichs ist, die keinen Gestaltungsbeirat hat. „Sogar Krems und Amstetten haben einen, das täte auch St. Pölten gut anstehen.“ Damit die Silhouette der Stadt angenehm ins Auge sticht, wenn dann die Kräne verschwunden sind.

Wir merken, dass die Wiener Bauträger einfallen. Aber St. Pölten ist halt attraktiv für Investoren. Norbert Steiner | Obmann Wohnungsgenossenschaft Alpenland


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Weiter mit weiSSer Weste Manfred Wohlmetzberger, ehemaliger Direktor von NV Immobilien, kehrt als Immobilienunternehmer zurück. Zwischen einer anonymen Anzeige, die den damals medienpräsenten Manager von einem Tag auf den anderen zu einem Geächteten machte, und seiner Rehabilitation liegen zwei Jahre. „Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen folgende Person eingestellt: Manfred Wohlmetzberger ...“ Es ist noch nicht lang her, dass Sie dieses Schreiben vom Innenministerium bekommen haben. Was war das für ein Gefühl, als Sie nun die Sicherheit hatten, nicht mehr angeklagt zu werden?

Ich war natürlich erleichtert, und ich habe mich riesig gefreut. Darüber, dass dieser Albtraum ein Ende hatte, auch für meine Familie. Aber ich persönlich habe ja gewusst, dass das so kommen muss. Im Grunde war ich immer überzeugt, dass nix passiert und habe immer gesagt, dass sich die Vorwürfe in Luft auflösen werden.

Weil ich ja immer stolz darauf war, dass ich kein Geld genommen habe. Allerdings hat sich im Dezember 2015 ein Gerücht rasend schnell in der Stadt verbreitet: „Der Wohlmetzberger ist suspendiert worden.“ Mit viel Stoff für die Klatschgesellschaft: „Hast schon gehört – der Wohlmetzberger sitzt im Häfen“, „Das hab ich schon immer gewusst, dass an seinem Erfolg was faul ist“, „Das kann ja nicht gut gehen, wenn jemand neben seiner Tätigkeit für die Versicherung auch noch eine eigene Firma hat“. Das und vieles mehr hat damals die Runde gemacht. Was ist wirklich passiert, damals im Dezember 2015? Das Finanzamt hat bei einer SubFirma Unregelmäßigkeiten in der Abrechnung entdeckt. Der Eigentümer dieses Unternehmens hat behauptet, dass das mit Schwarzgeldzahlungen an mich zusammenhängt. Das hat mein Arbeitgeber inoffiziell erfahren und mich umgehend von meinem Job suspendiert. Wer mich sonst noch angeschwärzt hat, weiß ich nicht. Das ist in Österreich leider üblich – wenn du jemanden ruinieren willst, zeigst du ihn an. Es ist dann alles ganz schnell gegangen. Die Staatsanwaltschaft hat meine Büros und mein Privathaus durchsucht, natürlich unangekündigt. Glücklicherweise ist mein 12-jähriger Sohn da schon in der Schule gewesen. Was hat man Ihnen vorgeworfen? Man verdächtigte mich der Schwarzgeldannahme und Veruntreuung. Die Staatsanwaltschaft wollte in meinen Unterlagen Listen mit Beweisen finden. Sie haben alle meine Termine kontrolliert. Sie haben hunderttausende Rechnungen verglichen mit Baustellen vor Ort und dabei alle Leute gefragt, ob ihre Wohnungen wirklich renoviert worden sind – unzählige Menschen sind mit den Vorwürfen gegen mich konfrontiert worden. Die Handys von Menschen, mit denen ich kooperiert habe, sind abgehört worden. Und die Staatanwaltschaft hat bei allen österreichischen Banken verdeckt ermittelt,

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TEXT: beate Steiner | Fotos: Elias kaltenberger

REINGEWASCHEN. „Ich war immer stolz darauf, dass ich kein Geld genommen habe!“

alle meine Konten wurden offengelegt. Parallel dazu hatte ich eine intensive Steuerprüfung vom Finanzamt. Drei Finanzbeamte sind alle meine Häuser abgefahren. Man kann sich nicht vorstellen, wie viele Leute damit beschäftigt waren, Beweismaterial gegen mich zu finden – zwei Jahre lang. Ihr Arbeitgeber hat Sie zunächst vom Dienst suspendiert, dann entlassen. Weil durch die Vorwürfe das Vertrauen nicht mehr gegeben war. Da zweifelt man dann schon an allem. Ich war 27 Jahre in der Firma, habe diesen Zweig der Versicherung aufgebaut und ein Haus nach dem anderen entwickelt. Ich war das Gesicht von NV Immobilien. Ich habe auch angeregt, dass in St. Pölten etwas passiert, dass sich die Versicherung hier einbringt. Das hat 2007 begonnen, vor zehn Jahren. Im Nachhinein betrachtet, würde ich solch einen Job als Angestellter nicht mehr machen. Wie haben Sie diese beiden Jahre erlebt und überlebt, auch finanziell? Ich war von einem Tag auf den anderen persona non grata. Ich hab zunächst einmal zehn Kilo abgenommen, wollte nicht mehr vor die Haustüre gehen. Weil ich mich ja immer rechtfertigen musste vor meiner Familie, vor meinen Freunden. Mein enger Freundeskreis hat allerdings zu mir gehalten in der Zeit, in der es

mir schlecht gegangen ist. Auch meine Geschäftspartner haben mich nicht hängen gelassen, haben mir gute Ratschläge gegeben. Das hat mir schon geholfen. Weil eigentlich war ich richtig ohnmächtig während dieser Zeit. Der Staatsanwalt redet nichts mit dir, nur hie und da mit deinem Anwalt, da vergehen Wochen und Monate, in denen nichts passiert. Und ich bin zu Hause gesessen und hab gewartet und hab mir gedacht, das kann nicht sein. Ein dreiviertel Jahr war ich wie gelähmt, dann hab ich weitergemacht. Glücklicherweise habe ich ja mit meiner eigenen Firma ein zweites Standbein, weil sonst hätte ich das finanziell nicht überstanden. Und es war nicht einfach. Trotz guter Bonität habe ich von den Banken kein Geld bekommen. Ich musste zwei Häuser verkaufen, um weitermachen zu können. Warum ist das eigentlich so, dass im Immobilienbereich ganz schnell der Verdacht der Unregelmäßigkeit entsteht? Woher kommt der Ruf? Na ja, erstens bin ich überzeugt, dass die Immobilienbranche in Österreich besser ist als ihr Ruf und auch besser als in vielen anderen Ländern. Es ist viel getan worden, um den Standard zu verbessern. Wer will, kann eine gute Ausbildung erhalten. Allerdings werkeln auch viele mit schlechter Ausbildung und viele Nicht-Österreicher. Das hängt auch damit zusammen,

dass man in der Immobilienbranche relativ einfach und schnell viel Geld verdienen kann. Legal und illegal. Wie wichtig ist Ihnen denn eine winwin-Situation? Für einen guten Ruf und für Nachhaltigkeit ist eine winwin-Situation ganz wichtig, eigentlich unumgänglich – du begegnest allen Menschen zwei Mal. Wie machen Sie jetzt weiter? Ich habe jetzt eine Hausverwaltung, die mit zwölf zusätzlichen Angestellten von Neulengbach nach St. Pölten übersiedelt ist. Und ich entwickle einige Projekte. Eines in Hietzing mit acht Eigentumswohnungen, das ist bereits im Oktober fertig. Dann eines in Krems mit 25 Eigentumswohnungen und auch eines in St. Pölten in der Wiener Straße 65. Hier entstehen 20 Eigentumswohnungen. Es ist also nichts zurückgeblieben von den beiden Jahren, in denen das Damoklesschwert der Anklage über Ihnen geschwebt ist? Doch. Ich weiß jetzt, wer meine Freunde sind, wem ich nicht mehr traue. Ich weiß, dass ich der Cleanste bin. Ich habe eine hundertprozentig weiße Weste, das ist amtlich. Und trotzdem renn ich noch immer durch die Gassen und glaub’, dass ich was erklären muss. Ich bin schon gespannt, wann das vorbei ist.

COMEBACK. Heute ist Manfred Wohlmetzberger als Immobilienentwickler und Hausverwalter wieder erfolgreich am Markt aktiv. MFG 09.17

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NÖGKK-Direktorin DR. Martina Amler

Jeder Mensch is(s)t anders Am 3. und 4. November findet im WIFI St. Pölten wieder die Frauengesundheitsmesse „Gesundheit für SIE“ statt, die sich schwerpunktmäßig heuer dem Thema Ernährung widmet. Wir sprachen darüber mit NÖGKK-Direktorin Dr. Martina Amler. Welche Grundidee liegt „Gesundheit für SIE“ zugrunde? Fühlt sich das jeweilige Geschlecht im eigenen Geschlechter-Kontext besser aufgehoben? Die zweitägige Enquete gibt Frauen die Möglichkeit, sich mit ihrer eigenen Gesundheit auseinander zu setzen. 2003 war der Ausgangspunkt des Projekts, dass Frauen andere Krankheitsbilder aufweisen als Männer und folglich die Versorgung der weiblichen Bevölkerung bedarfsspezifisch angepasst werden muss. Denn es gibt Unterschiede bei den Symptomen und Ausprägungen von Krankheiten, daher ist es durchaus sinnvoll, Infos geschlechterspezifisch zu vermitteln. Dies nahmen die niederösterreichischen Gesundheitspartner AKNÖ/

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Is(s)t Frau gesund? 3. – 4. November 2017 WIFI St. Pölten

FREITAG, 14:00 – 18:00 UHR SAMSTAG, 09:00 – 18:00 UHR

Eintritt frei! Vorträge, Ernährungsberatung, Schaukochen, Gesundheitschecks, kostenlose Kinderbetreuung, Info- und Ausstellerzone, Kabarett mit Wolfgang Fifi Pissecker (Beginn: Samstag 18:00 Uhr, Einlass nur mit Zählkarte)

Informationen unter: www.gesundheitfuersie.at

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ÖGB, Ärztekammer, Apothekerkammer, Land NÖ, NÖGKK und WKNÖ zum Anlass, gemeinsam aktiv zu werden. Es wurde versucht Information und Beratung möglichst niederschwellig frei zugänglich zu machen. Die Frauengesundheitsenquete bietet Impulse für eine gesunde Lebensgestaltung. Dies gelingt durch ein umfangreiches Programm: Gesundheits-Checks, Informations- und Beratungsstände sowie Vorträge zu frauenspezifischen Themen. Die Möglichkeit erste Gesundheits-Checks durchführen zu lassen, verringert die Hemmschwelle eine weitere Beratung in Anspruch zu nehmen und die Besucherinnen werden zu gesundheitsförderlichem Verhalten motiviert.

Das diesmalige Schwerpunktthema lautet „Ernährung im Wandel: Is(s)t Frau gesund?“ Gerade in diesem Bereich wird ja ein unglaublicher gesellschaftlicher Druck auf Frauen ausgeübt, Stichwort Traumfigur & Co. In unserer Gesellschaft findet man sehr viele gegensätzliche Aussagen zum Thema Idealgewicht, was oft – gerade beim weiblichen Geschlecht – zu Verunsicherungen führt. Im Vordergrund steht jedoch nicht die in den Medien propagierte Traumfigur, sondern eine gesunde Lebensweise. Die Enquete soll die Besucherinnen darüber informieren, was es heißt sich gesund und ausgewogen zu ernähren, und dass man sich diesbezüglich keinen Druck machen sollte. Essen soll ja schlussendlich auch Freude bereiten!

Ein anderes Thema sind Ernährungsmythen – von wegen das ist gesund, das ist ungesund? Mit welcher Erkenntnis sollen Damen die „Gesundheit für SIE“ letztendlich verlassen? Anhand von Ernährungsmythen wird oftmals versucht Lebensmittel in „gesund“ und „ungesund“ oder in „gut“ und „schlecht“ zu kategorisieren – letztendlich ist es jedoch meist eine Frage der Dosis, ob unserem Körper etwas gut tut oder nicht. Mythen können zwar oft einen Funken Wahrheit beinhalten, jedoch sollte man sich diesbezüglich bei Fachpersonal informieren. Auch bei der neuen Gesundheits-App „MedBusters“ für gesundes Wissen (www.medbusters.at) erhält man qualitätsgesicherte und verständliche Informationen zu den unterschiedlichen Gesundheitsthemen, etwa auch zum Thema „Ernährung“. Wichtig ist, dass die Frauen wieder vermehrt auf ihren eigenen Körper vertrauen und auf Signale wie Hunger, Lust oder Sättigung hören. Jeder Mensch is(s)t anders – es gibt kein Allround-Erfolgsrezept.


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Mission Hohes Haus Am 15. Oktober werden die Österreicher zu den Urnen gerufen, um einen neuen Nationalrat zu wählen. Drei St. Pöltner sind dabei als Kandidaten sozusagen mittendrin, statt nur dabei. Wir trafen die möglichen Neo- und Wieder-Mandatare zum Gespräch.

ROBERT LAIMER

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obert Laimer kommt mir mit dem Fahrrad entgegen. Als Treffpunkt für unser Gespräch hat er die „See-Lounge“ am Ratzersdorfer See vorgeschlagen, wo wir uns an einem sunny friday bei 30 Grad im Schatten zusammensetzen. „Jetzt, wo ich jenseits der 50 bin, wird mir Natur, das Naturerlebnis immer wichtiger“, bekennt er, fügt aber hinzu „trotzdem bin ich etwa für die S34, weil wir die als Entlastung in St. Pölten einfach brauchen.“ Damit sind wir schon direkt in einer Materie, die zwar St. Pölten betrifft, die aber auf Bundesebene entschieden wird – im Nationalrat. Und genau für diesen kandidiert Laimer zum ersten Mal, und zwar auf Platz 1 der SP-Bezirksliste. Ein politisch unbeschriebenes Blatt ist der 51-jährige dabei beileibe nicht, vielen gilt er, wie man so schön sagt, als „g‘standener Sozi“, der seine diesbezügliche politische Sozialisierung schon mit der Muttermilch aufsaugte. „Mein Urgroßonkel war Delegierter am Gründungsparteitag der Sozialdemokratie in Hainfeld, darauf bin ich schon stolz.“ Mit dem allgemeinen Trend zu „Bewegungen“ kann er deshalb wenig anfangen. „Die Demokratie in Österreich war immer eine repräsentative – und damit sind wir gut gefahren. Letztlich geht es um eine Struktur, mittels der man Politik gestalten kann. Ob du das nun Bewegung, Liste oder Partei nennst, ist in Wahrheit egal.“ Selbstredend hätten sich aber die Parteien als solche geändert. „Früher hat eine Partei dein ganzes Leben durchdrungen – bei den Sozialdemokraten etwa von der Partei, Gewerkschaft und Genossenschaft über Arbeiterbank und diverse Vorfeldinstitutionen bis hin zum Sterbeverein. Das 18

ist heute unvorstellbar.“ Sich auf den immer schnelleren gesellschaftlichen Wandel einzustellen, habe den ehemaligen Großparteien vielfach Probleme bereitet, wie Laimer auch Selbstkritik übt. In ihrer Grundausrichtung sei sich die SPÖ aber stets treu geblieben: „Es geht letztlich um eine Schutzfunktion, um Gerechtigkeit, um Solidarität – das ist unsere DNA.“ Und auch wenn die berühmten drei Pfeile der SPÖ heute bisweilen altbacken wirken, so hat Laimer für sich persönlich doch drei Eckpfeiler, wie er schmunzelnd darlegt: „Partei, Gewerkschaft und Rapid Wien.“

Mein Urgroßonkel war Delegierter am Gründungsparteitag der Sozialdemokratie in Hainfeld, darauf bin ich schon stolz. ROBERT LAIMER

Out of STP Politisch tätig war Laimer bislang vor allem in seiner Heimat St. Pölten. Seit 2001 sitzt er im Gemeinderat, die letzten elf Jahre davon als Stadtrat. Beruflich aus der Gebietskrankenkasse kommend war er späterhin viele Jahre SP-Bezirksparteisekretär und zuletzt, womit er auch das Räderwerk der Landespolitik aus nächster Nähe kennengelernt hat, SPNÖ-Landesgeschäftsführer. „Ein Mandat im Landtag hätte ich mir aber nicht vorstellen können“, räumt er ein. Da reize ihn die Bundespolitik schon mehr, wenngleich dies mit dem Abgang aus der Kom-

munalpolitik – Laimer wird als Stadtrat zurücktreten – einhergehe. „Als Lokalpolitiker lernst du das Politikerhandwerk von der Pieke auf, und das ist schon ungemein spannend, ebenso wie diese Unmittelbarkeit.“ Wie zur Bestätigung werden wir dreimal während des Gesprächs von anderen Gästen unterbrochen, da klopft einer dem „Robert“ auf die Schulter, eine ältere Dame wiederum bedauert, dass das geplante Sektionsfestl ins Wasser gefallen ist, „aber das holen wir im September nach!“, verspricht Laimer. „Das wird mir schon abgehen“, sinniert er „aber ich freue mich auch auf die neue Herausforderung im Nationalrat, da bewegst du dich ja mehr auf der MetaEbene, die Materien sind komplexer!“ Bis es soweit ist, muss Laimer freilich noch durch die Mühlen des Wahlkampfes, den er als eine Art Richtungswahlkampf begreift. „In Europa erleben wir aktuell zwei Modelle von Demokratie – die liberale Demokratie, wie wir sie hierzulande bislang hochhalten, zusehends aber auch eine repressivere Form von Demokratie, wie sie in Ungarn oder Polen vorangetrieben wird, die mit Einschränkung von demokratischen Errungenschaften, mittelbarer Zensur, einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft einhergeht. Im Falle von Schwarz-Blau befürchte ich auch hierzulande eine Art ‚Orbanisierung light‘ und – versteckt hinter gutem Marketing – einen schleichenden Sozialabbau.“ Gerade deshalb, so ist er überzeugt, brauche es als eine Art Gegengewicht die Sozialdemokratie, „denn wann fehlt die Sozialdemokratie am meisten? Wenn sie nicht in der Regierung ist – das lässt sich 2000 bis 2006 aber auch 1966 bis 1970 politisch gut ‚ablesen‘. Es geht


TEXT: johannes Reichl | Fotos: Elias Kaltenberger, Matthias Köstler, BMF Bruckberger/Loebel

darum, dass in einer Solidargemeinschaft möglichst alle eine faire Chance bekommen.“ Mit Klassenkampf-Parolen aus der Mottenkiste, wie der SPÖ immer wieder vorgeworfen, habe das aber nichts zu tun „auch nicht mit Gleichmacherei. Die Forderung nach Gerechtigkeit ist bestimmt keine linksradikale Position, sondern im Gegenteil, da geht’s um die breite Mitte der Gesellschaft! Wenn das jemand als ‚Klassenkampf‘ betrachtet, dann stehe ich zu dem Begriff.“ Der zuletzt formulierte WahlkampfSlogan „Ich hol mir, was mir zusteht“, hat aber dann doch in den Augen vieler wieder diesen Retro-KlassenkampfCharme verströmt und suggeriere die Auffassung vom Staat als Vollversorger. „Der Slogan war auch bei uns zunächst nicht unumstritten, weil gerade die SPÖ ja das WIR ins Zentrum stellt, und plötzlich ist da vom ICH die Rede. Es geht aber darum, dass man die einem zustehende Gerechtigkeit einfordert bzw. Ungerechtigkeit nicht hinnimmt, den Leuten also konkret eine Stimme gibt.“ Wie zum Nachdruck zeigt mir Laimer seinen WahlkampfFlyer, auf dem der Slogan „Ungerecht ist immer schlecht“ prangt. „Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht zum Leistungsprinzip bekennen. Im Gegenteil – wir verstehen Österreich als solidarische Leistungsgesellschaft, und es ist ganz klar: ‚Ohne Geld, ka Musi‘ und im weiteren ‚Ohne Leistung, ka Geld‘. Das heißt, Arbeitsleistung muss sich lohnen, und es muss auch einen Unterschied geben zwischen jemandem, der 40 Stunden hackelt, und jemandem, der von Transferleistungen lebt.“ Freilich dürfe man, und da schreite die SPÖ eben ein, di-

Im Falle von schwarz-blau befürchte ich hierzulande eine Art ‚Orbanisierung light‘ und – versteckt hinter gutem Marketing – einen schleichenden Sozialabbau. ROBERT LAIMER

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MFG NATIONALRATSWAHL ese Semantik aber nicht in ihr Gegenteil verkehren, indem man Arme gegen noch Ärmere ausspiele. „Ich kann also nicht – damit die Differenz verringert wird – deshalb die Löhne nach unten nivellieren, um so billige Arbeitskräfte zu bekommen. Das ist ja pervers und mit der SPÖ sicher nicht machbar! Deswegen haben wir den Mindestlohn in Höhe von 1.500 Euro eingefordert, und auch das Grundeinkommen wird im Hinblick auf den Wandel der Arbeitswelt auf Sicht kommen müssen, davon bin ich überzeugt!“ Im Sinne der Gerechtigkeit und des gesellschaftlichen Ausgleichs hält die SPÖ auch an ihrer Forderung nach einer Erbschaftssteuer fest, die sie sogar zur Koalitionsbedingung erklärt hat. „Mit der ÖVP war das ja bislang nicht machbar. Aber Erben ist kein Verdienst, keine Leistung – ich begreife es daher sogar als eine Art staatliche erzieherische Maßnahme, dies bewusst

zu machen. Und ich verstehe einfach diese Panik nicht – wir reden da von 1% bei Vermögen ab 1 Million Euro. Da spendet der KTM-Chef lieber der ÖVP 400.000 Euro – weil Kurz der Industriellenvereinigung versprochen hat, dass mit ihm die Erbschaftssteuer nicht kommt – obwohl er mit dieser Steuer sein ganzes Leben lang nicht so viel bezahlen müsste. Da wäre es sinnvoller gewesen, er hätte das Geld seinen Mitarbeitern gestiftet“, schüttelt Laimer den Kopf. „Faktum ist, dass in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern Vermögen zu niedrig besteuert sind – schauen wir uns etwa beileibe nicht sozialdemokratisch geführte Länder wie Deutschland oder England an, wo die Vermögenssteuern viel höher sind. In London wurde etwa zuletzt eine Spekulationssteuer auf Leerstände bei Immobilien eingeführt. Da wird man doch auch bei uns einen solidarischen Beitrag von 1% schaffen?“

Ein neuer Kreisky? Angesichts der jeweils verhärteten Positionen darf man daran zweifeln, wie man überhaupt – mit Blick auf die von der SPÖ unter dem Motto „So oder gar nicht“ dezidiert formulierten sieben Koalitionsbedingungen – fragen muss, ob die Partei damit nicht Erwartungen weckt, die sie nicht wird erfüllen können. Ist damit nicht Wählerfrust vorprogrammiert? „Das war sicher ein Manko in vergangenen Dekaden. Vielfach entstand der Eindruck: Wir haben die Wahlen gewonnen, die jeweiligen Koalitionsverhandlungen aber verloren. Als erster hast du es ungleich schwerer, dass du alles durchbekommst. Und das wird auch diesmal nicht gelingen, aber so funktioniert nun einmal Demokratie und Koalition!“, räumt Laimer ein und fügt hinzu „Zudem ist es auch eine Systemfrage – wobei ich das nicht als Ausrede verstanden wissen möchte: Aber der

Ich schließe rot-blau nicht aus, auch wenn ich persönlich kein großes Bedürfnis danach habe. ROBERT LAIMER

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Kanzler in Österreich hat nun einmal kein Durchgriffs- bzw. Weisungsrecht gegenüber den Ministern. Seine Rolle ist also mehr die eines Koordinators und Moderators. Und es mag sein, dass aktuell einige Bewerber besser im Marketing sind, aber von der Persönlichkeit her traue ich ihnen das Regierungsgeschäft nicht zu. Da ist Christian Kern eindeutig der beste Mann dafür! Er könnte ein Kreisky der neuen Zeit werden!“ Einen offensichtlichen Stillstand der Regierungsarbeit konnte aber auch Kern nicht verhindern, wenngleich Laimer festhalten möchte „dass wir zuletzt durchaus noch – gemeinsam mit der ÖVP – einiges umsetzen konnten, das wir bereits im Plan A formuliert hatten: der Beschäftigungsbonus, der erwiesenermaßen österreichweit die Jugendarbeitslosigkeit um 15% gesenkt hat seit seiner Einführung, die Aktion 2020 für ältere Arbeitnehmer, die Abschaffung des Pflegeregresses.“ Nicht umgesetzt wurde dahingegen – und ewig grüßt das Murmeltier – die Verwaltungsreform. Auch diese hat die SPÖ zur Koalitionsbedingung erklärt, obwohl sie doch selbst jahrzehntelang an den Hebeln der Macht saß. Warum sollte es um die „Reform der Reformen“ nach der nächsten Wahl also besser bestellt sein? „Weil Kanzler Kern einen sehr mutigen und offensiven Schritt gesetzt hat, indem er gesagt hat, wir müssen diesbezüglich direkt mit dem Volk in Kommunikation treten – ohne diesen Druck wird es nämlich nicht gehen. Und das heißt, es wird ohne SPÖ nicht gehen“, ist Laimer überzeugt. Wo man genau ansetzen könnte, werde sich weisen. „Faktum ist jedenfalls, dass wir von der Systematik her aktuell eine Art ‚Schein-Föderalismus‘ haben. Die Landeshauptleute sind irgendwie der gute Onkel oder die liebe Tante, die Geld verteilen, Prestigeprojekte umsetzen – mit Geld, das vom Bund kommt. Hier muss man ansetzen. Ich könnte mir etwa durchaus vorstellen, dass die Länder in bestimmten Bereichen selbst die Steuerhoheit bekommen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass man ein Zweikammern-System schafft, in dem der Bundesrat aufgewertet und die

Letztlich wird dieses Thema, davon bin ich überzeugt, zu einer existenziellen Frage für die EU, weil es auch hier schlicht um Gerechtigkeit geht. Lässt man hingegen der Gier freien Lauf, wird dies fatal enden.“

Kern könnte ein Kreisky der neuen Zeit werden! ROBERT LAIMER

Länder verkleinert werden. Am entscheidendsten wird aber sein, dass man Doppelgleisigkeiten, wo also Bund und Länder jeweils eigene Strukturen für dieselbe Sache haben, abstellt – da ist nämlich das meiste Geld drin.“ Geld, das man sich seitens der SPÖ auch von Konzernen mittels Streichung von Steuerprivilegien und Sonderrechten holen möchte. Ist nicht auch das zu vollmundig eingedenk der Tatsache, dass dieses Thema wohl nur auf europäischer Ebene einer Lösung zugeführt werden kann? „Vorweg – jeder Investor ist willkommen, aber es geht um einen fairen Beitrag, damit wir zu einer sozialen Marktwirtschaft zurückkehren. Das schaffen wir in einem ersten Schritt mit der bereits erwähnten ‚Millionärssteuer‘, und in einem zweiten, mittelfristigen, indem wir dafür Sorge tragen, dass eben auch Konzerne ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen und dementsprechend Steuern zahlen. Natürlich ist das ein europäisches Thema – da geht es um den Kampf gegen Briefkastenfirmen, Steueroasen, Offshoregeschäfte, Steuergerechtigkeit. Da gilt es Verbündete zu finden. Manche Länder würden da sicher mitziehen, andere – konservative – bremsen noch, weshalb es eben nicht egal ist, welche Partei ein Land regiert.

Rapid-Viertelstunde Verbündete wird man nach der Wahl im Fall der Fälle aber auch innenpolitisch suchen müssen. Nach Abschaffung der sogenannten „VranitzkyDoktrin“, die eine Koalition mit den Blauen a priori ausschloss, wäre eine solche nun erstmals auch mit der FPÖ wieder möglich. Ein denkbares Szenario? „Die Vranitzky-Doktrin hat jahrelang zum Selbstverständnis der Sozialdemokratie gehört und hatte lange Zeit ihre Berechtigung. Man muss aber die politischen Realitäten zur Kenntnis nehmen, und in der Politik sollte nichts zum Dogma erstarren – daher schließe ich rot-blau nicht aus, auch wenn ich persönlich kein großes Bedürfnis danach habe.“ Ausschließen möchte Laimer, so hört man heraus, aber auch eine weitere Zusammenarbeit mit der ÖVP nicht, auch wenn diese Konstellation viele bis auf weiteres für tot halten. „Man muss einen etwaigen Veränderungswillen der Bevölkerung sicher respektieren. Aber ich würde auch ein ‚Nie wieder Große Koalition‘, die im Übrigen sehr viel für dieses Land geleistet hat, nicht zum Dogma erklären, wenngleich“, so mutmaßt er „der Wille aktuell nicht gegeben scheint, wenn man sich ansieht, wie sich SchwarzBlau inhaltlich angleichen.“ Heißt das, die SPÖ stellt sich schon auf den Gang in die Opposition ein, zumal auch die letzten Umfragewerte wohl innerparteilich nicht gerade Zuversicht aufkommen lassen? Da winkt Laimer entschieden ab: „Da halt ich es mit Michi Häupl: In Opposition geht man nicht, in Opposition wird man geschickt. Wir wollen wieder Erste werden! Ich geh ja auch nicht in ein Fußballmatch, um 0:0 zu spielen, sondern um zu gewinnen! Und – um im Fußball zu bleiben: Ein Spiel dauert bekanntlich 90 Minuten, und es kommt noch die Rapid-Viertelstunde, in der man eine Partie drehen kann! Und diese Chance werden wir nutzen!“ MFG 09.17

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BARBARA BRANDSTETTER

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ags darauf finde ich mich im Flur des Hauses Europaplatz 2, 1. Stock ein. Während es rechterhand in die neue ÖVP-Bezirksparteizentrale geht, wie der dementsprechend gebrandete Frontdesk samt Holzkreuz darüber unschwer erkennen lässt, findet sich geradeaus der Eingang zu Barbara Brandstetters Unternehmen „Benefit Partner GmbH“, das sie 2008 mit ihrem Gatten gegründet hat und das in den letzten knapp zehn Jahren von 15 Mitarbeitern auf heute gut 55 angewachsen ist. Die unmittelbare Nachbarschaft zur ÖVP entbehrt dabei keiner gewissen Symbolik, tritt Brandstetter doch bei der kommenden Nationalratswahl auf Platz 4 der St. Pöltner Bezirkswahlliste der „Liste Sebastian Kurz – die neue ÖVP“ an. Und „Benefit Partner“ möchte Brandstetter nicht nur im Berufsleben sein (das Unternehmen bietet ausgelagerte Kundenservice-Lösungen an), sondern man könnte den Claim im Hinblick auf Brandstetters politische Ambitionen auch so herunterbrechen, dass sie sich als Partnerin der Unternehmer für deren Anliegen und benefits stark machen möchte. Veränderungen Politisch sozialisiert wurde Brandstetter dabei erst relativ spät. „Ich stamme von einem Bauernhof – bei uns zuhause war Politik eigentlich nicht sehr präsent.“ Als Unternehmerin sei ihr aber rasch bewusst geworden, dass Netzwerke notwendig sind, um Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. „Deshalb bin ich der Jungen Wirtschaft beigetreten.“ Beim reinen Betritt ist es dann freilich nicht geblieben. Mittlerweile ist Brandstetter Bezirksvorsitzende-Stellvertreterin der Jungen Wirtschaft St. Pölten, außerdem ist sie u.a. im St. Pölten Beirat des Wirtschaftsbundes aktiv. Dass ihre politischen Ambitionen dereinst aber sogar Richtung Makroebene, sprich Nationalrat, gehen könnten, das hatte sie bis vor kurzem überhaupt nicht am persönlichen Radar, „auch weil ich an sich nicht so die große Wichtigtuerin bin, die gern im Rampenlicht steht. Ich hatte schon meine Bedenken, ob ich dafür sozusagen geschaffen bin, aber

ich denke, da muss ich jetzt durch und das rasch lernen“, schmunzelt sie angesichts einer mit ihrer Kandidatur einhergehenden größeren Öffentlichkeit. Im Falle ihrer Kandidatur zum Nationalrat, wo sie als Nummer vier des Bezirkes zwar nicht auf einem fixen Ticket sitzt, aufgrund des Vorzugstimmen-Modells der ÖVP ein Einzug aber durchaus möglich ist (jeder Kandidat rittert sozusagen für sich selbst um Vorzugsstimmen, die für die letztliche Reihung relevant sind, Anm.), scheinen sich zwei Falllinien zum richtigen Zeitpunkt getroffen zu haben. Zum einen scheint es bezeichnend, dass die ÖVP nicht nur auf alte Haudegen und, um es spitz zu formulieren, langgediente Apparatschiks setzt, sondern sich das Bekenntnis zur Frischzellenkur auch in der Kandidatenliste niederschlägt, zum anderen wäre Brandstetter umgekehrt

Ich habe mir diese Veränderung immer gewünscht, weil ich diese eingefahrenen Strukturen nicht mehr ausgehalten habe. BARBARA BRANDSTETTER

unter einer „ÖVP-alt“ gar nicht zur Verfügung gestanden, wie sie klarstellt. „Hätten Sie mich vor einem Jahr gefragt, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen kann, hätte ich entschieden den Kopf geschüttelt.“ In diesem letzten Jahr ist innerhalb der ÖVP aber viel passiert – zum Positiven, wie Brandstetter überzeugt ist, und das wiederum ist untrennbar mit dem neuen Obmann Sebastian Kurz verbunden. „Ich habe mir diese Veränderung ja immer gewünscht, weil ich diese eingefahrenen Strukturen – egal bei welcher Partei – nicht mehr ausgehalten habe. Bei der ÖVP ist jetzt ein Aufbruch im Gange, das merkt man allerorts. Natürlich gibt es bei manchen in der Partei auch Unbehagen, die nicht so sicher sind, was da jetzt passiert. Aber de facto ist mit Kurz die ÖVP frischer, offener geworden, und das meiste finde

ich sehr gut, vor allem auch den neuen Stil!“ Auch darin mag man ein Indiz der Neuorientierung erblicken, weil das Bekenntnis zum seriösen Umgang mit dem politischen Mitbewerber unter Verzicht auf persönliche Spitzen keine hohle Phrase, sondern de facto neue Maxime der Partei sei „die uns bei diversen Schulungen und Treffen auch immer wieder eingebläut wird, und das finde ich großartig. Ich habe nie verstanden, warum man in der Politik nicht in der Sache hart diskutieren und anderer Meinung sein kann, ohne deshalb jemanden persönlich anpatzen zu müssen.“ Dass man an vorderster Politfront freilich selbst rasch in die Schusslinie gerät, musste Brandstetter rasch erfahren. Auf facebook tauchte eine Dame auf, die sich als Mitarbeiterin von Benefit Partner ausgab, und eh man sichs versah, stand das Unternehmen in einem Chat am Pranger. Allein – die Dame hat nie für das Unternehmen gearbeitet, ihre Identität ist bis heute nicht zu eruieren. Die FakePerson und die losgetretenen Fake News führten aber zur realen Verunglimpfung der Firma „und das kam 100%ig aus einer politischen Ecke, weil es unmittelbar nach Bekanntgabe meiner Kandidatur auftauchte“, ist Brandstetter überzeugt. „Aber ich habe mir nur gedacht: Jetzt erst recht!“ Neue Wege Dass am mitunter rüden Ton in der politischen Debatte freilich nicht nur die Politiker, sondern auch die Medien Schuld tragen, möchte Brandstetter dezidiert festgehalten wissen. „Ich selbst habe während des Marketing-Studiums noch gelernt ‚bad news are good news‘, und es stimmt ja leider auch, da ist schon vielfach die Mentalität: ‚Ah, da liegt einer blutig auf der Straße, das schau ma uns an‘ – helfen tun ma aber schon nicht mehr. Zum Glück gibt es aber auch positive Beispiele – da ist letztlich jeder selbst verantwortlich!“ Dass Politiker dabei quasi idealtypisch immer Vorbild, ja bessere Menschen sein müssten, hält Brandstetter für überzogen, ja unrealistisch, ebenso wie sie das Gerede vom perfekten Politiker ins Reich der Fantasie stellt. MFG 09.17

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Man bekommt oft den Eindruck, dass es bisweilen eher um die Befindlichkeiten von Funktionären geht und nicht um das große Ganze. BARbara BRANDSTETTER

„DEN perfekten Poltiker gibt es nicht. Es gibt aber sicher politische Talente, wie etwa Sebastian Kurz. Er kann gut zuhören, er kann gut reflektieren und er ist jung, hat auch einen Plan für eine Zeit nach der Politik, daher ist er in gewisser Weise unabhängiger – das sind gute Voraussetzungen.“ Vor allem habe Kurz aber den ehrlichen Willen, etwas zu verändern, was sich auch parteiintern niederschlage. So sei das Wahlprogramm, das ab Anfang September präsentiert wird, nicht von den üblichen Verdächtigen und Strategen der Partei erstellt worden, „sondern vom Team Kurz selbst – auch das ist ein neuer Zugang. Denn wenn es wieder dieselben gemacht hätten wie immer, was sollte sich dann großartig ändern?“ Die Gefahr, dass da quasi eine Art Partei in der Partei entsteht und damit erst recht wieder ein inner24

parteiliches Spannungsfeld aufgebaut wird, sieht Brandstetter nicht bzw. hält sie die neuen Wege schlicht für unumgänglich „und zwar für alle Parteien. Jeder weiß, man muss sich ändern – das macht unser Leben aus. Das kos­ tet bisweilen Überwindung, ist sicher nicht immer leicht, aber es ist notwendig! Deshalb habe ich im Hinblick auf die ÖVP ein sehr gutes Gefühl – es geht eindeutig in die richtige Richtung. Und ich hoffe ehrlich, dass wir auf Platz 1 kommen, weil man als erster am meis­ ten bewirken kann und wir diesen frischen Wind dann für ganz Österreich nutzen können.“ Weg vom Klassenkampf Ein frischer Wind, der den Stillstand in der österreichischen Innenpolitik überwinden und auf vielen Ebenen eingefahrene Strukturen durchbrechen,

zumindest durchlüften soll. „Man hat halt das Gefühl – nehmen wir etwa zuletzt die Debatte rund um Mindestlohn und Arbeitszeitflexibilisierung – dass nur geredet, geredet und geredet wird, und am Ende kommt es zu einem Minimalstkonsens. Das ist aber viel zu wenig für die Zukunft!“ Gehört sie damit zu jenen, die die Sozialpartnerschaft als Instrumentarium an sich in Frage stellen? „Ich glaube, wenn etwas weitergeht, ist die Arbeit der Sozialpartner okay und wichtig. Aber das tut es aktuell leider nicht – vielleicht sind auch in diesem Bereich die handelnden Personen einfach nicht mehr die richtigen. Man bekommt oft den Eindruck, dass es eher um die Befindlichkeiten von einzelnen Personen geht, denn um die Sache an sich oder das Gesamtwohl des Staates.“ Was ihr in diesem Kontext „am we-


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nigsten gefällt, auch an der SPÖ, ist der Versuch, Themen immer wieder über eine ‚Klassenkampf-Schiene‘ zu spielen, immer ein Gegeneinander zu inszenieren, anstelle das große Ganze im Auge zu behalten, zu fragen, was müssen wir tun, damit der Staat insgesamt prosperiert, dass unsere Kinder gute Zukunftschancen haben.“ Mit dem Slogan „Ich hole mir, was mir zusteht“ könne sie etwa gar nichts anfangen. „Was soll das heißen? Steht es mir zu, dass ich den Sozialstaat bis aufs Letzte ausreize?!“ Es gehe vielmehr um Verantwortung jedes einzelnen. Eine Stimme für die Unternehmer Ebenso stößt sie sich in derlei Debatten an einer Art Unternehmerbashing – wo das Bild vom Unternehmer als Ausbeuter gezeichnet wird, Unternehmer gegen Arbeitgeber ausgespielt werden sollen, „dabei geht’s da um ein Miteinander. In meiner Firma bin ich sicher nicht die GROSSE Leiterin, sondern wir sind ein Team, in dem jeder seine Aufgaben und Verantwortungen hat.“ Das Problem sei viel mehr, dass der Staat oft Entwicklungen hemme und die Arbeit erschwere. „Als Unternehmer kommst du oft an den Punkt, wo du dir denkst: ‚Warum ist das so?‘, und dich darüber ärgerst. Ich will aber nicht zu jenen gehören, die nur jammern, wie schlecht alles ist, sondern selbst beitragen, dass es besser wird, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet.“ Und diese Chance tue sich jetzt mit der Kandidatur zum Nationalrat auf, weshalb sich Brandstetter vor allem als Sprachrohr für die Anliegen der Unternehmer versteht. „Ganz einfach, weil das glaubwürdig ist. Das ist meine Zielgruppe! “ Deshalb werde sie im Wahlkampf auch nicht in der Fußgängerzone Flyer verteilen, „sondern ich möchte viele Unternehmer besuchen und eruieren, wo sie der Schuh drückt.“ Wobei sie viele der Herausforderungen natürlich aus eigener Er-

fahrung kennt. „Nehmen wir die Arbeitszeitflexibilisierung. Da geht es ja nicht, wie suggeriert wird, um Ausbeutung, sondern es geht um die Anpassung an die Realität, um berechtigte Bedürfnisse, und zwar nicht etwa nur jene der Unternehmer, sondern ebenso jene der Mitarbeiter. Wir haben etwa Studenten, die möchten ihre Stunden, wenn möglich, an zwei Tagen en bloc abwickeln. Eine Mutter wiederum möchte vielleicht eher nur vormittags arbeiten, während ein anderer wieder Stunden aufbauen möchte für einen längeren Urlaub.“ Vieles werde aber durch die starren und v. a. immer komplexer werdenden Gesetze verunmöglicht. Diese Überbürokratisierung schlage sich ebenso im Förderwesen nieder „weshalb ich z.B. auch mit dem Beschäftigungsbonus nicht 100%ig glücklich bin.“ Die Idee dahinter honoriert Brandstetter, aber auch hier würde eine so komplexe Struktur dahinter ablaufen, dass es für viele Unternehmer extrem kompliziert, arbeitsaufwendig und damit kontraproduktiv wird. „Für Großbetriebe und Konzerne mag es ja leicht sein, sich mit Experten einzudecken oder eine eigene Abteilung zu befassen, die den Bürokratie-Dschungel durchforsten. Aber für Klein- und Mittelbetriebe ist dies mittlerweile fast unmöglich – die haben schon so genug zu tun, die haben gar nicht die Ressourcen, um jetzt noch großartig Konzepte, Einreichungen etc. zu entwickeln oder teure Experten zu beauftragen. Da lassen es viele lieber gleich ganz bleiben.“ Um aus diesem Dilemma herauszukommen, plädiert Brandstetter, das Thema über die Steuer zu spielen. „Es würde mehr bringen, wenn man quasi weg vom Förderdschungel geht und stattdessen die Abgabenquote auf 40% (aktuell 43% Anm.) drückt. Damit wäre allen Unternehmen geholfen, und der Bürokratieaufwand und die damit verbundenen Kosten würden ebenso gedämpft.“

Es würde mehr bringen, wenn man weg vom Förderdschungel geht und stattdessen die Abgabenquote auf 40% drückt. BARbara BRANDSTETTER

POLITIK. Brandstetter will nicht nur jammern, sondern aktiv etwas beitragen. Spricht man von Bürokratie und Dschungel, kommt man natürlich unweigerlich zum Thema „Verwaltungsreform“, die seit Jahrzehnten auch unter ÖVP-Regierungsbeteiligung nicht und nicht gelingen mag. Gibt es dafür überhaupt noch Hoffnung? „Ich glaube schon, weil viele begreifen – und das haben ja mittlerweile alle Parteien auf ihrer Agenda – dass schlicht etwas passieren muss! Im Kleinen hat man damit auch bereits begonnen – aber das muss natürlich viel massiver passieren“, ist Brandstetter überzeugt und sieht etwa bei der Sozialversicherung oder beim Auflösen von Doppelgleisigkeiten „dass zum Beispiel alle Lehrer vom Bund bezahlt werden“ Potenzial, während sie weniger von einer Föderalismusdebatte hält, „aber das müssen im Detail dann die Experten ausarbeiten. Fest steht, dass es dazu jedenfalls Mutes und Willens bedarf, und deshalb ist es so wichtig, dass Sebastian Kurz die Nummer 1 wird!“ Dass die ÖVP im Fall der Fälle aber nicht alleine wird regieren können, liegt ebenfalls nahe. Wer ein möglicher Koalitionspartner sein könnte, ist in Brandstetters Augen „zum aktuellen Zeitpunkt Kaffeesudlesen“, wenngleich sie, wenn man es richtig heraushört, auch eine Große Koalition nicht völlig abschreibt. „Es wird schlicht um die Frage gehen, mit wem ein gemeinsamer Nenner möglich ist und dass man das, was man vereinbart hat, auch gemeinsam umsetzt, und nicht einer immer das Gegenteil davon tut.“ MFG 09.17

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HANS JÖRG SCHELLING

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Mission Hohes Haus

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ährend für die einen die Mission Nationalrat im Hinblick auf die eigene Kandidatur Neuland ist, hat ein anderer St. Pöltner die letzten drei Jahre bereits ParlamentsErfahrung gesammelt, und das gleich in Regierungsfunktion: Hans Jörg Schelling. Auch für die nächste Legislatur-Periode kandidiert er als Nummer 3 auf der ÖVP-Landesliste. Trotz aktuellen Regierungs- und Wahlkampftrubels schafften wir ein email-Interview mit dem Finanzminister. Sie haben einmal gemeint „Ich bin acht Monate im Amt und acht Jahre gealtert.“ Geworden sind es bislang 36 Monate – sind sie mittlerweile gefühlte 36 Jahre älter? Haben Sie sich die Niederungen der Regierungsarbeit einfacher vorgestellt im Hinblick auf Umsetzungsmöglichkeiten? Das Amt des Finanzministers ist eine spannende Herausforderung, die täglich große Flexibilität und beste Vorbereitung erfordert. Viele der Themen sind sehr komplex und darum ist eine professionelle Kommunikation nach außen von besonderer Bedeutung. Manchmal würde ich mir in der Politik die gleiche Umsetzungsgeschwindigkeit wie in der Privatwirtschaft wünschen. Sie haben sich anfangs große Brocken vorgenommen. Manches ist Ihnen gelungen allen voran, wenn auch schlanker ausgefallen, eine Steuerreform, vieles entpuppte sich aber offensichtlich als nicht umsetzbar – die kalte Progression besteht nach wie vor, eine große Pensionsreform ist bis dato ausgeblieben. Im Gegenteil ist auch die ÖVP – Stichwort früheres Frauenantrittsalter – nun auf die Bremse gestiegen. Ist in Ihrer persönlichen Bilanz als Finanzminister das Glas halbvoll oder halbleer? Als Winzer sage ich immer: wichtig ist, was im Glas ist. Wenn Sie eine Bilanz wollen, dann zum Beispiel Stichwort Harmonisierung des Haushaltsrechts: Daran haben mehrere Finanzminister und die Länder 41 Jahre gearbeitet. Da kann man sich schon wundern, dass das so lange gedauert hat, jetzt ist es aber geregelt. Bei der Hypo Alpe Adria

ist uns mehr gelungen, als wir geplant haben. Hätten wir das nicht geschafft, gäbe es Kollateralschäden und Kärnten wäre pleite. Oder nehmen wir die Steuerreform 2015/2016: Ich war überzeugt, wir brauchen eine. Heute gilt sie international als Vorzeigemodell. Mit der Steuerreform wurden zum Beispiel alle Lohn- und Einkommensbezieher mit einem Gesamtvolumen von 5 Mrd. Euro entlastet. Ein Zankapfel mit dem Noch-Koalitionspartner SPÖ blieb bis zuletzt die Frage der Erbschaftssteuer, zuletzt auch als „Millionärssteuer“ tituliert. Die Roten bringen gern ins Treffen, dass Vermögen in Österreich im internationalen Vergleich zu niedrig besteuert wird, umgekehrt machten Sie sich bei manchen Parteifreunden mit der Umsetzung der Immobilienertragssteuer oder der Grunderwerbs-

Manchmal würde ich mir in der Politik die gleiche Umsetzungsgeschwindigkeit wie in der Privatwirtschaft wünschen. HANS JÖRg SCHELLING

steuer NEU keine Freunde – wo sind Sie in dieser Debatte anzusiedeln? Ziel der sehr harten Verhandlungen um die Steuerreform war einerseits kleine und mittlere Einkommen so zu entlasten, dass sich Leistung wieder mehr lohnt. Andererseits war immer klar, dass wir im Gegensatz zum Koalitionspartner die Einführung von Erbschafts- und Schenkungssteuern verhindern wollen. Die von Ihnen erwähnten Punkte sind Teil der ausverhandelten Gegenfinanzierung. Gleichzeitig haben wir erfolgreich Eigentumssteuern verhindern können. Ein großer Brocken, an dem alle Finanzminister gescheitert sind, betrifft die sogenannte Verwaltungsreform. Auch beim Finanzausgleich kam letztlich nur ein Fortschreiben für die nächsten drei Jahre heraus anstelle

einer großen Neuaufstellung. Sind diese Bereiche – obwohl sie alle Parteien auf ihrer Agenda haben – schlicht unreformierbar, selbst wenn man weiß, dass der Status Quo eine milliardenschwere Geldvernichtungsmaschine darstellt? Wer sind die wahren Blockierer? Was würde aus Ihrer persönlichen Sicht – jetzt ganz befreit von politischen Zwangsjacken – nottun? Wir müssen einfach in den Umsetzungsmodus kommen. Ich habe schon oft den Einstieg in den Umstieg proklamiert, und das umschreibt es auch am Besten. Es geht ums Umsetzen statt ums Ankündigen. Wir brauchen entschlossene Schritte vorwärts. Wir brauchen konkrete Verbesserungen. Und wir brauchen Mut. Schon in meiner vergangenen Budgetrede habe ich erklärt: Mut – das steht für „M“ wie Machen. „U“ wie Umsetzen. „T“ wie Tun. Wir müssen endlich die bereits bekannten Konzepte umsetzen, die Mut und Zuversicht auch für die nächsten Generationen erzeugen und deren Zukunft absichern. Viele Unternehmer beklagen, dass die Bürokratie nicht weniger, sondern im Gegenteil immer mehr zu werden scheint und sich – abgesehen von Experten, die damit gut Geld verdienen – keiner mehr wirklich auskennt im Steuer- und Förderdschungel. Wie kann man diesen gordischen Knoten lösen? Wir haben schon einiges erreicht, aber wir müssen uns mit den Besten messen und nach oben streben. Auch künftig müssen wir Schritt für Schritt vereinfachen, entlasten, deregulieren, entbürokratisieren und Anreize für Zukunftsbranchen schaffen. Fest steht, wir brauchen einen wettbewerbsfähigen und lebenswerten Wirtschafts-, Wachstums- und Arbeitsstandort Österreich. Einen großen Schritt sehe ich beispielsweise in der fortschreitenden Digitalisierung, die auch der Verwaltung entgegen kommt. So bietet das neue Service der eGründung den rund 40.000 Einzelunternehmen, die durchschnittlich pro Jahr in Österreich gegründet werden, online einfach den Weg in die Selbständigkeit. Nach der erfolgreichen elektronischen GrünMFG 09.17

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Wir brauchen eine neue Standortpartnerschaft, die berücksichtigt, was für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gut ist. HANS JÖRg SCHELLING

dung können Unternehmen über das USP auch die wichtigsten Online-Verfahren der öffentlichen Hand nutzen, wie etwa FinanzOnline, die Services der Sozialversicherung oder die ERechnung. Ich bin überzeugt: Durch Entbürokratisierung und einfachen Zugang zur Verwaltung stärken wir den Mut zum Unternehmertum. Denn eines wissen wir alle: Politiker schaffen keine Arbeitsplätze, es sind die Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Land. Wir als Politiker können und müssen für unsere Unternehmen die richtigen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Sie haben angesichts des Tauziehens zwischen den Sozialpartnern in Sachen Mindestlohn und Arbeitszeitflexibilisierung davon gesprochen, dass die Sozialpartnerschaft tot ist. Nun fordert auch die FPÖ - zumindest – 28

ein Ende der Kammern-Zwangsmitgliedschaft – was halten Sie davon? Wie beurteilen Sie generell die Zukunftschancen der Sozialpartnerschaft – hat Sie tatsächlich ausgedient? Wir brauchen eine neue Standortpartnerschaft, die berücksichtigt, was für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gut ist, die sitzen im selben Boot. Die Sozialpartnerschaft hat ihre großen Verdienste und muss Antworten auf große Fragen geben bzw. Problemlöserin sein. Sie haben einmal gesagt, dass Sie unter Blau-Schwarz nicht als Finanzminister zur Verfügung stehen werden – war dies wörtlich zu nehmen, also nicht unter einer erstplatzierten FPÖ, während dies bei der Konstellation schwarz-blau schon eine Option wäre? Gedankenspiele zu möglichen Koalitionsvarianten nach der Nationalrats-

wahl am 15. Oktober halte ich für entbehrlich. Ich hoffe natürlich, dass wir mit der neuen Volkspartei die Nummer eins werden und mit Sebastian Kurz den Kanzler stellen. Davor, und das ist auch das einzig Entscheidende, sind die Wählerinnen und Wähler am Wort. Alle anderen Fragen stellen sich erst danach. Wie stehen Ihre diesbezüglichen Chancen – auf der Gerüchtebörse wird ja auch der ehemalige Rechnungshofpräsident Moser als heiße Finanzminister-Aktie gehandelt. Würden Sie auch als „einfacher Mandatar“ in den Nationalrat einziehen? Wie gesagt, zuerst wird gewählt, aber ich kandidiere auf der niederösterreichischen Landesliste und würde das nicht tun, wenn ich ein etwaiges Mandat nicht annehmen würde.


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Wie ist Ihr Gefühl im Hinblick auf eine Neuauflage der Großen Koalition, die viele für – zumindest bis auf weiteres - gescheitert halten. Ist das Klima tatsächlich so nachhaltig vergiftet, dass eine Neuauflage unrealistisch erscheint? Im Vordergrund jeglicher Zusammenarbeit sollten immer Programme und Inhalte stehen – und welche Koalition im Stande und willens ist, Österreich nach vorne zu bringen und zu reformieren. Sie sind 2014 von Reinhold Mitterlehner geholt worden, der mittlerweile selbst Geschichte ist. Die ÖVP hat sich zur „Liste Sebastian Kurz“ gewandelt. Wie viel davon ist tatsächlich Neuerung, wie viel ist nur Show? Weht also tatsächlich ein neuer Wind durch die Partei, wurden die alten, bisweilen destruktiven Strukturen durchbrochen oder ist es eher nur ein zwischenzeitiges Atemschöpfen? Die Stimmung ist großartig, weil wir alle gemeinsam mit Sebastian Kurz ein Ziel haben. Ich persönlich freue mich

sehr, Teil dieser Wahlbewegung zu sein. Jetzt ist es an der Zeit, mit Herz und Leidenschaft gemeinsam mit unserer Bewegung wahlzuwerben. Sie sind Nummer 3 auf der ÖVP-Landesliste. Spielt der regionale Kontext, also in Ihrem Fall St. Pölten, auch eine Rolle für Ihre Arbeit im Parlament? Verstehen Sie sich in diesem Sinne auch als Sprachrohr für die Hauptstadtregion oder sehen Sie sich zur Äquidistanz verpflichtet? Ich bin ein stolzer St. Pöltner. Die Natur und die belebten Plätze, die Angebotsvielfalt in den unterschiedlichsten Bereichen und das vielfältige Kulturspektrum machen St. Pölten zu einer Stadt zum Wohlfühlen. Grundsätzlich glaube ich, dass Regionalität ein wichtiger Teil des österreichischen Erfolgsmodells ist. Wie geht die Wahl aus bzw. wie soll Sie ausgehen? Das letzte und entscheidende Wort liegt bei den Wählerinnen und Wählern.

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St. Pölten – nah am (Trink)Wasser gebaut Pause haben Spekulation und Gewinnstreben, wo es um die öffentliche Daseinsvorsorge geht. Das gilt im Besonderen für das – exzellente! – Trinkwasser „made in St. Pölten“. Er ist mächtig, unterirdisch und kristallklar: Der begleitende Grundwasserstrom der Traisen. Keine Frage, dass geschickte Konzerne damit internationale Geschäfte und saftige Gewinne machen könnten. Die Stadt St. Pölten mit ihrem Wasserwerk macht daraus lieber Trinkwasser erster Güte für die Bevölkerung. Bis das Wasser naturbelassen aus der Armatur sprudeln kann, braucht es ordentlich öffentliche Leistung.

Wie kommt das Trinkwasser ins Glas? Hinter dem Wasserhahn zu Hause geht es direkt in ein verzweigtes Labyrinth an „WasserHighways“: In Rohrleitungen über 396 Kilometer quer unter ganz St. Pölten fließt das Wasser wiederum, nachdem es in acht Hochbehältern in zwei Brunnenfeldern in Spratzern und Harland gesammelt wurde.

Wie glasklar ist das Trinkwasser?

Das Wasser kann naturbelassen an die Abnehmer weitergegeben werden. Es ist so rein, dass keinerlei Vorbehandlung erforderlich ist. Monatliche Überprüfungen der chemischen und bakteriologischen Reinheit stellen das sicher. Alle 265 Proben haben im Jahr 2016 einwandfreie Trinkwasser-Qualität ausgewiesen.

Und wie durstig ist St. Pölten?

281 Liter in Anspruch genommenes Wasser täglich entfallen auf jede/n Einwohner/in. In dieses Volumen ist das an Gewerbe und Industrie abgegebene Wasser mit eingerechnet.

Können die Wasserwerke auch verlässlich liefern? Das können sie. Wenn es sein muss, bis zu

510 Liter pro Sekunde. Mit dieser maximalen Abgabe-Leistung ließe sich der gesamte Ratzersdorfer See in gerade sieben Tagen befüllen. Über 15.000 Kubikmeter Wasser durchschnittlich an jedem Tag hat das Wasserwerk St. Pölten im Jahr 2016 abgegeben.

Ist St. Pöltner Wasser hart oder weich?

Mit einer Gesamthärte von 14,77°dH müssen die Waschmaschinen der St. Pöltner/innen weniger entkalken als in Krems (bis zu 20°dH) und etwas mehr als in Wien (bis zu 14°dH).

Was kostet der nasse Spaß eigentlich?

1,54 Euro pro Kubikmeter inklusive 10 % Mehrwertsteuer. Laut Erich Breyer, Chef des Wasserwerkes St. Pölten, liegt das „eher im unteren Drittel“ vergleichbarer Mittelstädte. Und gesundes Trinkwasser kostet damit jedenfalls nur den winzigen Bruchteil einer handelsüblichen Flaschenlimo. Für die wären pro Kubikmeter an die 700 Euro zu berappen.

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Der Staat bin ich

In den letzten Jahren wuchs mit der Staatsverweigerer-Szene ein echtes Problem heran. Sie provozieren den Staat, bedrohen Menschen und akzeptieren keine Regeln. Doch wie sieht die Welt der freien Männer aus – und wie ist dem Irrsinn beizukommen?

I

m Sommer 2014 trat die österreichische Staatsverweigerer-Szene erstmals deutlich in Erscheinung. Auf einem Waldviertler Bauernhof in Hollenbach versammelten sich rund 200 „Freeman“. Unter dem Kommando ihres „Sheriffs“ wollten sie eine Sachwalterin anklagen und ihr den Prozess machen. Dem Treiben setzte letztlich die echte Polizei ein Ende, echte Gerichte bekamen Arbeit. Seither ist die Szene rasant gewachsen. Im Juni 2017 sprach das Justizministerium von 1.300 namentlich bekannten Personen, die sich den Behörden gegenüber deklariert hätten. Zehn Prozent davon seien Waffenbesitzer. Der Kreis der 32

Sympathisanten und potentiellen Aktivisten wird auf rund 20.000 Personen geschätzt – die Zahl erheben Verfassungsschützer beispielsweise anhand von einschlägigen Internetforen und Facebook-Gruppen. Sogar im Staatsdienst rekrutiert die Szene aktiv neue Anhänger. Ehemalige Polizisten oder Beamte, die die Seite wechseln, haben einen hohen Symbolwert – und vielleicht auch ein paar Insiderinfos aus der Welt der Strafverfolgung. Doch die Staatsverweigerer-Szene gleicht einem bunten Haufen an Querulanten und Spinnern, sie ist im Vergleich zu typischen Sekten weniger stark organisiert – zumindest noch.

Alle Staatsverweigerer eint, dass sie hoheitliches Handeln des Staates radikal ablehnen. Ein Strafbescheid wegen Trunkenheit am Steuer wird also praktischerweise einfach ignoriert. Wer im ersten Schritt „dem Staat selbst“ seine Legitimität abspricht, der tut sich auch beim zweiten Schritt nicht schwer – und ignoriert auch rechtsgültige Regelungen zwischen Privaten, pfeift etwa auf die Rückzahlung seiner Bankschulden. Es folgt die Auflösung des Rechtsstaats. Willkommen in der Anarchie. Freie Menschen? Zwei wesentliche Strömungen lassen sich in der Szene unterscheiden. Da sind zum einen die „Freeman“, auch „Souveräne Bürger“ genannt. Der sehr aktive „One People Public Trust“, kurz: OPPT, wird dieser Strömung zugeordnet. Sie berufen sich auf ein „Common Law“, das quasi aus der Natur kommt, und lehnen jede Rechts-


TEXT: Michael Müllner | Fotos: Matthias Köstler, Victor Lauer-Fotolia.com

ordnung ab, die sich der Staat in Form von Gesetzen durch seine Parlamente gegeben hat. In Schreiben teilen sie den obersten Behörden mit, dass sie nicht mehr als „natürliche Person“ existieren, sondern nur mehr als „Mensch“. Dahinter stehen Verschwörungstheorien, wonach jedem Menschen mit Ausstellung seiner Geburtsurkunde seine natürlichen Rechte genommen werden. Der Staat verstecke zudem ein riesiges Vermögen, das jedem Bürger zustehen würde, auf geheimen Treuhandkonten. Die zweite wesentliche Strömung geht davon aus, dass das Dritte Reich völkerrechtlich gesehen weiterexistiere und daher die Republik Österreich keine Staatsmacht habe. Diese „Reichsbürger“ oder auch der „Staatenbund Österreich“ beabsichtigen eigene verfassungsgebende Versammlungen abzuhalten und sich so eigene Gesetze zu geben. Erhält nun der typische Staatsverweigerer einen behördlichen Verwaltungsakt zugesandt, beispielsweise eine Verwaltungsstrafe, so antwortet er mit einer absurd hohen Rechnung, persönlich adressiert an den zuständigen Sachbearbeiter, weil dieser „illegal“ seinen Namen verwendet habe. Um der Forderung Nachdruck zu verleihen, wird die Eintragung der „Schuld“ in das UCC-Register angedroht, ein staatliches Schuldenregister im USBundesstaat Washington. Mittlerweile fragen hunderte Behördenvertreter regelmäßig online ab, ob sie oder Kollegen in diesem Register aufscheinen. Malta-Masche Die Schreiben der Staatsverweigerer sind dabei voll mit pseudojuristischem Geschwurbel und wirren Fantasien über Völker- und Menschenrechte. Vorlagen aus dem Internet wandeln sie auf ihren eigenen Fall ab. Dennoch müssen sich Behörden mit diesen Eingaben befassen – sinnloser Verwaltungsaufwand als Teil der großangelegten Provokation. Besonders schlaue Staatsverweigerer gründeten in Malta sogar eine Inkassofirma. An diese Firma tritt der Staatsverweigerer praktischerweise seine (unrechtmäßige) Forderung ab – und schon sieht sich der mit der Zwangsvollstreckung bedrohte Staats-

Im Namen der Republik – Verhandlung 1

Der „Mensch Josef“ und die verweigerte Überprüfung der Heizungsanlage Josef P. lebt im Bezirk Amstetten, ist verheiratet und Staubsaugervertreter. Zu seiner Verhandlung am 18. Mai 2017 kommt er nicht freiwillig ins Landesgericht St. Pölten, die Polizei muss ihn vorführen, nachdem er frühere Verhandlungstermine einfach ignoriert hat. Den Polizisten ist er persönlich bekannt, einen amtlichen Ausweis hat er nicht mehr, dafür einen selbergebastelten. Dem Richter Slawomir Wiaderek gibt er zu verstehen, dass er sich weder hinsetzen werde, noch dass er an der Verhandlung mitwirken wolle. Er spricht von Völkermord, stört die Verhandlung und wird für 15 Minuten ausgeschlossen. Mit den Polizeibeamten an der Seite, wartet er vor der Türe, während der Staatsanwalt den Strafantrag erläutert. Auch einen Verteidiger hat P. nicht mitgebracht, das Gesetz sieht vor, dass der Richter den Angeklagten daher anleitet und besonders darauf achtet, dass seine Rechte während der Verhandlung eingehalten werden. Im Rahmen der Verhandlung wird P. immer wieder in den Saal geholt, meistens dauert es nicht lange, bis er wegen lauten Störens wieder vor der Tür landet. Dennoch gelingt ein Einblick in seine Welt. Er habe sich mit einem wirren Schreiben losgesagt vom Staat Österreich. Er habe keinen Vertrag mit der Bezirkshauptmannschaft. Daher dürfe die Sachbearbeiterin nicht seinen Namen verwenden, um ihm einen Strafbescheid zuzustellen, weil ihm wegen erhöhter Geschwindigkeit der Führerschein entzogen wird. Als ihn ein anderer Sachbearbeiter schriftlich aufforderte, er möge die gesetzlich vorgeschriebene, wiederkehrende Überprüfung der Heizungsanlage nachweisen, berief sich P. auf eine Genfer Konvention, untersagte die Verwendung seines Namens und forderte mittels Fax vom 10. August 2016 eine Entschädigungszahlung von fünf Millionen Euro. Persönlich, vom zuständigen Sachbearbeiter. Als Polizeibeamte ihm eine Ladung zustellen wollen, lehnt er dies ab. Die Beamten verlesen den Inhalt der Ladung, er bezeichnet sie als „zwei als Polizei kostümierte Personen“ und meint, dass er auf die behördliche Ladung nicht reagieren muss, diese sei „lediglich ein Handelsangebot“ und für ihn irrelevant. Generell eröffnet er dem Richter im Verlauf der Verhandlung: „Mein Gerichtshof ist der Gerichtshof für Menschen. Sie sind ein Handelsgericht.“ Als ihm der Richter ein Schreiben vorlegen möchte – um zu klären, ob er es erkennt, ob es von ihm sei – erwidert der Angeklagte ablehnend: „Nein, ich gehe nicht auf das Schiff.“ Würde er zum Richter hintreten und das Schriftstück ansehen, so wäre das ja quasi ein „Einlassen“ auf die Verhandlung. Als „souveräner Bürger“ ist er quasi ein Staat für sich, indem er nicht das „fremde Schiff“ betritt, begibt er sich nicht in dessen Souveränität. Ganz praktische Probleme ergeben sich, wenn sich einer so irrational verhält. Spricht ihn der Richter mit „Herr P.“ an, so herrscht er den Richter an: „Ich bin nicht der Herr P.!“ Versucht es der Richter anders und nennt ihn „Herr Angeklagter“, so antwortet er: „Nennen Sie mich nicht so! Ich weise jede Rechtsvermutung zurück!“ Zumindest auf einen kleinen, gemeinsamen Nenner kommen Richter und Angeklagter: „Wie soll ich Sie denn nennen?“ – „Nennen Sie mich ‚Mensch Josef‘. Wir Menschen werden nämlich bei der Geburt in das Personensystem hineingetäuscht, mit dem eine Treuhand verbunden ist. Ich aber bin dem Glaubensbekenntnis ‚Mensch‘ beigetreten.“ Am Ende wird „Mensch Josef“ wegen gefährlicher Drohung und versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, zehn Monate werden bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren ausgesetzt. „Die zwei Monate unbedingt müssen Sie aber ins Gefängnis, da drüben“, deutet der Richter zum Fenster raus, wo der Spazierhof der St. Pöltner Justizanstalt liegt. Eine völlige Aussetzung der Strafe sei nicht vertretbar gewesen: „Fälle wie Ihrer machen Schule, sie glauben Sie können sich alles erlauben. Aber das hier ist ein echtes Gericht, kein Kasperltheater.“ Der Staatsanwalt legt Berufung ein und fordert eine höhere Strafe. Nicht rechtskräftig.

Das hier ist ein echtes Gericht, kein Kasperltheater! Richter Slawomir Wiaderek

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MFG URBAN Im Namen der Republik – Verhandlung 2

N o t s ta n d s h i l f e – v o m S t a at, d e n e r n i c h t a n e r k e n n t „Sind Sie ein staatliches Gericht?“, fragt Peter P. die Richterin Doris Wais-Pfeffer zu Beginn. Eigentlich befragen ja die Richter den Angeklagten. Doch P. dreht das Spiel um: „Ruhig und höflich fordere ich Sie auf, sich nach dem Kontrollratsgesetz auszuweisen, ob Sie überhaupt ein staatliches Gericht sind?“ Scheinbar geht Peter P. davon aus, dass die Kontrollratsgesetze, erlassen von den Alliierten nach der Besetzung Deutschlands, noch irgendeine Relevanz hätten. Auch die Macht des Faktischen hilft nicht: Peter P. sitzt seit Wochen in Untersuchungshaft, Justizwachbeamte führen ihn der Richterin vor – dennoch gefällt er sich in der Rolle des Provokateurs, der die staatliche Autorität anzweifelt. Es passt ins Bild, dass er mit Schlapfen und im abgewetzten Jogginganzug erscheint. Seit 1998 bezieht P. Witwerpension, seit 2004 zudem Notstandshilfe – vom Staat, den er zugleich ablehnt. Zehn Zeugen werden an diesem Verhandlungstag im April vernommen. Sachbearbeiter und Polizeibeamte berichten von den umfangreichen, wirren Schreiben. Es geht etwa um eine Anonymverfügung wegen einer Geschwindigkeitsübertretung, die P. nicht zahlt. Vielmehr fordert er vom Sachbearbeiter die Einstellung des Verfahrens, andernfalls droht er einen Pfandbrief über fünf Millionen Euro an. In anderen Fällen werden gar zehn Milliarden Euro gefordert, immer gegen die einzelne Person und ihr Privatvermögen – nicht gegen den Staat Österreich. Ein anderer Zeuge gibt zu, er sei verängstigt gewesen. Da schreibt man eine Strafe wegen Alkohol am Steuer und Fahren ohne Führerschein – und erhält quasi als Danke eine Androhung auf Eintragung in ein staatliches Schuldenregister. Alle Zeugen gaben an, erst im Laufe der Zeit so richtig durchblickt zu haben, was da vor sich geht. Die Eintragung ins UCC-Register, die sogenannte Malta-Masche. Alle gaben an, dass sie tatsächlich Angst hatten, dass ihnen etwas unrechtmäßig Nachteiliges passieren kann. Und wenn es nur im Urlaub die gesperrte Kreditkarte ist. Drei Zeugen sind auf Urlaub und entschuldigt, es wäre möglich ihre Einvernahmen vor der Polizei einfach zu verlesen, sie sind ja Bestandteil des Akts. Dazu müsste der Angeklagte aber zustimmen. Was er nicht tut, schließlich will er offensichtlich nicht am Verfahren mitwirken. Es wird vertagt, P. geht lächelnd in seine Zelle und winkt im Vorbeigehen. Zweiter Verhandlungstag. Peter P. hat weiterhin verweigert seinen Anwalt zu treffen, was dieser im Schlussplädoyer beklagt. Es sei kaum möglich, jemand zu vertreten, der nicht mal mit seinem Anwalt sprechen möchte. Dabei sei P. bei der ersten Konsultation ein völlig anderer gewesen: „Beim ersten Treffen vor der Haftverhandlung hat er zu mir gesagt, dass er einen riesigen Blödsinn begangen habe. Da war er einsichtig. Doch danach muss etwas passiert sein mit ihm, seitdem ist er so ablehnend, wie wir ihn auch bei den Hauptverhandlungen hier vor Gericht kennengelernt haben.“ Inhaltlich seien die gegenständlichen Schreiben an die Behörde gar nicht vom Angeklagten, sei sich sein Anwalt sicher, sondern „von einer Organisation dahinter.“ In seinem Mandanten sieht er „Täter, aber auch Opfer.“ Vor Gericht stehe hier kein Mastermind, keiner der profitiert hat, sondern jemand, der Gehirnwäsche und Indoktrination aufgesessen sei, es sei offensichtlich, dass er „massiv fremdgesteuert agiert.“ Nach den Schlussplädoyers wendet sich die Richterin ein letztes Mal an den Angeklagten. Die Strafprozessordnung sieht vor, dass der Angeklagte stets das letzte Wort habe. Ob er was sagen wolle? Und tatsächlich verlässt in der letzten Sekunde doch noch etwas Greifbares den Mund des Angeklagten: „Ich war mir nicht bewusst, dass ich jemanden bedrohe. Ich nehme meine Forderungen zurück, ich will ja niemanden kaputt machen. Bitte richten Sie das jedem aus. Ich bin auch nicht der Begünstigte der Person Peter P.“ Die strikten Vorgaben der Strafprozessordnung verhindern, dass dieses Schlusswort näher hinterfragt werden kann. Das Urteil: neun Monate unbedingte Haft unter anderem wegen gefährlicher Drohung. 63 Schreiben habe er von Anfang 2016 bis Anfang 2017 verfasst, sogar lange nachdem er schon vorgeladen war. Dass er seit 2004 „vom Staat lebt, den er nicht anerkennt“, sei auch bemerkenswert. Rechtskräftig.

Mein Mandant ist Täter, aber auch Opfer! VERTEIDIGER Peter Schobel

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diener mit einem Schuldeneintreiber im EU-Raum konfrontiert. Bei den zahlreichen Gerichtsverfahren der jüngeren Zeit fand sich diese „Malta-Masche“ als gefährliche Drohung auf den Strafanträgen der Staatsanwälte. Auch hier zeigt sich die Funktionsweise der Szene: Mehr Schein als Sein. Die Masche reicht um Angst und Kosten zu verursachen, rechtlich durchsetzbar wäre die Forderung aber nicht. Im Tätigkeitsbericht der Bundesstelle für Sektenfragen finden sich typische Fallbeispiele. Eine Frau äußert die Absicht größere Beträge in die Entwicklung einer Maschine zu investieren, die „Freie Energie“ erzeugen soll. Die Idee des „perpetuum mobile“ hält sich also auch im 21. Jahrhundert am Leben – wenn auch nur als abstruse Verschwörungstheorie, die Basis für einen wohlfeilen Betrug bietet. Auch ein Klassiker: Freeman gründen eine Fantasie-Bank in England. In der Freeman-Fantasie werden jedem Menschen vom bösen Staat Milliarden Euro vorenthalten. Einen Teil dieses fiktiven Vermögens, es können schon mal ein paar hunderttausend Euro sein, tritt der Freeman an die Pseudo-Bank ab. Diese erstellt daraufhin monatlich einen Fantasie-Scheck und schickt ihn an den Freeman, der damit Schulden beim Finanzamt begleicht. Was natürlich nicht geht. Doch da das offensichtlich schwer irritierte Amt nicht sofort reagiert, jubelt der Freeman im Internet: „Es gab keinen Widerspruch, damit ist der Scheck akzeptiert!“ Reagieren statt ignorieren Wie soll der Staat auf derlei Schwachsinn reagieren? Anfangs gab es die Hoffnung, wenn man ihn ignoriert, wird sich der Sturm schon legen. Doch der Zulauf beweist, dass diese Strategie nicht aufging. Mittlerweile sind die


DER STAAT BiN ICH

Nehmen Sie bitte in der Mitte Platz. Mit Schlapfen und im Jogginganzug erscheint ein Staatsverweigerer aus der Untersuchungshaft vor seiner Richterin. Er spielt stur sein Programm ab, erst beim Schlusswort ringt er sich zu einer Entschuldigung durch. Behörden gut informiert und reagieren rasch und konsequent. Die zahlreichen kriminellen Akte werden rigide verfolgt und angeklagt, Schuldsprüche zeigen Wirkung. Traten früher 60 Freeman in Wildwest-Manier an und störten Gerichtsverhandlungen, so wirkt die Szene heute schaumgebremst. Eine prominente Vertreterin der „Staatenbund“-Szene, Monika U., sitzt seit April in Graz in Untersuchungshaft, Ende August waren neben ihr noch acht weitere Personen des „Staatenbunds Österreich“ in Haft. Ein Gutachten der Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner ist in Arbeit. Doch wie soll man mit Leuten umgehen, die an Dinge glauben, die völlig irrational sind? Ulrike Schiesser ist Psychologin und Psychotherapeutin, zudem ist sie eine Mitarbeiterin der Bundesstelle für Sektenfragen und Expertin am Gebiet der Staatsverweigerer. „Mit Irrationalität habe ich es jeden Tag zu tun. Logik ist eine App, die wir dazuschalten. Aber grundsätzlich denken wir Menschen emotional. Es gibt ja auch den Arzt, der wider jede Rationalität plötzlich an einen dubiosen Heiler glaubt oder den Physiker,

Im Namen der Republik – Verhandlung 3

S c h a d e n e r s at z f ü r l a u f e n d e s S t r a fv e r f a h r e n Der Mostviertler Georg H. wird im März wegen Tatbegehungsgefahr in Untersuchungshaft genommen, im Mai wird verhandelt, seine Frau und seine kleinen Kinder sitzen im Gerichtssaal in der Reihe hinter ihm. Redegewandt und freundlich tritt er auf, bekennt sich teilweise schuldig: „Wortwahl und Weg, den ich gegangen bin, waren völlig falsch. Das weiß ich heute.“ Seit 24 Jahren sei er berufstätig, habe eine Firma geführt, viele Mitarbeiter gehabt. Dann habe die Politik Rahmenbedingungen für seine Branche verschlechtert. Seiner Meinung nach zu Unrecht sei ein Strafverfahren angestrengt worden, wegen Fördermissbrauch, Urkundenfälschung, fahrlässiger Brandstiftung. All dies habe seinen Ruf massiv geschädigt, Mitarbeiter habe er entlassen müssen. „Ein halbes Jahr sei das Damoklesschwert einer Verurteilung über seinem Mandanten geschwebt“, führt sein Verteidiger aus, dann „ist ihm das Häferl übergegangen“ und er habe gedacht, er könne sich auf diese Art wehren. Und zwar mit einem typischen Schreiben aus dem Eck der „Staatsverweigerer“, adressiert an die zuständige Richterin am Landesgericht St. Pölten und eine Staatsanwältin in Linz mit der Forderung, sie sollen das Verfahren gegen ihn einstellen, andernfalls würden sie sich mit einer Schadenersatzforderung über zwei Millionen Euro konfrontiert sehen, eingetragen ins UCC-Register und in Folge eingetrieben über die „Malta-Masche“. Für Richter Martin Kühlmayer ergibt das zehn Monate Freiheitsentzug, zwei Monate davon unbedingt – wobei die U-Haft angerechnet wird. Sein reumütiges Geständnis und ein ordentlicher Lebenswandel seien wesentliche Milderungsgründe gewesen, der Strafrahmen habe sechs Monate bis fünf Jahre betragen. H. erhebt Rechtsmittel, der Ausgang ist offen.

Mein Weg war völlig falsch, das weiß ich heute! Angeklagter Georg H.

MFG 09.17

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MFG URBAN der sich in esoterische Auslegungen der Quantenphysik verrennt. Es hängt immer an persönlichen Faktoren, wenn wir auf der Suche sind nach etwas sind, wenn wir persönliche Krisen durchleben und dafür keine passenden Bewältigungsstrategien haben, dann entsteht die Sehnsucht nach einer außerordentlichen Lösung“, führt sie aus. Viele Staatsverweigerer seien aktive und ehemalige Selbständige. Wer als Unternehmer mit dem regulierenden Charakter des Staates unliebsamen Kontakt hatte, wer sich über Auflagen und Gewerbeordnung ärgern musste, wer dann vielleicht noch hoch verschuldet ist – für den schafft diese Szene eine Fantasiewelt, in er man nicht mehr der Verlierer ist, sondern eigentlich super-reich. Also lauter Verrückte? Man gehört zum Kreis der Erleuchteten, nur wenige würden hinter die Matrix blicken – auf die vermeintlich wahre Welt dahinter. Das stärkt das Selbstwertgefühl, man fühlt sich als Robin Hood im Kampf gegen die böse, verschworene Obrigkeit. „In einer ersten Reaktion glaubt man vielleicht, dass diese Leute nicht zurechnungsfähig sind. Man kann aber nicht jedem

GESIEBTE LUFT. Erste Freiheitsstrafen haben der Szene gezeigt, dass die Gesetze doch für alle gelten. Vom Verhandlungssaal aus kann man einen Blick in den Spazierhof machen. Querulanten einen Sachwalter vorsetzen. Nur die allerwenigsten sind tatsächlich wahnhaft im Sinne einer Krankheit. Sie schaden sich zwar selbst, weil sie an Verschwörungen und irrationale Geschichten glauben. Aber das dürfen sie auch glauben! Wir können uns nicht um die Freiheit drücken, dass jeder glauben kann, was er will“,

Im Namen der Republik – Verhandlung 4

D o p p e lt s c h l e c h t b e r at e n i m I n t e r n e t Über 70 Jahre musste Margaretha J. aus dem Bezirk Melk werden, nun sitzt sie plötzlich vor dem Richter. Versuchte Erpressung, gefährliche Drohung. Weil das Landesgericht München von ihr im Rahmen eines Insolvenzverfahrens Geld wollte, half sie sich mit einem „Datenschutzblatt“-Formular aus dem Internet und forderte von den zuständigen Stellen 25.000 Euro. Mit dem Internet hat die Dame wohl generell weniger Glück, Stein des Anstoßes war nämlich eine Veranlagung in Deutschland, auf die sie über das Internet aufmerksam wurde. Anfangs gab es noch Ausschüttungen, später ging das dubiose Firmenkonstrukt in Konkurs, die Angeklagte verlor laut Verteidiger rund 3.000 Euro – fassungslos sah sie sich dann dem Schreiben des Münchner Gerichts gegenüber, als dieses von ihr zusätzlich noch Geld forderte. Anstatt einen Anwalt aufzusuchen, half sie sich selbst – mit dem Beitritt zum „Staat Niederösterreich“ und den besagten Schreiben an die Gerichte, die sie aus Musterformularen vom Internet zusammenkopierte. „Kurz vor der Verhandlung habe ich meinen Beitritt widerrufen. Ich habe meinen Fehler eingesehen“, erklärt sie dem Richter, bekennt sich aber nicht schuldig im Sinne der Anklage. Sie wollte lediglich erreichen, „dass all das endlich aufhört. Vom Strafverfahren habe ich erst vor wenigen Tagen erfahren, als ich von der Polizei einvernommen wurde. Dort wurde mir dann erklärt, dass es auch anders geht. Es tut mir leid, ich wollte das alles nicht.“ Die Seniorin kommt mit einer Diversion davon und muss eine Geldstrafe über 2.000 Euro zahlen. Eine formale Verurteilung bleibt ihr erspart, sofern sie rechtlich nicht weiter negativ in Erscheinung tritt.

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mahnt Schiesser. Das wirklich schwierige sei, dass ab einem gewissen Grad des Hineinsteigerns keine Diskussion mehr möglich ist: „Rationalen Argumenten sind diese Leute dann nicht mehr zugänglich.“ Wie soll man nun mit Staatsverweigerern umgehen? Solange sich Personen noch informieren, könne man ruhig diskutieren. Aber sobald jemand emotional zu involviert ist, helfen Informationen nicht mehr. Was hilft ist, dass man auf die Ursachen schaut, die dahinterliegen. Etwa hohe Schulden als Grundproblem, bei dem die Schuldnerberatung helfen könnte. Die meisten Staatsverweigerer wollen auch ständig Familie und Freunde missionieren. Da hilft nur das Ziehen einer Grenze. Klarmachen, worüber man nicht reden will: „Wir Menschen sind stur, gerade wenn eine Idee so super zu unseren Hoffnungen und Ängsten passt, dann lassen wir das ungern wieder los“, erklärt die Psychologin. Das wichtigste Signal laut Schiesser ist aber zu sehen, dass „die Freeman-Bewegung nicht funktioniert. Darum sind auch Konsequenzen des Staates so wichtig. Heute sehen wir diese Reaktion, dabei dürfen wir aber nicht übersehen, welche massive Provokation vorangegangen ist.“ Befeuert wird das Phänomen durch die sozialen Medien. Wer an eine Verschwörungstheorie glaubt, der glaubt


DER STAAT BiN ICH

Im Namen der Republik – Verhandlung 5

Kolumne Tina REICHL

„Aber Sie dürfen nicht weiterhin solche Schreiben schicken“

schon bald auch an weitere. So finden sich auf den Facebook-Profilen der Aktivisten unzählige Theorien. Schiesser: „Es ist ein Hobby von Menschen nach der Wahrheit hinter den Dingen zu suchen. Hinterfragen ist ja an sich erfreulich, aber wir stellen fest, dass neben der Esoterikszene die Verschwörungstheorien regelrecht boomen.“ Verschwörung überall Dazu kommt die Funktionsweise von Facebook, die sogenannte Echokammern erzeugt: Man sieht nur mehr Beiträge, die einem auch gefallen werden. Zudem finden sich im Internet unzählige Websites, die Halbwahrheiten oder Verschwörungstheorien aufgreifen. Für Nutzer ist oft nicht erkennbar, ob diese vermeintlichen Informationsquellen überhaupt im Ansatz seriös sind.

Hier könnte Bildung helfen, etwa wenn es um Kompetenz im Umgang mit Internet, Nachrichten und Sozialen Medien geht. Der Universitätsprofessor und frühere Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Clemens Jabloner merkt an, dass sich ein „Verständnis des Bürgers für die der Rechtsordnung zugrundeliegenden Werte nicht anordnen, wohl aber lehren und vermitteln“ lasse. So sollte etwa gelehrt werden, wie die Sozialversicherung funktioniert. Und noch etwas mag ungewollt beigetragen haben: „Durch den Abbau seines hoheitlichen Erscheinungsbildes verschwindet die symbolische Präsentation seines Gewaltmonopols“, so Jabloner. Der Staat tritt zunehmend bürgernäher auf, das Arbeitsamt heißt Arbeitsmarktservice, die hoheitlichen Aufgaben werden zwar erfüllt, aber scheinbar unter dem Anschein des Privaten. Dabei könne man ruhig klarstellen, dass der Staat eine Zwangsgemeinschaft ist. Sonst könnte ja jeder beschließen, sich an keine Regeln mehr zu halten, zugleich aber die Errungenschaften des Staates – von der Straße bis zur Notstandshilfe – weiterhin in Anspruch nehmen zu wollen. Womit wir wieder bei der Anarchie wären.

Lerneffekt

Ich liebe es entlang des türkisblauen Tagliamentos zu fahren. Ich liebe auch Tretboot- und Schleppliftfahrten, Schaumbäder und lange Autofahrten mit meinem Liebsten. Vielleicht weil wir da abgeschirmt sind von der Welt, man auf den anderen fokussiert ist. Man kann entweder stumm vor sich hin sinnieren, oder den anderen niederreden. Er wird trotzdem stoisch weiterfahren, nicken und nicht davonlaufen. Wo soll er auch hin, mitten am See oder nackt mit Schaum bedeckt? Bei diesen Gelegenheiten werden banale Dinge aus dem Alltag besprochen, wie zum Beispiel das Ding mit meinen Kontaktlinsen. Alle vier Wochen gebe ich mir neue Linsen ins Auge. Die alten befinden sich zu der Zeit noch im Behälter. So weit so gut. Abends aber geb ich dann auch die neuen Linsen in das Gefäß. Am nächsten Tag setze ich mir dann entweder beide Linsen gleichzeitig ins Auge oder hab keine Ahnung mehr, welche die neue und welche die alte ist! Das klingt jetzt sehr banal, und ich hoffe, sie befinden sich beim Lesen gerade auf einem Tretboot, am Schlepplift oder in einem Schaumbad, um nicht vor Langeweile wegzulaufen! Das Drama ist: Ich habe hier absolut KEINEN Lerneffekt! Und es gibt 100 Beispiele für diese Realitätsverweigerung, angefangen vom Einschalten des Trockners nach 20 Uhr, der mich dann nicht schlafen lässt, bis zum Kauf von Bananen, die aber niemand isst. Kein Lerneffekt! „Können wir mal Pause machen? Mir ist nicht gut!“, sag ich zum Liebsten links von mir. „Kein Wunder, du weißt doch, dass dir beim Autofahren immer schlecht wird, wenn du dabei aufs Handy schaust!“, sagt mein Mann.

MFG 09.17

Foto: knut wiarda-fotolia.com

83 Tage sitzt der pensionierte Tischlergeselle August H. nun in Untersuchungshaft. Im Schwurgerichtssaal wirkt er orientierungslos, Fragen des vorsitzenden Richters kann er kaum mit ganzen Sätzen beantworten. Er habe bei Vorträgen der OPPT-Bewegung allerlei über Menschenrecht gehört und gedacht, dass die Behördenschriftstücke für ihn nicht gelten. Der Richter will wissen, wie er das denn gemeint habe, als er an einen Richter am Landesverwaltungsgericht geschrieben hatte, dieser solle ein laufendes Verfahren einstellen – und zwar „im eigenen Interesse und zur Sicherheit“. Der Angeklagte erwidert, er habe niemandem etwas antun wollen. Er wollte nur seine Ruhe. Seit Anfang 2015 gab es laut Anklage mehrere Schreiben an Bezirksgericht und Bezirkshauptmannschaft Amstetten sowie an das Landesverwaltungsgericht, es ging um Exekutionsverfahren. Daraufhin habe der Angeklagte persönliche Schadenersatzforderung gegen Sachbearbeiter erhoben und eine Schuldenregister-Eintragung angedroht. Macht eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 15 Monate auf Bewährung. Unter Anrechnung der U-Haft durfte der Pensionist noch am selben Tag nachhause gehen. „Aber sie dürfen nicht weiterhin solche Schreiben schicken, haben Sie das verstanden“, wie der Richter festhielt. Zur Begründung: „Der Angeklagte habe die bedrohten Personen aufgefordert, wissentlich ihre Befugnis zu missbrauchen.“ Die Strafe sei nicht nur aus spezialpräventiven Gründen nötig, also dass derselbe Täter nicht wieder straffällig wird, sondern auch aus generalpräventiven Gründen – dass also auch andere Bürger abgeschreckt werden, ähnliche Taten zu begehen. Rechtskräftig.

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MFG URBAN

Ein Grund zur Freude? Im Juni beschloss die Bundesregierung mit den Stimmen der Grünen eine Bildungsreform, die den Schulen vor allem mehr Autonomie bringen soll. Wie viel davon in den Klassenzimmern ankommen wird, steht derzeit noch in den Sternen. In Niederösterreich sprechen Kritiker der Reform bereits von einer „Mogelpackung“.

N

ur mit einer gestärkten Autonomie der Schulen sowie einer Entpolitisierung der Verwaltung können wir den dringend benötigten Schwung ins Bildungssystem bringen, von dem letztlich alle Schülerinnen und Schüler profitieren werden. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sind wir diesem Ziel einen wichtigen Schritt nähergekommen.“ Das verlautete Bildungsministerin Sonja Hammerschmied im Beisein von Staatssekretär Harald Mahrer vor dem Sommer. Die Regierung hatte sich mit den Stimmen der Grünen auf ein Reformpaket geeinigt, das den Schulen vor allem mehr Autonomie bringen soll und dabei die Rolle der Schulleiter erweitert (siehe Infobox). Reform nur alter Wein in neuen Schläuchen? Wie viel von diesen Maßnahmen an den Schulen ankommen wird, ist derzeit noch unklar. Sigrid Zöchling, Direktorin des Schulzentrums Eybnerstraße, gibt sich deshalb noch zurückhaltend: „Es gibt sicher Einiges, das gut ist, aber ich bin gespannt, ob die Reform kommt und was genau kommt.“ Einige der beworbenen Neuerungen seien dagegen bei näherem Hinsehen nicht revolutionär. „Das Mitspracherecht für Direktorinnen war über die Zusammenarbeit mit dem Landesschulrat faktisch gegeben“, meint Zöchling. Schon jetzt konnten Schulen demnach Personalentscheidungen in Absprache mit dem Landesschulrat treffen. Ähnlich sieht das auch Michael Lahnsteiner, Direktor der Volksschulen Pottenbrunn und Ratzersdorf. „Es ist grundsätzlich erfreulich, dass ich beim Personal mehr Mitspracherecht bekomme, aber ich konnte schon jetzt 38

beim Landesschulrat sagen, wenn mir bestimmte Lehrer gefehlt haben“, so Lahnsteiner, der außerdem betont, dass er in erster Linie Lehrer und kein Personalchef sei. Die Autonomie ist zudem zweischneidig. Denn auswählen kann ein Schulleiter nur, wenn genügend Bewerbungen für eine zu besetzende Stelle eingehen – hier ist zu befürchten, dass sich Bewerbungen

engagierter Lehrer auf Schulstandorte mit „gutem“ Ruf konzentrieren. Die ausgleichende Wirkung, die der Landesschulrat bisher hatte, geht damit ein Stück weit verloren. Wie sich die Reform in der Praxis auswirken wird, ist für Lahnsteiner noch nicht klar: „Ich werde mein Schuljahr beginnen wie immer und dann schauen was kommt.“

Evolutionäre statt revolutionäre Entwicklung Ebenfalls abwarten will Attila Pausits, Leiter des Zentrums für Bildungsmanagement und Hochschulentwicklung an der Donau-Universität Krems. „Ich denke eine Dezentralisierung


TEXT: Sascha Harold | Foto: Sondem-Fotolia.com

ist grundsätzlich zu begrüßen, um so mehr Spielraum für Einzelne zu bekommen. Gleichzeitig gehen mit der Autonomie aber Verpflichtungen einher, die Schulleiter müssen in diese Führungsrolle hineinwachsen.“ Die Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen reicht dabei nicht. In der Reform sieht er „keine revolutionäre, sondern eine evolutionäre Entwicklung.“ Mögliche Änderungen am Curriculum der Ausbildung stehen erst zur Debatte, wenn klar ist, was von der Reform im Klassenzimmer ankommt. Die ermöglichte ClusterBildung sieht Pausits nicht nur positiv: „Es besteht die Gefahr, dass durch die Zusammenlegung von Schulen der administrative Aufwand für die Schulleiter so groß wird, dass dadurch der gestalterische Aspekt erdrückt wird.“

Die Rolle der Donau Universität besteht jedenfalls weiterhin in der praxisnahen Weiterbildung, ein Thema wird künftig auch die Forschungsarbeit zu den Auswirkungen der beschlossenen Neuerungen im Schulsystem sein. „Diese Reform ist eine Mogelpackung.“ Dass die Reform überhaupt große Auswirkungen haben wird ist für Peter Böhm, Dienstrechtsreferent der Gewerkschaft Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer, ohnehin fraglich. Böhm war bei fast allen Verhandlungen mit am Tisch und kennt die Materie, In der beschlossenen Reform sieht er eine „Mogelpackung“, die mit Autonomie nicht viel zu tun hat. Viele der beschlossenen Neuerungen wären rechtlich bereits jetzt möglich gewesen,

er nennt hier etwa die unterschiedliche Länge von Schulstunden oder die Bildung von Schulclustern. „Am Papier hat der Schulleiter viel Autonomie, in der Praxis wird sich nicht viel ändern“, mein Böhm und denkt weiter, dass „Schüler und Lehrer von der Reform fast nichts merken werden, die Leiter werden punktuell etwas merken.“ Dass die Autonomie nicht wirklich umgesetzt ist, liegt für ihn auch daran, dass die Bildungsdirektionen in vielen Fällen das letzte Wort hätten und Entscheidungen der Schulleiter bestätigen müssen. Hätte man in den Verhandlungen Spezialisten vor Ort hinzugezogen, wäre eine bessere Reform zustande gekommen, ist er überzeugt. Die Lehrergewerkschaft habe auf diesen Umstand laut Böhm hingewiesen: „Wir haben mehrmals gesagt, dass der vorliegende Entwurf am grünen Tisch von Juristen gemacht worden ist, die das Umfeld vor Ort nicht kennen.“ 2018 soll die Schulreform in Kraft treten, bis dahin hat das Land Niederösterreich Zeit, entsprechende Gesetze zu verabschieden. Bei den betroffenen Akteuren herrscht derzeit vor allem Unklarheit – ob sie sich legt, bleibt abzuwarten.

D i e S c h u l ref o rm i m Ü b er b l i c k Herzstück der Reform ist ein Autonomiepaket das die Schulstandorte stärkt und den Schulleitern ermöglicht, Personal frei auszuwählen. Lehrer können sich künftig direkt an einem Schulstandort bewerben, die Position des jetzigen Landesschulrates wird damit formell abgeschwächt. Aufgehoben werden verschiedene Regeln für Klassen- und Gruppengrößen, auch die Dauer einer Schulstunde kann frei gewählt werden, die 50-Minuten Einheit bleibt aber weiter die zugrunde liegende Berechnungsgröße. Weiters soll es möglich sein, sogenannte Schul-Cluster zu bilden, die von einem Schulleiter gemeinsam verwaltet werden. Die Landesschulräte sollen künftig durch sogenannte Bildungsdirektionen ersetzt werden In Kraft treten mögliche Änderungen und Reformen in Niederösterreich erst durch sogenannte Landesausführungsgesetze, von denen es derzeit noch keine Entwürfe gibt.

MFG 09.17

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Herr Burger sucht das Glück Als ich Anton Burgers Buch „Spuren zu einem richtigen im falschen Leben“ zum ersten Mal in Händen halte, kommt mir unvermittelt die Kennmelodie einer Zeichentrickserie aus Kindheitstagen in den Sinn: „Herr Rossi sucht das Glück“.

S

chon damals wurde den Kleinsten vermittelt, dass es mit dem Glück, mit dem Sinn im Leben – denen Herr Rossi in jeder Serie nachjagt – offensichtlich eine gar nicht so einfache Sache ist. Der dreifache Doktor (Betriebswirtschaft, Jus und Theologie) Anton Burger, St. Pöltner mit Lehrstuhl an der Universität Eichstätt-Ingolstadt, hat sich nun in einem ganzen Buch mit dieser Frage auseinandergesetzt. Wir trafen ihn an einem beschaulichen Sommervormittag zum philosophischen Plausch im Café Schubert. Irgendwie hat man den Eindruck, ihr Buch kommt gerade recht – wir leben in einer Zeit der Verunsicherung. War der Erscheinungszeitpunkt bewusst gewählt? Also grundsätzlich gehe ich mit dem Gedanken zu dem Buch schon sehr lange schwanger. Ich komme ja von der Wirtschaft her, und da ist Adam Smith Begriff des Eigennutzes ein zentraler, von dem eine Brücke rasch zum Egoismus führt. Mich hat u.a. die Frage beschäftigt, was dies in einer Marktwirtschaft wie der unseren für das Zusammenleben der Menschen bedeutet, was also in einer Gesellschaft des Eigennutzes passiert. Wobei es im Buch ja im Kern um – wenn man so will – den Sinn des Lebens geht? Das zentrale Thema ist, wie gestalten wir unser Leben angesichts der Widrigkeiten, die es bereithält, und in dem Wissen, dass es ein beschädigtes ist. Theodor W. Adorno hat diesbezüglich den Spruch geprägt, dass es kein richtiges Leben im falschen geben kann. Meine Motivation war aufzuzeigen, was die Geschichte, die Philosophie, die Theologie, aber auch die Literatur zu dieser Frage, die wohl die älteste und bedeutendste der Menschheit darstellt, bislang hervorgebracht haben. Das ist ja eine wahre Fundgrube an Gedanken, die ich im Buch um meine persönlichen Überlegungen ergänzt habe. Ist dieser Gedanke vom a priori beschädigten Leben nicht ein sehr pessimistischer? Da gibt es verschiedene Ansätze. Die Gnostiker etwa rückten die Aussichtslosigkeit, Abgründigkeit des Lebens ins Zentrum und sahen in einem schnellen Exitus einen Ausweg, weil damit die Hoffnung auf ein Paradies danach einhergeht. Aber das kann es natürlich nicht sein. Adornos Spruch vom falschen Leben wiederum ist eine semantische

Sinn ist nichts, was auf der Straße liegt, sondern Sinn muss man er-finden. 42

Spitze. Tatsächlich muss man Richtiges-Falsches im Leben als Kontinuum begreifen – wobei man durch aktives Handeln dem Leben sehr wohl Positives abgewinnen kann. Im Existenzialismus – der das Leben als absurdes begreift – ist daher dennoch die Forderung „Gestalte dein Leben trotz aller Widrigkeiten so, dass es lebenswert, bejahenswert ist“. Wobei heute ja teils weniger die Begrifflichkeit „Sinn“, als vielmehr „Glück“ im Zentrum zu stehen scheint – da wird ein regelrechter Druck zum „Glücklichsein“ ausgeübt. Glück ist aber nichts Dauerhaftes. Wenn, dann geht es eher um Momente des Glücks. Tatsächlich orte ich da vielfach ein fast manisches Positivdenken in unserer Gesellschaft – nur, so ist das Leben nicht. Und wer sich nur ichbezogen dem Hedonismus hingibt und die Herausforderungen des Lebens negiert, wird scheitern. Das Leben ist polar. Und voller Angst. Wobei Angst eine wichtige biologische Funktion hat und der Bewältigung von Bedrohungen dient. Angst kann man ja nicht einfach weg reden, sie hat oft einen konkreten Hintergrund: die Angst vor Krankheit, vor Tod, vor sozialem Abstieg, vor Jobverlust, dem Verlust geliebter Menschen. Es geht aber darum, wie ich mit der Angst umgehe. Das heißt, ich muss sie in einem ersten Schritt einmal anerkennen und in Folge aktiv in mein Leben integrieren. Wovor habe ich also ganz konkret Angst, was macht sie mit mir, und wie kann ich ihr begegnen. Das heißt, sich der Angst vor der Angst hinzugeben, ist auch kein Ausweg. Die Aufklärung geht deshalb von einem evolutionären Weg aus, der aktives Handeln ins Zentrum stellt. Ich finde, das wird großartig im kleinen Prinzen auf den Punkt gebracht, wo es heißt, dass man zwei, drei Raupen in Kauf nehmen muss, wenn man einen Schmetterling erleben möchte. Kurzum: Ja, es gibt Enttäuschungen, Gefahren, Niederlagen, Schicksalsschläge – wobei Viktor Frankl sagt, Schicksal ist nicht das, was uns zustößt, sondern erst das, was wir daraus machen – aber deswegen soll man sich vom Weg, etwas Schönes zu entdecken, das ebenso besteht, nicht abhalten und entmutigen lassen! Was ist mit „aktives Handeln“ gemeint? Das heißt, ich muss achtsam und sorgsam mit dem ICH, dem DU und dem ETWAS umgehen. In dieser Trias gilt es die richtige Balance zu finden. Wichtig ist zunächst, sich selbst zu akzeptieren, wie man ist. Nur in dieser Selbstliebe bin ich auch zum Du, zur Nächstenliebe fähig. Das


TEXT: johannes Reichl | Fotos: Elias Kaltenberger

„Unsere Freiheit und Werte sind nicht selbstverständlich. Wir müssen sie immer wieder aufs Neue erkämpfen.“

MFG 09.17

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MFG urban Der Rechtsphilosoph Ernst-Wolfgang Böckenförde hat das Theorem formuliert, dass der moderne säkularisierte Staat in Voraussetzungen lebt, die er nicht garantieren kann. Das heißt, es beruht auf Konsens, dass etwa das Recht akzeptiert wird, dass man sich wie in unseren Breiten einem gemeinsamen Ethos und humanistischen Werten verpflichtet fühlt. Wenn man dieses Selbstverständnis in Frage stellt, kann es aber mit dem Humanismus schnell vorbei sein. Unsere Freiheit, unsere Werte sind nicht, auch wenn wir es glauben, selbstverständlich. Wir müssen sie immer wieder aufs Neue erkämpfen.

SPUREN ZU EINEM RICHTIGEN IM FALSCHEN LEBEN. Anton Burgers Buch ist im Logos Verlag Berlin erschienen.

Etwas wiederum können vielfältige Sachen sein: Hobbies, die Arbeit, soziales Engagement etc., die sinnstiftend wirken. Wobei dieser Sinn immer etwas Subjektives ist. Das ist nichts, was sozusagen auf der Straße liegt, sondern Sinn muss man finden, ja er-finden. Frankl spricht diesbezüglich vom Sinn IM Leben, IN wenigstens einzelnen Lebenssituationen, nicht vom Sinn DES Lebens, weil das wäre schon wieder eine rückwärtsgewandte Perspektive, im Grenzfall vom Sterbebett aus. Manchmal beschleicht einen aber der Eindruck, dass viele über die Selbstliebe nicht hinauskommen. Thomas Hobbes hat den Spruch geprägt „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“. In unserer westlichen Gesellschaft sind wir aber von der Aufklärung geprägt, die sich auf Freiheit, Vernunft, Verantwortung beruft und die Würde des Menschen ins Zentrum rückt. Kant sagt, der Mensch ist Zweck an sich, und zwar unabhängig von Leistung, Hautfarbe, Religion etc. Das heißt, jeder Mensch hat Würde an sich. Das ist unser Selbstverständnis. Jede Ideologie, jede Religion, jede Heilslehre, die dies in Abrede stellt und relativiert, die Unterschiede macht und sozusagen der eigenen Elite eine zweite, dritte Klasse von Menschen gegenüberstellt, die also für sich einen absoluten Exklusivitätsanspruch reklamiert, entwertet die anderen Menschen! Das ist gegen den Sinn der Aufklärung, weil ich damit anderen Gewalt antue – diese Denkweise hat in der Geschichte oft zu Krieg und Gräueltaten geführt. Angesichts antidemokratischer Entwicklungen wie in Ungarn, Polen oder der Türkei hegt man aber an oben genanntem Selbstverständnis mitunter so seine Zweifel.

Der revolutionäre Weg führt zu Gräueltaten und Krieg und ist letztlich immer zum Scheitern verurteilt. 44

Hatte dann aber nicht doch Schopenhauer recht, dass sich die Menschheit im Grunde genommen nicht weiterentwickelt – auch wenn es gegenteilige Ansichten gibt? Heute herrscht vielfach die Meinung, fußend auf Statistiken, dass der Mensch – trotz Shoa, trotz Weltkriegen, trotz totalitären Regimen, trotz aktuell IS – besser geworden sei. Dies wird aber oft in relativer Sichtweise zur Bevölkerungszahl eruiert. Subjektiv, für den einzelnen, wird die Einsicht von einer besseren Welt aber oft auch schwer Lügen gestraft. Schopenhauers Geschichtspessimismus wiederum fußte auf dem Ansatz, dass das Leben zwar voller Leid, Schmerz und Tod ist, aber noch immer besser als Sterben, das quasi noch grauslicher ist. Und deshalb hat er bei aller Negativität dennoch eine Ethik des Mitleides abgeleitet – es geht bei ihm also um eine Hinwendung zum Du, das ebenfalls bedroht ist. Dass sich der Mensch de facto ändern kann, davon war schon Aristoteles überzeugt, und die heutige Genetik und Epigenetik haben es mittlerweile auch nachgewiesen. Obendrein ist das Gehirn dank seiner Plastizität ein Leben lang „gestaltbar“, das heißt, es gibt keine Grunddisposition, die ein Leben lang nicht veränderbar wäre. Das macht man sich mittlerweile etwa im Strafvollzug zunutze, wo Gewaltverbrecher mit entsprechenden Programmen therapiert werden. Das klingt aber fast beängstigend, ja totalitär, denn wer bestimmt – um es auf die Gesamtgesellschaft umzulegen – wie man als Mensch „richtig“ ist. Wir kennen dieses Muster aus dem revolutionären Weg, der den Menschen umbauen, die Welt komplett ändern und eine neue Gesellschaftsordnung schaffen möchte. Man selbst hat die Wahrheit, die anderen liegen falsch, haben sich meinem Willen zu beugen – solche Heilslehren führten und führen zu furchtbaren Gräueltaten und Kriegen, weshalb der revolutionäre Weg aus dem falschen Leben letztlich immer zum Scheitern verurteilt ist und der evolutionäre – auf individueller und auf gesellschaftlicher Ebene – dem Menschen und seiner Würde adäquat erscheint Was einmal mehr für das Konzept der Demokratie spricht? Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass es in einer komplexen Welt wie der heutigen keine einfachen und eindeutigen Antworten mehr gibt. Gerade die repräsentative


Herr Burger sucht das Glück

Demokratie, wie wir sie kennen, kann da einen Puffer zwischen Extremen bilden und somit radikale Wege abfedern. Es geht letztlich um Rahmenbedingungen, nach denen wir unser Leben ordnen, und die bedarf es in allen Bereichen, etwa auch der Wirtschaft. Aus diesem Blickwinkel bestehen im Hinblick auf die Globalisierung etwa zu wenige Spielregeln, was zu Ungerechtigkeit führt. Würde man etwa allein in der Frage des Transportes Kostenwahrheit schaffen, könnten schon viele Globalisierungsverwerfungen gedämpft werden. Dazu bedarf es aber Willens und Verantwortung. Wobei unsere Verantwortung endenwollend scheint, überhaupt bei so entfernten Regionen wie, sagen wir zum Beispiel, Afrika, auch wenn „unser“ System dortige Probleme unmittelbar mitverursacht. In einer aufgeklärten Gesellschaft hat man aber Verantwortung auf mehreren Ebenen: Natürlich einmal gegenüber dem Ich – man muss also auf sich selbst schauen, darf nicht Ich-vergessen sein – ebenso aber auch gegenüber dem Du. Das heißt man muss sich in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen, weil man Mitverantwortung an der Ordnung trägt, die sich die Gesellschaft gibt. Dazu gehört übrigens auch zur Wahl zu gehen. Habermas spricht von der kommunikativen Vernunft, d.h. es ist wichtig, die Meinung frei zu äußern, kritisch zu reflektieren, aber auch seine eigenen Aussagen zur Disposition zu stellen. Dann gibt es eine Handlungsethik, man könnte auch von

praktischer Denker. Anton Burger ist dreifacher Doktor in Betriebswirtschaft, Jus und Theologie.

Gestalte dein Leben trotz aller Widrigkeiten so, dass es bejahenswert ist. Haltung sprechen. Da sind wir bei Kants kategorischem Imperativ – ich muss mein Handeln reflektieren und fragen, ob meine Handlungen grundsätzlich verallgemeinerbar sind. Was würde also passieren, wenn alle so handelten wie ich? Schließlich geht es in den einzelnen Lebenssituationen um Achtsamkeit und Sorge für das Ich, ein DU und die Welt, auch im weitesten Sinne – kaufe ich z.B. Fairtrade, pass ich auf die Umwelt auf, vermeide ich in Kinderarbeit produzierte Artikel etc. Wie verhalte ich mich also ganz konkret und was löst dieses Handeln aus. Mit der Achtsamkeit scheint es aber nicht immer allzu weit her zu sein. Sie gehen in Ihrem Buch auch auf die „Rüpelhaftigkeit“ ein, die wir dieser Tage etwa wieder offensichtlich im Umgang der Politiker miteinander erleben. Der Umgang miteinander hat definitiv Luft nach oben. Wobei das Rüpelhafte schon im Kleinen, im Alltag beginnt – also bei jedem von uns. Da beschleicht einen mitunter der Eindruck, es herrscht der Kampf jeder gegen jeden – schauen wir etwa mehr oder weniger übliche Manieren an, das Verhalten im Straßenverkehr oder im Berufsleben, die Wortwahl in den sozialen Medien etc. Da ist vieles von Rücksichtslosigkeit geprägt, was auch mit dem allesdurchdringenden Primat „was bringt es mir“ zu tun hat. Auch in der Politik ist dies häufig zu konstatieren, und da wird es besonders gefährlich. Schauen wir uns nur an, wie Politiker in der Ersten Republik miteinander umgegangen sind – es gab Diffamierungen, Lächerlichmachen des Gegenübers, regelrechtes Niedermachen – man hat dem anderen sogar seine Würde, sein Menschsein abgesprochen. Solche Tendenzen orte ich auch heute wieder in zunehmendem Maße, und damit begeben wir uns auf dünnes Eis, wie die Geschichte lehrt. V.a. je rauer, je brutaler die Wortwahl ist, umso kälter wird die Gesellschaft insgesamt – und in einer solchen fühlt sich keiner zuhause. Was empfehlen Sie den Menschen, um „Sinn“ zu finden? Gestalte dein Leben trotz aller Widrigkeiten so, dass es bejahenswert und wertvoll ist. Dazu bedarf es aktiven Tuns, einer acht- und sorgsamen Hinwendung auf das Ich, das Du und das Etwas. Dadurch kann man vor allem in einzelnen Lebenssituationen Momente des Glücks und subjektiven Sinn auf der körperlich-sinnlichen, auf der emotion­ ialen und auf der geistigen Ebene, vielleicht auch auf jener der Transzendenz erfahren – etwa mittels einer Religion, die ein Angebot an Trost und Kraft bereithalten kann, aber kein Absolutum sein darf. Letztlich geht es darum, das Leben zu leben, und das in dem Wissen – um auf den Kleinen Prinzen zurückzukommen – dass man auch zwei, drei Raupen aushalten muss, also nicht gleich verzagen und aufgeben darf, wenn man einen Schmetterling erleben möchte. MFG 09.17

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MFG URBAN

Wer schuldhaft handelt D

er große Schwurgerichtssaal ist sowas wie der historische Prunksaal am Landesgericht St. Pölten. Hier werden die schweren Fälle verhandelt. An diesem Freitagmorgen in der vorletzten Schulwoche sind die Zuhörerreihen bis auf den letzten Platz gefüllt. Zwei Schulklassen sind gekommen, vom „Poly Kirchberg“ und der „HLW St. Pölten“, wie die Lehrkräfte dem vorsitzenden Richter Markus Grünberger verraten. Sonst besteht die bunte Schar der „Zuhörer“ aus den üblichen Verdächtigen: Medienvertreter, angehende Juristen, Angehörige – aber auch Bewohner des Ortes Oberwölbling im Bezirk St. Pölten, an dem sich alles zugetragen hat. Als letzter betritt der An46

Mit 21 Jahren sitzt Florian M. auf der Anklagebank. Die acht Geschworenen zu seiner Linken werden später entscheiden. Sie stellen die Weiche, wie es in seinem Leben weitergeht. 156 Tage ist es her, da erschlug Florian seinen Vater mit 30 Axthieben. Und dennoch ist er unschuldig. Eine Reportage über Mord, Schuld und weiße Engel.

geklagte den Saal. Begleitet von Justizwachebeamten wird der junge Mann in Handschellen vorgeführt, umringt von Fotografen und Kameraleuten. Am langen Gang, hin zum Gerichtssaal, gelingen jene Aufnahmen, die wir morgens in der Zeitung erwarten. Fotos und Videoaufnahmen von Gerichtsverhandlungen sind verboten, umso intensiver ist bei öffentlichkeitswirksamen Verfahren daher das Gedränge kurz vor dem offiziellen „Aufruf der Sache“, mit dem die Verhandlung beginnt und die Kameraleute den Saal verlassen.

Vor Gott und ihrem Gewissen Man spürt: Nun hält die normale Welt inne, nun beginnt die streng geregelte „Hauptverhandlung“. Richter Grünberger befragt den Angeklagten zu seinen Personalien und ermöglicht damit Zuhörern und Geschworenen einen ersten Einblick in die Welt jenes Menschen, über den sie nun urteilen werden. Wir erfahren Alter, Bildung, Beruf, Familienstand. Hat er Vermögen oder Schulden? Sorgepflichten? Es ist das erste Abtasten. Antwortet der Angeklagte laut und deutlich? Wie ist die Akustik im Saal? Danach erheben


TEXT: Michael Müllner | Fotos: Matthias Köstler, Michael Müllner

sich alle zur Vereidigung der zufällig aus der Masse des Volkes ausgewählten Geschworenen. Sie schwören und geloben vor Gott sich mit Unparteilichkeit und Festigkeit nur nach den für und wider dem Angeklagten vorgeführten Beweismitteln und ihrer darauf gegründeten Überzeugung so zu entscheiden, wie sie es „vor Gott und Ihrem Gewissen verantworten.“ Im Anklagevortrag fasst der Staatsanwalt zusammen. Der Angeklagte habe am 18. Jänner 2017 unter dem Einfluss einer paranoiden Schizophrenie mit ausgeprägter Wahnbildung seinen Vater mit einer Axt getötet. Ein psychiatrisches Gutachten bestätige die Zerstörung des Persönlichkeitsbildes, zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte nicht zurechnungsfähig und handelte daher nicht schuldhaft. Aufgrund der Gefährlichkeit sei eine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nötig. Meistens widersprechen Angeklagter und Verteidiger derartigen Anträgen auf „Maßnahmenvollzug“. Dieser Fall ist dahingehend besonders. Alle, die mit dem Täter zu tun hatten, scheinen sich einig zu sein, dass er krank ist und Hilfe in Form einer Therapie braucht. Doch wie kam es soweit? Loch in der Seele Florians Eltern ließen sich scheiden, da war er ein oder zwei Jahre alt, berichtet er dem Richter. Aufgewachsen ist er bei der Mutter. Bis zum Alter von sechs Jahren hatte er auch regelmäßig Kontakt zu seinem Vater, dann sei dieser abgerissen, weil sich der Vater „schlecht benommen und getrunken hat.“ Viele Jahre hatten beide keinen Kontakt, erst vor Kurzem ergab sich wieder eine lose Beziehung. Florian wohnte „eigentlich immer“ bei seiner Mutter. Rund einen Monat vor der Tat beschloss er auf eigenen Beinen zu stehen und zog aus. Drei Tage verbrachte er beim Vater, bis dieser ihn rauswarf, „weil ich nicht mit ihm essen gehen wollte.“ Florian übernachtete daraufhin in einem Hotel in Herzogenburg, zog aber schon rasch danach in eine Wohnung in Wien. Dort plagten ihn bald paranoide Gedanken. Er meinte Voodoo praktizieren zu können und

druckte Fotos von den Präsidenten der USA und Österreich aus, da deren Geheimdienste ihn verfolgen würden. „Ich wollte Ruhe finden, habe aber keine gefunden“, sagt er. Nach seiner Elektrikerlehre und dem Präsenzdienst begann er mit der Suche nach einem neuen Arbeitgeber, fand jedoch nur Gelegenheitsjobs bei Cateringfirmen und bezog Arbeitslosengeld. Wieso er nicht wieder in seinem erlernten Beruf als Elektriker gearbeitet habe, will der Richter wissen. „Weil der Teufel im Strom sitzt.“ Der Teufel also. Sein Vater habe in seiner Kindheit Teufelseintreibungen mit ihm gemacht. Später habe er ihm befohlen ein Nazi zu sein und habe dazu versucht seine Gedanken auf den Sohn zu übertragen. Er könne sich an all dies zwar nicht erinnern, aber der weiße Engel habe es ihm gesagt. Ein weißer Engel, der ihm eines Tages in

Ein weißer Engel hat mir aufgetragen meinen Vater zu töten, um meine Seele zu retten. Angeklagter Florian M.

der Wiener Wohnung erschienen ist. Der Engel habe mit Florian gesprochen, habe ihm Gebote auferlegt. Er dürfe nicht rauchen. Er solle beim Duschen nicht so viel Wasser verschwenden. Er solle „dem Herrgott ein Darlehen geben.“ Obwohl Alkohol und Drogen für ihn bisher kein Thema waren, verbot ihm der Engel deren Konsum. Er verbot ihm auch, anderen Leuten zur Last zu fallen. In Florians Welt hieß das, dass er niemandem erzählen durfte, wie es in ihm aussah – sonst wäre er ihnen ja zur Last gefallen! Der Engel bot Florian eine Erklärung, brachte wieder Ordnung in sein inneres Chaos, das vermeintlich vom Teufel verursacht war. Schließlich hatte der weiße Engel die Lösung: „Er sagte, dass mein Vater durch seinen Exorzismus ein Loch in meine Seele gerissen hat. Er hat mir aufgetragen

meinen Vater zu töten, um meine Seele zu retten. An einem bestimmten Tag.“ Dieser Tag war der 18. Jänner 2017. Um 15:00 Uhr traf er mit dem Zug aus Wien in Herzogenburg ein. Der damals 20-Jährige hatte einen Plan gefasst, der Engel war stets bei ihm. Befehl des weißen Engels Er kaufte beim Nadlinger-Baumarkt eine Spaltaxt – die Klinge hatte rund 40 Zentimeter – verstaute sie in der rechten Jackentasche und fuhr zur Wohnung der Mutter. Sie tranken Kaffee und unterhielten sich, von seinem Plan erzählte er ihr nicht. Als die Mutter weg musste, ging Florian zur OMV-Tankstelle, aß und trank etwas und rief sich danach ein Taxi. In Oberwölbling stieg er bei der Raiffeisenbank aus. Es war circa 21:00 Uhr, eine leichte Schneedecke lag über dem Weinbauort am Rande des Dunkelsteinerwaldes. „Hätte ich es nicht getan, wäre das Loch in meiner Seele größer geworden und man hätte noch mehr Menschen gebraucht, um es zu stopfen“, erklärt er dem Gericht. In Gedanken habe er den Vater informiert, dass er komme. Um circa 21:30 Uhr war er über den Zaun zum Grundstück seines Vaters gesprungen, habe ans Fenster geklopft, der Vater kam in den Hof. Florian habe ihm die Axt gezeigt. In Gedanken habe der Vater ihm gesagt, er wolle im Heizraum noch eine letzte Zigarette rauchen. Der Sohn war entschlossen, den „Befehl des Engels“ zu vollziehen. Als der Vater danach aus dem Heizraum rauskam und einen Schritt ins Freie des Hofes setzte, schlug der Sohn mit der Axt gegen den Kopf seines Vaters. Der 53-jährige Vater geht sofort zu Boden, weitere 30 Hiebe versetzte der Sohn in den Kopf- und Schulterbereich des Opfers. Gutachter Wolfgang Denk schildert detailliert die Verletzungen. Abwehrverletzungen an Händen und Armen legen nahe, dass er zumindest einige Hiebe lang versuchte, dem Angriff zu entkommen. Jedoch hatte er keine Chance und starb an Ort und Stelle. „Sein Geist ist dann aufgestiegen und ich habe mit ihm gesprochen. Er hat gefragt wieso und ich habe ihm gesagt, dass ich es machen MFG 09.17

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DEr LANGE GANG. Nach Monaten in Untersuchungshaft tritt der Angeklagte, begleitet von Justizwachebeamten, in Erscheinung. Ein junger Mann. Seine Geschichte hört man erst im Saal.

musste,“ schildert Florian. Ein durch Hilferufe alarmierter Nachbar wurde zum Augenzeugen der Tat. Als Florian ihn bemerkte, rief er dem Nachbarn zu, er solle die Polizei rufen. Noch ehe der Nachbar wieder daheim war, um diese zu verständigen, rief auch Florian selbst den Notruf und meldete, er habe seinen Vater getötet. Bis der Streifenwagen eintraf, ging er vorm Haus des Vaters ruhig auf und ab: „Eine Flucht wäre sinnlos gewesen.“ Unsicher, was stimmt Die Polizei nahm ihn fest und ermittelte, dass die Tat weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss geschah. In den Tagen nach der Tat spekulierten Medien dennoch von einer Tat im Drogenrausch, konstruierten gar einen Bezug zum radikalen Islam, weil der junge Mann einen Koran besessen hätte. Wer nach der Tat mit ihm zu tun hatte, erkannte sofort, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Schon bald kommt er in eine psychiatrische Abteilung im Landesklinikum Mauer. Vor Gericht berichtet er über die Therapie: „Ich nehme täglich zehn Tabletten. Heute habe ich begriffen, was mit mir los ist. Vorher nicht. Ich weiß, es waren Halluzinationen. Die Liste des Engels habe ich gebrochen. Die beantragte Einweisung befürworte ich.“ 48

Maßgeblich dafür ist ein Gutachten des Psychiaters Werner Brosch. Dieser fragt während der Verhandlung den Angeklagten, wie es ihm geht. „Es geht mir nicht gut. Wenn ich daran denke, was ich gemacht habe... Es wird mir langsam klar.“ Die Behandlung dauert schon einige Monate. Der Gutachter wird später ausführen, dass Florian durch die Einnahme der Medikamente das Gebot des Engels, keine Drogen zu nehmen, gebrochen hat. Das sei ein wichtiger Schritt. Aber: „Sind Sie manchmal noch unsicher, was stimmt? Das mit dem Teufel und dem Engel? Oder das, was Ihnen die Ärzte sagen?“ Der junge Mann antwortet: „Manchmal habe ich noch Halluzinationen, dann sehe ich Schattenwesen. Aber der Engel kommt schon länger nicht mehr. Ich glaube schon, dass das eine Krankheit ist.“ Ordnung ins innere Chaos Eine Krankheit, zu der Brosch erläutert: Das wahnhafte Krankheitsbild sei einfach zu diagnostizieren gewesen. Es handle sich um eine seltene, überraschend lehrbuchhafte Ausprägung in besonders starker Form. Schizophrenie bricht bei jungen Männern typischerweise zwischen 18 und 25 Jahren aus, erste Symptome lassen sich rund eineinhalb Jahre vor der

Tat festmachen, der Angeklagte habe diese als „Gedankenkreisen“ beschrieben, was wohl Vorboten der späteren, schweren psychischen Erkrankung waren. Er hatte das Gefühl darüber nicht mit anderen sprechen zu können. Was ihn belastete, war für ihn sozusagen vorher nicht „besprechbar“. Es handle sich nicht nur um eine Denkstörung, sondern auch um eine Gefühlsstörung, seine „emotionale Schwingungsfähigkeit“ sei nahe null. Diese krankhafte Unfähigkeit Gefühle zu haben, wirkt oft fälschlicherweise als „cool“ oder teilnahmslos – die Geschworenen sollen dies nicht missverstehen, es ist eben vielmehr schlicht Ausdruck der Krankheit. Florian hatte das Gefühl, dass er sich innerlich auflöst. Als er dies als „Teufelserlebnis“ interpretierte, hatte er erstmals eine Chance dem Grauen einen Namen zu geben, so Brosch. Der Wahn habe sich zunehmend ausgebreitet, bezog sich letztlich sogar auf seine frühe Kindheit. Das „Engelserlebnis“ sei für ihn sowohl belastend als auch befreiend gewesen, da die zwanghafte Befolgung der abstrusen Gebote des Engels sein inneres Chaos etwas in Ordnung brachte. „Er dachte, Erlösung für sich und die Welt könne es nur geben, wenn er den Vater tötet. Er konnte nicht erkennen, dass er irdische Gesetze bricht, weil alles vom Engel und seinem pathologischen Auftrag überlagert war. Es hätte übrigens jeden anderen auch treffen können, nicht nur den Vater.“ Die Unzurechnungsfähigkeit liege auf der Hand: Selbst Wochen nach der Tat sei bei den Untersuchungen für Florian der weiße Engel völlig real im Raum anwesend gewesen. Anfangs stand das Gebot des Engels, keine Drogen und Medikamente zu nehmen, einer Behandlung entgegen. Dieser Widerstand sei nun gebrochen. Dass der Angeklagte aber berichtet, er würde gelegentlich noch Schattenwesen sehen, zeige, dass er sich noch in einem psychopathologischen Zustand befinde und eine weitere Behandlung nötig sei, um Gefährlichkeit zu verhindern. Eine Prognose über den weiteren Krankheitsverlauf sei nicht möglich, die Einweisung zweifellos nötig.


Wer schuldhaft handelt

H i n t e n n a c h i s t m a n i mme r kl ü ge r Werner Brosch ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, gerichtlicher Sachverständiger und ärztlicher Leiter der Privatklinik Hollenburg. Er begutachtete den Betroffenen Florian M. Welche Erfahrungen haben Sie mit Florian gemacht? Florian habe ich nicht behandelt, sondern im Hinblick auf seine Zurechnungsfähigkeit und störungsbedingte Gefährlichkeit begutachtet. Ein Psychiater ist nicht der liebe Gott, wir können nicht die Zukunft voraussagen. Aber wir versuchen herauszudestillieren, wie groß das Risiko wegen einer konkreten Störung ist. Allgemein könnte man ja aus der Statistik ablesen, dass Männer bis etwa 35 wahnsinnig gefährlich sind. Unter Alkoholeinfluss potenziert sich diese Gefährlichkeit. Für die Prognose ist aber entscheidend, wie gefährlich eine Person aufgrund eines konkreten Krankheitsbildes ist. Bei Florian liegt eine geradezu lehrbuchhafte Wahnstörung vor. Für ihn war der weiße Engel so real, wie für uns beide das Gespräch hier und jetzt. Er hat auch sehr freimütig über alles geredet. Wie entsteht ein Wahn und ab wann kann man helfen?

Im konkreten Fall gab es eine Entstehungsphase von rund eineinhalb Jahren, diese äußerte sich mit seltsamen Gefühlen. Er ist offenbar auch zu einem Arzt gegangen, jedoch wurde diese beginnende schizophrene Erkrankung nicht erkannt. Das ist keine Kritik am mir unbekannten Kollegen, aus unspezifischen Symptomen kann man eine Schizophrenie nicht erkennen. Man weiß, dass die Krankheit bei Männern meistens zwischen 18 und 25 Jahren ausbricht, bei Frauen etwas später. Das Zeitalter der sogenannten Adoleszenz ist ja eine sehr verletzliche Zeit, ähnlich wie in der Pubertät. Da fühlt man sich komisch, verhält sich seltsam, probiert verschiedene Lebensweisen aus. Wenn sich nun eine Krankheit im Alter von 20 manifestiert, dann fragen alle: Hätte man das nicht schon im Alter von 17 erkennen und behandeln können? Die Wahrheit ist, man weiß es nicht. Banal gesprochen: Hintennach ist man immer klüger. Manchmal sagen Angehörige, wenn eine Krankheit ausbricht, sie hätten es eh schon früher kommen gesehen. Aber ob das stimmt? Und vor allem: Wie hilft man einem Menschen, der behauptet, dass bei ihm alles in Ordnung ist? Das ist eine sehr schwierige Frage. Geben Sie einem jungen Menschen Medikamente? Würden sie ihm helfen? Was würden die Medikamente anrichten? Was hätte eine falsche Diagnose angerichtet, wenn man die Behandlung gar nicht gebraucht hätte? Manche Menschen neigen dazu, dass sie erst zum Arzt gehen, wenn es nicht mehr anders geht.

Wieso spielen sich bei derartigen Erkrankungen viele Tötungsdelikte oft im innersten Familienkreis ab? Statistisch

gesehen ist das so. Wahrscheinlich liegt es daran, dass diese Leute sozial zurückgezogen leben. Wer komisch ist, hat weniger Freunde, weniger Umgang mit Menschen. Wer bleibt über? Die engste Familie, eben Väter und Mütter, die auch bei schwierigen Kindern oft als letzte Bezugspersonen fungieren, mit der ganzen problematischen Beziehungsdynamik, die da dann mit reinspielt. Aber nicht alle psychisch Kranken sind gefährlich – und wenn, dann meist weit gefährlicher für sich selbst, als für andere.

Wie erkennt man, dass jemand an einer wahnhaften Krankheit leidet? Diagnosen sind schwierig, man muss eine

Grenze ziehen zwischen gesunder Willensstärke, Sturheit und wahnhafter Störung. Es kommt auf den Wahninhalt an. Ist er absurd und bizarr, so spricht dies für eine schizophrene Störung und ist auch leichter zu erkennen. Passt die krankhafte Überzeugung einigermaßen in unser Weltbild, ist die Unterscheidung schwieriger – denken wir nur an Verschwörungstheorien! Seelische Desintegration hat jedenfalls viele verschiedene Gesichter. Wenn wir an den Fall von Florian denken, so hat er durchgehend seine phantastischen Gedanken auf sehr geordnete Weise geäußert. Wenn er nicht von den Engelserscheinungen berichtet, war daher nicht zu erkennen, was in seinem Kopf vorgeht, auch nicht für seine Mutter. Und wenn sich jemand, mit dem man zusammenlebt, langsam verändert, so gewöhnen sich die anderen ja auch an seine Eigenheiten.

Für viele Menschen scheint es schwer vorstellbar, dass jemand wie Florian wieder entlassen wird. Wie trifft man so eine Entscheidung? Die Entscheidung trifft ein Gericht. Da-

bei wird man sich wohl auf ein Gutachten stützen, bei dem untersucht wird, ob noch eine spezifische Gefährlichkeit gegeben ist. Wenn andere Maßnahmen ausreichen, um die Gefährlichkeit in den Griff zu bekommen, so ist eine Anhaltung in einer Anstalt nicht nötig. Das muss man eben nüchtern sehen. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass aufgrund seiner Erkrankung noch eine Gefahr ausgeht? Wir sollten als Gesellschaft da auch unsere Risikokultur überdenken. Fehler müssen denkbar sein. Es ist unmöglich zu garantieren, dass nichts mehr passiert. Aber wiederum hilft uns die Statistik. Die Rückfallquote bei Mord und Totschlag ist generell bei null bis drei Prozent. Relevant ist natürlich die individuelle Prognose anhand konkreter Eigenschaften und Umstände, nach denen abgewogen wird, ob von einer Person voraussichtlich noch eine Gefahr ausgeht.

ÖFFENTLICHKEIT. Die Verhandlung selbst darf nicht fotografiert werden, also werden davor und danach jene Bilder eingefangen, die uns vermitteln sollen, was bei Gericht geschieht: Umfangreiche Aktensammlungen, die Mordwaffe als Beweisstück im Plastikbeutel, der Verteidiger als Interviewpartner.

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Wer schuldhaft handelt

ANKLAGEBANK. Zur Befragung sitzt man am Sessel in der Mitte. Vor einem der dreiköpfige Senat aus Berufsrichtern, links sitzen die Geschworenen. Nach der Befragung sitzt man auf der Bank rechts, neben den Justizwachebeamten, seinen Verteidiger hat man im Rücken. Kann man nicht spielen Der vorsitzende Richter erläutert noch Berichte und Urkunden des Akts. Die Beweise sind allesamt schlüssig, die Sachlage klar. Am Rande wird erwähnt, dass Florian einige Monate vor der Tat bei einem praktischen Arzt war und sich über psychische Krankheiten erkundigt habe und wissen wollte, was man tun müsse um jemanden in eine Anstalt einzuweisen. Die Ermittlungsergebnisse belegen, dass niemand um den Gesundheitszustand des jungen Mannes wusste und dass daher keine Hilfe möglich war. Im Schlussplädoyer geht Verteidiger Franz Lima auf die Notwendigkeit ein, dass seinem Mandanten geholfen werden muss. Er sei ein netter, ruhiger Mann, eher zurückgezogen, jedem Konflikt aus dem Weg gehend. Er sei glücklich gewesen, nach kontaktlosen Jahren nun wieder eine Beziehung mit dem Vater aufgebaut zu haben. Die Krankheit habe jedoch alles zerstört. 50

„Und glauben Sie mir, so eine Krankheit können Sie nicht spielen. Das würde einem Sachverständigen nach Minuten auffallen, wenn das nicht echt wäre“, spielt Lima auf mögliche Zweifel an, ob denn die Krankheit womöglich nur vorgeschoben sei.

Erlösung für sich und die Welt könne es nur geben, wenn er den Vater tötet. Gutachter Werner Brosch

Nach kurzer Beratung beantworten die Geschworenen die Fragen des Richtersenats einstimmig. Florian hat seinen Vater unter Einfluss einer paranoiden Schizophrenie ermordet, wobei er dabei nicht zurechnungsfähig war. Er wird in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Der österreichische „Maßnahmenvollzug“ ist seit längerem umstritten, im Justizministerium wird derzeit an einer großen Reform gearbeitet. Für Florian stehen nun Behandlungen am Programm, jährlich prüft ein Richter, ob die zwangsweise Einweisung weiterhin nötig ist. Wenn aus medizinischer Sicht anhand eines Gutachtens klar wird, dass die Gefährlichkeit nicht mehr gegeben ist, so wird eine Entlassung wahrscheinlich. Eine Strafe im eigentlichen Sinn für den Mord an seinem Vater erhält er nicht – wer im Zustand der „Unzurechnungsfähigkeit“ eine Tat begeht, der handelt nicht schuldhaft. Und strafbar ist nur, wer schuldhaft handelt. So weit, so klar – zumindest für das Strafgesetzbuch. Unvorstellbar bleibt hingegen wohl das Schuldgefühl, wenn man erkennen muss, was man getan hat – ferngesteuert durch eine Krankheit, über die viele Menschen noch immer lieber möglichst wenig wissen wollen.


Kulthit s &dasBeste Heute

96,5 MHz (Mostviertel), 107,7 MHz (St. Pรถlten), 99,4 MHz (Tulln), 107,1 MHz (Krems), 107,3 MHz (Waidhofen / Ybbs)

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SHORTCUT KULTUR

Fotos: Alexi Pelikanos, tmichl-fotolia.com, beate STeiner

Kolumne THOMAS FRÖHLICH

Des Pudels Kerngeschäft Darauf hat St. Pölten gewartet wie auf eine Raketen-Abschussrampe am Domplatz: Die Stadt hat dieser Tage eine gutgemeinte Broschüre namens „Hund sein in St. Pölten“ herausgegeben, die sich an verantwortungsbewusste (!) Hundehalter wendet. Nun sind selbige leider ebenso wie die im Heft erwähnten wohlerzogenen Hunde eher der Fiktion denn der Realität zuzurechnen. Tatsache ist, dass die ganze Stadt von unzähligen Hundstrümmerln bereichert wird – nur die allerwenigsten Frauerln und Herrln entsorgen den Dreck im Sackerl fürs Gackerl. Tatsache ist, dass die Viehofner Seen trotz Verbotsschildern ein Dorado für freilaufende, überall hinkackende und nicht selten aggressive Hunde darstellen (wobei das Aggressionspotenzial ihrer Besitzer mitunter nur unwesentlich niedriger ist). In der City ist’s ja noch halbwegs erträglich – aber schon in Wagram kommen durchschnittlich ein bis zwei Hunde auf jede Behausung. Hundeschule? Erziehung? Gibt’s nicht: Ein flächendeckendes Gekläff von 0 bis 24 Uhr sowie völlig zugeschissene Gehwege und Grünflächen sorgen dafür, dass Wagram langsam zum Freiluftklo mit Dauerbeschallung mutiert. Aber vielleicht ist diese Hundemania ja auch nur ein Synonym für unsere gesellschaftliche Befindlichkeit und aktuelle Interpretation von Zusammenleben. Eine permanent aufgeregte Ansammlung an Wadlbeißern und Dauerkläffern, ob in den so genannten sozialen Netzwerken oder in der haptischen Wirklichkeit, verrichtet ihre Geschäfte im Geiste rücksichtslosen Reviermarkierens: „Ich habe Hund, also bin ich.“ Das Ganze ist leider – mit Verlaub – nur noch zum Äußerln.

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Kultur-Scharnier

s war eine Pressekonferenz mit Symbolcharakter. Die „Freunde der Kultur St. Pölten“ präsentierten ihr neues CI! Was dabei einmal mehr zu Bewusstsein kam, war die Scharnierfunktion des Vereins, die er für mittlerweile zwölf Kulturbetriebe aus Kulturbezirk und Innenstadt einnimmt. Damit ermöglicht er einen interinstitutionellen Austausch, der auch im Hinblick auf eine etwaige Bewerbung St. Pöltens zur Kulturhauptstadt Europas strukturell wertvoll sein könnte. Diesbezüglich dürfte es übrigens bald zu einer Entscheidung

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kommen. Im Magistrat gab es dem Vernehmen nach zuletzt verschiedene Treffen in unterschiedlichen Mitarbeiter-Konstellationen, Bürgermeister und Landeshauptfrau sollen ebenfalls bereits auf Tuchfühlung in der Angelegenheit sein. Macht man sich all die Mühe, wenn man sich nicht bewerben möchte? Wie auch immer – die „Freunde der Kultur St. Pölten“ werden, nicht zuletzt dank ihres umtriebigen Präsidenten Lothar Fiedler, so oder so ihre gedeihliche Förderarbeit für die niederösterreichische Kulturhauptstadt erfolgreich fortsetzen.

Egon neu

inGasthausOhneNamen, belebt von neuen Namen: Das Egon verliert „Musikcafé“ im Titel, das alte Logo wird eingemottet, dafür wird dem Lokal ein neues Konzept verpasst. Verantwortlich dafür zeichnet allen voran Hennes Beitl, vielen als langjähriger Organisator des Beislfestes ein Begriff. Schon bislang zog er eine Reihe von coolen Veranstaltungen im Lokal auf, nunmehr hat er den Laden – gemeinsam mit einem stillen Teilhaber – sozusagen komplett übernommen. Unterstützt wird er dabei von einem bunten Team, allen voran Petra Müller, die die Geschäftsführung des Egon übernimmt.

Geöffnet ist von Dienstag bis Samstag jeweils ab 17 Uhr, Freitag gibts Events, die v.a. Hennes‘ Handschrift tragen werden. Kultiges wie „Lesestoff & Schnaps“ (s. S. 54) bleibt erhalten, und auch „Young & Lost“ findet am 23. September statt.


MFG ADVERTORIAL

FESTSPIELHAUS ST. PÖLTEN / BÜHNE IM HOF

Wenn die Götter ihre finger im spiel haben …

... ist niemand vor schicksalhaFTen Fügungen sicher! Außergewöhnlicher, bildgewaltiger, spektakulärer: Der australische Starregisseur Barrie Kosky is back in town und er geizt auch dieses Mal nicht mit Superlativen! Mit der Komischen Oper Berlin eröffnet er die neue Saison am 23. und 24. September mit der Posse rund um die schöne Helena von Sparta! Jacques Offenbachs Opéra bouffe als rasantes, irrwitziges Slapstick-Spektakel.

¡ Cuba mi amor !

Indische Klänge

Der ehemalige Star-Solo-Tänzer des Royal Ballet Carlos Acosta gastiert am 7. Oktober mit seiner brandneuen kubanischen Compagnie erstmals in Österreich! Choreografien des mehrteiligen Abends stammen u.a. von Sidi Larbi Cherkaoui.

Anoushka Shankar, vielfach preisgekrönte Sitar-Virtuosin, unermüdliche Stimme für Menschlichkeit und Tochter von Sitar-Legende Ravi Shankar, präsentiert mit Manu Delago am 22. Oktober ihr aktuelles Album „Land of Gold“.

Infos und Tickets unter www.festspielhaus.at |

/festspielhaus |

/FestspielhausSTP

Die Deutschen kommen Und das ist gut so, denn Andreas Reber und Sarah Lesch , die im Herbst die Bühne im Hof beehren, sind Repräsentanten einer deutschen Kultur abseits von Bully Herbig, Helene Fischer und Stadion-Comedians.

Rebers etwa, zu Gast am 30. September, zählt zur Riege jener bissig-bösen Satiriker, die den werten Besucher schon mal aus der Wohlfühlzone holen und mit harten Realitäten konfrontieren. In „Amen“ knöpft er sich etwa religiöse Dogmen vor und hält auch mit seiner Kritik am politischen Islam nicht hinterm Berg, was ihm zum einen den Vorwurf der Islamfeindlichkeit eingetragen hat, zum anderen Applaus aus der rechten Ecke. Nur, mit SchwarzWeiß-Malerei hat Revers beileibe nichts am Hut. Vielmehr hat er sich, wie es Christoph Leibold auf BR2 formulierte „einfach eine Unabhängigkeit im Denken bewahrt.“

Eine der wohl aufregendsten deutschen Liedermacherinnen beehrt die Bühne im Hof am 20. Oktober. Sarah Lesch hält eine Tradition hoch, die nicht näher verortbare Musik mit poetisch-gescheiten Texten vermählt. Leschs Inhaltsfokus reicht dabei von Friede, Freude, Eierkuchen bis hin zu Heuchelei, Ausbeutung und Ignoranz. Kurzum, sie hat ihre Hand direkt am Puls des Lebens. Dass sie damit einen Nerv trifft, belegen zahlreiche Preise, wie 2016 etwa auch die Auszeichnung beim FM4 Protestsongcontest.

www.buehneimhof.at

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MFG KULTUR

SCHNAPPSIDEE Sie organisiert im EGON „Lesestoff & Schnaps“, moderiert Poetry Slams im Cinema Paradiso und vergibt den Ingeborg Flachmann-Preis. Die St. Pölten-Rückkehrerin Marlies Eder mischt soeben die Literaturszene der Stadt auf. Und ist damit sehr erfolgreich.

Es tut sich in St. Pölten sehr viel in Sachen Literatur – aber was mir abging, war so etwas wie eine offene, niederschwellige Lesebühne. MARLIES EDER

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TEXT: Thomas Fröhlich | Fotos: elias Kaltenberger

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ine laue Sommernacht im Fuhrmannshof der Wirtshausbühne EGON. Das Wettlesen um den 1. Ingeborg Flachmann-Preis, den „niedrigst dotierten Literaturpreis Österreichs“ (copyright Marlies Eder) ist in vollem Gange. Etwa 70 Besucher sehen und hören gespannt zu. Eine Jury, der u.a. Journalistin Beate Steiner, Autorin Althea Müller und Künstlerin Ingrid Reichel angehören, ist für die Preisvergabe zuständig – die anwesenden Zuhörer verleihen zudem auch noch einen Publikumspreis namens „Sargnagel“. Völlig unterschiedliche Texte werden von auch altersmäßig unterschiedlichen Teilnehmern vorgetragen. Als Sieger geht in beiden Wertungen Poetry Slammer Andi Pianka hervor. Das Wettlesen ist zugleich der Höhepunkt der ersten Staffel der Reihe „Lesestoff & Schnaps“, die Mastermind Marlies Eder gemeinsam mit Veranstalter Hennes im Frühjahr ins Leben gerufen hat, „eine monatliche offene Lesebühne, bei der jeder mitmachen kann – gerne dürfen dabei auch Fremdtexte gelesen werden“, wie Eder erläutert. „Da gibt’s auch keine Wertung, dafür für jeden Lesenden ein Gläschen Schnaps.“ Wer keinen Alkohol möge, könne den ja weiter schenken. Beim abschließenden Wettlesen hingegen seien eigene Texte ein Muss, die von Jury und Publikum auch bewertet würden. „Der Preis selbst ist ein stylisher Edelstahl-Flachmann, gefüllt mit bestem Wachauer Marillenschnaps, zur Verfügung gestellt von der Weingärtnerei Graf aus Unterloiben.“ Gab‘s da eigentlich Verstimmungen seitens der Organisatoren des Klagenfurter Bachmann-Preises? „Gar nicht!“ lacht Eder. „Die haben uns sogar auf ihrer Facebook-Seite beworben – die finden das offenbar recht cool. Wir sehen das ja auch als liebevolle Ergänzung.“ Zeit für eine offene Lesebühne Wie wird man eigentlich Literaturvermittlerin? War da ein ausgeprägter literarischer Background vorhanden? „Überhaupt nicht. Ich bin ausgebildete Chemielabortechnikerin“, meint Marlies Eder, die ihre Jugendjahre in St. Pölten verbracht und einige Zeit in Wien gelebt hat. „Das ist halt ziemlich trocken – als Gegenpol hab‘ ich in meiner Wiener Zeit viele Literaturveranstaltungen besucht.“ Und sei so auch in die sehr lebendige Poetry Slam-Szene eingetaucht. Sogar einen eigenen habe sie dort organisiert: „Ein Debakel! Da gab‘s ein paar Rapper und MCs, die ihre Macho-Fantasien nicht im Griff hatten und ihre gewaltverliebten, sexistischen Sprüche aufs Publikum losließen.“ Eder sei bestimmt nicht prüde, aber den geballten Hasssprech brauche halt echt niemand. „Aber man lernt aus Fehlern.“ Nicht zuletzt aus Jobgründen kehrte sie wieder nach St. Pölten zurück, wo sie umgehend den Kontakt zur Literarischen Gesellschaft, kurz LitGes, suchte und fand. Im Zuge dessen übernahm sie gemeinsam mit dem Wiener Andi Pianka die Moderation der LitGes-Slams im Cinema Paradiso, was sie bis heute gerne tut: „Eigentlich hatte ich ja vor, ein Buch zu schreiben. Doch dann habe ich erfahren, dass der von der LitGes organisierte Poetry Slam beinahe nicht mehr stattgefunden hätte, da es an Moderatoren fehlte. Und so haben Andi und ich uns dessen angenommen.“ Das Buch müsse halt noch warten. „Es tut sich in St. Pölten sehr viel in Sachen Literatur –

JEDEM LESENDEN sein schnaps. Marlies Eder hat gemeinsam mit Hennes „Lesestoff & Schnaps“ ins Leben gerufen.

aber was mir abging, war so etwas wie eine offene, niederschwellige Lesebühne. Neben einer g’scheiten Tanzmöglichkeit“, ergänzt die Jungveranstalterin. Woraus bezüglich der Literatur nun eben „Lesestoff & Schnaps“ entstand: „Ich bin hier gut mit den verschiedenen Kulturinitiativen vernetzt. Hennes etwa kuratiert regelmäßig Abende im EGON – und so fand die Lesebühne im wunderschönen Fuhrmannshof beziehungsweise bei Schlechtwetter im EGONKeller ein Zuhause.“ Jeden ersten Mittwoch im Monat um 21 Uhr, gleich nach der etwas früher eine Straße weiter stattfindenden Schreibwerkstätte der LitGes, gebe es nun „Lesestoff & Schnaps“ – „das heißt, die Texte, die bei der LitGes entstehen, können gleich danach bei uns einem interessierten Publikum vorgestellt werden.“ Auch hier: keine Konkurrenz – vielmehr eine echte Ergänzung! Eder, die im Festspielhaus als Kulturvermittlerin tätig ist, etwa für den Weltchor oder als Mitorganisatorin des Jugendclubs, schätzt nicht zuletzt die Überschaubarkeit in St. Pölten: „Es leben halt 50.000 Menschen hier und nicht zwei Millionen. Man ist freundlich zueinander, höflich. Man kennt einander. Und die hier gegebene Fußläufigkeit ist auch nicht zu unterschätzen.“ Auch sieht die Roald Dahl-Liebhaberin gute Chancen für St. Pölten, wenn diese tatsächlich zur Kulturhauptstadt ernannt würde: „Das wäre ein nachhaltiger touristischer Bringer.“ Und zugleich „hege ich da eine Horrorvision: Da gibt’s diese kleine Stadt in der Provence, die mit ihren Lavendelfeldern in einem chinesischen Film vorkam. Seitdem reisen regelmäßig zigtausende Touristen dorthin und ruinieren den Charme der Stadt.“ Sie mag halt auch ein wenig die Ruhe in St. Pölten, „verglichen zum Beispiel mit Wien.“ Nur eine gute Tanzmöglichkeit vermisst sie sehr. Aber vielleicht ändert sich das ja noch: „Möglichst bald und jederzeit – nur bitte nicht am ersten Mittwoch des Monats!“ Da sind Lesestoff und Schnaps am Zug. Eders abschließende Worte? „Mein Aufruf an die St. Pöltnerinnen und St. Pöltner: Werdet aktiv! Die Türen stehen für alle offen. Wer vor Publikum lesen will, kann das. Bei uns!“ Darauf einen Marillenschnaps! MFG 09.17

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MFG ADVERTORIAL

Freunde der Kultur St. Pölten

KUNSTVOLL & CO. TERMINE 20. SEPTEMBER

DANTONS TOD Landestheater Niederösterreich

7. OKTOBER

CARLOS ACOSTA: DEBUT Festspielhaus St. Pölten

12. OKTOBER

WILLY ASTOR | REIM TIME Bühne im Hof

21. OKTOBER

DIE KLEINE HEXE Landestheater Niederösterreich

Die neue Reihe „kunstvoll“ führt Künstlertreffen wie etwa jenes mit Dominique Meyer (Bild mitte, l. Hubert Schultes, r. Lothar Fiedler) fort.

17. NOVEMBER

MICHAEL HUFNAGL | MANNSBILDER Bühne im Hof

2002 wurde unter der Ägide von Paul Gessl die Idee geboren, einen Förderverein zur Unterstützung der neu geschaffenen Kulturinstitutionen in St. Pölten ins Leben zu rufen, den „Förderverein Kulturbezirk St. Pölten“. Die Intention war eine Spange zu schaffen zwischen Land und Stadt, zwischen Kulturbezirk und Innenstadt, einerseits durch kulturelle Verbindungen, aber auch durch Beobachten, wo geographische Gegebenheiten zu verbessern sind. Vieles davon ist gelungen, der Verein ist kontinuierlich gewachsen – sowohl was die Mitgliederzahl, als auch was die Zahl der Kulturinstitutionen betrifft! Aus diesem Grund haben wir uns, dieser Entwicklung Rechnung tragend, nunmehr ein neues CI samt Namen verpasst: Freunde der Kultur St. Pölten. Zudem wurde das Sekretariat neu geordnet, wodurch wir das Angebot weiter ausweiten können. Mehrwert bieten wir dabei nicht nur den Mitgliedern, sondern auch unseren Häusern. Diese sind aufgefordert, mit konkreten Anliegen an uns heranzutreten – vieles konnten wir so schon zur Förderung freigeben, etwa finanzielle Beiträge für Zeitschriften (z. B. Spielorte), Beiträge für die Abwicklung von Projekten (z.B. Bürgerthe-

ater), aber auch Sitzgelegenheiten bis hin zu Kleinrobotern für besonders Begabte. Zudem unterstützen wir Initiativen, die Jugendliche aus entfernten Regionen den Genuss von St. Pöltner Kultureinrichtungen ermöglichen. Im Bereich der Mitglieder bemühen wir uns immer wieder um ein attraktives Programm und sind auch hier für Neuerungen offen. So werden wir mit heuer die Reihe „Kunstvoll“ starten, eine wiederkehrende Veranstaltung, bei der die Mitglieder exklusiv die Möglichkeit haben mit bekannten Persönlichkeiten aus den Genres Musik, Kunst, Kultur und Geschichte hautnah in Berührung zu kommen. Sie erinnern sich vielleicht noch, dass ich solche Events bereits initiiert habe: mit dem Direktor der Wiener Staatsoper Dominique Meyer, der Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums Wien Dr. Sabine Haag, dem Generaldirektor des Wiener Musikvereins Dr. Thomas Angyan und anderen mehr. Was sich mit „Kunstvoll“ aber ändert, ist eine noch stärkere Präsenz und Reichweite, weil unsere Mitglieder ORF NÖ und die NÖN mit im Boot sind! Dafür ganz herzlichen Dank. Zum Auftakt am 14. September laden wir zum

Mitglied werden und die zahlreichen Vereinsvorteile (Exklusivveranstaltungen, Previews, Künstlertreffen, Exkursionen, Ermäßigungen uvm.) genießen. Anmeldung und Infos unter 02742/908080-600, foerderverein@kulturbezirk.at

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22. NOVEMBER

KLIMA EXTREM Museum Niederösterreich

1. DEZEMBER

ANDREJ HERMLIN & HIS SWING DANCE ORCHESTRA Festspielhaus St. Pölten

16. DEZEMBER

EIN THEATERPROJEKT VON ARPÁD SCHILLING Landestheater Niederösterreich

Thema „Kunstvoll – 20 Jahre Festspielhaus St. Pölten“, im Zuge dessen Brigitte Fürle und Robert Menasse sich den Fragen von Nadja Mader (ORF NÖ) und Thomas Jorda (NÖN) stellen. Ich freue mich schon auf Ihren Besuch, Ihr

Lothar Fiedler

(Präsident Freunde der Kultur St. Pölten)

iNFORMATIONEN

www.kulturbezirk.at, Tel.: 02742/908080-600


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MFG KULTUR

PIMP UP MY HOME „Und in diesem Raum könnte ich mir ein helles Sofa sehr gut vorstellen, mit kuscheligem Teppich, dann wirkt das Wohnzimmer gleich viel größer“, meint der nette Makler beim Besichtigen eines Hauses aus den 70ern mit Vollholzverbau und Blumentapete an der Wand. „Ähhh,…ja!“

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ie oft hab ich vor unserem Hauskauf in den letzten Jahren meine Vorstellungskraft bemüht: Wanddurchbrüche, andere Türen, ein neues Bad, ein stylischer Luster, den alten Wohnzimmerverbau wegdenken, stattdessen ein helles, freundliches Sofa! Mein Hirn spielt da allerdings nicht mit. Die Vorher-Nachher Show läuft in meinem Kopfkino nur bis zur Werbepause. Es gibt allerdings Menschen, die diese Gabe besitzen. Eine davon ist Maria Muschik – St. Pöltens erste und einzige Homestagerin. Sie betritt einen Raum, eine Wohnung, ein Haus und beginnt im Geiste schon mit dem Umbau! Sie verrückt Möbel, schafft 58

Licht, umschmeichelt Räume mit edlen Stoffen und Materialien, flasht mit großformatigen Bildern, schafft Atmosphäre mit Accessoires und farblich passenden Pölstern und Teppichen – und fertig ist die Verwandlung. Sie trägt die Liebe zum Umkrempeln in sich, ist design- und detailverliebt und sprudelt nur so voller Ideen. „Home Staging“ kommt aus den USA, ist dort auch schon seit den 70er-Jahren üblich und umfasst die perfekte Präsentation einer Immobilie für den Verkauf. Laut einer Studie verkürzt sich hierdurch die Verkaufszeit um die Hälfte und es kann eine 1015 prozentige Preissteigerung erreicht werden.

Die Fantasie beflügeln Der erste Eindruck zählt und soll dem künftigen Mieter oder Käufer ein möglichst attraktives Zuhause vermitteln. Maria Muschik wählt dafür aus einem großen Fundus an Ideen, Möbeln und Homeaccessoires mit viel Liebe das Passende aus und versucht damit ein stilsicheres Gesamtkonzept zu entwerfen. Ein kleines Team hilft bei der Umsetzung. Das Objekt wird „gestaged“, von einem Profi fotografiert und dann für Interessenten und Besichtigungen frei gegeben. Ein 3D-Rundgang vervollständigt den Online-Auftritt. Die Möbel bleiben dabei bis zum Verkauf in der Wohnung. „Wenn man sich online 20 gleiche Objekte ansieht, alle weiß ausgemalt und mit Parkettboden, verschwimmen nach 4-5 Wohnungen die Eindrücke. Mit Homestaging bleibe ich aber in Erinnerung, weil hier Emotionen angesprochen werden. Ein gedeckter Tisch, eine gemütliche Chaise


TEXT: Tina Reichl | Fotos: Gerald Lechner, Maria Muschik

Unterschätzen Sie niemals den ersten Eindruck! longue, laden mich in die Wohnung ein und verlocken zum Verweilen!“, ist Muschik überzeugt. Bis jetzt gibt es nur wenige professionelle Homestager, die eine entsprechende Ausbildung und auch das nötige Einfühlungsvermögen mitbringen. Hier punktet die Ingenieurin und Absolventin der Ausbildung der Deutschen Gesellschaft für Home Staging und Redesign mit ihren vielfältigen Vorerfahrungen als Technikerin und Beraterin von Musterhäusern, sowie als Projektentwicklerin in der NÖ Hypo Bauplanungsund Bauträger GesmbH. Die Preise für ein Staging starten bei 600 Euro und werden individuell nach Größe und Aufwand definiert. „Es tut mir in der Seele weh, wenn ich im Internet lieblos mit dem Handy fotografierte Häuser sehe, in denen sich noch die alten Möbel türmen. Es ist immer besser ein Objekt zu entper-

sonalisieren und neutral zu gestalten, um so viele Käufer wie möglich anzusprechen. Home Staging kostet immer weniger, als wenn die Objekte längere Zeit leer stehen oder ich sie billiger verkaufen muss, als sie gestaged wert wären“, so Muschik. Jeder Raum bekommt beim Staging eine Funktion, die kann auch nur angedeutet sein, z. B. mit einem kleinen Holzzug auf einem Teppich für das Kinderzimmer. Mehrere Lichtquellen und die Beduftung des Raumes sind weitere psychologische Hilfsmittel. Der Besucher soll sich so wohl fühlen, dass er am liebsten sofort einziehen möchte. Tatsächlich haben sich all ihre Projekte in kürzester Zeit vermietet oder verkauft, wobei der Rekord für ein Haus in Spratzern bei vier Tagen liegt. „Das Stagen beginnt für mich dabei schon an der Gartentüre, bzw. beim Eingangsbereich. Ich nehme auch schon mal den Rasenmäher zur Hand oder streiche die Garage neu!“, verrät Muschik ihr Erfolgsgeheimnis. Getreu dem Motto: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance!

H O M E S T A G IN G maria@muschik.at www.wohnstaging.at

Vorher - NachhER. Nur was sich perfekt präsentiert, lässt sich auch gut verkaufen.

MFG 09.17

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MFG KULTUR

Lernen Sie Geschichte „Lernen Sie Geschichte!“ Gleich beim Eintritt in die Dauerausstellung des neuen „Hauses der Geschichte“ wird man – neben anderen „Stehsätzen“ – mit diesem „Klassiker“ aus dem Munde Bruno Kreiskys konfrontiert. Die Museumsmacher haben diesen in gewisser Weise in ein „Lehren wir Geschichte“ umgewandelt, damit wir aus der Geschichte lernen können.

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as gab es im Vorfeld nicht für Diskussionen. Ist ein Haus der Geschichte für Österreich überhaupt realisierbar? Nun, nach einem ersten Rundgang kann ich versichern: Ein „Haus der Geschichte“ ist nicht nur machbar, sondern es ist nunmehr Realität – es steht in St. Pölten und ist Teil des Museums Niederösterreich. Dass ein zweites ebenso in der Bundeshauptstadt folgen wird, mag dereinst spätere Generationen von Historikern beschäftigen und dann vielleicht als kleine, aber typische österreichische Anomalie bzw. Eigenart bewertet werden. Die zweite Diskussion, in der auch Otto Normalverbraucher schnell zum Museumsexperten mutierte, betraf die Frage, wie ein solches Museum im 21. Jahrhundert überhaupt auszusehen hat. Da lieferten sich moderne 60

Digitalaficionados mit konservativen Originalfetischisten einen Schlagabtausch. Im Haus der Geschichte hat man diese vermeintlich divergierenden Strömungen letztlich miteinander versöhnt. Denn ja, es gibt interaktive Elemente, ja, es gibt leuchtende Screens, Videowalls und Touchscreens, und die machen auch Sinn, aber – so beschleicht zumindest mich persönlich das Gefühl – am meisten beeindrucken dann doch die konkreten Ausstellungsobjekte. Auch derer hat man, was im Vorfeld ebenfalls angesichts etwaiger Wiener Konkurrenz bezweifelt wurde, genügend repräsentative „Stücke“ zusammengetragen. Wobei gar nicht so sehr die historisch aufgeladenen „Highlights“, als vielmehr die – auch Ergebnis von Sammelaufrufen an die Bevölkerung – „gewöhnlichen“ Alltagsobjekte besonders berühren,

weil sie am ehesten das zu vermitteln imstande sind, was wir gemeinhin als Geschichte verstehen. Und da geht es immer um das Leben selbst. Von Zufällen & Wendepunkten Gleich zu Beginn etwa – als „Lauf der Zeit“ tituliert – werden in einer, von den Mitarbeitern liebevoll „Running Sushi“ genannten Vitrine abwechselnd einzelne Objekte kurz beleuchtet, um danach quasi wieder in der Finsternis der Geschichte zu versinken. Ein Exponat ist ein von einem Schuss ramponierter Taschenrasierer aus dem 2. Weltkrieg, der das Projektil am Eindringen in den Körper seines Trägers verhinderte und so wohl dessen Leben rettete. In der Ausstellung – auch in der Sonderausstellung – finden sich solche berührenden, mitunter verstö-


TEXT: johannes reichl | Fotos: matthias köstler

renden, jedenfalls die Geschichte und – ja gerade auch – ihre Zufälligkeit zum Ausdruck bringenden Stücke zuhauf: Da ist ein Helm aus dem Ersten Weltkrieg, der durch Anbringen eines neuen Wappens kurzerhand zum Heimwehr-Helm mutiert. Ein Puppenofen aus friedlicheren Tagen, der in harten, von tiefster Armut geprägten Zeiten dann tatsächlich zum Heizen herhalten muss. Ein noch originalverpacktes Hemd der Hitlerjugend, wo man grübelt, ob es der Inhaber nicht tragen wollte oder nicht mehr tragen konnte. Oder ein Goldschatz aus dem Mittelalter, der zum einen über die damalige Mode Auskunft gibt, zugleich aber die viel spannendere Frage aufwirft, warum ihn sein Besitzer, ein Goldschmied wie gemutmaßt wird, vor den Toren Wiener Neustadts vergraben, aber nie wieder gehoben hat. Beklemmend muten jene zwei Kinderwägen an, die man im Kapitel „Flucht und Wanderung“ sehr gescheit nebeneinander gestellt hat, weil sie dadurch die Wiederkehr von Phänomenen verdeutlichen. Der eine stammt vom Brünner Todesmarsch 1945, der andere vom Grenzübergang Nickelsdorf 2015. Die darin enthaltenen Utensilien lassen noch heute die Fluchtroute nachvollziehen und machen das Schicksal unmittelbar, abseits theoretisierender Stammtischreden über „DIE Flüchtlinge“, die doch vor allem eines sind: Menschen. Nicht minder gelungen ist in diesem Kontext die gemeinsame Präsentation eines zehn Meter hohen Wachturms des ehemaligen Eisernen Vorhangs und jenes legendären, selbst zusammengebastelten Fluggerätes, mit dem Jiri Rada die Flucht just über diesen hinweg aus der damaligen CSSR nach Österreich gelungen ist. Auch dies hat eine Botschaft, die in der Ausstellung, weil Niederösterreich davon in der Geschichte vielfach betroffen war, immer wieder durchschimmert: Der Willen zur Freiheit kann – im wahrsten Sinne des Wortes – mitunter Flügel

verleihen. Die Freiheit selbst aber, die Demokratie und humanistischen Werte sind keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen immer wieder aufs Neue erkämpft bzw. verteidigt werden. Zwischen offiziell und privat Welches Dokument könnte dafür symbolträchtiger stehen als der 1955 unterzeichnete Staatsvertrag, der – als Faksimile – eines der zentralen historischen Objekte der Ausstellung darstellt. „Belebt“, wenn man so möchte, wird aber auch dieser vor allem durch die daneben liegende Original-Füllfeder des damaligen Außenministers Leopold Figl, mit der er das Vertragskonvolut unterzeichnete. Auf der Spitze finden sich noch Reste grüner Tinte und man bekommt ein Gefühl, welche Tragweite ein vermeintlich kleiner Stift und ein aus elf Buchstaben bestehender Schriftzug letztlich entfalten können. Zugleich erinnert man sich – ebenfalls in der Ausstellung dokumentiert – an Figls berühmte Rundfunkansprache nur zehn Jahre vorher, als er als Bundeskanzler Weihnachten 1945 sein hungerndes, frierendes und desillusioniertes Volk fast flehentlich auffordert: „Glaubt an dieses Österreich!“ In die Kategorie „besondere Originale“ fällt auch eine Luther-Bibel aus dem Jahre 1545 auf, zu Wittenberg gedruckt, die noch auf einer von Lu-

IN F ORMATIONEN Das neue „Haus der Geschichte“ im Museum Niederösterreich spannt einen Bogen von der Urzeit bis zur Gegenwart. In der Gestaltung hat man sich von einer chronologischen Aufbereitung verabschiedet und vermittelt Geschichte stattdessen via 11 thematischen Clustern: 1 Im Fluss der Zeit; 2 Mensch im Raum; 3 Flucht und Wanderung; 4 Macht – Gegenmacht; 5 Glaube – Wissen; 6 Wer bestimmt?; 7 Selbstbild – Fremdbild; 8 Im Takt der Maschine; 9 Im Gleichschritt – Ausgelöscht; 10 Niederösterreich im Wandel; 11 Brücken Bauen Zudem hat man vier Foren eingerichtet, wo bestimmte Phänomene und Zeiten vermittelt werden: 1 Forum Central; 2 Forum Demokratie; 3 Forum Arbeitswelt; 4 Forum 2. Weltkrieg www.museumnoe.at

ther redigierten Fassung basiert, oder die Originalurkunde „Beschluss der provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich vom 30. Oktober 1918 über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt“. Unterzeichnet u.a. von Staatskanzler Karl Renner, dessen Unterschrift auch auf den Dokumenten der neuen Zweiten Republik 1945 prangen wird, von dem aber auch – wieder so eine Finesse ins Private – ein Schachspiel aus seiner Villa in Gloggnitz ausgestellt

STeyr 1955. Symbol für die Technisierung der Landwirtschaft. Eine Leihgabe aus dem Burgenland. Aus NÖ war keiner zu ergattern, weil alle noch in Verwendung sind. MFG 09.17

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MFG KULTUR

Lernen Sie geschichte

Kultur in der Arbeiterkammer Bühne frei für den Kultur.Punkt am AK-Platz 1! Ab September finden im top-modernen Veranstaltungssaal der Arbeiterkammer NÖ in der Herzogenburger Straße wieder hochkarätige Kulturveranstaltungen statt. Den Auftakt macht Erwin Steinhauer am 14. September, gefolgt von Gery Seidl, Hans Söllner und Joesi Prokopetz. Für alle Krimifans gibt es ein besonderes Zuckerl. Die bekannte Autorin Claudia Rossbacher liest am 4. Oktober aus ihrem Roman „Steirerpakt“. Der Eintritt ist frei! Karten für AK/ÖGB-Mitglieder und PensionistInnen kosten ermäßigt 21 Euro. SchülerInnen, Lehrlinge und StudentInnen zahlen 15 Euro für ein Ticket. Die Kultur-Termine im Herbst

Claudia rossbacher

Hans SÖLLnER

14. September: Erwin Steinhauer & klezmer reloaded extended mit „Ich bin ein Durchschnittswiener“. 27. September: Gery Seidl mit „Sonntagskinder“ 4. Oktober: Claudia Rossbacher liest aus ihrem Krimi „Steirerblut“, freier Eintritt. 12. Oktober: Hans Söllner SOLO 16. November: Joesi Prokopetz mit „Vollpension“

Fotos: Sarah Koska, www.ogaswara.ch

Infos & Ticket-Online-Reservierung noe.arbeiterkammer.at/kulturpunkt Mail kulturticket@aknoe.at

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Die umkämpfte Republik. Die erste Schwerpunktausstellung des Hauses der Geschichte widmet sich der wechselvollen Geschichte Österreichs zwischen 1918 und 1938.

ist, das symbolisch für seinen Hausarrest während des NS-Regimes steht. Überhaupt – das ist eine der großen Stärken der Schau – vermögen oftmals Alltagsgegenstände aus dem Besitz berühmter Persönlichkeiten mehr zu vermitteln als nur hoheitliche Akte. So wird etwa Kaiser Franz Josephs liebevoll genannter „Bonjourl“ ausgestellt, der vielen als Beleg seiner Majestäts Bescheidenheit dient, handelt es sich dabei doch um einen zu einem Morgenmantel umgeschneiderten alten Waffenrock. Auch eine Schallplatte mit einer Aufnahme des Kaisers, der er nach langem Zögern zustimmte, um das Endergebnis dann rundweg abzulehnen, ist mehr als nur ein anekdotisches Relikt. Sie steht für Franz Josephs Technikskeptizismus, was auch eine gewisse Fehleinschätzung des um ihn herum vor sich gehenden gesamtgesellschaftlichen Wandels zeugt, was wohl mit zum Untergang des ancien regime führte. Es gäbe noch viele spannende Objekte zu erwähnen – und zu entdecken, denn eines wird einem rasch klar: Das Haus der Geschichte ist eines zum Wiederkehren, zum immer wieder Neuentdecken. Gerade deshalb ist die Aufbereitung nach Themen anstelle der Chronologie schlüssig. Was den Ausstellungsmachern absolut gelingt, ist ein „Gefühl“ für Ge-

schichte zu vermitteln, also zum einen die Bezüge der unterschiedlichen Epochen untereinander anzudeuten, zum anderen aber auch die Entwicklung, das „Entstehen“ von Geschichte an sich. Augenscheinlich wird dies etwa in der Schwerpunktausstellung „Umkämpfte Republik“, die mit der ausklingenden Donaumonarchie einsetzt, die zunehmende Radikalisierung und damit einhergehende Spaltung der Gesellschaft nachzeichnet, und zuletzt im Anschluss an Nazi-Deutschland 1938 mündet. Daneben sieht man auf einer Videowall die brennende St. Pöltner Synagoge ... Geschichte ist aber nicht nur das, was sich quasi an den Wendepunkten emporstülpt und eine Art Zäsur, ein davor und danach bildet, sondern sie ist vielmehr das große Meer drumherum, das zu diesen Wendepunkten wellenförmig hinführt und wieder abebbt, aber doch ein ununterbrochenes Kontinuum darstellt. Kurzum: Sie ist das Leben selbst, für das jeder von uns Mitverantwortung trägt – und zwar über seinen Lebenshorizont hinaus. Denn das, was wir heute tun, hat Folgen für die Zukunft und die nachfolgenden Generationen. In diesem Sinne: Lernen Sie Geschichte! Und lernen wir aus der Geschichte. Das neue „Haus der Geschichte“ bietet dazu spannend und lehrreich Gelegenheit!


kultur st. pölten

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WAHRE MEISTER Wie vermerkte Bürgermeister Matthias Stadler zur neuen Saison: „Die Meisterkonzerte St. Pölten sind Ausdruck des Kulturverständnisses der Stadt – die Maximen sind hohe Qualität - Eigenständigkeit – Leistbarkeit für alle“. Der Ideenreichtum und die Vielfalt Im Laufe der Saison trifft man neben dem Programm „Blödeln mit Mozart“ mit witziger Musik von Mozart, Beethoven und Schubert auch auf Schlager aus den 30er- und 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts, auf Höhepunkte traditioneller Jazz-Musik, auf eine erlesene Auswahl von Violin-Klavier-Musik von Beethoven, Schubert und Brahms, auf eine anregende Reise mit vier Gitarristen und Tango-, Opern- und Folkloremusik durch Robert Holl verschiedene Stile, Jahrhunderte und Kontinente sowie – im Rahmen der Festwochen St. Pölten – auf eine faszinierende GegenüGroße Stars und grandiose Künstler Freuen darf man sich heuer auf das weltweit gefeierte „Aighetta Gitar- berstellung dreier prominenter Klaviertrios von Beethoven, Shostakovich renquartett“ aus Monte Carlo, eines der führenden Traditional Jazz Trios, und Smetana. Meisterkonzerte eben! „Three Wise Men“, die beliebten „Wiener Comedian Harmonists“, den aus St. Pölten hervorgegangenen und international erfolgreich reüssieAbos: Kulturabteilung des Magistrats St. Pölten, 02742-333renden Geiger Wolfgang David sowie das renommierte tschechische 2601, meisterkonzerte@st-poelten.gv.at. Infos: www.musique. Smetana-Trio. Weiters gibt es anlässlich seines 70. Geburtstages ein at/meisterkonzerte und Facebook „Meisterkonzerte St. Pölten“. Wiedersehen und -hören mit einem einer der bedeutendsten Sänger Einzelkarten an der Abendkasse und im Vorverkauf in der Buchunserer Zeit, Robert Holl. Robert Lehrbaumer wird für diesen Abend den handlung Schubert, Wiener Straße 6, Tel. 02742/353 189. Dirigentenstab mit den Tasten tauschen und sowohl als Gesangsbegleiter als auch solistisch am Klavier wirken. Tatsächlich stellt man fest, dass das Abo mit internationalen Topkünstlern zu einem erstaunlichen Preis angeboten wird: Zum Wert einer einzigen mittelpreisigen Karte für ein Qualitätskonzert andernorts bekommt man bei den „Meisterkonzerten“ auf gleich hohem Niveau im Abo gleich – sage und schreibe – sechs (!) Konzerte angeboten. „Das ist ein starkes kulturpolitisches Statement der Stadt!“, so der künstlerische Leiter der Meisterkonzerte Robert Lehrbaumer.

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SHORTCUT SZENE

Fotos: David Visnjic, public Domain, Munds/zvg

Kolumne Dominik Leitner

Lernen wir Geschichte! Immer wieder taucht die Frage auf, warum wir so sehr an unserer Vergangenheit hängen und sie offenbar immer wieder aufarbeiten wollen. Selbst mir als Schüler war der Umfang des Lernstoffs zum 2. Weltkrieg irgendwann doch etwas zu viel. In St. Pölten hat man ab sofort die Möglichkeit im „Haus der Geschichte“ ein Faksimile des österreichischen Staatsvertrags zu entdecken. Obwohl bereits mehr als ein halbes Jahrhundert seit der feierlichen Unterzeichnung vergangen ist, hat uns der Vertrag bis in die jüngste Vergangenheit begleitet. So sind darin die Minderheitenrechte der Slowenen und Kroaten niedergeschrieben – der daraus resultierende „Ortstafelstreit“ in Kärnten wurde bekanntlich erst 2011 gelöst. Gerade weil wir jetzt wieder zu den Urnen gerufen werden, sollten wir uns der Wichtigkeit des Vertrages erinnern: Sein Langtitel lautet „Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, gegeben zu Wien am 15. Mai 1955“ - und gerade vor Wahlen sollten wir uns bewusst machen, wie die internationale Solidarität geholfen hat, Österreich (trotz seiner Mittäterschaft im NS-Regime) rasch wieder auf die Beine zu helfen. Lernen wir die Geschichte unseres Landes! Erkennen wir, was internationale Solidarität bewirkt und denken wir dabei auch an aktuelle Thematiken, wo eben diese leider oft fehlt. Österreich hat es gut erwischt – vielleicht sollten wir deshalb nicht so überheblich auf andere schauen, die unsere Hilfe benötigen.

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We can be heroes …

ang dereinst David Bowie. Auch beim Jugendklub des Festspielhauses, der von 26.-29. Oktober stattfindet, kann man im übertragenen Sinne wieder zum Heroe werden, indem man seiner kreativen Neigung freien Lauf lässt, sich etwas traut und zutraut. Das Angebot ist wieder umfassend wie Kulturvermittlerin Lena Arends verrät: „Für vier Tage ‚Z’haus in der Stadt‘, so das Motto, haben wir für euch wieder zahlreiche Workshops aus den Bereichen ‚Tanz & Bewegung‘, ‚Theater & Musik‘ und ‚Wort

K

& Werkstatt‘ an Land gezogen.“ Tatsächlich weitet sich der „Spielraum“ des Jugendklubs immer weiter aus. Die Workshops passieren nicht nur mehr im Festspielhaus selbst, sondern kreativ ist man auch am SKW83 oder im Steppenwolf, was mit unterstreicht, wie sehr das Kult(ur)-Projekt mittlerweile Wurzeln in die Stadt hineinschlägt. Mitmachen um wohlfeile 15 Euro (inklusive „Bernhoft“-KOnzert sowie Verpflegung) kann jeder zwischen zirka 15-25 Jahren. Anmeldung unter jugendklub@festspielhaus.at, Infos: www.festspielhaus.at/jk

Mundos reloaded

lammheimlich hat sich das Hollywood Megaplex über die letzten Monate eine komplette Rundumerneuerung verpasst. So wurde heuer, wie Pressesprecher Clemens Schumacher ausführt, das völlig neue „PopUp Kino“-Konzept umgesetzt. „Dieses bietet gleich drei Innovationen: Open Air Kino mit den aktuellen Blockbustern, zugleich aber Wettersicherheit eines Kinosaals und zudem attraktiver Eventbereich für Sportübertragungen und vieles mehr.“ Kurzum: Wenn es das Wetter zulässt, genießt man Kino im Freien. Wenn es nicht so schön ist, ist man aber auch indoor gut aufgehoben. Dem nicht

genug wurde auch der Gastrobereich komplett neu aufgestellt, und da gibt es auch das Comeback einer St. Pöltner Lokal-Legende, wie Schumacher verrät: „Das Mundos eröffnet neu und wird DIE Eventlocation im Kino werden!“



MFG SZENE

train and gain Was so banale Dinge wie Fail-Compilations und Videos von Tierbabys hervorbringt, bietet mittlerweile die Plattform für eine Karriere und Einfluss auf junge Menschen wie sonst Weniges: Youtube. Aber wie funktioniert das?

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anuel Teufl macht sein Hobby zum Beruf. Heute trinkt er einen Cappuccino. Ob das in den Ernährungsplan passt? „Es geht“, meint Manuel schmunzelnd. Mit Instagram und Youtube möchte der 18-jährige Blogger, angehender Fitnesstrainer und Ernährungswissenschaftenstudent aus St. Pölten seine Lebensweise vermitteln. Das bedeutet für ihn: Andere motivieren und ihnen Tipps und Tricks in Sachen Ernährung und Training weitergeben. Rund 18.000 Instagram-Follower und nicht ganz 500 Youtube-Abonnenten schauen seine Videos, lesen seine Blogeinträge. Manuel hat sich damit eine Fanbasis geschaffen die wachsen kann. Um das zu erreichen, ist seine Intermedialität entscheidend. Manuels wichtigstes Ziel ist es, Fans von Instagram auf seinen Youtube-Kanal zu bringen, um Videos zu schauen. Im Idealfall lassen sie gleich ein Abonnement da. Je mehr Social Media Kanäle er hat und regelmäßig benutzt, umso mehr Leute kann er auf seinen Channel leiten. Die Followerzahlen wachsen ab einem gewissen Punkt exponentiell. Wenn Manuel einen Namen auf der Plattform hat, werden seine Abo- und Klickzahlen in die Höhe schießen. Money, Money und Trockenfrüchte Sein Projekt ist außer einem Hobby vor allem eines: Business. Denn Geld

Business. „Viele meinen sie können sich einfach Follower kaufen und schnell Sponsoren checken. Das ist Schwachsinn!“ 66

verdienen muss er auch, zu zeitaufwendig und kostspielig ist die Arbeit. Mit 600 bis 700 Euro für eine Kamera und dem nötigen Equipment muss ein Einsteiger rechnen. Ein ordentliches

Schnittprogramm kann dann noch einmal so viel kosten. Manuel steht momentan noch am Anfang seiner Youtube-Karriere und verdient damit direkt noch kein Geld,


TEXT: thomas winkelmüller | Fotos: Manuel Teufl/zVG, videocon/zvg

Sponsoren und Käufer seiner Trainingspläne hat er dafür bereits. Da kann das Jahreseinkommen seines Projektes auch mal vierstellig werden. Trockenfrüchte und Supplements, also Nahrungsergänzungsmittel, bekommt er regelmäßig von seinen Förderern als Unterstützung. Diverse Unternehmen schicken ihm immer wieder ihre Produkte, um sie zu testen und zu bewerben, auch aus Amerika. Seinen Kanal könnte Manuel zusätzlich noch monitorisieren, also Werbung auf seine Videos schalten, um Gewinn zu machen, das tut er aber noch nicht. Damit will er warten, bis ihm mehr Leute folgen. Pro tausend Views bzw. Klicks würde Manuel dann ein bis zwei Euro von seinen Werbepartnern bekommen, kein echtes Vermögen. Um 1.000 Euro zu

verdienen, bräuchte er bis zu einer Million Aufrufe pro Monat, über solche Zahlen macht er sich bis jetzt aber noch keine Gedanken. Momentan konzentriert er sich darauf seinen eigenen Stil für die Videos zu finden. Was kommt bei den Leuten gut an, wo bekommt er die meisten Klicks während er noch authentisch bleibt. Einsteiger in die Fitnessvloggerszene müssen sich heute irgendwie abheben, ihre eigene Richtung finden. „Fitnesskanäle gibt es einfach wie Sand am Meer“, gesteht sich Manuel ein. Zu viele mittelmäßig talentierte Muskelpakete haben schon versucht Geld auf Youtube zu machen, ein „How to Liegestütz-Video“ verspricht keinen großen Erfolg mehr. Manuel ist jedenfalls noch am Anfang seiner Suche. Bis jetzt lag sein Fokus auf Instagram, dort ist er zuhause und dort vernetzt er sich in der Fitness-Szene Österreichs. One-Man-Job Manchmal helfen ihm Leute aus dem Fitnessstudio beim Filmen seiner Übungen, im Endeffekt ist Youtuber aber ein One-Man-Job. Manuel ist Techniker, Modell, Marketing Manager und Regisseur seiner Videos gleichzeitig. „Viele Leute glauben, dass alles ganz einfach geht. Die meinen sie können sich einfach Follower kaufen und schnell einmal Sponsoren checken. Das ist natürlich Schwachsinn“, erzählt er gereizt und spült seinen Ärger mit einem Schluck Kaffee wieder runter. Seit Jänner 2016 postet er jeden Tag ein Foto auf Instagram, verlinkt seine Blogeinträge und die YoutubeVideos. Damit gibt er auch seit über einem Jahr jeden Tag ein Stück seiner Privatsphäre preis. Noch hält sich das Ausmaß in Grenzen, mit der Bekanntheit wird sich das laufend ändern. „Manchmal geht mir das jetzt schon auf die Nerven, aber es muss dir wirklich egal sein, wenn du so etwas machen möchtest“, reflektiert Manuel, obwohl er sich hin und wieder schon komisch fühlt, wenn er mit nacktem Oberkörper posiert oder in der Öffentlichkeit mit einer Kamera spricht.

Y o u t u b e go e s S T P Mit der „Influencer Video Con“ holt das Online Video Marketing Unternehmen diego5 studios gemeinsam mit spark7 am 30. September Youtube Stars ins St. Pöltner Warehouse. Seit über zwei Jahren arbeiten sie mit Social Media Größen aus Österreich zusammen und haben bereits letztes Jahr beschlossen, gemeinsam mit österreichischen Youtubern durch die Bundesländer zu touren, um ihre Fans kennenzulernen. In allen Bundeshauptstädten, außer Eisenstadt, werden sie Stopps einlegen, mit dem „Grand Finale“ in Wien. „Das Line Up stellen wir gerade noch zusammen, aber man darf Großes erwarten“, soviel verspricht Christoph Poropatits, Managing Director von diego5 studios einmal vorab. Für St. Pölten stehen die Auftritte bereits fest: Chaosflo44, Celina Blogsta, inspiredbyDzeni, Beatboxerfii, VeniCraft und viele mehr werden zwei Stunden auf der Bühne Fragen beantworten. Danach können die Besucher mit ihren Lieblingsyoutubern Selfies machen und sich Autogramme holen, laut Poropatits „vielleicht sogar ein persönliches Gespräch mit den Stars führen.“

Chaos in NÖ

Täglich, etwas nach 12 Uhr, setzen sich Tausende Jugendliche vor ihre Handys, Tabletts oder PCs. Warum? Weil Florian, besser bekannt als Chaosflo44, sein neues Minecraft Let’s Play auf Youtube hochgeladen hat. Nicht ganz 533 Millionen Videoaufrufe und über 955.000 Kanalabonnenten darf der 18-jährige Weinviertler sein Eigen nennen. So viel, um ein Bild von seiner Reichweite zu bekommen. Seit er 2009 seinen Kanal kreierte, hat sich für ihn vieles verändert. Florian ist jetzt österreichische Youtube Prominenz. Hundertausende Fans schauen ihm beim Spielen zu, passen auf, was er in seinen Videos erzählt - und das alles dank Youtube. Bei der Videocon ist Chaosflo44 Headliner. www.youtube.com/user/Chaosflo44 www.videocon.at

MFG 09.17

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MFG SZENE

YOUTUBE – TRAIN AND GAIN

Ho w to Y o u t u b e Abseits von Musik und lustigen Katzenvideos, um den Ottonormalverbraucher zu belustigen, bietet die Videoplattform Youtube noch einiges mehr für ihre User. Jeder kann seinen eigenen Kanal machen, Videos hochladen und Abonnenten und Klicks sammeln. Let’s Plays, Beauty- und Lifestylevideos, Vlogs über das eigene Leben – alles ist auf Youtube möglich, solange Leute die Richtlinien der Plattform einhalten. Ob Businesskanal oder doch lieber Videos von den Haustieren bleibt jedem frei.

„Im Endeffekt bekommen die Bilder die meisten Reaktionen, auf denen man am wenigsten an hat und am besten ausschaut. Nur die Wenigsten lesen sich durch, was man zu sagen hat. Viele haben auch einfach nichts zu sagen“, weiß Manuel mittlerweile. Über die Oberflächlichkeit von Instagram, Youtube und Konsorten ist er sich bewusst. Als Fitnessblogger muss er einen trainierten Körper haben,

so viel ist klar, aber ganz allgemein sollten Youtuber gut ausschauen oder zumindest einen Schmäh haben, um weiterzukommen. Gesunde Gönnung Manuels Aussehen war ihm früher wichtiger, heute trainiert er mehr auf Kraft, als für die Optik, und das sechs Mal die Woche. „Es ist gewissermaßen schon eine Sucht“, gibt er zu, Steroide oder Anabolika nimmt er trotzdem nicht. All seine Supplemente sind natürlich: Proteine, wie sie im Fleisch stecken und so grundlegend für die Ernährung sind wie Kohlenhydrate und Fette. Manuel braucht nur einfach mehr für den Muskelaufbau. Aus seinem Umfeld kennt er schon ein paar Leute die „stopfen“, also Steroide nehmen, auch im Studio in dem er trainiert: „Je breiter du bist, umso mehr Leute kaufen Sachen von dir, also da ist schon die Verlockung da.“ Seit er selbst auf Youtube und Co. aktiv ist, schaut er kaum noch andere Fitnessvlogs und wenn, dann

amerikanische, sofern er die Zeit dafür findet. Als Inspiration dienen ihm die großen Fitness- und Ernährungs­ youtuber nach wie vor, sie haben nur nicht mehr diesen gottgleichen Status in seinen Augen. Für viele Jugendliche sind sie wie Freunde, die sie jeden Tag sehen und mit ihnen reden, auch wenn es Monologe bleiben. „Wenn man reifer wird und selber in der Szene ist, dann himmelt man die nicht mehr so an“, erklärt Manuel. Auf die Video Con in St. Pölten wird er deshalb auch nicht gehen. Ob er selbst jemals von seinen Videos wird leben können? Das steht noch in den Sternen. Für ihn heißt es jetzt jedenfalls einmal weiter Videos drehen, trainieren und studieren.

Manuels Seiten: www.instagram.com/manuel.teufl www.manuelteufl.com www.youtube.com/channel/ UC95V1kFw8Wkj2x00pgMn3Rg www.snapchat.com/add/menschquel

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Über Kreuzungen ins Natterstal Harry Stöckl gilt vielen als einer der besten Gitarristen der Stadt. Und vermutlich wohl auch als einer der umtriebigsten.

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ngefangen hat dabei alles ganz „klassisch“. Schon von kleinauf hat Harry Musik interessiert, was wohl auch dem musikalischen Umfeld geschuldet ist: So hat er sich am elterlichen CD-Player Queen und Deep Purple reingezogen, bis ihm Papa Franz, selbst begnadeter Gitarrist und Songwriter, die ersten Akkorde gezeigt hat. Freilich nicht, wie man es „kindgerecht“ vielleicht vermutete an der akustischen Gitarre, sondern – und dies sollte sich nicht mehr ändern – gleich auf der E-Gitarre. Logisch, dass eine solche alsbald für den Junior gekauft wurde, der dann mit zarten 16 Jahren 70

schließlich erstmals – gemeinsam mit Papa Franz – mit der Band Crossroads auf der Bühne stand. Man muss auch auf ein Bier gehen Es folgten unzählige weitere Bands wie z.B. Batland, Regency, Chapter Two bzw. Herzkohle, Mighty Ganesha, No Idea (ebenfalls gemeinsam mit Papa Franz), Almost Purple, das Damian Murdoch Trio, wo ich Bass gespielt habe, aber auch die Spaßrockformation Aids. In wie vielen Projekten Harry tatsächlich aktiv war, kann man heute gar nicht mehr so genau sagen. „Bei der Ausstellung vom Matzl Wolf-

gang (Anm. „Vom Fünf-Uhr-Tee zum Frequency“) war ich auf 20 Plakaten drauf“, schmunzelt Stöckl. Dass Harry Stöckl im Laufe seiner Karriere schon mit praktisch allen namhaften Musikern der Stadt (und rundherum) gemeinsam gespielt hat, versteht sich von selbst, wobei er im Hinblick auf den Zugang als durchaus – im positiven Sinne – old school bezeichnet werden könnte. Stöckl hat gern seine Mitmusiker um sich, gemeinsames Arrangieren etwa über das Internet sind seine Sache nicht. „Bei einer Band geht es mir ja nicht nur um das Musikmachen an sich. Man trifft


TEXT: Michael Reibnagel | Fotos: Matthias Köstler

Seit 1997 sind Harry Stöckl und sein Vater Franz gemeinsam mit wechselnden Mitmusikern unter dem Namen Crossroads musikalisch aktiv. Alle Nummern – abgesehen von diversen Covers – wurden dabei von Franz geschrieben. Im Rahmen des 20-Jahr-Jubiläums gibt es heuer etwas ganz Besonderes: Ein Best-Of-Album. Aufgenommen und herausgebracht bereits 2006, erscheint es heuer auf Vinyl und klingt besser als auf CD. Beziehen kann man das Album mit einem neuen Cover von Ian Mellish, das einige Texte der Band zeigt, direkt bei Franz Stöckl unter franz.stoeckl@kstp.at

sich vielmehr auch mit Freunden, und es muss auch Spaß machen! Übers Internet macht das für mich daher keinen Sinn. Es ist auch wichtig, dass man sich mal auf ein Bier trifft!“ Und wer sind aktuell seine Lieblingsmusiker bzw. mit wem arbeitet er aktuell am liebsten zusammen? Da fallen drei nicht minder stadtbekannte Namen: Martin Rotheneder, Gerald Schaffhauser und Benjamin Zissler. Rotheneder hat er beispielsweise bei dessen Projekt Ben Martin unterstützt, im Vorjahr stand er mit ihm zudem beim großen BORG „Hair“-Revival gemeinsam auf der Bühne. Die beiden anderen Herren bilden gemeinsam mit Harry seine aktuelle Band, die auf den Namen „Nattastoy“ hört. Schaffhauser ist dabei, wie sollte es anders sein, am Bass zu hören, Zissler werkt am Schlagzeug. Der Name, der auf den ersten Blick hin vielleicht etwas ungewöhnlich anmutet, beschreibt Harry Stöckls Wurzeln. Es ist die Mundartschreibweise des Natterstals und zugleich natürlich eine Spielerei mit dem englischen Wort „toy“. Ein Name, der jedenfalls hängen bleibt. Nattastoy Nattastoy ist die erste Band, bei der Harry alles alleine macht, wenngleich die Kollegen – beide exzellente Musiker – natürlich auch Inputs liefern. „Es war aber von Anfang an klar, dass es in dieser Band keinen Streit geben wird, da jeder weiß, dass die endgültigen Entscheidungen, die Songs be-

THE BOSS. Nattastoy ist die erste Band, bei

Kolumne ROUL Starka

FREQUENZEN Gerade will ich mich über die vielen Bierdosen in der Wiese beim Frequency aufregen, schreit Freddie Mercury aus dem Himmel: „Barcelooonaaa!“ Ich also brav zum Fernseher, geschockt zurück zu Facebook, schaut mich an ein angespültes, totes Flüchtlingskind. Darunter die Erklärungen, warum mich was mehr bewegen oder aufregen soll. Ich weiß es nicht und entscheide mich für einen der vielen Intelligenztests auf Facebook. Stolz gehöre ich zu den besten fünf Prozent und vergesse sowohl Barcelona als auch die Flüchtlingskinder. Als echter Österreicher esse ich dann bei der ZiB 2 zu viel von den kalten Fleischlaberln und schimpfe über unsere Jugend, die ihre Bierdosen nicht wegräumt. Dann will ich meiner Frau die Welt erklären. Sie sieht mir in die Augen, wie es nur Frauen können. Also stehe ich auf und hole mir Senf. Irgendwann wache ich auf in einer Welt voll Frieden und der einzig richtigen Zahnpasta, in meiner rechten Hand eine fettige Fernbedienung. Vor drei Wochen hab ich mit dem Rauchen aufgehört, also rauch ich mir eine Zigarette an. Nur die eine. Dafür gehe ich morgen ganz lange mit dem Hund. Ich denke an Fitnessübungen und hol mir aus der Küche das letzte Fleischlaberl. In meinem herzhaften St. Pöltner Dialekt sage ich zu mir selbst: „Ma miassad…“ Dann schlafe ich ein. Am nächsten Tag muss ich in die Stadt. „Bus, Baby“ - Lup. Gott sei Dank ist parallel zum Frequency eine Baustelle in der Josefstraße und die Station Sensengasse ist auf der Landsbergerstraße. Die Busse kommen regelmäßig, man weiß nur nicht, wann. Ich könnte mich entscheiden zwischen „Heute“ oder „Österreich“. Lucky Strike.

Foto: sven bachstroem-fotolia.com

C R O SS R O A D S

treffend, immer von mir kommen“, erklärt Harry. Das macht die ganze Arbeit am Projekt Nattastoy überraschenderweise sehr angenehem für alle Beteiligten. „Musikalisch sind wir drei uns eigentlich immer einig. Manche Ideen, die ich Gerald und Benjamin vorgespielt habe, haben ihnen nicht gefallen und auch ich bin dann draufgekommen, dass sie wirklich nicht gut waren“, so Harry weiter. Vor kurzem waren die drei in Sam Gillys House Of Riddim Studio, um ihr erstes Album gemeinsam aufzunehmen, das voraussichtlich im Frühjahr 2018 erscheint. Genremäßig kann man es wohl am ehesten als Mundartrock bezeichnen, es wird jedenfalls spannend. Neben all den Projekten als aktiver Musiker gibt Harry zudem Gitarre-Unterricht, wobei er in den letzten Jahren eine negative Entwicklung ausmacht. „Von 20 Schülern, die anfangen, werden vielleicht drei professionelle Musiker und spielen in einer Band.“ Ein Grund mag sein, dass viele E-Gitarre zwar cool finden, alsbald aber erkennen, dass man verdammt viel üben muss, um das Instrument wirklich gut zu beherrschen. Um an Harrys Level nur annähernd ranzukommen, ist dies definitiv der Fall. Wer sich selbst ein Bild vom Können des St. Pöltners machen möchte, dem sei ein Konzert von „Nattastoy“ oder einem seiner anderen Projekte wärmstens ans Herz gelegt!

der Stöckl quasi letztverantwortlich ist.

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MFG SPORT

Das EM-Sommermärchen hat den Ursprung in St. Pölten

Klein aber fein ist die Ausbildungsstätte „Nationales Zentrum für Frauenfußball“ in St. Pölten. EM-Heldin Viktora Pinther würde „sofort wieder hingehen.“ Mit dem SKN stürmt sie in der Champions League und will ihr drittes Double in Folge einfahren. Ob der Frauenfußball hierzulande nachhaltig einen Aufschwung erfährt, ist fraglich.

B

is zu 1,3 Millionen TV-Zuseher, 12.000 begeisterte Fans am Wiener Rathausplatz beim Public Viewing und ein über 1.000-köpfiges Empfangskomitee bei der Rückkehr: Das ÖFB-Frauenfußball-Nationalteam hat mit ihrem Sommermärchen – dem Einzug ins EM-Halbfinale – in Österreich eine Eu(ro)phoriewelle ausgelöst. Eines der ersten Erfolgs-Kapitel wurde 2011 in St. Pölten geschrieben, mit der Errichtung des „Nationalen Zentrums für Frauenfußball“. Das sieht auch Absolventin und EMHalbfinalistin Viktoria Pinther vom SKN St. Pölten so: „Ich würde sofort wieder hingehen. Die Bedingungen sind ideal. 72

Der Unterricht ist toll und fünf Minuten danach kannst du schon am Platz stehen und trainieren.“ Die 19-jährige Wienerin wählte den vierjährigen HASCHZweig, spielt seit 2015 für den SKN (vormals Spratzern) und hatte maßgeblichen Anteil an den letzten beiden Double-Gewinnen der St. Pöltnerinnen (Meisterschaft und Cup). Bei der EM stürmte Pinther vier Mal für Österreich und verwandelte gegen Spanien im Elfmeterschießen den vorletzten Elfer zum Halbfinaleinzug. Insgesamt standen mit Pinther, den Torfrauen Manuela Zinsberger und Carolin Größinger, Marina Georgieva, Sophie Maierhofer, Katharina Naschenweng, Barbara Dunst und Nicole Billa gleich acht Absolventinnen im 23-köpfigen-EM-Aufgebot Österreichs, dazu mit Jennifer Klein (ebenfalls SKN St. Pölten) noch eine weitere Schülerin. Der SKN profitiert freilich nur indirekt vom Zentrum des ÖFB. „Wir sind nicht dafür da, Spielerinnen für einen bestimmten Verein auszubilden“, hält Pressesprecherin Iris Stöckelmayr vom ÖFB fest. Ihr Pendant vom SKN, Matthias Scherner, bestätigt das: „Wir versuchen ohnehin vornehmlich Spielerinnen aus unserer Umgebung zu bekommen, haben aber auch Legionärinnen, die ebenfalls Team-


TEXT: Thomas Schöpf | Fotos: Nationales Zentrum für FrauenfuSSball, Tom Seiss

spielerinnen sind.“ Während die SKN-Herren in der Bundesliga erneut gegen den Abstieg spielen, sind die SKN-Frauen mit zuletzt drei Double-Gewinnen in Folge Österreichs Nummer 1. Für die anstehenden WM-Qualifikationsspiele Österreichs wurden mit Pinther, Klein, Jasmin Eder, Stefanie Enzinger und Nadine Prohaska gleich fünf „Wölfinnen“ einberufen und mit Jasmin Boisits, Laura Krumböck, Sandrine Sobotka und Laura Wienroither stehen noch fünf weitere „auf Abruf“ bereit. Von der Spitze in die Breite Pinther hofft, dass der EM-Schwung anhält und „etwas mehr Leute zu unseren Spielen kommen. Die Medien berichten nun ja auch mehr.“ Die ersten zwei Runden der FrauenBundesliga verfolgten nur unwesentlich mehr Zuschauer vor Ort. Am meisten (350) kamen zum Spiel von „Ländle“Aufsteiger FFC Vorderland gegen den SKN (0:5). Pinther und Co. haben zusätzlich noch die Möglichkeit, in der UEFA Women’s Champions League Werbung in eigener Sache zu machen. Dort wartet auf Österreichs Meister im Sechzehntelfinale gleich ein wahrer Kracher gegen Manchester City! Das Hinspiel steigt am 4. Oktober in der NV Arena. „Saisonziel ist die erfolgreiche Verteidigung des Doubles. Persönlich möchte ich mich natürlich weiterhin verbessern“, so Pinther. Für den ÖFB gilt es nun „in die Breite zu gehen“, wie Stöckelmayr es formuliert, also die EM-Erfolge nachhaltig zu nützen. Im Nationalen Zentrum für Frauenfußball findet am 31. Oktober (10:00 bis 14:30 Uhr) der nächste „Tag der offenen Tür“ statt, zu dem auch wieder aktuelle Teamspielerinnen kommen werden. „Gleich in den ersten Tagen nach der Bekanntgabe trudelten schon mehrere Anmeldungen herein“, freut sich Karin Gruber, die Geschäftsführerin des Zentrums, über die steigende Nachfrage, relativiert aber auch gleich, „es werden aber wieder nur acht, vielleicht zehn Plätze frei werden.“ Derzeit kicken 50 Mädchen bzw. Frauen dort von Montag bis Donnerstag. Nach dem Schulunterricht am Freitag (das HASCH-Modell läuft vier Jahre, das ORGL-Modell fünf) werden sie zu ihren Stammvereinen für die Wochenend-Spiele abgestellt. Weißer Fleck im Burgenland Neben dem A-Team gibt es bei den Frauen noch ein U17und ein U19-Nationalteam. Die U19 schaffte es letztes Jahr unter Teamchefin Irene Fuhrmann zur EM in der Slowakei. „Das ist überhaupt das Beste, wenn du schon in den Nachwuchs-Teams internationale Erfahrung sammeln kannst, teilweise mit den gleichen Trainern. Das hilft dir später enorm weiter“, weiß Pinther. Sie kickte im Zentrum mit Spielerinnen aus allen Bundesländern: „Nur Burgenländerinnen waren kaum dabei.“ Dort ist in der Tat noch der größte weiße Fleck im österreichischen Frauenfußball. Bundesligist FC Südburgenland (aus Oberwart) kämpft um die Existenz. Ein Abstieg würde finanziell helfen, dann würde aber der Spielbetrieb flach fallen, denn es gibt im Burgenland nicht einmal eine Amateur-Frauenfußballliga. Insgesamt sind beim ÖFB knapp 20.000 Spielerinnen gemeldet. Präsident

STP Lässt Grüssen. Die EM-Heldinnen auf Visite im Nationalen Zentrum für Frauenfußball in St. Pölten: Nina Burger, Sarah Zadrazil, Evelin Kurz mit Neo-Absolventin Sandrine Sobotka. Leo Windtner möchte „in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf 30.000 kommen.“ Jeder andere EM-Teilnehmer, sogar Island, hat mehr Spielerinnen. Das größte Märchen haben aber doch die Österreicherinnen bei der Europameisterschaft geschrieben. Pinther schaut sich noch heute „immer wieder gerne die Bilder auf meinem Handy an. Das war so geil. Wahrscheinlich gibt’s das nie wieder.“

2x RAPID IN DER NV ARENA!

SKN ST. PÖLTEN Die Heimspiele im September in der NV ARENA:

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Sa., 9. 9. 2017 - 18.30 Uhr

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Sa., 23. 9. 2017 - 18.30 Uhr

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Sa., 30. 9. 2017 - 16.00 Uhr Vorverkaufstickets erhältlich über ticketmaster.at und jeden MI und FR von 14.00–18.00 Uhr im Fanshop

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MFG KRITIKEN ZUM HÖREN Manshee | mikeSnare | Thomas Fröhlich | Dr. Schramek | Rob.STP | Dr. Ray B. (von links nach rechts)

Aivery

Aivery bestehen aus Gitarre, Bass und Schlagzeug. Nicht nur die Besetzung ist typisch für Bands von Anfang der 90er Jahre, sondern der Sound im Kern auch. Was zur Krönung des Debütalbums entscheidend beiträgt, ist ein präzises Gefühl für laut und leise, Krach und Pop, Melodie und Rage. Schließlich hat Grunge seit über zwanzig Jahren ausgedient und was wir hier haben, ist ein volles, abwechslungsreiches und mitreißendes Werk.

Ti Amo

UMBERTO TOZZI

ISOTACH

Matthew Bourne

Auf Bournes zwölftem Album gibt es drei Dinge zu hören: Piano, Cello – sowie das Drücken des Sturms gegen die Fensterscheiben: Seinen Flügel mit Blick in die Moorlandschaften rund um Yorkshire ausgerichtet, spielte Bourne in dem 18-monatigen Aufnahmeprozess gegen manche Wetterkapriolen an – die zehn spartanisch inszenierten Stücke auf „Isotach“ aber wirken wie das Kontrastprogramm aus dem Inneren des Sturms.

Wastemen EP PHACE & MEFJUS

Están Vivos! Motorzombies

In Spanien eine Institution, kennt die bei uns kein Mensch. Was schade ist: Psychobilly im Turbodurchlauf (Locobilly nennen das die Jungs) – dazu Songtitel wie „Splatterhouse Rock“ oder „Gremlins vs. Critters“. Elvis auf untot – irgendwie. Nichts für militante Antialkoholiker, Nichtraucher, Zwangsveganer und politisch korrekte Binnen-I-Häkelrunden. Alle anderen können dabei einen Mordsspaß haben. (Chaparra Entertainment)

Villains

Queens Of The Stone Age

Ja, warum denn nicht einmal Italo-Pop, immerhin, wenn man es mit einem seiner, international betrachtet, Gründungsväter zu tun hat. Vor 40 Jahren brachte Umberto Tozzi den Schmachtfetzen „Ti Amo“ heraus, „Evergreens“ wie „Tu“, „Gloria“, „Gente di Mare“, „Stella stai“ uvm. folgten. Das alles und viel mehr hat er anlässlich des „Ti Amo“-Jubiläums auf das gleichnamige Best Of Album gepackt.

Ein Fest deutsch-österreichischer Freundschaft. Phace, seines Zeichens Wegbereiter und einer der tonangebenden Protagonisten in Sachen Neurofunk, hat sich einmal mehr mit seinem geistigen Ziehsohn Mefjus zusammengetan. Was die beiden eint, ist die Liebe zum Detail und raktenwissenschaftliche Perfektion. Bestechend ist die EP aber vor allem auch deshalb, weil gewissermaßen die Quadratur des Kreises erreicht wurde.

ZUM SCHAUEN

ZUM SPIELEN

ZUM LESEN

Manshee | C. Schuhmacher

Christoph Schipp

H. Fahrngruber | W. Hintermeier

Monsieur Pierre geht online

Mit Villains liefern Josh Homme und seine Mannen ihr siebtes Studioalbum ab. Auf der von niemand Geringerem als Mark Ronson produzierten Scheibe finden sich neun Songs – irgendwo zwischen Rock und Disco angesiedelt. Schlagzeug und Bass stampfen durch die Lieder und begleiten dabei die Gitarren und Hommes Gesang. Für Fans der ersten Stunde vermutlich gewöhnungsbedürftig, aber definitiv hörenswert.

Stéphane Robelin

Ninja Theory

HELLBLADE

Die Herrschaft der Dinge

Pierre ist ein grantiger Witwer. Um den alten Herrn zurück ins Leben zu schubsen, soll ihm der junge Alex die fabelhafte Welt des Internets vertraut machen. Das ist wenig erfolgsversprechend, bis Pierre über ein Datingportal stolpert. Mit falscher Identität lässt er seine früheren Verführungskünste gekonnt aufleben und verabredet sich.

In Hellblade: Senua‘s Sacrifice begleitest du die titelgebende Senua auf einer Reise durch ihre ganz persönliche Hölle. Im Land der Wikinger kämpft die von Psychosen gebeutelte, keltische Kriegerin um die Seele ihres toten Geliebten. Das Spiel ist sicherlich nicht für jeden gedacht und lässt in Sachen Gameplay noch etwas Luft nach oben.

Ein Werk zur Geschichte des Konsums von der Renaissance bis zur globalisierten Gegenwart: Randvoll mit Details, dennoch kurzweilig und frei von ideologischer Weltsicht beleuchtet der Autor wirtschaftliche, soziologische und psychologische Zugänge zum Phänomen Konsum, dessen Auswüchse an ungebührlichem Luxus und derber Verschwendung stoßen.

Frank Trentmann

James Ponsoldt

Boss Key Productions

LAWBREAKERS

die königinnen der Würstchen

Der Internetkonzern „The Circle“ verfolgt ein Ziel: Mit dem Wegfall der Anonymität im Netz wird es keinen Schmutz mehr geben im Internet und auch keine Kriminalität. Klingt verlockend und bedrohlich zugleich. Denn, wie weit gehen wir, persönliche Daten zu offenbaren und unsere Privatsphäre hinter uns zu lassen?

Lawbreakers steht für einen einzigartigen Rausch – der aber immer etwas zu schnell vorüber ist. Die rasanten und für jeden Kämpfer besonderen Bewegungen in allen drei Dimensionen erzeugen einen euphorischen Flow. Aufregender und einzigartiger Shooter für anspruchsvolle Spieler, dem abwechslungsreichere Modi und größere Levels fehlen.

Was wie ein lustiges Kinderbuch aussieht, entpuppt sich als ein sehr tiefgründig und trotzdem ironisch geschriebenes Jugendbuch, das durchaus auch von Erwachsenen gelesen werden kann und drei Mädchen auf ihrem Weg von der Provinz nach Paris begleitet, was nicht nur ein geografischer, sondern auch ein persönlicher Befreiungsschlag ist.

The Circle

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Clémentine Beauvais

Fotos: zVg

Because


MFG VERANSTALTUNGEN HIGHLIGHT VAZ St. Pölten

Umberto Tozzi

3. NOVEMBER „TI AMO“ … mit diesem Song hatte der Cantautore Umberto Tozzi 1977 endgültig den Durchbruch geschafft. 40 Jahre und 32 Millionen verkaufter Tonträger später geben alte und neue Fans ihm diese Liebeserklärung noch immer zurück. Der heute 65-jährige ist nach wie vor auf den Bühnen der Welt zu Hause. Er schreibt sich seine Songs selbst auf den Leib bzw. aus der Seele – und Publikum wie Kritiker begreifen: Hier vereint einer Kunst mit Können. Sein neuer Sound begeistert ebenso wie seine zahlreichen Hits. So gehen auch heute noch bei Ti amo, Gloria, Tu, Gente di Mare die Lichter an, egal ob Feuerzeug oder Smartphone. Italo-Pop pur!

TAG DER OFFENEN TÜR

HIN & WEG

TANITA TIKARAM

NACHTWÄCHTER-FÜHRUNG

11. – 14. SEPTEMBER Nach dem Motto „Vorbeischau‘n und mitmachen“ finden in der VHS St. Pölten die „Tage der offenen Tür“ statt. Egal ob es um die berufliche Aus- und Weiterbildung geht oder um Erlangung von Fähigkeiten in den Bereichen Gesundheit, Kreativität und Sprachen, im Angebot der Volkshochschule ist für jeden Geschmack etwas dabei.

22. SEPTEMBER Die Bühne im Hof geht auf den orangen Teppich und erobert Geschäfte, Cafés, Büros und die Straße rund um den neuen Eingang der Bühne im Hof in der Linzer Straße und lädt an außergewöhnlichen Spielorten ein, Künstler ganz hautnah zu erleben, zu lauschen, zu schlendern, zu genießen. Programm auf www.buehneimhof.at

29. SEPTEMBER 1988 landete sie unversehens einen Nummereins-Hit: Mit „Twist In My Sobriety“ war Tanita Tikaram plötzlich weltbekannt. In „Closer To The People“ huldigt sie dem klassischen Country und dem Soul der Motown-Ära, zu ihren Wegbegleitern zählen einige der angesagtesten Musiker aus den Sphären von Folk und Soul.

AB 29. SEPTEMBER Diese spannende Stadtführung mit Tiefgang, Liebe zum Detail und kurzweiligen Geschichten nimmt Sie mit ins Mittelalter der Stadt Krems. Welche Zünfte gab es und warum mussten die „Hübschlerinnen“ am Wochenende raus aus der Stadt? Bei einem vorgesungenen Nachwächterlied tauchen Sie in die Geschichte der Stadt ein.

VHS

| TAG DER OFFENEN TÜR

Bühne im Hof

| fest

BLÄTTERWIRBEL

BALL DER NÖ WIRTSCHAFT

AB 5. OKTOBER Wie gewohnt finden im Rahmen des bedeutenden Literaturfestivals wieder eine Reihe hochkarätiger Veranstaltungen statt. Zur Eröffnung des Blätterwirbels 2017 kommt am 5. Oktober die Schriftstellerin und Standard-Kolumnistin Julya Rabinowich ins Stadtmuseum. Weiteres findet ein Bilderbuchkino, die NÖ Landesbuchausstellung uvm. statt.

18. NOVEMBER Die WIRTE 3100 laden zu ihrem längst traditionellen Ball. Für musikalische Unterhaltung ist mit Live Musik und mit der Radio NÖ Disco gesorgt. Eine professionelle Tanzsport-Mitternachtseinlage wird vom ESV St. Pölten präsentiert. Das Frontcooking mit Haubenköchen wird wieder für kulinarische Köstlichkeiten sorgen.

STADTMUSEUM

| LITERATUR

VAZ St. Pölten

ROCK OUT

21. NOVEMBER Grandiose Symbiose aus Klassik und Rock: Die beiden kroatischen Ausnahme-Cellisten Luka Sulic und Stjepan Hauser kommen mit ihrer neu konzipierten Show „The Score“ zurück. Das neue Album enthält eine Sammlung herausragender Film- und TVSoundtracks, wie „Gladiator“, „Titanic“, „Game of Thrones“ und „Herr der Ringe“.

25. NOVEMBER Mit dabei sind Super Star EVIL JARED (Circus HalliGalli, Bloodhound Gang) und Österreichs härtester DJ der Welt ROKKO RAMIREZ. Die Lokalen Rock Out DJs wie Paul LeBuche, Jack & Daniels und „Die Verfressenen Welpen“ dürfen nicht fehlen. Außerdem gibt es Happy Hour und alles was dazu gehört, um einmal richtig abzurocken.

| KONZERT

WAREHOUSE

| Konzert

Krems

| FÜHRUNG

| BALL

2 Cellos

Wiener STADTHALLE

FESTSPIELHAUS

| Party MFG 09.17

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MFG

AUSSENSICHT

Was wir uns von der nächsten Bundesregierung wünschen… GEORG RENNER

Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Redakteur beim „profil“.

Bundespolitiker reden eher selten über regionale Themen. Fragen Sie sie doch.

Grenzen bedingen, dass Stadtregionen nicht ganzheitlich gedacht werden.

„Was hat die Bundesregierung jemals für uns getan?“ Wie Monty Python werden auch wir Mittelniederösterreicher bei genauerem Hindenken feststellen, dass wir in den vergangenen Jahren ziemlich viel Zuwendung seitens der Republik erfahren haben: Der Neubau der Westbahnstrecke, die Güterzugumfahrung (mit einigen läppischen Jahren Verspätung) oder die Renovierung der Bundesschulen in St. Pölten sind ja nicht vom Himmel gefallen. Ob es in diesem Tempo weitergehen kann und wird für die Landeshauptstadt und ihre Nachbarschaft, wird sich weisen – in den vorliegenden Wahlprogrammen finden sich jedenfalls dankenswert wenige auf Regionen heruntergebrochene Versprechen. Und realistischerweise lässt sich sagen, dass für viele politisch-planerische Fragen der Region die Landtagswahl im nächsten Frühjahr entscheidender sein wird als die bevorstehende Nationalratswahl. Aber man darf ja auch ein bisschen träumen. Wenn wir der neuen Regierung einen Wunschzettel aus St. Pöltner Sicht mitgeben wollen, würde ein Thema ganz weit oben stehen – nämlich der Verkehr. Jetzt wird in der Planung und Umsetzung vieler Fragen nichts gegen den Willen des Landes Niederösterreich passieren – aber in vielen Belangen, die auf die Lage in der Stadt entscheidenden Einfluss haben, geht ohne den Bund auch nichts. Man kann die Parteien z. B. durchaus fragen, wie sie zum Bau der Umfahrungsstraße S34 samt Spange A1-B1 stehen, für die die Asfiang tief in die Tasche greifen soll. Oder, wem das mehr zusagt, wie wichtig ihnen eine Sanierung und Taktverdichtung der Lokalbahnen aus allen Richtungen ist, die ebenfalls Potenzial hätte, die Straßen der Region zu entlasten. Und dann ist da noch die Verbindung nach Wien, die durchaus noch kundenfreundlicher werden könnte, Stichwort Nachtzug. Ein zweiter Aspekt, den die Region sich mit dem Bund ausmachen könnte, wird das Bildungsthema sein – etwa, ob Niederösterreich mittelfristig eine Volluniversität bekommen soll. Übrigens alles Fragen, die Wahlkämpfer eher selten von sich aus ansprechen. Wenn Sie einem in den nächsten Wochen über den Weg laufen, fragen Sie ihn doch. 76

JAKOB WINTER

Der Wilhelmsburger arbeitet als Journalist bei „Quo vadis veritas“.

Weitgehend unbemerkt ist St. Pölten auf dem Wiener Politikparkett zu einer Maßeinheit geworden. Das hat die Stadt Andrä Rupprechter zu verdanken, dem amtierenden Umweltminister: „Wien wächst jährlich um St. Pölten“, stellte der ÖVP-Politiker vergangenen Oktober den bundeshauptstädtischen Bevölkerungsanstieg anschaulich dar. Der Minister hat recht: Während die Landbevölkerung abwandert, boomen die Städte. Der US-amerikanische Politikwissenschafter Benjamin Barber rief bereits 2013 das „Jahrhundert der Städte“ aus. Doch genau dafür fehlt in Österreich eine bundesweite Strategie. Wien etwa wird Prognosen zufolge die 2-MillionenMarke in fünf Jahren knacken. Aktuell leben österreichweit mehr als 5,5 Millionen Menschen in Städten, wie Zahlen der Statistik Austria zeigen – das sind über 60 Prozent der Gesamtbevölkerung. Und der Trend geht weiter. Urbane Zentren sind aber nicht nur Wohnort für immer mehr Menschen, sondern auch Arbeitsplatz. Untertags erhöht sich die Einwohnerzahl St. Pöltens um zigtausende Pendler. Und die Betreuungsquote von drei- bis fünfjährigen Kindern liegt in der Landeshauptstadt über 100 % - weil Bewohner der Umlandgemeinden die städtische Infrastruktur mitnutzen. Städte und ihr Umland verschmelzen also stetig. Doch die starren Gemeindegrenzen bedingen, dass Stadtregionen nicht ganzheitlich gedacht werden. Wer zahlt für den öffentlichen Verkehr zwischen zwei Gemeindegebieten? Was ließe sich durch gemeindeübergreifende Kooperationen, etwa gemeinsame Auftragsvergaben, einsparen? Internationale Beispiele für eine planerische Verknüpfung von Stadt und Umland gibt es zuhauf: Die Schweizer verstecken ihr Modell hinter dem sperrigen Begriff der Agglomerationspolitik. Das heißt: Denken in Ballungsräumen. Der Bund fördert, wenn sich Kommunen zusammenfinden, um beispielsweise ihren Verkehr und ihre Siedlungspolitik gemeinsam zu planen. Klingt vernünftig. Wie immer die nächste Bundesregierung aussehen wird – das wäre doch mal ein lohnendes Projekt. Nicht nur für die Stadtregion St. Pölten.


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