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Der Wildtierarzt ermittelt: „Schalenkrankheit“

Besonders Reh-, Gams- und Muffelwild hat manchmal extrem lange Schalen, die zumeist auf ein übermäßiges Schalenwachstum zurückzuführen sind. Hinweisend auf ein sehr rasches Hornwachstum ist auch das sehr dünne Wandhorn an den Schalen.

6-jähriger, abgemagerter Gamsbock (13 kg aufgebrochen) mit Schalenkrankheit.

Die hochgradig ausgewachsenen Schalen des Gamsbocks messen 17–26 cm.

Schalenkrankheit beim Reh.

Ein übermäßiges Schalenwachstum („Schalenkrankheit“) ist sowohl bei Gehegewild als auch bei freilebenden Wildtieren beschrieben. Als Ursachen werden in der Literatur zu weicher Boden, Stoffwechselstörungen mit daraus resultierender Überproduktion von Horn, Knochenbrüche mit reduzierter Bewegung in der Ausheilungszeit, bei Rotwild auch Filarienbefall (Fadenwürmer) und bei Muffelwild eventuell Fütterungsfehler und genetische Einflüsse angeführt. Bei Reh- und Muffelwild ist mir ein Fall bekannt, bei dem es durch Verfüttern einer Mineralstoffmischung für Pferde (hoher Biotin-Anteil) zum extremen Auswachsen der Schalen gekommen ist. Im oben abgebildeten Fall ist von einer stoffwechselbedingten Überproduktion von Schalenhorn auszugehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit höchstens ein Jahr angedauert hat, sonst hätte der Gamsbock vermutlich schon den letzten Winter/Nachwinter nicht überlebt.

Ausgewachsene Schalen an einzelnen Läufen treten häufig nach längerem Schonen infolge von Knochenbrüchen auf. Durch Vermeidung des Bodenkontaktes unterbleibt der Schalenabrieb und das Schalenhorn krümmt sich an den Schalenspitzen beim Auswachsen leicht nach oben. Wenn dieser Lauf auch später wieder aufgesetzt wird, kann die Schalenspitze nicht mehr abgerieben werden. Es entstehen so genannte „Schnabelschuhe“, bei denen nur mehr am Ballen aufgetreten wird und die Schalen ohne Abrieb monatlich rund sechs bis sieben Millimeter weiterwachsen. Bei stoffwechselbedingtem zu raschem Schalenwachstum kann der monatliche Zuwachs sogar deutlich mehr betragen. Wildtiere mit Schalenkrankheit zeigen Lahmheiten unterschiedlichen Grades, liegen viel und äsen häufig „kniend“. Falls bei einem Hegeabschuss solcher Stücke an ein Inverkehrbringen des Wildbrets gedacht wird, ist jedenfalls eine Untersuchung durch einen amtlichen Tierarzt („Fleischbeschautierarzt“) zu veranlassen.

BUCHTIPP Armin Deutz: DER WILDTIERARZT ERMITTELT – Interessante und besondere Fälle im Revier Siehe Seite 104.