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Verschieberitis. Warum wir manche Dinge immer auf die lange Bank schieben

Auf die lange Bank

Es ist ganz normal, mal eine Aufgabe auf später zu verschieben. Häuft sich das jedoch, kann sich dieses Prokrastinieren auch zu einem Problem entwickeln.

text: Simon Leitner | illustration: Monika Cichoń

Viele kennen das, manche sogar zur Genüge: Eine bestimmte, womöglich etwas unliebsame Aufgabe steht an, man nimmt sich fest vor, sie gleich anzugehen, und plötzlich macht man doch etwas ganz anderes. Dieses gelegentliche Aufschieben von

Angelegenheiten ist grundsätzlich nicht besorgniserregend, erklärt David Riedl, Psychologe an der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie: „Jeder Mensch hat im Alltag schon mal Dinge, die er eigentlich erledigen sollte, auf

„Jeder Mensch hat im Alltag schon mal Dinge, die er eigentlich erledigen sollte, auf die lange Bank geschoben.“

David Riedl die lange Bank geschoben. Und das ist in der Regel gänzlich unproblematisch.“

Allerdings gibt es auch einige wenige Menschen, bei denen dieses Hinauszögern massive Ausmaße annimmt, sodass sie selbst oder bestimmte Bereiche ihres Lebens darunter leiden. Dann spricht man von Prokrastination, und das kann unter Umständen durchaus zu einer Belastung werden.

Unbewusste Widerstände

Riedl zufolge handle es sich bei Prokrastination um kein neues Phänomen, wenngleich es in jüngster Zeit verstärkt in den Fokus gerückt sei: „Ich glaube, es ist etwas, das uns allen innewohnt. Aber es wird heutzutage stärker thematisiert, was vielleicht auch damit zu tun hat, dass sich unser Denken, was Arbeiten betrifft, total verschoben hat.“

Der Psychologe erwähnt in diesem Zusammenhang unter anderem den Trend hin zu „Ich-AGs“ samt damit einhergehenden vorgespielten Freiheiten: Gerade im Beruf würde Menschen immer mehr Selbstverantwortung übertragen – allerdings in einem ganz engen Rahmen. „Die Folge ist, dass man sich zwar aussuchen kann, wann man etwas machen will, aber nicht, was man machen will“, so Riedl. „Das ist eine klassische Scheinautonomie, die wesentlich dazu beiträgt, dass man prokrastiniert.“

Denn die Ursachen für die „Aufschieberitis“ hingen in vielen Fällen nicht mit Faulheit, sondern mit einem (unbewussten) inneren Widerstand zusammen, der sich insbesondere dann zeige, wenn man Dinge tun muss, die man sich nicht selbst ausgesucht hat und (deshalb) als wenig spannend erachtet. Das könne sich negativ auf die Produktivität auswirken und im schlimmsten Fall dazu führen, dass man letztendlich gar nichts mehr von dem schaffe, was man auf der Agenda stehen habe – was vor

priv.-doz. mag. dr. David Riedl

Psychologe an der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie

3 Tipps gegen Prokrastination

Aufgaben notieren

Eine klassische To-do-Liste hilft dabei, zu Erledigendes im Blick zu behalten. Allerdings sollte man dabei möglichst realistisch bleiben, das heißt, nur jene Dinge notieren, die man auch wirklich in einer bestimmten Zeit schaffen kann.

Pausen planen

Nicht nur Aufgaben, auch Pausen können – und sollen – geplant werden. Im Idealfall stellt man sich eine halbe Stunde vorher einen Alarm, sodass noch genug Zeit bleibt, eine Aufgabe abzuschließen, und man diese nicht mittendrin aufgeben oder in seine Pause mitnehmen muss.

Ablenkungen vermeiden

Um konzentriert zu arbeiten, empfiehlt es sich, Störungen schon im Vorhinein zu verhindern. Man kann etwa sein Smartphone lautlos schalten, Kolleg·innen darum bitten, nicht gestört zu werden, oder sich einfach an einen möglichst ruhigen Ort zurückziehen.

„Dass es Zeiten gibt, in denen man weniger effektiv ist, ist ganz normal.“

David Riedl

allem, aber nicht nur im Beruf schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

Zu hohe Anforderungen

Ein weiterer Grund, der Prokrastination begünstigt, ist schlichtweg Überforderung. Und auch diese sei in der heutigen Gesellschaft definitiv öfter zu beobachten als früher, meint Riedl: „In der Arbeitswelt gibt es mitunter deutlich zu hohe Anforderungen, die einfach nicht gesund sind. Man hat viel mehr Aufgaben und Verantwortung als früher, und es fällt manchen Leuten immer schwerer, Beruf und Alltag in den Griff zu bekommen.“ Das habe sich nicht zuletzt während der Pandemie gezeigt, als viele Berufstätige unvermittelt gefordert waren, sich selbst zu organisieren.

Abgesehen von diesen Aspekten, die in erster Linie die Arbeitsbedingungen eines Menschen betreffen, spielten jedoch auch individuelle Persönlichkeitsmerkmale beim Prokrastinieren mit, erläutert der Experte: So seien etwa zur Impulsivität neigende Personen tendenziell gefährderter als andere, weil sie nicht nur schneller Aufgaben annehmen, sondern diese ebenso schnell wieder abgeben und sich anderen Pflichten widmen würden. Zeitmanagement und Selbstregulation (bzw. die Fähigkeit, auch mal nein zu

Zu viel zu tun: Überforderung ist eine häufige Ursache für Prokrastination.

sagen) seien ebenfalls wichtige Faktoren, wenn es darum geht, gewisse Dinge aufzuschieben – oder eben nicht.

Begleiterscheinungen

Ob man prokrastiniert oder nicht, ist somit häufig ein Ergebnis äußerer Umstände, also von zu vielen und/oder zu mühsamen Aufgaben, zu deren Erledigung man sich geradezu zwingen muss. Riedl zufolge sei dies, solange es sich in Grenzen halte, kein Problem. Schwierig werde es allerdings, und das träfe häufig zu, wenn Prokrastination von psychischen Beschwerden oder Erkrankungen wie einer Depression oder Burn-out begleitet werden. „Wenn man merkt, dass einen die Arbeit auch in der Freizeit nicht loslässt, man soziale Kontakte meidet und sich immer mehr zurückzieht, sollte man professionelle Hilfe in Anspruch nehmen“, so der Psychologe. „Dass es aber Zeiten gibt, in denen man weniger effektiv ist, ist ganz normal. Da sollte man sich keinen Kopf machen.“

Gefährdete Gruppe

Forschungen zeigen, dass Prokrastination gerade bei Studierenden häufig anzutreffen ist: Studien zufolge haben bis zu 20 Prozent der angehenden Akademiker·innen ernsthafte Schwierigkeiten, Prüfungen oder Arbeiten zeitgerecht zu absolvieren.

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