Ausgabe 3_2019: holzBAUKULTUR

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BAUKULTUR Zeitschrift des DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.

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Schwerpunkte Bauen mit Holz Nachhaltiges Bauen

AIV Würzburg Christian Baumgart zum Ehrenmitglied ernannt

AIV zu Berlin Schinkel-Wettbewerb 2019 entschieden

Oldenburgischer AIV 150-jähriges Jubiläum

BAUKULTUR

holz



editorial

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LIEBE LESERINNEN UND LESER, VEREHRTE FREUNDE DER BAUKULTUR, man kann heute zu Recht behaupten, dass Holz zu einem der beliebtesten Baustoffe zählt, den der Bausektor hat. Nicht nur, dass es sich hierbei um einen nachwachsenden Rohstoff handelt, der die Ökobilanz von Gebäuden über den gesamten Lebenszyklus verbessert, sondern der auch wieder in den technischen Kreislauf zurückgeführt werden kann. Der Grundgedanke des nachhaltigen Nutzens von Holz wird durch „Cradle to Cradle“ (wörtl. „von Wiege zu Wiege“) verstärkt. Eine besondere Aufgabe kommt der Architektur und der Ingenieurtechnik zu, die am Anfang jedes Entwurfsprozesses künftig in diesem Kontext prüfen muss, wie Materialeinsatz reduziert, Müll vermieden oder wenn möglich stofflich verwertet werden kann. Um das zu erreichen, ist ein langfristiges Vorausdenken notwendig. Aber gerade beim Baustoff Holz können diese neuen Denkansätze des rezyklischen Bauens und der Nachhaltigkeit realisiert werden. Holz ist aber in der modernen Bauwelt noch mehr als nur ein lebendiges, warmes, gesundes und natürliches Material. Es zeichnet sich auch – bedingt durch neue Verfahrens- und Konstruktionstechniken sowie seine vielseitigen konstruktionstechnischen Eigenschaften – in vielerlei weiterer Hinsicht aus. So ist Holz durch seine hohe statische Festigkeit bei einem geringen Gewicht auch für mehrgeschossige Gebäudetypologien geeignet. Holz kann aber auch für die Überspannung großer Stützweiten genutzt werden. Ein weiterer Vorteil ist neben einer hohen Erdbebensicherheit auch ein berechenbares Verhalten im Brandfall. Zu den Grundtypen im Holzbau zählen Block-, Fachwerkund Ballon-/Platform Frame-Bausysteme und des Weiteren auch die derzeit vorwiegend verwendeten Rahmen-, Skelettund Massivholzbauausführungen. Diese Bauweisen werden jedoch im Zeitalter von Digitalisierung und BIM aufgebrochen, und der Gedanke der effektiven Nutzung führt zur Entwicklung von neuen Holz- und Holzverbindungssystemen. Stege, Leisten und Lamellen werden durch Verklebungen zu maßhaltigen, hochbelastbaren und schlanken Bauteilen. Die Stabilität kann zum einen durch die Elemente selbst oder durch zusätzliche Bekleidungen oder Aussteifungsrippen sichergestellt werden. Die Hohlräume, die dabei entstehen, können als Wärmedämmpuffer oder auch für die Gebäudetechnik genutzt werden. Wurde in den 1980er und 1990er Jahren der Holzbau noch als preisgünstige Bauweise für den Einfamilienhausbau

angesehen, kann der moderne Holzbau auch als Lösung für innovative mehrdimensionale Planungsaufgaben eingesetzt werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist der „Metropol Parasol“. Hierbei handelt es sich um eine Holzkonstruktion in der Altstadt von Sevilla. Mit einer Höhe von 26 m, einer Gesamtlänge von 150 m und einer Breite von 70 m wurde die größte Holzkonstruktion der Welt neues Wahrzeichen dieser spanischen Stadt. Durch die Möglichkeit des parametrischen Entwerfens von Strukturen und Gebäuden über digitale Tools und CAAD Systeme hält die Digitalisierung auch im Holzbau Einzug, und die schon beschriebenen traditionellen Bauweisen müssen weiter entwickelt werden. Betrachtet man die Restriktionen des heutigen Bauwesens wie: • Hohe Bau- und Nutzungskosten, • Verdichtung und Nachverdichtung, • Energetische Betrachtungsweise über den gesamten Lebenszyklus, • Ressourcenschonendes Bauen, so ist der Baustoff Holz genau dafür gemacht. Hohe Bau- und Nutzungskosten können durch Vorfertigung, Materialoptimierung, einfachen Materialaustausch, Rückbaubarkeit und auch Zeitersparnis abgepuffert werden. Ein verdichtetes Bauen wird durch die neuen Brandschutzerkenntnisse im Holzbau möglich, und eine Nachverdichtung in städtischen Bestandsstrukturen, bedingt durch das geringere Gewicht, realisierbar. Energetisch kann kaum ein anders Bauprodukt mit Holz mithalten. Holzprodukte binden langfristig Kohlendioxid und entlasten so die Atmosphäre. Holz ist multifunktional – zuerst Werk- und Baustoff, zu guter Letzt Brennstoff. Im Bezug auf das ressourcenschonende Bauen kann der Leitsatz der Nachhaltigkeit aus der Forstwirtschaft nicht oft genug zitiert oder in Carlowitz Werk von 1713 „Sylvicultura oeconomica“ nachgelesen werden. Denn genau dafür steht der moderne Holzbau. Ihr

Prof. Dipl.-Ing. Björn Gossa Frankfurt University of Applied Sciences


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DAI bundesweit

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DAI Fachexkursion 2019 Unter dem Motto „Orientalische Wunder entlang der Seidenstraße“ führt die DAI Fachexkursion für Planer, Architekten und Ingenieure in diesem Jahr nach Usbekistan. Es werden zwei alternative Reisetermine angeboten: • •

19.–26.10.2019 04.–11.11.2019

www.dai.org/veranstaltungen/ verbandstermine

Folgen Sie dem DAI im Netz: www.dai.org www.facebook.com/baukultur www.twitter.com/baukultur www.instagram.com/ baukultur_dai/

DAI MITGLIEDSVEREINE AIV Aschaffenburg AIV Aschersleben-Staßfurt AIV Bad Hersfeld AIV Braunschweig AIV Frankfurt AIV Hanau AIV Hannover AIV Hildesheim AIV Karlsruhe AIV Koblenz

AIV KölnBonn AIV Konstanz AIV Leipzig AIV Magdeburg AIV Marburg AIV Mark Sauerland AIV Oberhessen AIV Schweinfurt AIV Stuttgart AIV Ulm

AIV Würzburg AIV zu Berlin Dortmunder AIV Mittelrheinischer AIV Darmstadt Münchener AIV Münsterländer AIV Oberrheinischer AIV Freiburg Oldenburgischer AIV Ruhrländischer AIV zu Essen Schwäbischer AIV Augsburg


inhalt

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3 4 5 6–8 6 7 8 9 9 9–11 9 10 11

Editorial Prof. Björn Gossa DAI bundesweit Inhalt Rubriken Nachrichten Kolumne Bundesstiftung Baukultur Wirtschaft + Recht DAI aktuell Aus dem Präsidium DAI regional AIV Würzburg: Christian Baumgart zum Ehrenmitglied ernannt AIV zu Berlin: Schinkel-Wettbewerb 2019 entschieden Oldenburgischer AIV: 150-jähriges Jubiläum

12–29 12–13 14–15 16–17 18–19 20–21 22–23 24–25 26–27 28 29

Schwerpunkte: Bauen mit Holz + Nachhaltiges Bauen Hirner und Riehl Architekten: Erlöserkirche in Eglharting ARGE Ahlbrecht–Dr. Stannek: Evangelische Kirche in Essen-Haarzopf andOFFICE Architekten: Flüchtlingsunterkunft in Esslingen Graber & Steiger Architekten: Schulneubau in Nottwil Hirner und Riehl Architekten: Grundschule in Langenpreising Kango Kuma und STUDIO LOIS: Meditationspavillon bei Garmisch-Partenkirchen noa*-network of architecture: Zallinger Hütte in Südtirol Bernhard Breuer: Stallgebäude in Vorarlberg Peter W. Schmidt Architekten: Hochhaus in Pforzheim Störmer, Murphy & Partners: Hochhaus in Hamburg

30–38 30 31 32–33 34–35 36 37 38

Advertorials | Anzeigen feco-feederle GmbH: W&W-Campus in Kornwestheim Holzbau Amann GmbH: Chemoform AG in Wendlingen am Necker Keimfarben GmbH: Holzhaussiedlung bei Wismar Kebony AS: Schulbehörde in Hamburg Gutex Holzfaserplattenwerk: Zertifizierte Holzfaserdämmung elka-Holzwerke GmbH: Emissionsarme Holzwerkstoffe Verband der Fachplaner (VdF): Kompetente Großküchenplanung

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Titel: Meditationspavillon bei Garmisch-Partenkirchen (Foto: David Schreyer)

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Autoren | Vorschau | Impressum

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nachrichten

LIGNA 2019 Vom 27.–31.5.2019 findet in Hannover die LIGNA statt. Sie gilt als weltweit bedeutendste Messe für die Holz- und Möbelindustrie und des Holzhandwerks. In insgesamt 10 Hallen und auf dem rund 130.000 m² großen Freigelände bildet die LIGNA die gesamte Wertschöpfungskette der Holzbe- und -verarbeitenden Industrie in insgesamt 7 Angebotsbereichen ab. www.ligna.de bauhaus imaginista Diese Ausstellung erzählt die internationalen Geschichten des Bauhauses. Seit seiner Gründung 1919 stand das Bauhaus in Kontakt mit avantgardistischen Bewegungen weltweit. bauhaus imaginista schlägt

Nandalal Bose: Anleitung zur Wandmalerei, undatiert (1929/30), Fresko auf Zementwand (Foto: Kala Bhavana, Santiniketan, Indien)

eine neue Lesart des Bauhauses als globalen Resonanzraum und kosmopolitisches Projekt vor: Die Ausstellung, die noch bis 10.6.2019 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin zu sehen ist, und zwei Konferenzen verfolgen die transnationalen Beziehungen, die Korrespondenzen und Migrationsgeschichten, die über die Jahre des Bauhauses als Schule (bis 1933) hinausreichen. www.hkw.de 100 Jahre Bauhaus in Israel Bereits in den frühen 1930er Jahren emigrierten jüdische Bauhaus-Mitglieder aus Deutschland in das historische Palästina und gestalteten die Siedlung rund um die Hafenstadt Jaffa nach ihren Idealen. Mit der Staatsgründung Israels 1948 wird auch das Bauhaus Teil einer selbstbewussten und experimen-

Bauhaus-Architektur in Tel Aviv (Foto: © picture alliance/Bernhard Küchler/dpa)

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tierfreudigen neuen Gesellschaft. Auf einer Studienreise der Bundeszentrale für politische Bildung erhalten die Teilnehmer Perspektiven in die Geschichte und zeitgenössische Bedeutung des Bauhauses in Israel. www.bpb.de/studienreisen Siza – Ungesehenes & Unbekanntes Der portugiesische Architekt Álvaro Siza wurde 1992 mit dem PritzkerPreis für sein Lebenswerk geehrt. Eine Ausstellung im Museum für Architekturzeichnung Berlin gewährt bis zum 26.5.2019 einen intimen Einblick in das Werk des portugiesischen Architekten, illustHaus in Francelos, gezeichnet riert durch von Álvaro Leite Siza, Axonome- s e i n e trisches kreuzähnliches Konzept, Zeichnun2000 (Foto: Álvaro Siza Archive, gen, die im Porto) Gegensatz zur Monumentalität seiner gebauten Projekte zärtlich, verspielt und skizzenhaft wirken. Zu sehen sind auch Arbeiten seiner Frau Maria Antónia Siza, seines Sohnes Álvaro Leite Siza und seines Enkels Henrique Siza. www.tchoban-foundation.de Architekturfotografie-Preis 2019 Einen lustbetonten Blick auf Architektur forcierte der Europäische Architekturfotografie-Preis architekturbild 2019. Er wird vergeben durch architekturbild e.V. in Kooperation mit dem Deuts c h e n Die Fotografien von Dirk Härle A r c h i t e k wurden mit dem 1. Preis aus- t u r m u s e gezeichnet (Foto: © Dirk Härle/ um DAM architekturbild) und der Bundesstiftung Baukultur und ging an eine Bildserie des Münchner Architekten Dirk Härle. Die Arbeit zeige das

Besondere in scheinbar unspektakulären Situationen. www.dam-online.de Ideenwettbewerb Multihalle Zur Bundesgartenschau 1975 hatte der Mannheimer Architekt Carlfried Mutschler die Multihalle erbaut. Pritzker-Preisträger Frei Otto schuf dafür eine Dachkonstruktion, die die Halle zum architektonischen Meisterwerk machte. Die größte freitragende Holzgitterschalenkonstruktion der Welt steht seit 1998

Die filigrane Holzstruktur überspannt verschiedene Räume (Foto: Daniel Lukac)

unter Denkmalschutz. Ziel eines im Oktober 2018 ausgelobten Ideenwettbewerbs war es, die Multihalle in die Zukunft zu entwickeln. Einen Auszug der eingereichten Arbeiten zeigt der BDA Baden-Württemberg im Wechselraum Stuttgart bis 28.6.2019. www.wechselraum.de Balkrishna Doshi Mit der Ausstellung „Architektur für den Menschen“ präsentiert das Vitra Design Museum bis zum 8.9.2019 die erste Retrospektive über das Gesamtwerk von Balkrishna Doshi außerhalb Asiens. Der Architekt und Stadtplaner, der 2018 mit dem Pritzker-Preis geehrt worden ist,

Balkrishna Doshi: Architekturbüro Sangath, Ahmedabad, 1980 (Foto: © Iwan Baan 2018)

gilt als der wichtigste Pionier moderner Architektur auf dem Subkontinent. Das Spektrum der gezeigten Arbeiten reicht von Stadtplanungen bis zu großen öffentlichen Bauten, von Privathäusern bis zu Wohninterieurs. www.design-museum.de


kolumne

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EIN BAUKULTURKODEX FÜR DIE IMMOBILIENWIRTSCHAFT Die Bundesstiftung Baukultur setzt sich bundesweit für qualitätsvolles Planen und Bauen ein – und trifft mit ihren Themen bei Ingenieuren und Architekten zumeist auf Zustimmung. Grund dafür ist eine gemeinsame Geisteshaltung, die sich schon im Berufsethos als gesellschaftliche Verpflichtung abbildet. Mit ihren Berufsordnungen und Kammergesetzen verpflichten sich Architekten und Ingenieure zu einer positiven Gestaltung der menschlichen Umwelt. Bei vielen Bauherren und in der Immobilienwirtschaft unterdessen fehlt ein solcher Kodex weitgehend noch, obwohl er sinnvoll und notwendig wäre.

Immer wieder stellt sich die Bundesstiftung zu ihrer Teilnahme an der MIPIM, einer der weltweit größten und aufwendigsten Immobilienmessen, die Frage: „Stimmen Aufwand und Nutzen, können wir unter dem Motto „Baukultur made in Germany“ im Umfeld der Immobilienprofis tatsächlich positiv wirksam werden oder noch konsequenter: Braucht es überhaupt eine MIPIM?“ Die Antwort ist: „Ja, soweit es die drei Kernfunktionen des Planen und Bauens betrifft, die Schnittstelle von Bauherr, Planer und Nutzer.“ Die MIPIM als Geschäftsfeld vieler „go in betweens“, vom Vermittler bis zum Zwischenerwerber, braucht es dagegen nicht. Diese Einsicht hat in der Öffentlichkeit zu einem zweifelhaften Ruf der Immobilienwirtschaft geführt – bezogen auf einige schwarze Schafe und vielfach zu beklagender, qualitätsarmer „Investorenarchitektur“ auch nicht ganz ohne Grund. Der German Pavillion, auf dem die Bundesstiftung Baukultur im März 2019 neben vielen namhaften deutschen Architekturbüros erneut vertreten war, bietet einen guten Ausgangspunkt, um ein Stimmungsbild aus der Bau- und Immobilienwirtschaft zu erhalten und auf aktuelle baukulturelle Themen direkt einzugehen. Im Dialog mit verschiedenen Akteuren und in den Podien am Stand wurde schnell klar, dass es um dieselben Themen geht, aber einen strukturellen Unterschied gibt: Architekten sind durch die Kammergesetze und -verordnungen zu einer „positiven Gestaltung der Umwelt des Menschen verpflichtet“. Sie sind gehalten, „gut gestaltet, technisch, wirtschaftlich, umweltgerecht und sozial zu planen“. Ähnlich ist es bei den Ingenieuren und Fachplanern, deren Ingenieurkodex nicht nur die Verantwor-

rechts Baukultur-Diskussion auf der MIPIM 2019 (Foto: © Netzwerk Architekturexport NAX)

tung für die Standsicherheit betrifft, sondern die im Sinne einer Bringschuld gehalten sind, Naturwissenschaften und Technik als positive Gestaltungsfaktoren für die gebaute Umwelt einzusetzen. In der Immobilienwirtschaft sieht es in weiten Teilen noch anders aus. Inzwischen gibt es erste Ansätze für Unternehmensleitbilder. Das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft ICG, das von Unternehmen der Immobilien- und Wohnungswirtschaft getragen wird, hat hierzu Konzepte erarbeitet, die von der Individualethik ausgehen über die Unternehmensethik bis zur Ordnungsethik. Das ist sicher ein guter Weg, allerdings sind diese Faktoren noch zu sehr nach innen gerichtet. Es fehlt die gesellschaftliche Verantwortung für die gebauten Ergebnisse. Hier könnten ein Leitbild oder ein auszuformulierender „Kodex Baukultur“ wirksam werden, der die Konsequenzen und die Verantwortung des immobilienwirtschaftlichen Handelns für die räumlich auf uns wirkende, gebaute Umwelt berücksichtigt. Positive Beispiele nachhaltiger Immobilienprojekte zeigen in zunehmendem Maße, wie das konkret aussehen könnte: etwa das in diesem Jahr mit dem MIPIM-Award gekürte Projekt „Woodie“ von Primus Developments, Achim Nagel und den Architekten Sauerbruch Hutton. Dabei handelt es sich um ein Studentenwohnheim in Hamburg Wilhelmsburg, das 7-stöckig aus 371 Holzmodulen errichtet wurde. Projekte wie diese beweisen, dass sich mit hochwertiger Baukultur am ehesten der gesellschaftliche Nutzen der Immobilienwirtschaft darstellen lässt und es sich lohnt, das Leitbild Baukultur zur Unternehmenskultur zu machen. Reiner Nagel www.bundesstiftung-baukultur.de


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wirtschaft + recht

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§§ Die in Berlin, München, Frankfurt und Wien ansässige Kanzlei Zirngibl Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ist Premiumpartner des DAI. Zu ihren bundesweiten Arbeitsschwerpunkten zählen das Immobilien-, Bau- sowie das Vergaberecht.

NEUES AUS DEM... ...Bau- und Architektenrecht

...Vergaberecht

Mindestsatzregelungen der HOAI vor dem Aus?!

Sind sämtliche Planungsleistungen zu addieren?

In dem vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängigen Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegenüber der Bundesrepublik Deutschland (BRD) hat der Generalanwalt beantragt, der EuGH solle feststellen, dass die Mindest- und Höchstsatzregelungen der HOAI gegen Europarecht verstoßen. Die Entscheidung des EuGH, der den Anträgen des Generalanwalts meistens folgt, wird im Laufe des Sommers erwartet.

Bei der Vergabe von Planungsleistungen sind nach § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV für die Auftragswertermittlung nur die Lose gleichartiger Leistungen zusammenzurechnen. Die Planungsleistungen der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der Planung der technischen Ausrüstung stellen unterschiedliche Leistungsbilder der HOAI dar und wurden somit lange Zeit als nicht gleichartige und daher nicht zu addierende Planungsleistungen angesehen.

Nach Auffassung des Generalanwalts verstoßen die Mindest- und Höchstsatzregelungen der HOAI gegen die Richtlinie 2006/123/EG (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36). Diese Dienstleistungsrichtlinie sieht vor, dass für die Vergütung auch von Architektenleistungen grundsätzlich keine Mindestoder Höchstsätze festgesetzt werden dürfen. Hintergrund ist, dass europäische Wettbewerber hierdurch (z. B. durch Anbieten eines „Kampfpreises“) in ihrem Marktzugang nach Deutschland eingeschränkt wären.

Die Aufspaltung des Gesamtauftrags nach Leistungsbildern ist aber seit der Entscheidung des OLG München (Beschluss vom 13.03.2017, Az. Verg 15/16) nicht mehr rechtssicher. Denn das OLG München tendiert dazu, den Begriff der Gleichartigkeit so auszulegen, dass die Auftragswerte unterschiedlicher Planungsleistungen zumindest dann zu addieren sind, wenn sich diese als funktionale, wirtschaftliche und technische Einheit darstellen. Außerdem äußert es ernsthafte Zweifel daran, dass die Regelung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV europarechtskonform ist.

Die von der BRD vorgebrachten Rechtfertigungsgründe (Qualität der Planungsleistungen, Verbraucherschutz, Bausicherheit, Erhaltung der Baukultur sowie das Ziel des ökologischen Bauens) sieht der Generalanwalt entweder nicht als tauglichen Rechtfertigungsgrund oder als nicht erwiesen an. Sollte der EuGH den Anträgen folgen, müsste das in der HOAI verankerte verbindliche Preisrecht mit der Festlegung von Mindest- und Höchstsätzen voraussichtlich abgeschafft, jedenfalls erheblich modifiziert werden. Ob und inwieweit sich dann hieraus ein neues Vergütungssystem entwickelt, bleibt abzuwarten. Besonders praxisrelevant ist die Frage, wie sich das Urteil auf bereits bestehende Vertragsverhältnisse und Rechtstreitigkeiten auswirkt. Die Entscheidungen der nationalen Gerichte sind hierzu bislang nicht einheitlich, die Tendenz geht aber dahin, dass bereits bestehende Vertragsverhältnisse von der Entscheidung vorerst unberührt bleiben. Die Entwicklung dieser Frage ist jedoch weiter zu beobachten und bei den jeweiligen strategischen Weichenstellungen zu berücksichtigen. Rechtsanwalt Dr. Patrick Gasch

Diese Zweifel bleiben nicht nur dem OLG München vorbehalten. Die Europäische Kommission hat am 24.01.2019 gegen Deutschland erneut ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Damit macht sie einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 8 RL 2014/24/EU geltend, wonach grundsätzlich der geschätzte Gesamtwert aller Planungsaufträge zu addieren ist. Nach Ansicht der Kommission steht § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV dazu im Widerspruch. Sollte es zu einem für die Kommission erfolgreichen gerichtlichen Verfahren vor dem EuGH kommen, könnte die Vorschrift außer Kraft gesetzt werden. Die Addition aller Werte der Planungsleistungen bei der Auftragswertberechnung wäre dann unvermeidliche Folge. Das könnte dazu führen, dass selbst bei übersichtlichen Vorhaben EU-weite Vergabeverfahren durchgeführt werden müssten. Solange der Kommission aber kein Recht seitens des EuGH zugesprochen wurde, kann weiterhin nach bisheriger Praxis unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG München vorgegangen werden. Bei Beschaffungen, die aus EU-Fördermitteln finanziert werden, ist jedoch die Zusammenrechnung die rechtssicherste Lösung, um die Rückforderungen durch die Kommission auszuschließen. Rechtsanwältin Anna Deutinger

Ansprechpartner Berlin: RA Lars Robbe, Tel.: 030–880331–231, Fax: 030–880331–100, Mail: l.robbe@zl-legal.de, www.zl-legal.de Ansprechpartner München: RA Dr. Ulrich May, Tel.: 089–29050–231, Fax: 089–29050–290, Mail: u.may@zl-legal.de, www.zl-legal.de


DAI aktuell

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AUS DEM PRÄSIDIUM Ende März fand eine Zukunftswerkstatt des DAI und der AIVe in Würzburg statt. Im Wesentlichen ging und geht es um die bessere Vernetzung aller aktiven Mitglieder untereinander mit dem Ziel, die Architekten- und Ingenieurvereine in Deutschland für junge Menschen aus den planenden und bauenden Berufen attraktiv zu erhalten bzw. diese Attraktivität zu steigern. Eine zentrale Rolle wird dabei die im Entstehen begriffene Plattform „Baukultur+“ sein. Hier wird es einen öffentlichen Bereich geben, wie z. B. die geografisch und fachlich übergreifende Bürosuche, aber auch ganz spezielle Angebote für die AIVe und ihre Mitglieder. Voraussichtlich Anfang Juli wird Baukultur+ offiziell an den Start gehen. Anfang März hatte sich das DAI Präsidium bereits in einer Sitzung intensiv mit der Vorbereitung der Zukunftswerkstatt in Würzburg befasst. Außerdem standen bei der Präsidiumssitzung die Vorbereitungen für den DAI Tag im September im Fokus, der dieses Jahr in Berlin stattfinden wird. Das 73. Gespräch der Verbände und Kammern auf Einladung der Bundesingenieurkammer am 2.4.2019 wurde von DAI Geschäftsführer Udo Sonnenberg wahrgenommen. Die

Themenpalette reichte vom Stand der Diskussion um die HOAI über das Thema Wohnungsnot in den Ballungsgebieten bis hin zu den Aktivitäten der Bundesstiftung Baukultur, vorgestellt von Reiner Nagel. Der hob den aktuellen Baukulturbericht 2018/19 „Erbe, Bestand, Zukunft“ nochmals hervor und verwies auf die neue Broschüre „Bauen in der Mitte“, die gute Beispiele aufzeige und direkt bei der Stiftung bestellt werden könne. Der DAI ist Kooperationspartner für die Baukulturwerkstätten und Präsident Baumgart nach wie vor im Beirat der Stiftung. Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: 2021 wird der DAI sein 150-jähriges Bestehen feiern. In Vorbereitung darauf plant das DAI Präsidium eine entsprechende Dokumentation. Alle AIVe und Partner sind schon heute aufgefordert, sich hierzu Gedanken zu machen. Wer über hilfreiche Archive und Informationen verfügt, darf sie gerne dem DAI Präsidium zugänglich machen. Ein Vorgespräch zu den Planungen und Inhalten fand Anfang April in Berlin statt. Bitte unterstützen Sie uns bei diesem ehrgeizigen Projekt. Udo Sonnenberg

AIV Würzburg

CHRISTIAN BAUMGART ZUM EHRENMITGLIED ERNANNT In seiner Mitgliederversammlung am 18.2.2019 ernannte der AIV Würzburg den langjährigen, ehemaligen Vorsitzenden Prof. Christian Baumgart zu seinem Ehrenmitglied.

Im Jahr 1997 zählte der AIV Würzburg nur noch 24 Mitglieder und stand kurz vor seiner freiwilligen Selbstauflösung. Zusammen mit seinem damaligen Weggefährten, dem Leitenden Baudirektor Wolfgang Luther, übernahm Christian Baumgart, seines Zeichens Stadtbaurat der Stadt Würzburg, die Verantwortung und wurde im folgenden Jahr zum 1. Vorsitzenden gewählt. „Christian Baumgart leitete über einen Zeitraum von 16 Jahren von 1998–2014 als 1. Vorsitzender die Geschicke des Vereins und gehörte danach noch bis 2018 dem Vorstand an. Durch sein viefältiges Jahresprogramm mit Vorträgen, Exkursionen und Objektbesichtigungen konnte der Verein unter seiner Führung seine Mitgliederzahl nahezu verzehnfachen und befindet sich heute mit über 200 Mitgliedern unter den 5 größten Architekten- und Ingenieurvereinen Deutschlands,“ so die 1. Vorsitzende des Vereins, Yvonne Beck, in

Prof. Christian Baumgart (Foto: P. Varasano)

ihrer Laudatio. Den Dachverband der Deutschen Architekten- und Ingenieurvereine, der über 30 AIVe unter seinem Dach vereint, leitete Baumgart, der Ende 2018 nach 24 Jahren als Baureferent der Stadt Würzburg in den (Un-)Ruhestand gegangen ist, als Präsident ununterbrochen seit 2003. Der AIV Würzburg hat sich insbesondere der interdisziplinären Zusammenarbeit von Architekten und Ingenieuren verschrieben, weswegen Baumgart in seiner Dankesrede betonte: „Wir haben in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten eine Menge für die Baukultur in Würzburg erreicht. Mit über 200 Mitgliedern aus allen Fachdisziplinen des Bauens und einem vielfältigen und interessanten Jahresprogramm ist „mein“ AIV hier gut aufgestellt und für die Zukunft gerüstet.” AIV Würzburg


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DAI regional

Schinkelpreis Architektur: „Bibliothek der Zukunft“ von David Kerrom, Luca Mathias Hupfer (HTWK Leipzig)

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Schinkelpreis Landschaftsarchitektur: „Connect-X-Berg“ von Markus Storch (TU Dresden)

AIV zu Berlin

SCHINKEL-WETTBEWERB 2019 ENTSCHIEDEN Seit 1855 richtet sich der AIV zu Berlin mit dem Schinkel-Wettbewerb jährlich an junge Planer, um deren Kreativität für die Lösung zukunftsorientierter Planungsaufgaben herauszufordern. Als Förder- und Ideenwettbewerb soll er neben der Förderung des technisch-wissenschaftlichen Nachwuchses einen Dialog zwischen Stadtöffentlichkeit, Fachleuten, Verwaltung und Politik initiieren. Die Konzeption und Durchführung des Wettbewerbs wird durch den Schinkel-Ausschuss des AIV zu Berlin übernommen. Das Gremium setzt sich aus rund 45 Fachleuten zusammen, die das Verfahren ehrenamtlich organisieren.

Die Erweiterung der Amerika-Gedenkbibliothek zur Zentralund Landesbibliothek (ZLB) war in diesem Jahr Aufgabe des AIV-Schinkel-Wettbewerbs. Ihre notwendige enorme Baumasse und die zu erwartenden Besucherströme werden das Quartier in Zukunft prägen – und begründen die Forderung nach einer prägnanten und modernen Architektur. Ziel des Wettbewerbs war der Entwurf von zukunftsweisenden Beiträgen für die Entwicklung eines dichten, urbanen Stadtquartiers, einerseits geprägt vom historischen Erbe und andererseits von neuen, heute bereits erkennbaren Anforderungen an die wachsende Stadt des 21. Jahrhunderts mit der ZLB als Anker dieses urbanen Hot Spots.

Schinkelpreis Städtebau: „Urbanes Cluster“ von Tim Hecker, Jan Phillipp Heidenreich, Manuel Kramm, Timon Nüsken (Bergische Universität Wuppertal)

Mit der Gestaltung der neuen ZLB setzten sich 115 Arbeiten der Fachsparte Architektur auseinander. Hier stellte neben der Gestaltung der benötigten Baumassen der Umgang mit den funktionalen Anforderungen des zukünftigen Nutzers eine sehr große Aufgabe dar. Die städtebauliche Anordnung der neuen ZLB durch ihre auch verkehrliche Wirkung in die umliegenden Quartiere interessierten die Autoren von 31 Arbeiten. Eine Bibliothek dieser Größenordnung wirkt auch auf die nicht bebauten Flächen. So untersuchten 31 Arbeiten der Fachsparte Landschaftsarchitektur die Freiräume zwischen Mehringplatz und den südlich gelegenen Friedhöfen.

Schinkelpreis Konstruktiver Ingenieurbau: „Abzweiger“ von Kevin Gasper, Rauk Stubbe, Christian Tewes, Hannes Voß (TU Berlin, HCU Hamburg)

Aufgrund des aktuellen und attraktiven Themas wurden mehr Arbeiten als in den Jahren zuvor eingereicht: 357 Teilnehmer aus Deutschland, der Russischen Föderation, Österreich, Frankreich, Ägypten, Polen und der Schweiz beschäftigten sich mit den Entwurfsaufgaben. Prämiert wurden 12 Arbeiten von 28 Teilnehmern in den Fachsparten Architektur, Städtebau, Landschaftsarchitektur, Konstruktiver

„Der Anspruch des AIV, mit dem Wettbewerb die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern, wurde wieder voll erfüllt, Kooperationen finden sich auch unter den Gewinnerarbeiten wieder. Im Preisgericht haben wir zudem die außergewöhnlich hohe Qualität der eingereichten Beiträge gelobt“, so Eva Krapf, Vorsitzende des Schinkel-Ausschusses. Vivian Kreft

Ingenieurbau und Freie Kunst. Insgesamt wurden Preisgelder in Höhe von 26.700 Euro vergeben.


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