Familienzelt Wer zusammen ein Haus baut, der will auch zusammen wohnen. Was meist stimmen mag, trifft auf das „PatchworkHaus“ im baden-württembergischen Müllheim nicht wirklich zu. Die Bauherrin, eine Wissenschaftlerin an der Uni Basel, wünschte sich ein Heim für sich, ihre Kinder und eine Tante. Quasi nach dem Motto „Alle unter einem Dach“. Aber jedem das Seine. „Es sollte kein klassisch getrenntes Doppelhaus werden, sondern ein Heim mit der Möglichkeit, getrennt und zugleich gemeinsam zu wohnen“, sagt Architekt Christoph Kuhn. Das allein macht dieses Projekt schon zu etwas Besonderem.
Dieser Effekt ist kein Design-Gag, sondern dem speziellen Energiekonzept geschuldet
Dazu kam aber noch ein weiterer Wunsch der Bauherrin, die sich durch ihre Arbeit mit Natur und Umwelt verbunden fühlt: Ihr Zuhause sollte so energieeffizient wie möglich funktionieren. Und so plante die Architektengemeinschaft Pfeifer, Roser, Kuhn am Rande einer Wohnsiedlung ein Unikat. Wobei: Von außen betrachtet sehe das Haus mit klassischem Satteldach gar nicht so besonders aus, ja, für viele vielleicht abweisend. Das ändere sich aber schlagartig, wenn man ins Innere trete, so Kuhn. Das Herzstück der Patchwork-Wohngemeinschaft ist riesig, hell – und erinnert an ein Zelt. Von der Haupthalle aus führen links und rechts Treppen in die jeweiligen Wohnbereiche. Dach und Seitenwände bestehen aus PolycarbonatPlatten, die das Sonnenlicht praktisch ungefiltert ins Innere lassen. Die Konstruktion, die dem Haus dieses zeltartige Aussehen verleiht und es nachts milchig schimmern lässt, ist allerdings kein Design-Gag, sondern dem speziellen Energiekonzept geschuldet. Die seitlichen und oberen Flächen des Hauses funktionieren nämlich als Luftkollektoren, erklärt Kuhn. Die warme Luft steigt so gezielt nach oben und kann sich in der Dachspitze sammeln. Von dort wird sie mit einem kleinen Ventilator – das einzige technische Hilfsmittel hier – nach unten in die Halle geblasen. An kälteren Tagen sorgt zusätzlich eine Bodenheizung für Wärme, die mit der Energie einer nahe gelegenen
Hackschnitzelanlage gespeist wird. Und sollte sich die Bauherrin irgendwann auch von dieser Energiequelle abkoppeln wollen, steht ein zweiter Kamin bereit, der das Haus über einen Pufferspeicher wärmt. Anderswo, weiter im Norden oder im Süden, würde so ein Haus übrigens gar nicht funktionieren. „Da wäre es entweder zu kalt oder viel zu heiß“, sagt Kuhn. Aber nicht nur deshalb ist das Projekt in Müllheim einmalig. „Wir mussten schon sehr weitgehend das energetische Konzept und das Raumkonzept miteinander verbinden.“ Anders gesagt: Würde man hier nicht zusammen und doch getrennt wohnen wollen, würde das Haus ganz anders aussehen – und funktionieren. map
11 Architektur Architektengemeinschaft Pfeifer, Roser, Kuhn Web www.kul-architekten.de Objekt Patchwork-Haus in Müllheim Kategorie Neubau Fassadenmaterial PolycarbonatStegplatten Fassadenfirma Rodeca Adresse Müllheim Bauherrin Claudia Daubenberger Planungsbeginn 2003 Fertigstellung 2005 Nutzfläche 325 m² mit Spitzboden, 294 m² ohne Spitzboden Kosten EUR 480.000,– (KG 200–700 inkl. MwSt.) Auszeichnungen Gestaltungspreis der Wüstenrot Stiftung 2008: „Energieeffiziente Architektur in Deutschland“ (Anerkennung); BDA – Auszeichnung guter Bauten 2005 Fotos Ruedi Walti
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Büro A rchitektengemeinschaft P feifer , R oser , K uhn , B aden - W ürttemberg / Haus B aden - W ürttemberg