Ausgabe 3_2022: klimaBAUKULTUR

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BAUKULTUR Zeitschrift des DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.

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Schwerpunkte

Energieeffizientes Bauen Bauen mit Glas Sanitär + Heizung

AIV Hildesheim

70-jähriges Jubiläum

AIV zu Berlin-Brandenburg

Schinkel-Wettbewerb 2022 entschieden

BAUKULTUR

klima


1100 GLASELEMENTE

8000 t DACH

1761 STAHLBETONPFÄHLE

DIE ELBPHILHARMONIE IN

UND TÄGLICH GRÜSST DAS RISIKO DIE VHV SCHÜTZT PLANUNGSBÜROS VOR RIESIGEN RISIKEN Wenn Sie mit Ihren Entwürfen Maßstäbe setzen, brauchen Sie eine Absicherung, die dasselbe tut: die Berufshaftpflicht der VHV. Denn als Spezialversicherer der Bauwirtschaft bietet die VHV überdurchschnittlich hohe Deckung, den besten Leistungsumfang für Architekten und Bauingenieure sowie ausgebildete Experten, die sich schnell und unbürokratisch um alle gegen Sie erhobenen Haftungsansprüche kümmern. So können Sie sicher sein, dass Ihr Traumprojekt nicht zum Albtraum für Ihre Existenz wird. Mehr Informationen erhalten Sie von Ihren VHV Bauexperten: VHV Allgemeine Versicherung AG / Schloßstrasse 9-11 / 56068 Koblenz / T +49.261.9 15 24-88 / F +49.261.9 15 24-24 / UMarien@vhv.de


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editorial

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LIEBE LESERINNEN UND LESER, VEREHRTE FREUNDE DER BAUKULTUR, Krieg. Niemand bleibt unbeteiligt. Russische Truppen haben grundlos die Ukraine überfallen und verursachen dort unendliches Leid. Dieser Krieg hat uns aufgerüttelt, in Angst und Schrecken versetzt, hat ein radikales Umdenken verursacht. Es ist nicht der erste Krieg seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Zahlreiche Kriege sind geführt worden und werden noch immer geführt. Jeder einzelne ist zu beklagen. Aber nie ist uns seitdem ein Krieg so nahe gekommen. Die Bilder und Reportagen wühlen uns auf und sind unerträglich. Aber wir dürfen nicht wegschauen. Wir müssen helfen, das Leid zu lindern, wir müssen den Flüchtenden helfen, und wir müssen der Ukraine beistehen und auf ein schnelles Ende des Krieges drängen. Beistehen bedeutet Verzicht. Wir geben Zeit, Aufmerksamkeit und Geld und werden darüber hinaus Einschränkungen akzeptieren müssen. Viele dieser Einschränkungen werden über Jahre hinaus unser Leben verändern. Wir erkennen, dass unser Wohlstand, unsere Sicherheit und Freiheit und unsere demokratischen Grundwerte keine gesicherte Ordnung darstellen, die – einmal erreicht – stabil bestehen bleibt, sondern etwas, das wir schützen und stetig neu erarbeiten müssen. Um es klar zu sagen: Wohlstand und Sicherheit sind keine Insellösungen, sondern sie sind inklusiv. Sie funktionieren nur in einer Welt, die auf Ausgleich bedacht ist. Keine Nation darf ausgeklammert werden, keine Region vergessen. Strategien sind notwendig, die bereits in der Coronapandemie für eine möglichst gerechte Verteilung von Impfstoffen sorgen und die beim Klimaschutz diejenigen erkennen, die unmittelbar von Dürre und Überschwemmungen, Feuersbrünsten und Stürmen betroffen sind.

Die seit Jahren vorliegenden Erkenntnisse zum Klimawandel haben uns nicht von der weiter zunehmenden Verbrennung fossiler Brennstoffe abgehalten. Die Erderwärmung ist nachweislich angestiegen, und wir versuchen nun viel zu spät, den Ausstoß von schädlichen Klimagasen auf ein natürliches Maß zurückzuführen. Spätestens seit der Diskussion um das Embargo von russischem Erdgas, russischem Öl und russischer Kohle wird deutlich, dass hier noch viel zu wenig erreicht ist, und dass unsere Abhängigkeit und der fehlende Verzicht den Krieg wahrscheinlich verlängern. Für die Bundesregierung gibt es sicherlich respektable Gründe, hier abwägend zu handeln. Ich persönlich würde mir jedoch mehr Mut zur Einschränkung wünschen. Der Kampf um Öl und Gas ist in den letzten Jahrzehnten zu häufig der Grund für kriegerische Auseinandersetzungen gewesen. Der Ruf nach einer Zeitenwende war bereits beim Klimaschutz lautstark zu hören, nun werden wir die Entwicklung mit noch mehr Kraft und Überzeugung vorantreiben müssen. Erneuerbare Energien müssen in naher Zukunft für alle verfügbar gemacht werden. Wind, Wasser, Geothermie und Sonne können regional mit unterschiedlichen Schwerpunkten maßgeblich zur Energiegewinnung eingebunden werden. Forschung und Entwicklung haben die Grundlagen geschaffen, und ich erwarte weitere große Schritte von Städten und Gemeinden, aber auch von Architekten und Ingenieuren bei der Bewältigung dieser Aufgaben. Lassen Sie uns an einer gerechten, freien und nachhaltigen Welt weiterbauen! Hoffnungsvoll, Ihr

Arnold Ernst DAI Präsident


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DAI bundesweit

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Kiel

Pinneberg

DAI Festschrift Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des DAI im vergangenen Jahr erscheint Anfang Mai eine Festschrift, in der nicht nur die Geschichte des Dachverbandes umfassend dargestellt wird. Es wird auch ein Blick in die Zukunft gewagt. Darüber hinaus berichten die einzelnen Mitgliedsvereine über ihre Aktivitäten und Projekte. Gerne können Sie die Publikation zum Subskriptionspreis vorbestellen:

Osnabrück

Berlin-Brandenburg

Leipzig Düsseldorf

Oberhessen Wiesbaden

Telefon: 030 – 214 731 74 Mail: kontakt@dai.org

Aschaffenburg Bamberg

Mainz

Saar

Mannheim

Nürnberg

Folgen Sie dem DAI im Netz: www.dai.org www.facebook.com/baukultur www.twitter.com/baukultur www.instagram.com/ baukultur_dai/

DAI Mitgliedsverein

www.linkedin.com/ company/baukulturplus

kein DAI Mitgliedsverein DAI Mitgliedsverein mit Textbeitrag in der vorliegenden Ausgabe

DAI MITGLIEDSVEREINE AIV Aschaffenburg AIV Aschersleben-Staßfurt AIV Bad Hersfeld AIV Braunschweig AIV Frankfurt AIV Hanau AIV Hannover AIV Hildesheim AIV Koblenz

AIV KölnBonn AIV Konstanz AIV Leipzig AIV Marburg AIV Mark Sauerland AIV Oberhessen AIV Schweinfurt AIV Stuttgart AIV Ulm

AIV Würzburg AIV zu Berlin-Brandenburg AIV zu Magdeburg Mittelrheinischer AIV Darmstadt Münchener AIV Münsterländer AIV Oldenburgischer AIV Ruhrländischer AIV zu Essen Schwäbischer AIV Augsburg


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inhalt

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Rubriken Nachrichten Kolumne Bundesstiftung Baukultur Wirtschaft + Recht DAI aktuell Aus dem Präsidium

10–11 10 10–11

DAI regional AIV Hildesheim: 70-jähriges Jubiläum AIV zu Berlin-Brandenburg: Schinkel-Wettbewerb 2022 entschieden

12–26 12–13 14–15 16–17 18–19 20–21 22–23 24–25 26

Schwerpunkte: Energieeffizientes Bauen + Bauen mit Glas ingenhoven associates: Geschäfts- und Bürogebäude in Düsseldorf Behnisch Architekten: Institutsgebäude in den USA Sauerbruch Hutton Architeken: Bürogebäude in Berlin asp Architekten und Michel + Wolf Architekten: Schulgebäude in Nürtingen ATP architekten ingenieure: Unternehmenszentrale in Österreich White Arkitekter: Kulturzentrum in Schweden Ludescher + Lutz Architekten: Hotel in Österreich Hirner & Riehl Architekten: Studentenwohnheim in München

28–42 28 29 30–31 32 33 34–35 36 37 38 39 40 41 42

Advertorials | Anzeigen Velux Deutschland GmbH: Neue Konzepte für nachhaltiges Bauen Lamilux GmbH & Co. KG: Mehr Licht, mehr Luft, mehr Klimaschutz Schüco International KG: Nachhaltigkeit und New Work Glas Marte GmbH: In hohem Bogen Velux Deutschland GmbH: Licht von allen Seiten Kiefer Klimatechnik GmbH: Moderne Klimatechnik feco-feederle GmbH: Offene Bürolandschaft Brüninghoff GmbH & Co. KG: Lernfördernde Raumatmosphäre Schlagmann Poroton GmbH & Co.KG: Monolithisches Ziegelmauerwerk Tremco CPG Germany GmbH: Erfolgreich abgedichtet – nachhaltig geschützt Stiebel Eltron GmbH & Co. KG: Nah am Wasser gebaut Cemex Deutschland AG: Auf dem Weg zur CO2-Neutralität Verband der Fachplaner e.V.: Professionelle Küchenplanung

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Titel: Geschäfts- und Bürogebäude in Düsseldorf von ingenhoven associates (Foto: HG Esch)

Editorial Arnold Ernst DAI bundesweit Inhalt

Autoren | Vorschau | Impressum


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nachrichten

Über das Bauen in der Zukunft Wieviele Ressourcen und wieviel Energie verbraucht das Bauschaffen? Welche Emissionen erzeugt das Herstellen von Gebäuden? Mit dem ersten Band seiner Trilogie „non nobis“ liefert der Architekt und Ingenieur Werner Sobek präzise Aussagen zur Rolle des Bauwesens für den Klimawandel. Das fast 300 Seiten starke Werk ist eine weltweite Bestandsaufnahme aktueller Trends und Entwicklungen, die unsere gebaute und natürliche Umwelt direkt betreffen – und die von unserer Art zu bauen massiv beeinflusst werden. Werner Sobek: non nobis – über das Bauen in der Zukunft, av edition, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-89986-369-7. www.wernersobek.com

Ausstellung "Serious Fun. Architektur & Spiele" (© Architekturzentrum Wien, Foto: Lisa Rastl)

Serious Fun – Architektur & Spiele Welche architektonischen Erzählungen stecken in Puppenhäusern, nach welchen Leitlinien wachsen Städte in Computerspielen und was für Gebäude bieten Ego-Shootern Schutz vor Angreifern? Die Ausstellung im Architekturzentrum Wien zeigt und hinterfragt noch bis zum 5.9.2022 Architekturspiele. Besucher können virtuell Stadtrundgänge unternehmen, am Londoner Immobilienmarkt teilnehmen, Puppenhäuser als schaurige Dramolette erleben oder gemeinsam mit anderen ganze Stadtviertel bauen. Die Exponate stammen von Architekten, Künstlern und Spieleentwicklern. www.azw.at Die Architektur einer Künstlerin Mit der Ausstellung "Gego. Die Architektur einer Künstlerin" widmet das Kunstmuseum Stuttgart der Künstlerin Ger-

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Gego in ihrem Atelier, Caracas, 1985 (Foto: Gerd Leufert, © Archivo Fundación Gego)

J.MAYER.H.: SW35, Stuttgart, 2021 (Foto: © David Franck)

trud Goldschmidt (1912–1994) bereits die zweite Präsentation. Gego absolvierte von 1932–1938 eine Ausbildung zur Architektin und Ingenieurin an der Technischen Hochschule Stuttgart. Als Jüdin war sie kurz nach Erhalt ihres Diploms zur Flucht nach Venezuela gezwungen, wo sie als Frau in einem technischen Berufsfeld nicht Fuß fassen konnte. Mitte der 1950er Jahre beginnt sie, als Künstlerin tätig zu werden. Heute zählt Gego zu den wichtigsten Künstlerinnen Lateinamerikas der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem fortdauernden und engen Verhältnis ihres Werkes zur Architektur. www.kunstmuseum-stuttgart.de

der Architektur (HDA) in Graz zu sehen ist, sucht nach der kreativen Kraft der transdisziplinären Arbeit. Wie beeinflussen sich Kunst, Design, digitaler Raum und Architektur? Was prägt den Ausdruck der Formen im Raum? Wie entstehen Formfindungsprozesse im Zusammenspiel zwischen Zwei- und Dreidimensionalität? Das HDA zeigt erstmals in einer Zusammenschau das aktuelle künstlerische Werk von J.MAYER.H aus Zeichnungen und Collagen im Dialog mit gebauten Projekten. www.hda-graz.at

Antonio de Campos: Test / Digital Drawing, Antwerp Harbour Centre, Day View (Visualisierung: © Antonio de Campos)

Antonio de Campos – Konzepte für Zaha Hadid Der 1961 in Brasilien geborene Architekt und Filmemacher Antonio de Campos war ab dem Jahr 2000 als künstlerischer Berater in die Bildproduktion des Büros Zaha Hadid Architects eingebunden. Das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt (DAM) präsentiert noch bis zum 28.8.2022 eine Auswahl seiner faszinierenden Architekturdarstellungen als komplexe Collagen aus Prints, Folien und Sprühtechniken. www.dam-online.de ENVELOPES addressed by J.MAYER.H J.MAYER.H gehört zu den wenigen international bekannten zeitgenössischen Studios, die gleichzeitig in der Architektur, in der Kunst und im Design erfolgreich tätig sind. Die Ausstellung, die noch bis zum 26.6.2022 im Haus

DGNB Navigator Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat eine neue Version ihrer Bauprodukte-Plattform DGNB Navigator veröffentlicht. Sie dient als Tool zur Planung und Bewertung bei der Auswahl von Bauprodukten im Kontext des nachhaltigen Bauens. Dabei schlägt der DGNB Navigator die Brücke zwischen der Planung, den produktspezifischen Anforderungen der DGNB Zertifizierung und dem Informationsangebot von Herstellern zu den vielfältigen Aspekten der Nachhaltigkeit. www.dgnb-navigator.de Zukunftsfähige Bauwende Aufgrund der digitalen Transformation von Prozessen, Geschäftsmodellen und Produkten, der Bewältigung des Klimawandels, der steigenden Flächenversiegelung und immer höheren Baukosten sind neue Formen des Planens, Bauens und Wohnens gefragt. Vor diesem Hintergrund hatte das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO zusammen mit sechs tragenden Verbänden und Kammern der deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft das Forschungsprojekt "Bauen 2030" gestartet. In Workshops haben sie über 100 Trends identifiziert, in drei Zukunftsszenarien gebündelt und in einem Kurzbericht veröffentlicht. www.iao.fraunhofer.de


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kolumne

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ENERGETISCHE SANIERUNG IM QUARTIER Die energetische Sanierung des Gebäudebestandes ist wichtig, damit die Klimaziele erreicht werden. Erst seit Einführung der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2002 müssen bei Sanierung, Anbau, Umbau oder Ausbau von Bestandsgebäuden bestimmte energetische Bedingungen erfüllt werden: Die EnEV verpflichtet zu einer energiesparenden Bauweise und Heiztechnik bei Gebäuden, zudem findet seit der Einführung eine kontinuierliche Verschärfung dieser Verordnung statt (zuletzt 2016). Vor allem die Gebäude der 1950er und 1960er Jahre haben häufig eine unzureichende Wärmedämmung, veraltete Haustechnik, feuchte Keller, einfach verglaste Fenster oder schadhafte, ungedämmte Dächer. Aber auch Ein- und Zweifamilienhäuser haben einen erheblichen Einfluss auf den Energieverbrauch, ihr Anteil liegt dem Gebäudereport 2016 der Deutschen Energie-Agentur (dena) zufolge bei 63 %. Da die Gebäude der Nachkriegszeit und speziell die Ein- und Zweifamilienhäuser einen großen Teil des Siedlungsbestandes im Bundesgebiet ausmachen, ist deren energetische Optimierung wichtig. Unterbleibt die Sanierung, lassen sich zum einen die Klimaziele der Bundesregierung nicht erreichen, zum anderen wären die Gebäude mit Blick auf ihren Wohnstandard und Komfort langfristig nicht marktfähig. Die EnEV steht aber auch in der Kritik, u. a. deshalb, weil die letzte Novellierung nicht die graue Energie eines Gebäudes berücksichtigt. Die graue bzw. goldene Energie umfasst die Energiemenge, die für Rohstoffgewinnung, Produktionsprozess, Verpackung und Transport bis zum Bau eines Gebäudes benötigt wird. Diese ist für die Sanierung von Bestandsgebäuden deutlich niedriger als für die Realisierung eines Neubaus. Die Berücksichtigung der grauen Energie ist nicht

nur für eine transparente Ökobilanz unverzichtbar, sondern vor allem für die Priorisierung einer Bestandsmobilisierung gegenüber primärenergieintensiven Neubauvorhaben. Energetische Sanierungsmaßnahmen führen in den Städten häufig zu Konflikten zwischen Stadtentwicklung bzw. Baugenehmigungsbehörde und Denkmalpflege. Vor allem, wenn die geplanten Maßnahmen die Dämmung von Außenfassaden umfassen, sind Kompromisse für erhaltenswerte oder unter Schutz gestellte Gebäude schwer zu finden. Mit der Dämmung der Außenhülle verschwinden häufig baukulturell wertvolle Fassadenelemente, charakteristische Fensterteilungen, -tiefen und -öffnungen, und auch Vor- und Rücksprünge werden durch eine Außenwanddämmung überformt. Nicht nur objektbezogen, sondern auf Quartiersebene ist damit eine stufenweise Veränderung des ortstypischen Stadtbildes zu einem charakterlosen Erscheinungsbild zu befürchten. Die unzureichende Berücksichtigung der Baukultur spiegelt sich in der gegenwärtigen Praxis der energetischen Sanierung anhaltend wider. Die Außenfassade hat für eine energetische Optimierung des Gebäudes dann nur noch geringe Effekte, sie sollte zur letzten Option werden. Doch auch wenn die Fassadendämmung unumgänglich ist, lassen sich denkmalgerechte Lösungen finden. Ein vielversprechender Lösungsansatz, um den Herausforderungen der Energiewende zu begegnen, stellt die Quartiersebene dar. Diese Option erlaubt passgenaue integrierte Konzepte, welche sich für eine ganze Stadt kaum verwirklichen ließen. Zugleich sind Sanierungsmaßnahmen im Quartier oft effizienter als am einzelnen Gebäude. Das macht energetische Quartierskonzepte zu einem zentralen Erfolgsfaktor städtischer Entwicklungsstrategien. Förderformate wie das KfW-Programm „Energetische Stadtsanierung“ oder das Erneuerbare-Energien-Gesetz (seit 2021) begünstigen ebenfalls Quartiersansätze. Ganze Quartiere zu betrachten, macht es zugleich leichter, Bausubstanz und baukulturelle Werte zu bewahren. Ein positives Beispiel stellt die Gartenstadt Margarethenhöhe in Essen dar. Statt die Häuser der Gartenstadt vollständig in Wärmedämmung zu kleiden, soll durch energetische Sanierung, innovative Gebäudetechnik und intelligente elektrische, thermische und digitale Vernetzung das denkmalgeschützte Quartier energetisch optimiert werden. Teresa Deckert www.bundesstiftung-baukultur.de links Gartenstadt Margarethenhöhe in Essen (Foto: © Margarethe Krupp Stiftung, André Schuster)


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wirtschaft + recht

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§§ Die in Berlin, München, Frankfurt und Wien ansässige Kanzlei Zirngibl Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ist Premiumpartner des DAI. Zu ihren bundesweiten Arbeitsschwerpunkten zählen das Immobilien-, Bau- sowie das Vergaberecht.

NEUES AUS DEM... ...Bau- und Architektenrecht

...Vergaberecht

Barzahlung als Indiz für Schwarzarbeit

Besondere Vertragsbedingungen dürfen der VOB/B nicht grundlegend widersprechen!

Seit Inkrafttreten des Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) im Jahr 2004 steht fest, dass Werkverträge mit einer sog. Ohne-Rechnung-Abrede nichtig sind. Nichtsdestotrotz gab es lange Zeit Uneinigkeit in der Rechtsprechung, wie mit Ansprüchen der Vertragsparteien, also insbesondere dem Vergütungsanspruch des Auftragsnehmers (AN) und den Gewährleistungsansprüchen des Auftraggebers (AG), umzugehen ist. Mit seinem Urteil vom 01.08.2013 (Az.: VII ZR 6/13) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass den Vertragsparteien im Falle der Schwarzarbeit keinerlei Ansprüche gegeneinander, gleich auf welche rechtliche Grundlage gestützt, zustehen.

Besondere Vertragsbedingungen dürfen die Regelungen der VOB/B in Ausnahmefällen ergänzen, diesen jedoch nicht widersprechen. So die Vergabekammer Südbayern in ihrer Entscheidung vom 14.02.2022 (3194.Z3-3_01-21-44). Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens war die Vergabe des Neubaus eines Feuerwehrgerätehauses mit Wohnnutzung. Das Leistungsverzeichnis enthielt besondere Vertragsbedingungen zur Bauausführung. Diese wichen in vielen Punkten von den Regelungen der VOB/B ab und orientierten sich zum Teil an den Regelungen des Bauvertragsrechts im BGB (§§ 650a ff.). Die Abweichungen umfassten u. a. das Recht der Antragsgegnerin zur Ersatzvornahme ohne vorherige Auftragsentziehung abweichend von § 4 Abs. 7 VOB/B. Zusätzlich die Ausschlüsse von § 7 VOB/B, § 12 Abs. 6 VOB/B sowie von Teilabnahme und fiktiver Abnahme.

Ob im konkreten Einzelfall ein Verstoß gegen das SchwarzArbG vorliegt, prüft das Gericht von Amts wegen; einer Berufung hierauf bedarf es nicht. Für die Annahme von Schwarzarbeit sprechen verschiedene Indizien. So hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in seinem Urteil vom 14.01.2021 (Az. 5 U 18/20) klargestellt, dass vor allem die Zahlung in bar ohne Ausstellung einer entsprechenden Quittung neben dem Fehlen eines schriftlichen Vertrages ein wichtiges Indiz für das Vorliegen von Schwarzarbeit ist. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf verdeutlicht noch einmal, was bereits seit einigen Jahren feststeht: Vor dem Hintergrund der umfangreichen Bekämpfung von Schwarzarbeit und der damit einhergehenden Wettbewerbsverzerrung sind bei Verträgen mit Ohne-Rechnung-Abreden sämtliche Ansprüche der Vertragsparteien ausgeschlossen. Möglichkeiten, dennoch Vergütungs- bzw. Gewährleistungsansprüche durch die „Hintertür“ geltend zu machen, bestehen nicht. Um der Gefahr der Nichtigkeit des Vertrages zu begegnen, sollten AG und AN daher stets darauf achten, Verträge schriftlich zu schließen und Barzahlungen ohne Quittung zu vermeiden. Rechtsanwältin Lisa Hagelskamp

Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, reichte diese einen Nachprüfungsantrag ein. Mit Erfolg! Die Vergabekammer erklärte diesen für zulässig und begründet. Das Verfahren müsse mindestens in den Stand vor Veröffentlichung der Vergabeunterlagen zurückversetzt werden. Die Vergabekammer entschied, dass die Antragsgegnerin durch die Aufstellung ihrer besonderen Vertragsbedingungen ein in weiten Bereichen von der VOB/B abweichendes Regelwerk aufgestellt habe. Dies habe zur Folge, dass die VOB/B nur nachrangig gelten würde. Nach § 8a EU Abs. 2 Nr. 1 S. 1 VOB/A müssen die Regelungen der VOB/B grundsätzlich unverändert bleiben. Ausnahmen nach § 8 EU Abs. 2 Nr. 1 S. 2 VOB/A sind nur in einem Rahmen zulässig, der die Regelungen ergänzt und konkretisiert, diesen jedoch nicht widerspricht. Auch kommt eine Ausgestaltung der VOB/B dort in Betracht, wo diese es mit Öffnungsklauseln vorsehe („wenn nichts anderes vereinbart ist“). Rechtsanwalt Fritz Stöcklein Ansprechpartner Berlin: RA Lars Robbe Tel.: 030–880331–231, Mail: l.robbe@zl-legal.de, www.zl-legal.de Ansprechpartner München: RA Dr. Ulrich May Tel.: 089–29050–231, Mail: u.may@zl-legal.de, www.zl-legal.de


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AUS DEM PRÄSIDIUM Die Baupolitik und die Energiepolitik sind eng miteinander verbunden – wie andere Politikfelder im Übrigen auch. Nach dem „Schock“ des Förderstopps bei der energetischen Ertüchtigung von Gebäuden zu Beginn des Jahres folgte die andauernde Phase der Ungewissheit, wie es mit fossilen Energieträgern auch in Deutschland weitergeht. Die Baubranche gehört bekanntermaßen zu den energieintensiveren Bereichen. Das gilt für die Erzeugung von Baustoffen genauso wie für den Betrieb von Gebäuden über deren Lebenszyklus. Hier stehen viele Veränderungsprozesse nach wie vor am Beginn. Klar scheint aber schon heute, dass die Veränderungen rascher kommen und umgesetzt werden müssen mit Blick auf den Rohstoff- und Ressourcenverbrauch als bisher auch über europäische Vorgaben geplant. Durch den nicht abzusehenden Krieg in der Ukraine verschiebt sich bei uns nicht nur die Energiepolitik. Das Planen und Bauen in Deutschland braucht auch Antworten auf eine Vielzahl weiterer Flüchtlinge, die untergebracht und versorgt werden müssen. Ende März war Haushaltswoche im Deutschen Bundestag. Erstmals seit über 23 Jahren stand wieder ein Einzelplan für das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) im Haushaltsentwurf – mit insgesamt knapp 5 Mrd. Euro ein vergleichsweise kleiner Haushaltsposten (Einzelplan 25). Rund 750 Mio. Euro sind für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen. Hier stehen 100.000 Wohnungen für die nächsten Jahre im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. Gut 1,2 Mrd. Euro sind für die Städtebauförderung eingeplant. Mehr als die Hälfte davon (790 Mio. Euro) gehen als Zuweisung direkt an die Bundesländer. Interessant werden dürfte das Ende März begonnene Wahljahr 2022, das mit der Landtagswahl im Saarland eingeläutet wurde. Es folgen dieses Jahr noch die Länder Schleswig-Holstein (8.5.2022), Nordrhein-Westfalen (15.5.2022) und Niedersachsen (9.10.2022). Das DAI Präsidium hat Ende März in einer Sitzung den Vorbereitungsstand des diesjährigen DAI Tages in Münster erörtert. Abweichend vom zweijährigen Rhythmus der Preisverleihungen wird in diesem Jahr nach dem verschobenen letzten DAI Tag ein weiteres Mal der Große DAI Preis für Baukultur verliehen. Und auch das Programm des begleitenden Symposiums verspricht einen bemerkenswerten DAI Tag. Die Festschrift "150 Jahre DAI" wird Anfang Mai auf dem Konvent der Baukultur vorgestellt und gleichzeitig an die Vorbesteller aus den AIVen versendet. Das Werk ist bei einem hohen Qualitätsanspruch noch einmal deutlich umfangreicher geworden und wird seine Leser sicher erfreuen. Die immer wieder aufgespürte Frage nach dem Selbstverständnis der AIVe und ihres Dachverbandes wird hier beantwortet und in einen erweiterten Zusammenhang gesetzt. Udo Sonnenberg

www.sl-rasch.de


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DAI regional

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rechts Die neuen Vorstandsmitglieder des AIV Hildesheim: Roland Christen, Walter Nothdurft, Dirk Jäschke, Tanja Götzel, dahinter verdeckt Franz Josef Post, Uve Völkner, Susanne Elze, Kristina Müller und Martin Kerkhof (v.l.n.r.)

AIV Hildesheim

70-JÄHRIGES JUBILÄUM Nach der gewaltigen, nahezu totalen Zerstörung von Hildesheims historischem Stadtkern am Ende des Zweiten Weltkriegs waren es vorrangig Architekten und Bauingenieure, die für den Wiederaufbau der Stadt verantwortlich zeichneten. In der Erkenntnis, dass nur das Wissen und Können beider Berufsgruppen gemeinsam zum Erfolg führen, beschlossen der damalige Stadtbaurat Bernhard Haagen und mehrere namhafte Bauschaffende am 6.11.1951 die Gründung des AIV Hildesheim. Zugleich schlossen sie sich dem Dachverband DAI an. Am 11.11.2021 konnte somit der inzwischen 110 Mitglieder starke Verein sein 70-jähriges Jubiläum begehen. Nach zweijähriger pandemiebedingter Pause fand gleichzeitig die sonst jährlich abzuhaltende Mitgliederversammlung statt. Dabei wurde auch ein neuer Vorstand gewählt. Die langjährige Vorsitzende, Architektin Dagmar Schierholz, inzwischen auch DAI Vizepräsidentin, stellte aus privaten Gründen ihr Amt zur Verfügung. Diese Aufgabe übernahm nach einstimmiger Wahl die Architektin Susanne Elze. Geplante Aktivitäten Wie die anwesenden Mitglieder unisono berichteten, fehlen ihnen die fachbezogenen gemeinschaftlichen Kontakte, wie sie der Verein vor der Coronapandemie durch Aktionen wie Baustellenbesichtigungen, Städtereisen, Fachvorträge oder

Architektenfilmtage regelmäßig ermöglicht hatte. Gerade der fachliche Gedankenaustausch ist in der heutigen Zeit der schnellen Erweiterung und Veränderung des Berufsbildes von eminenter Bedeutung. Die neue Vorsitzende Susanne Elze hofft nun, dass das Vereinsleben in diesem Jahr wieder in Schwung kommt. Unter dem Titel „Fachkompetenz aus eigener Reihe“ soll diese vor der Coronapandemie angelaufene Vortragsreihe fortgesetzt werden. Weiterhin ist ein „Runder Tisch“ für den fachübergreifenden Gedankenaustausch und zur Kontaktpflege geplant. Und es besteht der Wunsch nach Besuchen bei befreundeten AIVen in anderen Städten. Der AIV Hildesheim ist jederzeit offen für interessierte neue Mitglieder aus der Baubranche mit Hochschulabschluss. Walter Nothdurft

AIV zu Berlin-Brandenburg

SCHINKEL-WETTBEWERB 2022 ENTSCHIEDEN Der Schinkel-Wettbewerb zählt zu den bekanntesten und ältesten deutschen Nachwuchswettbewerben für Architekten und Ingenieure. In diesem Jahr bestand die Aufgabe darin, unter dem Titel „Ressource Rüdersdorf – neu aufgemischt“ neue Ideen für das Areal der ehemaligen Futterphosphatfabrik zu finden. In den verschiedenen Fachsparten waren unterschiedliche Aufgaben zu lösen: Ein Zukunftslabor für neue Wohn- und Arbeitsformen wurde im Städtebau gefordert. In der Landschaftsarchitektur sollten Freizeit und Naherholung mit Kunst und Kultur, aber auch mit Natur- und Klimaschutz verbunden werden. Architekten sollten einen Vorschlag für einen Kultur-Reaktor als Keimzelle des neuen Kreativquartiers erarbeiten. Und für die Ingenieure war eine Seilbahn zu konstruieren, die das neue Quartier mit dem Rüdersdorfer Ortskern verbindet und den Tagebau überspannt.

rechts Schinkelpreis in der Fachsparte Architektur: „green machine“


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POROTON®-T6,5®, -T7®, -S8® und -S9®

Schinkelpreis in der Fachsparte Städtebau: „Klimadienst“

DIE ERSTEN KLIMA NEUTRALEN ZIEGEL Schlagmann Poroton ist der führende Anbieter von Mauerziegeln in Süddeutschland. Wir wollen als Marktführer auch in puncto Nachhaltigkeit unserer Verantwortung gerecht werden.

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In diesem Jahr wurden Preisgelder in Höhe von insgesamt 28.700 Euro vergeben. Das Schinkelfest mit der Preisverleihung findet am 26.8.2022 statt. Martina Rozok

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Fachsparte Architektur: „green machine“ • Flo Berrar, Akademie der bildenden Künste Wien • Johannes Anselmann, Hochschule für Technik Stuttgart Fachsparte Städtebau: „Klimadienst“ • Jan Tondera, Hochschule für Technik Stuttgart • Daniel Klaus, Hochschule für Technik Stuttgart • Chris Philipp, Hochschule für Technik Stuttgart Fachsparte Landschaftsarchitektur: „subsTanz“ • Wen Chen, Leibniz Universität Hannover • Julia Theis, Leibniz Universität Hannover

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Schinkelpreise Eingegangen waren insgesamt 123 Beiträge, von denen elf ausgezeichnet wurden. Davon erhielten folgende Arbeiten einen Schinkelpreis:

Detaillierte Informationen dazu und über unsere Aktivitäten für Artenschutz, Regionalität und Biodiversität finden Sie unter: schlagmann.de/klimaneutraleziegel

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Spartenübergreifende Kooperationen Gesche Gerber und Ernst-Wolf Abée, Vorsitzende des AIVSchinkel-Ausschusses: „Die hohe Qualität der Arbeiten im letzten Jahr wurde in diesem Jahr nochmals übertroffen. An der Bearbeitungstiefe der eingereichten Arbeiten konnten wir erkennen, dass viele Teilnehmer sich interdisziplinär zusammengeschlossen und die Aufgaben mehrerer Sparten bearbeitet haben. Auch die Auszeichnung dieser Kooperationsarbeiten erfolgte spartenübergreifend. Damit zeigte sich, dass unsere Idee zur Förderung von Kooperationen verschiedener Disziplinen gerne aufgegriffen wurde.“

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Schinkelpreis in der Fachsparte Landschaftsarchitektur: „subsTanz“

In enger Zusammenarbeit mit Klimaschutz-Experten haben wir eine 3-Säulen-Strategie entwickelt. Mit den Maßnahmen dieser Strategie sind unsere TopProdukte, die perlitgefüllten POROTON®-T6,5® und -T7® sowie POROTON®-S8® und -S9® die ersten klimaneutralen Ziegel.

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