Ausgabe 5_2018: leipzigerBAUKULTUR

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BAUKULTUR Zeitschrift des DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.

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Schwerpunkte DAI Tag 2018 Bauen in und um Leipzig

BAUKULTUR

leipziger


SCHÜTZT VOR RIESIGEN RISIKEN: DEUTSCHLANDS BAUSPEZIALVERSICHERER

Es ist das größte Bauprojekt auf der Berliner Museumsinsel – der für 13 Jahre veranschlagte Umbau des unter UNESCO-Schutz stehenden Pergamonmuseums. Deshalb vertrauen die verantwortlichen Architekten und Ingenieure* der VHV, wenn es um die Absicherung großer Haftpflichtrisiken geht. Genauso professionell versichern wir natürlich auch Ihr Bauunternehmen und Ihre Bauprojekte. Denn als Bauspezialversicherer bietet die VHV optimalen Schutz vor Risiken und liefert so die nötige Sicherheit bei Planung und Baudurchführung. Mehr Informationen erhalten Sie unter 0180.22 32 100** oder unter vhv-bauexperten.de ** Festnetzpreis 6 Cent pro Anruf, aus Mobilfunknetzen höchstens 42 Cent pro Minute.

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editorial

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rechts Gründungsmitglieder des AIV Leipzig, 2018

LIEBE KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN, LIEBE FREUNDE DER BAUKULTUR, Baukultur – Leipziger Baukultur! Schon im Jahre 1842 konnte die Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure die Standesgenossen aus dem gesamten deutschen Sprachraum zur ersten Wanderversammlung der Architekten- und Ingenieurvereine gastfreundlich empfangen. 50 Jahre später, vom 28.–31.8.1892, war Leipzig wieder Versammlungsort für die nun schon 10. Versammlung seit der Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 und begrüßte die Teilnehmer mit einer täglich erscheinenden Festzeitung. Sie konnte am zweiten Tag stolz vermelden, dass mit dem Stuttgarter Hofbaudirektor Joseph von Egle (1818–1899) auch ein Teilnehmer der ersten Leipziger Tagung eingetroffen war. Langlebiger war zweifellos das zweite Gastgeschenk: der nahezu obligatorische prachtvolle Erinnerungsband „Leipzig und seine Bauten“, schwergewichtig mit seinen 856 Seiten und zahlreichen Plänen und Fotografien. Er war sorgfältig und langfristig durch einen „Preß-Ausschuß“ des Vereins vorbereitet worden, unter dessen Mitgliedern heute am ehesten noch August Föppl (1854–1924) bekannt ist, der 1894 an die TH München berufen wurde. In Leipzig kennt man auch den Betonpionier Max Pommer (1847–1915) oder den nachmaligen Stadtbaurat Otto Wilhelm Scharenberg (1851–1920). Dadurch und durch zahlreiche weitere Publikationen und Aktivitäten konnte innerhalb dieser Zeit auf die Leipziger Bautätigkeit Einfluss ausgeübt werden, die durch die zunehmende Industrialisierung bzw. Gründerzeit geprägt war. Diese lokalpolitische Präsenz wurde jedoch durch die NS-Zeit unterbunden, und nach 1933 wurde auch der AIV Leipzig zwangsweise aufgelöst.

Der Kontakt zum DAI riss jedoch nicht ab: Auf dem DAI Tag 2016 in Aschersleben keimte der Gedanke einer Wiedergründung auf. Am 11.6.2018 wurde die Neugründung des AIV Leipzig im historisch-modernen Ambiente eines ehemaligen Leipziger Bankhauses und heutigen Sitzes der „Deutschen Werkstätten Lebensräume GmbH – Showroom Leipzig“ vollzogen.

Erst am 3.6.1996 wurde, auf dieser Tradition basierend, der AIV Leipzig als gemeinnütziger Verein gegründet. Er bildete ein fachübergreifendes Forum zur kontroversen Diskussion aktueller und berufsständischer Fragestellungen speziell in Leipzig und Umgebung. Dies auch mit vorrangigem Zweck einer Förderung des bautechnischen Nachwuchses im Hinblick auf Aus- und Weiterbildung der am Bau beteiligten Fachsparten.

Ganz besonders freuen wir uns, dass wir als noch neuer AIV Leipzig i. G. Gastgeber für den bevorstehenden DAI Tag vom 22.–23.9.2018 in Leipzig sind und ihn organisatorisch unterstützen dürfen. Ein Programmpunkt dieser Jahrestagung wird die offizielle Gründungsfeier des AIV Leipzig sein, zu der wir alle Leser der Baukultur herzlich einladen!

Vom 6.–8.11.2003 war der AIV Leipzig erneut Gastgeber für den DAI Tag in Leipzig, auf dem der jetzige DAI Präsident Prof. Christian Baumgart in sein Amt gewählt wurde. Trotz eines reichhaltigen Programms und einer lebhaften Vereinskultur löste sich der Verein 2015 aufgrund schwindender Mitgliederzahlen auf.

Es ist wichtig, in einer Stadt wie Leipzig, die sich erneut eines mächtigen Baubooms erfreut und sich im deutschen StädteRanking weit vorne befindet, einen Verein zu etablieren, der Architekten, Ingenieure und andere an Baukunst und Bautechnik Interessierte zu technisch-wissenschaftlicher und künstlerischer Arbeit auf dem Gebiet des Bauwesens zusammenführt, um auch aktuelle Fragestellungen in Leipzig und darüber hinaus konstruktiv und kritisch zu erörtern und zum lokalen Baugeschehen Stellung zu beziehen. Des Weiteren sind gemeinsame Veranstaltungen, Weiterbildungen, Veröffentlichungen und insbesondere die Förderung des beruflichen Nachwuchses geplant. In diesem Sinne wird der Wettbewerb um den „Max-Pommer-Preis“ für Studierende und junge Absolventen der mitteldeutschen Hochschulen ausgelobt. Diese Förderung erfolgt gemäß den Statuten der Vereinssatzung und soll durch eine freie und basisnahe Vereinstätigkeit gestützt werden. Ziel ist es auch, eine ausgewogene Altersstruktur zu erreichen und zu erhalten. Zur Durchsetzung dieser Ziele verlangt es großes Engagement, und wir hoffen, dabei von vielen Interessierten unterstützt zu werden.

Auf eine wunderschöne Veranstaltung und ein Wiedersehen in Leipzig! Herzlich, Ihre Andrea Pester-Christiansen, AIV Leipzig, Schriftführerin Norbert Hippler, AIV Leipzig, 1. Vorsitzender Dr. Stefan W. Krieg-von Hößlin, AIV Leipzig, Gründungsmitglied


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DAI bundesweit

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Kiel

Pinneberg

GRASSI Museum für Angewandte Kunst in Leipzig (Foto: Helga Schulze-Brinkop)

DAI Tag 2018 in Leipzig Vom 22.–23.9.2018 findet im GRASSI Museum in Leipzig der diesjährige DAI Tag statt. Das Programm und das Anmeldeformular sind auf der DAI WebSeite veröffentlicht. Gerne können Sie sich noch anmelden. Der DAI und die Initiatoren des neu gegründeten AIV Leipzig freuen sich auf ihre Gäste!

Osnabrück

Dortmund

Leipzig Düsseldorf

www.dai.org/veranstaltungen/ verbandstermine

Oberhessen

Wiesbaden Aschaffenburg Bamberg

Mainz

Mannheim

Saar

Nürnberg

Folgen Sie dem DAI im Netz: www.dai.org www.facebook.com/baukultur Freiburg

www.twitter.com/baukultur https://plus.google.com/ +DaiOrgBaukultur

DAI Mitgliedsverein

www.instagram.com/ baukultur_dai/

kein DAI Mitgliedsverein DAI Mitgliedsverein mit Textbeitrag in der vorliegenden Ausgabe

DAI MITGLIEDSVEREINE AIV Aschaffenburg AIV Aschersleben-Staßfurt AIV Bad Hersfeld AIV Braunschweig AIV Frankfurt AIV Hanau AIV Hannover AIV Hildesheim AIV Karlsruhe AIV Koblenz

AIV KölnBonn AIV Konstanz AIV Leipzig AIV Magdeburg AIV Marburg AIV Mark Sauerland AIV Oberhessen AIV Schweinfurt AIV Stuttgart AIV Ulm

AIV Würzburg AIV zu Berlin Dortmunder AIV Mittelrheinischer AIV Darmstadt Münchener AIV Münsterländer AIV Oberrheinischer AIV Freiburg Oldenburgischer AIV Ruhrländischer AIV zu Essen Schwäbischer AIV Augsburg


inhalt

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Editorial AIV Leipzig DAI bundesweit Inhalt Rubriken Nachrichten Kolumne Bundesstiftung Baukultur Wirtschaft + Recht

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DAI aktuell Aus dem Präsidium Blickpunkt

12–38 12–13 14–15 15–16 17–18 19 19 20–21 22–23 24–25 26–27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 36 37 37 38

Schwerpunkt: DAI Tag 2018 + Bauen in und um Leipzig Großer DAI Preis für Baukultur: Schulz und Schulz Architekten Messestadt mit Tradition Gründerzeit in Leipzig Kulturmetropole Leipzig Specks Hof Krochhochhaus Revitalisierung des Buchgewerbehauses Bildungscampus forum thomanum Kirche St. Trinitatis Büro- und Geschäftshaus TRIAS Schulbibliothek der Friedrich-Schiller-Schule Leipziger Stadtbibliothek Sonderlabore der Universität Leipzig Wolkenlabor des Instituts für Troposphärenforschung Motel One am Augustusplatz Motel One an der Nikolaikirche Mehrfamilienhaus in der Arndtstraße Neue Leipziger Terrassen LKG-Carré Mehrfamilienhaus in der Goldschmidtstraße Kaisergärten Wellenwerk IV Judohalle Holzhausen

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Titel: Neues Rathaus und Kirche St. Trinitatis in Leipzig (Foto: Stefan Müller)

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Autoren | Vorschau | Impressum

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nachrichten

Panometer Leipzig Seit 2003 realisiert der in Sachsen aufgewachsene und in Berlin lebende Künstler Yadegar Asisi die weltgrößten 360°-Panoramen mit einer Höhe von bis zu 32 m und einem Umfang von bis zu 110 m. In Leipzig ist das Schiffsunglück der Titanic Thema der Inszenierung. Vom 15 m hohen Besucherturm ermöglicht der Künstler mithilfe eines künstlichen Lichtszenarios einen Blick auf den Grund des Atlantiks. In einer Wassertiefe, in die kein natürliches Licht mehr dringt, ist das auf dem Meeresboden liegende Wrack der RMS Titanic zu sehen. www.panometer.de/leipzig Alles nach Plan? Formgestaltung in der DDR Die Ausstellung setzt sich mit der Formgestaltung in der DDR von ihren Anfängen und der Aufbruchsstimmung in den 1950er Jahren über die Gründung des Amts für industrielle Formgestaltung zur allgemeinen Kontrolle der Produkte in den 1970er Jahren bis zur Mangelkrise in den 1980er Jahren und dem Ende der DDR auseinander. Gestalter berichten von ihren

persönlichen Erfahrungen und Empfindungen. Am Schluss steht die Frage: Gibt es ein DDR-Design? Die Ausstellung ist noch bis 14.10.2018 im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig zu sehen. www.hdg.de Bachs Schüler berichten Zeit seines Lebens unterrichtete Johann Sebastian Bach junge Musiker in Klavier-, Orgelspiel und Komposition. Da er seine Schüler oft in seiner Wohnung beherbergte, gewannen sie tiefe Einblicke in den Alltag des Komponisten. Was können sie uns über ihren Lehrer berichten? Ein von der Fritz Thyssen Stiftung gefördertes Forschungsprojekt spürt

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den über 100 Privatschülern Bachs nach. Die bis 23.9.2018 im BachMuseum Leipzig zu sehende Ausstellung gibt Einblicke in die Quellenfunde und stellt Wege und Methoden der Wissenschaftler vor. www.bachmuseumleipzig.de Made in Denmark Dänische Entwerfer von Kaare Klint über Arne Jacobsen bis hin zu Verner Panton haben die Produkt- und Wohnkultur vor allem in der

Blick in die Ausstellung (Foto: Karola Bauer)

zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt. Seither ist dänisches Design Inbegriff und Ausdruck eines zeitlosen modernen Lebensstils. Neben Möbeln, Keramik, Silberarbeiten, Glas und Spielzeug aus eigenem Bestand präsentiert das GRASSI Museum für Angewandte Kunst bis 7.10.2018 zusätzlich die Sammlung von Marion und Jörg Schwandt, die dänischen Schmuck des 20. Jahrhunderts beinhaltet. www.grassimuseum.de Renaissance experience Seit Januar läuft im Kunstkraftwerk Leipzig das Projekt „Renaissance experience“ – ein auf zwei Jahre angelegter dreiteiliger Kunstzyklus, der die Besucher digital und immersiv in die bedeutendsten

Meisterwerke der Renaissance eintauchen lässt. In der Ausstellung „Florenz und die Uffizien“ laden übergroße Touchscreens zur interaktiven Kunstbetrachtung ein. Von Softwareentwicklern, Kunsthistorikern, Musikern und Grafikern gemeinsam entwickelt, bietet die Präsentation ganz neue, datengestützte Möglichkeiten für Forschung und Kunstgenuss. www.kunstkraftwerk-leipzig.com denkmal 2018 Die europäische Leitmesse für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung findet alle zwei Jahre in Leipzig statt. Vom 8.–10.11.2018 präsentieren nationale und internationale Aussteller denkmalpflegerische Produkte, handwerkliche und restauratorische Leistungen, Technologien und Innovationen. Darüber hinaus bietet die denkmal im

Fachprogramm hochkarätige Kongresse, nationale und internationale Fachveranstaltungen, Expertenrunden und zahlreiche Preisverleihungen. www.denkmal-leipzig.de Rosenheimer Bau-Forum Gemeinsam mit dem DAI und weiteren Partnern veranstalten das InformationsZentrum Beton IZB und die Hochschule Rosenheim am 10.10.2018 das 2. Rosenheimer Bau-Forum. Aufgegriffen werden die vielfältigen Besonderheiten beim Bau von wasserundurchlässigen Bauwerken aus Beton. 14 Jahre nach dem Erscheinen der WU-Richtlinie wurde diese überarbeitet. Die Änderungen im Regelwerk, die Schnittstellen zwischen Planung und Ausführung sind wesentliche Punkte. Das Rosenheimer BauForum richtet sich an Architekten und Ingenieure sowie an Lehrende, Sachverständige, Behörden und Bauherren. www.beton.org


kolumne

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VIEL LOS IM HERBST: BAUKULTURSCHAFFENDE, KOMMT ZUSAMMEN! Nach der Sommerpause gibt die Bundesstiftung Baukultur wieder richtig Gas: mit einem gemeinsamen Stand auf der Expo Real im Oktober in München mit BAK, DGNB und weiteren Partnern. Und vor allem mit dem Konvent der Baukultur im November in Potsdam. Beide Veranstaltungen zielen darauf ab, Bauschaffende aller Disziplinen an einen Tisch zu bringen – und in die Diskussion miteinander: darüber, was gutes Planen und Bauen fördert und behindert, über gelungene Beispiele und Projekte und darüber, wie man Hürden in der täglichen Arbeit gemeinsam meistert. Unter dem Motto „Qualität planen, Zukunft bauen“ präsentiert sich die Bundesstiftung Baukultur auf der Expo Real vom 8.–10.10.2018 gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer, der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und dem Baukosteninformationszentrum (BKI) in Halle A2, Stand 334. Wir laden Sie ein zu unseren Podiumsdiskussionen „Bestand hat Zukunft – alte Werte neu entdecken“ und „Städte brauchen Plätze – der öffentliche Raum als Motor für die Stadtentwicklung“. Vom 6.–7.11.2018 verwandelt die Bundesstiftung Baukultur das Kultur- und Erlebnisquartier Schiffbauergasse in Potsdam gemeinsam mit hunderten Baukulturschaffenden aus ganz Deutschland in eine lebendige Denkfabrik der Baukultur. Das Quartier dient als adäquater Rahmen für das große, deutschlandweite Baukulturtreffen: Die historischen Gebäude auf dem ehemals militärisch und industriell genutzten Areal am Tiefen See wurden in einem jahrelangen Prozess für neue Nutzungskonzepte saniert. Thematisch schlägt die Stiftung damit den Bogen zum Inhalt des Baukulturberichts 2018/19: „Erbe – Bestand – Zukunft“. Dieser wird am 7.11.2018 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Er thematisiert im europäischen Kulturerbejahr 2018 das gebaute Erbe und den Bestand als Ausgangspunkt für eine zukunftsgerichtete Umbaukultur. Der Bericht liefert aktuelle Fakten aus Kommunal- und Bevölkerungsumfragen und zeigt Beispiele zeitgemäßer Umbaukultur. Die daraus hervorgehenden Handlungsempfehlungen richten sich an Vertreter aus Politik, Verwaltung, Planung und Bauwirtschaft

rechts Konventsbefragung beim Konvent der Baukultur 2016 (Foto: © Bundesstiftung Baukultur, Stefan Gloede)

sowie Privatleute. Der Konvent der Baukultur soll dazu dienen, diese Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen mit Ihnen und den 200 Konventsmitgliedern zu diskutieren. Bereits am 6.11.2018 startet der Konvent mit dem Basislager der Baukultur. Die Besucher können an 5 offenen Foren teilnehmen, mitdiskutieren und sich austauschen: Zur Wahl stehen ein Planspiel mit Studierenden zu Standards im Bestandsumbau, ein Forum zur Innenentwicklung und Reduktion von Flächenverbrauch, ein Netzwerktreffen für Baukulturinitiativen, das dritte bundesweite Treffen für Gestaltungsbeiräte und ein Forum zu Baukultur in der Bildung. Als Rahmenprogramm wird die Ausstellung „Grenzen|Borders“ mit prämierten Bildserien des Europäischen Architekturfotografie-Preises auf dem Gelände des Quartiers Schiffbauergasse zu sehen sein. Ein Baukulturabend am ersten Tag mit festlichem Empfang, Musik und Tanz bietet Gelegenheit zum informellen Austausch. Der Herbst verspricht für die Baukultur also viel! Auf unserer Web-Seite finden Sie weitere Informationen zu den Veranstaltungen, und Sie können sich kostenfrei zum Konvent anmelden. Sabrina Ginter www.bundesstiftung-baukultur.de


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wirtschaft + recht

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§§ Die in Berlin, München, Frankfurt und Wien ansässige Kanzlei Zirngibl Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ist Premiumpartner des DAI. Zu ihren bundesweiten Arbeitsschwerpunkten zählen das Immobilien-, Bau- sowie das Vergaberecht.

NEUES AUS DEM... ...Grundstücks- und Immobilienrecht

...Vergaberecht

Keine Maklerprovision für den Verwalter oder seine Gehilfen

Aufhebung setzt ordnungsgemäße Kostenschätzung voraus

Gesetz und Rechtsprechungen verlangen im Interesse des Wohnungssuchenden eine deutliche rechtliche und tatsächliche Trennung zwischen dem die Wohnung vermittelnden Makler und dem die Wohnung betreuenden Verwalter.

In Zeiten voller Auftragsbücher erhalten öffentliche Auftraggeber tendenziell weniger Angebote für ihre ausgeschriebenen Projekte. Teilweise liegen diese dann auch noch über den erwarteten Kostenrahmen. Für Auftraggeber stellt sich dann häufig die Frage, ob das Vergabeverfahren rechtmäßig aufgehoben werden kann. Die Antwort hierzu hängt unter anderem davon ab, ob die Kostenschätzung ordnungsgemäß erstellt wurde.

Der Makler soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers als ein neutraler Dritter zwischen Mieter und Vermieter oder Käufer und Verkäufer stehen und gleichwertig beide Interessen vertreten. Insbesondere darf der Makler nicht im sog. Lager seines jeweiligen Auftraggebers stehen. Die Unterscheidung zwischen einer maklertypischen und üblichen Serviceleistung und einer der Wohnungsverwaltung entsprechenden Tätigkeit, wie z. B. Entgegennahme von Mangelbeschwerden der potenziellen Erwerber einer Wohnung, Weiterleiten und Besprechen von Protokollen von Eigentümerversammlungen, ist im Einzelnen schwierig zu gewährleisten, eine Trennung ist dennoch strikt vorzunehmen. So hat der BGH in seinem Urteil vom 02.10.2003 (AZ: III ZR 5/03) noch einmal deutlich herausgestellt, dass nach der Zielsetzung des Wohnungsvermittlungsgesetzes der Vermittler seinen Provisionsanspruch nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 WoVermittG in der Regel auch dann verliert, wenn er selbst oder – wenn es sich bei ihm um eine juristische Person handelt – sein Organ zum Zeitpunkt der Vermittlung oder des Nachweises der Gelegenheit zum Abschluss des Mietvertrags oder beim Abschluss des Mietvertrags Gehilfe des Verwalters der vermittelten Wohnung ist. Bei der Einstufung als Gehilfe kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, allenfalls geringfügige Verwaltungstätigkeiten begründen keine provisionsschädliche Gehilfenstellung des Maklers. Dennoch ist Vorsicht geboten bei Verwaltungstätigkeiten jeder Art, wenn der Makler seinen Provisionsanspruch nicht gefährden will. Rechtsanwältin Dr. Eva Luig

Grundsätzlich kommt eine Aufhebung der Vergabe unter anderem wegen Vorliegens eines schweren Grundes in Betracht. Ein solcher Grund kann vorliegen, wenn die Ausschreibung zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Ergebnis geführt hat. Dies setzt eine deutliche Überschreitung des durch den Auftraggeber geschätzten Auftragswerts voraus. Dies gilt aber nur, wenn die Kosten ordnungsgemäß geschätzt wurden. Die Vergabekammer des Bundes hat in ihrem Beschluss vom 15.06.2018 - VK 1-47/18 ausgeführt, dass es dem Auftraggeber obliegt, diesen Nachweis zu führen. Für eine ordnungsgemäße Kostenschätzung muss er danach Methoden wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzungsergebnis erwarten lassen. Dabei begegnet es keinen grundsätzlichen Bedenken, sich bei der Schätzung auch auf Einzelpreise aus Datenbanken zu beziehen. Allerdings müssen bei der Schätzung auch die über die Bauzeit naturgemäß anfallenden Risiken im Hinblick auf Preissteigerungen sowie der zusätzliche organisatorische Aufwand infolge einer Generalunternehmerleistung berücksichtigt werden. Bei der Kostenschätzung ist eine sorgfältige und wirklichkeitsnahe Herangehensweise erforderlich. Der Auftraggeber erfüllt seine Darlegungs- und Beweislast für eine ordnungsgemäße Kostenschätzung nicht, wenn er sich bei deren Erstellung einzig auf Preise aus Datenbanken bezieht. Es muss immer der im Einzelfall konkret anfallende Aufwand betrachtet werden. Dabei sind auch zu erwartende Preissteigerungen über die Dauer des Projektes zu berücksichtigen. Zudem gilt zu beachten, dass sich die einschlägigen Datenbanken auf Werte aus der Vergangenheit beziehen. Rechtsanwalt Fin Winkelmann, LL.M.

Ansprechpartner Berlin: RA Lars Robbe, Tel.: 030–880331–231, Fax: 030–880331–100, Mail: l.robbe@zl-legal.de, www.zl-legal.de Ansprechpartner München: RA Dr. Ulrich May, Tel.: 089–29050–231, Fax: 089–29050–290, Mail: u.may@zl-legal.de, www.zl-legal.de


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DAI aktuell

DAI Regionaltreffen in Stuttgart (v.l.n.r.): Klaus Stumpf, Prof. Christian Baumgart, Jürgen Topper, Brigitte Knorr, Harald Tiefenbacher, Hans-Günther Friedrich, Jens Walko

AUS DEM PRÄSIDIUM DAI Tag 2018 in Leipzig Das DAI Präsidium hat sich in den zurückliegenden Wochen intensiv mit der Vorbereitung des DAI Tages in Leipzig vom 22.–23.9.2018 befasst. So wurde beim letzten Regionaltreffen Süd am 25.6.2018 in Stuttgart ausführlich darüber diskutiert, wie der DAI zum allgegenwärtigen Thema Wohnungsnot in den Ballungsgebieten Stellung beziehen kann und muss. Anlässlich des DAI Tages 2017 in Münster plädierte der DAI mit der sog. Münsteraner Erklärung für ein maßvolles Planen und Bauen. Der größte Kostentreiber jedoch und zugleich das knappste Gut für das Bauen ist der Baugrund. Eine sozialverträgliche und verantwortungsvolle Bodenpolitik muss das Ziel auf allen politischen Ebenen sein. Dazu soll der Mitgliederversammlung in Leipzig ein Papier zur Verabschiedung vorgelegt werden. Neben diesem politisch-inhaltlichen Thema wird der Anfang Juni neu gegründete AIV Leipzig und dessen Ziel, einen Nachwuchspreis für Studierende an mitteldeutschen Hochschulen auszuloben, ein zentraler Teil der Veranstaltung. Turnusmäßig verleiht der DAI den Großen DAI Preis für Baukultur 2018 an die Brüder Prof. Ansgar Schulz und Prof. Benedikt Schulz. Anlässlich der Verleihung werden auch Baustaatssekretär Gunther Adler und der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, Reiner Nagel, erwartet. Ascherslebener Composite Tage Der DAI unterstützt in diesem Jahr die Ascherslebener Composite Tage, die für Herbst 2018 mit Prof. Arno Lederer und dem Künstler Neo Rauch geplant sind. Gastgeber ist das Unternehmen NOVO-TECH mit seiner Kernmarke megawood® aus Aschersleben, wo der DAI Tag 2016 zu Gast war. Angesprochen sind mit dieser Veranstaltung Planer, Architekten und Ingenieure, die interessiert sind an Inspiration aus Kunst und Kultur. Udo Sonnenberg

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blickpunkt

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Am Standort Köln-Ehrenfeld entsteht neben der Büroimmobilie „Alte Wagenfabrik“ das neue Bürogebäude „The Ship“. Durch mehr als 2.500 Sensoren sowie eine Vielzahl von Zugangskontrollpunkten und Beacons wird das Gebäude mit digitaler Intelligenz ausgestattet (Foto: ©The Ship)

GEBÄUDE DER ZUKUNFT – VERNETZT, DIGITAL, INNOVATIV Der digitale Wandel macht vor keinem Wirtschaftssegment und auch vor keinem Lebensbereich halt. Fast alle Branchen und Unternehmen, ob groß oder klein, müssen sich an das neue Zeitalter anpassen und die damit verbundenen Herausforderungen bewältigen. Die Immobilien- und Baubranche ist dabei keine Ausnahme. Welche innovativen Systeme und Verfahren beim Bauen und Betreiben für ein Gebäude sinnvoll und flexibel genug sind, um auch in Zukunft mit der rasanten technologischen Entwicklung mitzuhalten, beschäftigt derzeit die meisten Bauherrn, Projektentwickler oder Investoren. Smarte Vernetzung von der Planung bis zum Betrieb Idealerweise beinhalten smarte Bauvorhaben ein intelligentes Zusammenspiel digitaler Lösungen: begonnen mit der digitalen Planungsmethode Building Information Modeling, kurz BIM, weiter mit 3D-Laserscanning in der Ausführungsphase und Smart-Building- und Cyber-Security-Konzepten für den späteren Betrieb. Wie eine solche digitale Vernetzung in einem zukunftsweisenden, nachhaltigen Gebäude aussieht, das vermitteln bereits Vorzeigeprojekte smarter Gebäude. Dazu zählen beispielsweise die beiden intelligenten Gebäude: der Glaswürfel „cube“ in Berlin und das Kölner Neubauprojekt „The Ship“. Bei solchen sog. Smart Commercial Buildings gibt es ein ausgeklügeltes Zusammenspiel aller Planungs-, Gebäudeund Nutzerdaten. Sind Arbeitsplätze oder Räume nicht fest vergeben, zeigt eine App z. B. beim Betreten des Gebäudes die Vakanzen. Steigt dort der CO2-Gehalt der Raumluft aufgrund der Besucher, läuft die Lüftung intensiver. Ein sinnvoll aufgebautes Tracking macht die zurückgelegten Wege von Personen in den Gebäuden transparent. Das verbessert Arbeitsabläufe und deren Effizienz. Ein Beispiel: Das Reinigungsteam muss ungenutzte Büros gar nicht erst betreten. Und entscheidend: Es geht nicht mehr nur um Einzellösun-

gen, die teilweise technisch schon länger machbar sind, sondern um ihr intelligentes Zusammenspiel – das große Ganze. Wer als Bauherr jedoch in der schnelllebigen digitalen Welt mithalten will, der muss vieles beachten. So müssen die eingesetzten IT-Systeme flexibel sein, um auch zukünftig mit der rasanten Entwicklung mitzuhalten. Unterschiedliche Zutrittskontrollen, voneinander unabhängige Sensoriksysteme, veraltete KPIs und Steuerung: Das sind nur wenige Beispiele dafür, dass digitale Technologien zwar bereits oft eingesetzt, aber noch nicht ausreichend miteinander vernetzt werden. Mehr Mut zu Innovationen Zugegeben: Umgesetzt werden solche innovativen Bauvorhaben derzeit von wenigen Visionären der Branche. Denn naturgemäß ist die Immobilie, wie der Name schon sagt, immobil, das heißt: unbeweglich. Damit geht sicher auch eine höhere Verharrungskraft der Akteure einher, die sich in der Regel um sehr langfristige Investitionen mit langen Lebenszyklen kümmern. Und neben manchen regulatorischen Hindernissen kommt hinzu: Die Immobilienbranche erlebt gerade glorreiche Zeiten. Jeder stürzt sich auf das Beton-Gold. Damit ist das


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Als Smart Building verfügt „cube berlin“ u. a. über intelligente Gebäudetechnik, die die Anforderungen jedes Nutzers kennt und sich individuellen Bedürfnissen optimal anpasst (Foto: © CA Immo)

Kapital für Finanzierungen mehr als ausreichend vorhanden, und die Zinsen sind vernachlässigbar. Aufgrund voller Auftragsbücher müssen Projekte verschoben werden, weil keine Subunternehmer, Dienstleister und Handwerker mehr verfügbar sind. So stellen sich viele Akteure die Fragen: Warum sollen wir uns verändern, wenn wir gerade alles richtig machen? Warum sollten Planer sich mit der digitalen Planungsmethode BIM vertraut machen und sie nutzen, wenn ihre Planungs- und Ausführungskapazitäten doch ohnehin schon ausgebucht sind? Warum sollten Bauherren ihre Häuser mit Sensorik oder Aktorik ausstatten, wenn sich die Immobilie auch ohne prächtig vermietet oder verkauft? Auch viele Facility Management-Dienstleister erkennen den Wert ihrer Position als Bindeglied zwischen Objekteigentümer und Nutzer noch nicht. Geschweige denn von ungehobenen Datenschätzen, die bislang bei den diversen Akteuren vor sich hinschlummern. Was Big Data angeht, liegt die Herausforderung ohnehin zunächst darin, noch immer sehr heterogene immobilienwirtschaftliche Daten historisch unterschiedlicher Herkunft, Art, Format und Pflegezustand sinnvoll zusammenzuführen. Kreativität freisetzen und neue Wege gehen Langfristig ist sicher: Wer sich von diesen Flaschenhälsen des Innovationsansporns bremsen lässt und nur an alten Geschäftsmodellen und Prozessen festklammert, sie nicht kritisch hinterfragt, der verliert. Das eine tun, ohne das andere zu lassen, ist das Gebot der Stunde. Das beinhaltet, heute ertragreiche Wege weiterzuverfolgen und gleichzeitig neue Wege zu gehen, auch wenn deren Pfad noch ungewiss ist. Zusätzlich zum Brot- und Buttergeschäft gilt es also, Krea-

tivität freizusetzen, um für Kunden innovative, digitale Leistungsangebote zu schaffen. Für Unternehmen heißt das, als ersten Schritt ein erfolgreiches Change-Management zu etablieren. Weitere Schlagworte sind flexible IT-Systeme, offene Unternehmenskultur, neue Arbeitswelten und das Denken aus der Nutzerperspektive. Vorstellungskraft und Vernetzung Und auch hier spielt das Konzept der Vernetzung, und nicht nur der digitalen, eine entscheidende Rolle. Am Campus der RWTH Aachen, einer Art Silicon Valley für intelligente Gebäude, kooperiert Drees & Sommer mit kompetenten Partnern aus Industrie, Forschung und Lehre, um gemeinsam Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz, Smart Commercial Buildings oder Konzepte für die Blue City, also die digitale und zugleich nachhaltige Stadt der Zukunft, voranzutreiben. Zunehmend wichtig wird auch die Zusammenarbeit mit vielversprechenden Start-ups, die ungewöhnliche Ansätze und eine enorme Vorstellungskraft für Lösungen einbringen. Wer hätte sich vor 15 Jahren vorstellen können, dass ein Kunde sein Auto im Internet von A bis Z selbst individuell konfiguriert, bestellt und es dann in einem überschaubaren Zeitraum lieferbar ist? Das wird im übertragenen Sinne auch die Zukunft für Gebäude sein. Steffen Szeidl


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rechts Die Brüder Ansgar (links) und Benedikt (rechts) Schulz leiten zukünftig gemeinsam den Lehrstuhl Entwerfen und Konstruieren an der Architekturfakultät der TU Dresden

GROSSER DAI PREIS FÜR BAUKULTUR 2018 Der DAI verleiht in diesem Jahr turnusgemäß den Großen DAI Preis für Baukultur. Erhalten werden ihn die beiden Architekten Ansgar und Benedikt Schulz. Die beiden Brüder führen seit 1992 gemeinsam das Büro Schulz und Schulz mit Sitz in Leipzig. Die Redaktion sprach mit den Preisträgern. Ansgar und Benedikt Schulz, Sie sind beide in Witten/ Ruhr geboren und haben Ihr gemeinsames Büro in Leipzig gegründet. Was hat Sie nach Leipzig geführt? Benedikt Schulz: Der Wettbewerb für die Umgestaltung des Leipziger Hauptbahnhofes hat uns 1994 zum ersten Mal in die Stadt geführt. Die Dynamik, ausgelöst durch die starke Bautätigkeit in der Nachwendezeit, hat uns begeistert. Als wir für unsere Arbeit zum Hauptbahnhofwettbewerb dann auch noch mit dem 2. Preis ausgezeichnet wurden, war für uns klar, das ist unsere Stadt. Leben Sie gerne in Leipzig? Was macht Ihrer Ansicht nach die Lebensqualität in dieser Stadt aus? Ansgar Schulz: Wir sind seit über 25 Jahren Wahl-Leipziger, leben mit unseren Familien hier. Unsere Kinder sind in Leipzig geboren und aufgewachsen. Die „Bürgerstadt“ Leipzig hat uns begeistert – die Weltoffenheit und das Engagement, mit denen die Bürger das Leben der Stadt bestimmen. Leipzig gilt als das neue Berlin. In welchen Bereichen kommt dies zum Ausdruck? Ansgar Schulz: Die Zahl der Rollkoffer nimmt stetig zu. Darüber hinaus gibt es ideale Bedingungen für eine junge kreative Szene.

Sie sind beide in mehreren berufsständischen Verbänden tätig und leiten seit 2010 gemeinsam den Lehrstuhl Baukonstruktion an der Fakultät Architektur und Bauingenieurwesen der TU Dortmund. Wie wirkt sich diese Vielfalt Ihres Engagements auf die Arbeit in Ihrem Büro aus? Benedikt Schulz: Es geht sogar noch einen Schritt weiter, zum Wintersemester 2018/19 wechseln wir von der TU Dortmund an die Architekturfakultät der TU Dresden und leiten dort gemeinsam den Lehrstuhl Entwerfen und Konstruieren. Stillstand ist für uns wie ein Rückschritt. Leben bedeutet in Bewegung sein, und hierfür ist ein gutes Netzwerk der beste Antrieb. 2015 wurde die Katholische Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig fertig gestellt. Es war Ihnen als Architekten wichtig, sie aus dem Organismus der umgebenden Stadt heraus zu entwickeln. Was bedeutet das? Benedikt Schulz: Uns geht es dabei um eine gewisse Selbstverständlichkeit der Architektur. Am einfachsten lässt sich das mit einem Zitat des Leipziger Kult-Journalisten Jens Rometsch veranschaulichen. Er hat am 2.4.2016 in der Leipziger Volkszeitung geschrieben: „(…) Für die Propsteikirche liegt das Richtfest indes erst zwei Jahre zurück. Doch wer nunmehr auf den Leuschnerplatz einbiegt, glaubt, die Kirche würde schon immer dort stehen. Vielleicht die höchste Weihe für die Architekten.“

Welchen Ort mögen Sie besonders in Leipzig? Ansgar Schulz: Ein Lieblingsort ist der Leipziger Südplatz. Da haben Sie das alte Zollhäuschen vom Killywilly, die schäbige Apotheke gegenüber, die schon sanierten Gründerzeithäuser. Hier pulsiert das urbane Leben, und im Sommer sehen Sie gar nicht mehr den Unterschied zwischen Bürgersteig und Straße. Hinzu kommt die bauliche Anlage des Platzes, der sich in Richtung Süden ganz leicht öffnet, und am Ende steht eine wunderschöne Gründerzeitfassade. Das kann man eigentlich gar nicht schöner machen.

Ebenfalls in Leipzig entstand das Büro- und Geschäftshaus TRIAS. Inwiefern nimmt das Gebäude Bezug auf den historischen Bestand in seiner Nachbarschaft? Ansgar Schulz: Die Anleihen an das historistische Ensemble des Neuen Rathauses gibt es nur bei den Fassadendetails. Mit seiner Kubatur übertreibt der Neubau hingegen ganz bewusst. In Anlehnung an die großspurige Architektur des Leipziger Hauptbahnhofs oder der Neuen Messe haben wir ein dynamisches Haus entwickelt, das sich an den europäischen Metropolen – wie etwa Madrid – orientiert.


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Sporthalle der Franz-Mehring-Schule in Leipzig, 2009–2011

Das neue Schalke in Gelsenkirchen, 2018–2021

In welchen Punkten spiegelt die Sporthalle der FranzMehring-Schule in Leipzig die verdichteten Parameter der Bauaufgabe wider?

auf das Klima. Und so fokussiert der Einsatz der monetären Mittel auf einen reibungslosen Forschungsbetrieb. Das ideale Labor mit 3,6 x 3,6 x 7,2 m bildet hierfür die konzeptionelle Basis und ist modulartig gereiht und gestapelt. Der modulare Aufbau ermöglicht wiederum einen hohen, kostengünstigen Vorfertigungsgrad der „baulichen Hülle“, die im Ergebnis lediglich 37 % der Bauwerkskosten beansprucht. Prägnanter Abschluss ist ein Freiluftlabor auf dem Dach, welches das weltweit einzigartige Forschungsprofil des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung abbildet.

Benedikt Schulz: Bei dem Ersatzneubau für die Sporthalle der Franz-Mehring-Schule geht es um die Reduktion auf das Wesentliche, die in einer noblen Sparsamkeit zum Ausdruck kommt. Den begrenzten Mitteln aus dem Konjunkturpaket II stehen ein größtmögliches Raumprogramm, hohe energetische Anforderungen und ein minimaler Freiflächenverbrauch gegenüber. Für die Sonderlabore der Universität Leipzig ergaben sich hohe Sicherheitsanforderungen innerhalb des Gebäudes. Wie sehr hat dieser Umstand den Entwurf geprägt?

Was prägt das neue Schalke, den Umbau des Vereinsgeländes in Gelsenkirchen, den Ihr Büro derzeit plant?

Ansgar Schulz: Die Kunst bestand darin, für ein Haus ohne Eingang im denkmalgeschützten gründerzeitlichen Kontext eine hochwertige Fassade zu entwickeln, die sich selbstverständlich in das Quartier einfügt und dabei zugleich einen eigenständigen Beitrag formuliert.

Benedikt Schulz: Das neue Schalke bildet die ganze „Schalke-Familie“ an einem überschaubaren und erlebnisreichen Ort ab, der durch die einzigartige Kombination von Alltag (Training) und Festtag (Spieltag) geprägt ist. Über die funktionale Neuordnung hinaus geht es vor allem darum, die gesamte Bandbreite des Vereinslebens und die hiermit verbundenen Emotionen abzubilden.

Das Gebäude mit dem wunderbaren Namen „Wolkenlabor“ spiegelt seinen Einsatz als bauliche Hülle für ein Großgerät wider, mit dem die Wolkenbildung unter realitätsnahen Bedingungen simuliert werden kann. Was heißt das?

Sie sind beide seit 1990 Mitglied des Fußballclubs Schalke 04. Hier ersetzt seit 2017/2018 Domenico Tedesco den vorherigen Trainer Markus Weinzierl. Er ist mit 31 Jahren der jüngste Trainer der Schalker Vereinsgeschichte. Hätten Sie das auch so entschieden?

Benedikt Schulz: Das Wolkenlabor ist sichtbarer Ausdruck einer hoch technisierten Maschine, bei der sich alles um die Beherrschung der Wolke im Reagenzglas dreht. Die Einzigartigkeit der Versuchsanordnung des Wolkensimulators gibt dem Gebäude sein eigenständiges Erscheinungsbild. Im Zentrum des Neubaus steht ein 16 m hoher Turm für die Versuchsanordnung des Wolkensimulators. Die peripheren Labor- und Büroräume sind als Basis der Wissenschaftler eingeschossig um den Turm angeordnet.

Ansgar Schulz: Ja, warum nicht. Das Alter spielt doch letztendlich keine Rolle, die Qualifikation ist entscheidend. Und wenngleich Domenico Tedesco noch keine langjährigen Erfahrungen als Cheftrainer eines international renommierten Top-Clubs vorweisen kann, hat er sich als gewissenhafter Nerd im Automobilbau bewiesen. Wer störende Einflüsse auf die Windgeräusche an Frontscheiben von Automobilen bei Tempo 200 km/h strategisch auslesen und abstellen kann, hat auch das Zeug, das Zusammenspiel und die Strategie einer Fußballmannschaft auf Erfolg zu programmieren. Darüber hinaus hat er Stil und Sinn für gutes Essen, das ist mir überaus sympathisch.

Unter welchen Prämissen entstand der Entwurf für das Laborgebäude des Instituts für Troposphärenforschung in Leipzig? Benedikt Schulz: Das Laborgebäude ist eine hocheffiziente Forschungsmaschine für die Analyse und das Modelling von Aerosol- und Wolkenbildung sowie deren Wechselwirkungen

Gibt es auch Dinge, die Sie nicht gemeinsam unternehmen? Benedikt Schulz: Wir sind mit verschiedenen Frauen liiert.


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Blick auf die Leipziger Innenstadt von Südwesten (Foto: Andreas Schmidt)

MESSESTADT MIT TRADITION Es ist eine bewegte Geschichte, auf die die Stadt Leipzig zurückblickt. Bereits im 7. Jahrhundert siedelten sich hier Sorben an. Sie begründeten einen Handelsstützpunkt, dem sie den Namen Lipzk, „Ort bei den Linden“, gaben. Um 1165 erhielt Leipzig das Stadtrecht und Marktprivilegien und entwickelte sich schnell zu einer bedeutenden Handelsstadt. Die Verleihung des kaiserlichen Messeprivilegs durch Maximilian I. machte Leipzig 1497 zu einer Messestadt von europäischem Rang. Die erste Mustermesse der Welt wurde 1895 ebenfalls in Leipzig ausgerichtet, ein Ereignis, welches der Stadt bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs eine führende Position im internationalen Messewesen einbrachte. Die jüngste Etappe in Leipzigs Messegeschichte begann 1996 mit der Eröffnung des neuen Messegeländes im Norden der Stadt.

Durchhöfe und Durchhäuser Die Leipziger Innenstadt ist von einem einzigartigen, geschlossenen System von Passagen und Durchhöfen durchzogen. Bemerkenswert sind dabei die verschiedenen historischen Formen. So boten Durchhöfe die Möglichkeit, Waren besonders während der Messezeiten schnell verladen zu können, ohne den Wagen wenden zu müssen. Ein weiterer Vorteil waren die kurzen Wege zwischen zwei Gebäudereihen. Ein Beispiel für diese Bauweise stellt heute noch Kretschmanns

Kretschmanns Hof, errichtet 1910–1912 durch den Architekten Max Fricke (Foto: Stadtbau AG, Leipzig)

Barthels Hof, errichtet 1747–1750 durch den Architekten Georg Werner für den Kaufmann Gottlieb Barthel (Foto: Stefan W. Krieg-von Hößlin)


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Städtisches Kaufhaus, errichtet 1894–1901 durch die Stadtbauräte Hugo Licht und Otto Wilhelm Scharenberg (Foto: Stefan W. Krieg-von Hößlin)

Höfe am Brühl, errichtet 2007-2012 nach Plänen von Grüntuch Ernst Architekten BDA (Foto: www.emco-bau)

Hof dar. Im Unterschied zum Durchhof, der verschiedene Gebäude miteinander verband, besaß das Durchhaus des 18. Jahrhunderts einen einheitlichen Stil und eine geschlossene Gestalt. Die logistischen und ökonomischen Vorteile der Durchhöfe blieben jedoch erhalten. Im Erdgeschoss befanden sich meist Läden und Gewölbe, im ersten Stock Wohnräume und darüber die Warenlager. Von diesem Bautypus blieb in Leipzig nur der Barthels Hof erhalten, der Mitte der 1990er Jahre umfassend saniert geworden ist.

Ambiente an. Ob Steibs Hof, Zentralmessepalast, Stenzlers Hof oder Jägerhof – die Bauten beeindrucken noch heute mit ihrer Pracht und Monumentalität. Allein in der Leipziger Innenstadt entstanden zwischen 1893 und 1938 insgesamt 30 Messehäuser, die im Innern sehr funktional mit Aufzügen und Pförtnerlogen eingerichtet waren. Zu Leipzigs „MesseBlütezeit” 1927 waren 50 Messehäuser in Betrieb.

Messehäuser und Passagen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in Leipzig zahlreiche Messehäuser. Diese Gebäude erschlossen Grundstücke und Räume, die ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten. So wurden z. B. Specks Hof oder die Mädler Passage anstelle einer größeren Anzahl älterer Bauten errichtet. Das Beispiel des Städtischen Kaufhauses zeigt, dass die Messehäuser oft sogar ganze Straßenblöcke umschlossen. Diese Architektur war auf die Anforderungen der neuen Mustermessen zugeschnitten. Wurden zuvor alle Waren nach Leipzig herangeschafft, verladen und während der Messen verkauft, führten die Geschäftsleute Ende des 19. Jahrhunderts nur noch Warenmuster vor. Dabei kam es auf eine möglichst effektvolle Präsentation in einem ansprechenden

Neue Konzepte Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 legte die Stadt Leipzig besonderen Wert darauf, dass die zu DDR-Zeiten teilweise völlig verfallenen Bauten eine dem Denkmalschutz entsprechende Sanierung erhielten. Mit der Entwicklung eines neuen Messekonzeptes und der Verlegung der Leipziger Messe 1996 auf das neuerbaute Messegelände verloren die innerstädtischen Messehäuser ihre eigentliche Funktion. In die ehemaligen Ausstellungsräume zogen Museen, Galerien, Gastronomie, Geschäfte und Büros ein. Aber auch neue Passagen wurden gebaut, z. B. die Höfe am Brühl, der Petersbogen, der Strohsack oder die Brühl-Arkade. Sie tragen mit ihrem modernen Charme ebenfalls zur Attraktivität der Innenstadt bei. Leipzig Tourismus und Marketing GmbH

GRÜNDERZEIT IN LEIPZIG Leipzig besitzt innerhalb von Deutschland den quantitativ und qualitativ größten Reichtum an Bauten der Gründerzeit und des Jugendstils. Nach der Wende waren von den 257.000 Wohnungen ca. 196.000 sanierungsbedürftig, davon 103.000 aus der Gründerzeit. Trotz Wohnungsmangels in DDR-Zeiten waren rund 25.000 Altbauwohnungen unbewohnbar und standen leer. Inzwischen sind über 80 % aller Wohnungen aus der Gründerzeit vollständig saniert. Aus grauen Stadtvierteln sind attraktive und lebendige Wohnviertel geworden. Der Reichtum stadtbildprägender Gründerzeitarchitektur liegt im erstaunlichen Wachstum der Stadt zwischen 1871 und 1914 begründet, bei dem die Einwohnerzahl von ca. 100.000 auf ca. 625.000 anwuchs. Im daraus resultierenden Bauboom entstand neben ausgedehnten Wohngebieten und Villenvierteln auch eine völlig neue Infrastruktur: Kirchen, Rathäuser, Postämter, Banken und Krankenhäuser. Zu

den architektonischen Leitbauten dieser Zeit gehören u. a. das Neue Rathaus, das ehemalige Reichsgericht (heute Bundesverwaltungsgericht) und die Universitätsbibliothek. Der eigentliche Aufschwung der Großindustrie setzte um 1865 ein, nachdem 1861 die hemmende Zunftordnung abgeschafft und in Sachsen 1862 die Gewerbefreiheit eingeführt worden war. Große Impulse zur Industrialisierung gingen


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Blick vom Turm des Neuen Rathauses in Richtung Südstadt (Foto: Stadt Leipzig)

von Privatpersonen und Aktien- bzw. Terraingesellschaften aus. Mit den Zuwanderungsströmen durch die Industrialisierung stieg die Nachfrage nach Wohnungen. Die Antwort der sog. Gründerzeit waren einheitliche Bebauungspläne und privatwirtschaftlicher Mietshausbau. In Privatinitiative des Verlegers Herrmann Meyer (Duden, Brehms Tierleben) entstanden seit 1888 zur Linderung der Wohnungsnot bei den einkommenschwächeren Schichten 4 Wohnanlagen der „Meyer’schen Häuser“ mit zusammen 2.367 Wohnungen als eine der größten Stiftungen dieser Art in Deutschland. Die Gesetzgebung von 1889 machte es für Versicherungen attraktiv, in Genossenschaften zu investieren, und leitete damit einen Boom dieser Art des Wohnungsbaus ein. Bis 1929 wurden ca. 30 Baugenossenschaften gegründet. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm die Kommune für die vielen Wohnungslosen den Part des Bauherrn. Es entstanden kleine, funktionale Wohnungen, einheitlich große, schlichte Gebäudekomplexe sowie Gemeinschaftseinrichtungen wie Waschhäuser und Grünanlagen. Glücklicherweise brachte der Zweite Weltkrieg Leipzig nicht so große Zerstörungen wie anderen Großstädten. Die Nachkriegszeit war durch Vernachlässigung der erhaltenen Bestände gekennzeichnet, selten gab es Flächenabrisse. Heute sind ehemals großbürgerliche Wohnviertel, z. B. in der Südvorstadt, im Musikviertel und im Waldstraßenviertel flächenhaft saniert. Die Altbaubestände in Connewitz, Plagwitz und Reudnitz haben sich zu bevorzugten Wohnstandorten entwickelt. Die gründerzeitlichen Wohnquartiere liegen zentrumsnah und sind fast alle vom Auenwald und großen Landschaftsparks umgeben. In guten Lagen übertrifft heute die Nachfrage das Angebot.

Doch das war nicht immer so. Nach der deutschen Wiedervereinigung zogen viele Leipziger fort, sodass die Stadt Ende der 1990er Jahre nur noch 437.000 Einwohner zählte. Durch den hohen Wohnungsleerstand und den Wegfall der Sonderabschreibungen sanken die Preise und Mieten auf ein niedriges Niveau. Heute gilt Leipzig als Zentrum der mitteldeutschen Wirtschaftsregion mit hervorragenden Perspektiven. Kein Wunder, dass auch international agierende Investoren und private Anleger die Stadt für sich entdeckt haben. Leipzig Tourismus und Marketing GmbH unten Plagwitz mit Blick auf die Buntgarnwerke und gründerzeitlichen wie zeitgenössischen Wohnungsbestand (Foto: Andreas Schmidt)


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Bundesverwaltungsgericht (Foto: Stefan W. Krieg-von Hößlin)

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Neues Rathaus (Foto: Stefan W. Krieg-von Hößlin)

KULTURMETROPOLE LEIPZIG Mit rund 600.000 Einwohnern präsentiert sich Leipzig heute als dynamische Wirtschafts- und Kulturmetropole in Mitteldeutschland. Allein zwischen Ende 2014 und Ende Februar 2016 nahm die Bevölkerungszahl um über 18.000 Einwohner zu. Damit gilt Leipzig als die am schnellsten wachsende Großstadt Deutschlands. Lebendige Innenstadt Eine Vielzahl an Sehenswürdigkeiten erschließt sich Leipzigs Besuchern schon beim Spaziergang durch die Innenstadt. Am Markt steht das Alte Rathaus, eines der eindrucksvollsten Renaissancebauwerke in Deutschland, errichtet 1556/57 unter dem Bürgermeister Hieronymus Lotter; heute ist darin das Stadtgeschichtliche Museum mit u. a. einem Stadtmodell von 1823 zu besichtigen. Auf der Rückseite befinden sich die Alte Handelsbörse als erster Barockbau der Stadt und das Goethedenkmal. Goethe verbrachte in Leipzig seine Studentenjahre und nannte die Stadt liebevoll sein „KleinParis“. In der Mädler-Passage ist der Zugang zu Auerbachs Keller, in dem seit 1525 Wein ausgeschenkt wird. Goethe hat ihm im „Faust“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Im CaféRestaurant Zum Arabischen Coffe Baum, einem der ältesten „Kaffee-Tempel“ Europas (seit 1720 durchgängig betrieben), war einst Robert Schumann Stammgast. Das Museum im

unten Altes Rathaus (Foto: Andreas Schmidt)

Haus beherbergt eine Ausstellung zur Geschichte des Kaffees und der „Kaffee-Sachsen“. Die Nikolaikirche als älteste und größte Kirche der Leipziger Innenstadt beeindruckt durch die klassizistische Umgestaltung des spätgotischen Hallenraumes und ist seit 1989 auch als Ausgangspunkt der „Friedlichen Revolution“ bekannt. Hier fanden die Friedensgebete statt, aus denen sich die Montagsdemonstrationen entwickelten, die zum Auslöser einer Entwicklung wurden, die schließlich zur Einheit Deutschlands führte. Musikerleben In der Thomaskirche wirkte Johann Sebastian Bach 27 Jahre lang als Thomaskantor. Sein Grab befindet sich im Altarraum der Kirche. Das Bachmuseum liegt direkt gegenüber der Thomaskirche. Das Mendelssohn-Haus ist als letzter Wohnsitz von Felix Mendelssohn Bartholdy das weltweit einzige Mendelssohn-Museum. An Robert und Clara Schumann wird im

unten Alte Handelsbörse (Foto: Andreas Schmidt)


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Thomaskirche (Foto: Stefan W. Krieg-von Hößlin)

Nikolaikirche (Foto: Andreas Schmidt)

Schumann-Haus erinnert. Um die Leipziger Musikgeschichte erlebbar zu machen, führt die sog. Notenspur durch die Stadt. 155 im Pflaster eingelassene Metallintarsien verbinden auf einem Rundweg die Wohn- und Wirkungsstätten der Komponisten und die Leipziger Musikgeschichte.

Museumslandschaft Das Grassimuseum am Johannisplatz wurde 1925–1929 errichtet. Während des Zweiten Weltkriegs schwer zerstört, erfolgte der Wiederaufbau zunächst nur provisorisch, bis es 2001–2005 nach Plänen des Leipziger Architekturbüros Ilg Friebe Nauber grundlegend saniert wurde. Heute beherbergt es die Museen für Angewandte Kunst, Völkerkunde und Musikinstrumente. Das 2004 nach Plänen der Berliner Architekten Hufnagel Pütz Rafaelian fertig gestellte Museum der bildenden Künste besitzt eine der bedeutendsten Kunstsammlungen Mitteldeutschlands. Kunst der Gegenwart und aktuelle Tendenzen können in der 1998 eröffneten Galerie für Zeitgenössische Kunst und der Kunsthalle der Sparkasse Leipzig betrachtet werden. „Kunstinseln” der besonderen Art stellen die Leipziger Baumwollspinnerei, das Tapetenwerk und das Kunstkraftwerk dar. In den Räumen dieser alten Industriebauten befinden sich Ateliers, Galerien und repräsentative Ausstellungshallen. Leipzig Tourismus und Marketing GmbH

oben Schumannhaus (Foto: Andreas Schmidt) unten Grassimuseum (Foto: Andreas Schmidt)

unten Kunstkraftwerk: Messe und Ausstellung „Echt Alt“ (Foto: Dotgain)


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SPECKS HOF Specks Hof zählt zu den wichtigen historischen Messehöfen der Leipziger Innenstadt. Er wurde zwischen 1908 und 1928 in verschiedenen Bauabschnitten von dem Kaufmann Paul Schmutzler errichtet. Die Sanierung und Rekonstruktion erfolgten 1995 durch RKW Architektur +. Die in Teilen erhaltene, kunstvolle Ausstattung der Passagen, Lichthöfe und Treppenhäuser bestimmt den Charakter des Hauses und war Grundlage für die Sanierung und Rekonstruktion. Deren Ziel war die Wiederherstellung der ursprünglichen architektonischen und funktionalen Qualitäten des Messehofes als urbaner, lebendiger Ort der Leipziger Innenstadt. Die Planung orientierte sich dabei eng an der historischen Bedeutung des Messehofes. Für die Sanierung erhielten RKW Architekten den Special MIPIM Jury Award 1996 und den 1. Preis beim Wettbewerb Refurbished Office Building 1996. Fotos: RKW Architektur +

KROCHHOCHHAUS Das Krochhochhaus ist das erste in Leipzig errichtete Hochhaus. Es wurde 1927/28 von dem Architekten German Bestelmeyer als Bankgebäude des jüdischen Bankiers Hans Kroch in Anlehnung an den Torre dell‘ Orologio am Markusplatz in Venedig erbaut. Die im Jahr 2009 durchgeführte Sanierung stammt von RKW Architektur +. Das rund 45 m hohe Gebäude mit 11 Stockwerken ist ein schlichter, mit Muschelkalk verkleideter Stahlbetonbau, auf dessen Dach zwei kupferne Glockenmänner die Uhrzeit an drei großen Glocken schlagen. Die Bauaufgabe umfasste die Sanierung und Modernisierung der durch die Universität genutzten Etagen: Die oberen Etagen umfassen das Altorientalische Institut, die Freihandbibliothek, das Fachsprachenzentrum sowie Musikübungsräume, ein Fotolabor und Restaurierungswerkstätten der Universität. In den unteren drei Ebenen mit der historischen Schalterhalle der Bank, dem Direktorenzimmer und den aufwändig gestalteten Bankräumen zog das Ägyptische Museum ein. Eine enge Abstimmung mit dem Denkmalschutz der Stadt Leipzig war bei der Sanierungsplanung ebenso wichtig wie eine hohe Sensibilität und gut organisierte Logistik. Schließlich galt es, aufgrund der zentralen Lage am Augustusplatz und der vielschichtigen Nutzungen stets den öffentlichen Besucherverkehr und die auch während der Bauphase weiter genutzten Läden und die Gastronomie der Theaterpassage zu berücksichtigen. RKW Architektur + Fotos: Gunter Binsack

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links Mit dem Umbau und der Sanierung des Buchgewerbehauses werden ein wichtiges Stück Leipziger Geschichte und die einstige Bedeutung des Buchgewerbes aufgezeigt

REVITALISIERUNG DES BUCHGEWERBEHAUSES Bei dem immensen Bedarf an neu zu schaffendem Wohnraum war es nur eine Frage der Zeit, dass auch das gründerzeitliche Deutsche Buchgewerbehaus und spätere Bugra-Messehaus – ähnlich wie zahlreiche leerstehende historische Gebäude in Leipzig – eine Revitalisierung erfahren würde. Eine Gründerzeit 2.0 gewissermaßen. Historie Lange Zeit lang war das ehemals prachtvolle Gebäude im zentrumsnahen Graphischen Viertel dem Verfall preisgegeben. Einst vom Dachverband des Deutschen Buchgewerbevereins mit repräsentativen Bibliotheken und Ausbildungsräumen errichtet, wurde es im Zweiten Weltkrieg beschädigt und in der Folgezeit nur noch interimsweise genutzt. Denkmalgerechte Sanierung Über 50 Mio. Euro investierte der Leipziger Projektentwickler Hildebrand & Partner in die Sanierung des Ensembles und den angrenzenden Schiemi-

chen-Bau. Die Herausforderung bestand darin, das Gebäude und insbesondere die komplette Dachlandschaft denkmalgerecht zu sanieren und unter Berücksichtigung denkmalschutzrechtlicher Vorgaben soweit wie möglich auf den heutigen Stand der Technik zu bringen. So wurden u. a. die sehr aufwändigen und zahlreichen Sandsteinverzierungen originalgetreu saniert und die entstehenden Wohn- und Gewerbeeinheiten mit der historischen Fassade in Einklang gebracht. Auch mussten Nachkriegsauf- und anbauten, die dem Denkmal nicht gerecht wurden, behutsam unter Wahrung der historischen Substanz zurückgebaut werden.

Planungsbeteiligte Der verantwortlich zeichnende Architekt Stefan Zech-Osberghaus entwarf u. a. Loggien und Ausblicke innerhalb der Dächer. Im Untergeschoss wurde die Fernwärmezentrale für das Gesamtensemble eingerichtet. Das Ingenieurbüro Morgenstern, federführend für die Tragwerksplanung, begleitete das Gesamtprojekt von der komplexen Dachstuhlgeometrie bis in die Fundamente. Die zum Teil großformatigen historischen Rundbögen wurden in Stahlbeton ergänzt und mit einem Wärmedämmsystem sowie mit Sandstein und Klinker verkleidet. Um die intensiveren Lasten aufzunehmen, wurden die vorhandenen tragenden Guss-Stützen mit Stahlbeton ummantelt, eine Lösung, die gleichzeitig die Anforderungen des Brandschutzes erfüllte. Igor Piniek

links In enger Abstimmung mit der Denkmalpflege wurde die komplette Dachlandschaft wiederhergestellt


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AUFSTOCKUNG EINES KONTORHAUSES Bei der Aufstockung eines gründerzeitlichen Industriedenkmals in Leipzig durch Knoche Architekten wurde der architektonische Ausdruck des Bestandes zum Leitmotiv für eine dennoch sehr eigenständige Ergänzung. Das Projekt wurde mit dem Architekturpreis der Stadt Leipzig 2017 ausgezeichnet. Bestand Das aus Souterrain, Hochparterre und Obergeschoss bestehende Gebäude wurde 1896 als Celluloid-Fabrik an der Ecke Holbeinstraße/Stieglitzstraße in massiver Bauweise mit tragenden Innen- und Außenwänden errichtet. Die Fassaden zur Straße sind durch regelmäßig angeordnete Holzfenster strukturiert. Die Fenster auf den beiden Hofseiten sind unregelmäßig angeordnet. Bei der Fassadenverkleidung handelt es sich um eine stark reliefartige, zweifarbige Ziegelvorsatzschale. Sie ist ungedämmt. Das Gebäude ist als Industriedenkmal in die Landesdenkmalliste eingetragen und wird als Bürogebäude genutzt. Sanierung und Aufstockung Der Bestand wurde saniert und um ein Geschoss für zwei Wohneinheiten aufgestockt. Die Grundkonstruktion ist als Massivbau mit Ziegelmontagedecken und Mauerwerkswänden konstruiert, wobei die Lasten über Stahlträger in die tragenden Außen- und Innenwände eingeleitet werden. Die unregelmäßig angeordneten Fenster nehmen die vertikalen Kanten der Bestandsfenster auf. Das Dach ist als Flachdach ausgebildet. Eine Stahlkonstruktion ersetzt das bestehende Holztreppenhaus. Gleichzeitig wurde ein Personenaufzug zur barrierefreien Erschließung aller Ebenen eingebaut.

Äußere Gestaltung Die Aufstockung ergänzt den massiven Bestand durch ein ebenfalls massives Volumen, das die bestehende Gebäudekontur ohne Rücksprung übernimmt. So entsteht eine städtebaulich markante Kubatur, in der die Aufstockung ablesbar bleibt, aber die wesentlichen Elemente aus dem Bestand aufgreift und weiterführt. Auf Vorsprünge oder Balkone wurde verzichtet. Die kleine Wohnung erhielt stattdessen eine eingeschnittene Loggia, die große Wohnung einen innenliegenden Patio. Im Bereich des Dachrandes wird die horizontale Gliederung des Bestandes aufgegriffen, während die Außenwände mit ihren handwerklich ausgeführten, horizontal reliefartigen Putzflächen die Rauheit des Ziegelmauerwerks neu formulieren. Innere Struktur Die seitliche Lage des bestehenden Haupteingangs und des Treppenhauses bestimmen die Struktur und Erschließung der beiden neuen Wohnungen. Hier sind jeweils um die Loggia bzw. den Patio großzügige Wohn- und Aufenthaltsbereiche gruppiert, während die Schlaf- und Nebenräume peripher liegen und enger geschnitten sind. Christian Knoche Fotos: Roland Halbe

oben und unten Anstelle von Balkonen erhielten die Wohnungen innenliegende Freibereiche

unten Im sanierten Altbaubestand ist ein Architekturbüro untergebracht


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links Der behutsame Umgang mit den Architekturstilen verschiedener Epochen im Kontext zeitgenössischer Implantate spiegelt den Respekt vor der langen Tradition des Thomanerchores

BILDUNGSCAMPUS FORUM THOMANUM Mit dem zum Hort umgebauten ehemaligen Gemeindehaus der Lutherkirche und dem Neubau der Grundschule vervollständigten W&V Architekten den Bildungscampus forum thomanum im Bachviertel der Bachstadt Leipzig. Hier wird der Nachwuchs für einen ihrer bedeutungsvollsten Repräsentanten, den Thomanerchor, ausgebildet. Das Projekt wurde mit dem Architekturpreis der Stadt Leipzig 2017 ausgezeichnet. Grundschule Die Schule ist als kompaktes, minimales Volumen auf dem städtebaulichen Abdruck der ehemaligen anglikanischen Kirche platziert. Die erdgeschossige Transparenz der Komposition aus Schulneubau und Verbindungshalle wird als eine Geste gelesen, welche diese Bauteile vom Erdboden enthebt. Es werden verschieden artikulierte Höfe generiert, Schulhof und Schulgarten, die der Maßstäblichkeit des Campusgeländes angemessen sind. Der

Hauptzugang zum Schulgelände erfolgt über den Schulhof durch die verbliebene Außenwand des im Krieg zerstörten Pfarrhauses.

lität des einfachen Schultypus, während Farbigkeit und klassische Eleganz beider Gebäude die gestaltete Einheit verkörpern.

Hort Das um eine Etage aufgestockte ehemalige Gemeindehaus der Lutherkirche beherbergt die Horträume. Formensprache und Ornamentik der Gründerzeit sind direkte Nachbarn der klaren Struktur und der zeitgenössischen, regional inspirierten Materia-

Fassaden Wenige Materialien in ortsgerechter, handwerkertauglicher Konstruktion prägen die Oberflächen. Die vertikal gebürstete Putzstruktur der Fassaden steigert als „Ge-Wand“ die Plastizität der Gebäudegruppe. Umlaufende Glasfassaden als Pfosten-Riegel-Konstruktion im Erdgeschoss des Neubaus stellen in sämtlichen Räumen den Bezug zur Umgebung her. Sie ermöglichen über ihr Reflexionsvermögen die Abbildung des angrenzenden Straßenbildes. Innenraumkonzept Die konsequente Grundrissgliederung erhöht im Zusammenspiel mit dem einfachen Farbkonzept die Identifizierbarkeit der Räume. Dadurch wird eine Erleichterung der Orientierung erreicht, mit Blickbezügen in den Campus.

links Die neuen Komponenten fügen sich selbstbewusst, doch zurückhaltend in die gewachsene Umgebung ein


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rechts Als eine Art „leere Leinwand“ sind die Innenräume hochwertig und zurückhaltend gestaltet

In der Schule sind flexibel nutzbare Lernräume entlang der Gebäudehülle um die mehrgeschossige Halle mit zentraler Freitreppe angeordnet. Alle Räume sind miteinander verbunden. Die Gebäude bieten den Kindern in ihrer Unaufdringlichkeit Raum zur Selbstverwirklichung. Die Farben beschränken sich in der Schule weitgehend auf schwarz und weiß. Im Gegensatz zu dieser ruhigen Atmosphäre stellt das differenzierte Raumangebot im Hort mit dezent eingesetzten Pastellfarben den Kindern in der schulfreien Zeit unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten bereit. Gunnar Volkmann Fotos: W&V Architekten

· Es passiert schon einmal, dass wir ein Gebäude unseres Firmengründers Max Pommer - wie hier Oelßner‘s Hof in Leipzig - mit sanieren dürfen, meist sind wir aber deutschlandweit und darüber hinaus tätig.

POMMER Spezialbetonbau GmbH Leipzig steht für eine über hundertjährige Architektur-, Industrie- und Firmengeschichte. POMMER Spezialbetonbau GmbH Leipzig · Saarländer Straße 40 · D - 04179 Leipzig info@pommer-spezialbetonbau.de · www.pommer-spezialbetonbau.de

Spezialbetonbau

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Betonsanierung

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Rissverpressung

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Beschichtungen

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rechts Die Silhouetten von Trinitatiskirche und Neuem Rathaus bilden den Auftakt für die weitere Entwicklung des angrenzenden Stadtraums

KIRCHE ST. TRINITATIS Mit der Weihe am 9.5.2015 endete eine über 70 Jahre andauernde Odyssee der Leipziger Propsteigemeinde nach schwerer Beschädigung und anschließender Sprengung ihrer Kirche im Zweiten Weltkrieg. Ihre dauerhafte Rückkehr in das Zentrum der Stadt manifestiert sich mit dem Neubau der Kirche St. Trinitatis. Im Wettbewerb 2009 wurde der Entwurf von Schulz und Schulz Architekten mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Stadträumliches Konzept In prominenter Lage in direkter Nachbarschaft zum Neuen Rathaus galt es, einen Ort zu definieren, der sich respektvoll einfügt und entlang des Wilhelm-Leuschner-Platzes und des Innenstadtrings eine deutlich wahrnehmbare Kante ausbildet. Mit dem „Ausgießen“ des dreieckigen Grundstücks und der Betonung der gegenüberliegenden Pole von Kirchenraum und -turm spannt sich der Baukörper auf. Zwischen den beiden Hochpunkten ist der Pfarrhof als neuer zentraler Ort für die Begegnung eingeschnitten. Die Silhouetten von Kirche und Rathaus definieren entlang der ansteigenden Topografie des Martin-Luther-Rings eine städtebauliche Torsituation, die den Auftakt für die weitere Entwicklung des angrenzenden Stadtraums markiert. Gebäudekonzept Das nachhaltige Gebäudekonzept spiegelt den Wunsch des Bauherrn nach einem sorgsamen Umgang mit der Schöpfung wider. Basis für den Neubau war der Grundsatz selbstgenügsamen Handelns, der einem ganzheitlichen Umgang mit der Umwelt entspricht. Gewohnte Standards der Langlebigkeit und des Komforts wurden hinterfragt und in Bezug auf die jeweilige Notwendigkeit neu bewertet. Im Fokus standen dabei nicht nur mögliche Einsparungen während der Gebäudenutzung, sondern vielmehr die umfassende Bewertung von der Produktion über den Lebenszyklus bis hin zur Revisionierbarkeit und Entsorgung. Es wurden traditionelle, regionale, nachwachsende und langlebige Materialien in Einklang gebracht und gegenüber einzelnen technischen Hochleistungskomponenten bevorzugt. Damit ist die Kirche mehrdimensionaler, urbaner Lebensraum, der die umgebende Stadt vielfach bereichert, die Artenvielfallt fördert, kulturelle Identität stärkt und mit 76 % den Großteil der für die Nutzung erforderlichen Ressourcen (Strom, Wärme, Wasser) selbst zur Verfügung stellt.

Kirchenraum Die Trinitatiskirche wird von den Elementen Kirchenraum, Pfarrhof, Gemeindezentrum und Kirchturm bestimmt, die im Wesentlichen durch Licht und (Raum-)Höhe geprägt sind. Mit seiner lichten Höhe von 14,5 m ermöglicht der Kirchenraum eine transzendente Raumerfahrung, die ein großes Oberlicht in 22 m Höhe noch verstärkt. Tageslicht unterschiedlicher Intensität bestimmt seine Atmosphäre. Ein weiteres wichtiges Raumelement ist das große ebenerdige Kirchenfenster des Künstlers Falk Haberkorn, das die Kommunikation zwischen Gemeinde und Stadt wie über ein interaktives „Schaufenster“ inszeniert. Dem Fenster im Inneren gegenüberliegend befindet sich die Werktagskapelle. Die Orgel ist dritter „Verkündigungsort“ und deutlich sichtbar auf der Galerie angeordnet. Über den Luftraum erweitert sich der Kirchenraum im Obergeschoss auf die Empore und bietet hier Platz für die Aufstellung des Chors sowie weiterer Kirchenbänke. Er ist in Querrichtung, über die kürzere Raumseite, orientiert und ermöglicht die Anordnung der Gemeinde in einem offenen Circumstantes, dessen optische und szenografische Mitte der Altarraum ist. Auf Abtrennungen gegenüber der Gemeinde wurde verzichtet, was den Altarraum zusätzlich als mehrdimensional bespielbare Fläche für unterschiedliche liturgische Handlungsformen öffnet. Ein leichtes Gefälle vom Eingang zum Altar folgt der Anordnung der Kirchenbänke und erlaubt optimale Sichtbeziehungen. Liturgische Wege Der Altarraum ist über 5 Wege mit dem Portal und dem Taufstein, dem Aufstellort der Madonna, dem Kirchenfenster (der Stadt), dem Tabernakel und der Kapelle verbunden. Diese Wege unterteilen die Bankreihen des offenen Circumstantes in 6 Segmente. Der Einzug in den Kirchenraum erfolgt über das Hauptportal, in dessen Nähe der Taufstein aufgestellt ist, um schon beim Eintritt an das Sakrament der Taufe zu


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oben Die Kirche erhält ihre Präsenz durch den Kirchturm und den hohen Kirchenraum, vor allem aber durch die einladende Offenheit des Pfarrhofs

erinnern. Der Taufstein dient zugleich als zentrales Weihwasserbecken. Gegenüber dem großen Kreuz des Künstlers Jorge Pardo an der Altarrückwand ist ein zweites Kreuz als dessen negativer Abdruck in die große Wandfläche über der Empore eingeschnitten und öffnet den Raum zum Licht der tiefstehenden Westsonne. Besonderes Element ist das große Kirchenfenster, das dem missionarischen Gedanken der Gemeinde entsprechend Neugierde weckt und individuelle Annäherungen erlaubt. Es öffnet und begrenzt den Kirchenraum zugleich, und es dient als gezielt gesetzte Öffnung, als Schnittstelle zwischen profaner und sakraler Welt. Diese hermetische Offenheit des Kirchenraums generiert die von der Gemeinde gewünschte Öffnung und garantiert ein Mindestmaß notwendiger Geschlossenheit, um die wichtige Einkehr, Ruhe und Konzentration zu ermöglichen. unten Mit seiner Hülle aus Rochlitzer Porphyr bekennt sich der Bau zu Region und Tradition

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oben Zwischen den beiden Hochpunkten von Turm und Kirchenraum ist der Pfarrhof als neuer zentraler Ort für die Begegnung eingeschnitten

Fassade Mit der Fassade aus gemauertem Rochlitzer Porphyr führen die Architekten eine Bautradition der Stadt Leipzig (Altes Rathaus) und der Region (Benediktinerkloster zum Heiligen Kreuz in Wechselburg) fort. Die horizontale Schichtung der unterschiedlich hohen Lagen verankert das Gebäude fest mit dem Grundstück und lässt es sinnbildlich aus dem Boden herauswachsen. Durch die Vor- und Rücksprünge in der Schichtung wird die traditionsreiche regionale Baukunst in ein zeitgenössisches eigenständiges Gebäude von besonderem emotionalem Wert überführt. Schulz und Schulz Alle Fotos: Stefan Müller

unten Tageslicht unterschiedlicher Intensität bestimmt die Atmosphäre im Innenraum


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BÜRO- UND GESCHÄFTSHAUS TRIAS Das 2010–2014 realisierte Büro- und Geschäftshaus TRIAS von Schulz und Schulz Architekten ergänzt an prominenter Stelle das Ensemble von Neuem Rathaus und Stadthaus um einen fehlenden Baustein und greift städtebauliche Gestaltungsansätze aus dem Leipziger Generalbebauungsplan von 1929 auf. Städtebauliche Idee Der Neubau bringt Ort und Aufgabe auf konsequente Weise zusammen und greift an der hoch frequentierten Schnittstelle von Innenstadt und Ringstraße Gestaltungsansätze aus dem Generalbebauungsplan des Leipziger Stadtbaurats Hubert Ritter von 1929 und der internationalen Großstadtarchitektur auf, um die Funktion des neuen Büro- und Geschäftshauses prägnant abzubilden. Historische Bezüge und architektonische Anleihen formen dabei eine Architektur, die sich selbstbewusst und bestimmt in die Silhouette der Leipziger Innenstadt einschreibt. Grundstück Als Bestandteil des Ensembles Neues Rathaus entstand das Stadthaus nahe dem Areal der ehemaligen Pleißenburg,

die vom 13.–18. Jhrd. sächsischen Markgrafen als Residenz diente. Im 19. Jhrd. verlor die Burganlage ihre strategische Verteidigungsfunktion für die Stadt und wurde durch den Bau des Neuen Rathauses ersetzt. Das Grundstück an der Nordspitze des Areals blieb bis 2012 durch Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg unbebaut. Die Bauaufgabe sowie die Form und Lage des Grundstücks verlangten nach einer besonderen Antwort, die sich gleichermaßen in den Kontext der historischen Bebauung einfügt und die Entwicklung einer dynamischen Großstadt abbildet. Über die Bezüge auf den benachbarten Bestand hinaus formen vor allem Anleihen auf die Geschichte der Leipziger Stadtentwicklung und der typischen Architektur von Metropolen Ideen zur Lösung der Entwurfsaufgabe.

Generalbebauungsplan von 1929 Besondere Ortsbezüge führten zu Überlegungen des Leipziger Stadtbaurats Hubert Ritter, die er erstmals auf der Internationalen Leipziger Siedlungswoche 1927 in seinem Referat „Zweckmäßige Formen der Citybildung“ formulierte. Neben der funktionellen Erweiterung des Leipziger Stadtzentrums bezog er auch zur aufkommenden Hochhausfrage Stellung. Die formulierte Konzeption der Ringcity zielt auf die Erweiterung des Fassungsvermögens der Altstadt entlang des Innenstadtrings, ohne dabei die historische Bausubstanz selbst zu verdichten bzw. zu überbauen. Wesentlicher Bestandteil des Konzepts war die Errichtung einzelner Turmhäuser, die „als städtebaulich wertvolle Haltepunkte (…) einzelne Abschnitte des Rings wirkungs-


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links Das Gebäude fügt sich selbstbewusst in den Kontext der historischen Bebauung ein und bildet zugleich die Entwicklung einer dynamischen Großstadt ab

rechts Textur und Farbigkeit der Putzfassade stellen Bezüge zur Kalksteinfassade des benachbarten Neuen Rathauses her

voll abschließen. (...) Der Maßstab der Neubauten am Ring wird ein anderer sein als in der alten Stadt. Er wird den gesteigerten Geschwindigkeiten des Verkehrs, dem weiteren Denken und Fühlen der Menschen entsprechen“ (vgl. Topfstedt, 1993). Architektur Vor dem Hintergrund des Ritterschen Generalbebauungsplans für die Leipziger Innenstadt greift der Neubau die wachsende Informations- und Kommunikationsgeschwindigkeit der Gegenwart auf und definiert entlang des westlichen Innenstadtrings einen „wirkungsvollen Haltepunkt“ im Sinne des

Konzepts von Hubert Ritter. Gestalterisches Mittel ist das dynamische Abbild eines markanten Geschäftshauses auf spitz zulaufendem Grundstück, das die historische Ringfassade „aufbricht“ und in die Innenstadt überleitet. Anleihen bot das Edificio Carrión an der Gran Via in Madrid aus dem Jahr 1933 von den Architekten Martínez-Feduchi und Eced y Eced, das als Sinnbild für eine prägnante Großstadtarchitektur Pate stand. Die selbstverständliche Prägnanz des Hochhauses TRIAS resultiert aus der architektonisch sensiblen Bezugnahme auf den historischen Bestand des Neuen Rathauses und Stadthauses.

Die dominierenden Gesims- und Traufhöhen der Altbauten werden aufgenommen und finden in der plastischen Fassadengestaltung des Neubaus Entsprechung. Die Ecke des Blocks wird gegenüber der Nachbarbebauung um drei Geschosse überhöht und erzeugt eine markante Adresse sowie architektonische Eigenständigkeit entlang der „Ringfassade“. Schulz und Schulz Fotos: Roland Halbe

„Besonderes Verhältnis zur Natur“ Neo Rauch, „Erstbesiedler“ des Kunststandortes Baumwollspinnerei, genießt den Blick über die Dachlandschaft Leipzigs auf seiner neuen megawood® Terrasse. Die besondere Haptik des Materials hat ihn überzeugt. Der LDF@VNNCf 6DQJRSNŨ DMSVHBJDKS CTQBG RDHMD RODYH RBGD 9TR@LLDMRDSYTMF DHMD @MFDMDGLD DHMYHF@QSHFD .ADQ £BGD MCDQR @KR ADH ADRBGHBGSDSDM ,@SDQH@KHDM VHQC CHD 5NKKVDQSHF

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links Der auffällige Dachüberstand bietet Sonnenschutz, ist ein kleiner Unterstand bei Regen und fasst den davor liegenden Platz aus rotem Tartan

Robuste Materialien Die Verwendung einfacher robuster Materialien unterstreicht die Alltäglichkeit der Nutzung und schafft eine Optik, die Abnutzung verträgt und altern kann. Hierbei ist das bestimmende Material Holz, das als Dachkonstruktion, Einbaumöbel und Fensterleibungen auftritt. Während die Fenster innen in ihrer Holzoberfläche sichtbar sind, wurden sie außen passend zur Fassadenfarbe farbig beschichtet. Zwischen den Sparren sind weiße Holzwolleplatten angebracht, um die Raumakustik zu verbessern. Der Fußboden aus geschliffenem Sichtestrich ist sehr robust für die stark frequentierende Nutzung. Die Außenwände des Gebäudes sind aus Porenbeton gemauert und verputzt.

SCHULBIBLIOTHEK Die 2014 durch Irlenbusch von Hantelmann Architekten fertig gestellte Schulbibliothek integriert sich zurückhaltend in das historische Ensemble der Friedrich-SchillerSchule in Leipzig, bleibt aber mit seiner schlichten Form und den wenigen markanten Fensteröffnungen als neuer Baustein ablesbar. Klare Raumgliederung Der Innenraum ist klar gegliedert und von wenigen ausgewählten Materialien bestimmt. Dadurch entsteht eine Atmosphäre, die behaglich ist und gleichzeitig die Konzentration fördert. Nebenfunktionen „verschwinden“ hinter einem Einbaumöbel aus Sperrholz, das außerdem den nötigen Stauraum und technische Geräte aufnimmt.

Innere Organisation Die innere Organisation ist einfach. Über einen Windfang gelangt man in einen kleinen Flur mit Garderobe. Speziell daran ist, dass diese beiden Bereiche sowie der Sanitärraum sich im bzw. hinter dem großen Einbaumöbel im Hauptraum befinden. So entsteht der Eindruck, dass es nur einen Raum gibt, und der Weg durch das Möbel ist ein Übergang von der allgemeinen Schulnutzung zu diesem besonderen Bereich. Unter den Schülern beliebt ist das Sitzfenster. Es bietet ergänzend zu den regulären Tischplätzen eine informellere Möglichkeit, die Bibliothek zu nutzen. Bezug zur Umgebung Die Position der Fenster ist auf die Umgebung abgestimmt. Da der Schulhof viel Ablenkung bietet, sind die Fenster hier hoch platziert. Das Sitzfenster liegt zu einem ruhigeren Pausenbereich mit einem großen Baum, sodass der gewünschte Außenbezug entsteht. Justus von Hantelmann Fotos: Juliane Jäger und Johannes Ernst unten Der Hauptraum ist frei gehalten, um eine flexible Nutzung zu ermöglichen


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Die Leipziger Stadtbibliothek beherbergte einst das „Alte Grassimuseum“ (Foto: ksg/Torsten Hanke)

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Haupttreppenhaus (Foto: ksg/Steffen Junghans)

LEIPZIGER STADTBIBLIOTHEK Der Umbau und die Modernisierung der Leipziger Stadtbibliothek – dem ursprünglichen Grassimuseum – wurden 2012 abgeschlossen. Neben den brandschutzund sicherheitstechnischen Ertüchtigungen oblag kister scheithauer gross architekten und stadtplaner (Köln/ Leipzig) auch die Sanierung der baulichen Hülle. In dem denkmalgeschützten Gebäude ist nun ein moderner Bibliotheksbetrieb möglich. Historie Das „Alte Grassimuseum“ am Wilhelm-Leuschner-Platz wurde 1894–1897 als Museum für Kunsthandwerk durch den Leipziger Stadtbauirektor Hugo Licht errichtet. Nach beträchtlichen Kriegsschäden wurde der Bau mit geringen Mitteln repariert und 1950–1990 als Bürogebäude genutzt. Darauf folgte die Nutzung als Hauptstelle der Städtischen Bibliotheken. Durch die Sanierung ergaben sich eine völlig neue funktionale Ordnung und eine angemessene Gestaltung des Eingangsbereichs sowie des Oberlichtsaals. Sichtbare Transformation Die Architekten erläutern das Konzept der Sanierung so: „Ein Baudenkmal wie dieses zu sanieren und umzubauen, ist eine besondere Aufgabe. Überaus spannend im Abriss, als sich unerwartete historische Strukturen zeigen – konstruktive aber auch dekorative – wie die historische Ausmalung von Kappendecken. Es galt, die bauzeitlichen Spuren zu berücksichtigen und die Innenräume des einstigen Museums mit dem modernen Bibliotheksbetrieb zu vereinen. Glücklicherweise dienen beide Nutzungen der Kommunikation von Menschen. Ein Aspekt, der die Transformation ungemein erleichterte und der heute insbesondere im Eingang und der Treppenhalle gut erlebbar ist.“

rechts Im Zuge der Sanierung wurden die bauzeitlichen konstruktiven Strukturen sichtbar gemacht und in das neue Nutzungskonzept überführt (Fotos: ksg/Steffen Junghans)

Zeitgemäße Nutzung Neben der Sanierung der Fassaden wurden die vorhandenen historischen Strukturen im Inneren freigelegt und saniert. Durch die Modernisierung entspricht das Gebäude den heutigen Anforderungen an eine Bibliothek: Selbstverbuchung, Benutzung auch während der Nachtzeiten sowie Print-onDemand sind jetzt möglich. Als modernes Dienstleistungsgebäude und Ort der Wissensvermittlung bietet die Stadtbibliothek den jährlich ca. 1 Mio. Besuchern den kompletten Service einer öffentlichen Bibliothek. ksg/Farina Kast


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SONDERLABORE DER UNIVERSITÄT LEIPZIG Die Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie der Universität Leipzig hat ihren Sitz in einem zentrumsnahen Quartier, dessen um 1878/79 entstandene Institutsbauten in den vergangenen Jahren schrittweise saniert wurden. 2007 haben Schulz und Schulz Architekten den Wettbewerb für einen Neubau gewonnen und bis 2009 die Planung auch praktisch umgesetzt. Solitärer Würfel Der Neubau nimmt Speziallabore auf, die nicht in die vorhandenen Fakultätsgebäude integriert werden konnten, wie z. B. Schalllabore, Molekularbiologische Labore oder Isotopenund Gentechniklabore. Ein Übergang im 1. Obergeschoss bindet an das benachbarte Institut für Biochemie an. Das Gebäude ist als Würfel mit 19 m Kantenlänge auf die Ecke des Baublocks gesetzt. Fluchten und Höhen orientieren sich an den umgebenden Altbauten. Offenheit und Durchlässigkeit des Quartiers bleiben durch die Solitärstellung gewahrt. Kompakter Dreibund Der auf reine Laborarbeit ausgerichtete Grundriss ist als kompakter Dreibund konzipiert. Die einzelnen Laboreinheiten werden über 3 x 3 m große Fenster in der Fassade abge-

bildet, die aus vorgehängten Stahlbetonfertigteilen besteht. Die hohen Sicherheitsstandards für die Speziallabore machten eine komplette mechanische Be- und Entlüftung des Gebäudes und eine partielle Sprinklerung erforderlich. Die daraus resultierende große Technikzentrale ist im obersten Geschoss angeordnet. Laborbautypische Dachaufbauten wurden vermieden. Schulz und Schulz Fotos: Werner Huthmacher

unten Trotz hoher Sicherheitsanforderungen wirkt das Laborgebäude im Stadtraum nicht abgeschottet


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oben und unten Das Wolkenlabor ist sichtbarer Ausdruck einer hoch technisierten Maschine, bei der sich alles um die Beherrschung der Wolke im Reagenzglas dreht

WOLKENLABOR

Um die teuren Feldversuche in der Wolkenforschung einzuschränken, entwickelte das Leipziger Institut für Troposphärenforschung einen Weg, sich die Wolken ins Labor zu holen. Dies geschieht mit einem neu entwickelten Wolkensimulator, der die natürliche Wolke auf einen linearen Partikelstrahl reduziert. Die Planung und Realisierung des Laborgebäudes übernahmen Schulz und Schulz Architekten 2003–2005. Wolke im Reagenzglas Der Wolkensimulator besteht aus einem bis zu 8 m langen vertikal angeordneten Strömungsrohr, das doppelwandig ausgebildet ist und von der Wolke durchströmt wird. Das Rohr steht in der Mitte eines zylindrischen fensterlosen Turms, in dem wiederum hochstabile Umgebungsbedingungen erzeugt werden. Es entsteht eine Wolke im Reagenzglas, deren Bildung und vor allem Veränderung durch menschliche Einflüsse untersucht wird. Symbolhafte Typologie Für die architektonische Formfindung wurde nicht der Weg gewählt, der über die Verarbeitung des emotionalisierenden Themas Wolken führt, also kein „wolkiges“ Gebäude, keine amorphe Form. Das Wolkenlabor ist vielmehr sichtbarer Ausdruck einer hoch technisierten Maschine, bei der sich alles um die Beherrschung der Wolke im Reagenzglas dreht. Die Einzigartigkeit der Versuchsanordnung des Wolkensimulators gibt dem Gebäude sein eigenständiges Erscheinungsbild. Um den im Zentrum stehenden 16 m hohen Turm mit dem Wolkensimulator sind die weiteren peripheren Laborund Büroräume eingeschossig angeordnet. Wie die symbolhafte Typologie des Gebäudes sind auch die Gestaltungselemente aus der Welt der Wolkenforschung abgeleitet. Schulz und Schulz Fotos: Stefan Müller-Naumann


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oben Das Motel One ist geprägt durch helle, geometrisch geformte Fassadenelemente

MOTEL ONE AM AUGUSTUSPLATZ Unmittelbar zwischen Nikolaikirche und Opernhaus wurde 2014 an der Grimmaischen Straße ein Bau aus den 1960er Jahren durch ein Geschäftshaus mit Hotelnutzung ersetzt. Den 2011 vorausgegangenen Wettbewerb konnte RKW Architektur + für sich entscheiden. Der Auftrag wurde später um die Ausführungsplanung für das gesamte Gebäude als Hotel und Geschäftshaus erweitert. Plastisch gefaltete Fassade Um der prominenten Adresse gerecht zu werden, war eine Fassade gefragt, die sich harmonisch einfügt, aber gleichzeitig eigenständig ist. Entstanden ist eine Außenhaut, die die ornamentale Ästhetik historischer Gebäude mit der strukturellen Logik der Moderne verbindet – zu einem Muster aus Fenstern und plastisch gefalteten Wandflächen. Auf dieser Struktur können Licht und Schatten spielen und ein lebendiges, variierendes Bild erzeugen. Technisch gelöst wurde die Aufgabe mit warm-weiß eingefärbten Sichtbeton-

fertigteilen, die in einem lokalen Werk mittels Matrizen gefertigt wurden. So konnte die geplante Geometrie präzise aus Faserbeton hergestellt werden. Konstruktive Details Die Schaufenster im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss erhielten eine Pfosten-Riegel-Konstruktion, die Fenster der Obergeschosse wurden mit Metallrahmenprofilen ausgeführt. Um einen Kontrast zum hellen Beton herzustellen, sind alle Fensterprofile matt und gussgrau beschichtet. Für eine dem hochwertigen Gesamteindruck

angemessene Werbung für die Handelsangebote im Erdgeschoss wurden hinterleuchtete Einzelbuchstaben gewählt. Freigestellte und ebenfalls hinterleuchtete Einzelbuchstaben vor einer schrägen Wandfläche bilden ein markantes Gebäudesignet an der Ecke zur Ritterstraße. RKW Architektur + Fotos: Gunter Binsack


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rechts Das Motel One zeigt sich als funktionaler, urbaner Hotelneubau inmitten seiner historischen Nachbarn

MOTEL ONE AN DER NIKOLAIKIRCHE Mit dem Motel One in der Nikolaistraße wurde 2009 ein neues Hotel in Leipzigs historischem Stadtzentrum eröffnet. Mit diesem Neubau in unmittelbarer Nähe zur Nikolaikirche wagte die Hotelkette den Schritt von den bisher bevorzugten Randlagen direkt in die Fußgängerzone, von einfachster Ausstattung zum DesignKonzept mit Wiedererkennungswert. Das Büro kister scheithauer gross architekten und stadtplaner (Köln/ Leipzig) war für die Fassadengestaltung zuständig. Planerische Richtwerte Aufgrund der städtebaulich prägnanten Lage wurde 2007 ein Gutachterwettbewerb ausgeschrieben, den kister scheithauer gross für sich entscheiden konnten. Bei der Fassadenkonzeption waren zwei gleichwertige Aspekte zu beachten: Neben der prominenten Umgebung mit Specks Hof, Riquet und Zeppelinhaus setzte vor allem die innere Organisation von 190 gleichmäßig angeordneten und zu belichtenden Hotelzimmern und Suiten Richtwerte für die Planung. Das auf einem Eckgrundstück gelegene Hotel reiht sich daher in die Straßenflucht mit ihrer historischen Vielfalt ein, ohne auf seine eigene Identität zu verzichten. Fassadengestaltung Fugenlos schließt der Neubau an das Zeppelinhaus im Norden an und orientiert sich mit seiner Gebäudehöhe an den Umgebungsbauten. Die Fassadengliederung folgt dem klassischen Prinzip aus Sockel, Mittelteil und Attika. Während das Erdgeschoss als Sockel

mit Betonfertigteilen, die im Sandstrahlverfahren behandelt wurden, verkleidet ist, erhielten die darüber liegenden Fassadenflächen einen hochwertigen Oberputz in Spachteltechnik. Rhythmisch angeordnete Wandpfeiler untergliedern das langstreckte Eckgebäude und entwickeln das Thema der Leipziger Messehäuser weiter. Zwei herauskragende Gebäudeversätze betonen die Ecksituation des Hotels und beziehen sich auf die historische Situation des Nikolaikirchhofs. In der Detailausbildung finden sich zwei weitere Gestaltungsmerkmale: Umlaufende Gesimse aus gesäuerten eingefärbten Betonfertigteilen als Reminiszenz an die reich geschmückten Nachbarbauten sowie französische Fenster als das typologische Element des Wohnens und damit eines Hotels.

Dabei erinnern die kleinen, in einer Linie durchlaufenden Balkone der dritten Hoteletage an die Beletage vergangener Zeiten. Konstruktive Details Aufgebaut sind die französischen Fenster als dreiteilige, bronzefarben eloxierte Konstruktion: Neben den beiden Feldern des Öffnungsflügels besteht der dritte Teil in mehreren Geschossen aus einem Lüftungselement. Als schallgedämmte Nachströmöffnung ausgeführt wird auf diese Weise den Zimmern frische Luft ohne störende Lärmbelästigungen zugeführt. ksg/Barbara Weyand Fotos: ksg


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rechts Die Fassade ist geprägt von horizontalen Deckenbändern und vertikalen Vorhangelementen

MEHRFAMILIENHAUS IN DER ARNDTSTRASSE In der gründerzeitlich geprägten Leipziger Südvorstadt wurde eine Eckbebauung realisiert, die den Block städtebaulich ergänzt. Das Haus von Hobusch+Kuppardt Architekten ordnet sich in der Bauflucht und Höhenentwicklung der Nachbarschaft unter. Gleichzeitig wird das Motiv einer Eckbebauung neu interpretiert. Raumprogramm Für eine Bauherrengemeinschaft aus 10 Familien wurden – ausgehend von einem Grundkonzept – individuelle Grundriss- und Ausstattungsvarianten entwickelt. Im erhöhten Erdgeschoss befinden sich eine Wohnung sowie Fahrradund Abstellräume. Darüber sind pro Geschoss jeweils zwei Wohnungen angeordnet. Das Dachgeschoss ist als Staffelgeschoss ausgebildet und beherbergt eine Penthousewohnung. Eine Tiefgarage nimmt die Stellplätze auf. Der kleine Gartenbereich ist als Gemeinschaftsfläche gestaltet. Organisatorisches Grundprinzip Das Grundprinzip der Wohnungen umfasst einen großen zentralen Wohnraum, der durch Terrassen erweitert wird, sowie kleinere Schlaf- und Nebenräume, die sich um den Wohnraum gruppieren. Alle Wohnungen sind in Grundrissdetails und Materialität unterschiedlich und behindertengerecht geplant. Flexible Innenwände dienen möglichen späteren Grundrissanpassungen. Die Erschließung erfolgt über ein großzügiges Entree und Treppenhaus mit Aufzug. Das Gebäude ist als klassischer Massivbau mit Mauerwerkswänden und Stahlbetondecken errichtet und mit einem guten Wärmedämmstandard laut ENEV ausgestattet. Zur Wärmeerzeugung wurde ein kleines Blockheizkraftwerk auf Gasbasis eingebaut.

Fassade Gestalterisches Konzept der Straßenfassade ist ihre Auflösung in horizontale Deckenbänder und vertikale Vorhangelemente. Die geputzten Bänder korrespondieren mit den Gesimsen der umgebenden Gründerzeitbebauung. Die „Vorhänge“ bestehen aus unregelmäßig gelochten und gewellten Edelstahlblechen, die einerseits als vorgehängte, hinterlüftete Fassadenelemente vor dem Wärmdämmverbundsystem (Wandbereich) eingesetzt sind und andererseits als Blendund Sichtschutz auf den Balkonen dienen. Dadurch gelingt das Verschmelzen der unterschiedlichen Fassadentypen in Verbindung mit einem sehr lebendigen Muster, das in der Nah- und Fernwirkung ein differenziertes Bild entstehen lässt. Bei Sonneneinfall ergeben sich im Gebäudeinneren interessante Schattenmuster. Die Glaselemente der Balkone und Fensterbrüstungen ordnen sich diesem Gesamtkonzept dezent unter. hobusch + kuppardt architekten Fotos: F. H. Müller unten Alle Wohnungen sind in ihrer Grundrissaufteilung und Materialität unterschiedlich und behindertengerecht geplant


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NEUE LEIPZIGER TERRASSEN Die Weiße Elster prägt als neue Lebensader den Leipziger Stadtteil Plagwitz. Unter Beachtung sowohl der zu Wohnzwecken umgenutzten, benachbarten Industriedenkmale als auch neuer Wohngebäude haben Osterwold°Schmidt Exp!ander Architekten 2017 eine Wohnbebauung mit großzügigem Bezug zum Wasser realisiert. Typologie Das Motiv der Leipziger Passagen und die Typologie der „Terrassen“ als innerquartierliche Erschließung in Großstädten ermöglicht eine effektive und konzentrierte Erreichbarkeit der neuen Häuser und mündet in der direkten Übersetzung als Terrasse mit partieller Absenkung der Kaimauer. Die städtebauliche Mäanderform der Neubebauung ist getrennt, sodass sowohl das Tor zur Stadt als auch das Tor zum Wasser mit baulicher Höhe formuliert sind und gleichermaßen eine bauliche Realisierung in Abschnitten gegeben war. Dabei konnte der Bestand an der Nonnenstraße unkompliziert in die neue Gebäudefigur einbezogen werden.

oben Die Verwendung von Klinker schafft einen Bezug zum einst rauen Industriecharme von Plagwitz (Foto: Michael Miltzow)

Wohnen und Gewerbe Die Chance einer gesamtheitlichen Lösung wurde durch die Verständigung zweier Bauherren genutzt. So konnte die stadträumliche Idee eines Quartiers durch einen weiteren Neubau für Wohnen und Gewerbe an der Industriestraße ausgeführt werden. Mit guter Flächen- und Grundstücksauslastung sind auch wirtschaftliche Vorteile verbunden. In der Kombination von 10 Stadthäusern auf dem ehemaligen Industrieareal und den zur Straße hin ausgerichteten Geschosswohnungen wurden insgesamt 65 Wohnungen für Eigentum und Miete realisiert. Sie orientieren sich mit Loggien, Dachgärten und Balkonen zum Fluss. Wohnen am Wasser Eine interne Erschließungsstraße bildet einen halböffentlichen Freiraum für die Anwohner als Ort für Gemeinschaft, Begegnung und Aufenthalt für jedermann. Auf diese Weise bleiben die Gartengrundstücke rein privater und geschützter Nutzung vorbehalten, die die unverbaubare Sicht zum Wasser gewährleisten. Die überwiegende Verklinkerung der Gebäude schafft einen Bezug zum einst rauen Industriecharme des Viertels und langfristige Wertigkeit. Zudem wurde das marode, aber charakteristische Bestandsgebäude in die neue Gebäudefigur einbezogen. Bäume spenden als städtisches Grün Licht- und Schatten. Das weit auskragende Turmhaus bildet einen überdachten Außenraum, die breite Freitreppe bietet Sitzmöglichkeiten und Aussicht auf den Fluss. Das besondere Flair der Großstadt am Wasser wird mit der vom Fluss bis zur Straße reichenden Wohnstruktur so herausgestellt, dass auf dem gesamten Areal ein gleichwertiges, vielfältiges Angebot für ein Wohnen in symbiotischer Nachbarschaft mit dem Fluss entsteht. Osterwold°Schmidt Exp!ander Architekten

oben und unten Auf dem ehemaligen Industrieareal wurden 10 Stadthäuser mit insgesamt 65 Wohnungen realisiert (Fotos: Michael Moser)

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Die Sanierung und die Erweiterung des LKG-Carrés in der Prager Straße wurden 2015 fertig gestellt (Foto: CG Gruppe)

Formgebend für das Mehrfamilienhaus in der Goldschmidtstraße war der dreieckige Zuschnitt des Grundstücks (Foto: Steffen Spitzner)

LKG-CARRÉ

MEHRFAMILIENHAUS

Das denkmalgeschützte Bestandsgebäude der ehem. Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft (LKG) nahe Johannisplatz, Grassi-Museum und Augustusplatz wurde durch das Büro homuth+partner architekten detailgetreu saniert und zur Befriedigung der heutigen Ansprüche an modernen Wohnkomfort u. a. um Aufzüge, zusätzliche Treppenhäuser und Balkone ergänzt. Darüber hinaus wurden die bekannte Leuchtreklame und der blaue „LKG“-Schriftzug originalgetreu restauriert und an alter Stelle platziert. Erweitert wurde der Altbau durch einen modernen Neubau, wodurch die vor dem Zweiten Weltkrieg existente städtebauliche Situation wieder hergestellt werden konnte. Dabei ist die architektonische Großform des Neubaus, der sich entlang der Hauptverkehrsstraße hervorragend einfügt, gewollt. Insgesamt entstanden in drei Bauteilen 335 Wohnungen mit gehobener Ausstattung, einige Büro-/ Ladenflächen sowie eine zweigeschossige Tiefgarage mit 216 Stellplätzen. Mit 25.000 m² Wohnfläche ist das LKG eines der größten Wohnbauprojekte Leipzigs der letzten Jahre.

Umgeben von großbürgerlichen historischen Gebäuden entstand 2015 durch homuth+partner architekten in der Goldschmidtstraße in Leipzig ein modernes Wohnhaus mit bestechend klarer Architektur. Eine Herausforderung lag in dem dreieckigen Grundstückszuschnitt, der sich in der eigenständigen schlichten Bauform widerspiegelt. Besonders die nur 24 Grad ausmachende Gebäudespitze gibt dem Gebäude seine markante Erscheinung. Insgesamt 2.250 m² Wohnfläche sind auf 20 Wohneinheiten verteilt und wurden an Eigennutzer verkauft. Auf dem Grundstück befand sich vormals der Garten der einst auf dem Areal beheimateten Villa Keil, der trotz denkmalpflegerischer Untersuchung nicht mehr zu rekonstruieren war. Als Reminiszenz wurde der denkmalgeschützte Zaun aus Sandstein aufgearbeitet und erhalten.

unten links LKG-Carré (Foto: CG-Gruppe) unten Mitte LKG-Carré: Freiraumgestaltung mit hochwertiger Aufenthaltsqualität (Foto: CG-Gruppe) unten rechts Mehrfamilienhaus in der Goldschmidtstraße: Penthousewohnung (Foto: Steffen Spitzner)


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Der Umbau und die Sanierung der einst als Kaserne genutzten „Kaisergärten“ erfolgten 2008–2011 (Foto: Licon AG)

Der Name Wellenwerk nimmt Bezug auf die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes als Mühlenbetrieb (Foto: HANSA Real Estate AG)

KAISERGÄRTEN

WELLENWERK IV

Die Entwicklung des ehemaligen Bekleidungsamtes des XIX. Armeekorps war 2005 die Initialzündung für die Revitalisierung des gesamten ehemaligen Kasernenareals im Leipziger Norden. Das unter dem Begriff „Kaisergärten“ vermarktete, denkmalgeschützte Gebäudeensemble besteht aus 9 Baukörpern, wurde 2008–2011 durch homuth+ partner architekten in Abstimmung mit dem Denkmalschutz hochwertig saniert und einer wohnwirtschaftlichen Nutzung zugeführt. Zum damaligen Zeitpunkt waren Investor und Bauherr sich schnell einig, dass eine Nachverdichtung mit Neubauten den Charakter der einstigen Exerzierflächen zerstören würde. So entstand eine Wohnanlage mit sehr hohem Grünanteil, wobei auch der riesige Innenhofbereich durch die Ausbildung einer Tiefgarage komplett vom PKW-Verkehr freigehalten wurde. Durch die sehr erfolgreiche Vermarktung wurde in den Folgejahren die südlich angrenzende Theodor-Körner-Kaserne ebenfalls zu einem wohnwirtschaftlich genutzten Wohnensemble umgestaltet. Unter dem Begriff „Siebengrün“ wurden die denkmalgeschützten Verwaltungsgebäude saniert und die historischen Pferdestallungen zu Reihenhäusern umgeplant. Zum Kasernenareal des Leipziger Nordens gehören weiterhin die Heeresbäckerei und das Werk Motor, welche sich derzeit in Planung bzw. im Bau befinden. Das Gesamtareal umfasst ca. 18 ha Fläche und wird bei seiner Gesamtfertigstellung über mehr als 1.000 Wohneinheiten verfügen.

Eine besondere Herausforderung war die Umwandlung der ehemaligen Kunst- und Roggenmühle Zickmantel und Schmidt in eine exklusive Wohnanlage mit 25 Nutzungseinheiten. Die Sanierungsplanung für das im Leipziger Stadtteil Großzschocher gelegene Gebäudeensemble stammt von homuth+partner architekten. In enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz entwickelten sie für das ursprünglich fensterlose Speichergebäude unter Beibehaltung der Grundstruktur Fassaden- und Balkonanlagen, welche die heutige Nutzung eindeutig erkennen lassen. Lediglich die Bauform und erhalten gebliebene Gliederungselemente wie Lisenen oder Gesimse weisen noch auf die historische Nutzung des Gebäudes hin. Das sog. Wellenwerk IV ist ein gelungenes Beispiel für die Revitalisierung und Umwidmung eines Industriegebäudes in eine wohnwirtschaftliche Nutzung, zumal die Wohnraumbelichtung und die für die Wohnwirtschaft wichtigen Freisitze generell relevante Kriterien für die Abstimmung mit dem Denkmalschutz darstellen. homuth+partner architekten

unten links und Mitte Quartier „Siebengrün“ (Foto: Licon AG) unten rechts Wohnanlage „Wellenwerk IV“ (Foto: HANSA Real Estate AG)


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rechts Die bestehende Betonkassettendecke wurde bewusst sichtbar gelassen und steht im spannungsvollen Dialog mit den neu eingebrachten Holzoberflächen

JUDOHALLE HOLZHAUSEN Der Judo Holzhausen e.V. erwarb 2015 eine ursprünglich als Heizhaus genutzte Lagerhalle, die Ende der 1960er Jahre in DDR-Typenbauweise im Osten Leipzigs errichtet worden war. Die ungedämmte und in Betonbauweise errichtete Halle ist kein großes Baudenkmal, dennoch verkörpert sie mit ihrer charakteristischen Betonkassettendecke und ihrer Fertigteilfassade ein kleines Zeugnis der damaligen Baukultur. Schoener und Panzer Architekten BDA planten und realisierten den Umbau und erhielten dafür den Architekturpreis der Stadt Leipzig 2017. Die dreiseitig anschließende Nachbarbebauung der Halle forderte zur energetischen Ertüchtigung eine Innendämmung der Wände, lediglich das Dach konnte von außen gedämmt werden. Aus dieser Rahmenbedingung entstand die Chance, das äußere Erscheinungsbild unverändert beizubehalten und im Gebäudeinneren einen spannungsvollen Dialog zwischen der bestehenden Struktur und dem neuen Einbau entstehen zu lassen. Ökologische Bauweise Für den Ausbau der Halle kamen fast ausschließlich Komponenten aus Holz oder Holzwerkstoffen zum Einsatz. Damit wurde einerseits das Ziel einer ökologischen und umweltschonenden Bauweise auch an der Oberfläche sichtbar gemacht, andererseits konnten damit die äußerst engen Budgetgrenzen eingehalten werden. Holzoberflächen Die Dämmebene wurde auf der Innenseite der Betonfertigteilfassade durch eine Zelluloseflockung projektiert, die zwischen Außenwand und Dampfsperre eingeblasen wurde. Die raumhohe Verkleidung aus weiß lasierten Fichtensperrholzplatten ist im unteren Bereich als Prallwandkonstruktion ausgeführt. Das von oben gedämmte und zur natürlichen Belichtung und Belüftung mit Lichtkuppeln ertüchtigte Dach lässt die Kassettendecke und die Hauptträger im Raum wirken, lediglich die äußere Kassette wurde, um eine Flankenwirkung zu erzielen, ebenfalls von innen gedämmt. Wandbild Für das Wandbild, das den Gründer des Judosports, Kano Jigoro, darstellt, wurden die Sperrholzplatten partiell mit einer Lochfräsung ausgeführt. Das Bild wurde von den Architekten entwickelt und in der Werkstatt für behinderte Menschen der Leipziger Lebenshilfe hergestellt. Rezyklierbarkeit Der Sportboden besteht aus einem auf Wärmedämmung gelagerten Holzschwingboden und einer 20 mm starken Eichenparkettschicht. Der komplette Bodenaufbau wurde

in einer anderen Leipziger Sporthalle nicht mehr für sanierungsfähig befunden, unter Mithilfe der Architekten und Bauherren ausgebaut, aufgearbeitet und in der Judohalle wieder eingebaut. Der äußerst hochwertige und dennoch preiswerte Sportboden steht damit symbolhaft für die Rezyklierbarkeit und Langlebigkeit des Werkstoffes Holz. 2017 wurde die Halle um einen Erweiterungsbau ergänzt, der als Funktionsgebäude Umkleide- und Sanitärbereiche sowie einen Kraftraum umfasst. Schoener und Panzer Architekten BDA Fotos: Margret Hoppe


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Impressum BAUKULTUR – Zeitschrift des DAI 40. Jahrgang ISSN 1862-9571 Herausgeber DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V. DAI Geschäftsstelle Albrechtstraße 13, Aufgang A 10117 Berlin Telefon: +49 (0)30.214 731 74 E-Mail: kontakt@dai.org www.dai.org DAI Geschäftsführung Udo Sonnenberg M.A. E-Mail: sonnenberg@dai.org DAI Präsidium Prof. Dipl-Ing. Christian Baumgart (Präsident) Dipl.-Ing. Arnold Ernst (Vizepräsident) Dipl.-Ing. Alexander von Canal (Schatzmeister) Dipl.-Ing. Dagmar Schierholz (Veranstaltungen und Mitgliederbetreuung) Marion Uhrig-Lammersen (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) Verlag, Gestaltung, Anzeigenverwaltung VBK Verlag S. Kuballa Verlag für Bau + Kultur Zur Leiten 11 95517 Emtmannsberg (Lkr. Bayreuth) Telefon: +49 (0)9209.91 86 240 Telefax: +49 (0)3212.45 26 570 E-Mail: info@vbk-verlag.de www.vbk-verlag.de Chefredaktion Susanne Kuballa M.A. E-Mail: kuballa@dai.org Anschrift wie Verlag Redaktion Dipl.-Ing. Sylvia Jung E-Mail: jung@vbk-verlag.de Anzeigen Dipl.-BW (FH) Ines Moritz E-Mail: moritz@vbk-verlag.de Gültig ist Anzeigenpreisliste Nr. 12 vom 1.10.2017. Druck Benedict Press Vier-Türme GmbH Abtei Münsterschwarzach www.benedictpress.de Der Bezug der Zeitschrift ist im DAI Mitgliedsbeitrag enthalten.

Vorschau Ausgabe 6_2018 >> umBAUKULTUR Autoren dieser Ausgabe Sabrina Ginter Bundesstiftung Baukultur Potsdam www.bundesstiftung-baukultur.de

Igor Piniek ingenieurbüromorgenstern Leipzig www.ib-morgenstern.de

Justus von Hantelmann Irlenbusch von Hantelmann Architekten PartG mbB Leipzig www.ih-architekten.de

Osterwold°Schmidt Exp!ander Architekten BDA Weimar www.osterwold-schmidt.de

hobusch + kuppardt architekten gbr Leipzig www.hobusch-kuppardt.de

RKW Architektur + Rhode Kellermann Wawrowsky GmbH Düsseldorf / Büro Leipzig www.rkw.plus/de

homuth+partner architekten Leipzig www.homuth-architekten.de

Schoener und Panzer Architekten BDA Leipzig www.supa.info

kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH Köln / Büro Leipzig www.ksg-architekten.info

Schulz und Schulz Architekten GmbH Leipzig ww.schulz-und-schulz.com

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BAUKULTUR | Zeitschrift des DAI | September 2018 | Ausgabe 5 | ISSN 1862-9571

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