ZWÖLF #23

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CHF 6.– Euro 5.–

#23

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März / April 2011

chipperfield

Merchandising absurd / Kambodscha kickt taktik-Analyse / Vevey Sports / Circus Tschik


Š 2011 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.

adidas

all light all fast

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Zwölf

als Talentschmiede D

er Branchenprimus werden wir nie sein. Das ist uns nach wie vor klar, selbst wenn der Kassenwart jüngst an der GV einige sehr ermunternde Zahlen hat präsentieren können. Also was macht man als Verein, dem der Zaster fehlt, um mit den ganz Grossen mitzuhalten? Richtig: Man positioniert sich als Ausbildungsverein und konzentriert sich auf das Aufspüren von Talenten. Auch für diese Ausgabe sind unsere Scouts also wieder ausgeschwärmt, und zurückgebracht haben sie Talente aus dem Bereich Grafik. Ihnen hatten wir die Aufgabe gestellt, die Logos der Super-League-Klubs neu zu gestalten. Was dabei herauskam, präsentieren wir ebenso wie das formidable Buchprojekt «Stadionwurst», an dem mancher ZWÖLF-Mitstreiter mitgewirkt hat. Gerade an der «Stadionwurst» sieht man, wie weit man es bringen kann, wenn man sich erst mal von uns jahrelang ausbeuten lässt. Das sollte Ansporn genug sein für die anderen Jungtalente in unserer Schmiede. Und wer weiss: Vielleicht legt ja dann auch einer wie unser neuer Kolumnist Bernard Thurnheer mal eine grosse Karriere hin. Sehr wohl der Branchenprimus ist der FC Basel, und in dieser Ausgabe ist er auch äusserst prominent vertreten. Mit FCB-Urgestein Scott Chipperfield haben wir freilich nicht nur gesprochen; vielmehr haben wir ihn auch in eine Brockenstube geschleppt, wo wir ihm den auf dem Cover zu bewundernden Kopfschmuck gekauft haben. Ähnlich grosszügig wollten wir uns eigentlich gegenüber dem humoristisch veranlagten FCB-Mediensprecher Josef Zindel zeigen. Ihn baten wir um eine Kolumne – zurückbekommen haben wir nur einen ausführlichen Brief an die Redaktion, in welchem Zindel kolumnistisch erklärt, warum er eben gerade keine Kolumne für uns schreiben könne. Leider, wie wir nach der Lieferung sagen müssen. Der dritte FCB-Mann dieser Ausgabe ist ein ehemaliger: Der langjährige Gross-Assistent Fritz Schmid. Er stellt mit unserem Stammspieler Roger Stilz ein Fussball-Entwicklungshilfe-Projekt in Kambodscha vor. Nicht ganz so weit gereist ist derweil unser Präsident. Immerhin bis nach Wien hat er es aber geschafft, wo er am Tag der Hochzeit seines Schwagers einige Fussball-Wissenschaftler interviewt hat. Wer deren «Netzwerk-Analyse» genau studiert, kann mal ein kleiner José Mourinho werden! Investigativ wie stets haben wir noch ein weiteres Phänomen des modernen Fussballs unter die Lupe genommen: Merchandising-Artikel. Ursprünglich wollten wir wissen, ob damit auch im Schweizer Fussball Millionen zu verdienen sind. Schon frühzeitig mit einem Nein beantworteten wir diese Frage, als wir auf der FC-Thun-Homepage lasen: «Sämtliche Fanartikel des FC Thun erhalten Sie auf der Geschäftsstelle an der Gwattstrasse 16, 3604 Thun (1. Stock, Garage Othmar Schmutz).» Klingt irgendwie nicht nach Millionen. Wir haben uns dann darauf beschränkt, die beknacktesten Super-League-Fanartikel zu bestellen und zu fotografieren. Wir hoffen, Ihr hattet auch einen guten Rückrundenstart, und wünschen Euch viel Vergnügen mit unserer Nummer 23. Euer ZWÖLF-Team PS: Wir haben noch ein paar Fanartikel übrig.


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S.


16

S.

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Planet Constantin: Der Walliser Sonnenkönig im O-Ton

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Wie gesagt, äh…: Fussballer reden

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Die Single: Granate aus Bellinzona

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Die Liste: Schweizer Transfers, die niemand versteht

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Auswärtsfahrt: Auch in Indien wird ein bisschen gekickt

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Mämä erklärt: Das Fan-Paradoxon

12

Bieli berichtet: Gedanken zur Challenge League

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Das Fundstück: Die Swiss Wanderers

13

Beni Thurnheer: Als der Schweizer Fussball noch Reserven hatte

13

Der Cartoon: Puyol aus der Sicht von Konrad Beck und Christian Wipfli

14

Wär ich doch am Match: Die neue ZWÖLF-Fotoserie

16 Scott Chipperfield Der dienstälteste Super-League-Spieler über seinen Aufstieg vom Schulbusfahrer zum FCB-Titelhamsterer 24 Merchandising-Artikel Die beknacktesten Fan-Utensilien aus der Super League 28 Kambodscha Wie ein Schweizer Fussball-Entwicklungshilfe leistet

S.

24

34 Generation U Werden die vielen Doppelbürger in den Juniorenauswahlen zum Problem für die Fussballschweiz? 38 Vereinslogos Die Gewinner des ZWÖLF-Wettbewerbs zur Neugestaltung der Super-League-Klubembleme 42 Netzwerk-Analyse Wiener Wissenschaftler erklären den modernen Fussball 46 Stadionwurst Bestandesaufnahme des Schweizer Stadionalltags in Buchform 52

Unser Mann in London: Peter Balzli vermisst die Ehrlichkeit in der Premier League

54

Schweizerreise: Baustelle Vevey Sports

60

Die NLA-Legende: Tschik Čajkovski beim FCZ

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Brief an die Redaktion: FCB-Mediensprecher Josef Zindel erklärt sich

64 Schwarzes Brett: Schuh, Buch, Game, Ausstellung

46

S.

66

ZWÖLF war dabei: Der geheime 7-Punkte-Plan zur GC-Rettung

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Smalltalk und Impressum


Einlaufen

Rubrik

Wie gesagt, äh... PLANET CONSTANTIN «Die 100 Wohnungen, die ich in Montreux gebaut habe, habe ich an Personen aus 68 Nationen verkauft.» Wie die Mannschaft, so die Käufer. Oder sinds am Ende etwa alles neue Spieler? CC in «Le Matin Dimanche».

«Wenn ich Zitronensaft will, presse ich die Zitrone aus. Er aber streichelt das Ding.»

Apropos auspfeifen: «Darauf freue ich mich jetzt schon», sagte Mario Frick vor dem Spiel mit GC gegen Ex-Klub St. Gallen.

Beschreiben Sie Ihren Trainer als Fruchtsaft-Hersteller! Constantin in «Le Temps» über Bernard Challandes.

Gar keine Gelegenheit, ausgepfiffen zu werden, erhielt Johnny Leoni zuletzt. Sein Fazit in «20 Minuten»: «Ich bin zu ehrlich für den Fuss­ ball. Auf die Frage, ob er der grösste Verlierer im Schweizer Fussball 2010 sei, räumte er offen ein: «Ja, das kann man vielleicht so sehen.»

«Auf der ‹Titanic› verstanden sich auch alle gut. Aber das Schiff sank trotzdem.» Und wenn sie sich gestritten hätten auf dem Kahn? Immer diese Sch...harmonie! CC in «Le Temps».

«Ich habe ihm schon mehrmals gesagt, dass ich an seine Methoden nicht glaube.» Der Präsident weiss, wie man einen Mentaltrainer aufbaut. CC in «Le Temps» zur Verpflichtung von Mentalcoach Jean-Christophe Bruniaux.

«Als ich sein Dossier genauer anschaute, habe ich trotzdem Lust bekommen, ihm eine Chance zu geben.» Solange seine Methoden Tore schiessen, wird Bruniaux sicher nicht entlassen. CC in «Le Temps».

«Alka-Seltzer, joggen und dann in die Sauna.» Matchvorbereitung? Nein, CC verriet «Le Matin» sein Rezept gegen Kater.

«Ich werde nie mehr einen Schiri kritisieren.» Was «nie» genau, also im juristischen Sinne, bedeutet, muss womöglich der Internationale Sportgerichtshof klären. CC nach seinem Besuch im Schiri- Ausbildungslager auf Gran Canaria gegenüber dem «Blick».

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«Ich bin zugänglicher, Alex ist eher distanzierter. Anscheinend ist beides nicht recht. In der Schweiz muss man am bes­ ten durchschnittlich sein, und vielleicht sind wir ein bisschen Schweiz-untypisch», liess Marco Streller die Fussballschweiz in der BaZ wissen. Das mit dem Schweizuntypisch ging uns auch durch den Kopf, als Alex F. die Nationalhymne... nun gut: rappte.

Eingeräumt haben Murat Yakin und Freundin Anja Müller ihr neues Haus schon. Das gemeinsame Heim sei quasi fussballfreie Zone, informierte die «Schweizer Illustrierte». Platz bleibt hingegen für gemeinsame Yoga-Übungen. Anja: «Muri kommt dabei mehr ins Schwitzen, als ihm lieb ist.» Nichts Neues für Muri: Das war schon früher beim Fussballspielen so – und trotzdem kam niemand an ihm vorbei.

Bleiben wir bei den Yakins und ihren Beratern, die vor dem Rückrundenstart den «Blick» beschäftigten, weil sonst nichts passierte. «Sollte es nochmals passieren, dass du mich verbal attackierst oder mich erneut zu erpressen versuchst, darf ich dir versprechen, dass es ohne Konsequenzen bleiben wird...», soll der gefürchtete Yakin-Berater A.K. einem «Blick»-Reporter geschrieben haben. «Blick» versichert: Nicht die eigene Redaktion habe das «nicht» vergessen.


rubrik

Doch wer ist A.K. überhaupt? «Ich bin kein Medienberater, ich bin kein PR-Berater, ich bin höchstens der Pöstler», sagte er dem «Blick».

Die Single

Sprachberater würde es auch treffen. Als Yakin einen Satz mit «ich denke...» begann, soll ihm A.K. ins Wort gefallen sein: «Du musst nicht denken, das Denken übernehme ich für dich.»

Nicht übernommen hat hingegen YB den Südkoreaner Koo. «Wir waren vor allen anderen Vereinen an ihm dran. Bis vier Tage vor Transferschluss war Koo bei uns», erzählte YB-CEO Ilja Kaenzig über den Koo-Handel. Ein Spiel dauert 90 Minuten und... Aber eben: Fussballmanager sind spezielle Typen. «Das Vorgehen von Felix Magath ist mysteriös und befremdlich. Schalkes Sportmanager gleicht einem Theaterdirektor, der sich über das Publikum lustig macht, indem er sein Ensemble mit immer aberwitzigeren Figuren bestückt. Das Publikum versteht aber seinen satirischen Witz nicht, stattdessen vermutet es, dass der Herr Intendant, bei allem Respekt, nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.» Die «Süddeutsche Zeitung» klipp und klar.

Klipp und klar auch Ciri Sforza im «Tagi»: «Wir bleiben auf der Strasse, die wir gewählt haben.» Egal, wohin sie im Herbst führte, denn: «Im März und April greifen wir enorm an.» Zweckoptimismus ist gemäss Duden etwas, was man ganz stark herbeiredet, obwohl man weiss, dass es doch eher unwahrscheinlich ist. Noch mal zurück zu Hakan, den niemand so gut beschreiben kann wie sein Trainer Rolf Fringer: «Während ein anderer Spieler mit seinem Auto nicht einmal in die Nähe des Hauses kommt, parkiert Yakin gleich davor – weil er eben Hakan ist.»

An Hakan war das Medieninteresse vor dem Rückrundenstart so gross, dass der FCL-Medienchef alle Anfragen abblocken musste. Auch jene – kein Witz – eines Hundemagazins...

Alé Granata Alé Scarp da tennis band, GEA Records 1983 Aus der Sammlung von Pascal Claude Wer jetzt denkt, «Scarp da tennis» (Tennisschuh) sei ein etwas komischer und vor allem etwas langer Bandname, soll erfahren, dass sich diese musizierenden Fans der AC Bellinzona bei der Gründung 1980 noch «Scarp da Tennis Bass Bianch e Bleu Brutt Blues Band» genannt haben. So wirr, wie man denken könnte, ist dann «Alé Granata Alé» gar nicht. Es wurden im Gegenteil hierzulande sehr viel schlechtere Fussballlieder geschrieben. Mitsing-Refrain, mitgeschnittene Fanchöre, ein Synthesizer auf LSD: All dies deutete 1983 nicht auf den bevorstehenden Abstieg der «Granata» hin. Diese und die früheren «Singles» zum Anhören auf www.zwoelf.ch

Die Tabelle Rang

Klub

% Remis

1.

Grasshopper-Club Zürich

27,41

2.

FC Luzern

27,16

FC Sion

27,16

4.

FC Thun

25,25

5.

FC Zürich

24,44

6.

FC St. Gallen

23,93

7.

AC Bellinzona

23,33

8.

BSC Young Boys

22,59

9.

Neuchâtel Xamax

22,22

10.

FC Basel

20,37

ZWÖLF präsentiert die Tabelle der Super League. Diesmal: prozentualer Anteil der Unentschieden seit der Gründung der Super League 2003. Immerhin steht Rekordmeister GC mit total 74 Remis in dieser Statistik an der Spitze.

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Rubrik

Die Liste

Transfer ad absurdum Vom WM-All-StarTeam in die NLA, von der NLB zum ChampionsLeague-Teilnehmer oder eine Transfermillion als Dankeschön: Auf dem Spielermarkt geht es bisweilen wirr zu und her.

den, nicht mehr in die Heimat zurückzukehren. Nach einigen Freundschaftsspielen in Europa entschied sich Kocsis, seine Karriere als Spielertrainer beim kleinen Zürcher Verein Young Fellows fortzusetzen. Leider blieb der Topskorer nur für 11 Partien (und 7 Tore), danach überzeugte ihn sein Landsmann Kubala von einem Wechsel zum FC Barcelona, wo er im «Clásico» auf seinen ehemaligen Nationalmannschafts-Sturmpartner Ferenc Puskas traf.

kurz darauf zum AC Torino verliehen. Nur einen Monat später wurde er zu Udinese weitegereicht, und zwar ebenfalls auf Leihbasis, weil der Inler-Verein bereits den einen erlaubten Nicht-EU-Spieler verpflichtet hatte. Der grosse Umweg war lediglich ein Trick, um möglichst billig an ein grosses Talent zu kommen, deshalb wurden die finanzschwachen Tessiner vorgeschoben. So gehörte Asamoah, dessen Marktwert auf 10 Mio. Franken geschätzt wird, zumindest offiziell Bellinzona, dessen Kader nicht einmal insgesamt diesen Wert hatte. In Tat und Wahrheit bekamen sie für Ghanas WeltmeisterschaftsHelden wohl höchstens etwas für die Kaffeekasse.

Henri SiqueiraBarras (FC Locarno – Argeş Piteşti, 2006)

Sándor Kocsis (Young Fellows – FC Barcelona, 1958)

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Das «Goldköpfchen» der magischen Magyaren wurde 1954 Torschützenkönig und befand sich mit seinem Team Honvéd Budapest in Spanien für ein Europacup-Auswärtsspiel, als 1956 der UngarnAufstand passierte und sich einige der Weltstars entschie-

Kwadwo Asamoah (AC Bellinzona – Udinese, 2008) Dass italienische Vereine des Öfteren Talente an Tessiner Klubs verleihen, macht durchaus Sinn. Seltsam mutet indes der Fall des Ghanaers Kwadwo Asamoah an. Im Januar 2008 vermeldete die AC Bellinzona den Zuzug des Mittelfeldspielers. Ohne ein einziges Spiel bestritten zu haben, wurde er

Der U17-Europameister von 2002, Stammplatz in der Verteidigung, sah für sich eine ähnliche Karriere wie die seiner Nati-Kollegen Barnetta oder Senderos voraus. Der FC Locarno konnte seinen Ansprüchen nicht genügen. Weil dann die Angebote von Europas Topklubs doch ausblieben, sah er sich gezwungen, die Offerte des rumänischen Kellerklubs Arges Pitesti anzunehmen. Nach einer Saison als Ergänzungsspieler zog er weiter zum Ligarivalen Gloria Bistrita, dann heuerte er bei Enosis Neon Paralimni in Zypern an. Heute spielt er für die AC Bellinzona.

Slawomir Wojciechowski (FC Aarau – Bayern München, 2000)

Ein Ottmar Hitzfeld vergisst nichts. Der FC Aarau ermöglichte ihm den steilen Aufstieg im Trainergeschäft, er bedankte sich dafür im Jahre 2000, als er als Bayern-Trainer den stets klammen Rüebliländern den Polen Wojciechowski, der bis dahin nicht besonders aufgefallen war, für fast 1 Mio. Franken abkaufte. Er blieb ein ganzes Jahr, es reichte ihm für drei Spiele und ein Tor gegen Ulm, bevor ihn die Aarauer wieder zurückerhielten.

George Weah jr. (AC Milan – FC Wohlen, 2010)

Die Welt war bereit für den kometenhaften Aufstieg des mit so viel Talent gesegneten


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Sohns des gleichnamigen ehemaligen Weltfussballers aus Liberia. Um nicht vom gleichen Schicksal ereilt zu werden wie sein Vater – nämlich nie an einer WM-Endrunde teilnehmen zu können –, wählte der Junior seine zweite Heimat für seine Länderspielkarriere. 2004 gab er sein Debüt in der U20 der USA, traf gleich ins Netz und wechselte zur grossen AC Milan. Dann geriet die Karriere auch verletzungsbedingt ins Stocken, seine nächste Station war dann der FC Wohlen, wo er sich nicht durchsetzen konnte. Seit dieser Saison ist er vereinslos.

Téofilo Cubillas (Alianza Lima – FC Basel, 1973) Der Peruaner war Südamerikas Fussballer des Jahres 1972, war an der WM 1970 fünffacher Torschütze, wurde ins All-StarTeam und zum besten jungen Spieler des Turniers gewählt – und wechselte 1973 zum unbedeutenden FC Basel. Vergeblich hatte er sich mit immer höheren Ablöseforderungen gegen den Transfer zu wehren versucht. Die helvetische Kälte und die Salat-Diät von Ruedi Reisdorf, dank der er 10 Kilo verlor, behagten dem Weltstar jedoch gar nicht; nur ein halbes Jahr später erzwang er einen Wechsel zu Porto.

zeiten. Alle erwarteten eine Rückkehr in die Romandie, Buess packte indes seine Koffer und düste nach Australien. Bei den Queensland Roar blieb er zwei Jahre, bevor er freigestellt wurde, weil der Verein zu viele Ausländer im Kader hatte.

nüchternes Fax, wonach Spieler Nowak «an diesem Montag» nicht mehr zum Training erscheinen werde. Rein spekulativ bleibt, ob YB mit Nowak im Rückblick der grosse Coup gelungen wäre. Knapp wars auf jeden Fall: Die Berner schieden nach einem 0:1 (Eigentor 105. Minute, Nachspielzeit) aus dem Wettbewerb aus – in welchem es auch ein bisschen Geld zu verdienen gegeben hätte.

Kader Mangane (Young Boys – RC Lens, 2007) Ungewöhnlich war es beileibe nicht, als der Mittelfeldmotor auf die Saison 2007/08 von Xamax zu YB stiess. Läppische 200 000 Franken kostete der starke Senegalese, der im UEFA-Cup-Spiel gegen Lens auch gleich eine tragende Rolle spielen sollte. Sein Können durfte er indes nur im Hinspiel präsentieren, gleich darauf legte der beeindruckte Gegner 4,4 Mio. Franken auf den Tisch und sicherte sich seine Dienste. In den 7 Spielen für YB hatte Mangane seinen Marktwert um das 22-Fache gesteigert, bei Xamax biss man vor Wut in die Tischplatte. Heute spielt Mangane bei Rennes.

Remo Buess (FC Zürich – Queensland Roar, 2005)

In der Pannensaison 2003/04 hatte der FCZ nicht nur drei Spielmacher im Kader (Petrosyan, Simo, Bastida), sondern holte auch den allseits beliebten Knipser André Muff sowie von Xamax als Abwehrpatron überraschend Remo Buess. Nach wenigen Spielen fand sich Buess auf der Bank wieder, da blieb er zwei Spiel-

Piotr Nowak (Young Boys – Dynamo Dresden, 1993) Im Herbst 1993 standen die Young Boys vor dem finanziellen Kollaps. Sportlich hingegen liefs unter Trainer Martin Trümpler gar nicht so schlecht. YB spielte im UEFACup gegen Celtic Glasgow im Hinspiel im Wankdorf 0:0. «Bestes Pferd im Stall» (Zitat Trümpler) und Herz und Seele der Mannschaft war damals der Pole Piotr Nowak. Kurz vor dem Rückspiel verkaufte YB-Präsident Rudolf Baer dann aber ebendiesen Nowak für 700 000 Franken an Dynamo Dresden – behiehungsweise musste ihn verkaufen, weil die Young Boys schlicht pleite waren. Trainer, Manager und Zuschauer schäumten vor Wut, beriefen sich auf Verträge, die sie offenbar zu wenig genau kannten. Spielervermittler Langhans schickte YB ein

Christian Pouga (AC Bellinzona – FC Sevilla, 2008) FCZ-Trainer Lucien Favre stellte den Kameruner als den lang gesuchten Sturmtank vor. Ein halbes Jahr mussten die FCZ-Fans den Chancentod erdulden, danach war er auch bei Aarau überfordert. Etwas zu viel Selbstvertrauen tankte er dann bei Bellinzona in der Challenge League, denn auf die Saison 2009/10 hin wurde sein Transfer zum FC Sevilla in die Primera División vermeldet – einem ChampionsLeague-Teilnehmer notabene. Es überraschte schliesslich nur wenig, dass Pouga bereits nach dem ersten Training in die zweite Mannschaft verbannt wurde und heute beim rumänischen Verein FC Vaslui lediglich Rotationsspieler ist.

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Einlaufen

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auswärtsfahrt

East Bengal Club - AIFF XI 4:0 I-League, Salt Lake Stadium (Yuva Bharati Krirangan) 12. Dezember 2010, (geschätzte) 3000 Zuschauer

Kahl in Kalkutta Text: Philippe Guggisberg / Bilder: Robertino Engel

Indien ist als zweitgrösstes Land der Welt in der FIFA-Weltrangliste gerade einmal auf Rang 144 unter 207 Verbänden klassiert und ein schwarzer Fleck auf der Weltkarte des Fussballs. Hauptgrund für den tiefen Stellenwert ist der Volkssport Cricket. Kein Grund allerdings, in Kalkutta auf einen Augenschein zu verzichten. Kein Mensch verbindet Indien mit Fussball. Der Sport spielt im Leben der gegen 1,2 Milliarden Menschen auf dem Subkontinent allgemein nur eine kleine Rolle. Mit einer Ausnahme: Cricket. Der Volkssport Nummer 1 – neben Linksverkehr und Teetrinken von der englischen Kolonialmacht übernommen – wird von zwei nationalen TV-Sendern täglich während 24 Stunden begleitet. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass auf der dreiwöchigen Reise von Delhi via Agra und Varanasi nach Kalkutta die Frage nach einem lokalen Fussballklub ohne Ausnahme alternativ mit Schulterzucken oder müdem Kopfschütteln beantwortet wurde. Bis im Nachtzug nach Kalkutta ein indischer Mitreisender mitten im Gespräch den East Bengal Club in Kalkutta ins Spiel brachte. Die Recherchen galten fortan «EB». Wie sich herausstellte, stammen 3 von 14 Klubs der I-League aus Kalkutta, was das steigende Interesse in Richtung Osten erklärt. Der Zufall sah für den Tag vor der Heimreise ein Meisterschaftsspiel gegen AIFF XI im Salt Lake Stadium vor, irgendwann zwischen 14 und 16 Uhr, Zeitung und Internet waren sich uneinig. Beim Stadion war sich das Internet sicher: Es ist mit einer Kapazität von rund 130 000 Plätzen eines der grössten Fussballstadien der Welt. «Kaum zu übersehen», denkt sich der Tourist, aber der Taxifahrer kann sich unter dem Reiseziel herzlich wenig vorstellen. «Den

Menschenmassen folgen» lautet der nächste Gedanke; wieder Fehlanzeige, weil weit und breit kein Mensch zu sehen ist. Schliesslich setzt der bärtige Sikh die Reisegruppe vor einer durchlöcherten Mauer ab, die sich als Kassenhaus entpuppt. Das für 50 Rupien oder rund einen Franken erstandene Ticket der teuersten Kategorie erlaubt den Zugang über riesige Betontreppen zum VVIP-Eingang. Der erste Blick ins riesige Rund löst schlagartig Gänsehaut aus – die leeren Ränge zehn Minuten vor Anpfiff lassen Ernüchterung folgen. Die Platzwahl auf den blauen Schalensitzen ist frei, im restlichen Stadion müssen die kahlen Betonstufen als Sitzgelegenheit reichen. Wie sich herausstellt, tritt der Tabellenführer East Bengal Club in der 5. Runde der nationalen I-League gegen die U21-Auswahl des indischen Verbandes an. Es handelt sich um ein reguläres Meisterschaftsspiel, der Nachwuchs darf zum Erfahrungsgewinn in der höchsten Liga mitspielen. Die Geschichte des Spiels, vielleicht auf 1.-Liga-Niveau, ist rasch erzählt: «The Red and Gold» zerzausen in der zweiten Halbzeit die Junioren und gewinnen auf Kunstrasen mit 4:0. Die geschätzten 3000 Personen, die sich ins Stadion verirrt haben, sind aus dem Häuschen, besonders nach dem dritten Tor, nachdem Robin Singh die halbe gegnerische Mannschaft ausgetanzt hat. Vier Mal im Jahr, so erzählt der Sitznachbar, sieht die Welt in Kalkutta aber anders aus. Beim Derby in der I-League und in der lokalen Calcutta League gegen Stadtrivale Mohun Bagan füllen gegen 100 000 Fans das auch als Yuva Bharati Krirangan bekannte Stadion und sorgen für eine fantastische, farbenfrohe Ambiance. Der Entscheid steht fest: Bei der nächsten Reise nach Kalkutta wird nichts mehr dem Zufall überlassen.


rubrik

mämä erklärt

Paradoxon Fansein

Martin «Mämä» Sykora ist der ZWÖLF-Fussballprofessor und Präsident der Alternativliga Zürich

Warum soll man bloss Fan eines Schweizer Fussballvereins sein? Wochenende für Wochenende pilgern auf diesem Planeten Millionen von Menschen in die Stadien, viele davon im sündhaft teuren Trikot ihres Lieblingsteams und mit buntem Schal um den Hals. Im richtigen Leben sind sie Bankangestellte, Studenten, Laboranten, Mechaniker oder Velokuriere, für 90 Minuten gibt es dieses Leben aber ebenso wenig wie Freundin, Familie oder die Steuerrechnung. Es gibt nur eines: ihre Mannschaft, repräsentiert durch die elf Männer in kurzen Hosen, die sie nicht näher kennen. Das hält sie aber keineswegs davon ab, ihretwegen zumindest bis zum Schlusspfiff Objektivität, Hemmungen und Zurückhaltung abzulegen, weil es damit nicht möglich wäre, für den leichtesten Schubser brüllend einen Elfmeter zu fordern oder mit wildfremden Leuten Gesänge auf die Männer auf dem Rasen anzustimmen, auch wenn die Gesangskünste bei einer Castingshow in der Rubrik «Leider nein» für Heiterkeit sorgen würden. Was bringt diese Leute dazu, so sehr für eine Mannschaft zu fiebern, dass sich sogar ihre Stimmungskurve der Formkurve des Teams anpasst? Oder anders gefragt: Wie und weshalb wird man Fan eines Vereins? Alle wollen doch immer das Beste haben. Warum sollte also jemanden, der Fussball liebt, ein mediokrer Verein aus einer Gurkenliga derart berühren? Warum sind nicht einfach alle Fan von Barcelona oder Manchester United, obwohl bei denen das Zuschauen ganz offensichtlich deutlich mehr Spass verspricht? Klar, den näheren Bezug hat man zum lokalen Verein, und als Lokalpatriot unterstützt man selbstredend diesen. Aber reicht das wirklich schon, um sich derart hinzugeben, ob-

wohl viele dieser Vereine oft genug etwas aufführen, das nur marginal an Fussball erinnert? Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Es mag ja durchaus Leute geben, die verzweifelten Kampf lieber mögen als leichtfüssige Traumkombinationen, so viele können es indes nicht sein. Und wer lediglich seine Stadt unterstützen will, der könnte das auch am Turnfest tun und seine Lust auf Fussball stillen, indem er abends entspannt einen guten Match im Fernsehen anschaut, ganz ohne sich ständig aufregen zu müssen. Die Mehrheit der Fans wird schon in frühen Jahren mit diesem Virus infiziert. Die ersten Stadionbesuche faszinieren, bald kennt man die Spieler und beginnt, sie zu schätzen und zu mögen. Heutzutage bleibt aber kaum Zeit, eine Beziehung aufzubauen. Jeweils zu Saisonbeginn werden die Mannschaften durcheinandergewirbelt, und neue Spieler laufen auf, nur um wenige Monate später wieder zu verschwinden. Der Fan bleibt dennoch. Gäbe es noch Rolling-Stones- oder U2Anhänger, wenn diese ihr Personal ständig ausgetauscht hätten? Wohl kaum. Doch Fussballfans verzeihen sehr vieles. Sie brauchen lediglich elf Spieler in ihren Farben, egal welche. Der Mittelfeldspieler

mag im Jahr zuvor für den Rivalen gekickt haben, und man hat ihn mit Schmährufen überschüttet, nun aber ist er «einer von uns», den es zu loben und zu preisen gilt. Man kann sagen, es gibt wirklich keinen einzigen vernünftigen Grund, Fan eines Schweizer Fussballvereins zu sein. Unweigerlich damit verbunden sind grosse Enttäuschungen, lange Leidenszeiten, wenig Freude und nicht zuletzt meist schlechter Fussball. Darüber hinaus konstruieren Fans in Bezug auf ihren Verein oft eine eigene Realität. So schlimm sie jeweils über ihre Spieler herziehen, wenn es mal nicht läuft, so konsequent übertreiben sie die Fähigkeiten desselben Spielers und die Möglichkeiten des Teams in Gesprächen mit neutralen Zuschauern. Von «Grümpikicker» zu «bundesligatauglich» in ein paar Sekunden. Wer Fan ist und es bleiben will, der muss seine Rationalität beim Stadioneingang abgeben. Ich habe diese Fähigkeit nicht. Aber ich wünsche nicht selten, ich hätte einen Verein, der mich so vereinnahmen kann, dass ich bei diesen Partien das Zittern und das Leiden und das Himmelhochjauchzen erleben könnte. Es muss ein schönes Gefühl sein, egal ob es vernünftig ist oder nicht.

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Einlaufen

Rubrik

bieli berichtet

Rainer Bieli spielte schon für 4 Challenge-League-Vereine, zurzeit für den FC Winterthur.

In der Super League kennt man die vollen Fankurven, die laustarke Gesänge anstimmen und toben, wenn etwas nicht nach ihrem Geschmack läuft, zum Beispiel wenn die Spieler nicht das leisten, was sie sollen. Diese Emotionen, die dann hochkommen, erlebt man aber durchaus auch in der Challenge League. Fussball ist für viele Fans ein Ventil, um den Alltagsstress abzubauen. Am Spieltag entlädt sich alles, im positiven wie im negativen Sinn. Die Fans funktionieren genau gleich in der zweithöchsten Liga, der Unterschied ist lediglich die Masse. Auch ein Fan bei uns erwartet von den Spielern Leistung für sein Geld, immerhin bezahlt er mit dem Eintritt unseren Lohn. Durch die kleineren Stadien ist die Distanz zwischen Spielern und Fans deutlich geringer. Auf dem Platz hört man die Kommentare und Sprüche der Zuschauer deutlich und nach schwachen Leistungen kann es schon mal vorkommen, dass eine Gruppe Fans Erklärungen verlangt. Wir können nicht – wie es in grösseren Stadien der Fall ist

das fundstück

– einfach im Spielertunnel verschwinden. Wer damit Probleme hat, dass diese Barriere fehlt, der wird mit den grösseren Massen in einer grösseren Liga erst recht nicht klar kommen. Die Fans in der Challenge League wissen genau, was sie erwarten dürfen. Es wird eher mal ein Fehler akzeptiert. Dafür verlangen einige vielleicht eher, dass die Distanz zu uns Spielern kleiner ist, eben weil es familiärer zu und her geht. Es ist einfacher, persönliche Beziehungen zu den Supportern aufzubauen, es ist aber kein Muss. Ich nehme hin und wieder gerne Einladungen von Fangruppierungen zu einem Chlausabend oder dergleichen an. In Winterthur haben wir immerhin über 2000 Zuschauer im Schnitt, selbst zu Auswärtsspielen kommen noch 200, wenn es nicht gerade in Lausanne ist. Das gabs nicht, als ich noch für Concordia spielte. Ich befürchte aber, dass die kommende Ligareduktion auf 10 Mannschaften keinen positiven Effekt auf die Zuschauerzahlen haben wird. Dadurch

spielt man 4 Mal pro Saison gegen jeden Gegner und wer bis jetzt Locarno schauen geht, wird das auch in Zukunft tun und nicht stattdessen nach Chiasso reisen. Ich finde, eine Reduktion auf 12 oder 14 Vereine hätte genügt, die Ausbildungsliga sollte auch weiterhin die Challenge League sein. Das einzige Positive daran ist: Es stehen dann auch Derbys doppelt so oft an. Auch wenn wahrscheinlich viele Fans noch einen «Zweitklub» in der Super League haben, spürt man dann diese besondere Stimmung und die gesteigerten Erwartungen. Für uns sind das die Partien gegen Wil und gegen Schaffhausen. Da merkt man besonders, dass der Unterschied zur Super League lediglich in der Masse liegt. Das Schweizer Sportfernsehen überträgt alle Montagsspiele der Challenge League. Co-Kommentator ist u.a. Rainer Bieli. Nächste Partien: 21.2. Lugano - Vaduz, 28.2. Wil - Servette, 7.3. Schaffhausen - Biel 14.3. Aarau - Chiasso mit grossem Live-Finale «Einer wie Beni Thurnheer»

Text: Gregory Germond www.sportantiquariat.ch

Liebe Freunde des raren Sportstücks Willy Huber und die Swiss Wanderers

Unlängst konnte ich einige gerahmte eine 0:4-Schlappe. Da erinnerte ich mich Fotos aus dem Nachlass des legen- an ein Matchprogramm zur Partie Arsedären GC-Torhüters (1933–1943) und nal FC gegen die Swiss Wanderers aus 16-fachen Nati-Goalies Willy Huber dem Jahr 1938, das ich vor Jahren dem erstehen. Huber wurde vor allem durch verdienstvollen Fussball-Historiker Beat seine Einsätze an der WM 1938 in Fran- Jung, Herausgeber des Buches «Die Nati» kreich bekannt. Das eine Foto zeigt ihn (Werkstatt Verlag, 2006), verkauft hatte. fundstück?? beim Einlaufen mit den Nati-Kollegen Mi- Ein Blick auf dieses Dokument bestätigte nelli, Bickel, Aebi, Amado u.a. in einem mir: Huber war der Torhüter dieser Swiss ziemlich grossen Stadion. Doch um Wanderers und das Team praktisch idenwelches handelt es sich, und wieso tragen tisch mit der Nati von Dublin! sie nicht das klassische Nati-Trikot mit dem Ich wollte endlich das Rätsel um die Swiss Schweizer Kreuz? Das zweite Foto half Wanderers lüften und konsultierte den mir schon weiter: Es zeigt Huber in der Jahrgang 1938 des «Sport». Prompt erLuft nach einem Ball hechtend. Die hand- fuhr ich mehr. Der Korrespondent des geschriebene Legende sagt: «London, 21. «Sport», der Wiener Jude Willy Meisl, eiSept. 1938 – Training auf dem Arsenal- ner der besten deutschsprachigen SportStadion». Bei meinen Recherchen fand journalisten, war in England im Exil und ich aber kein passendes Datum zu einem berichtete von diesem Spiel. Ich lernte, Spiel der Nati. Vier Tage vorher spielten dass dieses Spiel zustande gekommen die Schweizer in Dublin und kassierten war, weil der damalige Arsenal-Coach

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am 21. Mai 1938 im Hardturm beim Länderspiel Schweiz - England (1:0, einer der raren Siege gegen die Three Lions) unter den Zuschauern war und beeindruckt war vom starken Spiel der Schweizer. Er arrangierte eine inoffizielle Revanche gegen seine Vereinsmannschaft. Das Spiel vor 18 000 Zuschauern verloren die Swiss Wanderers nach aufopferndem Kampf mit 2:3. Wieso sie sich so nannten, habe ich nicht erfahren. Ich vermute, sie haben für ihren Auftritt Geld kassiert, weshalb sie nicht im Nati-Dress spielen durften.


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beni thurnheer

Als der Schweizer Fussball noch Reserven hatte Nein, früher war nicht alles besser, im Gegenteil! Etwas aber schon, nämlich die Zeitspanne der zwei Stunden vor dem Spiel bis zum Anpfiff im Stadion. Wenn heutzutage ein Super-LeagueSpiel auf 20 Uhr angesetzt ist, dann herrscht um 18 Uhr die absolut tote Hose, töter gehts gar nicht! Am tötesten scheinen mir die Winterabende im Zürcher Letzigrund zu sein. Hier hat es um diese Zeit weniger Leute als auf irgendeinem in der Grösse vergleichbaren Grundstück in der ganzen Stadt! Wieso soll jemand jetzt schon auf seinem Platz sitzen oder stehen und frieren – es passiert ja rein gar nichts. Das Flutlicht ist noch auf Sparflamme gesetzt, die Stimmung erinnert an die verdunkelten Quartiere in den britischen Zweitweltkriegsfilmen. England als Vorbild ist gut, aber nur für den Fussball! Die Klubverantwortlichen geben sich ja alle Mühe: Der Platzspeaker begrüsst euphorisch, die Videotafel zeigt bewegte Bilder früherer Partien, manchmal werden auf dem Platz Altinternationale interviewt. Alles vergebene Liebesmüh bis eine halbe Stunde vor Spielbeginn, denn die Ränge sind gähnend leer. Die wahren Fans befinden sich noch im Anmarsch, und die VIPs hocken an ihren weiss gedeckten Tischen und haben nur Augen für den CrevettenCocktail und noch nicht für das Rasenviereck weit unter ihnen. War denn das nicht immer schon so? Nein! Früher gab es die Reserven-Vorspiele. Gleiche Paarung, gleicher Heimvorteil, Kick-off zwei Stunden vor dem Hauptmatch. Diese sogenannten Reserven, denen heute die U21-Teams entsprechen, bestritten eine eigene Meisterschaft mit den identischen Teams wie in der Nationalliga A. So ab Mitte der ersten Halbzeit trudelten schon viele Zuschauer ein, um schon einmal ein bisschen Action im Voraus zu geniessen und sich eventuell an einem ersten Sieg zu erfreuen. Vor allem aber konnte man hier die Akteure bewundern, die sich für die erste Mannschaft empfehlen wollten, oder die gesundheitlichen Fortschritte der Stars beurteilen, die sich hier nach einer Verletzung wieder in Schwung zu bringen trachteten. Wenn in Winterthur der

«kleine» Rutschmann im Sturm wirbelte, der Bruder von Stammspieler Ernst, kam Stimmung auf, und die Experten auf der Tribüne fragten sich, wann ihn der Trainer endlich im «Eins» einsetzen würde. Und war der Ersatzgoalie nicht besser als derjenige, der nachher zum Einsatz kommen würde? Manchmal bestritt sogar ein Spieler je eine Halbzeit in beiden Begegnungen! Alles in allem: Stimmung, Diskussionen, Emotionen, Tausende von Zuschauern schon mehr als eine Stunde vor dem Hauptevent! Der Letzigrund war auch hier ein Sonderfall, damals aber noch im positiven Sinn. Den teilte sich der FC Zürich nämlich mit den Young Fellows als Heimstadion, und so kamen die Fans hier sogar in den Genuss einer Nationalliga-B-Partie als Vorspiel! Zuerst also zum Beispiel Young Fellows gegen Winterthur und anschliessend Zürich gegen Basel in einem Atemzug! Die tolle Stimmung trug YF sogar bis in die Nationalliga A, und auch dann gab es die legendären Doppelspiele! Einmal lagen die Young Fellows zu Beginn der Saison in der Tabelle sogar vor dem grossen Rivalen, was sofort die Frage aufwarf, ob jetzt der Stadtklub sonntags um

Beni National ist der neuste ZWÖLF-Transfercoup.

13 Uhr das Vorspiel bestreiten müsse. FCZPräsident Edi Nägeli erstickte diese Diskussion aber sofort im Keim. Alles, was recht ist... ! Das Hierarchieproblem löste sich sowieso bald wieder von allein... Was spricht heutzutage gegen eine Parallel-U21-Super League bzw. -Challenge League zur Attraktivitätssteigerung des Vorprogramms? Das Killer-Argument stammt von den Platzwarten: Der Rasen würde einer solchen Belastung nicht standhalten. Bei Kunstrasen würde eine solche Begründung allerdings hinfällig. Und war der Rasen vor 40 Jahren denn so viel besser? Killer-Argument Nr. 2: Die Besucher sollen in der Stunde vor dem Spiel konsumieren und Souvenirs kaufen. Zu kurz gedacht: Die Zuschauer würden doppelt so viel Zeit im Stadion verbringen und damit auch länger Gelegenheit haben, ihr Geld auszugeben. Maximal vier U21-Teams sollen in einer neu geschaffenen 1. Liga Promotion zugelassen werden, eine unsportliche Flickwerk-Lösung, die beweist, dass die U-21 im ordentlichen Liga-Raster fehl am Platz ist. Noch ein Grund für den dringenden Appell: Gebt uns die Reserve- bzw. U21Vorspiele zurück!

der Cartoon Von Konrad Beck, Christian Wipfli


w채r ich doch am match... Bild: Stefan Schaufelberger


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Jeder kennt solche Situationen. Die Frau will dies, die Familie jenes – und du bei alledem nur das eine: im Stadion sein. Das Leben ist aber kein Wunschkonzert. Und das zeigen wir auf diesen Seiten in unserer neuen Serie sechsmal schmerzhaft auf.


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«Mehr kann man sich eigentlich nicht wünschen»

Scott Chipperfield ist der dienstälteste Spieler der Super League und holte mehr Titel als alle anderen Basler Legenden. Mit ZWÖLF sprach er über seine Karriere vom Schulbusfahrer zum Musterprofi. Interview: Mämä Sykora, Gian-Andri Casutt / Bilder: Christian Breitler


Scott Chipperfield ZWÖLF: Fussball spielt in Australien eher eine Nebenrolle, Cricket und Rugby sind die dominierenden Sportarten. Wieso bist du dennoch beim Fussball gelandet? Scott Chipperfield: Ich bin in Wollongong aufgewachsen, einer Stadt im Süd-

«Ich hatte noch nie etwas vom FC Basel gehört.» westen Australiens etwa von der Grösse Basels, da ist Rugby die Nummer eins. Aber meine Mutter spielte schon Fussball, ihre beiden Brüder ebenfalls. Da war das schon vorprogrammiert. Ich begann bereits mit vier Jahren. Profi konnte deine Mutter damals wohl nicht werden. Nein, natürlich nicht, das ist dreissig Jahre her. Sie spielte lediglich eine Stadtmeisterschaft. Es gab noch keine nationale Meisterschaft für Frauen. Sie verdiente ihr Geld als Putzfrau in der Schule, mein Vater war Mechaniker bei einem Busunternehmen. Als ich mit der Schule fertig war, ging ich auch dort in die Lehre, wo ich mehrheitlich als Buschauffeur eingesetzt wurde. Wie hast du in jener Zeit Fussball verfolgt? Ich interessierte mich vor allem für den lokalen Verein, die Wollongong Wolves, die es mittlerweile nicht mehr gibt. Bei Heimspielen war ich oft Balljunge. Der Zuschaueraufmarsch war jeweils sehr bescheiden, zu gross war die Konkurrenz durch Rugby. Bei den Wolves hast du erst mit 21 Jahren in der ersten Mannschaft gespielt. Lebte der Traum vom Profifussball dennoch weiter? Für mich war es mehr ein Hobby denn ein Berufswunsch. Eine Profiliga gab es zu der Zeit ohnehin noch nicht. Ich arbei-

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tete den Tag durch und fuhr abends ins Training. Nachdem wir zweimal in Folge die Meisterschaft gewonnen hatten, kam auch das Interesse von europäischen Vereinen. (Eine Frau tritt an den Tisch und bittet Scott um Autogramme für ihre zwei Söhne.) Zweimal Meister und zweimal die Auszeichnung als bester Spieler der Liga: Wurdest du in Wollongong auch auf der Strasse erkannt und angesprochen, wie das hier der Fall ist? Auf der Strasse nicht, aber dadurch, dass ich den Schulbus fuhr, kannten mich viele Kinder, und die wussten auch, dass ich Fussball spiele. Mit denen habe ich oft über das Spiel vom Wochenende geplaudert. Manchmal ergaben sich auch Gespräche mit Passagieren, wenn ich Linienbusse gefahren bin. Nervt es dich, dass du hier überall erkannt wirst? Es ist wirklich nicht oft der Fall, dass ich angehalten werde und um ein Autogramm gebeten werde. Ich habe überhaupt keine Probleme damit. Die Bolton Wanderers luden dich nach deinen Erfolgen in Australien zu Tests ein. Warum hat es nicht geklappt? Ich war nur für vier Tage da, und es war bald klar, dass ich keine Arbeitsbewilligung bekommen würde (Nicht-EUSpieler erhalten in England nur dann eine Arbeitserlaubnis, wenn sie in den letzten zwei Jahren mindestens 70 Prozent der Länderspiele ihres Heimatlandes absolviert haben. – Anm. d. Red.). Sie hätten mir sonst einen Vertrag offeriert, obwohl ich erst einen Tag vor dem ersten Testspiel angekommen bin und mit Jetlag auf dem Platz herumstolperte. Dann blieb nur noch der FC Basel? Ich hatte auch ein Angebot vom FC Lorient aus Frankreich, aber das war lediglich ein Einjahresvertrag. Da war die Offerte des FCB über vier Jahre deutlich attraktiver für mich.

Mal ganz ehrlich: Hattest du zuvor schon mal etwas vom FC Basel gehört? Nein, noch nie. (Lacht.) Das darf ich ja fast nicht sagen, aber ich kannte aus der Schweiz lediglich die Grasshoppers. Von den Spielern des FCB kannte ich immerhin Ivan Ergic bereits, gegen ihn hatte ich im Jahr zuvor in der australischen Meisterschaft gespielt, als er noch bei Perth Glory war. Wie war der Start in der Schweiz? Hast du dich schnell eingelebt? Einfach war es nicht. Plötzlich war ich sehr weit weg von zu Hause, dabei hätte ich nie gedacht, dass ich Wollongong jemals verlassen würde, wo meine ganze Familie und meine Freunde lebten. Ich zögerte lange mit der Entscheidung. Die grösste Umstellung war aber sportlicher Natur. Wollongong war nur ein halbprofessioneller Verein, wir trainierten lediglich zwei bis drei Mal in der Woche. Die meisten Spieler hatten daneben noch einen «richtigen» Beruf. Nun hatte ich plötzlich jeden Tag Training, und das unter Christian Gross – wie man sich denken kann – jeweils sehr intensiv. Ich brauchte schon zwei bis drei Monate, bis ich mich wohlgefühlt habe. Die ersten Spiele waren bestimmt nicht meine besten. Das allererste Meisterschaftsspiel dürfte dir noch gut in Erinnerung sein... O ja! (Lacht.) Wir verloren 1:8 in Sion, und ich dachte mir schon: «Mein Gott, worauf hast du dich da bloss eingelassen. Womit habe ich das verdient?» Zum Glück ging es danach aufwärts, und wir wurden Meister und Cupsieger. Wer war in den ersten Monaten am wichtigsten für dich? Zu Ivan Ergic und George Koumantarakis hatte ich dank der Sprache den einfachsten Zugang, sie halfen mir auch in der Anfangszeit am meisten und gaben mir das Gefühl, hier willkommen zu sein. Mit beiden habe ich heute noch Kontakt. Wie findet man denn als ausländischer Profifussballer Freunde in einem fremden Land?


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Scott Chipperfield Ich habe nicht viele Freunde ausserhalb der Mannschaft. Es ist nicht einfach, neue Leute kennenzulernen, wenn man so oft unterwegs ist und dazu noch die Sprache nicht spricht. Auch mit anderen hier lebenden Australiern habe ich kaum Kontakt.

«Ich habe keine Ahnung, warum mich viele mögen.» Wie hast du denn deine Frau, eine Emmentalerin, kennengelernt? Sie hat im «Papa Joe's» gearbeitet, wohin wir jeweils gehen, wenn wir in der Mannschaft etwas zu feiern haben. Da habe ich sie vor acht Jahren kennengelernt, nun sind wir verheiratet und haben zwei Söhne. Durch sie habe ich auch viele neue Leute getroffen, aus ihrem Freundeskreis und ihrer Familie. Worin unterscheidet sich der Fussball hier von demjenigen in Australien? In Australien ist das Spiel etwas physischer, während die Spieler hier bessere Techniker sind. Ich kannte eher das klassische Kick ‘n‘ Rush – Ball nach vorne dreschen und hinterherlaufen. Das war doch ziemlich nahe am System von Christian Gross zu der Zeit... Wobei Murat Yakin mal gesagt hat, dies sei zwar die Vorgabe gewesen, ihr Spieler auf dem Platz hättet euch aber doch nicht wirklich genau daran gehalten. (Lächelt.) Ja, da hatte Murat durchaus recht. Andere ausländische Spieler benutzen die Super League lediglich als Zwischenstopp. Du bist nun schon zehn Jahre beim FC Basel und damit der dienstälteste aktive Spieler der Liga. Bist du zufrieden mit deiner Karriere? Ich wurde fünf Mal Meister und ebenso oft Cupsieger. Wir spielten jedes Jahr um die Meisterschaft und waren immer eu-

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ropäisch vertreten. Mehr kann man sich eigentlich nicht wünschen. Eine Enttäuschung war, dass ich in der Champions League wegen einer Verletzung nicht gegen Liverpool spielen konnte, meinen Lieblingsverein. Nach der WM 2006 hatte ich ein Angebot von Charlton Athletic. Das war zwar verlockend, und der Transfer war fast schon unter Dach und Fach, ich entschied mich aber dann doch dazu hierzubleiben. Meine Frau wollte nicht nach England ziehen, und ich scheute das Risiko. Was, wenn ich da nicht zum Spielen komme und auf der Bank versauere? Das wollte ich nicht auf mich nehmen. Anfang 2009 dann wurde dein Wechsel zu Hertha Berlin verkündet. Bist du traurig darüber, dass es nicht geklappt hat? Mein Vertrag mit Basel wäre im Sommer ausgelaufen, da kam die Anfrage von Hertha Berlin, damals noch mit Trainer Lucien Favre. Ich war schon 33, und ich wusste, dies würde meine letzte Chance sein, es doch noch woanders zu versuchen. Die Vereine konnten sich einigen, nun stand nichts mehr im Weg – dachte ich zumindest. Mit Basel bestritt ich noch ein letztes Testspiel auf Kunstrasen, dabei entzündete sich eine Operationsnarbe im linken Fuss. Obwohl laut Ärzten keine Gefahr einer weiteren Verletzung bestand, zog Hertha das Angebot nach den medizinischen Tests zurück. Ich war zwar enttäuscht, aber ich spielte bei Basel eine sehr gute Rückrunde und schoss dabei neun Tore. Hertha stieg ab, wir wurden Meister und spielten Champions League. Es war also doch vielleicht ganz richtig, dass ich geblieben bin. Du hast zwar nur für einen Profiverein gespielt, dafür auf nahezu jeder Position. Andere Spieler beginnen schon zu maulen, wenn sie nicht auf ihrer bevorzugten Position spielen. Du scheinst dich mit allem abzufinden, sogar mit der Rolle als Joker. Wo ich eingesetzt werde, ist mir eigentlich egal. In der Jugend war ich Stürmer, dann im linken Mittelfeld. Im Nationalteam war ich meist linker Aussenverteidiger. Es ist ein grosser Vorteil, wenn man vielseitig

einsetzbar ist, die Chance auf Einsätze ist viel höher, zumal es viele Verletzte und Gesperrte gibt. Jetzt spiele ich aber am liebsten im Sturm, da muss man weniger laufen und kann vorne einfach auf den Ball warten. (Lacht.) Ich sage das nicht nur, ich bin wirklich ein Teamplayer. Ich spiele da, wo ich gebraucht werde, und wenn ich mal auf der Bank sitze, ist das auch in Ordnung, mein Ersatz hat sich seinen Einsatz auch verdient. Ich werde deswegen bestimmt nicht sauer. Das klingt fast schon zu vorbildlich. Du bietest kaum Angriffsfläche. Sogar die Fans eurer grössten Rivalen – beispielsweise des FCZ – mögen dich. Irgendwas machst du also falsch. Ist das so? Keine Ahnung, warum das so ist. Vielleicht ist es einfach wegen meiner Art zu spielen. Ich gebe alles auf dem Platz, provoziere nicht. Ich denke, ich spiele ziemlich fair, obwohl ich gegen Zürich auch schon Rot kassiert habe. Du bist mittlerweile 35 Jahre alt. Wehrt sich dein Körper schon gegen die täglichen Strapazen? Ich spüre noch überraschend wenige Abnützungserscheinungen. Zudem hat sich meine Rolle im Verein gewandelt. Nun sind es nicht mehr ganz so viele Einsätze wie früher und oft nur Teilzeitarbeit, gleichzeitig ist das Training nicht mehr ganz so hart wie unter Christian Gross. Und bei kleineren Blessuren hat Thorsten Fink Verständnis, wenn man mal kürzertritt oder ein Training auslassen will. Er sagt jeweils: «Du kennst deinen Körper am besten.» Diese Ansicht gefällt mir sehr an ihm. Fink und Gross waren deine einzigen Trainer in Europa. Ein grosser Unterschied? O ja, das sind zwei sehr verschiedene Typen. Gross setzte mehr auf ideale Vorbereitung, Einstellung und Seriosität. Nach einer Taktikbesprechung unter Gross kennt man jeden Spieler des Gegners mit all seinen Stärken und Schwächen. Fink versucht eher, den Druck etwas von den Spielern zu nehmen und ihnen durch mehr Lockerheit das nötige Selbstvertrau-


Nati-Stammtisch

en zu geben. Je nach Charakter der Spieler bringt einen natürlich das eine oder das andere weiter. Das sieht man auch daran, wer unter welchem Trainer herausragende Leistungen bringt. Die Zusammensetzung der Mannschaft hat sich in den zehn Jahren auch stark geändert. Man setzt nun verstärkt auf die Karte Jugend. Wie fühlt man sich als Team-Oldie?

Als ich angekommen bin, war das Durchschnittsalter deutlich höher als jetzt. In der Mannschaft sind nun einige, die gerade mal halb so alt sind wie ich. Natürlich ist die Beziehung zu ungefähr gleichaltrigen Teamkollegen enger. Ich habe Kinder und führe ein völlig anderes Leben mit anderen Zielen als die jungen Talente, die gerne mal ausgehen und all ihr Geld in Discos ausgeben.

Warst du nicht so in diesem Alter? Aber natürlich. Nur spielte der Fussball damals für mich nur eine kleine Nebenrolle. Ich habe hart gearbeitet und mich dann auf das Wochenende gefreut. Ich habe das Leben genossen. Die Jungprofis heute wachsen völlig anders auf. Sie trainieren sehr viel und bekommen dafür die Möglichkeit, eine grosse Laufbahn hinzulegen. Leider denken viele schon nach zwei, drei Spielen an einen Transfer ins Ausland. Es

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wäre besser, sie würden erst hier mal ein paar Saisons durchstehen, anstatt frühzeitig zu wechseln, dort auf der Bank zu sitzen und dann zu einem kleineren Schweizer Verein zurückzukommen. Sagst du das deinen Teamkollegen auch? Das müssen sie selber wissen. Schliesslich geht es um ihre Karriere, da muss ich ihnen nicht dreinreden. Heutzutage hören die Jungen doch sowieso nicht mehr auf die Alten. (Lacht.) Was würdest du als Highlight deiner Karriere bezeichnen? Es gab einiges, auf das ich stolz bin. Die Meistertitel mit Basel, natürlich die Auftritte in der Champions League. Aber das Grösste war für mich die WM 2006. Wir haben uns für die Endrunde in Deutschland qualifiziert, die erste WM-Teilnahme für Australien seit 32 Jahren. Wir schafften es sogar ins Achtelfinale und schieden gegen Italien nur aus wegen dieses Elfmeters in der letzten Minute. Und das sah wirklich nicht nach einem Elfmeter aus! Hätten wir dieses Spiel gewonnen, wären wir auf die Ukraine getroffen im Viertelfinale. Die hätten wir schlagen können, und schon wären wir im Halbfinale gestanden. Es ist immer schön, davon zu reden, was alles hätte sein können. Aber auch so war es Erfolg genug, um dem Fussball in der Heimat einen

Scott Chipperfield Der Australier Scott Chipperfield (*1975) begann seine Karriere bei den Wollongong Wolves, mit denen er zweimal die Meisterschaft gewann und dabei zweimal als bester Spieler der Liga ausgezeichnet wurde. 2001 wechselte er ablösefrei zum FC Basel und absolvierte bislang über 250 Pflichtspiele. Mit 5 Meistertiteln und 5 Cupsiegen ist er der erfolgreichste FCBSpieler aller Zeiten. 1998 debütierte er in der australischen Nationalmannschaft und nahm an den WM-Endrunden 2006 und 2010 teil. Nach 68 Spielen und 12 Toren erklärte er nach der WM in Südafrika den Rücktritt aus der Nationalelf. Chipperfield erhielt dank seiner Heirat die Schweizer Staatsbürgerschaft und hat mit seiner Frau Stefanie zwei Söhne. (syk)

grossen Boost zu verleihen. Eine Profiliga wurde endlich gegründet, Sponsoren rissen sich darum, einsteigen zu können, und die Zuschauerzahlen stiegen. Nach dem Gruppenspiel gegen Brasilien (0:1) überreichte dir deren Co-Trainer

Mario Zagallo das Shirt von Roberto Carlos und wollte dafür deines. Du hast dir das Trikot angeschaut und es ihm zurückgegeben. Magst du Roberto Carlos nicht? Das war nicht deswegen. Aber die Leute von der brasilianischen Bank brachten Trikots, die gar nicht getragen worden sind, die hatten nicht mal das WM-Logo aufgedruckt! Ich wollte eines, in dem auch gespielt worden ist. Ich habe dann jenes von Lúcio ergattert. Ist das deine liebste Trophäe? Nein, mein liebstes ist das Shirt von Andrea Pirlo, auch von der WM 2006. Und ich habe auch das von Luka Modrić. Mit 23 hast du in der australischen Nationalmannschaft debütiert. Meistens standen Spiele in der Ozeanien-Zone auf dem Programm gegen Vanuatu, die Salomon-Inseln oder Amerikanisch-Samoa. Macht das überhaupt Spass, wenn der Klassenunterschied so riesig ist? Es war wirklich nicht die optimale Lösung. Weder für uns noch für die inferioren Gegner waren diese Begegnungen ein Spass. Obwohl für die Qualifikationsspiele keine Legionäre aufgeboten wurden, gewannen wir beispielsweise gegen AmerikanischSamoa 31:0. Und das war beileibe nicht der einzige Kantersieg. Aber der Spielplan

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Scott Chipperfield wollte es so, und dem mussten sich alle fügen. Bei den ersten Partien auf den ozeanischen Inseln war ich schockiert, wie arm Länder wie beispielsweise die Salomonen sind, obwohl sie so nahe liegen. Mittlerweile spielt Australien die WMQuali in der Asien-Gruppe. Wird es nun Stammgast an Weltmeisterschaften? Es ist sicher einfach geworden durch den Wechsel nach Asien. Zuvor entschied jeweils die Tagesform in den Barrage-Spielen gegen den Fünften der Südamerika-Gruppe, nun kann man sich auch mal einen Ausrutscher leisten. Aber die nächsten Jahre werden nicht einfach, weil viele Leistungsträger wie Kewell, Cahill, Neill oder Emerton aufs Karriereende zusteuern. Dir lagen die Socceroos anscheinend mehr am Herzen als anderen. Als der australische Verband 2002 finanzielle Schwierigkeiten hatte und die Reisekosten der Spieler aus Europa nicht mehr berappen konnte, warst du der Einzige,

der trotzdem auf eigene Rechnung an die Ozeanien-Meisterschaft nach Neuseeland reiste. Das war für mich selbstverständlich. Es ist doch der Traum jedes Fussballers, für sein Heimatland spielen zu können, auch wenn man dafür kein Geld bekommt. Anscheinend sahen das nicht alle so wie ich. Ärgerlich war aber vor allem, dass wir das Endspiel gegen Neuseeland verloren. Nach der WM in Südafrika hast du deinen Rücktritt aus der Nationalelf erklärt. Auch deine Vereinskarriere neigt sich dem Ende zu. Da wirst du dir bestimmt schon Gedanken über die Zeit danach gemacht haben. Fussball war für 15 Jahre ein so wichtiger Teil meines Lebens, dass ich mich nicht von heute auf morgen davon verabschieden werde. Ich würde gerne noch ein Jahr spielen, danach schwebt mir ein Traineramt vor. Allerdings nicht im Profibereich, sondern im Nachwuchs, am liebsten für 6- bis 12-Jährige.

Traust du dir ein Engagement als Profitrainer nicht zu? Es reizt mich einfach nicht. Das ist viel zu stressig, zu viel Druck. Wenn du ein paar Spiele verlierst, bist du arbeitslos. Mit Kindern zu arbeiten, ist viel angenehmer. Seit 2007 bist du Schweizer Bürger. Verfolgst du die Politik hierzulande und nutzt dein Recht zu wählen und abzustimmen? Nein, um Politik kümmere ich mich überhaupt nicht. Viele Basel-Fans schätzen dich so ein, dass du nicht mehr in deine Heimat zurückkehren wirst. Liegen sie richtig? Ich weiss wirklich noch nicht, wo wir landen werden. Meine Frau würde gerne hierbleiben, allerdings ist das Wetter in Australien viel besser. Und es gibt Strände, die vermisse ich. Aber auch mir gefällt es hier, es ist sehr sauber, und es gibt kaum Verbrechen, da bin ich mir anderes gewohnt von Australien. Anzeige

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Bilder: Christian Breitler

Gaga à gogo Mit Merchandising lässt sich im Fussball Millionen verdienen. In der Schweiz wohl aber eher nicht und mit den hier vorgestellten Artikeln schon gar nicht. Die bizarrsten Fan-Utensilien aus der Super League.

FC Zürich: Fressnapf Damit es schon bald den nächsten dicken Hund gibt. Kommt demnächst ein neuer Brolin?

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(CHF 40.–)


Merchandising

FC Luzern: Weihnachtskugeln Tabellenführung in der Winterpause, die FCL-Fans lassen den Weihnachts­baum als Erinnerung daran gerne noch bis in den Sommer stehen. 4er-Box (CHF 35.–)

Xamax: Babypantoffeln Grasshoppers: Nuggi Die besten Abnehmer für diesen Fanartikel finden sich momentan in der A-Mannschaft. Set (CHF 16.–)

Um einem weiteren Fall «Gavranovic» vorzubeugen, , setzt man in Neuenburg darauf Vereinstreue wörtlich von Kindesbeinen an einzuimpfen. ) 0) F 16,0 F 28.– (CH(CH Set

FC Sion: Kissenbezug Praktischer Nebeneffekt: Immer wenn CC einen Trainer entlässt, weiss man, dass es Zeit ist, die Bettwäsche zu wechseln. 65 x 100 cm (CHF 15.–)

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Merchandising

FC Thun: Turnbeutel Einen Turnbeutel brauchen alle Schülerinnen, die ja bekanntlich als Zaungäste bei Thun-Trainings sehr gerne gesehen werden. (CHF 19.–)

FC St. Gallen: Poster Marc Zellwe

FC Basel: Zaubervase

se Zelli himself wurde zwar auf die sse gro Saison zu Brühl abgeschoben, ig. Kunst lebt indes zum Glück ew

Zaubern tut sie etwa so wie Huggel, dafür ist sie stabil wie Streller und von imposanter Grösse wie Shaqiri.

ger

(CHF 30.–)

(CHF 20.–)

AC Bellinzona: Klebe-Uhr Young Boys: Stringtanga

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zu sein, Es scheint moralisch einwandfrei lle ihre Ste ten wenn Frauen an ihrer intims n. dtu Vorliebe für junge Buben kun (CHF 19.–)

guten Es gibt bestimmt Dutzende von e ein Einsatzmöglichkeiten für nur klebende Uhr – uns wollen die alls enf gerade nicht einfallen. Jed kleben bleibt die Uhr bestimmt länger . als die Spieler in Bellinzona (CHF 25.–)


Nachdruck Text: Richard Reich

Elf Fremde müsst ihr sein

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26 Spieler stiessen alleine in der Winterpause neu zu SuperLeague-Vereinen. Die möglichen Auswirkungen zeigte niemand schöner als der Schriftsteller Richard Reich. «Wer bist denn du?», sagte in der 17. Spielminute der Innenverteidiger zum Aussenverteidiger. «Ich bin der neue linke Aussenverteidiger», sagte der Aussenverteidiger zum Innenverteidiger. «Aha, dann musst du dieser Schotte sein», sagte der Innenverteidiger. «Nein, ich bin Slowake», korrigierte der Aussenverteidiger. «So, so, der Slowake», murmelte der Innenverteidiger, «das ist mir neu.» Stirnrunzelnd grätschte er einem heranstürmenden Gegner in die Beine. Obwohl er dabei durchaus auch teilweise den Ball traf, vergass er, beim Schiedsrichter gegen die Gelbe Karte zu protestieren, so gedankenverloren war er. «Wie bist denn du hierher geraten?», fragte der Innenverteidiger den neuen Aussenverteidiger in der 24. Minute bei einem Einwurf an der linken Seitenlinie. «Ganz einfach», antwortete der Aussenverteidiger, «mein Agent wollte mich zu einem drittklassigen Klub in Italien vermitteln, doch weil dieser dem gleichen Pharmakonzern gehört wie der belgische Spitzenverein, bei dem ich unter Vertrag stehe, aber nicht zum Einsatz komme, war es EU-kartellrechtlich gesehen besser, mich für fünf Wochen in die Schweiz zu verleihen.» Kopfschüttelnd warf der Innenverteidiger den Ball genau in zwei gegnerische Füsse, erkämpfte ihn sich aber sogleich zurück und setzte zu einem seiner berühmten Steilpässe in Richtung des rechten Flügelstürmers an, als ihm einfiel, dass dieser ja letzte Woche nach Deutschland verkauft worden war. Verwirrt spielte er den Ball unter dem Gejohle der Zuschauer zum Torhüter zurück. «Bist du denn schon länger hier?», fragte der Aussenverteidiger den Innenverteidiger

in der 32. Minute. «Mehr als zehn Jahre», antwortete der Innenverteidiger und fühlte sich plötzlich alt. «Dann weisst du sicher, wie dieser linke Aufbauer heisst, der da vor mir steht», fuhr der Aussenverteidiger fort. «Er ist doch angeschrieben: Skrzypczak», knurrte der Innenverteidiger etwas ungeduldig, denn schliesslich standen sie beide am eigenen Sechzehner in einer Viermannmauer, und der gegnerische Freistossexperte schickte sich soeben an, einen seiner lebensgefährlichen Vollristschüsse abzufeuern. «Schon, schon», sagte der Aussenverteidiger, während er flugs vor dem herannahenden Ball den Kopf einzog, «aber ich wollte wissen, ob er Peter oder Paul oder meinetwegen Piotr heisst. Es macht sich doch schlecht, wenn man sich auf dem Feld unter Mannschaftskameraden wie Fremde anredet.» Die Antwort des Innenverteidigers ging im Torgeschrei des Publikums unter. «Darf ich dich im Vertrauen etwas fragen?», fragte der neue Aussenverteidiger den alten Innenverteidiger kurz nach der Pause. «Kannst du eigentlich, Hand aufs Herz, unsere fünf schwarzen Mannschaftskollegen unterscheiden, wenn sie keine nummerierten Trikots anhaben?» Die beiden Abwehrspieler standen gerade an der Mittellinie und schauten zu, wie einer ihrer Mannschaftskollegen einen Penalty verschoss. «Diese Frage ist eindeutig rassistisch, aber nicht unbegründet», sagte der Innenverteidiger. «Ich selber kann zwar wohl unseren neuen Nigerianer von den beiden Zuzügen von der Elfenbeinküste unterscheiden, und auch unser Namibier und der Südafrikaner schauen wirklich ganz eigen aus. Andererseits bringe ich aber ständig unsere vielen Nachwuchstalente

durcheinander, die alle Akne, schwarze Haare und genau die gleiche Wetgel-Frisur haben.» Gerne hätte der Innenverteidiger, den es vor einem Jahrzehnt eher zufällig aus Norwegen in diesen Klub verschlagen hatte, auch noch etwas über die paar gebürtigen Schweizer in der Mannschaft gesagt. Doch er konnte jetzt nicht umhin, einem entlaufenden Mittelstürmer nachzulaufen, welcher schon acht Meter Vorsprung hatte und vermutlich auch bald seinem Auftrag als sogenannter Vollstrecker nachkommen würde. «Fühlst du dich», fragte der neue Aussenverteidiger den alten Innenverteidiger eine Viertelstunde vor Schluss, «nicht auch manchmal etwas einsam in diesem Beruf?» Der Angesprochene schaute lange in die Ferne, weit über den Stadionrand hinaus. «Der Fussball war schon immer ein Abbild der Gesellschaft», sagte er dann. «Und so, wie die heutige Gesellschaft den flexiblen Menschen fordert, braucht die moderne Mannschaft den flexiblen Fussballer. Nicht elf Freunde müsst ihr sein, sondern perfekt ausgebildet, vielseitig zu verwenden und dabei jederzeit wechselbar.» Nachdenklich nickend blieb der Aussenverteidiger stehen und hob damit die Abseitsfalle auf. «Nur eine Frage noch», sagte er, während sein Gegenspieler im Hintergrund zum 0:3 einschoss. «Wer ist eigentlich unser Trainer?» Da lachte der Innenverteidiger von Herzen und sagte: «Siehst du den Mann mit dem roten Kopf dort? Der so wild herumfuchtelt und uns die Faust zeigt? Das ist der Trainer. Er wird uns wohl aber demnächst auswechseln, aber gräm dich nicht. Man sagt, er sei schon so gut wie entlassen.»

Diese und weitere Kolumnen von Richard Reich für die NZZ erschienen 2001 unter dem Titel «Ovoland». Der Folgeband heisst «Das Leben ist eine Turnhalle» (2004). Sein jüngstes Werk ist «Codewort Laudinella – Ein Hotelroman» (2007) – schliesslich fahren auch Fussballer mal in die Ferien.

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Text: Fritz Schmid und Roger Stilz / Bilder: Fritz Schmid / Illustration: AndrĂŠ Bex

SPIELEND AUS DEM SUMPF


KAMBODSCHA rubrik

Einst kickte er f체r eine Stange Zigaretten pro Monat. Heute ist der Schweizer Samuel Schweingruber in Kambodscha Nationaltrainer. Und er hat einiges zu erz채hlen.

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Chet als Schiedsrichter! Der 28-Jährige schlug sich noch vor wenigen Jahren als Kleinkrimineller auf der Strasse durch. Mittlerweile ist er bei SALT als fester Coach angestellt.

E

s war ein absurd anmutendes Honorar, aber auch eines, das einem verdeutlicht, wie weit weg man von zu Hause ist. Samuel Schweingruber unterschrieb 2003 in Kambodscha beim Fussballklub Mild Seven einen Vertrag. Er war, pünktlich um sechs Uhr, zum Probetraining erschienen und absolvierte die harte Laufeinheit zur Zufriedenheit des Trainers. Über die Aufwandsentschädigung wurde nicht diskutiert. Sie war für alle Akteure gleich: eine Stange Zigaretten pro Monat sowie 30 Dollar (28 Franken). Und eine Auflage des Präsidenten obendrein: Nur der Coach dürfe die Kippen selbst rauchen. Die Spieler sollten sie lediglich verkaufen. Seit der Unterschrift bei Mild Seven sind sieben Jahre vergangen. Und heute ist es nicht mehr so, dass der 32-Jährige zur Laufeinheit gebeten wird, inzwischen gibt er die Anweisungen. Denn der in Pfyn TG geborene und aufgewachsene Schweingruber ist Trainer geworden. Die Hypothek der Vergangenheit Junge Mädchen sind es, die am Strassenrand stehen. Fussballschuhe an,

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leuchtend gelbe Trikots übergezogen. Der Schriftzug darauf ist von Weitem zu erkennen: SALT – für «Sport And Leadership Training». Frühmorgens schwingen sich die Mädchen auf den Geländewagen. Ziel: Battambang, das sich rund 300 Kilometer westlich der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh befindet. Einwohnerzahl: 200 000. Fahrer Sina kennt den Weg zu den alten Holzhütten weit draussen, scheut auch vom Dauerregen aufgeweichte Strassen nicht. Einsam stehen die Mädchen da, um danach auf der Ladefläche umso herzlicher von ihren Mitspielerinnen begrüsst zu werden. Doch nicht nur die Strassen sind holprig und unwegsam. Allgemein ist es hart, das Leben für junge KambodschanerInnen. Die Vergangenheit gibt die Zukunft vor. Obwohl gerade das Gebiet im Osten aufgrund der fruchtbaren Böden als «Reiskorb des Landes» bezeichnet wird, müssen die Menschen im Durchschnitt mit 1800 Riel pro Tag (Fr. 0.41) auskommen. Unter der Herrschaft der maoistisch-nationalistischen Guerillabewegung Rote Khmer (1975–1979)

hatte nahezu jeder Kambodschaner den Verlust von Verwandten hinzunehmen. Das Land berappelt sich zwar, aber langsam. Ein kleiner Teil der 14,3 Millionen Einwohner gilt als neureich. Menschen im Rentenalter gibt es kaum. Sie machen gerade einmal 3,6 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Kambodschas Altersdurchschnitt liegt bei 22 Jahren. Ein Drittel der Bevölkerung ist unter 14. Die Gefahr, dass Jugendliche im Sumpf der Kleinkriminalität stecken bleiben, ist gross, die Chance auf Bildung klein. Das diktatorische Regime der Roten Khmer hat Intellektuelle systematisch verfolgt. Nun ist die Regierung zwar bestrebt, die sozialen Einrichtungen peu à peu wieder in Betrieb zu nehmen, aber es herrscht grosser Lehrermangel. Unqualifizierte Lehrkräfte sowie die niedrigen Gehälter führen allerdings dazu, dass Korruption auch vor Klassenzimmern nicht haltmacht. In Battambang beträgt ein Lehrergehalt 58 Franken pro Monat. Schweingruber gründete die SALT Academy 2006. Es ist eine gemeinnützige Organisation, angemeldet in der Schweiz. «Ich kann hier mit meinen


kambodscha

Eine Mädchenmannschaft aus den USA absolvierte ein Trainingslager in Kambodscha. Zum Dank liess das Team aus Washington die Trikots da – die Mädchen freuts.

Konzepten viel mehr Leuten helfen, als mir das zu Hause möglich wäre. Und als ich nach meinem ersten längeren Aufenthalt in Kambodscha in die Schweiz zurückkehrte, stellte ich mir immer wieder die gleiche Frage: Warum unterhält dieses Land keinen Jugendfussball?» Schweingruber besuchte das Lehrerseminar in Kreuzlingen, schloss dieses 2000 ab. Danach vertiefte er auf Hawaii seine Englisch-Kenntnisse. Zurück in der Heimat, leistete er den Zivildienst, wollte im Anschluss aber noch nicht unterrichten, sondern die Welt sehen und reisen. Er landete unter anderem in Indien, verband Fussballbegeisterung und Reiselust mit dem Besuch der WM 2002 in Japan und Südkorea. Schlussendlich blieb er in Kambodscha hängen, «weil sich hier von Anfang an viel ergeben hat». Er kickte im Park und später bei Mild Seven. Er unterrichtete an einer internationalen Schule, wurde Spielertrainer. Die beiden einzigen Ligen A und B werden vom Erziehungsdepartement organisiert. Eine Division besteht aus zehn Teams. Alle sind in der Hauptstadt

ansässig. Die Hälfte der Liga wird vom Militär gestellt: Diese Teams erhalten vom Sicherheitsdepartement finanzielle Unterstützung. Schweingruber wurde von der Navy-Mannschaft abgeworben, war deshalb auf einmal Schiffsexperte. Zumindest war er in der Bodensee-Region aufgewachsen – das passte. In der Schweiz spielte er damals beim Heimatverein FC Pfyn, machte 18-jährig die Cund im Alter von 20 Jahren die B-Lizenz beim SFV. Mit dem FC Münsterlingen stieg er seinerzeit als Spieler in die 2. Liga auf. Einfach jung aussehen In Kambodscha gewann Schweingruber nahezu all seine Kopfballduelle, weil er seine Gegenspieler überragte. Er lacht oft, wenn er erzählt, und er kann viel erzählen, weil er in den vergangenen Jahren einiges erleben durfte: «Als ich Mild Seven trainierte, kamen Verbandsleute vorbei und suchten sich offensichtlich die Spieler aus, die jung aussahen. Ich fragte nach dem Grund, und sie meinten, dass sie von der FIFA aufgefordert worden seien, eine U15-Nationalmannschaft zu

stellen. Ich wusste, dass die ausgesuchten Akteure längst 18-jährig waren. Aber sie bekamen neue Pässe.» Heute hat er sich mit SALT die Akzeptanz und Wertschätzung der Funktionäre erarbeitet. Er hat weitergemacht, obwohl er zwischenzeitlich wieder in der Schweiz war, genug hatte von den Querelen mit den Verantwortlichen, die bei der Präsentation von neuen Ideen zwar nickten, aber in Wahrheit anders darüber dachten. Gewisse Erlebnisse aber blieben aus dem ersten Aufenthalt im Kopf: «Ich fuhr damals ein Motorrad, unterhielt mich mit einem Kumpel. Als ich mich umdrehte, war mein Motorradhelm weg. Ich fuhr durch die Gassen und fand den Dieb tatsächlich – er wollte gerade meinen Helm verkaufen. Ich war stocksauer, packte den Schlingel, weil ich mir das Teil extra in Thailand angeschafft hatte. Der Junge war auf Drogen, hatte Leim geschnüffelt, und er war offensichtlich allen egal, die auf der Strasse um uns herumstanden.» Aufgrund solcher Erinnerungen wollte Schweingruber zurück, nach Kambodscha, und unterschrieb 2005

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Bereits gruppiert und im Trikot sitzen die Jugendlichen auf dem Hosenboden. Vor dem Spiel gibt es immer einen Theorieblock mit «Life-Skills».

einen Vertrag beim Verband. Das Ziel: Entwicklung des Jugendfussballs. Das Projekt starb, weil der Fussballpräsident wechselte. Und deshalb gründete Schweingruber SALT – und zwar auf eigene Faust. «Ich wolle dem Verband beweisen, dass Fussball eine Funktion über das Training hinaus haben kann.» Zuerst kauft er Hütchen, Bälle und Überziehleibchen selbst. Trainiert wird spätabends. Zügig hat sich das organisierte Kicken im Park institutionalisiert. Er ruft eine Wochenend-Liga ins Leben: Fussball für Obdachlose, Strassen- und Heimkinder. 15 U17-Teams bestreiten die erste Saison 2006707, ein Jahr später treten zum ersten Mal Mädchen an. Mittlerweile sind es über 2000 SpielerInnen in über 100 Mannschaften in den Provinzen Battambang, Pailin und Banteay Meanchey. Weit über 500 Spiele organisiert SALT pro Saison. «Das Denken zu ändern, ist schwierig. Die Eltern sind der Meinung, dass Sport ein Zeitverlust ist und dass man da nichts für das

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Leben lernt. Aber da bin ich natürlich ganz anderer Meinung.» Fussball und Life-Skills Leidtragende der schwierigen Lebensbedingungen sind im Besonderen die Mädchen. Sie werden früh auf die Strasse geschickt. Als fliegende Händler, Gelegenheitsarbeiter oder Bettler. Das Konsortium «Street Children» schätzt 20 000 Kinder, die auf der Strasse arbeiten. Von da ist der Weg zu zwielichtigen Arbeitsvermittlern nicht weit. Die Mädchen werden zur leichten Beute für Menschenhändler. «Human-Trafficking» gehört zu den profitabelsten Geschäften überhaupt. Kambodscha ist eines der Ausgangs- und Zielländer. Tausende Teenager landen in der Zwangsprostitution. SALT schaffte Trainingsgruppen für Mädchen. Schweingruber wurde aufgrund von nachweislichen Erfolgen mit seinen SALT-Teams gegen Auswahlmannschaften vom Verband zu Trainerkursen eingeladen. Vor den Partien

werden den Kindern in «Leadership-Lessons» sogenannte Life-Skills vermittelt: Lebensschule, Aufklärung zur Prävention von Alkoholproblemen, Drogensucht und Kleinkriminalität. Rund 75 freiwillige Leiter wurden zu diesem Zweck zu Trainern und Schiedsrichtern ausgebildet. Mittlerweile sind 25 Mitarbeiter bei SALT angestellt. Die meisten von ihnen verdienen rund 100 Dollar pro Monat. Chet (28) ist einer der fest angestellten Coaches. Noch vor wenigen Jahren schlug er sich als Kleinkrimineller durch. Seinen Vater kennt er nicht. Der lebt in Kanada, hat Chet nie, wie ursprünglich versprochen, nachkommen lassen. Chet lebte auf der Strasse – wie seine Brüder auch. Die Ältesten der Sippe sind im Gefängnis, sein Cousin ist jüngst in Haft an AIDS gestorben. Chets Mutter, die bei SALT die Möglichkeit hatte, einzusteigen, musste nach wenigen Wochen wieder freigestellt werden, weil sie klaute. Chet hingegen packte seine Chance. Im vergangenen Jahr hat er die Meis-


kambodscha

Einmal pro Jahr ist SALT für die Eröffnung des Strassenfussball-Turniers inmitten der Stadt Battambang verantwortlich.

terschaft in Pailin alleine organisiert: Trainerausbildung, Spielplanerstellung, Schiedsrichter-Ausbildung. Der Lohn: eine 100-Prozent-Stelle bei SALT. Chet hat sein Leben im Griff. Er kann an morgen denken. Als sich die FIFA vor wenigen Jahren nach dem Status des Frauenfussballs im Kambodscha erkundigte, tat sie das über Schweingruber. Er wurde zu Workshops als Experte eingeladen. Vor zwei Jahren organisierte der Verband ein erstes Länderspiel gegen Laos. Schweingruber wurde zum logischen Nationaltrainer, weil er die Mannschaft gleich mitbrachte. An den meisten Orten stellt SALT mittlerweile eine U11, eine U13 und eine U16 für Jungs. Hinzu kommt eine Herrenliga-Auswahl, die an nationalen Turnieren teilnimmt. Bei den Mädchen gibt es jeweils eine U13 sowie U16-Teams. Und natürlich eine Frauenmannschaft. Für Respekt gegenüber Frauen Die Trainer, die bei SALT angestellt sind, wurden lange als Volonteers getestet. Die Mitarbeiter sollen Büroräume bekom-

men, die Mädchen und Jungs Englisch lernen können. «Der Stellenwert der Frauen in der Gesellschaft ist nach wie vor gering», so Schweingruber, «meine Motivation geht deshalb weit über den Sport hinaus – wir können mit unserer Arbeit aufzeigen, dass auch junge Frauen Respekt verdienen.» Geschehen bei Nin und Vesna, die – ausgebeutet und missbraucht – nach ihrer Rückkehr aus Thailand bei SALT mit Fussballspielen begannen. Sie waren so gut, dass sie sich zügig einen Platz in Battambangs Provinzauswahl sicherten – ein Erfolgserlebnis, das sie sich selbst nicht zugetraut hätten. Nin trägt heute gar das Nationaltrikot und führte das Team im jüngsten Spiel gegen Singapur als Captain auf das Feld. In TrainerWorkshops wurden sie zu Übungsleiterinnen ausgebildet, heute verdienen sie ihr Geld als Coaches. Für das Projekt steht Schweingruber nicht viel Geld zur Verfügung. Eines der Zentren, in denen die Spielerinnen leben, ist vom Konkurs bedroht. Um die Mädchen unterzubringen, müssten ent-

sprechende Einrichtungen gemietet werden. Es mangelt an Kooperationen mit Schulen, um eine vernünftige Ausbildung gewährleisten zu können. Mit dem Spendenkonto aus der Heimat können die gröbsten Unkosten gedeckt werden: Transporte, Platzmiete, Shirts, Bälle und ein altes Moped für Chet. Schweingruber ist gezwungen, mit lokalen Instanzen zu verhandeln, und das ist beileibe nicht immer einfach: «Es braucht halt alles seine Zeit», sagt er gelassen, «aber Warten lernt man in Kambodscha. Und wenn ich sehe, was wir mit den spärlichen Mitteln erreicht haben, dann zahlt sich die Geduld schliesslich aus.» Roger Stilz, 33, ist langjähriger Challenge-LeagueSpieler und aktuell Interimstrainer beim Hamburger Oberligisten SC Victoria. Er ist freier Journalist und schreibt regelmässig für ZWÖLF. Fritz Schmid, 51, war vielerorts als Trainer tätig, u.a. 7 Jahre als Assistent von Christian Gross beim FC Basel. Ab 2009 bereiste Schmid als Trainerausbildner Länder in Afrika und Asien und leitete für SALT schon zwei Workshops für Fussballtrainer. «Offside Kambodscha» – die Filmreportage auf DVD Die Geschichte von Vesna und Nin ist im Dokumentarfilm «Offside Kambodscha» der Schweizer Jessica Francis und Jeremy Boschung festgehalten und unter www.offside-cambodia.com erhältlich.

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Text: Jakob / Bilder: Keystone Text: Manuel Manuel Jakob

Das Kreuz mit den Talenten

Sie sind jung, begabt und Schweizer. Aber nicht nur. Warum die zahlreichen Doppelbürger in den Junioren-Nationalmannschaften für den SFV zu einem echten Problem werden könnten.

S

ie heissen Alessandro Ciarrocchi, Timm Klose, Pajtim Kasami, Adrian Nikci oder Kevin Fickentscher. Und sie haben, neben der Begeisterung für den Fussball, zwei weitere Gemeinsamkeiten: Sie spielen in der aktuellen U21-Nationalmannschaft der Schweiz – und sie besitzen eine zweite Staatsbürgerschaft. Diese Tatsache stellt den Schweizerischen Fussballverband (SFV) vor schwerwiegende Probleme. Und diese wurden im Lauf der vergangenen Jahre immer akuter. Ursprünglich musste sich ein Fussballer mit zwei Pässen bereits in jungen Jahren für einen Landesverband entscheiden. Damit war schon früh klar, woran man bei einem Spieler ist. Mit 17 nämlich hatte er sich zu entscheiden. «Der Knick für Ausbildungsländer wie die Schweiz kam 2003, als ein Spieler ein offizielles Spiel auf U21-Niveau zu absolvieren hatte, um ‹verbrannt› zu sein», sagt der damalige SFV-Nachwuchschef Hansruedi Hasler, der heute als Technischer Direktor der Berner Young Boys

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arbeitet. Die FIFA hatte damals die Altersgrenze für einen Verbandswechsel auf 21 angehoben. «Verbrannt» ist erst, wer ein Pflichtspiel mit der Nati bestreitet Eine weitere Verschärfung folgte im Juni 2009: Die Altersgrenze wurde auf dem ordentlichen Kongress der FIFA auf den Bahamas komplett aufgehoben – auf Antrag des algerischen Verbandes und zur grossen Überraschung aller. Eine einzige Einschränkung gibt es nun noch: Ein Spieler, der ein Pflichtspiel mit einer A-Nationalmannschaft absolviert hat, ist damit an diesen Verband gebunden. «Verbrannt», würde Hasler sagen. Solange das nicht der Fall ist, kann einer auch mit 24 noch wechseln. Schwierig wird die Situation für die Schweiz dann, wenn man sich gewahr wird, wie viele Doppelbürger sich tatsächlich in den Nachwuchsauswahlen tummeln. Von den 32 Spielern, die seit Anfang 2010 mindestens ein Spiel für

die U21-Nati absolviert haben oder zumindest auf der Bank sassen, besitzen nicht weniger als 19 einen zweiten Pass. Ein Blick auf die jüngeren Jahrgänge zeigt, dass auch in naher Zukunft keine Entspannung der Situation eintreten dürfte. Was unternimmt nun der Fussballverband, um diese Spieler langfristig an sich zu binden? Die Frage geht an Peter Knäbel, den Technischen Direktor des SFV und Nachfolger Haslers. «In erster Linie müssen wir dafür sorgen, dass wir den Spielern ein sportliches Argument verschaffen. Das erreichen wir mit Erfolgen bei der A-Nationalmannschaft», meint Knäbel. «Bislang spüre ich bei unseren Secondos aber auch, dass sie alle sehr gerne für die Schweiz spielen.» Auch die Spieler selber beteuern bei jeder Gelegenheit, dass sie weiter für die Schweiz spielen wollen. So sagt zum Beispiel der kroatisch-schweizerische Doppelbürger Daniel Pavlović, Aussenverteidiger bei GC: «Obwohl mich Kroatien schon mehrfach kontaktiert hat, stellt sich mir die Frage eines Verbandswechsels nicht. Ich weiss, was ich am SFV habe.» Ist der «Ehrenkodex» mehr als nur ein wert­­loses Stück Papier? Der «Blick» schrieb einst von einem «Ehrenkodex», den die Talente mit zwei Pässen jährlich zu unterzeichnen hätten und bei dem sich im Fall Ivan Rakitićs gezeigt habe, was der wirklich


Fact:

n Vom 23-Mann-Kader der U21 besitze t. 15 Spieler eine zweite Staatsbürgerschaf

Von der aktuellen Schweizer U21 besitzen folgende Spieler eine zweite Staatsbürgerschaft: Timm Klose (GER), Nassim Ben Khalifa (TUN), Daniel Pavlovic (CRO), Rolf Feltscher (VEN), Frank Feltscher (VEN), Gaetano Berardi (ITA), Mario Gavranovioc (CRO), Kevin Fickentscher (ESP), Amir Abrashi (KOS), Admir Mehmedi (MAZ), Fabio Daprelà (ITA), Michel Morganella (ITA), Moreno Costanzo (ITA), Innocent Emeghara (NIG), Genséric Kusunga (ANG), Adrian Nikci (KOS).

wert sei: nichts nämlich. Knäbel relativiert den Begriff «Ehrenkodex» im Gespräch zwar, bestätigt aber, dass Teilnehmer des Projekts «Footuro» eine Art moralische Absichtserklärung unterschreiben, mit der sie sich zur Schweiz bekennen. Am 23. Juni 2007 hatte Ivan Rakitić bekannt gegeben, dass er künftig für Kroatien auflaufen werde und nicht mehr für die Schweiz, bei der er sämtliche Juniorenstufen durchlaufen hatte. Volkes Zorn kochte über, zeigte sich bisweilen gar von seiner hässlichsten Seite. Die Familie Rakitić soll Morddrohungen erhalten haben. Die Sportpresse überschlug sich, die Rede war von einem Fahnenflüchtigen.

Die Reaktionen fielen nicht zuletzt deshalb so geharnischt aus, weil der Schweiz bereits kurz zuvor mit Zdravko Kuzmanović ein Riesentalent verloren gegangen war. Der Berner Mittelfeldspieler hatte sich entschieden, künftig für Serbien zu spielen, das Heimatland seiner Eltern. «In diesen Fällen haben wir vielleicht auch den einen oder anderen Fehler gemacht», gibt sich Hansruedi Hasler heute selbstkritisch. «Wir waren da wohl einfach zu wenig konsequent dran und haben den beiden zu wenig den Hof gemacht.» Und man höre halt schon, dass Spieler von gewissen Verbänden mit Geschenken angelockt würden, allenfalls auch mit Geldzahlungen. «Wir konnten das nur

nie beweisen», beklagt sich der 63-Jährige. Da ist Max Urscheler, der Berater von Ivan Rakitić, allerdings dezidiert anderer Meinung: «Der kroatische Verband hat sich einfach extrem intensiv um Ivan bemüht. Da sind die Obersten bei uns angetanzt und haben um ihn geworben, während der SFV sich etwas zurückgehalten hat.» Geld sei dabei keines geflossen. «Es droht kein Flächenbrand!» Peter Knäbel glaubt, dass beim Entscheid von Rakitić wohl auch Mladen Petrić eine Rolle gespielt haben dürfte, da die beiden damals zusammen beim FC Basel gespielt haben. Petrić hatte

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Generation u

Fact:

n Vom 25-Mann-Kader der U19 besitze t. 11 Spieler eine zweite Staatsbürgerschaf

Von der aktuellen Schweizer U19 besitzen folgende Spieler eine zweite Staatsbürgerschaft: Igor Mijatovic (SER), Ricardo Rodriguez (ESP/CHI), Loris Benito (ESP), Frédéric Veseli (KOS), Haris Seferovic (BOS), Andre Goncalves (POR), Kofi Nimeley (GHA), Cenk Cokicli (TUR), Granit Xhaka (KOS), Joel Kiassumbua (CGO), Igor Mijatovic (SER), Maik Nakic (BOS).

sich ein paar Jahre davor ebenfalls für Kroatien und gegen die Schweiz entschieden. «Man darf die ganze Situation jetzt aber auch nicht so dramatisch sehen», mahnt Knäbel. «Bislang sind der Schweiz gerade mal drei Talente abhandengekommen. Das ist nicht gerade ein Flächenbrand.» Aber wenn zwischen Teamkollegen eine solche Dynamik entstehen kann, dass auch der jüngere der beiden abspringt, fürchtet sich Knäbel dann nicht etwas davor, dass jetzt auch Mario Gavranović, bis Januar 2011 Teamkollege von Ivan Rakitić beim FC Schalke 04, der Schweiz den Rücken kehren könnte? «Angst wäre wohl in diesem Moment ein schlechter Ratgeber», sagt der SFV-Mann. «Aber wir müssen Ma-

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rio bestimmt genau beobachten und auch proaktiv immer wieder auf ihn zugehen.» Idealfall Abrashi Gar nicht verstehen kann ein solches Verhalten, wie es von Rakitić, Kuzmanović und Petrić an den Tag gelegt wurde, der 20-jährige Amir Abrashi, seit dieser Saison Stammspieler beim Grasshopper-Club. «Ich finde das irgendwie nicht fair, weder dem Verband gegenüber noch dem ganzen Land. Ich meine, die haben ihre ganze Ausbildung in der Schweiz geniessen können und wechseln dann einfach.» Abrashi selbst hat vor einiger Zeit auch eine Anfrage von Albanien erhalten, dem Heimatland seiner Eltern, aber

abgesagt. «Natürlich war da auch eine sportliche Überlegung dahinter, aber ich hätte mich sowieso für die Schweiz entschieden.» Aus Sicht des Schweizerischen Fussballverbandes würde es im Idealfall bei all diesen Talenten so laufen wie bei Amir Abrashi. Denn dem defensiven Mittelfeldmann stellt sich die Frage gar nicht mehr. Darauf angesprochen, ob es eigentlich schwierig sei, als kosovarischschweizerischer Doppelbürger mit dieser Zwickmühlensituation umzugehen, antwortet dieser in breitestem Thurgauer Dialekt: «Nein, nicht mehr. Wir haben jetzt nur noch den Schweizer Pass. Die ganze Familie.» So ungeschoren wie in diesem Fall wird der SFV allerdings nicht immer davonkommen.


ZWEITER FOTOWETTBEWERB

Foto: Imago

11 Freunde Wettbewerb

T H E M A AWAYDAYS E I N S E N D E S C H L U S S 30. APRIL 2011 I N F O R M AT I O N E N A U F 11FREUNDE.DE/FOTOWETTBEWERB IN KOOPERATION MIT F O U R F O U R T W O | O F F S I D E | B A L L E S T E R E R | S P O R T S W E E K | S O F O O T W H E N S A T U R D AY C O M E S | Z W Ö L F | F L E I S C H M A G A Z I N | E L P A I S

MIT UNTERSTÜTZUNG VON

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ZWÖLF Logowettbewerb

Gewappnet für morgen

1. Platz Benjamin Hermann

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C:6 M:94 Y:100


rubrik

ZWÖLF hat vor drei Monaten einen Wettbewerb ausgeschrieben. Aufgabe: die Neugestaltung der Logos der zehn Super-League-Klubs. Gemeldet haben sich Kreative aus der Schweiz, aus Österreich und Deutschland. Die Fachjury hat getagt und entschieden: Hier sind die Gewinner.

2. Platz Martin Attermeyer

3. Platz Michael Reichen

Begründung der Jury: Platz 1 hat sich Benjamin Hermann verdient für Eigenständigkeit, die hier durchaus wünschenswerte aggressive Wirkung und den dabei nach wie vor nahen Bezug zum Fussball. Farbe, Typografie und Form stehen hier im Einklang – was ebenso für die Plätze 2 und 3 gilt.

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Top 10 Was die ZWÖLF-Jury aus dem Durchschauen der erfreulicherweise vielen Einsendungen von Logovorschlägen schliessen kann: Besonders unzufrieden mit dem aktuellen Logo scheint man in St. Gallen zu sein. Eine wahre Flut von grün-weissen Emblemen erreichte die Redaktion. Andererseits sieht man anscheinend bei Xamax, Bellinzona und Thun kaum Verbesserungspotenzial. Gerade im letzterem Fall wäre es durchaus angezeigt, da der FC Thun unsere Idee gleich aufgenommen hat und per Wettbewerb ein neues Logo gesucht hat. Hier eine Auswahl der Kreationen – auf dieser Seite unsortiert der Rest der mit Sachpreisen prämierten Top Ten, rechts weitere Kandidaten aus der engeren Auswahl.

Daniel Zenker

Olga Ballardt

Marcel Wiemer

Jürgen Schwarz

Kora Martins

Sandra Hofacker

Claudia Hermann

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Auswahl weiterer Einsendungen

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Ti-Van Banh

Thomas Schneider

Christian Messmer

Kevin HĂśgger

Sebastian Tost

Marco Werner

Marius Christensen

Dominik Volz

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FC LUZERN Plamen Jordanov

Markus Bernatzky

Stefan Alt

Marco Werner

Robert Basik

Sascha TĂśrĂśk

Pax Volbracht

Eva Salzmann

Spezialpreis der Jury: FĂźr besondere Originalität und Einbezug von Aktualität erhält Thomas Häusermann als Prämie ein Rundumpaket inkl. WasserbĂźffelAusritt fĂźr das nächste GC-Spiel im BrĂźgglifeld – ob als Gastgeber oder als Gäste während der nächste Challenge-League-Saison.

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netzwerk-analyse

Text: Gian-Andri Casutt

Bier, Schnaps und ein paar Dreiecke Text: Gian-Andri Casutt / Bilder: André Bex / zvg

Wie gewinnt man die Champions League? Ausser José Mourinho wissen das nur ganz wenige. Etwa ein paar fussballverrückte Wissenschaftler in Wien. ZWÖLF hat sie besucht.

F

ussball ist Zufall. Oder wie kann es sein, dass eine Holzfällertruppe wie die Schweizer Nationalmannschaft an der WM in Südafrika den nachmaligen Weltmeister Spanien geschlagen hat? Andererseits: Wieso gewinnt am Ende fast immer der grosse José Mourinho? Über solche und ähnliche Fragen zerbrechen sich ein paar österreichische Fussball-Einsteins den Kopf. Für uns Grund genug für eine Reise ins schöne Wien. Wir treffen Ruth Pfosser an ihrem Arbeitsplatz, dem renommierten FAS Research Institute im achten Gemeindebezirk in Wien. Ein Steinwurf entfernt liegt das Büro unserer Freunde vom österreichischen Fussballmagazin «ballesterer». Das Institut hat damit begonnen, seine Erkenntnisse aus der Wissenschaft im Fussball anzuwenden. «Die grossen Entwicklungen im Fussball werden in den

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nächsten Jahren im taktischen Bereich sein. Da besteht grosser Nachholbedarf.» Sagt Ruth Pfosser. Steinzeit-Fossilien wie der aktuelle österreichische Nationaltrainer Didi Constantini hätten ausgedient. «Constantini hat kürzlich gemeint, dass Taktik unwichtig sei. Es komme nur auf die Spieler an und wie gut sie in Form seien.» Ruths Steckenpferd ist die Netzwerkanalyse. Diese untersucht, wie Netzwerke in der Wirtschaft oder der Gesellschaft aussehen, wer sich darin befindet und wie die jeweiligen Prozesse ablaufen. Bezogen auf den Fussball, geht es bei der Netzwerkanalyse darum, mittels Computerprogrammen zu erfassen, von wem wo und wie häufig die Spieler den Ball erhalten, was sie mit ihm machen und wohin und zu wem sie ihn weiterspielen. Spielen sich zwei Spieler den Ball häufig zu, ist die Linie zwischen den beiden

Spielern dick, und wenn sie selbst häufig in Ballbesitz sind, sind sie als dicker Kreis gekennzeichnet. (siehe Grafik). So weit, so klar. Doch was kommt bei den computeranimierten Kritzeleien heraus? Oder konkreter: Wer gewinnt warum, Frau Pfosser? Die Antwort der Fussballforscherin ist eigentlich ganz simpel: «Die besten Mannschaften bilden häufig stabile Dreiecke. Je mehr und je verschiedenere Dreiecke erkennbar sind, desto erfolgreicher ist eine Mannschaft.» Grund: In Teams, die in Dreiecken arbeiten, verfügen die Spieler über viel mehr Anspielstationen. Mourinho und die Magie Ein Meister dieser Philosophie ist José Mourinho, wie Ruths Arbeitskollege Helmut Neundlinger erklärt: «Was Inter gegen Barcelona im Champions-LeagueHalbfinale 2010 geboten hat, war im Rahmen seiner Möglichkeiten praktisch perfekt.» Die Mannschaften von José Mourinho sind fast immer gleich organisiert. Oberstes Credo ist das Dreieck – und das nicht nur im Angriff. Auch in der Defensive organisiert Mourinho seine Spieler in magischen Dreiecken. Wer sich das Champions-League-Finale zwischen Inter und den Bayern nochmals anschaut, sieht, dass Inters Mittelfeldstratege Esteban Cambiasso auch im



Champions-League-Finale 2010: Inter Mailand - Bayern München 2:0 MUNTARI [79-93]

CHIVU [0-68]

STANKOVIC [68-93]

ROBBEN [0-93]

LAHM [0-93]

PANDEV [0-79]

SAMUEL [0-93] CAMBIASSO [0-93] VAN BOMMEL [0-93] GOMEZ [74-93]

CESAR [0-93]

MILITO [0-93]

OLIC [0-74]

MÜLLER [0-93]

ZANETTI [0-93]

BUTT [0-93]

SCHWEINSTEIGER [0-93] DEMICHELIS [0-93]

SNEIJDER [0-93]

LUCIO [0-93]

VAN BUYTEN [0-93]

KLOSE [63-93]

MAICON [0-93]

ETO'O [0-93]

ALTINTOP 0-62]

BADSTUBER [0-93]

© FAS.research 2006

Defensivverhalten die zentrale Figur ist. Kommt Bayern über die rechte Seite, bildet er zusammen mit dem Aussenverteidiger Christian Chivu und Abwehrhüne Walter Samuel ein Dreieck. Kommen die Münchner über links, macht Cambiasso dort dasselbe mit Maicon und Lucio. «Arjen Robben war praktisch das ganze Spiel in einem Dreieck gefangen. Deshalb ist er kaum zum Zug gekommen». Im Halbfinale hat Inter dasselbe mit Lionel Messi gemacht. Was hätte Bayern denn tun müssen gegen dieses Inter Mailand? «Sie hätten die Stürmer besser einsetzen müssen», sagt Ruth Pfosser. «Die Stürmer waren zu sehr vom Mittelfeld abgekapselt.» Auf der Visualisierung (siehe Grafik) sieht man, dass die Angreifer nur ganz kleine Kreise sind und somit kaum im Spiel waren. «Sie hätten sich mehr zu den Mittelfeldspielern zurückbewegen sollen.» Solche Phrasen drischt zwar jeder Fernsehkommentator. Nur macht sich

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Die Netzwerkanalyse «Im Fussball ist es wie im Geschäftsleben» sagt Ruth Pfosser. «Ein Unternehmen kann nur durch Vernetzung funktionieren. Es gibt verschiedene Abteilungen, die vernetzt sein müssen. Je vielfältiger die Verbindungen, umso besser. Als Firma ist es daher wichtig, dass man Begegnungszonen schafft. So hat man rausgefunden, dass einer der wichtigsten Orte in einer Firma der Kaffeeautomat ist. Dort entsteht sehr vieles. Leute ermutigen, miteinander zu reden: Das ist kreative Arbeit.»

Ruth Pfosser noch ein paar Gedanken mehr. «Mit der Netzwerkanalyse lernt man nicht einfach, wo man den Ball

hinzuspielen hat oder selbst stehen muss. Das ist die Arbeit des Trainers. » Sinn der Netzwerkanalyse sei es, den Spielern mittels Visualisierung aufzuzeigen, wie die Mannschaft funktioniere. Hierfür werden während eines Spiels alle Pässe und Laufwege aufgezeichnet und nach Spielschluss ausgewertet. Danach erhält die Mannschaft die Visualisierung. Das Wiener Institut bietet auch Workshops an, in denen dem Trainer und der Mannschaft die Analyse vorgestellt wird. Die Nachfrage für die Kurse steigt. Die Visualisierungen schärfen bei Spielern das Bewusstsein und das taktische Verständnis. Wer gelernt hat, aufgrund der Visualisierungen das taktische Netz auf dem Feld zu sehen, der kann es auf dem Platz auch leichter umsetzen. Die Spieler beginnen auf dem Feld das Netzwerk besser zu sehen. Damit erhöht sich das taktische Verständnis, und dieses wiederum braucht es, um eine bestimmte Strategie umzusetzen.


netzwerk-analyse

WM-Finale 2006: Italien - Frankreich 1:1 n. V. (5:3 n. P.) GROSSO

SAGNOL

RIBERY

PERROTTA

DE ROSSI MAKELELE

MATERAZZI PIRLO

THURAM

TREZEGUET DEL PIERO BUFFON

TOTTI

CANNAVARO

HENRY

BARTHEZ ZIDANE

TONI

GATTUSO

GALLAS

WILTORD VIEIRA DIARRA

IAQUINTA CAMORANESI ZAMBROTTA

MALOUDA ABIDAL

© FAS.research 2006

Auch Schnellanalysen in der Halbzeit­ pause haben die Wiener Fussball-Wissenschaftler schon vorgenommen. «Wir haben kürzlich ein Spiel des Regionalligisten Wiener Sport-Club in der Halbzeit analysiert. Auf der linken Seite lief nichts. Den Fehler haben wir dann in der Pause behoben.» Die Macht des Unterbewusstseins Mittels Netzwerkanalyse lässt sich erkennen, ob die Marschrichtung des Trainers umgesetzt wird. «Die Netzwerkanalyse hilft, Strukturen zu erkennen», sagt Ruth Pfosser. «Sie löst die Probleme jedoch nicht. Es kann aber sein, dass man erkennt, dass ein Spieler kaum Bälle erhält. Warum das so ist, kann die Netzwerkanalyse nicht sagen.» Ein Grund könne sein, dass der Spieler vielleicht auch sonst im Kader etwas isoliert sei. «Wenn wir jemanden nicht besonders mögen, dann werden wir ihm auch den Ball nicht so häufig zuspielen. Das

ist die Macht des Unterbewusstseins. Erkennt der Trainer solche Muster, dann kann er darauf reagieren.» Damit kann man auch erklären, dass früher nicht alles schlechter war. «Als die Spieler noch auf den Zimmern zusammen Karten spielten und Schnaps tranken, entwickelte sich so der Teamgeist», sagt Pfosser. «Heute haben alle iPod-Stöpsel in den Ohren, spielen auf ihren Laptops und verkriechen sich. Der soziale Kitt in einer Mannschaft ist aber sehr wichtig», sagt Pfosser. «Wenn ich einen nicht besonders mag, dann sehe ich ihn auch nicht so gut auf dem Feld und spiele ihm den Ball nicht zu.» Das heisst: Nach modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte man das Teambuilding wieder so machen wie damals unter Udo Lattek: mit Schnaps, Bier und Karten ab ins Trainingslager. Eine Spielanalyse mit Workshop kos­ tet etwa 2000 Euro. Eigentlich ein Klacks im Vergleich mit den Kosten, die

ein Klub für Laktattests und sonstige Leistungsdiagnostik ausgibt. Die Vereine können nicht nur die eigene Mannschaft analysieren lassen, sondern auch den Gegner. Erkennt man das Muster des Gegners, kann man sich eine Gegenstrategie überlegen. «Italien wäre an der WM 2006 einfach zu bezwingen gewesen», sagt Pfosser. «Es lief immer alles über Andrea Pirlo. Ihn hätte man ausschalten müssen, und Italien wäre wohl nicht Weltmeister geworden.» Doch wie erklärt uns die Netzwerkanalyse, dass die Schweiz an der WM Spanien besiegt hat? «Das ist das Schöne am Fussball», sagt Pfosser: «Es ist immer auch ein bisschen Anarchie drin. Es gibt Zufallstore, Fehlentscheide von Schiedsrichtern und ungerechte Siege und Niederlagen. Das macht auch den Reiz des Fussballs aus. Für uns als Netzwerkanalytiker ist das aber nicht so relevant. Wir interessieren uns nicht für die Tore, sondern die Struktur des Spiels.»

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stadionwurst

Der Fussballschweiz auf die Pelle gerückt Bilder: zvg

Der Bildband «Stadionwurst» ist weder Gourmetguide noch Reportage, keine Dokumentation und kein Kunstprojekt. Er ist nichts davon und doch alles zusammen. «Stadionwurst» liefert eine längst überfällige Bestandsaufnahme des Schweizer Stadionalltags.

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lar ist: Die Stadionwurst ist mehr als Verpflegung. Viel mehr. Sie ist eine Fleisch gewordene Metapher für das Fansein, für die Liebe zum Fussball und zum Livespiel: Sie ist, wie Livefussball sein soll: ehrlich und einfach, manchmal ein Genuss, manchmal grottenschlecht. Doch die Stadionwurst hat heute einen schweren Stand, denn «moderner Fussball» bringt auch immer mehr modernen Fast Food in die Stadien. Doch wie schon Matthäus (nicht der, der andere)

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wusste: «Was aber Gott verbunden hat, das soll der Mensch nicht trennen.» Es gibt Dinge, die seit je zusammengehören. Mannschaft und Fans. Sieg und Niederlage. Unter Umständen sogar Mann und Frau. Aber vor allem: Stadion und Wurst. Das ist eine Allianz für die Ewigkeit, und alle Versuche, zu kampfbetonten Schicksalsspielen Champagner und Canapés zu reichen, als wäre man an der Eröffnung einer Expressionistenausstellung, sind Irrwege, auf denen

kein Segen ruht – schon gar nicht der der Fussballgötter. Denn manche Dinge gehören einfach zusammen. Manchmal geht es tatsächlich um die Wurst! Michi Benz, Roli Hofer und Alex Hofmann, drei ganz normale Fussballverrückte aus Zürich, rücken in ihrem Werk der Fussballschweiz auf die Pelle. Zusammen mit 18 Fotografen und 23 Autoren erzählen sie aus dem Alltag in den Schweizer Fussballstadien der Super und der Challenge League. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dafür umso wahrhaftiger. Die Stadionwurst ist dabei Ausgangspunkt für eine höchst subjektive und deshalb authentische Betrachtung der Fan-, Stadion- und Fussballkultur jenseits von Tabellenstand und Korruptionsskandalen, dem Video­ beweis oder der Hooligan-Diskussion. Ein süffiges Kaleidoskop in Wort und Bild, das klarmacht: Die Stadionwurst ist der feinste gemeinsame Nenner im Schweizer Fussball. Zwölf präsentiert exklusiv Auszüge aus dem neuen Standardwerk für den echten Fussballfan.


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stadionwurst

Fürs Nebensächliche gibts Teletext Text: Thomas Wyss (gekürzt)

«D

ass ich an diesem lauen Mittwochabend aus dem Bahnhof Schaffhausen trete, mich kurz umblicke und dann einer in schwarz-gelben Fussballtrikots steckenden Horde Biertrinker nachwatschle, hat mit einer Wurst zu tun – mit der Stadionwurst des FC Schaffhausen. Die soll ich auf Herz und Nieren prüfen, einem harten Elch-Test unterziehen – wobei ich insgeheim hoffe, dass sie weder Herz-, Nieren- noch Elch-Stücke beinhalten wird. Beim Stadion Breite (das trotz dieses Namens, wie jeder normale Fussballtempel, deutlich länger als breit ist) angekommen, checke ich – das ist der Instinkt des Letzigrund-Gängers – zuerst die SecuritySituation ab. Von Wasserwerfern und bulligen «Deltas» keine Spur. Da stehen bloss drei sympathische Kleinstadtpolizisten, die von eintrudelnden Fans mit dem Vornamen begrüsst werden. Es ist ein Vorgeschmack auf den typischen ChallengeLeague-Groove, in den ich mich – was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiss – an diesem Abend so innig verlieben werde. Als ich das Stadion betrete, stelle ich fest, dass ich massiv zu früh dran bin. Bis zum Spielbeginn um halb acht dauert es noch 37 Minuten. «Zu früh», und da ist es völlig egal, wenn alle Anstands- und Trendbücher das Gegenteil behaupten, ist bünzlig. «Zu spät», das ist mondän. Also hole ich mir bünzlig einen kühlen Becher FalkenBier und begebe mich danach bünzlig zum Wurststand. Trotz meines anderen Dialekts und der investigativen Fragen («Wie viele Wurststände betreiben sie?», «Wie viele Würste verkaufen sie pro Match»?») steht mir das dreiköpfige Team der Metzgerei Peter, eines lokalen Familienbetriebs, freundlich Red und Antwort. Insbesondere eine ältere

Dame kümmert sich rührend um mich (ihr Charme hat mich übrigens derart überrumpelt, dass ich gar vergessen hab, mich nach ihrem werten Namen zu erkundigen). Sie ist es auch, die mir das beste Stück vom Rost holt, ins Papier einwickelt und in die Hand drückt. Da ich kein Gastrokritiker bin, werde ich die Kalbsbratwurst auf meine Art umschreiben. Die Temperatur: so perfekt wie ein Fallrückzieher von Klaus Fischer! Der Geschmack: so lecker wie ein Barcelona-Dribbling von Lionel Messi! Die Konsistenz: so knackig wie die schönste Parade von Karli Grob! Als ich an den Stand zurückkehre und mich schwärmerisch bedanke, sagt meine Sausage-Lady gerührt, sie habe auch eine saisonale Spezialität, falls ich noch ein wenig Hunger hätte – eine Bärlauchwurst. Ich schlag ihr vor, dass ich diese in der Pause probieren komme. Sie strahlt. Fünf Minuten später hocke ich auf der Haupttribüne, die aussieht wie ein Relikt aus der Gotthelf-Zeit. Oder so ähnlich. Ich sitze also da, schmökere im Matchprogramm, geniesse die duftende Landluft, als er plötzlich loslegt. Er, das ist Edy Schellenberg, der langjährige Stadion­ speaker. Auch wenn ich ihn nicht sehen kann, weiss ich sofort – der Edy, der ist hier draussen eine Institution, eine kleine Kultfigur. Was er nämlich vor dem Match alles zu erzählen weiss, egal obs um die Tabellenlage, Transfers oder Gästetrainer Chapuisat senior geht, ist unterhaltsamer und informativer als jedes «Sportpanorama». Dazu ist die sperrige, feurige und stets höfliche Art des Monologs derart einzigartig, dass es vermessen wäre, wenn ein Zürischnurri nun versuchen würde, seine grossen Worte irgendwie nachzuplappern. Edy gibts live in der Breite – oder gar nicht!

Dann läuft das Spiel. Oder präziser: Es stottert. Fehlpässe, Querschläger, Fouls. Chapuisats FC Le Mont ist schwach, der FC Schaffhausen besser, aber längst nicht gut. Dennoch schiesst das Heimteam zwei Tore. Das erste verpasse ich, weil ich am Horizont fasziniert das stoische Eindunkeln verfolge, das zweite, weil ich in Gedanken längst bei der Bärlauchwurst bin. Zehn Minuten vor dem Pausenpfiff halte ichs nicht mehr aus. «Sie isch lind», sagt meine gute Seele, lacht, nimmt die grünlich schimmernde Bratwurst vom Grill, hüllt sie ins Papier und streckt sie mir hin. Die gehe aufs Haus, weil ich so sympathisch sei. Ich kann mich nicht erinnern, wann mich das letzte Mal jemand zum Erröten gebracht hat. Dass das nun einer feschen älteren Schaffhauserin gelungen ist, find ich irgendwie entzückend. Zur Bärlauchbratwurst. Die Temperatur: so perfekt wie ein direkt verwandelter Freistoss von Arschawin. Der Geschmack: so lecker wie ein Tackling von Cannavaro an der WM 2006. Die Konsistenz: so knackig wie der Po von Sienna Miller (Yes! Es gibt schliesslich auch noch anderes als Fussball, gopfertelli!) Während ich die Wurst mit einem Falken-Bier «ablösche», dabei mit hal­bem Ohr dem Schellenberg-Edy zuhöre, wie er leidenschaftlich die Dutzenden von Sponsoren und Supporter runterrattert, überleg ich mir, ob ich nochmals zurück auf die Haupttribüne soll. Wie ich in meinem Leben noch nie vor dem Film­ ende aus dem Kinosaal gegangen bin, hab ich auch noch nie den Schlusspfiff eines Matchs verpasst. Ist so ein EhrenkodexDing. Aber gleichzeitig spüre ich, dass es nicht mehr besser werden kann. Das Beste kommt eben doch nicht immer zum Schluss. Das Spielresümee – 3:0, drei Gelbe und zwei Rote Karten, 620 Zuschauer – erfahre ich dann zu Hause. Fürs Nebensächliche gibts zum Glück Teletext.»

«Stadionwurst – Der Fussballschweiz auf die Pelle gerückt.» von: Michi Benz, Roli Hofer, Alex Hofmann

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Eine Huldigung in Wort und Bild mit Beiträgen von (u. a.): Pascal Claude (Knapp daneben), Andreas Heller (NZZ Folio, Wurstkolumnist), Andri Pol (Grüezi), Michèle Roten (Das Magazin, Miss Universum), Nico Schärer, Christoph Becker (Frankfurter Allgemeine Zeitung), Beat Schweizer, Christine Steffen (NZZ am Sonntag), Thomas Wyss (Sammelsurium Schweiz, Tages Anzeiger), Peter Burghardt (Süddeutsche Zeitung) und vielen mehr. Softcover gebunden, 180 Seiten, 210 x 280 mm, 62.– (zzgl. Versand) Erhältlich ab 3. März 2011 unter www.stadionwurst.ch Vorbestellungen unter info@stadionwurst.ch Buchtaufe: Donnerstag, 3. März 2011, 20h, Amboss-Rampe, Zollstrasse 80, 8005 Zürich


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Carlos Varela

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Falsches Spiel Text: Peter Balzli / Bild: Keystone

Fussball war noch nie ein idealer Nährboden für die Wahrheit. Doch die letzten Wochen lassen befürchten: «The Beautiful Game» verkommt zu einer Welt der Lügner.

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ie neue Stürmerhoffnung Englands heisst Andy Carroll. Elf Tore schoss er diese Saison in 19 Spielen für Newcastle United. Im November letzten Jahres sagte Carroll: «Newcastle ist mein Zuhause. Bei diesem Klub will ich spielen. Ich habe gerade einen Fünfjahresvertrag unterzeichnet und will für immer hier bleiben.» Am Montag unterschrieb derselbe Andy Carroll für 35 Millionen Pfund Ablöse einen Vertrag beim FC Liverpool. Im Sommer 2009 veröffentlichte Fernando Torres seine Autobiografie mit dem Titel «El Niño». Er beschreibt darin seine Leidenschaft für den FC Liverpool, erzählt, wie er schon als kleines Kind «You’ll Never Walk Alone», das Motto des FC Liverpool, auf

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sein Armband geschrieben habe. Anfang Saison sagte er sogar: «Meine Hingabe und Loyalität gehören dem FC Liverpool und seinen Fans.» Am Montag, dem 31. Januar, verliess Torres den Klub seiner angeblichen Hingabe und wechselte für 50 Millionen Pfund zum FC Chelsea. Im letzten Jahr begann Wayne Rooney einen öffentlichen Flirt mit dem Stadtrivalen Manchester City. Er sei unzufrieden mit den Ambitionen seines derzeitigen Vereins Manchester United, liess er verlauten. Kurz darauf unterzeichnete er einen neuen Vertrag mit einer gigantischen Lohnerhöhung: 270 000 Franken soll er neuerdings bei ManU pro Woche kassieren, das sind über 14 Millionen Franken pro Jahr. Kurz nach der Vertragsunterzeichnung

sagte er beiläufig, Manchester City sei für ihn «nie eine Option gewesen». In seinem Buch «Utilitarismus» schilderte der Philosoph und Ökonom John Stuart Mill (1806–1873) einst eine Welt, in der niemand die Wahrheit sagt. Es ist eine anarchische Welt voller Zynismus, in der keiner mehr dem andern glaubt. Mill schrieb: «Wenn alle lügen, verliert die Wahrheit jegliche Bedeutung.» Ein Jammer, dass der Philosoph nicht mehr verfolgen kann, was sich derzeit im englischen Fussball abspielt. Es sind nicht nur die Spieler, die lügen. Auch die Trainer, die Spielervermittler, die Agenten, die Mediensprecher der Klubs – die ganze Industrie rund um den Fussball lügt völlig ungeniert und ohne Konsequenzen. Lehrbeispiel des Postmodernismus Die Wahrheit sei merkwürdiger als jede Fiktion, sagte einst der amerikanische Schriftsteller Mark Twain. Matthew Syed, Sportkommentator der «Times», ergänzte jetzt: «Das Problem im englischen Fussball ist, dass es keinen erkennbaren Unterschied mehr zwischen Wahrheit und Fiktion gibt.» Fussballsprache sei ein Lehrbeispiel des Postmodernismus, so Syed: «Jedes Wort bedeu-


unser mann in london tet stets das, was der Sprechende gerne möchte.» Weitere Beispiele gefällig: John Terry verhandelte monatelang mit Manchester City über einen Transfer. Als ihm sein bisheriger Verein Chelsea mehr bezahlte, beschloss er, auf den Transfer zu verzichten, und erklärte hinterher treuherzig, er habe «immer schon eine tiefe Bindung zum FC Chelsea gehabt». Als Robbie Keane beim FC Liverpool unterschrieb, erklärte den dortigen Fans, er sei schon sein ganzes Leben lang Liverpool-Fan gewesen. Als er zwei Jahre später zu Celtic Glasgow wechselte, erzählte er den Fans dort genau dasselbe. Mittlerweile spielt er für West Ham United, und es würde wohl keinen wundern, wenn er auch von seinem neuen Klub schon immer ein Fan gewesen wäre. Es gibt Ausnahmen Auch die Medien müssen natürlich einen Teil der Schuld auf ihre Kappe nehmen. Viel zu oft nehmen sie Aussagen von Fussballern für bare Münze, statt sie als Meinungen zu deklarieren. Die Schlagzeile «Torres bleibt in Liverpool» etwa ist natürlich Unsinn. Korrekt wäre: «Torres sagt, er bleibe in Liverpool». Aber das klingt eindeutig weniger kna-

ckig und verkauft weniger Zeitungen am Kiosk. Nun könnte man darauf hinweisen, dass im Fussball nur Einzug halte, was in der Gesellschaft und der Politik längst gang und gäbe sei. Doch wenn ein Politiker der Lüge überführt wird, ist es ihm immerhin fast immer peinlich. Ganz anders im Fussball: Andy Carroll sagte hinterher, er sei von Newcastle United zum Transfer gedrängt worden. Sein Trainer behauptete das Gegenteil. Aber das spielt ohnehin keine Rolle mehr. Carroll spielt jetzt bei Liverpool und verdient dort den vierfachen Lohn. Doch es gibt Ausnahmen unter den Spielern: Der Tottenham-Verteidiger Benoît Assou-Ekotto gab kürzlich der Zeitung «Guardian» ein erfrischend ehrliches Interview. Darin erklärte er frei heraus: «Ich spiele wegen des Geldes. Fussball ist nur ein Job. Es ist ein guter Job, und ich sage nicht, dass ich ihn nicht mag, aber Fussball ist nicht meine Leidenschaft.» Und als wäre das für die Fans noch nicht schlimm genug, legte er nach: Er rufe niemals einen Spieler seiner Mannschaft an. «Ich glaube nicht an Freundschaften im Fussball.» Seit diesem ehrlichen Interview ist Assou-Ekotto einer der meistgehassten Spieler der Liga.

Die Wahrheit über Fussball Es liegt in der Natur des Fussballs, dass er kein guter Nährboden für die Wahrheit ist. Spieler und Trainer lassen sich nur ungern in die Karten schauen. Vor allem vor dem Spiel. Deshalb sagen sich Fussballspieler vor dem Anpfiff nur selten die Wahrheit. Stattdessen wünschen sie sich vor dem Spiel oft gegenseitig Glück. Ginge der Wunsch in Erfüllung, würde das die Niederlage des eigenen Teams bedeuten. Ausgehend von dieser paradoxen Situation hat der Autor Bryan Allain den Kurzfilm «The Truth About Soccer» (Die Wahrheit über Fussball) geschaffen. Das Filmchen ist trotz Nullbudget ein kleines Meisterwerk. Es zeigt zwei Fussballer, die sich vor dem Anstoss eines WeltmeisterschaftsSpiels im Mittelkreis unterhalten. Das Besondere daran: Die beiden sagen sich die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Und das klingt dann so: Spieler 1: «Hallo Fussballspieler aus einem anderen Land.» Spieler 2: «Hallo, du Drecksack! Bist du bereit, eineinhalb Stunden lang herumzurennen und so zu tun, als wäre das, was wir tun, wichtig?» Spieler 1: «Ja, das bin ich. Aber ich muss dich warnen. Ich habe jetzt vier Jahre lang trainiert, wie man sich im Strafraum fallen lässt. Du wirst wahrscheinlich meinetwegen eine Rote Karte kriegen.» Spieler 2: «Nun, ich muss dich ebenfalls warnen: Ich habe geübt, wie man in den Gegenspieler hineinrutscht und ihm dabei die Kniebänder zerstört. Ich hoffe, ich kann deine Karriere beenden und dein Leben ruinieren.» Der kurze Dialog zeigt: Wahrscheinlich hat es durchaus seine Richtigkeit, dass Fussballspieler nicht zu ehrlich sind.

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Rubrik

Schweizerreise

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Under Construction

rubrik

Kofi Annans Sohn hinterliess ein Chaos. LokalkrĂśsus NestlĂŠ wollte im Vereinsnamen stehen. Die Vergangenheit von Vevey Sports hat es in sich. Die Gegenwart ist eher trist.

Text: Roland Kehl & Andreas Eggler / Bilder: Andreas Eggler

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schweizerreise: Fc bern

V

evey Sports 05 ist eine Baustelle. Die Metapher mag abgedroschen klingen. Aber in diesem Fall trifft der Vergleich gleich mehrfach zu: Vevey Sports 05 ist eine Baustelle. Vom alten, schmucken Stadion Le Copet ist nur noch die Haupttribüne stehen geblieben. Auf dem Feld ragen Rohre und Kabel aus dem Boden, und Bauarbeiter, denen Zigaretten im Mundwinkel hängen, schieben auf dem Platz scheinbar planlos Kies hin und her. Die Heimstätte des FC Vevey Sports ist eingebettet in ein Tobel, inmitten etwas trister Wohnblocks. In seinen besten Tagen war das Stadion mit 7000 Zuschauern bis über den letzten Platz gefüllt, damals, in den Achtzigerjahren, als man in der NLA Derbys gegen Lausanne, Sion und Servette austrug. Hier soll nun ein neuer Rasen verlegt werden, der es

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in sich hat: Die Graswurzeln werden in einem synthetischen Unterboden verankert, darüber kommt ein natürlicher Belag zu liegen. So spielt man auf Naturrasen, aber der Rasen widersteht allen Tritten und Tacklings. Weniger benötigte Regenerationszeit, mehr Spiele, eine Neuheit in der Schweiz. Und auch die Spielerkabinen werden ChallengeLeague-Niveau aufweisen. 2005 – nicht 1905 Bezahlt wird der über 3 Millionen Franken teure Stadionumbau von der Gemeinde Vevey. Denn der Fussballklub Vevey Sports 05 ist finanziell ziemlich schwach auf der Brust. Der heutige Vereinsname kaschiert elegant ein unrühmliches Kapitel dieses Fussball-Traditionsvereins an der Waadtländer Riviera: Das Kürzel «05» steht nämlich weniger

für die Vereinsgründung im Jahr 1905 als vielmehr für die Neugründung nach dem Konkurs im Jahr 2005. Väter dieses Niedergangs gibt es einige. Vom Abschied aus der höchsten Spielklasse 1987 und dem anschliessenden direkten Fall in die 1. Liga erholte sich der Klub sportlich nie mehr. Und mit jedem neuen Präsidenten stieg die Schuldenlast. Besonders bunt trieb es in den Neunzigerjahren Roland Frey. Der freisinnige Gemeindepräsident von Corsier und Inhaber eines Zügelunternehmens finanzierte seine Spielsucht unter anderem mit dem Verkauf von Gemälden und Möbelstücken seines Kunden. Als Manager griff er auch in die Klubkasse und schädigte seinen Verein im sechsstelligen Bereich. Der damalige Präsident bekam von den Veruntreuungen nichts mit. Der damalige Präsident? Kojo An-


nan. Seinen Traum hatte sich der Sohn des ehemaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan mit dem Engagement beim FC Vevey Sports verwirklicht: Präsident sein. Und diesen Traum liess sich der Mittzwanziger auch etwas kosten. Mit einer Viertelmillion Franken soll er die Vereinskasse aufgepäppelt haben. Bei den Spielen bekam man ihn aber nur selten zu Gesicht, und auch ansonsten war er meist nicht erreichbar – fast schon eine Aufforderung für den notorisch klammen Frey. Dieser wurde zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt, und Annan, dessen Amtszeit der «Spiegel» auf den Begriff «Nichtstun» reduzierte, zog sich wieder aus dem Klub zurück. Die Probleme aber blieben. Im Jahr 2005 stand man vor einem Schuldenberg von über 400 000 Franken. Jetzt half nur noch ein Neufanfang.

Ziel: Die Nummer 3 im Kanton Ähnlich wie beim langjährigen Ligakonkurrenten La Chaux-de-Fonds verhinderte der SFV einen Fall nach ganz unten und ermöglichte den Neubeginn in der 2. Liga. Diese Lösung war möglich, weil der Klub über eine gut sortierte Juniorenabteilung verfügt. Noch heute ist der FC Vevey Sports 05 mit seinen 18 in einer Meisterschaft integrierten Teams einer der grössten Vereine der Westschweiz. Unterdessen dümpelt man nun im unteren Mittelfeld der Tabelle in der 2. Liga interregional. Mittelfristig wird der Aufstieg in die 1. Liga angepeilt. Man möchte sich als klare Nummer drei im Kanton hinter Lausanne und Yverdon etablieren. Für Träume, heisst es, fehlt das Geld. Wie bitte? Immerhin sitzt mit dem Weltkonzern Nestlé ein möglicher Mäzen

sozusagen direkt vor der Haustür. Pascal Piguet, Sportdirektor und Vizepräsident, relativiert. Nestlé exponiere sich nur ungern als Hauptsponsor, da ansonsten gleich sämtliche Vereine der Region angerannt kämen und um Geld bettelten. Allerdings unterstütze der Konzern den Fussballverein indirekt durch Zahlungen in einen Juniorenfonds der Gemeinde Vevey. Einem weiter gehenden Geschäftsmodell hat jedoch der Klub selber vor Jahren eine Absage erteilt. Nestlé war an einer engeren Zusammenarbeit interessiert – unter der Bedingung, dass der Vereinsname in Nestlé Vevey geändert werde. Die damalige Klubführung lehnte ab. Würde man ein solches Angebot angesichts der heutigen Situation ebenfalls ausschlagen? Piguet schüttelt vorsichtig den Kopf. Er selber zeigt sich neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen.

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Aber er weiss zugleich um den Stellenwert der Tradition im Umfeld des Klubs. Alles braucht Zeit. Deswegen scheint auch eine Fusion mit anderen Waadtländer Vereinen bis auf Weiteres ausgeschlossen. «Ein FC Riviera?» Piguet lacht auf. «Klar – das wäre eine interessante Idee. Aber das schlucken die Leute hier erst, wenn der sportlichen eine politische Vereinigung vorangegangen ist.» Pläne hierzu gibt es bereits. Sechs SeeanrainerGemeinden sollen mit vier weiteren aus dem Hinterland zu einer politischen Einheit verschmolzen werden. Eine Volksabstimmung über dieses Projekt liegt jedoch noch in weiter Ferne. So werden auf absehbare Zeit einzig die Derbys mit Montreux sportliche Highlights darstellen. Und die Freundschaftsspiele gegen den FC Sion, dem man zur Vorbereitung auf die Auswärtsspiele gegen YB grosszügig den eigenen Kunstrasenplatz anbietet. Einem Bernard Challandes schlägt man in Vevey nichts aus. Immerhin ein Bereich ohne Baustelle.

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Chapuisat fristlos entlassen Am 13.9.1985 begegnen sich der FC Vevey Sports und Servette FC in einer Meisterschaftspartie der NLA. Genfs Spielmacher Lucien Favre befindet sich in ausgezeichneter Form. Er nimmt in der gegnerischen Platzhälfte Fahrt auf Richtung Vevey-Tor. Kurz vor dem Strafraum fliegt von der Seite her Gabet Chapuisat mit feuerroter Mähne und den Stollen voran auf den Techniker Favre zu. Das gestreckte Bein Chapuisats kracht in Favres Knie: Kreuzband und Kniescheibe sind zerstört. In der Folge verklagt Favre den Vevey-Spieler auf Körperverletzung und erhält recht: Chapuisat muss 5000 Franken bezahlen. Favre, der von einem «Attentat» spricht, kehrt noch einmal auf den Fussballplatz zurück, ist aber nie mehr der Alte. Beim FC Vevey Sports sieht man sich gezwungen, Chapuisat sofort zu entlassen. Dieser hadert mit der Entscheidung, meint, es sei kein «Brutalo-Foul» gewesen. So ein Foul gebe es jede Woche. «Klar habe ich die Szene noch im Kopf», sagt der heutige Vizepräsident Piguet im Gespräch mit ZWÖLF. «Aber haben Sie das Foul von Nigel de Jong an Hatem Ben Arfa gesehen? Das war doch noch viel schlimmer!» Piguet selbst wurde einmal von Chapuisat trainiert und schwärmt von ihm in den höchsten Tönen. «Chapuisat, Debonnaire, Challandes, das sind Fussballverrückte, ihre Leidenschaft ist ansteckend.» (rok)


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Text: Romano Spadini Bilder: Keystone

Circus Tschik beim FCZ Klein und rund von Statur, laut und ulkig im Ton, erfolgreich und experimentierfreudig im Tun: So präsentierte sich Startrainer Zlatko «Tschik» Čajkovski auch Ende der Siebzigerjahre in Zürich.

E

r war zweifelsohne ein Original seiner Zunft, der kleine, rundliche Mann aus Zagreb. Und er polarisierte, auch als Kurzzeit-Trainer beim FCZ. Was Zlatko «Tschik» Čajkovski als Menschen auszeichnete, fasste sein Spieler René Botteron ganz prägnant zusammen: «Er ist sehr schnell begeistert und sehr schnell böse.» Als Coach würde ihm mehr Autorität gut anstehen, wünschte sich derweil Gianpietro Zappa, um anzufügen, dass Tschik auch ohne der grosse Peitschenknaller gewesen zu sein, seine Erfolge hatte. In einer FCZ-Vereinschronik schliesslich ärgerte man sich darüber, dass bei Čajkovski die «Show- und Operettenelemente» das Sportliche überwogen. Auch Čajkovski selbst fand augenscheinlich Gefallen daran, in seinem ulkigen Deutsch über Čajkovski zu palavern. Einige Auszüge davon: «Ich habe Fehler. Einen. Mein Temperament. In Deutschland sagt Mensch, bevor du etwas sagen – zähle bis 22. Ich zähle nur auf zwei und sage dann schon. Ich zu spontan – nicht

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diplomatisch. Ich denke, du besser gezählt bis 22. Nächstes Mal ich zähle wieder nur auf zwei…» Über seine sieben Monate in Athen, wo er nach dem Gewinn des Doubles mit AEK wie ein König hofiert wurde: «Überall für mich Freibier und ich jetzt zu fett.» Bei seiner Ankunft in Zürich gab er sich dann wenig bescheiden: «Wichtig ist viele junge Leute. Tschik macht aus jungen Spielern grosse Stars. Wie Weber, Overath, Beckenbauer, Müller und viele andere.» So war er, der Tschik. Das Herz auf der Zunge, stets bestens gelaunt und immer gut für einen lockeren Spruch. Ihn jedoch nur auf sein extrovertiertes Wesen zu reduzieren, wäre höchst ungerecht und würde seiner Spieler- und Trainerkarriere, die gepflastert war mit unzähligen Erfolgen, nicht den gebührenden Respekt erweisen. Čajkovski, geboren am 24. November 1923 in Zagreb, verkörperte schon als Spieler Weltklasse. Mit Partizan Belgrad konnte er zwei Meistertitel und drei Cupsiege erringen. In der Landesauswahl bestritt der Mittelfeldspieler 57 Spiele und

nahm an den Weltmeisterschaften 1950 und 1954 teil. Nachdem er seine Spielerkarriere beim 1. FC Köln hatte ausklingen lassen, übernahm er selbigen Verein als Trainer. Bei den Domstädtern verbuchte er mit dem Meistertitel 1962 (vor Einführung der Bundesliga) seinen ersten Erfolg als Trainer. Weitere liess er folgen: Mit Bayern München stieg er 1965 in die Bundesliga auf, errang 1966 den DFB-Pokal, den er ein Jahr später verteidigen konnte, und triumphierte im Europacup der Cupsieger. Bei den Kickers aus Offenbach holte er 1970 abermals den DFB-Pokal. Mit AEK Athen gewann er 1978 das Double. Gewagte Experimente Als König von Athen siedelte er im Sommer 1978 nach Zürich um, wo er die Nachfolge des sehr erfolgreichen Timo Konietzka antrat. Fachleuten blieb nicht verborgen, dass die Stärke des FCZ nicht unbedingt im Zweikampfverhalten lag. Auf diese Schwäche angesprochen, hatte er für den «Blick» mal wieder ein Bonmot parat: «Die beste Kondition hat der Ball. Wir arbeiten praktisch nur mit dem Ball. Wenn meine jungen Spieler erst einmal keine Probleme mit dem Ball mehr haben, werden sie auch keine Probleme mit den Zweikämpfen haben. Denn – dann kommt es gar nicht zu Zweikämpfen, dann wird der Gegner ausgespielt.» Obwohl der trickreiche Tschik immer wieder bewies, dass er aus einer Not eine Tugend machen konnte, fiel der Start in


Die NLA-Legende

derten, dass der Vorstand im Winter ein positives Fazit ziehen konnte, was für den angeschlagenen Čajkovski dringend vonnöten gewesen wäre.

Zürich mit drei sieglosen Begegnungen ausbaufähig aus. Doch dann zündete der FCZ den Turbo und blieb in 14 Spielen ungeschlagen. Die Mannschaft glänzte vor allem durch Spielstärke, zu der Neuzuzug Jure Jerković einiges beitrug. Im Verbund mit seinem kongenialen Partner Botteron dirigierte er das Spiel des FCZ. Und Čajkovski hielt Wort und baute mit Lüdi, Zwicker, Landolt, Zappa und dem erst 16-jährigen Kundert, der als sein Zögling galt, einige sehr junge Spieler erfolgreich in die Mannschaft ein. Nach der Qualifikation grüsste der FCZ als Tabellenführer. Doch trotz des Erfolges gab es schon bald atmosphärische Störungen in der Mannschaft. Čajkovski wartete zeitweilig mit gewagten Experimenten auf. So beförderte er vorübergehend den etatmässigen Libero Chapuisat ins Mittelfeld, was ihm den Zorn des ebenso wenig diplomatischen Romands eintrug. Auch das Experiment mit Zappa als Mittelstürmer musste als gescheitert betrachtet werden. Und wenn die Leistung der Mannschaft dem Trainer nicht gefiel, ging dieser wie nach dem glücklichen 1:0-Sieg über Nordstern in die Vollen: «Das war das schlechteste Spiel, das ich je erlebt habe. Am liebsten hätte ich mich selbst eingewechselt, denn so schlecht spiele ich nicht einmal, wenn ich vier Liter Wein getrunken habe.»

Spannungen mit Nägeli Sportlich lief es für den Verein ausgezeichnet. Dank Čajkovskis Mut zum Risiko spielte die Truppe erfrischenden Offensivfussball und konnte als einzige Mannschaft mit Servette mithalten, das sich als stärkstes Team der Finalrunde entpuppen sollte und im Juni schliesslich den Meisterkübel in die Höhe stemmen konnte. Der FCZ reihte sich mit gebührendem Abstand auf Erzfeind GC als Zweiter ein und stellte mit Peter Risi den Torschützenkönig. Neben dem Platz wurde es jedoch für den jovialen Coach immer ungemütlicher. In der Mannschaft legte er sich nach Chapuisat auch mit Zappa an. Schwerer wogen jedoch die wachsenden Spannungen mit dem allmächtigen Präsidenten Edi Nägeli. Gleichwohl merkte auch der Präsi, dass die Mannschaft unter Čajkovski klar erkennbare Fortschritte gemacht hatte, und so nahm der Verein auch die Saison 1979/80 mit Tschik in Angriff. Im Herbst 1979 zeigte das Team dann zwei Gesichter. In der Meisterschaft wusste es zu überzeugen und platzierte sich nach der Hinrunde auf Rang 2, punktgleich mit Leader GC. Doch zwei herbe Enttäuschungen (Cup-Aus im Achtelfinale gegen Chênois und das klare Scheitern im UEFA-Cup gegen Kaiserslautern) verhin-

«Zu weich, zu liebenswürdig» In der Winterpause ereilte den Verein dann mit dem Hinschied des äusserst populären Edi Nägeli ein schwerer Schicksalsschlag, was zur Folge hatte, dass der FCZ vorübergehend führungslos blieb und sich in einem paralysierten Zustand befand. Dies griff auch auf die Mannschaft über, die den Rückrundenstart in den Sand setzte und auf Platz 4 abrutschte. Der neu gekürte Präsident Alfred Zweidler folgte schliesslich dem Wunsch zahlreicher Vereinsmitglieder und feuerte nach der 0:3-Heimpleite gegen St. Gallen den umstrittenen Trainer. Zweidler erklärte im März 1980 im «Sport»: «Die Lage war vorauszusehen. Tschik musste gehen, weil er zu weich war, zu liebenswürdig mit unseren verwöhnten Stars.» Der «Sport» fügte an, dass die Spieler den Glauben an ihren jovialen, witzsprühenden und clownesken Trainer verloren hätten, weil er häufig sich selbst widersprochen, chaotische Befehle ausgegeben und sich in Autoritätsproblemen und Scheingefechten mit seinen Kritikern rettungslos verstrickt habe. Rein sportlich gab es jedoch für den Verein sehr wenige Argumente, sich von Čajkovski zu trennen. Nach dem überzeugenden 2. Platz im Vorjahr lag die Mannschaft mit nur einem Punkt Rückstand auf Servette auch zum Zeitpunkt seiner Entlassung noch aussichtsreich im Titelrennen. Zudem kann man nicht umhin, die erfreuliche Entwicklung so begabter Spieler wie Lüdi, Zwicker oder Kundert als Verdienst Čajkovskis zu werten. Mag sein, dass sich Čajkovski durch seine extravagante Art mit der Zeit verbraucht hatte, sein Fachwissen indes blieb stets unbestritten. Der lebensfrohe Kroate, der nach der Entlassung beim FCZ für kurze Zeit bei Grenchen anheuerte, brauchte stets auch die Bühne ausserhalb des Rasenvierecks. Diese schien für den mitteilungsbedürftigen Tschik in der Schweiz dann aber doch deutlich kleiner zu sein als in der deutschen Bundesliga.

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Rubrik

Herzlich, Ihr Josef Zindel Josef Zindel FC Basel 1893 Birsstrasse 320 A 4052 Basel

ZWÖLF Postfach 8951 3001 Bern

Basel 10.1.2011 Liebe «Zwölf»-Redaktion Ich bedanke mich bestens für Eure Anfrage. Denn eigentlich mag ich Fan-Magazine. Zum Beispiel «11 Freunde» aus Deutschland. Oder «Ballesterer» aus Österreich. Und auch «Zwölf» aus der Schweiz. Vielleicht, ich weiss es nicht, gibt es so was wie «Zwölf» oder «11 Freunde» auch noch in Frankreich oder, sagen wir, in der Türkei. Aber die würde ich wohl eher nicht lesen, da mein Türkisch mangelhaft ist. Die einzigen türkischen Wörter, die ich verstehe, wenn ich ammigs am türkischen Fernsehen die Fussballzusammenfassungen sehe, sind «Ivan» und «Ergic». Wobei ich hier nicht unerwähnt lassen möchte, dass ich bei TRT, so nämlich heisst die SRG in der Türkei, statt der Zusammenfassung der Spiele der Süperlig noch viel lieber die Partien der 1. Lig sehe. Die 1. Lig ist in der Türkei, wie schon der Name sagt, die zweite Liga. Da finden so vergnügliche Spiele wie Güngören Belediyespor gegen Mersin Idmanyurdu statt. Oder Orduspor gegen Kartalspor. Einverstanden, für unsere Ohren mag das exotisch tönen. Aber fragt mal einen Türken, sagen wir einmal einen aus der Provinz Gümühane, wie für ihn Stade Nyonnais gegen Biel-Bienne klingt. Eben. Spiele der zweithöchsten Liga der Türkei sind am türkischen Fernsehen übrigens jeweils jene Partien, die mit einer einzigen Kamera aufgenommen werden. Die Kamera steht auf dem Dach der Tribüne, die sich wiederum auf der einen Längsseite des Platzes befindet. Die Kamera erfasst: • einen Rasen, der oft keiner ist; • den meist mittleren Teil der Spielfläche, manchmal sogar Ansätze des Strafraums; • zweimal elf Mannen, die rumwackeln. Wobei die nicht wackeln, weil sie selbst auf wackligen Füssen stehen würden, beileibe nicht. Sondern weil die Kamera wackelt, und die wackelt nicht selten, weil die Tribüne wackelt, was wiederum zur Folge hat, dass der Kameramann wackelt, zumal der, glaub ich, jeweils neben dem Filmen gleich auch noch den Kommentator macht, also mit der einen Hand die Kamera halten muss, mit der andern das Mikrofon, und sich mit den weiteren Händen in der Balance zu halten versucht; • eine Gegenseite ohne Tribüne und ohne Zuschauer, weil die 400, die im Durchschnitt zu einem Spiel Güngören Belediyespor - Mersin Idmanyurdu kommen, meist auf der Haupttribünenseite Platz nehmen, nie aber hinter den Toren. Dort parkieren sie ihre Autos; • fast nie einen Ball, weil der meist viel schneller ist als die wacklige Führhand des Kameramannes. Wer jetzt den Eindruck bekommen hat, dass ich mich über die TV-Übertragungen aus der zweiten türkischen Liga namens 1. Lig lustig mache, hat recht. Wobei ich sehr deutlich unterstreichen möchte, dass das nichts mit Rassismus oder westlichem Imperialismus-Gehabe zu tun hat. Vielmehr ist mein Mich-lustig-Machen über das türkische Zweitliga-Fernsehen aus der schieren Not geboren. Lieber nämlich würde ich mich manchmal über die Berichterstattung des Schweizer Fernsehens zum Geschehen in der zweithöchsten Schweizer Liga lustig machen. Geht aber nicht, denn zweitens bringen sie in Leutschenbach nie etwas über die zweithöchste Schweizer Liga. Und erstens sind oft die Berichte aus der ersten Schweizer Liga etwa so wie jene in der Türkei aus der zweiten Liga. Und darüber mag ich mich nicht lustig machen. Weil ich es nicht lustig finde.

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Nicht lustig ist auch, dass ich für Euer Heft gar keine Kolumne schreiben darf, selbst wenn ich es wollen tun täte. Was im Prinzip durchaus der Fall ist, denn ich finde Journalist nach wie vor einen guten Job, weil das ist einer, der wo gutes


Grundnaiv haben wir den «erfahrensten Medienchef» («NZZ am Sonntag») angefragt, ob er für ZWÖLF eine Kolumne schreibe. Zurück kam ein «vertraulicher Brief». Deutsch können muss. Ich weiss das, denn schliesslich war ich früher selber einen. Und noch heute bin ich Mitglied im Aktionskomitee «Rettet dem Dativ». Aber, Ihr habts ja in Eurer Anfrage selbst vermutet: Interessenkonflikte und so. Schliesslich bin ich beim FC Basel 1893 angestellt – und das erst noch in der Öffentlichkeitsarbeit, was eigentlich nichts anderes heisst als: Jedes Wort, das ich öffentlich schreibe oder sage, ist offiziell. Und zwar sehr. Manchmal sogar sehr, sehr. Und kann immer gegen mich verwendet werden. Und gegen den FCB, gegen Frau Oeri, Herrn Fink, Herrn Yapi, Herrn Heusler oder Herrn Frei. So was nennt man Gewaltentrennungsproblematik. Ihr versteht: Wenn ich für Euch ein bisschen ironisch über meinen Arbeitgeber FCB schreibe – dann werde ich sofort gefeuert und kann gleich nach dem Büroräumen was für «Zwölf» schreiben. Dabei würde ich ja unheimlich gerne wieder einmal eine Kolumne schreiben und mich dabei ein klein wenig satirisch äussern. Zum Beispiel über die Berichterstattung am Schweizer Fernsehen zur Challenge League. Oder über die Filme der 1. Lig der Türkei. Aber das ist genau so ein Thema, das ich nicht anschneiden kann, nicht in meinem Beruf. Das kann ich höchstens hier in diesem vertraulichen Brief an Euch ansprechen. Oder ich würde gerne deutsch und deutlich in Stein meisseln, was ich von jenen halte, die dauernd Alex Frei auspfeifen. Und von jenen, die sich nun auch noch berufen fühlen, auf Seite 2 ihrer Zeitung, dort, wo sonst die Storys über Obama, Ratzinger und die Banken stehen, ein Psychogramm über Alex Frei zu verfassen, ohne je mit ihm ein Wort über ihn und seine Psyche gesprochen zu haben. So was würde ich gerne schreiben. Geht aber nicht, Ihr wisst schon, nicht für einen Pressechef. Geschweige denn mal deutsch und deutlich darzulegen, was ich von jenen halte, die allen Ernstes glauben, die Fanproblematik sei allein mit Strafen, Sanktionen und Verboten gelöst und alles, was nach Integration und Prävention rieche, sei nur was für Weicheier und Pilzsammler. Ja, selbst meinen eigenen Cheftrainer würde ich fürs Leben gern mal öffentlich durch den Kakao ziehen – dann, wenn er allen Ernstes und mit sehr gesundem Selbstbewusstsein vor einem Champions-League-Spiel in Rom in die Kamera lächelt und sagt: «Wir können gewinnen, selbst auswärts gegen den AS Rom.» Aber nicht einmal über so was darf ich spotten – weil wir am Ende tatsächlich «gewinnen, selbst auswärts gegen den AS Rom». Womit ich an der Stelle dieses Briefes angelangt bin, wo ich mich eigentlich sehr gerne auch über mich lustig machen würde – nämlich, dass ich es bis heute nicht geschafft habe, unserem deutschen Cheftrainer Thorsten Fink und unserem deutschen Assistenztrainer Heiko Vogel beizubringen, dass es nicht «der AS Rom» heisst. Sondern «die AS Roma». Schon am zweiten Tag in Basel haben Fink und Vogel gelernt, dass man in der Schweiz Göph sagt und nicht Pokal, parkieren und nicht parken, grillieren und nicht grillen, Basler und nicht Baseler, Zürichsee und nicht Zürichersee, Chianti und nicht Tschianti. Aber das mit «die AS Roma» bekam ich nicht hin. Und werde ich nie hinbekommen. Das ist ausgeschlossen, hoffnungslos, so unmöglich wie einen Pudding an die Wand zu nageln. Weshalb ich nur noch hoffen kann, dass wir in nächster Zukunft nie mehr die AS Roma als Gegner zugelost bekommen. Sondern mal einen anderen Italiener. Zum Beispiel «den AC Mailand»… Kurzum, wenn man mich machen liesse, würde ich schon eine Kolumne für Euch verfassen, durchaus auch gerne mit leichter Tendenz zur Satire. Denn es gab und gibt im Fussball, auch im Schweizer Fussball, sehr wohl Menschen und Menschlein, die sich glänzend für die Schippe eignen würden. Aber würde ich was Ironisches über YB schreiben oder über GC oder über den FCZ, dann wäre es total respektlos und unfair gegenüber geschätzten Ligarivalen. Mit was Spöttischem über den Verband oder gar mit was leicht Sarkastischem über die Schiedsrichter würde ich massiv jene Grenzen überschreiten, die ich mir in meinem Job selbst gebastelt habe. Danke fürs Verständnis, mit freundlichen Grüssen

Josef Zindel Medienchef FC Basel 1893

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Schwarzes Brett F50 adizero Prime

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Knipsen in England Vor 20 Jahren, im Ansch luss an die Hillsborough-Katast rophe in Sheffield, bei dem 96 Leu te ums Leben kamen, startete Fotograf Stuart Clarke sein Pro jekt «The Homes of Football», bei dem es ihm darum geh t, die Veränderungen des britischen Fussba lls im Anschluss an die Tragödie festzuhalten. Seine Bilder sind zur Zeit im «National Foo tball Museum» in Manchester zu sehen, gle davon auch in Buchform. ichzeitig erschien endlich eine Auswahl «The Cradle of The Ga me» (Die Wiege des Spi els) zeigt Zuschauer, Stadien, Allt agsszenen und Eindrücke aus einer Zeit des Umbruchs, in der sich die nationale Institution Fus sball neu erfinden musste. Vereine zerfielen, Stadien wurden umgeb aut oder abgerissen, aus den Trümmern entstand die mächtige Premier League mit ihren modernen Tempel n und den immer vollen Tribünen. Clarkes Werk zeigt auc h, wie Fussball in Englan d früher war. Damals, bevor die grosse n Investoren kamen. Stuart Clarke: The Cradle of The Game. 200 Seit en, gebunden, 29.99£ Bestellen auf www.hom . esoffootball.co.uk

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Fussball-ManaDie Tradition der so lange wie en eb ist e gerspiel nfehleinkäufe sse Ma r diejenige de Wie bei den se. au in der Winterp vid all eospielen klassischen Fussb hauptsächlich r hie ch au n buhle Gunst des Publidie um zwei Titel sserst viel Fanäu kums, die beide wahl spielen ns tasie bei der Name Manager» all sb us «F r De n: liesse n EA Sports des Branchenriese Manager» von ll tba und der «Foo ide mittlerweile SEGA, die sich be : Er ln. ne äh r seh r allem zwei Dinge . lich natür spielt, braucht vo en n ne mm tio sko ula au f sim all hla Wer Fussb t wenig Sc rven haben und mi est mal am nd mi zu – muss sehr gute Ne die , r ist, einen r allem jene Leute gar nicht so schwe Zielgruppe sind vo einkaun wollen, dass es ise so ll we Fa be n – r ine ute ke f Comp ren, und man au t man füh ha zu rt olg sta Erf iel Sp m Verein zu halke. Kurz nach Sc i be t, die h ch at ma ag ge M fen soll wie erpflichtungen überteuerte Neuv gegen sich ns Fa die , en pp dann bereits neun entpu Verein als Rumpelfüsser ruiniert und den sich grösstenteils ung in der Kabine mm Sti die t, ch rgeiz. aufgebra packt einen der Eh nur minimal verbessert sowieso. Und dann sich zwar igt ze 11 s uner20 er die Tiefe des Spiel Football Manag ngern, dennoch ist man sich selber kümrgä Vo n de r be nü gege l kann ch so kleine Detai s nicht will. reicht. Um jedes no er zum Glück nicht, wenn man da ern auch ab nd n so ma mern – muss tik auf dem Feld, ht nur um die Tak n Medien, de zu is ltn rhä Ve Dabei geht es nic s ndern den der Spieler, da 7 Ligen aus 51 Lä um das Wohlbefin vieles mehr. In 11 ll die d vo un be g lie run r ga füh so ns h zur Verei ickler haben sic tw En enen nd die n, rha vo sei r tiv de kann man ak e Statistiken ch rückwirkend all allenge League. Wenn Mühe gemacht, au Ch r und , selbst die aus de n für bestens einSpieler zu erfassen Haare t Einzelgespräche mi die . h u.a sic er ft iel rau Sp d man die Partie laufen un die n kann. ma en st au läs sch lt, zu r aufgestellt hä bei denen man nu n, en ge ein rla r de Nu Nie g. bei unverdienten hen noch einen Sie r dem Schlafenge vo o als ht uc bra Es einzigen noch...

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FussBall und Design in Basel Fanartikelsammlungen und ihre spannenden Geschichten

Die Ausstellung FussBall und Design der Schule für Gestaltung in Basel nimmt sich der in unzähligen Sammlerstücken materialisierten Liebe einer Region zum FCB an und präsentiert einmalig an der Finissage am 5.3.2011 ab 17.0 0 Uhr alle, wirklich alle zur Verfügung gestellten Gege nstände – besonders auch diejenigen, die keinen Platz in der Aufstellung der aktuellen Ausstellung gefunden habe n. FussBall und Design zeigt die mate rielle (Fan-)Kultur, in deren Sammlerstücken die Euphorie und Begeisterung der FCB-Fangemeinden gestaltete Form finden, und spannt dabei einen weiten Bogen von industriell erzeugten Massenprodukten und deren subje ktiver Aneignung bis zu mit viel Hingabe und Einfallsrei chtum von FCBAnhängern angefertigten Sammler objekten. Ein Blick auf lokale Basler Populärku ltur und in das Making Of einer Ausstellung aus kultu ranthropologischer Perspektive. Zahlreiche Einblicke in jahrzehntelange Sammler- und Fussballleidensch aft. Eine Finissage quasi als «Director’s Cut» einer kritis chen Hommage an die Fans des FCB. Und die Gelegenh eit, die Geschichten hinter den Sammlungen, den gesa mmelten Stücken und den Sammlern zu erfahren. 21. Januar bis 06. März 2011

Dienstag bis Freitag 12.00 – 18.30 Uhr,

Samstag und Sonntag 12.00 – 17.00

Uhr

Ausstellungsraum der Schule für Gestaltung Spalenvorstadt 2, 4051 Basel

Die Ausstellung ist zur Zeit laufend geöffnet von Di bis Fr 12 bis 18.30 Uhr und Sa und So 12 bis 17 Uhr. Die Finissage findet statt am 5.3.2011 ab 17.00 Uhr im Ausstellungsraum der Schule für Gestaltung Basel, Spalenvorstadt 2, 4051 Basel.


rubrik

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Rubrikwar dabei Zwölf

Frei erfunden, dafür exklusiv: So will der GrashopperClub finanziell wieder auf die Beine kommen. Der 7-Punkte-Plan für den Turnaround. Auch wenn der Typ vom Consulting-Unternehmen mit einem kräftigen Alkoholproblem am Start war – so viel ist allen klar: Kohle muss her, und zwar schnell. Und die Marke GC wird neu gebootet. Die Ferienkolonie in Niederhasli wird dichtgemacht. Der Kindergarten kostet nur. Stattdessen ziehen wir auf dem Campus ein Esoterik-Paradies auf: WalfischklängeMeditation, WünschelrutenBasiskurs, Ausdruckstanzen – die Kurse schenken ein. Unsere Uri-Geller-Fraktion marschiert geschlossen auf: Ciri zeigt, wie man sich nur von Licht ernährt, Rici lässt es im Bachblüten-Seminar krachen, Erich ist unser Medium. Was das Fernsehen kann, kann GC schon lange: Unsere Schlachtrösser sind ab sofort für jede Hundsverlochete zu haben, und wir cashen ab: Smiljanic als Testimonial bei der Einweihung des neuen Feuerwehrheims, Adili als Moderator für den Bingonachmittag, Rennella am Suppentopf der Heilsarmee – alles ist machbar, wenn nur Bargeld fliesst. Oft geplant, nie umgesetzt: Im März kommt endlich der GC-Schenkkreis. Jedes Vereinsmitgleid macht ein paar Tausender locker und sucht zwanzig Festlandpiraten, die dem Klub ebenfalls kräftig einschenken. Als Gegenleistung gibt es

aus unserem Esoterik-Versandshop einen Kubus nahrhaftes Abendlicht. Der Mittwochs-Club lässt die Puppen tanzen: Alle Mitglieder bringen den Klunker ihrer Botoxsäulen, und wir verhökern das Ganze über unsere Karabach-Connection. Wer mit der Klimperware mehr als 50 Riesen in die Kasse schaufelt, darf für ein Heimspiel in der Hochprozenter-Loge die Hirnzellen einzeln abfackeln. Die Ausgaben müssen runter. Ciri greift sich ab sofort nach jedem Spiel eine Handvoll Bankdrücker und klappert die Caritas-Säcke nach brauchbarer Trainingskleidung ab. Die restlichen Lumpen sacken wir ein und verhökern sie an die Berghilfe. Die Stadionfrage: Wir squatten die Pferderennbahn Frauenfeld und sind künftig dank ländlicher Umgebung multifunktional aufgestellt. Wem es am Match langweilig ist, kann mit dem Vorderlader das lokale Geflügel wegballern oder mit der Pump-Action den Wildpark aufmischen. Nur für Member bieten wir zudem Dynamit-Fischen in der Thur an. Profis müssen ran. Noch im Februar übernimmt darum unser alter Thurgauer Spezi Volker Eckel das Zepter. Diesmal aber richtig. Der Mann bekommt alle Vollmachten, die er braucht. Bald schon steigt bei uns Eckels Paschtunen-Posse aus dem Swattal ein.


Auslaufen Fussball-Smalltalk Vereine mit dem Zunamen «Arsenal» gibt es ausser in England auch in der Ukraine, in Argentinien, Ghana, Honduras, Russland, Mauritius und Lesotho. 1899 forderte der Besitzer des «Sanger’s Circus» vier Spieler von Leicester zu einem Elfmeterschiessen gegen den Zirkuselefanten auf. Drei von ihnen brachten keinen Ball am Dickhäuter vorbei, der seinerseits souverän verwandelte. Nur William Keech erreichte immerhin ein 2:2, indem er den Elefanten mit Täuschungsmanövern austrickste. Im neuen Stade de Suisse waren schon Eröffnungsturnier, zwei Meisterschafts- sowie zwei UEFA-Cup-Partien gespielt worden, bevor Schiedsrichter Martin Salm vor der Partie YB - Sion feststellte, dass der Elfmeterpunkt bei 9 statt bei 11 Metern aufgemalt war. Die Stadt Zürich stellte schon 11 Vereine in der höchsten Schweizer Spielklasse. Es waren dies: Grasshopper-Club Zürich, FC Zürich, Young Fellows Zürich, FC Blue Stars Zürich, Neumünster Zürich, Fire Flies Zürich, Anglo-American Football Club Zurich, Kickers Zürich, American Wanderers Zürich, International Zürich, Fortuna Zürich. Clint Dempsey, Mittelfeldmotor von Fulham und Nationalspieler der USA, ist auch ein begnadeter Rapper und tritt als solcher unter dem Namen «Deuce» auf. Nicht annähernd so talentiert und weit unglücklicher in der Namenswahl ist Schalkes Dauerverletzter Christian Pander, dessen Rapper-Alias «Funky Pee» lautet. Der US-Amerikaner Dale Mulholland wechselte 1990 in die Liga der feindlichen Su­ permacht UdSSR zu Lokomotiv Moskau. Seinen Platz bei den Orlando Lions übernahm sein kurzzeitiger Teamkollege Aleksandr Golovnya. Der Jugendverein von Dortmund-Shootingstar Shinji Kagawa heisst FC Miyagi Barcelona. Mr. Miyagi war auch der Name des Karatemeisters im Film «Karate Kid» von 1984 («Auftragen, polieren»). Die Schweiz ist das einzige Binnenland, das je an einer Beachsoccer-Weltmeister­ schaft teilgenommen hat. 2009 gewann sie die Silbermedaille.

Von den 46 europäischen Nationalmannschaften, gegen die die Schweiz schon gespielt hat, hat sie nur gegen deren 20 eine positive Bilanz. Von den südamerikanischen Gegnern ist Venezuela der einzige. Das Drittrundenspiel im wenig prestigeträchtigen Carling Cup vom 23.9.2008 in Burnley vor 7100 Zuschauern war Pascal Zuber­ bühlers bisher einziger Pflichtspiel-Einsatz für Fulham. Es ging 0:1 verloren. Als Tormusik im Allianz Stadion dient dem FC Bayern München ein Song von The Fratellis mit dem Titel «Chelsea Dagger» (Chelsea-Dolch). In den letzten 10 Saisons schafften es in der Premier League lediglich vier Mannschaften (Leeds, Newcastle, Everton, Tottenham), in der Schlusstabelle vor einem der vier Top­ teams Manchester United, Arsenal, Chelsea und Liverpool zu stehen. Für mehr als Platz 3 reichte es indes nie. West Hams Verteidiger Alvin Martin schaffte am 21. April 1986 das Kunststück, bei seinem Hattrick gegen Newcastle United gegen drei verschiedene Torhüter zu treffen. Nachdem sich Stammkeeper Martin Thomas verletzt hatte, traf Martin auch je einmal gegen die Feldspieler Chris Hedworth und Peter Beardsley. Lionel Messi war 2010 der erste Spieler, der in einem WM-Jahr zum Weltfussballer des Jahres gewählt wurde, ohne Weltmeister geworden zu sein. Die Partie der zweiten Runde des schottischen Pokals 1979 zwischen Falkirk und Inverness Thistle musste 29 Mal wegen schlechten Wetters und unbespielbaren Rasens verschoben werden. Das Logo des belgischen Vereins K.A.A. Gent zeigt den Kopf eines Indianerhäuptlings. Der Übername des Vereins lautet «De Buffalos», weil Buffa­ lo Bill die Stadt mit seinem «Wild West Circus» im frühen 20. Jahrhundert einige Male besucht hatte.

«ZWÖLF – Fussball-Geschichten aus der Schweiz» wird von ZWÖLF – Verein für Fussball-Kultur mit Sitz in Bern herausgegeben. ZWÖLF erscheint sechs Mal pro Jahr. Verein und Magazin sind unabhängig. Einnahmen dienen der Deckung der anfallenden Kosten. Allfällige Überschüsse werden in das Magazin investiert. Meinungen von Autoren müssen sich nicht mit jenen der Redaktion decken. Kontakt: www.zwoelf.ch ZWÖLF auf facebook.com info@zwoelf.ch leserbriefe@zwoelf.ch ZWÖLF – Verein für Fussballkultur Postfach 8951 3001 Bern PC 60-668720-9 Abonnemente: ZWÖLF – Das Fussball Magazin. Leserservice, Postfach, CH-6002 Luzern, Tel.: 041 329 23 10. Fax: 041 329 23 03. E-Mail: zwoelf@leserservice.ch Jahresabo (6 Ausgaben/36.– CHF) per Gratis-SMS an 919 mit ABO12 und Adresse (Beispiel: ABO12 Max Muster, Sportweg 12, 8000 Torhausen) Vertrieb: MDS – Media Data Services AG Chefredaktion: André Bex, Gian-Andri Casutt, Wolf Röcken, Stefan Schürer, Sandro Danilo Spadini, Mämä Sykora. Autoren dieser Ausgabe: Peter Balzli, Pascal Claude, Andreas Eggler, Philippe Guggisberg, Manuel Jakob, Roland Kehl, Fritz Schmid, Romano Spadini, Roger Stilz, Beni Thurnheer, Josef Zindel. Bild: André Bex (Bildchef), Christian Breitler, Andreas Eggler, Robertino Engel, Keystone. Anzeigen: ZWÖLF, Postfach 8951, 3001 Bern, durisch@zwoelf.ch, Marco Durisch, Tel. 079 221 11 12 Mediabox Print GmbH, Eichstrasse 25, 8045 Zürich, www.mediabox.ch/print. Gestaltungskonzept, Art Direction, Typeface, Layout & Illustrationen: bex.fm. Nordstr. 87, 8037 Zürich André Bex, Visueller Gestalter (FH) www.bex.fm Druck: NZZ Fretz AG, Zürcherstrasse 39, 8952 Schlieren. Web (Design & Umsetzung) bex.fm Auflage: 10 000 Exemplare ISSN Nummer: 1662-2456

Das nächste Heft erscheint Mitte April 2011.


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